Daï¬ dabei nicht viel Segen war.
“Mein Kind”, rief sie, “ungerechtes Gut Befâ°ngt die Seele, zehrt auf das Blut. Wollen’s der Mutter Gottes weihen,
Wird uns mit Himmelsmanna erfreuen!” Margretlein zog ein schiefes Maul,
Ist halt, dacht sie, ein geschenkter Gaul, Und wahrlich! gottlos ist nicht der,
Der ihn so fein gebracht hierher.
Die Mutter lieï¬ einen Pfaffen kommen; Der hatte kaum den Spaï¬ vernommen,
Lieï¬ sich den Anblick wohl behagen. Er sprach: “So ist man recht gesinnt!
Wer ¸berwindet, der gewinnt.
Die Kirche hat einen guten Magen,
Hat ganze Lâ°nder aufgefressen
Und doch noch nie sich ¸bergessen; Die Kirch allein, meine lieben Frauen,
Kann ungerechtes Gut verdauen.”
FAUST:
Das ist ein allgemeiner Brauch,
Ein Jud und KËnig kann es auch.
MEPHISTOPHELES:
Strich drauf ein Spange, Kett und Ring’, Als wâ°ren’s eben Pfifferling’,
Dankt’ nicht weniger und nicht mehr, Als ob’s ein Korb voll N¸sse wâ°r,
Versprach ihnen allen himmlischen Lohn- Und sie waren sehr erbaut davon.
FAUST:
Und Gretchen?
MEPHISTOPHELES:
Sitzt nun unruhvoll, Weiï¬ weder, was sie will noch soll, Denkt ans Geschmeide Tag und Nacht,
Noch mehr an den, der’s ihr gebracht.
FAUST:
Des Liebchens Kummer tut mir leid.
Schaff du ihr gleich ein neu Geschmeid! Am ersten war ja so nicht viel.
MEPHISTOPHELES:
O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!
FAUST:
Und mach, und richt’s nach meinem Sinn, Hâ°ng dich an ihre Nachbarin!
Sei, Teufel, doch nur nicht wie Brei, Und schaff einen neuen Schmuck herbei!
MEPHISTOPHELES:
Ja, gnâ°d’ger Herr, von Herzen gerne. (Faust ab.)
So ein verliebter Tor verpufft
Euch Sonne, Mond und alle Sterne
Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft. (Ab.)
Der Nachbarin Haus
Marthe allein.
Gott verzeih’s meinem lieben Mann,
Er hat an mir nicht wohl getan!
Geht da stracks in die Welt hinein
Und lâ°ï¬t mich auf dem Stroh allein. Tâ°t ihn doch wahrlich nicht betr¸ben, Tâ°t ihn, weiï¬ Gott, recht herzlich lieben. (Sie weint.)
Vielleicht ist er gar tot!- O Pein!- Hâ°tt ich nur einen Totenschein!
(Margarete kommt.)
MARGARETE:
Frau Marthe!
MARTHE:
Gretelchen, was soll’s?
MARGARETE:
Fast sinken mir die Kniee nieder!
Da find ich so ein Kâ°stchen wieder In meinem Schrein, von Ebenholz,
Und Sachen herrlich ganz und gar,
Weit reicher, als das erste war.
MARTHE:
Das muï¬ Sie nicht der Mutter sagen; Tâ°t’s wieder gleich zur Beichte tragen.
MARGARETE:
Ach seh Sie nur! ach schau Sie nur!
MARTHE (putzt sie auf):
O du gl¸cksel’ge Kreatur!
MARGARETE:
Darf mich, leider, nicht auf der Gassen Noch in der Kirche mit sehen lassen.
MARTHE:
Komm du nur oft zu mir her¸ber,
Und leg den Schmuck hier heimlich an; Spazier ein St¸ndchen lang dem Spiegelglas vor¸ber, Wir haben unsre Freude dran;
Und dann gibt’s einen Anlaï¬, gibt’s ein Fest, Wo man’s so nach und nach den Leuten sehen lâ°ï¬t. Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr; Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor.
MARGARETE:
Wer konnte nur die beiden Kâ°stchen bringen? Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
(Es klopft.)
Ach Gott! mag das meine Mutter sein?
MARTHE (durchs Vorhâ°ngel guckend):
Es ist ein fremder Herr- Herein!
(Mephistopheles tritt auf.)
MEPHISTOPHELES:
Bin so frei, grad hereinzutreten,
Muï¬ bei den Frauen Verzeihn erbeten. (Tritt ehrerbietig vor Margareten zur¸ck.)
Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!
MARTHE:
Ich bin’s, was hat der Herr zu sagen?
MEPHISTOPHELES (leise zu ihr):
Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug; Sie hat da gar vornehmen Besuch.
Verzeiht die Freiheit, die ich genommen, Will Nachmittage wiederkommen.
MARTHE (lacht):
Denk, Kind, um alles in der Welt!
Der Herr dich f¸r ein Frâ°ulein hâ°lt.
MARGARETE:
Ich bin ein armes junges Blut;
Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.
MEPHISTOPHELES:
Ach, es ist nicht der Schmuck allein; Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf! Wie freut mich’s, daï¬ ich bleiben darf.
MARTHE:
Was bringt Er denn? Verlange sehr-
MEPHISTOPHELES:
Ich wollt, ich hâ°tt eine frohere Mâ°r!- Ich hoffe, Sie lâ°ï¬t mich’s drum nicht b¸ï¬en: Ihr Mann ist tot und lâ°ï¬t Sie gr¸ï¬en.
MARTHE:
Ist tot? das treue Herz! O weh!
Mein Mann ist tot! Ach ich vergeh!
MARGARETE:
Ach! liebe Frau, verzweifelt nicht!
MEPHISTOPHELES:
So hËrt die traurige Geschicht!
MARGARETE:
Ich mËchte drum mein’ Tag’ nicht lieben, W¸rde mich Verlust zu Tode betr¸ben.
MEPHISTOPHELES:
Freud muï¬ Leid, Leid muï¬ Freude haben.
MARTHE:
Erzâ°hlt mir seines Lebens Schluï¬!
MEPHISTOPHELES:
Er liegt in Padua begraben
Beim heiligen Antonius
An einer wohlgeweihten Stâ°tte
Zum ewig k¸hlen Ruhebette.
MARTHE:
Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?
MEPHISTOPHELES:
Ja, eine Bitte, groï¬ und schwer:
Laï¬ Sie doch ja f¸r ihn dreihundert Messen singen! Im ¸brigen sind meine Taschen leer.
MARTHE:
Was! nicht ein Schaust¸ck? kein Geschmeid? Was jeder Handwerksbursch im Grund des Sâ°ckels spart, Zum Angedenken aufbewahrt,
Und lieber hungert, lieber bettelt!
MEPHISTOPHELES:
Madam, es tut mir herzlich leid;
Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt. Auch er bereute seine Fehler sehr,
Ja, und bejammerte sein Ungl¸ck noch viel mehr.
MARGARETE:
Ach! daï¬ die Menschen so ungl¸cklich sind! Gewiï¬, ich will f¸r ihn manch Requiem noch beten.
MEPHISTOPHELES:
Ihr wâ°ret wert, gleich in die Eh zu treten: Ihr seid ein liebensw¸rdig Kind.
MARGARETE:
Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.
MEPHISTOPHELES:
Ist’s nicht ein Mann, sei’s derweil ein Galan. ‘s ist eine der grËï¬ten Himmelsgaben, So ein lieb Ding im Arm zu haben.
MARGARETE:
Das ist des Landes nicht der Brauch.
MEPHISTOPHELES:
Brauch oder nicht! Es gibt sich auch.
MARTHE:
Erzâ°hlt mir doch!
MEPHISTOPHELES:
Ich stand an seinem Sterbebette, Es war was besser als von Mist, Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ Und fand, daï¬ er weit mehr noch auf der Zeche hâ°tte. “Wie”, rief er, “muï¬ ich mich von Grund aus hassen, So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen! Ach, die Erinnrung tËtet mich
Vergâ°b sie mir nur noch in diesem Leben!”
MARTHE (weinend):
Der gute Mann! ich hab ihm lâ°ngst vergeben.
MEPHISTOPHELES:
“Allein, weiï¬ Gott! sie war mehr schuld als ich.”
MARTHE:
Das l¸gt er! Was! am Rand des Grabs zu l¸gen!
MEPHISTOPHELES:
Er fabelte gewiï¬ in letzten Z¸gen, Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
“Ich hatte”, sprach er, “nicht zum Zeitvertreib zu gaffen Erst Kinder, und dann Brot f¸r sie zu schaffen, Und Brot im allerweitsten Sinn,
Und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen.”
MARTHE:
Hat er so aller Treu, so aller Lieb vergessen, Der Plackerei bei Tag und Nacht!
MEPHISTOPHELES:
Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht. Er sprach: “Als ich nun weg von Malta ging Da betet ich f¸r Frau und Kinder br¸nstig; Uns war denn auch der Himmel g¸nstig,
Daï¬ unser Schiff ein t¸rkisch Fahrzeug fing, Das einen Schatz des groï¬en Sultans f¸hrte. Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
Und ich empfing denn auch, wie sich’s geb¸hrte, Mein wohlgemeï¬nes Teil davon.”
MARTHE:
Ei wie? Ei wo? Hat er’s vielleicht vergraben?
MEPHISTOPHELES:
Wer weiï¬, wo nun es die vier Winde haben. Ein schËnes Frâ°ulein nahm sich seiner an, Als er in Napel fremd umherspazierte;
Sie hat an ihm viel Liebs und Treus getan, Daï¬ er’s bis an sein selig Ende sp¸rte.
MARTHE:
Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern! Auch alles Elend, alle Not
Konnt nicht sein schâ°ndlich Leben hindern!
MEPHISTOPHELES:
Ja seht! daf¸r ist er nun tot.
Wâ°r ich nun jetzt an Eurem Platze, Betraurt ich ihn ein z¸chtig Jahr,
Visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze.
MARTHE:
Ach Gott! wie doch mein erster war, Find ich nicht leicht auf dieser Welt den andern! Es konnte kaum ein herziger Nâ°rrchen sein. Er liebte nur das allzuviele Wandern
Und fremde Weiber und fremden Wein
Und das verfluchte W¸rfelspiel.
MEPHISTOPHELES:
Nun, nun, so konnt es gehn und stehen, Wenn er Euch ungefâ°hr so viel
Von seiner Seite nachgesehen.
Ich schwËr Euch zu, mit dem Beding Wechselt ich selbst mit Euch den Ring!
MARTHE:
O es beliebt dem Herrn zu scherzen!
MEPHISTOPHELES (f¸r sich):
Nun mach ich mich beizeiten fort!
Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort. (Zu Gretchen.)
Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?
MARGARETE:
Was meint der Herr damit?
MEPHISTOPHELES (f¸r sich):
Du guts, unschuldigs Kind! (Laut.) Lebt wohl, ihr Fraun!
MARGARETE:
Lebt wohl!
MARTHE:
O sagt mir doch geschwind! Ich mËchte gern ein Zeugnis haben, Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben. Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen, MËcht, ihn auch tot im Wochenblâ°ttchen lesen.
MEPHISTOPHELES:
Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund Wird allerwegs die Wahrheit kund;
Habe noch gar einen feinen Gesellen, Den will ich Euch vor den Richter stellen. Ich bring ihn her.
MARTHE:
O tut das ja!
MEPHISTOPHELES:
Und hier die Jungfrau ist auch da?
Ein braver Knab! ist viel gereist,
Frâ°uleins alle HËflichkeit erweist.
MARGARETE:
M¸ï¬te vor dem Herren schamrot werden.
MEPHISTOPHELES:
Vor keinem KËnige der Erden.
MARTHE:
Da hinterm Haus in meinem Garten
Wollen wir der Herren heut abend warten.
Straï¬e (II)
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Wie ist’s? Will’s fËrdern? Will’s bald gehn?
MEPHISTOPHELES:
Ah bravo! Find ich Euch in Feuer?
In kurzer Zeit ist Gretchen Euer.
Heut abend sollt Ihr sie bei Nachbar’ Marthen sehn: Das ist ein Weib wie auserlesen
Zum Kuppler- und Zigeunerwesen!
FAUST:
So recht!
MEPHISTOPHELES:
Doch wird auch was von uns begehrt.
FAUST:
Ein Dienst ist wohl des andern wert.
MEPHISTOPHELES:
Wir legen nur ein g¸ltig Zeugnis nieder, Daï¬ ihres Ehherrn ausgereckte Glieder
In Padua an heil’ger Stâ°tte ruhn.
FAUST:
Sehr klug! Wir werden erst die Reise machen m¸ssen!
MEPHISTOPHELES:
Sancta Simplicitas! darum ist’s nicht zu tun; Bezeugt nur, ohne viel zu wissen.
FAUST:
Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen.
MEPHISTOPHELES:
O heil’ger Mann! Da wâ°rt Ihr’s nun! Ist es das erstemal in eurem Leben,
Daï¬ Ihr falsch Zeugnis abgelegt?
Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt, Vom Menschen, was sich ihm in den Kopf und Herzen regt, Definitionen nicht mit groï¬er Kraft gegeben? Mit frecher Stirne, k¸hner Brust?
Und wollt Ihr recht ins Innre gehen, Habt Ihr davon, Ihr m¸ï¬t es grad gestehen, So viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewuï¬t!
FAUST:
Du bist und bleibst ein L¸gner, ein Sophiste.
MEPHISTOPHELES:
Ja, wenn man’s nicht ein biï¬chen tiefer w¸ï¬te. Denn morgen wirst, in allen Ehren,
Das arme Gretchen nicht betËren
Und alle Seelenlieb ihr schwËren?
FAUST:
Und zwar von Herzen.
MEPHISTOPHELES:
Gut und schËn! Dann wird von ewiger Treu und Liebe, von einzig ¸berallmâ°cht’gem Triebe-
Wird das auch so von Herzen gehn?
FAUST:
Laï¬ das! Es wird!- Wenn ich empfinde, F¸r das Gef¸hl, f¸r das Gew¸hl
Nach Namen suche, keinen finde,
Dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife, Nach allen hËchsten Worten greife,
Und diese Glut, von der ich brenne, Unendlich, ewig, ewig nenne,
Ist das ein teuflisch L¸genspiel?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab doch recht!
FAUST:
HËr! merk dir dies- Ich bitte dich, und schone meine Lunge-: Wer recht behalten will und hat nur eine Zunge, Behâ°lt’s gewiï¬.
Und komm, ich hab des Schwâ°tzens â¹berdruï¬, Denn du hast recht, vorz¸glich weil ich muï¬.
Garten
Margarete an Faustens Arm, Marthe mit Mephistopheles auf und ab spazierend.
MARGARETE:
Ich f¸hl es wohl, daï¬ mich der Herr nur schont, Herab sich lâ°ï¬t, mich zu beschâ°men. Ein Reisender ist so gewohnt,
Aus G¸tigkeit f¸rliebzunehmen;
Ich weiï¬ zu gut, daï¬ solch erfahrnen Mann Mein arm Gesprâ°ch nicht unterhalten kann.
FAUST:
Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhâ°lt Als alle Weisheit dieser Welt.
(Er k¸ï¬t ihre Hand.)
MARGARETE:
Inkommodiert Euch nicht! Wie kËnnt Ihr sie nur k¸ssen? Sie ist so garstig, ist so rauh!
Was hab ich nicht schon alles schaffen m¸ssen! Die Mutter ist gar zu genau.
(Gehn vor¸ber.)
MARTHE:
Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort?
MEPHISTOPHELES:
Ach, daï¬ Gewerb und Pflicht uns dazu treiben! Mit wieviel Schmerz verlâ°ï¬t man manchen Ort Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
MARTHE:
In raschen Jahren geht’s wohl an
So um und um frei durch die Welt zu streifen; Doch kËmmt die bËse Zeit heran,
Und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen, Das hat noch keinem wohlgetan.
MEPHISTOPHELES:
Mit Grausen seh ich das von weiten.
MARTHE:
Drum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten. (Gehn vor¸ber.)
MARGARETE:
Ja, aus den Augen, aus dem Sinn!
Die HËflichkeit ist Euch gelâ°ufig; Allein Ihr habt der Freunde hâ°ufig,
Sie sind verstâ°ndiger, als ich bin.
FAUST:
O Beste! glaube, was man so verstâ°ndig nennt, Ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn.
MARGARETE:
Wie?
FAUST:
Ach, daï¬ die Einfalt, daï¬ die Unschuld nie Sich selbst und ihren heil’gen Wert erkennt! Daï¬ Demut Niedrigkeit, die hËchsten Gaben Der liebevoll austeilenden Natur-
MARGARETE:
Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur, Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben.
FAUST:
Ihr seid wohl viel allein?
MARGARETE:
Ja, unsre Wirtschaft ist nur klein, Und doch will sie versehen sein.
Wir haben keine Magd; muï¬ kochen, fegen, stricken Und nâ°hn und laufen fr¸h und spat;
Und meine Mutter ist in allen St¸cken So akkurat!
Nicht daï¬ sie just so sehr sich einzuschrâ°nken hat; Wir kËnnten uns weit eh’r als andre regen: Mein Vater hinterlieï¬ ein h¸bsch VermËgen, Ein Hâ°uschen und ein Gâ°rtchen vor der Stadt. Doch hab ich jetzt so ziemlich stille Tage: Mein Bruder ist Soldat,
Mein Schwesterchen ist tot.
Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not; Doch ¸bernâ°hm ich gern noch einmal alle Plage, So lieb war mir das Kind.
FAUST:
Ein Engel, wenn dir’s glich.
MARGARETE:
Ich zog es auf, und herzlich liebt es mich. Es war nach meines Vaters Tod geboren.
Die Mutter gaben wir verloren,
So elend wie sie damals lag,
Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach. Da konnte sie nun nicht dran denken,
Das arme W¸rmchen selbst zu trâ°nken, Und so erzog ich’s ganz allein,
Mit Milch und Wasser, so ward’s mein Auf meinem Arm, in meinem Schoï¬
War’s freundlich, zappelte, ward groï¬.
FAUST:
Du hast gewiï¬ das reinste Gl¸ck empfunden.
MARGARETE:
Doch auch gewiï¬ gar manche schwere Stunden. Des Kleinen Wiege stand zu Nacht
An meinem Bett; es durfte kaum sich regen, War ich erwacht;
Bald muï¬t ich’s trâ°nken, bald es zu mir legen Bald, wenn’s nicht schwieg, vom Bett aufstehn Und tâ°nzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, Und fr¸h am Tage schon am Waschtrog stehn; Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen, Und immer fort wie heut so morgen.
Da geht’s, mein Herr, nicht immer mutig zu; Doch schmeckt daf¸r das Essen, schmeckt die Ruh. (Gehn vor¸ber.)
MARTHE:
Die armen Weiber sind doch ¸bel dran: Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren.
MEPHISTOPHELES:
Es kâ°me nur auf Euresgleichen an, Mich eines Bessern zu belehren.
MARTHE:
Sagt grad, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden? Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?
MEPHISTOPHELES:
Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd, Ein braves Weib sind Gold und Perlen wert.
MARTHE:
Ich meine: ob Ihr niemals Lust bekommen?
MEPHISTOPHELES:
Man hat mich ¸berall recht hËflich aufgenommen.
MARTHE:
Ich wollte sagen: ward’s nie Ernst in Eurem Herzen?
MEPHISTOPHELES:
Mit Frauen soll man sich nie unterstehn zu scherzen.
MARTHE:
Ach, Ihr versteht mich nicht!
MEPHISTOPHELES:
Das tut mir herzlich leid! Doch ich versteh- daï¬ Ihr sehr g¸tig seid. (Gehn vor¸ber.)
FAUST:
Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder, Gleich als ich in den Garten kam?
MARGARETE:
Saht Ihr es nicht, ich schlug die Augen nieder.
FAUST:
Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm? Was sich die Frechheit unterfangen,
Als du j¸ngst aus dem Dom gegangen?
MARGARETE:
Ich war best¸rzt, mir war das nie geschehn; Es konnte niemand von mir â¹bels sagen. Ach, dacht ich, hat er in deinem Betragen Was Freches, Unanstâ°ndiges gesehn?
Es schien ihn gleich nur anzuwandeln, Mit dieser Dirne gradehin zu handeln.
Gesteh ich’s doch! Ich wuï¬te nicht, was sich Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begonnte; Allein gewiï¬, ich war recht bËs auf mich, Daï¬ ich auf Euch nicht bËser werden konnte.
FAUST:
SÂ¸ï¬ Liebchen!
MARGARETE:
Laï¬t einmal!
(Sie pfl¸ckt eine Sternblume und zupft die Blâ°tter ab, eins nach dem andern.)
FAUST:
Was soll das? Einen Strau�
MARGARETE:
Nein, es soll nur ein Spiel.
FAUST:
Wie?
MARGARETE:
Geht! Ihr lacht mich aus.
(Sie rupft und murmelt.)
FAUST:
Was murmelst du?
MARGARETE (halblaut):
Er liebt mich- liebt mich nicht.
FAUST:
Du holdes Himmelsangesicht!
MARGARETE (fâ°hrt fort):
Liebt mich- nicht- liebt mich- nicht- (Das letzte Blatt ausrupfend, mit holder Freude.) Er liebt mich!
FAUST:
Ja, mein Kind! Laï¬ dieses Blumenwort Dir GËtterausspruch sein. Er liebt dich!
Verstehst du, was das heiï¬t? Er liebt dich! (Er faï¬t ihre beiden Hâ°nde.)
MARGARETE:
Mich ¸berlâ°uft’s!
FAUST:
O schaudre nicht! Laï¬ diesen Blick, Laï¬ diesen Hâ°ndedruck dir sagen
Was unaussprechlich ist:
Sich hinzugeben ganz und eine Wonne Zu f¸hlen, die ewig sein muï¬!
Ewig!- Ihr Ende w¸rde Verzweiflung sein Nein, kein Ende! Kein Ende!
(Margarete dr¸ckt ihm die Hâ°nde, macht sich los und lâ°uft weg. Er steht einen Augenblick in Gedanken, dann folgt er ihr.)
MARTHE (kommend):
Die Nacht bricht an.
MEPHISTOPHELES:
Ja, und wir wollen fort.
MARTHE:
Ich bâ°t Euch, lâ°nger hier zu bleiben, Allein es ist ein gar zu bËser Ort.
Es ist, als hâ°tte niemand nichts zu treiben Und nichts zu schaffen,
Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen, Und man kommt ins Gered, wie man sich immer stellt. Und unser Pâ°rchen?
MEPHISTOPHELES:
Ist den Gang dort aufgeflogen. Mutwill’ge SommervËgel!
MARTHE:
Er scheint ihr gewogen.
MEPHISTOPHELES:
Und sie ihm auch. Das ist der Lauf der Welt.
Ein Gartenhâ°uschen
Margarete springt herein, steckt sich hinter die T¸r, hâ°lt die Fingerspitze an die Lippen und guckt durch die Ritze.
MARGARETE:
Er kommt!
FAUST (kommt):
Ach, Schelm, so neckst du mich! Treff ich dich! (Er k¸ï¬t sie.)
MARGARETE (ihn fassend und den Kuï¬ zur¸ckgebend): Bester Mann! von Herzen lieb ich dich!
(Mephistopheles klopft an.)
FAUST (stampfend):
Wer da?
MEPHISTOPHELES:
Gut Freund!
FAUST:
Ein Tier!
MEPHISTOPHELES:
Es ist wohl Zeit zu scheiden.
MARTHE (kommt):
Ja, es ist spâ°t, mein Herr.
FAUST:
Darf ich Euch nicht geleiten?
MARGARETE:
Die Mutter w¸rde mich- Lebt wohl!
FAUST:
Muï¬ ich denn gehn? Lebt wohl!
MARTHE:
Ade!
MARGARETE:
Auf baldig Wiedersehn!
(Faust und Mephistopheles ab.)
MARGARETE:
Du lieber Gott! was so ein Mann
Nicht alles, alles denken kann!
Beschâ°mt nur steh ich vor ihm da
Und sag zu allen Sachen ja.
Bin doch ein arm unwissend Kind,
Begreife nicht, was er an mir findt. (Ab.)
Wald und HËhle
Faust allein.
Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
Gabst mir die herrliche Natur zum KËnigreich, Kraft, sie zu f¸hlen, zu genieï¬en. Nicht Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
VergËnnest mir, in ihre tiefe Brust Wie in den Busen eines Freunds zu schauen. Du f¸hrst die Reihe der Lebendigen
Vor mir vorbei und lehrst mich meine Br¸der Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, Die Riesenfichte st¸rzend Nachbarâ°ste Und Nachbarstâ°mme quetschend niederstreift Und ihrem Fall dumpf hohl der H¸gel donnert, Dann f¸hrst du mich zur sichern HËhle, zeigst Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust Geheime tiefe Wunder Ëffnen sich.
Und steigt vor meinem Blick der reine Mond Besâ°nftigend her¸ber, schweben mir
Von Felsenwâ°nden, aus dem feuchten Busch Der Vorwelt silberne Gestalten auf
Und lindern der Betrachtung strenge Lust.
O daï¬ dem Menschen nichts Vollkommnes wird, Empfind ich nun. Du gabst zu dieser Wonne, Die mich den GËttern nah und nâ°her bringt, Mir den Gefâ°hrten, den ich schon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, Mich vor mir selbst erniedrigt und zu Nichts, Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt. Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer Nach jenem schËnen Bild geschâ°ftig an. So tauml ich von Begierde zu Genuï¬,
Und im Genuï¬ verschmacht ich nach Begierde. (Mephistopheles tritt auf.)
MEPHISTOPHELES:
Habt Ihr nun bald das Leben gnug gef¸hrt? Wie kann’s Euch in die Lâ°nge freuen?
Es ist wohl gut, daï¬ man’s einmal probiert Dann aber wieder zu was Neuen!
FAUST:
Ich wollt, du hâ°ttest mehr zu tun, Als mich am guten Tag zu plagen.
MEPHISTOPHELES:
Nun, nun! ich laï¬ dich gerne ruhn, Du darfst mir’s nicht im Ernste sagen.
An dir Gesellen, unhold, barsch und toll, Ist wahrlich wenig zu verlieren.
Den ganzen Tag hat man die Hâ°nde voll! Was ihm gefâ°llt und was man lassen soll, Kann man dem Herrn nie an der Nase sp¸ren.
FAUST:
Das ist so just der rechte Ton!
Er will noch Dank, daï¬ er mich ennuyiert.
MEPHISTOPHELES:
Wie hâ°ttst du, armer Erdensohn
Dein Leben ohne mich gef¸hrt?
Vom Kribskrabs der Imagination
Hab ich dich doch auf Zeiten lang kuriert; Und wâ°r ich nicht, so wâ°rst du schon Von diesem Erdball abspaziert.
Was hast du da in HËhlen, Felsenritzen Dich wie ein Schuhu zu versitzen?
Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein Wie eine KrËte Nahrung ein?
Ein schËner, s¸ï¬er Zeitvertreib! Dir steckt der Doktor noch im Leib.
FAUST:
Verstehst du, was f¸r neue Lebenskraft Mir dieser Wandel in der ÷de schafft?
Ja, w¸rdest du es ahnen kËnnen,
Du wâ°rest Teufel gnug, mein Gl¸ck mir nicht zu gËnnen.
MEPHISTOPHELES:
Ein ¸berirdisches Vergn¸gen.
In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,
Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen, Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchw¸hlen, Alle sechs Tagewerk im Busen f¸hlen,
In stolzer Kraft ich weiï¬ nicht was genieï¬en, Bald liebewonniglich in alles ¸berflieï¬en, Verschwunden ganz der Erdensohn,
Und dann die hohe Intuition-
(mit einer Gebâ°rde)
Ich darf nicht sagen, wie- zu schlieï¬en.
FAUST:
Pfui ¸ber dich!
MEPHISTOPHELES:
Das will Euch nicht behagen; Ihr habt das Recht, gesittet pfui zu sagen. Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen, Was keusche Herzen nicht entbehren kËnnen. Und kurz und gut, ich gËnn Ihm das Vergn¸gen, Gelegentlich sich etwas vorzul¸gen;
Doch lange hâ°lt Er das nicht aus. Du bist schon wieder abgetrieben
Und, wâ°hrt es lâ°nger, aufgerieben In Tollheit oder Angst und Graus.
Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne, Und alles wird ihr eng und tr¸b.
Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne, Sie hat dich ¸bermâ°chtig lieb.
Erst kam deine Liebeswut ¸bergeflossen, Wie vom geschmolznen Schnee ein Bâ°chlein ¸bersteigt; Du hast sie ihr ins Herz gegossen,
Nun ist dein Bâ°chlein wieder seicht. Mich d¸nkt, anstatt in Wâ°ldern zu thronen, Lie﬒ es dem groï¬en Herren gut,
Das arme affenjunge Blut
F¸r seine Liebe zu belohnen.
Die Zeit wird ihr erbâ°rmlich lang; Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn â¹ber die alte Stadtmauer hin.
“Wenn ich ein VËglein wâ°r!” so geht ihr Gesang Tage lang, halbe Nâ°chte lang.
Einmal ist sie munter, meist betr¸bt, Einmal recht ausgeweint,
Dann wieder ruhig, wie’s scheint,
Und immer verliebt.
FAUST:
Schlange! Schlange!
MEPHISTOPHELES (f¸r sich):
Gelt! daï¬ ich dich fange!
FAUST:
Verruchter! hebe dich von hinnen,
Und nenne nicht das schËne Weib!
Bring die Begier zu ihrem s¸ï¬en Leib Nicht wieder vor die halb verr¸ckten Sinnen!
MEPHISTOPHELES:
Was soll es denn? Sie meint, du seist entflohn, Und halb und halb bist du es schon.
FAUST:
Ich bin ihr nah, und wâ°r ich noch so fern, Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn, Wenn ihre Lippen ihn indes ber¸hren.
MEPHISTOPHELES:
Gar wohl, mein Freund! Ich hab Euch oft beneidet Ums Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.
FAUST:
Entfliehe, Kuppler!
MEPHISTOPHELES:
SchËn! Ihr schimpft, und ich muï¬ lachen. Der Gott, der Bub’ und Mâ°dchen schuf,
Erkannte gleich den edelsten Beruf, Auch selbst Gelegenheit zu machen.
Nur fort, es ist ein groï¬er Jammer! Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer,
Nicht etwa in den Tod.
FAUST:
Was ist die Himmelsfreud in ihren Armen? Laï¬ mich an ihrer Brust erwarmen!
F¸hl ich nicht immer ihre Not?
Bin ich der Fl¸chtling nicht? der Unbehauste? Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,
Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste, Begierig w¸tend nach dem Abgrund zu?
Und seitwâ°rts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, Im H¸ttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
Und all ihr hâ°usliches Beginnen
Umfangen in der kleinen Welt.
Und ich, der Gottverhaï¬te,
Hatte nicht genug,
Daï¬ ich die Felsen faï¬te
Und sie zu Tr¸mmern schlug!
Sie, ihren Frieden muï¬t ich untergraben! Du, HËlle, muï¬test dieses Opfer haben. Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verk¸rzen. Was muï¬ geschehn, mag’s gleich geschehn! Mag ihr Geschick auf mich zusammenst¸rzen Und sie mit mir zugrunde gehn!
MEPHISTOPHELES:
Wie’s wieder siedet, wieder gl¸ht! Geh ein und trËste sie, du Tor!
Wo so ein KËpfchen keinen Ausgang sieht, Stellt er sich gleich das Ende vor.
Es lebe, wer sich tapfer hâ°lt!
Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt. Nichts Abgeschmackters find ich auf der Welt Als einen Teufel, der verzweifelt.
Gretchens Stube.
Gretchen (am Spinnrad, allein).
GRETCHEN:
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer;
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Wo ich ihn nicht hab,
Ist mir das Grab,
Die ganze Welt
Ist mir vergâ°llt.
Mein armer Kopf
Ist mir verr¸ckt,
Meiner armer Sinn
Ist mir zerst¸ckt.
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Nach ihm nur schau ich
Zum Fenster hinaus,
Nach ihm nur geh ich
Aus dem Haus.
Sein hoher Gang,
Sein edle Gestalt,
Seines Mundes Lâ°cheln,
Seiner Augen Gewalt,
Und seiner Rede
Zauberfluï¬,
Sein Hâ°ndedruck,
Und ach! sein Kuï¬!
Meine Ruh ist hin,
Mein Herz ist schwer,
Ich finde sie nimmer
und nimmermehr.
Mein Busen drâ°ngt
Sich nach ihm hin,
Ach d¸rft ich fassen
Und halten ihn,
Und k¸ssen ihn,
So wie ich wollt,
An seinen K¸ssen
Vergehen sollt!
Marthens Garten
Margarete. Faust.
MARGARETE:
Versprich mir, Heinrich!
FAUST:
Was ich kann!
MARGARETE:
Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hâ°ltst nicht viel davon.
FAUST:
Laï¬ das, mein Kind! Du f¸hlst, ich bin dir gut; F¸r meine Lieben lie﬒ ich Leib und Blut, Will niemand sein Gef¸hl und seine Kirche rauben.
MARGARETE:
Das ist nicht recht, man muï¬ dran glauben.
FAUST:
Muï¬ man?
MARGARETE:
Ach! wenn ich etwas auf dich konnte! Du ehrst auch nicht die heil’gen Sakramente.
FAUST:
Ich ehre sie.
MARGARETE:
Doch ohne Verlangen. Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen. Glaubst du an Gott?
FAUST:
Mein Liebchen, wer darf sagen: Ich glaub an Gott? Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
â¹ber den Frager zu sein.
MARGARETE:
So glaubst du nicht?
FAUST:
Miï¬hËr mich nicht, du holdes Angesicht! Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
“Ich glaub ihn!”?
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: “Ich glaub ihn nicht!”?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faï¬t und erhâ°lt er nicht
Dich, mich, sich selbst?
WËlbt sich der Himmel nicht da droben? Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drâ°ngt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erf¸ll davon dein Herz, so groï¬ es ist, Und wenn du ganz in dem Gef¸hle selig bist, Nenn es dann, wie du willst,
Nenn’s Gl¸ck! Herz! Liebe! Gott
Ich habe keinen Namen
Daf¸r! Gef¸hl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.
MARGARETE:
Das ist alles recht schËn und gut; Ungefâ°hr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein biï¬chen andern Worten.
FAUST:
Es sagen’s allerorten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage, Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
MARGARETE:
Wenn man’s so hËrt, mËcht’s leidlich scheinen, Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.
FAUST:
Liebs Kind!
MARGARETE:
Es tut mir lange schon weh, Daï¬ ich dich in der Gesellschaft seh.
FAUST:
Wieso?
MARGARETE:
Der Mensch, den du da bei dir hast, Ist mir in tiefer innrer Seele verhaï¬t; Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben Als des Menschen widrig Gesicht.
FAUST:
Liebe Puppe, f¸rcht ihn nicht!
MARGARETE:
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut. Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen, Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen, Und halt ihn f¸r einen Schelm dazu!
Gott verzeih mir’s, wenn ich ihm unrecht tu!
FAUST:
Es muï¬ auch solche Kâ°uze geben.
MARGARETE:
Wollte nicht mit seinesgleichen leben! Kommt er einmal zur T¸r herein,
Sieht er immer so spËttisch drein
Und halb ergrimmt;
Man sieht, daï¬ er an nichts keinen Anteil nimmt; Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Daï¬ er nicht mag eine Seele lieben. Mir wird’s so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schn¸rt mir das Innre zu.
FAUST:
Du ahnungsvoller Engel du!
MARGARETE:
Das ¸bermannt mich so sehr,
Daï¬, wo er nur mag zu uns treten, Mein ich sogar, ich liebte dich nicht mehr. Auch, wenn er da ist, kËnnt ich nimmer beten, Und das friï¬t mir ins Herz hinein;
Dir, Heinrich, muï¬ es auch so sein.
FAUST:
Du hast nun die Antipathie!
MARGARETE:
Ich muï¬ nun fort.
FAUST:
Ach kann ich nie Ein St¸ndchen ruhig dir am Busen hâ°ngen Und Brust an Brust und Seel in Seele drâ°ngen?
MARGARETE:
Ach wenn ich nur alleine schlief!
Ich lieï¬ dir gern heut nacht den Riegel offen; Doch meine Mutter schlâ°ft nicht tief,
Und w¸rden wir von ihr betroffen,
Ich wâ°r gleich auf der Stelle tot!
FAUST:
Du Engel, das hat keine Not.
Hier ist ein Flâ°schchen!
Drei Tropfen nur In ihren Trank umh¸llen Mit tiefem Schlaf gefâ°llig die Natur.
MARGARETE:
Was tu ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
FAUST:
W¸rd ich sonst, Liebchen, dir es raten?
MARGARETE:
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiï¬ nicht, was mich nach deinem Willen treibt, Ich habe schon so viel f¸r dich getan,
Daï¬ mir zu tun fast nichts mehr ¸brigbleibt. (Ab.)
(Mephistopheles tritt auf.)
MEPHISTOPHELES:
Der Grasaff! ist er weg?
FAUST:
Hast wieder spioniert?
MEPHISTOPHELES:
Ich hab’s ausf¸hrlich wohl vernommen, Herr Doktor wurden da katechisiert;
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Mâ°dels sind doch sehr interessiert, Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch. Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.
FAUST:
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese treue liebe Seele
Von ihrem Glauben voll,
Der ganz allein
Ihr seligmachend ist, sich heilig quâ°le, Daï¬ sie den liebsten Mann verloren halten soll.
MEPHISTOPHELES:
Du ¸bersinnlicher sinnlicher Freier, Ein Mâ°gdelein nasf¸hret dich.
FAUST:
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!
MEPHISTOPHELES:
Und die Physiognomie versteht sie meisterlich: In meiner Gegenwart wird’s ihr, sie weiï¬ nicht wie, Mein Mâ°skchen da weissagt verborgnen Sinn; Sie f¸hlt, daï¬ ich ganz sicher ein Genie, Vielleicht wohl gar der Teufel bin.
Nun, heute nacht-?
FAUST:
Was geht dich’s an?
MEPHISTOPHELES:
Hab ich doch meine Freude dran!
Am Brunnen
Gretchen und Lieschen mit Kr¸gen.
LIESCHEN:
Hast nichts von Bâ°rbelchen gehËrt?
GRETCHEN:
Kein Wort. Ich komm gar wenig unter Leute.
LIESCHEN:
Gewiï¬, Sibylle sagt’ mir’s heute: Die hat sich endlich auch betËrt.
Das ist das Vornehmtun!
GRETCHEN:
Wieso?
LIESCHEN:
Es stinkt! Sie f¸ttert zwei, wenn sie nun iï¬t und trinkt.
GRETCHEN:
Ach!
LIESCHEN:
So ist’s ihr endlich recht ergangen. Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
Das war ein Spazieren,
Auf Dorf und Tanzplatz F¸hren,
Muï¬t ¸berall die Erste sein,
Kurtesiert ihr immer mit Pastetchen und Wein; Bildt sich was auf ihre SchËnheit ein,
War doch so ehrlos, sich nicht zu schâ°men, Geschenke von ihm anzunehmen.
War ein Gekos und ein Geschleck;
Da ist denn auch das Bl¸mchen weg!
GRETCHEN:
Das arme Ding!
LIESCHEN:
Bedauerst sie noch gar! Wenn unsereins am Spinnen war, Uns nachts die Mutter nicht hinunterlieï¬, Stand sie bei ihrem Buhlen s¸ï¬;
Auf der T¸rbank und im dunkeln Gang Ward ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im S¸nderhemdchen Kirchbuï¬ tun!
GRETCHEN:
Er nimmt sie gewiï¬ zu seiner Frau.
LIESCHEN:
Er wâ°r ein Narr! Ein flinker Jung Hat anderwâ°rts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
GRETCHEN:
Das ist nicht schËn!
LIESCHEN:
Kriegt sie ihn, soll’s ihr ¸bel gehn, Das Krâ°nzel reiï¬en die Buben ihr,
Und Hâ°ckerling streuen wir vor die T¸r! (Ab.)
GRETCHEN: (nach Hause gehend):
Wie konnt ich sonst so tapfer schmâ°len, Wenn tâ°t ein armes Mâ°gdlein fehlen!
Wie konnt ich ¸ber andrer S¸nden
Nicht Worte gnug der Zunge finden!
Wie schien mir’s schwarz, und schwâ°rzt’s noch gar, Mir’s immer doch nicht schwarz gnug war, Und segnet mich und tat so groï¬,
Und bin nun selbst der S¸nde bloï¬! Doch- alles, was dazu mich trieb,
Gott! war so gut! ach, war so lieb!
Zwinger
In der MauerhËhle ein Andachtsbild der Mater dolorosa, Blumenkruge davor. Gretchen steckt frische Blumen in die Kruge.
Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnâ°dig meiner Not!
Das Schwert im Herzen,
Mit tausend Schmerzen
Blickst auf zu deines Sohnes Tod.
Zum Vater blickst du,
Und Seufzer schickst du
Hinauf um sein’ und deine Not.
Wer f¸hlet,
Wie w¸hlet
Der Schmerz mir im Gebein?
Was mein armes Herz hier banget,
Was es zittert, was verlanget,
Weiï¬t nur du, nur du allein!
Wohin ich immer gehe
Wie weh, wie weh, wie wehe
Wird mir im Busen hier!
Ich bin, ach! kaum alleine,
Ich wein, ich wein, ich weine,
Das Herz zerbricht in mir.
Die Scherben vor meinem Fenster
Betaut ich mit Trâ°nen, ach!
Als ich am fr¸hen Morgen
Dir diese Blumen brach.
Schien hell in meine Kammer
Die Sonne fr¸h herauf,
Saï¬ ich in allem Jammer
In meinem Bett schon auf.
Hilf! rette mich von Schmach und Tod! Ach neige,
Du Schmerzenreiche,
Dein Antlitz gnâ°dig meiner Not!
Nacht. Straï¬e vor Gretchens T¸re
Valentin, Soldat, Gretchens Bruder.
Wenn ich so saï¬ bei einem Gelag,
Wo mancher sich ber¸hmen mag,
Und die Gesellen mir den Flor
Der Mâ°gdlein laut gepriesen vor,
Mit vollem Glas das Lob verschwemmt, Den Ellenbogen aufgestemmt,
Saï¬ ich in meiner sichern Ruh,
HËrt all dem Schwadronieren zu
Und streiche lâ°chelnd meinen Bart Und kriege das volle Glas zur Hand
Und sage: “Alles nach seiner Art!
Aber ist eine im ganzen Land,
Die meiner trauten Gretel gleicht,
Die meiner Schwester das Wasser reicht?” Topp! Topp! Kling! Klang! das ging herum; Die einen schrieen: “Er hat recht,
Sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht.” Da saï¬en alle die Lober stumm.
Und nun!- um’s Haar sich auszuraufen Und an den Wâ°nden hinaufzulaufen!-
Mit Stichelreden, Naser¸mpfen
Soll jeder Schurke mich beschimpfen! Soll wie ein bËser Schuldner sitzen
Bei jedem ZufallswËrtchen schwitzen! Und mËcht ich sie zusammenschmeiï¬en
KËnnt ich sie doch nicht L¸gner heiï¬en.
Was kommt heran? Was schleicht herbei? Irr ich nicht, es sind ihrer zwei.
Ist er’s, gleich pack ich ihn beim Felle Soll nicht lebendig von der Stelle!
Faust. Mephistopheles.
FAUST:
Wie von dem Fenster dort der Sakristei Aufwâ°rts der Schein des Ew’gen Lâ°mpchens flâ°mmert Und schwach und schwâ°cher seitwâ°rts dâ°mmert, Und Finsternis drâ°ngt ringsum bei!
So sieht’s in meinem Busen nâ°chtig.
MEPHISTOPHELES:
Und mir ist’s wie dem Kâ°tzlein schmâ°chtig, Das an den Feuerleitern schleicht,
Sich leis dann um die Mauern streicht; Mir ist’s ganz tugendlich dabei,
Ein biï¬chen Diebsgel¸st, ein biï¬chen Rammelei. So spukt mir schon durch alle Glieder
Die herrliche Walpurgisnacht.
Die kommt uns ¸bermorgen wieder,
Da weiï¬ man doch, warum man wacht.
FAUST:
R¸ckt wohl der Schatz indessen in die HËh, Den ich dort hinten flimmern seh?
MEPHISTOPHELES:
Du kannst die Freude bald erleben,
Das Kesselchen herauszuheben.
Ich schielte neulich so hinein,
Sind herrliche LËwentaler drein.
FAUST:
Nicht ein Geschmeide, nicht ein Ring, Meine liebe Buhle damit zu zieren?
MEPHISTOPHELES:
Ich sah dabei wohl so ein Ding,
Als wie eine Art von Perlenschn¸ren.
FAUST:
So ist es recht! Mir tut es weh,
Wenn ich ohne Geschenke zu ihr geh.
MEPHISTOPHELES:
Es sollt Euch eben nicht verdrieï¬en, Umsonst auch etwas zu genieï¬en.
Jetzt, da der Himmel voller Sterne gl¸ht, Sollt Ihr ein wahres Kunstst¸ck hËren: Ich sing ihr ein moralisch Lied,
Um sie gewisser zu betËren. (Singt zur Zither.) Was machst du mir Vor Liebchens T¸r,
Kathrinchen, hier
Bei fr¸hem Tagesblicke?
Laï¬, laï¬ es sein!
Er lâ°ï¬t dich ein
Als Mâ°dchen ein,
Als Mâ°dchen nicht zur¸cke.
Nehmt euch in acht!
Ist es vollbracht,
Dann gute Nacht’
Ihr armen, armen Dinger!
Habt ihr euch lieb,
Tut keinem Dieb
Nur nichts zulieb
Als mit dem Ring am Finger.
VALENTIN (tritt vor):
Wen lockst du hier? beim Element!
Vermaledeiter Rattenfâ°nger!
Zum Teufel erst das Instrument!
Zum Teufel hinterdrein den Sâ°nger!
MEPHISTOPHELES:
Die Zither ist entzwei! an der ist nichts zu halten.
VALENTIN:
Nun soll es an ein Schâ°delspalten!
MEPHISTOPHELES (zu Faust):
Herr Doktor, nicht gewichen! Frisch! Hart an mich an, wie ich Euch f¸hre.
Heraus mit Eurem Flederwisch!
Nur zugestoï¬en! ich pariere.
VALENTIN:
Pariere den!
MEPHISTOPHELES:
Warum denn nicht?
VALENTIN:
Auch den!
MEPHISTOPHELES:
Gewiï¬!
VALENTIN:
Ich glaub, der Teufel ficht! Was ist denn das? Schon wird die Hand mir lahm.
MEPHISTOPHELES (zu Faust):
Stoï¬ zu!
VALENTIN (fâ°llt):
O weh!
MEPHISTOPHELES:
Nun ist der L¸mmel zahm! Nun aber fort! Wir m¸ssen gleich verschwinden Denn schon entsteht ein mËrderlich Geschrei. Ich weiï¬ mich trefflich mit der Polizei, Doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden.
MARTHE (am Fenster):
Heraus! Heraus!
GRETCHEN (am Fenster):
Herbei ein Licht!
MARTHE (wie oben):
Man schilt und rauft, man schreit und ficht.
VOLK:
Da liegt schon einer tot!
MARTHE (heraustretend):
Die MËrder, sind sie denn entflohn?
GRETCHEN (heraustretend):
Wer liegt hier?
VOLK:
Deiner Mutter Sohn.
GRETCHEN:
Allmâ°chtiger! welche Not!
VALENTIN:
Ich sterbe! das ist bald gesagt
Und balder noch getan.
Was steht ihr Weiber, heult und klagt? Kommt her und hËrt mich an!
(Alle treten um ihn.)
Mein Gretchen, sieh! du bist noch jung, Bist gar noch nicht gescheit genung,
Machst deine Sachen schlecht.
Ich sag dir’s im Vertrauen nur:
Du bist doch nun einmal eine Hur,
So sei’s auch eben recht!
GRETCHEN:
Mein Bruder! Gott! Was soll mir das?
VALENTIN:
Laï¬ unsern Herrgott aus dem Spaï¬! Geschehn ist leider nun geschehn
Und wie es gehn kann, so wird’s gehn. Du fingst mit einem heimlich an
Bald kommen ihrer mehre dran,
Und wenn dich erst ein Dutzend hat, So hat dich auch die ganze Stadt.
Wenn erst die Schande wird geboren,
Wird sie heimlich zur Welt gebracht, Und man zieht den Schleier der Nacht
Ihr ¸ber Kopf und Ohren;
Ja, man mËchte sie gern ermorden.
Wâ°chst sie aber und macht sich groï¬, Dann geht sie auch bei Tage bloï¬
Und ist doch nicht schËner geworden. Je hâ°ï¬licher wird ihr Gesicht,
Je mehr sucht sie des Tages Licht.
Ich seh wahrhaftig schon die Zeit,
Daï¬ alle brave B¸rgersleut,
Wie von einer angesteckten Leichen, Von dir, du Metze! seitab weichen.
Dir soll das Herz im Leib verzagen, Wenn sie dir in die Augen sehn!
Sollst keine goldne Kette mehr tragen! In der Kirche nicht mehr am Altar stehn! In einem schËnen Spitzenkragen
Dich nicht beim Tanze wohlbehagen!
In eine finstre Jammerecken
Unter Bettler und Kr¸ppel dich verstecken, Und, wenn dir dann auch Gott verzeiht,
Auf Erden sein vermaledeit!
MARTHE:
Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden!
Wollt Ihr noch Lâ°strung auf Euch laden?
VALENTIN:
KËnnt ich dir nur an den d¸rren Leib, Du schâ°ndlich kupplerisches Weib!
Da hofft ich aller meiner S¸nden
Vergebung reiche Maï¬ zu finden.
GRETCHEN:
Mein Bruder! Welche HËllenpein!
VALENTIN:
Ich sage, laï¬ die Trâ°nen sein!
Da du dich sprachst der Ehre los,
Gabst mir den schwersten Herzensstoï¬. Ich gehe durch den Todesschlaf
Zu Gott ein als Soldat und brav.
(Stirbt.)
Dom
Amt, Orgel und Gesang. Gretchen unter vielem Volke. BËser Geist hinter Gretchen.
B÷SER GEIST:
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst
Aus dem vergriffnen B¸chelchen
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?
Betst du f¸r deiner Mutter Seele, die Durch dich zur langen, langen Pein hin¸berschlief? Auf deiner Schwelle wessen Blut?
– Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon
Und â°ngstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?
GRETCHEN:
Weh! Weh!
Wâ°r ich der Gedanken los,
Die mir her¸ber und hin¸ber gehen Wider mich!
CHOR:
Dies irae, dies illa
Solvet saeclum in favilla.
(Orgelton.)
B÷SER GEIST:
Grimm faï¬t dich!
Die Posaune tËnt!
Die Grâ°ber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!
GRETCHEN:
Wâ°r ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten lËste.
CHOR:
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Nil inultum remanebit.
GRETCHEN:
Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das GewËlbe
Drâ°ngt mich!- Luft!
B÷SER GEIST:
Verbirg dich! S¸nd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
CHOR:
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.
B÷SER GEIST:
Ihr Antlitz wenden
Verklâ°rte von dir ab.
Die Hâ°nde dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!
CHOR:
Quid sum miser tunc dicturus?
GRETCHEN:
Nachbarin! Euer Flâ°schchen!
(Sie fâ°llt in Ohnmacht.)
Walpurgisnacht
Harzgebirg Gegend von Schierke und Elend
Faust. Mephistopheles.
MEPHISTOPHELES:
Verlangst du nicht nach einem Besenstiele? Ich w¸nschte mir den allerderbsten Bock. Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.
FAUST:
Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen f¸hle, Gen¸gt mir dieser Knotenstock.
Was hilft’s, daï¬ man den Weg verk¸rzt!- Im Labyrinth der Tâ°ler hinzuschleichen, Dann diesen Felsen zu ersteigen,
Von dem der Quell sich ewig sprudelnd st¸rzt, Das ist die Lust, die solche Pfade w¸rzt! Der Fr¸hling webt schon in den Birken,
Und selbst die Fichte f¸hlt ihn schon; Sollt er nicht auch auf unsre Glieder wirken?
MEPHISTOPHELES:
F¸rwahr, ich sp¸re nichts davon!
Mir ist es winterlich im Leibe,
Ich w¸nschte Schnee und Frost auf meiner Bahn. Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe Des roten Monds mit spâ°ter Glut heran
Und leuchtet schlecht, daï¬ man bei jedem Schritte Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
Erlaub, daï¬ ich ein Irrlicht bitte! Dort seh ich eins, das eben lustig brennt. Heda! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern? Was willst du so vergebens lodern?
Sei doch so gut und leucht uns da hinauf!
IRRLICHT:
Aus Ehrfurcht, hoff ich, soll es mir gelingen, Mein leichtes Naturell zu zwingen;
Nur zickzack geht gewËhnlich unser Lauf.
MEPHISTOPHELES:
Ei! Ei! Er denkt’s den Menschen nachzuahmen. Geh Er nur grad, in ‘s Teufels Namen!
Sonst blas ich ihm sein Flackerleben aus.
IRRLICHT:
Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus, Und will mich gern nach Euch bequemen.
Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll Und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll So m¸ï¬t Ihr’s so genau nicht nehmen.
FAUST, MEPHISTOPHELES, IRRLICHT (im Wechselgesang): In die Traum- und Zaubersphâ°re
Sind wir, scheint es, eingegangen.
F¸hr uns gut und mach dir Ehre
Daï¬ wir vorwâ°rts bald gelangen
In den weiten, Ëden Râ°umen!
Seh die Bâ°ume hinter Bâ°umen,
Wie sie schnell vor¸berr¸cken,
Und die Klippen, die sich b¸cken,
Und die langen Felsennasen,
Wie sie schnarchen, wie sie blasen!
Durch die Steine, durch den Rasen
Eilet Bach und Bâ°chlein nieder.
HËr ich Rauschen? hËr ich Lieder? HËr ich holde Liebesklage,
Stimmen jener Himmelstage?
Was wir hoffen, was wir lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Alter Zeiten, hallet wider.
“Uhu! Schuhu!” tËnt es nâ°her,
Kauz und Kiebitz und der Hâ°her,
Sind sie alle wach geblieben?
Sind das Molche durchs Gestrâ°uche? Lange Beine, dicke Bâ°uche!
Und die Wurzeln, wie die Schlangen, Winden sich aus Fels und Sande,
Strecken wunderliche Bande,
Uns zu schrecken, uns zu fangen;
Aus belebten derben Masern
Strecken sie Polypenfasern
Nach dem Wandrer. Und die Mâ°use
Tausendfâ°rbig, scharenweise,
Durch das Moos und durch die Heide! Und die Funkenw¸rmer fliegen
Mit gedrâ°ngten Schwâ°rmez¸gen
Zum verwirrenden Geleite.
Aber sag mir, ob wir stehen
Oder ob wir weitergehen?
Alles, alles scheint zu drehen,
Fels und Bâ°ume, die Gesichter
Schneiden, und die irren Lichter,
Die sich mehren, die sich blâ°hen. MEPHISTOPHELES:
Fasse wacker meinen Zipfel!
Hier ist so ein Mittelgipfel
Wo man mit Erstaunen sieht,
Wie im Berg der Mammon gl¸ht.
FAUST:
Wie seltsam glimmert durch die Gr¸nde Ein morgenrËtlich tr¸ber Schein!
Und selbst bis in die tiefen Schl¸nde Des Abgrunds wittert er hinein.
Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden, Hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor
Dann schleicht sie wie ein zarter Faden Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
Hier schlingt sie eine ganze Strecke Mit hundert Adern sich durchs Tal,
Und hier in der gedrâ°ngten Ecke
Vereinzelt sie sich auf einmal.
Da spr¸hen Funken in der Nâ°he
Wie ausgestreuter goldner Sand.
Doch schau! in ihrer ganzen HËhe
Entz¸ndet sich die Felsenwand.
MEPHISTOPHELES:
Erleuchtet nicht zu diesem Feste
Herr Mammon prâ°chtig den Palast?
Ein Gl¸ck, daï¬ du’s gesehen hast, Ich sp¸re schon die ungest¸men Gâ°ste.
FAUST:
Wie rast die Windsbraut durch die Luft! Mit welchen Schlâ°gen trifft sie meinen Nacken!
MEPHISTOPHELES:
Du muï¬t des Felsens alte Rippen packen Sonst st¸rzt sie dich hinab in dieser Schl¸nde Gruft. Ein Nebel verdichtet die Nacht.
HËre, wie’s durch die Wâ°lder kracht! Aufgescheucht fliegen die Eulen.
HËr, es splittern die Sâ°ulen
Ewig gr¸ner Palâ°ste.
Girren und Brechen der Aste!
Der Stâ°mme mâ°chtiges DrËhnen!
Der Wurzeln Knarren und Gâ°hnen!
Im f¸rchterlich verworrenen Falle
â¹bereinander krachen sie alle
Und durch die ¸bertr¸mmerten Kl¸fte Zischen und heulen die L¸fte.
HËrst du Stimmen in der HËhe?
In der Ferne, in der Nâ°he?
Ja, den ganzen Berg entlang
StrËmt ein w¸tender Zaubergesang!
HEXEN (im Chor):
Die Hexen zu dem Brocken ziehn,
Die Stoppel ist gelb, die Saat ist gr¸n. Dort sammelt sich der groï¬e Hauf,
Herr Urian sitzt oben auf.
So geht es ¸ber Stein und Stock,
Es farzt die Hexe, es stinkt der Bock.
STIMME:
Die alte Baubo kommt allein,
Sie reitet auf einem Mutterschwein.
CHOR:
So Ehre denn, wem Ehre geb¸hrt!
Frau Baubo vor! und angef¸hrt!
Ein t¸chtig Schwein und Mutter drauf, Da folgt der ganze Hexenhauf.
STIMME:
Welchen Weg kommst du her?
STIMME:
â¹bern Ilsenstein! Da guckt ich der Eule ins Nest hinein, Die macht ein Paar Augen!
STIMME:
O fahre zur HËlle! Was reitst du so schnelle!
STIMME:
Mich hat sie geschunden,
Da sieh nur die Wunden!
HEXEN, CHOR:
Der Weg ist breit, der Weg ist lang, Was ist das f¸r ein toller Drang?
Die Gabel sticht, der Besen kratzt, Das Kind erstickt, die Mutter platzt.
HEXENMEISTER, HALBER CHOR:
Wir schleichen wie die Schneck im Haus, Die Weiber alle sind voraus.
Denn, geht es zu des BËsen Haus,
Das Weib hat tausend Schritt voraus.
ANDERE HÆLFTE:
Wir nehmen das nicht so genau,
Mit tausend Schritten macht’s die Frau; Doch wie sie sich auch eilen kann,
Mit einem Sprunge macht’s der Mann.
STIMME (oben):
Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!
STIMMEN (von unten):
Wir mËchten gerne mit in die HËh. Wir waschen, und blank sind wir ganz und gar; Aber auch ewig unfruchtbar.
BEIDE CH÷RE:
Es schweigt der Wind, es flieht der Stern, Der tr¸be Mond verbirgt sich gern.
Im Sausen spr¸ht das Zauberchor
Viel tausend Feuerfunken hervor.
STIMME (von unten):
Halte! Haltet
STIMME (oben):
Wer ruft da aus der Felsenspalte?
STIMME (von unten):
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
Ich steige schon dreihundert Jahr,
Und kann den Gipfel nicht erreichen Ich wâ°re gern bei meinesgleichen.
BEIDE CH÷RE:
Es trâ°gt der Besen, trâ°gt der Stock Die Gabel trâ°gt, es trâ°gt der Bock
Wer heute sich nicht heben kann
Ist ewig ein verlorner Mann.
HALBHEXE (unten):
Ich tripple nach, so lange Zeit;
Wie sind die andern schon so weit!
Ich hab zu Hause keine Ruh
Und komme hier doch nicht dazu.
CHOR DER HEXEN:
Die Salbe gibt den Hexen Mut,
Ein Lumpen ist zum Segel gut
Ein gutes Schiff ist jeder Trog
Der flieget nie, der heut nicht flog.
BEIDE CH÷RE:
Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
So streichet an dem Boden hin
Und deckt die Heide weit und breit
Mit eurem Schwarm der Hexenheit
(Sie lassen sich nieder.)