Denn haben wir nicht meistenteils die Schwâ°che, daï¬ wir jemanden auch zu seinem Besten nicht gern quâ°len mËgen?
Charlotte sann alle Mittel durch, endlich geriet sie auf den Gedanken, jenen Geh¸lfen aus der Pension kommen zu lassen, der ¸ber Ottilien viel vermochte, der wegen ihres unvermuteten Auï¬enbleibens sich sehr freundlich geâ°uï¬ert, aber keine Antwort erhalten hatte.
Man spricht, um Ottilien nicht zu ¸berraschen, von diesem Vorsatz in ihrer Gegenwart.
Sie scheint nicht einzustimmen; sie bedenkt sich; endlich scheint ein Entschluï¬ in ihr zu reifen, sie eilt nach ihrem Zimmer und sendet noch vor Abend an die Versammelten folgendes Schreiben.
“Warum soll ich ausdr¸cklich sagen, meine Geliebten, was sich von selbst versteht?
Ich bin aus meiner Bahn geschritten, und ich soll nicht wieder hinein.
Ein feindseliger Dâ°mon, der Macht ¸ber mich gewonnen, scheint mich von auï¬en zu hindern, hâ°tte ich mich auch mit mir selbst wieder zur Einigkeit gefunden.
Ganz rein war mein Vorsatz, Eduarden zu entsagen, mich von ihm zu entfernen.
Ihm hofft ich nicht wieder zu begegnen.
Es ist anders geworden; er stand selbst gegen seinen eigenen Willen vor mir.
Mein Versprechen, mich mit ihm in keine Unterredung einzulassen, habe ich vielleicht zu buchstâ°blich genommen und gedeutet.
Nach Gef¸hl und Gewissen des Augenblicks schwieg ich, verstummt ich vor dem Freunde, und nun habe ich nichts mehr zu sagen.
Ein strenges Ordensgel¸bde, welches den, der es mit ¸berlegung eingeht, vielleicht unbequem â°ngstiget, habe ich zufâ°llig, vom Gef¸hl gedrungen, ¸ber mich genommen.
Laï¬t mich darin beharren, solange mir das Herz gebietet.
Beruft keine Mittelsperson!
Dringt nicht in mich, daï¬ ich reden, daï¬ ich mehr Speise und Trank genieï¬en soll, als ich hËchstens bedarf.
Helft mir durch Nachsicht und Geduld ¸ber diese Zeit hinweg.
Ich bin jung, die Jugend stellt sich unversehens wieder her. Duldet mich in eurer Gegenwart, er freut mich durch eure Liebe, belehrt mich durch eure Unterhaltung; aber mein Innres ¸berlaï¬t mir selbst!” Die lâ°ngst vorbereitete Abreise der Mâ°nner unterblieb, weil jenes auswâ°rtige Geschâ°ft des Majors sich verzËgerte.
Wie erw¸nscht f¸r Eduard!
Nun durch Ottiliens Blatt aufs neue angeregt, durch ihre trostvollen, hoffnunggebenden Worte wieder ermutigt und zu standhaftem Ausharren berechtigt, erklâ°rte er auf einmal, er werde sich nicht entfernen.
“Wie tËricht”, rief er aus, “das Unentbehrlichste, Notwendigste vorsâ°tzlich, voreilig wegzuwerfen, das, wenn uns auch der Verlust bedroht, vielleicht noch zu erhalten wâ°re!
Und was soll es heiï¬en?
Doch nur, daï¬ der Mensch ja scheine, wollen, wâ°hlen zu kËnnen.
So habe ich oft, beherrscht von solchem albernen D¸nkel, Stunden, ja Tage zu fr¸h mich von Freunden losgerissen, um nur nicht von dem letzten, unausweichlichen Termin entschieden gezwungen zu werden.
Diesmal aber will ich bleiben.
Warum soll ich mich entfernen?
Ist sie nicht schon von mir entfernt?
Es fâ°llt mir nicht ein, ihre Hand zu fassen, sie an mein Herz zu dr¸cken; sogar darf ich es nicht denken, es schaudert mir.
Sie hat sich nicht von mir weg, sie hat sich ¸ber mich weg gehoben”.
Und so blieb er, wie er wollte, wie er muï¬te.
Aber auch dem Behagen glich nichts, wenn er sich mit ihr zusammenfand.
Und so war auch ihr dieselbe Empfindung geblieben; auch sie konnte sich dieser seligen Notwendigkeit nicht entziehen.
Nach wie vor ¸bten sie eine unbeschreibliche, fast magische Anziehungskraft gegeneinander aus.
Sie wohnten unter Einem Dache; aber selbst ohne gerade aneinander zu denken, mit andern Dingen beschâ°ftigt, von der Gesellschaft hin und her gezogen, nâ°herten sie sich einander.
Fanden sie sich in Einem Saale, so dauerte es nicht lange, und sie standen, sie saï¬en nebeneinader.
Nur die nâ°chste Nâ°he konnte sie beruhigen, aber auch vËllig beruhigen, und diese Nâ°he war genug; nicht eines Blickes, nicht eines Wortes, keiner Gebâ°rde, keiner Ber¸hrung bedurfte es, nur des reinen Zusammenseins.
Dann waren es nicht zwei Menschen, es war nur Ein Mensch im bewuï¬tlosen, vollkommnen Behagen, mit sich selbst zufrieden und mit der Welt.
Ja, hâ°tte man eins von beiden am letzten Ende der Wohnung festgehalten, das andere hâ°tte sich nach und nach von selbst, ohne Vorsatz, zu ihm hinbewegt.
Das Leben war ihnen ein Râ°tsel, dessen AuflËsung sie nur miteinander fanden.
Ottilie war durchaus heiter und gelassen, so daï¬ man sich ¸ber sie vËllig beruhigen konnte.
Sie entfernte sich wenig aus der Gesellschaft, nur hatte sie es erlangt, allein zu speisen.
Niemand als Nanny bediente sie.
Was einem jeden Menschen gewËhnlich begegnet, wiederholt sich mehr, als man glaubt, weil seine Natur hiezu die nâ°chste Bestimmung gibt.
Charakter, Individualitâ°t, Neigung, Richtung, Ërtlichkeit, Umgebungen und Gewohnheiten bilden zusammen ein Ganzes, in welchem jeder Mensch wie in einem Elemente, in einer Atmosphâ°re schwimmt, worin es ihm allein bequem und behaglich ist.
Und so finden wir die Menschen, ¸ber deren Verâ°nderlichkeit so viele Klage gef¸hrt wird, nach vielen Jahren zu unserm Erstaunen unverâ°ndert und nach â°uï¬ern und innern unendlichen Anregungen unverâ°nderlich.
So bewegte sich auch in dem tâ°glichen Zusammenleben unserer Freunde fast alles wieder in dem alten Gleise.
Noch immer â°uï¬erte Ottilie stillschweigend durch manche Gefâ°lligkeit ihr zuvorkommendes Wesen, und so jedes nach seiner Art.
Auf diese Weise zeigte sich der hâ°usliche Zirkel als ein Scheinbild des vorigen Lebens, und der Wahn, als ob noch alles beim alten sei, war verzeihlich.
Die herbstlichen Tage, an Lâ°nge jenen Fr¸hlingstagen gleich, riefen die Gesellschaft um eben die Stunde aus dem Freien ins Haus zur¸ck.
Der Schmuck an Fr¸chten und Blumen, der dieser Zeit eigen ist, lieï¬ glauben, als wenn es der Herbst jenes ersten Fr¸hlings wâ°re; die Zwischenzeit war ins Vergessen gefallen.
Denn nun bl¸hten die Blumen, dergleichen man in jenen ersten Tagen auch gesâ°et hatte; nun reiften Fr¸chte an den Bâ°umen, die man damals bl¸hen gesehen.
Der Major ging ab und zu; auch Mittler lieï¬ sich Ëfter sehen. Die Abendsitzungen waren meistens regelmâ°ï¬ig.
Eduard las gewËhnlich, lebhafter, gef¸hlvoller, besser, ja sogar heiterer, wenn man will, als jemals.
Es war, als wenn er, so gut durch FrËhlichkeit als durch Gef¸hl, Ottiliens Erstarren wieder beleben, ihr Schweigen wieder auflËsen wollte.
Er setzte sich wie vormals, daï¬ sie ihm ins Buch sehen konnte, ja er ward unruhig, zerstreut, wenn sie nicht hineinsah, wenn er nicht gewiï¬ war, daï¬ sie seinen Worten mit ihren Augen folgte.
Jedes unerfreuliche, unbequeme Gef¸hl der mittleren Zeit war ausgelËscht.
Keines trug mehr dem andern etwas nach; jede Art von Bitterkeit war verschwunden.
Der Major begleitete mit der Violine das Klavierspiel Charlottens, so wie Eduards FlËte mit Ottiliens Behandlung des Saiteninstruments wieder wie vormals zusammentraf.
So r¸ckte man dem Geburtstage Eduards nâ°her, dessen Feier man vor einem Jahre nicht erreicht hatte.
Er sollte ohne Festlichkeit in stillem, freundlichem Behagen diesmal gefeiert werden.
So war man, halb stillschweigend halb ausdr¸cklich, miteinander ¸bereingekommen.
Doch je nâ°her diese Epoche heranr¸ckte, vermehrte sich das Feierliche in Ottiliens Wesen, das man bisher mehr empfunden als bemerkt hatte.
Sie schien im Garten oft die Blumen zu mustern; sie hatte dem Gâ°rtner angedeutet, die Sommergewâ°chse aller Art zu schonen, und sich besonders bei den Astern aufgehalten, die gerade dieses Jahr in unmâ°ï¬iger Menge bl¸hten.
Das Bedeutendste jedoch, was die Freunde mit stiller Aufmerksamkeit beobachteten, war, daï¬ Ottilie den Koffer zum erstenmal ausgepackt und daraus verschiedenes gewâ°hlt und abgeschnitten hatte, was zu einem einzigen, aber ganzen und vollen Anzug hinreichte.
Als sie das ¸brige mit Beih¸lfe Nannys wieder einpacken wollte, konnte sie kaum damit zustande kommen; der Raum war ¸bervoll, obgleich schon ein Teil herausgenommen war.
Das junge habgierige Mâ°dchen konnte sich nicht satt sehen, besonders da sie auch f¸r alle kleineren St¸cke des Anzugs gesorgt fand.
Schuhe, Str¸mpfe, Strumpfbâ°nder mit Devisen, Handschuhe und so manches andere war noch ¸brig.
Sie bat Ottilien, ihr nur etwas davon zu schenken.
Diese verweigerte es, zog aber sogleich die Schublade einer Kommode heraus und lieï¬ das Kind wâ°hlen, das hastig und ungeschickt zugriff und mit der Beute gleich davonlief, um den ¸brigen Hausgenossen ihr Gl¸ck zu verk¸nden und vorzuzeigen.
Zuletzt gelang es Ottilien, alles sorgfâ°ltig wieder einzuschichten; sie Ëffnete hierauf ein verborgenes Fach, das im Deckel angebracht war.
Dort hatte sie kleine Zettelchen und Briefe Eduards, mancherlei aufgetrocknete Blumenerinnerungen fr¸herer Spaziergâ°nge, eine Locke ihres Geliebten und was sonst noch verborgen.
Noch eins f¸gte sie hinzu–es war das Portrâ°t ihres Vaters–und verschloï¬ das Ganze, worauf sie den zarten Schl¸ssel an dem goldnen Kettchen wieder um den Hals an ihre Brust hing.
Mancherlei Hoffnungen waren indes in dem Herzen der Freunde rege geworden.
Charlotte war ¸berzeugt, Ottilie werde auf jenen Tag wieder zu sprechen anfangen; denn sie hatte bisher eine heimliche Geschâ°ftigkeit bewiesen, eine Art von heiterer Selbstzufriedenheit, ein Lâ°cheln, wie es demjenigen auf dem Gesichte schwebt, der Geliebten etwas Gutes und Erfreuliches verbirgt.
Niemand wuï¬te, daï¬ Ottilie gar manche Stunde in groï¬er Schwachheit hinbrachte, aus der sie sich nur f¸r die Zeiten, wo sie erschien durch Geisteskraft emporhielt.
Mittler hatte sich diese Zeit Ëfters sehen lassen und war lâ°nger geblieben als sonst gewËhnlich.
Der hartnâ°ckige Mann wuï¬te nur zu wohl, daï¬ es einen gewissen Moment gibt, wo allein das Eisen zu schmieden ist.
Ottiliens Schweigen sowie ihre Weigerung legte er zu seinen Gunsten aus.
Es war bisher kein Schritt zu Scheidung der Gatten geschehen; er hoffte das Schicksal des guten Mâ°dchens auf irgendeine andere g¸nstige Weise zu bestimmen; er horchte, er gab nach, er gab zu verstehen und f¸hrte sich nach seiner Weise klug genug auf.
Allein ¸berwâ°ltigt war er stets, sobald er Anlaï¬ fand, sein Râ°sonnement ¸ber Materien zu â°uï¬ern, denen er eine groï¬e Wichtigkeit beilegte.
Er lebte viel in sich, und wenn er mit andern war, so verhielt er sich gewËhnlich nur handelnd gegen sie.
Brach nun einmal unter Freunden seine Rede los, wie wir schon Ëfter gesehen haben, so rollte sie ohne R¸cksicht fort, verletzte oder heilte, nutzte oder schadete, wie es sich gerade f¸gen mochte.
Den Abend vor Eduards Geburtstage saï¬en Charlotte und der Major Eduarden, der ausgeritten war, erwartend beisammen; Mittler ging im Zimmer auf und ab; Ottilie war auf dem ihrigen geblieben, den morgenden Schmuck auseinanderlegend und ihrem Mâ°dchen manches andeutend, welches sie vollkommen verstand und die stummen Anordnungen geschickt befolgte.
Mittler war gerade auf eine seiner Lieblingsmaterien gekommen. Er pflegte gern zu behaupten, daï¬ sowohl bei der Erziehung der Kinder als bei der Leitung der VËlker nichts ungeschickter und barbarischer sei als Verbote, als verbietende Gesetze und Anordnungen.
“Der Mensch ist von Hause aus tâ°tig”, sagte er; “und wenn man ihm zu gebieten versteht, so fâ°hrt er gleich dahinter her, handelt und richtet aus.
Ich f¸r meine Person mag lieber in meinem Kreise Fehler und Gebrechen so lange dulden, bis ich die entgegengesetzte Tugend gebieten kann, als daï¬ ich den Fehler los w¸rde und nichts Rechtes an seiner Stelle sâ°he.
Der Mensch tut recht gern das Gute, das Zweckmâ°ï¬ige, wenn er nur dazu kommen kann; er tut es, damit er was zu tun hat, und sinnt dar¸ber nicht weiter nach als ¸ber alberne Streiche, die er aus M¸ï¬iggang und langer Weile vornimmt.
Wie verdrieï¬lich ist mirs oft, mit anzuhËren, wie man die Zehn Gebote in der Kinderlehre wiederholen lâ°ï¬t.
Das vierte ist noch ein ganz h¸bsches, vern¸nftiges, gebietendes Gebot.
‘Du sollst Vater und Mutter ehren’. Wenn sich das die Kinder recht in den Sinn schreiben, so haben sie den ganzen Tag daran auszu¸ben.
Nun aber das f¸nfte, was soll man dazu sagen?
‘Du sollst nicht tËten’.
Als wenn irgendein Mensch im mindesten Lust hâ°tte, den andern totzuschlagen!
Man haï¬t einen, man erz¸rnt sich, man ¸bereilt sich, und in Gefolg von dem und manchem andern kann es wohl kommen, daï¬ man gelegentlich einen totschlâ°gt.
Aber ist es nicht eine barbarische Anstalt, den Kindern Mord und Totschlag zu verbieten?
Wenn es hieï¬e: ‘sorge f¸r des andern Leben, entferne, was ihm schâ°dlich sein kann, rette ihn mit deiner eigenen Gefahr; wenn du ihn beschâ°digst, denke, daï¬ du dich selbst beschâ°digst’: das sind Gebote, wie sie unter gebildeten, vern¸nftigen VËlkern statthaben und die man bei der Katechismuslehre nur k¸mmerlich in dem ‘was ist das?’ nachschleppt.
Und nun gar das sechste, das finde ich ganz abscheulich!
Was?
Die Neugierde vorahnender Kinder auf gefâ°hrliche Mysterien reizen, ihre Einbildungskraft zu wunderlichen Bildern und Vorstellungen aufregen, die gerade das, was man entfernen will, mit Gewalt heranbringen!
Weit besser wâ°re es, daï¬ dergleichen von einem heimlichen Gericht willk¸rlich bestraft w¸rde, als daï¬ man vor Kirch und Gemeinde davon plappern lâ°ï¬t”.
In dem Augenblick trat Ottilie herein.
“Du sollst nicht ehebrechen”, fuhr Mittler fort.
“Wie grob, wie unanstâ°ndig!
Klâ°nge es nicht ganz anders, wenn es hieï¬e: ‘du sollst Ehrfurcht haben vor der ehelichen Verbildung; wo du Gatten siehst, die sich lieben, sollst du dich dar¸ber freuen und teil daran nehmen wie an dem Gl¸ck eines heitern Tages.
Sollte sich irgend in ihrem Verhâ°ltnis etwas tr¸ben, so sollst du suchen, es aufzuklâ°ren; du sollst suchen, sie zu beg¸tigen, sie zu besâ°nftigen, ihnen ihre wechselseitigen Vorteile deutlich zu machen, und mit schËner Uneigenn¸tzigkeit das Wohl der andern fËrdern, indem du ihnen f¸hlbar machst, was f¸r ein Gl¸ck aus jeder Pflicht und besonders aus dieser entspringt, welche Mann und Weib unauflËslich verbindet?” Charlotte saï¬ wie auf Kohlen, und der Zustand war ihr um so â°ngstlicher, als sie ¸berzeugt war, daï¬ Mittler nicht wuï¬te, was und wo ers sagte, und ehe sie ihn noch unterbrechen konnte, sah sie schon Ottilien, deren Gestalt sich verwandelt hatte, aus dem Zimmer gehen.
“Sie erlassen uns wohl das siebente Gebot”, sagte Charlotte mit erzwungenem Lâ°cheln.
“Alle die ¸brigen”, versetzte Mittler, “wenn ich nur das rette, worauf die andern beruhen”.
Mit entsetzlichem Schrei hereinst¸rzend rief Nanny: “sie stirbt!
Das Frâ°ulein stirbt!
Kommen Sie!
Kommen Sie!” Als Ottilie nach ihrem Zimmer schwankend zur¸ckgekommen war, lag der morgende Schmuck auf mehreren St¸hlen vËllig ausgebreitet, und das Mâ°dchen, das betrachtend und bewundernd daran hin und her ging, rief jubelnd aus: “sehen Sie nur, liebstes Frâ°ulein, das ist ein Brautschmuck, ganz Ihrer wert!” Ottilie vernahm diese Worte und sank auf den Sofa.
Nanny sieht ihre Herrin erblassen, erstarren; sie lâ°uft zu Charlotten; man kommt.
Der â°rztliche Hausfreund eilt herbei; es scheint ihm nur eine ErschËpfung.
Er lâ°ï¬t etwas Kraftbr¸he bringen; Ottilie weist sie mit Abscheu weg, ja sie fâ°llt fast in Zuckungen, als man die Tasse dem Munde nâ°hert.
Er fragt mit Ernst und Hast, wie es ihm der Umstand eingab, was Ottilie heute genossen habe.
Das Mâ°dchen stockt; er wiederholt seine Frage; das Mâ°dchen bekennt, Ottilie habe nichts genossen.
Nanny scheint ihm â°ngstlicher als billig.
Er reiï¬t sie in ein Nebenzimmer, Charlotte folgt, das Mâ°dchen wirft sich auf die Kniee, sie gesteht, daï¬ Ottilie schon lange so gut wie nichts genieï¬e.
Auf Andringen Ottiliens habe sie die Speisen an ihrer Statt genossen; verschwiegen habe sie es wegen bittender und drohender Gebâ°rden ihrer Gebieterin, und auch, setzte sie unschuldig hinzu, weil es ihr gar so gut geschmeckt.
Der Major und Mittler kamen heran; sie fanden Charlotten tâ°tig in Gesellschaft des Arztes.
Das bleiche himmlische Kind saï¬, sich selbst bewuï¬t, wie es schien, in der Ecke des Sofas.
Man bittet sie, sich niederzulegen; sie verweigerts, winkt aber, daï¬ man das KËfferchen herbeibringe.
Sie setzt ihre F¸ï¬e darauf und findet sich in einer halb liegenden, bequemen Stellung.
Sie scheint Abschied nehmen zu wollen, ihre Gebâ°rden dr¸cken den Umstehenden die zarteste Anhâ°nglichkeit aus, Liebe, Dankbarkeit, Abbitte und das herzlichste Lebewohl.
Eduard, der vom Pferde steigt, vernimmt den Zustand, er st¸rzt in das Zimmer, er wirft sich an ihre Seite nieder, faï¬t ihre Hand und ¸berschwemmt sie mit stummen Trâ°nen.
So bleibt er lange.
Endlich ruft er aus: “soll ich deine Stimme nicht wieder hËren?
Wirst du nicht mit einem Wort f¸r mich ins Leben zur¸ckkehren?
Gut, gut!
Ich folge dir hin¸ber; da werden wir mit andern Sprachen reden!” Sie dr¸ckt ihm krâ°ftig die Hand, sie blickt ihn lebevoll und liebevoll an, und nach einem tiefen Atemzug, nach einer himmlischen, stummen Bewegung der Lippen: “versprich mir zu leben!” ruft sie aus, mit holder, zâ°rtlicher Anstrengung; doch gleich sinkt sie zur¸ck.
“Ich versprech es!” rief er ihr entgegen, doch rief er es ihr nur nach; sie war schon abgeschieden.
Nach einer trâ°nenvollen Nacht fiel die Sorge, die geliebten Reste zu bestatten, Charlotten anheim.
Der Major und Mittler standen ihr bei.
Eduards Zustand war zu bejammern.
Wie er sich aus seiner Verzweiflung nur hervorheben und einigermaï¬en besinnen konnte, bestand er darauf, Ottilie sollte nicht aus dem Schlosse gebracht, sie sollte gewartet, gepflegt, als eine Lebende behandelt werden; denn sie sei nicht tot, sie kËnne nicht tot sein.
Man tat ihm seinen Willen, insofern man wenigstens das unterlieï¬, was er verboten hatte.
Er verlangte nicht, sie zu sehen.
Noch ein anderer Schreck ergriff, noch eine andere Sorge beschâ°ftigte die Freunde.
Nanny, von dem Arzt heftig gescholten, durch Drohungen zum Bekenntnis genËtigt und nach dem Bekenntnis mit Vorw¸rfen ¸berhâ°uft, war entflohen.
Nach langem Suchen fand man sie wieder, sie schien auï¬er sich zu sein.
Ihre Eltern nahmen sie zu sich.
Die beste Begegnung schien nicht anzuschlagen, man muï¬te sie einsperren, weil sie wieder zu entfliehen drohte.
Stufenweise gelang es, Eduarden der heftigsten Verzweiflung zu entreiï¬en, aber nur zu seinem Ungl¸ck; denn es ward ihm deutlich, es ward ihm gewiï¬, daï¬ er das Gl¸ck seines Lebens f¸r immer verloren habe.
Man wagte es ihm vorzustellen, daï¬ Ottilie, in jener Kapelle beigesetzt, noch immer unter den Lebendigen bleiben und einer freundlichen, stillen Wohnung nicht entbehren w¸rde.
Es fiel schwer, seine Einwilligung zu erhalten, und nur unter der Bedingung, daï¬ sie im offenen Sarge hinausgetragen und in dem GewËlbe allenfalls nur mit einem Glasdeckel zugedeckt und eine immerbrennende Lampe gestiftet werden sollte, lieï¬ er sichs zuletzt gefallen und schien sich in alles ergeben zu haben.
Man kleidete den holden KËrper in jenen Schmuck, den sie sich selbst vorbereitet hatte; man setzte ihr einen Kranz von Asterblumen auf das Haupt, die wie traurige Gestirne ahnungsvoll glâ°nzten.
Die Bahre, die Kirche, die Kapelle zu schm¸cken, wurden alle Gâ°rten ihres Schmucks beraubt.
Sie lagen verËdet, als wenn bereits der Winter alle Freude aus den Beeten weggetilgt hâ°tte.
Beim fr¸hsten Morgen wurde sie im offnen Sarge aus dem Schloï¬ getragen, und die aufgehende Sonne rËtete nochmals das himmlische Gesicht. Die Begleitenden drâ°ngten sich um die Trâ°ger, niemand wollte vorausgehn, niemand folgen, jedermann sie umgeben, jedermann noch zum letztenmale ihre Gegenwart genieï¬en.
Knaben, Mâ°nner und Frauen, keins blieb unger¸hrt.
UntrËstlich waren die Mâ°dchen, die ihren Verlust am unmittelbarsten empfanden.
Nanny fehlte.
Man hatte sie zur¸ckgehalten, oder vielmehr man hatte ihr den Tag und die Stunde des Begrâ°bnisses verheimlicht.
Man bewachte sie bei ihren Eltern in einer Kammer, die nach dem Garten ging.
Als sie aber die Glocken lâ°uten hËrte, ward sie nur allzubald inne, was vorging, und da ihre Wâ°chterin aus Neugierde, den Zug zu sehen, sie verlieï¬, entkam sie zum Fenster hinaus auf einen Gang und von da, weil sie alle T¸ren verschlossen fand, auf den Oberboden.
Eben schwankte der Zug den reinlichen, mit Blâ°ttern bestreuten Weg durchs Dorf hin.
Nanny sah ihre Gebieterin deutlich unter sich, deutlicher, vollstâ°ndiger, schËner als alle, die dem Zuge folgten.
¸berirdisch, wie auf Wolken oder Wogen getragen, schien sie ihrer Dienerin zu winken, und diese, verworren, schwankend, taumelnd, st¸rzte hinab.
Auseinander fuhr die Menge mit einem entsetzlichen Schrei nach allen Seiten.
Vom Drâ°ngen und Get¸mmel waren die Trâ°ger genËtigt, die Bahre niederzusetzen.
Das Kind lag ganz nahe daran; es schien an allen Gliedern zerschmettert.
Man hob es auf; und zufâ°llig oder aus besonderer F¸gung lehnte man es ¸ber die Leiche, ja es schien selbst noch mit dem letzten Lebensrest seine geliebte Herrin erreichen zu wollen.
Kaum aber hatten ihre schlotternden Glieder Ottiliens Gewand, ihre kraftlosen Finger Ottiliens gefaltete Hâ°nde ber¸hrt, als das Mâ°dchen aufsprang, Arme und Augen zuerst gen Himmel erhob, dann auf die Kniee vor dem Sarge niederst¸rzte und andâ°chtig entz¸ckt zu der Herrin hinaufstaunte.
Endlich sprang sie wie begeistert auf und rief mit heiliger Freude: “ja, sie hat mir vergeben!
Was mir kein Mensch, was ich mir selbst nicht vergeben konnte, vergibt mir Gott durch ihren Blick, ihre Gebâ°rde, ihren Mund.
Nun ruht sie wieder so still und sanft; aber ihr habt gesehen, wie sie sich aufrichtete und mit entfalteten Hâ°nden mich segnete, wie sie mich freundlich anblickte!
Ihr habt es alle gehËrt, ihr seid Zeugen, daï¬ sie zu mir sagte: ‘dir ist vergeben!’
Ich bin nun keine MËrderin mehr unter euch, sie hat mir verziehen, Gott hat mir verziehen, und niemand kann mir mehr etwas anhaben”.
Umhergedrâ°ngt stand die Menge; sie waren erstaunt, sie horchten und sahen hin und wider, und kaum wuï¬te jemand, was er beginnen sollte.
“Tragt sie nun zur Ruhe!” sagte das Mâ°dchen; “sie hat das Ihrige getan und gelitten und kann nicht mehr unter uns wohnen”.
Die Bahre bewegte sich weiter, Nanny folgte zuerst, und man gelangte zur Kirche, zur Kapelle.
So stand nun der Sarg Ottiliens, zu ihren Hâ°upten der Sarg des Kindes, zu ihren F¸ï¬en das KËfferchen, in ein starkes eichenes Behâ°ltnis eingeschlossen.
Man hatte f¸r eine Wâ°chterin gesorgt, welche in der ersten Zeit des Leichnams wahrnehmen sollte, der unter seiner Glasdecke gar liebensw¸rdig dalag.
Aber Nanny wollte sich dieses Amt nicht nehmen lassen; sie wollte allein, ohne Gesellin bleiben und der zum erstenmal angez¸ndeten Lampe fleiï¬ig warten.
Sie verlangte dies so eifrig und hartnâ°ckig, daï¬ man ihr nachgab, um ein grËï¬eres Gem¸ts¸bel, das sich bef¸rchten lieï¬, zu verh¸ten.
Aber sie blieb nicht lange allein; denn gleich mit sinkender Nacht, als das schwebende Licht, sein volles Recht aus¸bend, einen helleren Schein verbreitete, Ëffnete sich die T¸re, und es trat der Architekt in die Kapelle, deren fromm verzierte Wâ°nde bei so mildem Schimmer altert¸mlicher und ahnungsvoller, als er je hâ°tte glauben kËnnen, ihm entgegendrangen.
Nanny saï¬ an der einen Seite des Sarges.
Sie erkannte ihn gleich; aber schweigend deutete sie auf die verblichene Herrin.
Und so stand er auf der andern Seite, in jugendlicher Kraft und Anmut, auf sich selbst zur¸ckgewiesen, starr, in sich gekehrt, mit niedergesenkten Armen, gefalteten, mitleidig gerungenen Hâ°nden, Haupt und Blick nach der Entseelten hingeneigt.
Schon einmal hatte er so vor Belisar gestanden.
Unwillk¸rlich geriet er jetzt in die gleiche Stellung; und wie nat¸rlich war sie auch diesmal!
Auch hier war etwas unschâ°tzbar W¸rdiges von seiner HËhe herabgest¸rzt; und wenn dort Tapferkeit, Klugheit, Macht, Rang und VermËgen in einem Manne als unwiederbringlich verloren bedauert wurden, wenn Eigenschaften, die der Nation, dem F¸rsten in entscheidenden Momenten unentbehrlich sind, nicht geschâ°tzt, vielmehr verworfen und ausgestoï¬en worden, so waren hier soviel andere stille Tugenden, von der Natur erst kurz aus ihren gehaltreichen Tiefen hervorgerufen, durch ihre gleichg¸ltige Hand schnell wieder ausgetilgt, seltene, schËne, liebensw¸rdige Tugenden, deren friedliche Einwirkung die bed¸rftige Welt zu jeder Zeit mit wonnevollem Gen¸gen umfâ°ngt und mit sehns¸chtiger Trauer vermiï¬t.
Der J¸ngling schwieg, auch das Mâ°dchen eine Zeitlang; als sie ihm aber die Trâ°nen hâ°ufig aus dem Auge quellen sah, als er sich im Schmerz ganz aufzulËsen schien, sprach sie mit so viel Wahrheit und Kraft, mit so viel Wohlwollen und Sicherheit ihm zu, daï¬ er, ¸ber den Fluï¬ ihrer Rede erstaunt, sich zu fassen vermochte und seine schËne Freundin ihm in einer hËhern Region lebend und wirkend vorschwebte.
Seine Trâ°nen trockneten, seine Schmerzen linderten sich, knieend nahm er von Ottilien, mit einem herzlichen Hâ°ndedruck von Nanny Abschied, und noch in der Nacht ritt er vom Orte weg, ohne jemand weiter gesehen zu haben.
Der Wundarzt war die Nacht ¸ber ohne des Mâ°dchens Wissen in der Kirche geblieben und fand, als er sie des Morgens besuchte, sie heiter und getrosten Mutes.
Er war auf mancherlei Verirrungen gefaï¬t; er dachte schon, sie werde ihm von nâ°chtlichen Unterredungen mit Ottilien und von andern solchen Erscheinungen sprechen, aber sie war nat¸rlich, ruhig und sich vËllig selbstbewuï¬t.
Sie erinnerte sich vollkommen aller fr¸heren Zeiten, aller Zustâ°nde mit groï¬er Genauigkeit, und nichts in ihren Reden schritt aus dem gewËhnlichen Gange des Wahren und Wirklichen heraus als nur die Begebenheit beim Leichenbegâ°ngnis, die sie mit Freudigkeit oft wiederholte: wie Ottilie sich aufgerichtet, sie gesegnet, ihr verziehen und sie dadurch f¸r immer beruhigt habe.
Der fortdauernd schËne, mehr schlaf–als todâ°hnliche Zustand Ottiliens zog mehrere Menschen herbei.
Die Bewohner und Anwohner wollten sie noch sehen, und jeder mochte gern aus Nannys Munde das Unglaubliche hËren; manche, um dar¸ber zu spotten, die meisten, um daran zu zweifeln, und wenige, um sich glaubend dagegen zu verhalten.
Jedes Bed¸rfnis, dessen wirkliche Befriedigung versagt ist, nËtigt zum Glauben.
Die vor den Augen aller Welt zerschmetterte Nanny war durch Ber¸hrung des frommen KËrpers wieder gesund geworden; warum sollte nicht auch ein â°hnliches Gl¸ck hier andern bereitet sein?
Zâ°rtliche M¸tter brachten zuerst heimlich ihre Kinder, die von irgendeinem ¸bel behaftet waren, und sie glaubten eine plËtzliche Besserung zu sp¸ren.
Das Zutrauen vermehrte sich, und zuletzt war niemand so alt und so schwach, der sich nicht an dieser Stelle eine Erquickung und Erleichterung gesucht hâ°tte.
Der Zudrang wuchs, und man sah sich genËtigt, die Kapelle, ja auï¬er den Stunden des Gottesdienstes die Kirche zu verschlieï¬en.
Eduard wagte sich nicht wieder zu der Abgeschiedenen.
Er lebte nur vor sich hin, er schien keine Trâ°ne mehr zu haben, keines Schmerzes weiter fâ°hig zu sein.
Seine Teilnahme an der Unterhaltung, sein Genuï¬ von Speis und Trank vermindert sich mit jedem Tage.
Nur noch einige Erquickung scheint er aus dem Glase zu schl¸rfen, das ihm freilich kein wahrhafter Prophet gewesen.
Er betrachtet noch immer gern die verschlungenen Namensz¸ge, und sein ernstheiterer Blick dabei scheint anzudeuten, daï¬ er auch jetzt noch auf eine Vereinigung hoffe.
Und wie den Gl¸cklichen jeder Nebenumstand zu beg¸nstigen, jedes Ungefâ°hr mit emporzuheben scheint, so mËgen sich auch gern die kleinsten Vorfâ°lle zur Krâ°nkung, zum Verderben des Ungl¸cklichen vereinigen.
Denn eines Tages, als Eduard das geliebte Glas zum Munde brachte, entfernte er es mit Entsetzen wieder; es war dasselbe und nicht dasselbe; er vermiï¬t ein kleines Kennzeichen.
Man dringt in den Kammerdiener, und dieser muï¬ gestehen, das echte Glas sei unlâ°ngst zerbrochen und ein gleiches, auch aus Eduards Jugendzeit, untergeschoben worden.
Eduard kann nicht z¸rnen, sein Schicksal ist ausgesprochen durch die Tat; wie soll ihn das Gleichnis r¸hren?
Aber doch dr¸ckt es ihn tief.
Der Trank scheint ihm von nun an zu widerstehen; er scheint sich mit Vorsatz der Speise, des Gesprâ°chs zu enthalten.
Aber von Zeit zu Zeit ¸berfâ°llt ihn eine Unruhe.
Er verlangt wieder etwas zu genieï¬en, er fâ°ngt wieder an zu sprechen.
“Ach!” sagte er einmal zu dem Major, der ihm wenig von der Seite kam, “was bin ich ungl¸cklich, daï¬ mein ganzes Bestreben nur immer eine Nachahmung, ein falsches Bem¸hen bleibt!
Was ihr Seligkeit gewesen, wird mir Pein; und doch, um dieser Seligkeit willen bin ich genËtigt, diese Pein zu ¸bernehmen.
Ich muï¬ ihr nach, auf diesem Wege nach; aber meine Natur hâ°lt mich zur¸ck und mein Versprechen.
Es ist eine schreckliche Aufgabe, das Unnachahmliche nachzuahmen.
Ich f¸hle wohl, Bester, es gehËrt Genie zu allem, auch zum Mâ°rtyrertum”.
Was sollen wir bei diesem hoffnungslosen Zustande der ehegattlichen, freundschaftlichen, â°rztlichen Bem¸hungen gedenken, in welchen sich Eduards AngehËrige eine Zeitlang hin und her wogten?
Endlich fand man ihn tot.
Mittler machte zuerst diese traurige Entdeckung.
Er berief den Arzt und beobachtete, nach seiner gewËhnlichen Fassung, genau die Umstâ°nde, in denen man den Verdacht des getroffen hatte.
Charlotte st¸rzte herbei; ein Verdacht des Selbstmordes regte sich in ihr; sie wollte sich, sie wollte die andern einer unverzeihlichen Unvorsichtigkeit anklagen.
Doch der Arzt aus nat¸rlichen und Mittler aus sittlichen Gr¸nden wuï¬ten sie bald vom Gegenteil zu ¸berzeugen.
Ganz deutlich war Eduard von seinem Ende ¸berrascht worden.
Er hatte, was er bisher sorgfâ°ltig zu verbergen pflegte, das ihm von Ottilien ¸briggebliebene in einem stillen Augenblick vor sich aus einem Kâ°stchen, aus einer Brieftasche ausgebreitet: eine Locke, Blumen, in gl¸cklicher Stunde gepfl¸ckt, alle Blâ°ttchen, die sie ihm geschrieben, von jenem ersten an, das ihm seine Gattin so zufâ°llig ahnungsreich ¸bergeben hatte.
Das alles konnte er nicht einer ungefâ°hren Entdeckung mit Willen preisgeben.
Und so lag denn auch dieses vor kurzem zu unendlicher Bewegung aufgeregte Herz in unstËrbarer Ruhe; und wie er in Gedanken an die Heilige eingeschlafen war, so konnte man wohl ihn selig nennen.
Charlotte gab ihm seinen Platz neben Ottilien und verordnete, daï¬ niemand weiter in diesem GewËlbe beigesetzt werde.
Unter dieser Bedingung machte sie f¸r Kirche und Schule, f¸r den Geistlichen und den Schullehrer ansehnliche Stiftungen.
So ruhen die Liebenden nebeneinander.
Friede schwebt ¸ber ihrer Stâ°tte, heitere, verwandte Engelsbilder schauen vom GewËlbe auf sie herab, und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen.