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  • 1832
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Uns nachzuziehen,
Zu schwerer Bufle.
Mit starrem Fufle
Kommt er geholpert,
Einhergestolpert;
Er schleppt das Bein,
Wie wir ihn fliehen,
Uns hinterdrein!

MEPHISTOPHELES:
Verflucht Geschick! Betrogne Mannsen! Von Adam her verf¸hrte Hansen!
Alt wird man wohl, wer aber klug?
Warst du nicht schon vernarrt genug! Man weifl, das Volk taugt aus dem Grunde nichts, Geschn¸rten Leibs, geschminkten Angesichts. Nichts haben sie Gesundes zu erwidern,
Wo man sie anfaflt, morsch in allen Gliedern. Man weifl, man sieht’s, man kann es greifen, Und dennoch tanzt man, wenn die Luder pfeifen!

LAMIEN:
Halt! er besinnt sich, zaudert, steht; Entgegnet ihm, dafl er euch nicht entgeht!

MEPHISTOPHELES:
Nur zu! und lafl dich ins Gewebe
Der Zweifelei nicht tˆrig ein;
Denn wenn es keine Hexen g‰be,
Wer Teufel mˆchte Teufel sein!

LAMIEN:
Kreisen wir um diesen Helden!
Liebe wird in seinem Herzen
Sich gewifl f¸r eine melden.

MEPHISTOPHELES:
Zwar bei ungewissem Schimmer
Scheint ihr h¸bsche Frauenzimmer,
Und so mˆcht’ ich euch nicht schelten.

EMPUSE:
Auch nicht mich! als eine solche
Laflt mich ein in eure Folge.

LAMIEN:
Die ist in unserm Kreis zuviel,
Verdirbt doch immer unser Spiel.

EMPUSE:
Begr¸flt von M¸hmichen Empuse,
Der Trauten mit dem Eselsfufle!
Du hast nur einen Pferdefufl,
Und doch, Herr Vetter, schˆnsten Grufl!

MEPHISTOPHELES:
Hier dacht’ ich lauter Unbekannte
Und finde leider Nahverwandte;
Es ist ein altes Buch zu bl‰ttern: Vom Harz bis Hellas immer Vettern!

EMPUSE:
Entschieden weifl ich gleich zu handeln, In vieles kˆnnt’ ich mich verwandeln;
Doch Euch zu Ehren hab’ ich jetzt
Das Eselskˆpfchen aufgesetzt.

MEPHISTOPHELES:
Ich merk’, es hat bei diesen Leuten Verwandtschaft Grofles zu bedeuten;
Doch mag sich, was auch will, er‰ugnen, Den Eselskopf mˆcht’ ich verleugnen.

LAMIEN:
Dafl diese Garstige, sie verscheucht, Was irgend schˆn und lieblich deucht;
Was irgend schˆn und lieblich w‰r’– Sie kommt heran, es ist nicht mehr!

MEPHISTOPHELES:
Auch diese M¸hmchen zart und schm‰chtig, Sie sind mir allesamt verd‰chtig;
Und hinter solcher W‰nglein Rosen F¸rcht’ ich doch auch Metamorphosen.

LAMIEN:
Versuch es doch! sind unsrer viele. Greif zu! Und hast du Gl¸ck im Spiele,
Erhasche dir das beste Los.
Was soll das l¸sterne Geleier?
Du bist ein miserabler Freier,
Stolzierst einher und tust so grofl!– Nun mischt er sich in unsre Scharen;
Laflt nach und nach die Masken fahren Und gebt ihm euer Wesen blofl.

MEPHISTOPHELES:
Die Schˆnste hab’ ich mir erlesen… O weh mir! welch ein d¸rrer Besen!
Und diese?… Schm‰hliches Gesicht!

LAMIEN:
Verdienst du’s besser? d¸nkt es nicht.

MEPHISTOPHELES:
Die Kleine mˆcht’ ich mir verpf‰nden… Lacerte schl¸pft mir aus den H‰nden!
Und schlangenhaft der glatte Zopf.
Dagegen fass’ ich mir die Lange…
Da pack’ ich eine Thyrsusstange,
Den Pinienapfel als den Kopf!
Wo will’s hinaus?… Noch eine Dicke, An der ich mich vielleicht erquicke;
Zum letztenmal gewagt! Es sei!
Recht quammig, quappig, das bezahlen Mit hohem Preis Orientalen…
Doch ach! der Bovist platzt entzwei!

LAMIEN:
Fahrt auseinander, schwankt und schwebet Blitzartig, schwarzen Flugs umgebet
Den eingedrungnen Hexensohn!
Unsichre, schauderhafte Kreise!
Schweigsamen Fittichs, Flederm‰use! Zu wohlfeil kommt er doch davon.

MEPHISTOPHELES:
Viel kl¸ger, scheint es, bin ich nicht geworden; Absurd ist’s hier, absurd im Norden,
Gespenster hier wie dort vertrackt, Volk und Poeten abgeschmackt.
Ist eben hier eine Mummenschanz
Wie ¸berall, ein Sinnentanz.
Ich griff nach holden Maskenz¸gen
Und faflte Wesen, dafl mich’s schauerte… Ich mˆchte gerne mich betr¸gen,
Wenn es nur l‰nger dauerte.
Wo bin ich denn? Wo will’s hinaus?
Das war ein Pfad, nun ist’s ein Graus. Ich kam daher auf glatten Wegen,
Und jetzt steht mir Gerˆll entgegen. Vergebens klettr’ ich auf und nieder,
Wo find’ ich meine Sphinxe wieder?
So toll h‰tt’ ich mir’s nicht gedacht, Ein solch Gebirge in einer Nacht!
Das heifl’ ich frischen Hexenritt, Die bringen ihren Blocksberg mit.

OREAS:
Herauf hier! Mein Gebirg ist alt,
Steht in urspr¸nglicher Gestalt.
Verehre schroffe Felsensteige,
Des Pindus letztgedehnte Zweige!
Schon stand ich unersch¸ttert so,
Als ¸ber mich Pompejus floh.
Daneben das Gebild des Wahns
Verschwindet schon beim Kr‰hn des Hahns. Dergleichen M‰rchen seh’ ich oft entstehn Und plˆtzlich wieder untergehn.

MEPHISTOPHELES:
Sei Ehre dir, ehrw¸rdiges Haupt,
Von hoher Eichenkraft umlaubt!
Der allerklarste Mondenschein
Dringt nicht zur Finsternis herein.– Doch neben am Geb¸sche zieht
Ein Licht, das gar bescheiden gl¸ht. Wie sich das alles f¸gen mufl!
F¸rwahr, es ist Homunculus!
Woher des Wegs, du Kleingeselle?

HOMUNCULUS:
Ich schwebe so von Stell’ zu Stelle Und mˆchte gern im besten Sinn entstehn, Voll Ungeduld, mein Glas entzweizuschlagen; Allein, was ich bisher gesehn,
Hinein da mˆcht’ ich mich nicht wagen. Nur, um dir’s im Vertraun zu sagen:
Zwei Philosophen bin ich auf der Spur, Ich horchte zu, es hiefl: Natur, Natur! Von diesen will ich mich nicht trennen,
Sie m¸ssen doch das irdische Wesen kennen; Und ich erfahre wohl am Ende,
Wohin ich mich am allerkl¸gsten wende.

MEPHISTOPHELES:
Das tu auf deine eigne Hand.
Denn wo Gespenster Platz genommen,
Ist auch der Philosoph willkommen.
Damit man seiner Kunst und Gunst sich freue, Erschafft er gleich ein Dutzend neue.
Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand. Willst du entstehn, entsteh auf eigne Hand!

HOMUNCULUS:
Ein guter Rat ist auch nicht zu verschm‰hn.

MEPHISTOPHELES:
So fahre hin! Wir wollen’s weiter sehn.

ANAXAGORAS:
Dein starrer Sinn will sich nicht beugen; Bedarf es Weitres, dich zu ¸berzeugen?

THALES:
Die Welle beugt sich jedem Winde gern, Doch h‰lt sie sich vom schroffen Felsen fern.

ANAXAGORAS:
Durch Feuerdunst ist dieser Fels zu Handen.

THALES:
Im Feuchten ist Lebendiges erstanden.

HOMUNCULUS:
Laflt mich an eurer Seite gehn.
Mir selbst gel¸stet’s, zu entstehn!

ANAXAGORAS:
Hast du, o Thales, je in einer Nacht Solch einen Berg aus Schlamm hervorgebracht?

THALES:
Nie war Natur und ihr lebendiges Flieflen Auf Tag und Nacht und Stunden angewiesen. Sie bildet regelnd jegliche Gestalt,
Und selbst im Groflen ist es nicht Gewalt.

ANAXAGORAS:
Hier aber war’s! Plutonisch grimmig Feuer, ‰olischer D¸nste Knallkraft, ungeheuer, Durchbrach des flachen Bodens alte Kruste, Dafl neu ein Berg sogleich entstehen muflte.

THALES:
Was wird dadurch nun weiter fortgesetzt? Er ist auch da, und das ist gut zuletzt. Mit solchem Streit verliert man Zeit und Weile Und f¸hrt doch nur geduldig Volk am Seile.

ANAXAGORAS:
Schnell quillt der Berg von Myrmidonen, Die Felsenspalten zu bewohnen;
Pygm‰en, Imsen, D‰umerlinge
Und andre t‰tig kleine Dinge.
Nie hast du Groflem nachgestrebt,
Einsiedlerisch-beschr‰nkt gelebt; Kannst du zur Herrschaft dich gewˆhnen, So lafl ich dich als Kˆnig krˆnen.

HOMUNCULUS:
Was sagt mein Thales? +

THALES:
Will’s nicht raten;
Mit Kleinen tut man kleine Taten,
Mit Groflen wird der Kleine grofl. Sieh hin! die schwarze Kranichwolke!
Sie droht dem aufgeregten Volke
Und w¸rde so dem Kˆnig drohn.
Mit scharfen Schn‰beln, krallen Beinen, Sie stechen nieder auf die Kleinen;
Verh‰ngnis wetterleuchtet schon.
Ein Frevel tˆtete die Reiher,
Umstellend ruhigen Friedensweiher.
Doch jener Mordgeschosse Regen
Schafft grausam-blut’gen Rachesegen, Erregt der Nahverwandten Wut
Nach der Pygm‰en frevlem Blut.
Was n¸tzt nun Schild und Helm und Speer? Was hilft der Reiherstrahl den Zwergen?
Wie sich Daktyl und Imse bergen!
Schon wankt, es flieht, es st¸rzt das Heer.

ANAXAGORAS:
Konnt’ ich bisher die Unterirdischen loben, So wend’ ich mich in diesem Fall nach oben… Du! droben ewig Unveraltete,
Dreinamig-Dreigestaltete,
Dich ruf’ ich an bei meines Volkes Weh, Diana, Luna, Hekate!
Du Brusterweiternde, im Tiefsten Sinnige, Du Ruhigscheinende, Gewaltsam-Innige,
Erˆffne deiner Schatten grausen Schlund, Die alte Macht sei ohne Zauber kund!
Bin ich zu schnell erhˆrt?
Hat mein Flehn
Nach jenen Hˆhn
Die Ordnung der Natur gestˆrt?
Und grˆfler, immer grˆfler nahet schon Der Gˆttin rundumschriebner Thron,
Dem Auge furchtbar, ungeheuer!
Ins D¸stre rˆtet sich sein Feuer… Nicht n‰her, drohend-m‰chtige Runde! Du richtest uns und Land und Meer zugrunde! So w‰r’ es wahr, dafl dich thessalische Frauen In frevlend magischem Vertrauen
Von deinem Pfad herabgesungen,
Verderblichstes dir abgerungen?…
Das lichte Schild hat sich umdunkelt, Auf einmal reiflt’s und blitzt und funkelt! Welch ein Geprassel! Welch ein Zischen!
Ein Donnern, Windget¸m dazwischen!– Dem¸tig zu des Thrones Stufen!–
Verzeiht! Ich hab’ es hergerufen.

THALES:
Was dieser Mann nicht alles hˆrt’ und sah! Ich weifl nicht recht, wie uns geschah, Auch hab’ ich’s nicht mit ihm empfunden. Gestehen wir, es sind verr¸ckte Stunden, Und Luna wiegt sich ganz bequem
An ihrem Platz, so wie vordem.

HOMUNCULUS:
Schaut hin nach der Pygm‰en Sitz! Der Berg war rund, jetzt ist er spitz.
Ich sp¸rt’ ein ungeheures Prallen, Der Fels war aus dem Mond gefallen;
Gleich hat er, ohne nachzufragen,
So Freund als Feind gequetscht, erschlagen. Doch mufl ich solche K¸nste loben,
Die schˆpferisch, in einer Nacht,
Zugleich von unten und von oben,
Dies Berggeb‰u zustand gebracht.

THALES:
Sei ruhig! Es war nur gedacht.
Sie fahre hin, die garstige Brut!
Dafl du nicht Kˆnig warst, ist gut. Nun fort zum heitern Meeresfeste,
Dort hofft und ehrt man Wunderg‰ste.

MEPHISTOPHELES:
Da mufl ich mich durch steile Felsentreppen, Durch alter Eichen starre Wurzeln schleppen! Auf meinem Harz der harzige Dunst
Hat was vom Pech, und das hat meine Gunst, Zun‰chst dem Schwefel… Hier, bei diesen Griechen Ist von dergleichen kaum die Spur zu riechen; Neugierig aber w‰r’ ich, nachzusp¸ren, Womit sie Hˆllenqual und–flamme sch¸ren.

DRYAS:
In deinem Lande sei einheimisch klug, Im fremden bist du nicht gewandt genug.
Du solltest nicht den Sinn zur Heimat kehren, Der heiligen Eichen W¸rde hier verehren.

MEPHISTOPHELES:
Man denkt an das, was man verliefl; Was man gewohnt war, bleibt ein Paradies. Doch sagt: was in der Hˆhle dort,
Bei schwachem Licht, sich dreifach hingekauert?

DRYAS:
Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort
Und sprich sie sie an, wenn dich nicht schauert.

MEPHISTOPHELES:
Warum denn nicht!–Ich sehe was, und staune! So stolz ich bin, mufl ich mir selbst gestehn: Dergleichen hab’ ich nie gesehn,
Die sind ja schlimmer als Alraune… Wird man die urverworfnen S¸nden
Im mindesten noch h‰fllich finden, Wenn man dies Dreiget¸m erblickt?
Wir litten sie nicht auf den Schwellen Der grauenvollsten unsrer Hˆllen.
Hier wurzelt’s in der Schˆnheit Land, Das wird mit Ruhm antik genannt…
Sie regen sich, sie scheinen mich zu sp¸ren, Sie zwitschern pfeifend, Fledermaus-Vampyren.

PHORKYAS:
Gebt mir das Auge, Schwestern, dafl es frage, Wer sich so nah an unsre Tempel wage.

MEPHISTOPHELES:
Verehrteste! Erlaubt mir, euch zu nahen Und euren Segen dreifach zu empfahen.
Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter, Doch, irr’ ich nicht, weitl‰ufiger Verwandter. Altw¸rdige Gˆtter hab’ ich schon erblickt, Vor Ops und Rhea tiefstens mich geb¸ckt; Die Parzen selbst, des Chaos, eure Schwestern, Ich sah sie gestern–oder ehegestern;
Doch euresgleichen hab’ ich nie erblickt. Ich schweige nun und f¸hle mich entz¸ckt.

PHORKYADEN:
Er scheint Verstand zu haben, dieser Geist.

MEPHISTOPHELES:
Nur wundert’s mich, dafl euch kein Dichter preist. Und sagt: wie kam’s, wie konnte das geschehn? Im Bilde hab’ ich nie euch W¸rdigste gesehn; Versuch’s der Meiflel doch, euch zu erreichen, Nicht Juno, Pallas, Venus und dergleichen.

PHORKYADEN:
Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht, Hat unser Drei noch nie daran gedacht!

MEPHISTOPHELES:
Wie sollt’ es auch? da ihr, der Welt entr¸ckt, Hier niemand seht und niemand euch erblickt. Da m¸fltet ihr an solchen Orten wohnen, Wo Pracht und Kunst auf gleichem Sitze thronen, Wo jeden Tag, behend, im Doppelschritt,
Ein Marmorblock als Held ins Leben tritt. Wo– +

PHORKYADEN:
Schweige still und gib uns kein Gel¸sten! Was h¸lf’ es uns, und wenn wir’s besser w¸flten? In Nacht geboren, N‰chtlichem verwandt, Beinah uns selbst, ganz allen unbekannt.

MEPHISTOPHELES:
In solchem Fall hat es nicht viel zu sagen, Man kann sich selbst auch andern ¸bertragen. Euch dreien gn¸gt ein Auge, gn¸gt ein Zahn; Da ging’ es wohl auch mythologisch an,
In zwei die Wesenheit der drei zu fassen, Der Dritten Bildnis mir zu ¸berlassen,
Auf kurze Zeit. +

EINE:
Wie d¸nkt’s euch? ging’ es an?

DIE ANDERN:
Versuchen wir’s!–doch ohne Aug’ und Zahn.

MEPHISTOPHELES:
Nun habt ihr grad das Beste weggenommen; Wie w¸rde da das strengste Bild vollkommen!

EINE:
Dr¸ck du ein Auge zu, ‘s ist leicht geschehn, Lafl alsofort den einen Raffzahn sehn,
Und im Profil wirst du sogleich erreichen, Geschwisterlich vollkommen uns zu gleichen.

MEPHISTOPHELES:
Viel Ehr’! Es sei! +

PHORKYADEN:
Es sei! +

MEPHISTOPHELES:
Da steh’ ich schon,
Des Chaos vielgeliebter Sohn!

PHORKYADEN:
Des Chaos Tˆchter sind wir unbestritten.

MEPHISTOPHELES:
Man schilt mich nun, o Schmach, Hermaphroditen.

PHORKYADEN:
Im neuen Drei der Schwestern welche Schˆne! Wir haben zwei der Augen, zwei der Z‰hne.

MEPHISTOPHELES:
Vor aller Augen mufl ich mich verstecken, Im Hˆllenpfuhl die Teufel zu erschrecken.

Felsbuchten des ‰g‰ischen Meers

SIRENEN:
Haben sonst bei n‰chtigem Grauen
Dich thessalische Zauberfrauen
Frevelhaft herabgezogen,
Blicke ruhig von dem Bogen
Deiner Nacht auf Zitterwogen
Mildeblitzend Glanzgewimmel
Und erleuchte das Get¸mmel,
Das sich aus den Wogen hebt!
Dir zu jedem Dienst erbˆtig,
Schˆne Luna, sei uns gn‰dig!

NEREIDEN UND TRITONEN:
Tˆnet laut in sch‰rfern Tˆnen,
Die das breite Meer durchdrˆhnen,
Volk der Tiefe ruft fortan!
Vor des Sturmes grausen Schl¸nden
Wichen wir zu stillsten Gr¸nden,
Holder Sang zieht uns heran.
Seht, wie wir im Hochentz¸cken
Uns mit goldenen Ketten schm¸cken, Auch zu Kron’ und Edelsteinen
Spang- und G¸rtelschmuck vereinen! Alles das ist eure Frucht.
Sch‰tze, scheiternd hier verschlungen, Habt ihr uns herangesungen,
Ihr D‰monen unsrer Bucht.

SIRENEN:
Wissen’s wohl, in Meeresfrische
Glatt behagen sich die Fische,
Schwanken Lebens ohne Leid;
Doch, ihr festlich regen Scharen,
Heute mˆchten wir erfahren,
Dafl ihr mehr als Fische seid.

NEREIDEN UND TRITONEN:
Ehe wir hieher gekommen,
Haben wir’s zu Sinn genommen;
Schwestern, Bur*der, jetzt geschwind! Heut bedarf’s der kleinsten Reise
Zum vollg¸ltigsten Beweise,
Dafl wir mehr als Fische sind.

SIRENEN:
Fort sind sie im Nu!
Nach Samothrace grade zu,
Verschwunden mit g¸nstigem Wind.
Was denken sie zu vollf¸hren
Im Reiche der hohen Kabiren?
Sind Gˆtter! Wundersam eigen,
Die sich immerfort selbst erzeugen
Und niemals wissen, was sie sind.
Bleibe auf deinen Hˆhn,
Holde Luna, gn‰dig stehn,
Dafl es n‰chtig verbleibe,
Uns der Tag nicht vertreibe!

THALES:
Ich f¸hrte dich zum alten Nereus gern; Zwar sind wir nicht von seiner Hˆhle fern, Doch hat er einen harten Kopf,
Der widerw‰rtige Sauertopf.
Das ganze menschliche Geschlecht
Macht’s ihm, dem Griesgram, nimmer recht. Doch ist die Zukunft ihm entdeckt,
Daf¸r hat jedermann Respekt
Und ehret ihn auf seinem Posten;
Auch hat er manchem wohlgetan.

HOMUNCULUS:
Probieren wir’s und klopfen an!
Nicht gleich wird’s Glas und Flamme kosten.

NEREUS:
Sind’s Menschenstimmen, die mein Ohr vernimmt? Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt! Gebilde, strebsam, Gˆtter zu erreichen, Und doch verdammt, sich immer selbst zu gleichen. Seit alten Jahren konnt’ ich gˆttlich ruhn, Doch trieb mich’s an, den Besten wohlzutun; Und schaut’ ich dann zuletzt vollbrachte Taten, So war es ganz, als h‰tt’ ich nicht geraten.

THALES:
Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir; Du bist der Weise, treib uns nicht von hier! Schau diese Flamme, menschen‰hnlich zwar, Sie deinem Rat ergibt sich ganz und gar.

NEREUS:
Was Rat! Hat Rat bei Menschen je gegolten? Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr.
So oft auch Tat sich grimmig selbst gescholten, Bleibt doch das Volk selbstwillig wie zuvor. Wie hab’ ich Paris v‰terlich gewarnt,
Eh sein Gel¸st ein fremdes Weib umgarnt. Am griechischen Ufer stand er k¸hnlich da, Ihm k¸ndet’ ich, was ich im Geiste sah: Die L¸fte qualmend, ¸berstrˆmend Rot, Geb‰lke gl¸hend, unten Mord und Tod:
Trojas Gerichtstag, rhythmisch festgebannt, Jahrtausenden so schrecklich als gekannt. Des Alten Wort, dem Frechen schien’s ein Spiel, Er folgte seiner Lust, und Ilios fiel–
Ein Riesenleichnam, starr nach langer Qual, Des Pindus Adlern gar willkommnes Mahl.
Ulyssen auch! sagt’ ich ihm nicht voraus Der Circe Listen, des Zyklopen Graus?
Das Zaudern sein, der Seinen leichten Sinn, Und was nicht alles! Bracht’ ihm das Gewinn? Bis vielgeschaukelt ihn, doch sp‰t genug, Der Woge Gunst an gastlich Ufer trug.

THALES:
Dem weisen Mann gibt solch Betragen Qual; Der gute doch versucht es noch einmal.
Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergn¸gen, Die Zentner Undanks vˆllig ¸berwiegen. Denn nichts Geringes haben wir zu flehn: Der Knabe da w¸nscht weislich zu entstehn.

NEREUS:
Verderbt mir nicht den seltensten Humor! Ganz andres steht mir heute noch bevor:
Die Tˆchter hab’ ich alle herbeschieden, Die Grazien des Meeres, die Doriden.
Nicht der Olymp, nicht euer Boden tr‰gt Ein schˆn Gebild, das sich so zierlich regt. Sie werfen sich, anmutigster Geb‰rde,
Vom Wasserdrachen auf Neptunus’ Pferde, Dem Element aufs zarteste vereint,
Dafl selbst der Schaum sie noch zu heben scheint. Im Farbenspiel von Venus’ Muschelwagen
Kommt Galatee, die Schˆnste, nun getragen, Die, seit sich Kypris von uns abgekehrt, In Paphos wird als Gˆttin selbst verehrt. Und so besitzt die Holde lange schon,
Als Erbin, Tempelstadt und Wagenthron. Hinweg! Es ziemt in Vaterfreudenstunde
Nicht Hafl dem Herzen, Scheltwort nicht dem Munde. Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann: Wie man entstehn und sich verwandlen kann.

THALES:
Wir haben nichts durch siesen Schritt gewonnen, Trifft man auch Proteus, gleich ist er zerronnen; Und steht er euch, so sagt er nur zuletzt, Was staunen macht und in Verwirrung setzt. Du bist einmal bed¸rftig solchen Rats,
Versuchen wir’s und wandlen unsres Pfads!

SIRENEN:
Was sehen wir von weiten
Das Wellenreich durchgleiten?
Als wie nach Windes Regel
Anzˆgen weifle Segel,
So hell sind sie zu schauen,
Verkl‰rte Meeresfrauen.
Laflt uns herunterklimmen,
Vernehmt ihr doch die Stimmen.

NEREIDEN UND TRITONEN:
Was wir auf H‰nden tragen,
Soll allen euch behagen.
Chelonens Riesenschilde
Entgl‰nzt ein streng Gebilde:
Sind Gˆtter, die wir bringen;
M¸flt hohe Lieder singen.

SIRENEN:
Klein von Gestalt,
Grofl von Gewalt,
Der Scheiternden Retter,
Uralt verehrte Gˆtter.

NEREIDEN UND TRITONEN:
Wir bringen die Kabiren,
Ein friedlich Fest zu f¸hren;
Denn wo sie heilig walten,
Neptun wird freundlich schalten.

SIRENEN:
Wir stehen euch nach;
Wenn ein Schiff zerbrach,
Unwiderstehbar an Kraft
Sch¸tzt ihr die Mannschaft.

NEREIDEN UND TRITONEN:
Drei haben wir mitgenommen,
Der vierte wollte nicht kommen;
Er sagte, er sei der Rechte,
Der f¸r sie alle d‰chte.

SIRENEN:
Ein Gott den andern Gott
Macht wohl zu Spott.
Ehrt ihr alle Gnaden,
F¸rchtet jeden Schaden.

NEREIDEN UND TRITONEN:
Sind eigentlich ihrer sieben.

SIRENEN:
Wo sind die drei geblieben?

NEREIDEN UND TRITONEN:
Wir w¸flten’s nicht zu sagen,
Sind im Olymp zu erfragen;
Dort west auch wohl der achte,
An den noch niemand dachte!
In Gnaden uns gew‰rtig,
Doch alle noch nicht fertig.
Diese Unvergleichlichen
Wollen immer weiter,
Sehnsuchtsvolle Hungerleider
Nach dem Unerreichlichen.

SIRENEN:
Wir sind gewohnt,
Wo es auch thront,
In Sonn’ und Mond
Hinzubeten; es lohnt.

NEREIDEN UND TRITONEN:
Wie unser Ruhm zum hˆchsten prangt, Dieses Fest anzuf¸hren!

SIRENEN:
Die Helden des Altertums
Ermangeln des Ruhms,
Wo und wie er auch prangt,
Wenn sie das goldne Vlies erlangt,
Ihr die Kabiren.
Wenn sie das goldne Vlies erlangt,
Wir die Kabiren. +
Ihr

HOMUNCULUS:
Die Ungestalten seh’ ich an
Als irden-schlechte Tˆpfe,
Nun stoflen sich die Weisen dran
Und brechen harte Kˆpfe.

THALES:
Das ist es ja, was man begehrt:
Der rost macht erst die M¸nze wert.

PROTEUS:
So etwas freut mich alten Fabler!
Je wunderlicher, desto respektabler.

THALES:
Wo bist du, Proteus? +

PROTEUS:
Hier! und hier!

THALES:
Den alten Scherz verzeih’ ich dir;
Doch einem Freund nicht eitle Worte! Ich weifl, du sprichst vom falschen Orte.

PROTEUS:
Leb’ wohl! +

THALES:
Er ist ganz nah. Nun leuchte frisch! Er ist neugierig wie ein Fisch;
Und wo er auch gestaltet stockt,
Durch Flammen wird er hergelockt.

HOMUNCULUS:
Ergiefl’ich gleich des Lichtes Menge, Bescheiden doch, dafl ich das Glas nicht sprenge.

PROTEUS:
Was leuchtet so anmutig schˆn?

THALES:
Gut! Wenn du Lust hast, kannst du’s n‰her sehn. Die kleine M¸he lafl dich nicht verdrieflen Und zeige dich auf menschlich beiden F¸flen. Mit unsern Gunsten sei’s, mit unserm Willen, Wer schauen will, was wir verh¸llen.

PROTEUS:
Weltweise Kniffe sind dir noch bewuflt.

THALES:
Gestalt zu wechseln, bleibt noch deine Lust.

PROTEUS:
Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch gesehn!

THALES:
Es fragt um Rat und mˆchte gern entstehn. Er ist, wie ich von ihm vernommen,
Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen. Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften, Doch gar zu sehr am greiflich T¸chtighaften. Bis jetzt gibt ihm das Glas allein Gewicht, Doch w‰r’ er gern zun‰chst verkˆrperlicht.

PROTEUS:
Du bist ein wahrer Jungfernsohn,
Eh’ du sein solltest, bist du schon!

THALES:
Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch: Er ist, mich d¸nkt, hermaphroditisch.

PROTEUS:
Da mufl es desto eher gl¸cken;
So wie er anlangt, wird sich’s schicken. Doch gilt es hier nicht viel Besinnen:
Im weiten Meere muflt du anbeginnen! Da f‰ngt man erst im kleinen an
Und freut sich, Kleinste zu verschlingen, Man w‰chst so nach und nach heran
Und bildet sich zu hˆherem Vollbringen.

HOMUNCULUS:
Hier weht gar eine weiche Luft,
Es grunelt so, und mir behagt der Duft!

PROTEUS:
Das glaub’ ich, allerliebster Junge! Und weiter hin wird’s viel beh‰glicher, Auf dieser schmalen Strandeszunge
Der Dunstkreis noch uns‰glicher;
Da vorne sehen wir den Zug,
Der eben herschwebt, nah genug.
Kommt mit dahin! +

THALES:
Ich gehe mit.

HOMUNCULUS:
Dreifach merkw¸rd’ger Geisterschritt!

CHOR:
Wir haben den Dreizack Neptunen geschmiedet, Womit er die regesten Wellen beg¸tet.
Entfaltet der Donnrer die Wolken, die vollen, Entgegnet Neptunus dem greulichen Rollen; Und wie auch von oben es zackig erblitzt, Wird Woge nach Woge von unten gespritzt; Und was auch dazwischen in ‰ngsten gerungen, Wird, lange geschleudert, vom Tiefsten verschlungen; Weshalb er uns heute den Zepter gereicht– Nun schweben wir festlich, beruhigt und leicht.

SIRENEN:
Euch, dem Helios Geweihten,
Heitern Tags Gebenedeiten,
Grufl zur Stunde, die bewegt
Lunas Hochverehrung regt!

TELCHINEN:
Allieblichste Gˆttin am Bogen da droben! Du hˆrst mit Entz¸cken den Bruder beloben. Der seligen Rhodus verleihst du ein Ohr, Dort steigt ihm ein ewiger P‰an hervor. Beginnt er den Tagslauf und ist es getan, Er blickt uns mit feurigem Strahlenblick an. Die Berge, die St‰dte, die Ufer, die Welle Gefallen dem Gotte, sind lieblich und helle. Kein Nebel umschwebt uns, und schleicht er sich ein, Ein Strahl und ein L¸ftchen, die Insel ist rein! Da schaut sich der Hohe in hundert Gebilden, Als J¸ngling, als Riesen, den groflen, den milden. Wir ersten, wir waren’s, die Gˆttergewalt Aufstellten in w¸rdiger Menschengestalt.

PROTEUS:
Lafl du sie singen, lafl sie prahlen! Der Sonne heiligen Lebestrahlen
Sind tote Werke nur ein Spafl.
Das bildet, schmelzend, unverdrossen; Und haben sie’s in Erz gegossen,
Dann denken sie, es w‰re was.
Was ist’s zuletzt mit diesen Stolzen? Die Gˆtterbilder standen grofl–
Zerstˆrte sie ein Erdestofl;
L‰ngst sind sie wieder eingeschmolzen. Das Erdetreiben, wie’s auch sei,
Ist immer doch nur Plackerei;
Dem Leben frommt die Welle besser;
Dich tr‰gt ins ewige Gew‰sser

PROTEUS-DELPHIN:
Schon ist’s getan!
Da soll es dir zum schˆnsten gl¸cken: Ich nehme dich auf meinen R¸cken,
Verm‰hle dich dem Ozean.

THALES:
Gib nach dem lˆblichen Verlangen,
Von vorn die Schˆpfung anzufangen! Zu raschem Wirken sei bereit!
Da regst du dich nach ewigen Normen, Durch tausend, abertausend Formen,
Und bis zum Menschen hast du Zeit.

PROTEUS:
Komm geistig mit in feuchte Weite,
Da lebst du gleich in L‰ng’ und Breite, Beliebig regest du dich hier;
Nur strebe nicht nach hˆheren Orden: Denn bist du erst ein Mensch geworden,
Dann ist es vˆllig aus mit dir.

THALES:
Nachdem es kommt; ‘s ist auch wohl fein, Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu sein.

PROTEUS:
So einer wohl von deinem Schlag!
Das h‰lt noch eine Weile nach;
Denn unter bleichen Geisterscharen
Seh’ ich dich schon seit vielen hundret Jahern.

SIRENEN:
Welch ein Ring von Wˆlkchen r¸ndet Um den Mond so reichen Kreis?
Tauben sind es, liebentz¸ndet,
Fittiche, wie Licht so weifl.
Paphos hat sie hergesendet,
Ihre br¸nstige Vogelschar;
Unser Fest, es ist vollendet,
Heitre Wonne voll und klar!

NEREUS:
Nennte wohl ein n‰chtiger Wanderer Diesen Mondhof Lufterscheinung;
Doch wir Geister sind ganz anderer
Und der einzig richtigen Meinung:
Tauben sind es, die begleiten
Meiner Tochter Muschelfahrt,
Wunderflugs besondrer Art,
Angelernt vor alten Zeiten.

THALES:
Auch ich halte das f¸rs Beste,
Was dem wackern Mann gef‰llt,
Wenn im stillen, warmen Neste
Sich ein Heiliges lebend h‰lt.

PSYLLEN UND MARSEN:
In Cyperns rauhen Hˆhlegr¸ften,
Vom Meergott nicht versch¸ttet,
Vom Seismos nicht zerr¸ttet,
Umweht von ewigen L¸ften,
Und, wie in den ‰ltesten Tagen,
In stillbewufltem Behagen
Bewahren wir Cypriens Wagen
Und f¸hren, beim S‰useln der N‰chte, Durch liebliches Wellengeflechte,
Unsichtbar dem neuen Geschlechte,
Die lieblichste Tochter heran.
Wir leise Gesch‰ftigen scheuen
Weder Adler noch gefl¸gelten Leuen, Weder Kreuz noch Mond,
Wie es oben wohnt und thront,
Sich wechselnd wegt und regt,
Sich vertreibt und totschl‰gt,
Saaten und St‰dte niederlegt.
Wir, so fortan,
Bringen die lieblichste Herrin heran.

SIRENEN:
Leicht bewegt, in m‰fliger Eile, Um den Wagen, Kreis um Kreis,
Bald verschlungen Zeil’ an Zeile,
Schlangenartig reihenweis,
Naht euch, r¸stige Nereiden,
Derbe Fraun, gef‰llig wild,
Bringet, z‰rtliche Doriden,
Galateen, der Mutter Bild:
Ernst, den Gˆttern gleich zu schauen, W¸rdiger Unsterblichkeit,
Doch wie holde Menschenfrauen
Lockender Anmutigkeit.

DORIDEN:
Leih uns, Luna, Licht und Schatten, Klarheit diesem Jugendflor!
Denn wir zeigen liebe Gatten
Unserm Vater bittend vor.
Knaben sind’s, die wir gerettet
Aus der Brandung grimmem Zahn,
Sie, auf Schilf und Moos gebettet,
Aufgew‰rmt zum Licht heran,
Die es nun mit heiflen K¸ssen
Treulich uns verdanken m¸ssen;
Schau die Holden g¸nstig an!

NEREUS:
Hoch ist der Doppelgewinn zu sch‰tzen: Barmherzig sein, und sich zugleich ergetzen.

DORIDEN:
Lobst du, Vater, unser Walten,
Gˆnnst uns wohlerworbene Lust,
Lafl uns fest, unsterblich halten
Sie an ewiger Jungendbrust.

NEREUS:
Mˆgt euch des schˆnen Fanges freuen, Den J¸ngling bildet euch als Mann;
Allein ich kˆnnte nicht verleihen, Was Zeus allein gew‰hren kann.
Die Welle, die euch wogt und schaukelt, L‰flt auch der Liebe nicht Bestand,
Und hat die Neigung ausgegaukelt,
So setzt gem‰chlich sie ans Land.

DORIDEN:
Ihr, holde Knaben, seid uns wert,
Doch m¸ssen wir traurig scheiden;
Wir haben ewige Treue begehrt,
Die Gˆtter wollen’s nicht leiden.

DIE J‹NGLINGE:
Wenn ihr uns nur so ferner labt,
Uns wackre Schifferknaben;
Wir haben’s nie so gut gehabt
Und wollen’s nicht besser haben.

NEREUS:
Du bist es, mein Liebchen! +

GALATEE:
O Vater! das Gl¸ck!
Delphine, verweilet! mich fesselt der Blick.

NEREUS:
Vor¸ber schon, sie ziehen vor¸ber In kreisenden Schwunges Bewegung;
Was k¸mmert sie die innre herzliche Regung! Ach, n‰hmen sie mich mit hin¸ber!
Doch ein einziger Blick ergetzt,
Dafl er das ganze Jahr ersetzt,

THALES:
Heil! Heil! aufs neue!
Wie ich mich bl¸hend freue,
Vom Schˆnen, Wahren durchdrungen… Alles ist aus dem Wasser entsprungen!!
Alles wird durch das Wasser erhalten! Ozean, gˆnn uns dein ewiges Walten.
Wenn du nicht Wolken sendetest,
Nicht reiche B‰che spendetest,
Hin und her nicht Fl¸sse wendetest, Die Strˆme nicht vollendetest,
Was w‰ren Gebirge, was Ebnen und Welt? Du bist’s der das frischeste Leben erh‰lt.

ECHO:
Du bist’s, dem das frischeste Leben entquellt.

NEREUS:
Sie kehren schwankend fern zur¸ck, Bringen nicht mehr Blick zu Blick;
In gedehnten Kettenkreisen,
Sich festgem‰fl zu erweisen,
Windet sich die unz‰hlige Schar.
Aber Galateas Muschelthron
Seh’ ich schon und aber schon.
Er gl‰nzt wie ein stern
Durch die Menge.
Geliebtes leuchtet durchs Gedr‰nge! Auch noch so fern
Schimmert’s hell und klar,
Immer nah und wahr.

HOMUNCULUS:
In dieser holden Feuchte
Was ich auch hier beleuchte,
Ist alles reizend schˆn.

PROTEUS:
In dieser Lebensfeuchte
Ergl‰nzt erst deine Leuchte
Mit herrlichem Getˆn.

NEREUS:
Welch neues Geheimnis in Mitte der Scharen Will unseren Augen sich offengebaren?
Was flammt um die Muschel, um Galatees F¸fle? Bald lodert es m‰chtig, bald lieblich, bald s¸fle, Als w‰r’ es von Pulsen der Liebe ger¸hrt.

THALES:
Homunculus ist es, von Proteus verf¸hrt… Es sind die Symptome des herrischen Sehnens, Mir ahnet das ‰chzen be‰ngsteten Drˆhnens; Er wird sich zerschellen am gl‰nzenden Thron; Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergieflet sich schon.

SIRENEN:
Welch feuriges Wunder verkl‰rt uns die Wellen, Die gegeneinander sich funkelnd zerschellen? So leuchtet’s und schwanket und hellet hinan: Die Kˆrper, sie gl¸hen auf n‰chtlicher Bahn, Und ringsum ist alles vom Feuer umronnen; So herrsche denn Eros, der alles begonnen! Heil dem Meere! Heil den Wogen,
Von dem heilgen Feuer umzogen!
Heil dem Wasser! Heil dem Feuer!
Heil dem seltnen Abenteuer!

ALL-ALLE:
Heil den mildgewogenen L¸ften!
Heil geheimnisreichen Gr¸ften!
Hochgefeiert seid allhier,
Element’ ihr alle vier!

3. Akt–Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta

HELENA:
Bewundert viel und viel gescholten, Helena, Vom Strande komm’ ich, wo wir erst gelandet sind, Noch immer trunken von des Gewoges regsamem Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her Auf str‰ubig-hohem R¸cken, durch Poseidons Gunst Und Euros’ Kraft, in vaterl‰ndische Buchten trug. Dort unten freuet nun der Kˆnig Menelas Der R¸ckkehr samt den tapfersten seiner Krieger sich. Du aber heifle mich willkommen, hohes Haus, Das Tyndareos, mein Vater, nah dem Hange sich Von Pallas’ H¸gel wiederkehrend aufgebaut Und, als ich hier mit Klyt‰mnestren schwesterlich, Mit Kastor auch und Pollux frˆhlich spielend wuchs, Vor allen H‰usern Spartas herrlich ausgeschm¸ckt. Gegr¸flet seid mir, der ehrnen Pforte Fl¸gel ihr! Durch euer gastlich ladendes Weit-Erˆffnen einst Geschah’s, dafl mir, erw‰hlt aus vielen, Menelas In Br‰utigamsgestalt entgegenleuchtete. Erˆffnet mir sie wieder, dafl ich ein Eilgebot Des Kˆnigs treu erf¸lle, wie der Gattin ziemt. Laflt mich hinein! und alles bleibe hinter mir, Was mich umstr¸rmte bis hieher, verh‰ngnisvoll. Denn seit ich diese Schwelle sorgenlos verliefl, Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gem‰fl, Mich aber dort ein R‰uber griff, der phrygische, Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit So gern erz‰hlen, aber der nicht gerne hˆrt, Von dem die Sage wachsend sich zum M‰rchen spann.

CHOR:
Verschm‰he nicht, o herrliche Frau, Des hˆchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das grˆflte Gl¸ck ist dir einzig beschert, Der Schˆnheit Ruhm, der vor allen sich hebt. Dem Helden tˆnt sein Name voran,
Drum schreitet er stolz;
Doch beugt sogleich hartn‰ckigster Mann Vor der allbezwingenden Schˆne den Sinn.

HELENA:
Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft Und nun von ihm zu seiner Stadt voraugesandt; Doch welchen Sinn er hegen mag, errat’ ich nicht. Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Kˆnigin? Komm’ ich ein Opfer f¸r des F¸rsten bittern Schmerz Und f¸r der Griechen lang’ erduldetes Miflgeschick? Erobert bin ich; ob gefangen, weifl ich nicht! Denn Ruf und Schicksal bestimmten f¸wahr die Unsterblichen Zweideutig mir, der Schˆngestalt bedenkliche Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar Mit d¸ster drohender Gegenwart zur Seite stehn. Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort. Als wenn er Unheil s‰nne, safl er gegen mir. Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad Hinangefahren der vordern Schiffe Schn‰bel kaum Das Land begr¸flten, sprach er, wie vom Gott bewegt: “Hier steigen meine Krieger nach der Ordnung aus, Ich mustere sie, am Strand des Meeres hingereiht; Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf,
Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck, Bis dafl zur schˆnen Ebene du gelangen magst, Wo Laked‰mon, einst ein fruchtbar weites Feld, Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut. Betrete dann das hochget¸rmte F¸rstenhaus Und mustere mir die M‰gde, die ich dort zur¸ck Gelassen, samt der klugen alten Schaffnerin. Die zeige dir der Sch‰tze reiche Sammlung vor, Wie sie dein Vater hinterliefl und die ich selbst In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgeh‰uft. Du findest alles nach der Ordnung stehen; denn Das ist des F¸rsten Vorrecht, dafl er alles treu In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch An seinem Platze jedes, wie er’s dort verliefl. Denn nichts zu ‰ndern hat f¸r sich der Knecht Gewalt.”

CHOR:
Erquicke nun am herrlichen Schatz,
Dem stets vermehrten, Augen und Brust! Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck, Da ruhn sie stolz, und sie d¸nken sich was; Doch tritt nur ein und fordre sie auf,
Sie r¸sten sich schnell.
Mich freuet, zu sehn Schˆnheit in dem Kampf Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.

HELENA:
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort: “Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn, Dann nimm so manchen Dreifufl, als du nˆtig glaubst, Und mancherlei Gef‰fle, die der Opfer sich Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch. Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund; Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sei In hohen Kr¸gen; ferner auch das trockne Holz, Der Flammen schnell empf‰nglich, halte da bereit; Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt; Doch alles andre geb’ ich deiner Sorge hin.” So sprach er, mich zum Scheiden dr‰ngend; aber nichts Lebendigen Atems zeichnet mir der Ordnende, Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will. Bedenklich ist es; doch ich sorge weiter nicht, Und alles bleibe hohen Gˆttern heimgestellt, Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie deucht, Es mˆge gut von Menschen oder mˆge bˆs Geachtet sein; die Sterblichen, wir ertragen das. Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde Zu des erdgebeugten Tieres Nacken weihend auf Und konnt’ es nicht vollbringen, denn ihn hinderte Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.

CHOR:
Was geschehen werde, sinnst du nicht aus; Kˆnigin, schreite dahin
Guten Muts!
Gutes und Bˆses kommt
Unerwartet dem Menschen;
Auch verk¸ndet, glauben wir’s nicht. Brannte doch Troja, sahen wir doch
Tod vor Augen, schm‰hlichen Tod;
Und sind wir nicht hier
Dir gesellt, dienstbar freudig,
Schauen des Himmels blendende Sonne Und das Schˆnste der Erde
Huldvoll, dich, uns Gl¸cklichen?

HELENA:
Sei’s wie es sei! Was auch bevorsteht, mir geziemt, Hinaufzusteigen unges‰umt in das Kˆnigshaus, Das, lang’ entbehrt und viel ersehnt und fast verscherzt, Mir abermals vor Augen steht, ich weifl nicht wie. Die F¸fle tragen mich so mutig nicht empor Die hohen Stufen, die ich kindisch ¸bersprang.

CHOR:
Werfet, o Schwestern, ihr
Traurig gefangenen,
Alle Schmerzen ins Weite;
Teilet der Herrin Gl¸ck,
Teilet Helenens Gl¸ck,
Welche zu Vaterhauses Herd,
Zwar mit sp‰t zur¸ckkehrendem,
Aber mit desto festerem
Fufle freudig herannaht.
Preiset die heiligen,
Gl¸cklich herstellenden
Und heimf¸hrenden Gˆtter!
Schwebt der Entbundene
Doch wie auf Fittichen
¸ber das Rauhste, wenn umsonst
Der Gefangene sehnsuchtsvoll
¸ber die Zinne des Kerkers hin
Armausbreitend sich abh‰rmt.
Aber sie ergriff ein Gott,
Die Entfernte;
Und aus Ilios’ Schutt
Trug er hierher sie zur¸ck
In das alte, das neugeschm¸ckte
Vaterhaus,
Nach uns‰glichen
Freuden und Qualen,
Fr¸her Jugendzeit
Angefrischt zu gedenken.

PANTHALIS:
Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad Und wendet nach der T¸re Fl¸geln euren Blick! Was seh’ ich, Schwestern? Kehret nicht die Kˆnigin Mit heftigen Schrittes Regung wieder zu uns her? Was ist es, grofle Kˆnigin, was konnte dir In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Grufl, Ersch¸tterndes begegnen? Du verbirgst es nicht; Denn Widerwillen seh’ ich an der Stirne dir, Ein edles Z¸rnen, das mit ¸berraschung k‰mpft.

HELENA:
Der Tochter Zeus’ geziemet nicht gemeine Furcht, Und fl¸chtig-leise Schreckenshand ber¸hrt sie nicht; Doch das Entsetzen, das, dem Schofl der alten Nacht Von Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch Wie gl¸hende Wolken aus des Berges Feuerschlund Herauf sich w‰lzt, ersch¸ttert auch des Helden Brust. So haben heute grauenvoll die Stygischen Ins Haus den Eintritt mir bezeichnet, dafl ich gern Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich, Entlaflnem Gaste gleich, entfernend scheiden mag. Doch nein! gewichen bin ich her ans Licht, und sollt Ihr weiter nicht mich treiben, M‰chte, wer ihr seid. Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag Des Herdes Glut die Frau begr¸flen wie den Herrn.

CHORF‹HRERIN:
Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau, Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist.

HELENA:
Was ich gesehen, sollt ihr selbst mit Augen sehn, Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich Zur¸ckgeschlungen in ihrer Tiefe Wunderschofl. Doch dafl ihr’s wisset, sag’ ich’s euch mit Worten an: Als ich des Kˆnigshauses ernsten Binnenraum, Der n‰chsten Pflicht gedenkend, feierlich betrat, Erstaunt’ ich ob der ˆden G‰nge Schweigsamkeit, Nicht Schall der emsig Wandelnden begegnete Dem Ohr, nicht raschgesch‰ftiges Eiligtun dem Blick, Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin, Die jeden Fremden freundlich sonst begr¸flenden. Als aber ich dem Schofle des Herdes mich genaht, Da sah ich, bei verglommner Asche lauem Rest, Am Boden sitzen welch verh¸lltes grofles Weib, Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden. Mit Herrscherworten ruf’ ich sie zur Arbeit auf, Die Schaffnerin mir vermutend, die indes vielleicht Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt; Doch eingefaltet sitzt die Unbewegliche; Nur endlich r¸hrt sie auf mein Dr‰un den rechten Arm, Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg. Ich wende z¸rnend mich ab von ihr und eile gleich Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos Geschm¸ckt sich hebt und nah daran das Schatzgemach; Allein das Wunder reiflt sich schnell vom Boden auf, Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich In hagrer Grˆfle, hohlen, blutig-tr¸ben Blicks, Seltsamer Bildung, wie sie Aug’ und Geist verwirrt. Doch red’ ich in die L¸fte; denn das Wort bem¸ht Sich nur umsonst, Gestalten schˆpferisch aufzubaun. Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich ans Licht hervor! Hier sind wir Meister, bis der Herr und Kˆnig kommt. Die grausen Nachtgeburten dr‰ngt der Schˆnheitsfreund Phˆbus hinweg in Hˆhlen, oder b‰ndigt sie.

CHOR:
Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke Jugendlich wallet mir um die Schl‰fe!
Schreckliches hab’ ich vieles gesehen, Kriegrischen Jammer, Ilios’ Nacht,
Als es fiel.
Durch das umwˆlkte, staubende Tosen Dr‰ngender Krieger hˆrt’ ich die Gˆtter F¸rchterlich rufen, hˆrt’ ich der Zwietracht Eherne Stimme schallen durchs Feld,
Mauerw‰rts.
Ach! sie standen noch, Ilios’
Mauern, aber die Flammenglut
Zog vom Nachbar zum Nachbar schon,
Sich verbreitend von hier und dort
Mit des eignen Sturmes Wehn
¸ber die n‰chtliche Stadt hin.
Fl¸chtend sah ich durch Rauch und Glut Und der z¸ngelnden Flamme Loh’n
Gr‰fllich z¸rnender Gˆtter Nahn, Schreitend Wundergestalten
Riesengrofl, durch d¸steren
Feuerumleuchteten Qualm hin.
Sah ich’s, oder bildete
Mir der angstumschlungene Geist
Solches Verworrene? sagen kann
Nimmer ich’s, doch dafl ich dies
Gr‰flliche hier mit Augen schau’, Solches gewifl ja weifl ich;
Kˆnnt’ es mit H‰nden fassen gar, Hielte von dem Gef‰hrlichen
Nicht zur¸cke die Furcht mich.
Welche von Phorkys’
Tˆchtern nur bist du?
Denn ich vergleiche dich
Diesem Geschlechte.
Bist du vielleicht der graugebornen, Eines Auges und eines Zahns
Wechselsweis teilhaftigen
Graien eine gekommen?
Wagest du Scheusal
Neben der Schˆnheit
Dich vor dem Kennerblick
Phˆbus’ zu zeigen?
Tritt du dennoch hervor nur immer;
Denn das H‰flliche schaut er nicht, Wie sein heilig Auge noch
Nie erblickte den Schatten.
Doch uns Sterbliche nˆtigt, ach,
Leider trauriges Miflgeschick
Zu dem uns‰glichen Augenschmerz,
Den das Verwerfliche, Ewig-Unselige Schˆnheitliebenden rege macht.
Ja, so hˆre denn, wenn du frech
Uns entgegenest, hˆre Fluch,
Hˆre jeglicher Schelte Drohn
Aus dem verw¸nschenden Munde der Gl¸cklichen, Die von Gˆttern gebildet sind.

PHORKYAS:
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn, Dafl Scham und Schˆnheit nie zusammen, Hand in Hand, Den Weg verfolgen ¸ber der Erde gr¸nen Pfad. Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Hafl, Dafl, wo sie immer irgend auch des Weges sich Begegnen, jede der Gernerin den R¸cken kehrt. Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort, Die Scham betr¸bt, die Schˆnheit aber frech gesinnt, Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umf‰ngt, Wenn nicht das Alter sie vorher geb‰ndigt hat. Euch find’ ich nun, ihr Frechen, aus der Fremde her Mit ¸bermut ergossen, gleich der Kraniche Laut-heiser klingendem Zug, der ¸ber unser Haupt, In langer Wolke, kr‰chzend sein Getˆn herab Schickt, das den stillen Wandrer ¸ber sich hinauf Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin, Er geht den seinen; also wird’s mit uns geschehn. Wer seid denn ihr, dafl ihr des Kˆniges Hochpalast M‰nadisch wild, Betrunknen gleich, umtoben d¸rft? Wer seid ihr denn, dafl ihr des Hauses Schaffnerin Entgegenheulet, wie dem Mond der Hunde Schar? W‰hnt ihr, verborgen sei mir, welch Geschlecht ihr seid, Du kriegerzeugte, schlachterzogne junge Brut? Mannlustige du, so wie verf¸hrt verf¸hrende, Entnervend beide, Kriegers auch und B¸rgers Kraft! Zu Hauf euch sehend, scheint mir ein Zikadenschwarm Herabzust¸rzen, deckend gr¸ne Feldersaat. Verzehrerinnen fremden Fleifles! Naschende Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr! Erobert’, marktverkauft’, vertauschte Ware du!

HELENA:
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt, Der Gebietrin Hausrecht tastet er vermessen an; Denn ihr geb¸hrt allein, das Lobensw¸rdige Zu r¸hmen, wie zu strafen, was verwerflich ist. Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir Geleistet, als die hohe Kraft von Ilios
Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger, Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnot Ertrugen, wo sonst jeder sich der N‰chste bleibt. Auch hier erwart’ ich Gleiches von der muntern Schar; Nicht, was der Knecht sei, fragt der Herr, nur, wie er dient. Drum schweige du und grinse sie nicht l‰nger an. Hast du das Haus des Kˆnigs wohl verwahrt bisher Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir; Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zur¸ck, Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns.

PHORKYAS:
Den Hausgenossen drohen bleibt ein grofles Recht, Das gottbegl¸ckten Herrschers hohe Gattin sich Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient. Da du, nun Anerkannte, neu den alten Platz Der Kˆnigin und Hausfrau wiederum betrittst, So fasse l‰ngst erschlaffte Z¸gel, herrsche nun, Nimm in Besitz den Schatz und s‰mtlich uns dazu. Vor allem aber sch¸tze mich, die ‰ltere, Vor dieser Schar, die neben deiner Schˆnheit Schwan Nur schlecht befitticht’, schnatterhafte G‰nse sind.

CHORF‹HRERIN:
Wie h‰fllich neben Schˆnheit zeigt sich H‰fllichkeit.

PHORKYAS:
Wie unverst‰ndig neben Klugheit Unverstand.

CHORETIDE 1:
Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht.

PHORKYAS:
So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind.

CHORETIDE 2:
An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheur empor.

PHORKYAS:
Zum Orkus hin! da suche deine Sippschaft auf.

CHORETIDE 3:
Die dorten wohnen, sind dir alle viel zu jung.

PHORKYAS:
Tiresias, den Alten, gehe buhlend an.

CHORETIDE 4:
Orions Amme war dir Ur-Urenkelin.

PHORKYAS:
Harpyen, w‰hn’ ich, f¸tterten dich im Unflat auf.

CHORETIDE 5:
Mit was ern‰hrst du so gepflegte Magerkeit?

PHORKYAS:
Mit Blute nicht, wonach du allzul¸stern bist.

CHORETIDE 6:
Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst!

PHORKYAS:
Vampyren-Z‰hne gl‰nzen dir im frechen Maul.

CHORF‹HRERIN:
Das deine stopf’ ich, wenn ich sage, wer du seist.

PHORKYAS:
So nenne dich zuerst; das R‰tsel hebt sich auf.

HELENA:
Nicht z¸rnend, aber traurend schreit’ ich zwischen euch, Verbietend solchen Wechselstreites Ungest¸m! Denn Sch‰dlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist. Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr In schnell vollbrachter Tat wohlstimmig ihm zur¸ck, Nein, eigenwillig brausend tost es um ihn her, Den selbstverirrten, ins Vergebne scheltenden. Dies nicht allein. Ihr habt in sittelosem Zorn Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt, Die mich umdr‰ngen, dafl ich selbst zum Orkus mich Gerissen f¸hle, vaterl‰nd’scher Flur zum Trutz. Ist’s wohl Ged‰chtnis? war es Wahn, der mich ergreift? War ich das alles? Bin ich’s? Werd’ ich’s k¸nftig sein, Das Traum- und Schreckbild jener St‰dteverw¸stenden? Die M‰dchen schaudern, aber du, die ‰lteste, Du stehst gelassen; rede mir verst‰ndig Wort.

PHORKYAS:
Wer langer Jahre mannigfaltigen Gl¸cks gedenkt, Ihm scheint zuletzt die hˆchste Gˆttergunst ein Traum. Du aber, hochbeg¸nstigt sonder Mafl und Ziel, In Lebensreihe sahst nur Liebesbr¸nstige, Entz¸ndet rasch zum k¸hnsten Wagst¸ck jeder Art. Schon Theseus haschte fr¸h dich, gierig aufgeregt, Wie Herakles stark, ein herrlich schˆn geformter Mann.

HELENA:
Entf¸hrte mich, ein zehenj‰hrig schlankes Reh, Und mich umschlofl Aphidnus’ Burg in Attika.

PHORKYAS:
Durch Kastor und durch Pollux aber bald befreit, Umworben standst du ausgesuchter Heldenschar.

HELENA:
Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh’, Gewann Patroklus, er, des Peliden Ebenbild.

PHORKYAS:
Doch Vaterwille traute dich an Menelas, Den k¸hnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch.

HELENA:
Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm. Aus ehlichem Beisein sproflte dann Hermione.

PHORKYAS:
Doch als er fern sich Kretas Erbe k¸hn erstritt, Dir Einsamen da erschien ein allzuschˆner Gast.

HELENA:
Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft, Und welch Verderben gr‰fllich mir daraus erwuchs?

PHORKYAS:
Auch jene Fahrt, mir freigebornen Kreterin Gefangenschaft erschuf sie, lange Sklaverei.

HELENA:
Als Schaffnerin bestellt’ er dich sogleich hieher, Vertrauend vieles, Burg und k¸hn erworbnen Schatz.

PHORKYAS:
Die du verlieflest, Ilios’ umt¸rmter Stadt Und unerschˆpften Liebesfreuden zugewandt.

HELENA:
Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leids Unendlichkeit ergofl sich ¸ber Brust und Haupt.

PHORKYAS:
Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild, In Ilios gesehen und in ‰gypten auch.

HELENA:
Verwirre w¸sten Sinnes Aberwitz nicht gar. Selbst jetzo, welche denn ich sei, ich weifl es nicht.

PHORKYAS:
Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf Gesellte sich inbr¸nstig noch Achill zu dir! Dich fr¸her liebend gegen allen Geschicks Beschlufl.

HELENA:
Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich. Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst. Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol.

CHOR:
Schweige, schweige!
Miflblickende, Miflredende du!
Aus so gr‰fllichen einzahnigen
Lippen, was enthaucht wohl
Solchem furchtbaren Greuelschlund!
Denn der Bˆsartige, wohlt‰tig erscheinend, Wolfesgrimm unter schafwolligem Vlies,
Mir ist er weit schrecklicher als des drei-+ kˆpfigen/ Hundes Rachen.
‰ngstlich lauschend stehn wir da: Wann? wie? wo nur bricht’s hervor,
Solcher T¸cke
Tiefauflauerndes Unget¸m?
Nun denn, statt freundlich mit Trost reich begabten, Letheschenkenden, holdmildesten Worts
Regest du auf aller Vergangenheit
Bˆsestes mehr denn Gutes
Und verd¸sterst allzugleich
Mit dem Glanz der Gegenwart
Auch der Zukunft
Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht. Schweige, schweige!
Dafl der Kˆnigin Seele,
Schon zu entfliehen bereit,
Sich noch halte, festhalte
Die Gestalt aller Gestalten,
Welche die Sonne jemals beschien.

PHORKYAS:
Tritt hervor aus fl¸chtigen Wolken, hohe Sonne dieses Tags, Die verschleiert schon entz¸ckte, blendend nun im Glanze herrscht. Wie die Welt sich dir entfaltet, schaust du selbst mit holdem Blick. Schelten sie mich auch f¸r h‰fllich, kenn’ ich doch das Schˆne wohl.

HELENA:
Tret’ ich schwankend aus der ˆde, die im Schwindel mich umgab, Pflegt’ ich gern der Ruhe wieder, denn so m¸d’ ist mein Gebein: Doch es ziemet Kˆniginnen, allen Menschen ziemt es wohl, Sich zu fassen, zu ermannen, was auch drohend ¸berrascht.

PHORKYAS:
Stehst du nun in deiner Groflheit, deiner Schˆne vor uns da, Sagt dein Blick, dafl du befiehlest; was befiehlst du? sprich es aus.

HELENA:
Eures Haders frech Vers‰umnis auszugleichen, seid bereit; Eilt, ein Opfer zu bestellen, wie der Kˆnig mir gebot.

PHORKYAS:
Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreifufl, scharfes Beil, Zum Besprengen, zum Ber‰uchern; das zu Opfernde zeig’ an!

HELENA:
Nicht bezeichnet’ es der Kˆnig. +

PHORKYAS:
Sprach’s nicht aus? O Jammerwort!

HELENA:
Welch ein Jammer ¸berf‰llt dich? +

PHORKYAS:
Kˆnigin, du bist gemeint!

HELENA:
Ich? +

PHORKYAS:
Und diese. +

CHOR:
Weh und Jammer! +

PHORKYAS:
Fallen wirst du durch das Beil.

HELENA:
Gr‰fllich doch geahnt; ich Arme! +

PHORKYAS:
Unvermeidlich scheint es mir.

CHOR:
Ach! Und uns? + was wird begegnen?

PHORKYAS:
Sie stirbt einen edlen Tod;
Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel tr‰gt, Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach.

PHORKYAS:
Gespenster!–Gleich erstarrten Bildern steht ihr da, Geschreckt, vom Tag zu scheiden, der euch nicht gehˆrt. Die Menschen, die Gespenster s‰mtlich gleich wie ihr, Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein; Doch bittet oder rettet niemand sie vom Schlufl; Sie wissen’s alle, wenigen doch gef‰llt es nur. Genug, ihr seid verloren! Also frisch ans Werk. Herbei, du d¸stres, kugelrundes Unget¸m! W‰lzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust. Dem Tragaltar, dem goldgehˆrnten, gebet Platz, Das Beil, es liege blinkend ¸ber dem Silberrand, Die Wasserkr¸ge f¸llet, abzuwaschen gibt’s Des schwarzen Blutes greuelvolle Besudelung. Den Teppich breitet kˆstlich hier am Staube hin, Damit das Opfer niederkniee kˆniglich
Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts sogleich, Anst‰ndig w¸rdig aber doch bestattet sei.

CHORF‹HRERIN:
Die Kˆnigin stehet sinnend an der Seite hier, Die M‰dchen welken gleich gem‰htem Wiesengras; Mir aber deucht, der ‰ltesten, heiliger Pflicht gem‰fl, Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Ur‰lteste. Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt, Obschon verkennend hirnlos diese Schar dich traf. Drum sage, was du mˆglich noch von Rettung weiflt.

PHORKYAS:
Ist leicht gesagt: von der Kˆnigin h‰ngt allein es ab, Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr. Entschlossenheit ist nˆtig und die behendeste.

CHOR:
Ehrenw¸rdigste der Parzen, weiseste Sibylle du, Halte gesperrt die goldene Schere, dann verk¸nd’ uns Tag und Heil; Denn wir f¸hlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln unergetzlich Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergetzten, Ruhten drauf an Liebchens Brust.

HELENA:
Lafl diese bangen! Schmerz empfind’ ich, keine Furcht; Doch kennst du Rettung, dankbar sei sie anerkannt. Dem Klungen, Weitumsichtigen zeigt f¸rwahr sich oft Unmˆgliches noch als mˆglich. Sprich und sag’ es an.

CHOR:
Sprich und sage, sag uns eilig: wie entrinnen wir den grausen, Garstigen Schlingen, die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide, Sich um unsre H‰lse ziehen? Vorempfinden wir’s, die Armen, Zum Entatmen, zum Ersticken, wenn du, Rhea, aller Gˆtter Hohe Mutter, dich nicht erbarmst.

PHORKYAS:
Habt ihr Geduld, des Vortrags langgedehnten Zug Still anzuhˆren? Mancherlei Geschichten sind’s.

CHOR:
Geduld genug! Zuhˆrend leben wir indes.

PHORKYAS:
Dem, der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weifl, Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang, Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch; Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht Mit fl¸chtigen Sohlen ¸berschreitet freventlich, Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz, Doch umge‰ndert alles, wo nicht gar zerstˆrt.

HELENA:
Wozu dergleichen wohlbekannte Spr¸che hier? Du willst erz‰hlen; rege nicht an Verdrieflliches.

PHORKYAS:
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs. Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht, Gestad’ und Inseln, alles streift’ er feindlich an, Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt. Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn; Zur Heimfahrt aber weifl ich nicht wie viel es war. Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos’ Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?

HELENA:
Ist dir denn so das Schelten g‰nzlich einverleibt, Dafl ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst?

PHORKYAS:
So viele Jahre stand verlassen das Talgebrig, Das hinter Sparta nordw‰rts in die Hˆhe steigt, Taygetos im R¸cken, wo als muntrer Bach Herab Eurotas rollt und dann, durch unser Tal An Rohren breit hinflieflend, eure sChw‰ne n‰hrt. Dort hinten still im Gebirgtal hat ein k¸hn Geschlecht Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht, Und unersteiglich feste Burg sich aufget¸rmt, Von da sie Land und Leute placken, wie’s behagt.

HELENA:
Das konnten sie vollf¸hren? Ganz unmˆglich scheint’s.

PHORKYAS:
Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind’s.

HELENA:
Ist einer Herr? sind’s R‰uber viel, verb¸ndete?

PHORKYAS:
Nicht R‰uber sind es, einer aber ist der Herr. Ich schelt’ ihn nicht, und wenn er schon mich heimgesucht. Wohl konnt’ er alles nehmen, doch begn¸gt’ er sich Mit wenigen Freigeschenken, nannt’ er’s, nicht Tribut.

HELENA:
Wie sieht er aus? +

PHORKYAS:
Nicht ¸bel! mir gef‰llt er schon. Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter, Wie unter Griechen wenig’, ein verst‰nd’ger Mann. Man schilt das Volk Barbaren, doch ich d‰chte nicht, Dafl grausam einer w‰re, wie vor Ilios Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies. Ich acht’ auf seine Groflheit, ihm vertraut’ ich mich. Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn! Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk, Das eure V‰ter, mir nichts dir nichts, aufgew‰lzt, Zyklopisch wie Zyklopen, rohen Stein sogleich Auf rohe Steine st¸rzend; dort hingegen, dort Ist alles senk- und waagerecht und regelhaft. Von auflen schaut sie! himmelan sie strebt empor, So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl. Zu klettern hier–ja selbst der Gedanke gleitet ab. Und innen grofler Hˆfe Raumgelasse, rings Mit Baulichkeit umgeben, aller Art und Zweck. Da seht ihr S‰ulen, S‰ulchen, Bogen, Bˆgelchen, Altane, Galerien, zu schauen aus und ein, Und Wappen. +

CHOR:
Was sind Wappen? +

PHORKYAS:
Ajax f¸hrte ja
Geschlungene Schlang’ im Schilde, wie ihr selbst gesehn. Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerein Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll. Da sah man Mond und Stern’ am n‰chtigen Himmelsraum, Auch Gˆttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch, Und was Bedr‰ngliches guten St‰dten grimmig droht. Ein solch Gebilde f¸hrt auch unsre Heldenschar Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz. Da seht ihr Lˆwen, Adler, Klau’ und Schnabel auch, Dann B¸ffelhˆrner, Fl¸gel, Rosen, Pfauenschweif, Auch Streifen, gold und schwarz und silbern, blau und rot. Dergleichen h‰ngt in S‰len Reih’ an Reihe fort. In S‰len, grenzenlosen, wie die Welt so weit; Da kˆnnt ihr tanzen! +

CHOR:
Sage, gibt’s auch T‰nzer da?

PHORKYAS:
Die besten! goldgelockte, frische Bubenschar. Die duften Jugend! Paris duftete einzig so, Als er der Kˆnigin zu nahe kam. +

HELENA:
Du f‰llst
Ganz aus der Rolle; sage mir das letzte Wort!

PHORKYAS:
Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja! Sogleich umgeb’ ich dich mit jener Burg. +

CHOR:
O sprich
Das kurze Wort und rette dich und uns zugleich!

HELENA:
Wie? sollt’ ich f¸rchten, dafl der Kˆnig Menelas So grausam sich verginge, mich zu sch‰digen?

PHORKYAS:
Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus, Des totgek‰mpften = paris Bruder, unerhˆrt Verst¸mmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt Und gl¸cklich kebste? Nas’ und Ohren schnitt er ab Und st¸mmelte mehr so: Greuel war es anzuschaun.

HELENA:
Das tat er jenem, meinetwegen tat er das.

PHORKYAS:
Um jenes willen wird er dir das gleiche tun. Unteilbar ist die Schˆnheit; der sie ganz besafl, Zerstˆrt sie lieber, fluchend jedem Teilbesitz. Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid’ Zerreiflend anfaflt, also krallt sich Eifersucht Im Busen fest des Mannes, der das nie vergiflt, Was einst er besafl und nun verlor, nicht mehr besitzt.

CHOR:
Hˆrst du nicht die Hˆrner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht?

PHORKYAS:
Sei willkommen, Herr und Kˆnig, gerne geb’ ich Rechenschaft.

CHOR:
Aber wir? +

PHORKYAS:
Ihr wiflt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod, Merkt den eurigen da drinne: nein, zu helfen ist euch nicht.

HELENA:
Ich sann mir aus das N‰chste, was ich wagen darf. Ein Widerd‰mon bist du, das empfind’ ich wohl Und f¸rchte, Gutes wendest du zum Bˆsen um. Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg; Das andre weifl ich; was die Kˆnigin dabei Im tiefen Busen geheimnisvoll verbergen mag, Sei jedem unzug‰nglich. Alte, geh voran!

CHOR:
O wie gern gehen wir hin,
Eilenden Fufles;
Hinter uns Tod,
Vor uns abermals
Ragender Feste
Unzug‰ngliche Mauer.
Sch¸tze sie ebenso gut,
Eben wie Ilios’ Burg,
Die doch endlich nur
Niedertr‰chtiger List erlag.
Wie? aber wie?
Schwestern, schaut euch um!
Was es nicht heiterer Tag?
Nebel schwanken streifig empor
Aus Eurotas’ heil’ger Flut;
Schon entschwand das liebliche
Schilfumkr‰nzte Gestade dem Blick; Auch die frei, zierlich-stolz
Sanfthingleitenden Schw‰ne
In gesell’ger Schwimmlust
Seh’ ich, ach, nicht mehr!
Doch, aber doch
Tˆnen hˆr’ ich sie,
Tˆnen fern heiseren Ton!
Tod verk¸ndenden, sagen sie.
Ach dafl uns er nur nicht auch,
Statt verheiflener Rettung Heil,
Untergang verk¸nde zuletzt;
Uns, den Schwangleichen, Lang-+
Schˆn-Weiflhalsigen,/ und ach!
Unsrer Schwanerzeugten.
Weh uns, weh, weh!
Alles deckte sich schon
Rings mit Nebel umher.
Sehen wir doch einander nicht!
Was geschieht? gehen wir?
Schweben wir nur
Trippelnden Schrittes am Boden hin? Siehst du nichts? Schwebt nicht etwa gar Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab Heischend, gebietend uns wieder zur¸ck
Zu dem unerfreulichen, grautagenden, Ungreifbarer Gebilde vollen,
¸berf¸llten, ewig leeren Hades?
Ja auf einmal wird es d¸ster, ohne Glanz entschwebt der Nebel Dunkelgr‰ulich, mauerbr‰unlich. Mauern stellen sich dem Blicke, Freiem Blicke starr entgegen. Ist’s ein Hof? ist’s tiefe Grube? Schauerlich in jedem Falle! Schwestern, ach! wir sind gefangen, So gefangen wie nur je.

Innerer Burghof

CHORF‹HRERIN:
Vorschnell und tˆricht, echt wahrhaftes Weibsgebild! Vom Augenblick abh‰ngig, Spiel der Witterung, Des Gl¸cks und Ungl¸cks! Keins von beiden wiflt ihr je Zu bestehn mit Gleichmut. Eine widerspricht ja stets Der andern heftig, ¸berquer die andern ihr; In Freud’ und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Tons. Nun schweigt! und wartet horchend, was die Herrscherin Hochsinnig hier beschlieflen mag f¸r sich und uns.

HELENA:
Wo bist du, Pythonissa? heifle, wie du magst; Aus diesen Gewˆlben tritt hervor der d¸stern Burg. Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn Mich anzuk¸ndigen, Wohlempfang bereitend mir, So habe Dank und f¸hre schnell mich ein zu ihm; Beschlufl der Irrfahrt w¸nsch’ ich. Ruhe w¸nsch’ ich nur.

CHORF‹HRERIN:
Vergebens blickst du, Kˆnigin, allseits um dich her; Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher, Ich weifl nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt. Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg, Den Herrn erfragend f¸rstlicher Hochbegr¸flung halb. Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits, In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch Sich hin und her bewegend, viele Dienerschaft; Vornehm-willkommnen Gastempfang verk¸ndet es.

CHOR:
Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin, Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt Jungholdeste Schar anst‰ndig bewegt
Den geregelten Zug. Wie! auf wessen Befehl Nur erscheinen, gereiht und gebildet so fr¸h, Von J¸nglingsknaben das herrliche Volk? Was bewundr’ ich zumeist? Ist es zierlicher Gang, Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn, Etwa der W‰nglein Paar, wie die Pfirsiche rot