Faust: Der Tragödie erster Teil by Johann Wolfgang von Goethe

This work contains two 7 bit ASCII characters to represent certain special German characters. An alternate 8 bit version of this text which does use the high order ASCII characters is also available in this format. Faust: Der Tragˆdie erster Teil Johann Wolfgang von Goethe Zueignung. Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die fr¸h sich
This page contains affiliate links. As Amazon Associates we earn from qualifying purchases.
Language:
Genre:
Published:
  • 1808
Edition:
Collection:
Buy it on Amazon Listen via Audible FREE Audible 30 days

This work contains two 7 bit ASCII characters to represent certain special German characters. An alternate 8 bit version of this text which does use the high order ASCII characters is also available in this format.

Faust: Der Tragˆdie erster Teil

Johann Wolfgang von Goethe

Zueignung.

Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die fr¸h sich einst dem tr¸ben Blick gezeigt. Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten? F¸hl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr dr‰ngt euch zu! nun gut, so mˆgt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen f¸hlt sich jugendlich ersch¸ttert Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.

Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, Und manche liebe Schatten steigen auf;
Gleich einer alten, halbverklungnen Sage Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf; Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Lebens labyrinthisch irren Lauf,
Und nennt die Guten, die, um schˆne Stunden Vom Gl¸ck get‰uscht, vor mir hinweggeschwunden.

Sie hˆren nicht die folgenden Ges‰nge, Die Seelen, denen ich die ersten sang;
Zerstoben ist das freundliche Gedr‰nge, Verklungen, ach! der erste Widerklang.
Mein Lied ertˆnt der unbekannten Menge, Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang, Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.

Und mich ergreift ein l‰ngst entwˆhntes Sehnen Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, Es schwebet nun in unbestimmten Tˆnen
Mein lispelnd Lied, der ƒolsharfe gleich, Ein Schauer faflt mich, Tr‰ne folgt den Tr‰nen, Das strenge Herz, es f¸hlt sich mild und weich; Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,
Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten.

Vorspiel auf dem Theater

Direktor. Theatherdichter. Lustige Person:

DIREKTOR:
Ihr beiden, die ihr mir so oft,
In Not und Tr¸bsal, beigestanden,
Sagt, was ihr wohl in deutschen Landen Von unsrer Unternehmung hofft?
Ich w¸nschte sehr der Menge zu behagen, Besonders weil sie lebt und leben l‰flt. Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen, Und jedermann erwartet sich ein Fest.
Sie sitzen schon mit hohen Augenbraunen Gelassen da und mˆchten gern erstaunen. Ich weifl, wie man den Geist des Volks versˆhnt; Doch so verlegen bin ich nie gewesen:
Zwar sind sie an das Beste nicht gewˆhnt, Allein sie haben schrecklich viel gelesen. Wie machen wir’s, dafl alles frisch und neu Und mit Bedeutung auch gef‰llig sei?
Denn freilich mag ich gern die Menge sehen, Wenn sich der Strom nach unsrer Bude dr‰ngt, Und mit gewaltig wiederholten Wehen
Sich durch die enge Gnadenpforte zw‰ngt; Bei hellem Tage, schon vor vieren,
Mit Stˆflen sich bis an die Kasse ficht Und, wie in Hungersnot um Brot an B‰ckert¸ren, Um ein Billet sich fast die H‰lse bricht. Dies Wunder wirkt auf so verschiedne Leute Der Dichter nur; mein Freund, o tu es heute!

DICHTER:
O sprich mir nicht von jener bunten Menge, Bei deren Anblick uns der Geist entflieht. Verh¸lle mir das wogende Gedr‰nge,
Das wider Willen uns zum Strudel zieht. Nein, f¸hre mich zur stillen Himmelsenge, Wo nur dem Dichter reine Freude bl¸ht;
Wo Lieb und Freundschaft unsres Herzens Segen Mit Gˆtterhand erschaffen und erpflegen.

Ach! was in tiefer Brust uns da entsprungen, Was sich die Lippe sch¸chtern vorgelallt, Miflraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen, Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt. Oft, wenn es erst durch Jahre durchgedrungen, Erscheint es in vollendeter Gestalt.
Was gl‰nzt, ist f¸r den Augenblick geboren, Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren.

LUSTIGE PERSON:
Wenn ich nur nichts von Nachwelt hˆren sollte. Gesetzt, dafl ich von Nachwelt reden wollte, Wer machte denn der Mitwelt Spafl?
Den will sie doch und soll ihn haben. Die Gegenwart von einem braven Knaben
Ist, d‰cht ich, immer auch schon was. Wer sich behaglich mitzuteilen weifl,
Den wird des Volkes Laune nicht erbittern; Er w¸nscht sich einen groflen Kreis,
Um ihn gewisser zu ersch¸ttern.
Drum seid nur brav und zeigt euch musterhaft, Laflt Phantasie, mit allen ihren Chˆren, Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, Doch, merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hˆren.

DIREKTOR:
Besonders aber laflt genug geschehn! Man kommt zu schaun, man will am liebsten sehn. Wird vieles vor den Augen abgesponnen,
So dafl die Menge staunend gaffen kann, Da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen, Ihr seid ein vielgeliebter Mann.
Die Masse kˆnnt Ihr nur durch Masse zwingen, Ein jeder sucht sich endlich selbst was aus. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen; Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
Gebt Ihr ein St¸ck, so gebt es gleich in St¸cken! Solch ein Ragout, es mufl Euch gl¸cken; Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht. Was hilft’s, wenn Ihr ein Ganzes dargebracht? Das Publikum wird es Euch doch zerpfl¸cken.

DICHTER:
Ihr f¸hlet nicht, wie schlecht ein solches Handwerk sei! Wie wenig das dem echten K¸nstler zieme! Der saubern Herren Pfuscherei
Ist. merk ich. schon bei Euch Maxime.

DIREKTOR:
Ein solcher Vorwurf l‰flt mich ungekr‰nkt: Ein Mann, der recht zu wirken denkt,
Mufl auf das beste Werkzeug halten. Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten, Und seht nur hin, f¸r wen Ihr schreibt! Wenn diesen Langeweile treibt,
Kommt jener satt vom ¸bertischten Mahle, Und, was das Allerschlimmste bleibt,
Gar mancher kommt vom Lesen der Journale. Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten, Und Neugier nur befl¸gelt jeden Schritt; Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten Und spielen ohne Gage mit.
Was tr‰umet Ihr auf Eurer Dichterhˆhe? Was macht ein volles Haus Euch froh?
Beseht die Gˆnner in der N‰he!
Halb sind sie kalt, halb sind sie roh. Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel, Der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen. Was plagt ihr armen Toren viel,
Zu solchem Zweck, die holden Musen? Ich sag Euch, gebt nur mehr und immer, immer mehr, So kˆnnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren Sucht nur die Menschen zu verwirren,
Sie zu befriedigen, ist schwer–
Was f‰llt Euch an? Entz¸ckung oder Schmerzen?

DICHTER:
Geh hin und such dir einen andern Knecht! Der Dichter sollte wohl das hˆchste Recht, Das Menschenrecht, das ihm Natur vergˆnnt, Um deinetwillen freventlich verscherzen! Wodurch bewegt er alle Herzen?
Wodurch besiegt er jedes Element?
Ist es der Einklang nicht, der aus dem Busen dringt, Und in sein Herz die Welt zur¸cke schlingt? Wenn die Natur des Fadens ew’ge L‰nge, Gleichg¸ltig drehend, auf die Spindel zwingt, Wenn aller Wesen unharmon’sche Menge
Verdriefllich durcheinander klingt- Wer teilt die flieflend immer gleiche Reihe Belebend ab, dafl sie sich rhythmisch regt? Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe, Wo es in herrlichen Akkorden schl‰gt?
Wer l‰flt den Sturm zu Leidenschaften w¸ten? Das Abendrot im ernsten Sinne gl¸hn?
Wer sch¸ttet alle schˆnen Fr¸hlingsbl¸ten Auf der Geliebten Pfade hin?
Wer flicht die unbedeutend gr¸nen Bl‰tter Zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?
Wer sichert den Olymp? vereinet Gˆtter? Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart.

LUSTIGE PERSON:
So braucht sie denn, die schˆnen Kr‰fte Und treibt die dichtrischen Gesch‰fte
Wie man ein Liebesabenteuer treibt. Zuf‰llig naht man sich, man f¸hlt, man bleibt Und nach und nach wird man verflochten;
Es w‰chst das Gl¸ck, dann wird es angefochten Man ist entz¸ckt, nun kommt der Schmerz heran, Und eh man sich’s versieht, ist’s eben ein Roman. Laflt uns auch so ein Schauspiel geben! Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein jeder lebt’s, nicht vielen ist’s bekannt, Und wo ihr’s packt, da ist’s interessant. In bunten Bildern wenig Klarheit,
Viel Irrtum und ein F¸nkchen Wahrheit, So wird der beste Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut. Dann sammelt sich der Jugend schˆnste Bl¸te Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung, Dann sauget jedes z‰rtliche Gem¸te
Aus eurem Werk sich melanchol’sche Nahrung, Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt Ein jeder sieht, was er im Herzen tr‰gt. Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen, Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein; Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen; Ein Werdender wird immer dankbar sein.

DICHTER:
So gib mir auch die Zeiten wieder,
Da ich noch selbst im Werden war,
Da sich ein Quell gedr‰ngter Lieder Ununterbrochen neu gebar,
Da Nebel mir die Welt verh¸llten,
Die Knospe Wunder noch versprach,
Da ich die tausend Blumen brach,
Die alle T‰ler reichlich f¸llten. Ich hatte nichts und doch genug:
Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug. Gib ungeb‰ndigt jene Triebe,
Das tiefe, schmerzenvolle Gl¸ck,
Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe, Gib meine Jugend mir zur¸ck!

LUSTIGE PERSON:
Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls, Wenn dich in Schlachten Feinde dr‰ngen, Wenn mit Gewalt an deinen Hals
Sich allerliebste M‰dchen h‰ngen, Wenn fern des schnellen Laufes Kranz
Vom schwer erreichten Ziele winket, Wenn nach dem heft’gen Wirbeltanz
Die N‰chte schmausend man vertrinket. Doch ins bekannte Saitenspiel
Mit Mut und Anmut einzugreifen,
Nach einem selbstgesteckten Ziel
Mit holdem Irren hinzuschweifen,
Das, alte Herrn, ist eure Pflicht,
Und wir verehren euch darum nicht minder. Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht, Es findet uns nur noch als wahre Kinder.

DIREKTOR:
Der Worte sind genug gewechselt,
Laflt mich auch endlich Taten sehn! Indes ihr Komplimente drechselt,
Kann etwas N¸tzliches geschehn.
Was hilft es, viel von Stimmung reden? Dem Zaudernden erscheint sie nie.
Gebt ihr euch einmal f¸r Poeten,
So kommandiert die Poesie.
Euch ist bekannt, was wir bed¸rfen, Wir wollen stark Getr‰nke schl¸rfen;
Nun braut mir unverz¸glich dran!
Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan, Und keinen Tag soll man verpassen,
Das Mˆgliche soll der Entschlufl
Beherzt sogleich beim Schopfe fassen, Er will es dann nicht fahren lassen
Und wirket weiter, weil er mufl.

Ihr wiflt, auf unsern deutschen B¸hnen Probiert ein jeder, was er mag;
Drum schonet mir an diesem Tag
Prospekte nicht und nicht Maschinen. Gebraucht das grofl, und kleine Himmelslicht, Die Sterne d¸rfet ihr verschwenden;
An Wasser, Feuer, Felsenw‰nden,
An Tier und Vˆgeln fehlt es nicht. So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schˆpfung aus, Und wandelt mit bed‰cht’ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hˆlle.

Prolog im Himmel.

Der Herr. Die himmlischen Heerscharen. Nachher Mephistopheles. Die drei Erzengel treten vor.

RAPHAEL:
Die Sonne tˆnt, nach alter Weise,
In Brudersph‰ren Wettgesang,
Und ihre vorgeschriebne Reise
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln St‰rke, Wenn keiner Sie ergr¸nden mag;
die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.

GABRIEL:
Und schnell und unbegreiflich schnelle Dreht sich umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer, schauervoller Nacht.
Es sch‰umt das Meer in breiten Fl¸ssen Am tiefen Grund der Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen Im ewig schnellem Sph‰renlauf.

MICHAEL:
Und St¸rme brausen um die Wette
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer, und bilden w¸tend eine Kette
Der tiefsten Wirkung rings umher.
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags.
Doch deine Boten, Herr, verehren
Das sanfte Wandeln deines Tags.

ZU DREI:
Der Anblick gibt den Engeln St‰rke, Da keiner dich ergr¸nden mag,
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.

MEPHISTOPHELES:
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst Und fragst, wie alles sich bei uns befinde, Und du mich sonst gewˆhnlich gerne sahst, So siehst du mich auch unter dem Gesinde. Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, Und wenn mich auch der ganze Kreis verhˆhnt; Mein Pathos br‰chte dich gewifl zum Lachen, H‰ttst du dir nicht das Lachen abgewˆhnt. Von Sonn’ und Welten weifl ich nichts zu sagen, Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen. Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag, Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag. Ein wenig besser w¸rd er leben,
H‰ttst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben; Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein, Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden, Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt; Und l‰g er nur noch immer in dem Grase! In jeden Quark begr‰bt er seine Nase.

DER HERR:
Hast du mir weiter nichts zu sagen? Kommst du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES:
Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht. Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen, Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.

DER HERR:
Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES:
Den Doktor?

DER HERR:
Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES:
F¸rwahr! er dient Euch auf besondre Weise. Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise. Ihn treibt die G‰rung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewuflt; Vom Himmel fordert er die schˆnsten Sterne Und von der Erde jede hˆchste Lust,
Und alle N‰h und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR:
Wenn er mir auch nur verworren dient, So werd ich ihn bald in die Klarheit f¸hren. Weifl doch der G‰rtner, wenn das B‰umchen gr¸nt, Das Bl¸t und Frucht die k¸nft’gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES:
Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren! Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Strafle sacht zu f¸hren.

DER HERR:
Solang er auf der Erde lebt,
So lange sei dir’s nicht verboten,
Es irrt der Mensch so lang er strebt.

MEPHISTOPHELES:
Da dank ich Euch; denn mit den Toten Hab ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen. F¸r einem Leichnam bin ich nicht zu Haus; Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR:
Nun gut, es sei dir ¸berlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab, Und f¸hr ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh besch‰mt, wenn du bekennen muflt: Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, Ist sich des rechten Weges wohl bewuflt.

MEPHISTOPHELES:
Schon gut! nur dauert es nicht lange. Mir ist f¸r meine Wette gar nicht bange. Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust. Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die ber¸hmte Schlange.

DER HERR:
Du darfst auch da nur frei erscheinen; Ich habe deinesgleichen nie gehaflt.
Von allen Geistern, die verneinen,
ist mir der Schalk am wenigsten zur Last. Des Menschen T‰tigkeit kann allzu leicht erschlaffen, er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu, Der reizt und wirkt und mufl als Teufel schaffen. Doch ihr, die echten Gˆttersˆhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schˆne! Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass euch mit der Liebe holden Schranken, Und was in schwankender Erscheinung schwebt, Befestigt mit dauernden Gedanken!
(Der Himmel schlieflt, die Erzengel verteilen sich.)

MEPHISTOPHELES (allein):
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern, Und h¸te mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar h¸bsch von einem groflen Herrn, So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.

FAUST: Der Tragˆdie erster Teil

Nacht.

In einem hochgewˆlbten, engen gotischen Zimmer Faust, unruhig auf seinem Sessel am Pulte.

FAUST:
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heiflem Bem¸hn. Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heifle Magister, heifle Doktor gar Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Sch¸ler an der Nase herum-
Und sehe, dafl wir nichts wissen kˆnnen! Das will mir schier das Herz verbrennen. Zwar bin ich gescheiter als all die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen; Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
F¸rchte mich weder vor Hˆlle noch Teufel- Daf¸r ist mir auch alle Freud entrissen, Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich kˆnnte was lehren, Die Menschen zu bessern und zu bekehren. Auch hab ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt; Es mˆchte kein Hund so l‰nger leben!
Drum hab ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimnis w¸rde kund;
Dafl ich nicht mehr mit saurem Schweifl Zu sagen brauche, was ich nicht weifl;
Dafl ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenh‰lt,
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen.

O s‰hst du, voller Mondenschein,
Zum letzenmal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht
An diesem Pult herangewacht:
Dann ¸ber B¸chern und Papier,
Tr¸bsel’ger Freund, erschienst du mir! Ach! kˆnnt ich doch auf Bergeshˆhn
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshˆhle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem D‰mmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen,
In deinem Tau gesund mich baden!

Weh! steck ich in dem Kerker noch?
Verfluchtes dumpfes Mauerloch,
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Tr¸b durch gemalte Scheiben bricht! Beschr‰nkt mit diesem B¸cherhauf,
den W¸rme nagen, Staub bedeckt,
Den bis ans hohe Gewˆlb hinauf
Ein angeraucht Papier umsteckt;
Mit Gl‰sern, B¸chsen rings umstellt, Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urv‰ter Hausrat drein gestopft-
Das ist deine Welt! das heiflt eine Welt!

Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich bang in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerkl‰rter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt?
Statt der lebendigen Natur,
Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgibt in Rauch und Moder nur
Dich Tiergeripp und Totenbein.

Flieh! auf! hinaus ins weite Land!
Und dies geheimnisvolle Buch,
Von Nostradamus’ eigner Hand,
Ist dir es nicht Geleit genug?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich Unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Wie spricht ein Geist zum andren Geist. Umsonst, dafl trocknes Sinnen hier
Die heil’gen Zeichen dir erkl‰rt: Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir;
Antwortet mir, wenn ihr mich hˆrt! (Er schl‰gt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.)

Ha! welche Wonne flieflt in diesem Blick Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!
Ich f¸hle junges, heil’ges Lebensgl¸ck Neugl¸hend mir durch Nerv’ und Adern rinnen. War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb, Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude f¸llen,
Und mit geheimnisvollem Trieb
Die Kr‰fte der Natur rings um mich her enth¸llen? Bin ich ein Gott? Mir wird so licht!
Ich schau in diesen reinen Z¸gen
Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen. Jetzt erst erkenn ich, was der Weise spricht: “Die Geisterwelt ist nicht verschlossen; Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!
Auf, bade, Sch¸ler, unverdrossen
Die ird’sche Brust im Morgenrot!”
(er beschaut das Zeichen.)

Wie alles sich zum Ganzen webt,
Eins in dem andern wirkt und lebt!
Wie Himmelskr‰fte auf und nieder steigen Und sich die goldnen Eimer reichen!
Mit segenduftenden Schwingen
Vom Himmel durch die Erde dringen,
Harmonisch all das All durchklingen!

Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur! Wo fass ich dich, unendliche Natur?
Euch Br¸ste, wo? Ihr Quellen alles Lebens, An denen Himmel und Erde h‰ngt,
Dahin die welke Brust sich dr‰ngt- Ihr quellt, ihr tr‰nkt, und schmacht ich so vergebens? (er schl‰gt unwillig das Buch um und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.)

Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein! Du, Geist der Erde, bist mir n‰her;
Schon f¸hl ich meine Kr‰fte hˆher, Schon gl¸h ich wie von neuem Wein.
Ich f¸hle Mut, mich in die Welt zu wagen, Der Erde Weh, der Erde Gl¸ck zu tragen, Mit St¸rmen mich herumzuschlagen
Und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen. Es wˆlkt sich ¸ber mir-
Der Mond verbirgt sein Licht-
Die Lampe schwindet!
Es dampft! Es zucken rote Strahlen
Mir um das Haupt- Es weht
Ein Schauer vom Gewˆlb herab
Und faflt mich an!
Ich f¸hl’s, du schwebst um mich, erflehter Geist Enth¸lle dich!
Ha! wie’s in meinem Herzen reiflt! Zu neuen Gef¸hlen
All meine Sinnen sich erw¸hlen!
Ich f¸hle ganz mein Herz dir hingegeben! Du muflt! du muflt! und kostet es mein Leben! (Er faflt das Buch und spricht das Zeichen des Geistes geheimnisvoll aus. Es zuckt eine rˆtliche Flamme, der Geist erscheint in der Flamme.)

GEIST:
Wer ruft mir?

FAUST (abgewendet):
Schreckliches Gesicht!

GEIST:
Du hast mich m‰chtig angezogen,
An meiner Sph‰re lang gesogen,
Und nun-

FAUST:
Weh! ich ertrag dich nicht!

GEIST:
Du flehst, eratmend mich zu schauen, Meine Stimme zu hˆren, mein Antlitz zu sehn; Mich neigt dein m‰chtig Seelenflehn,
Da bin ich!- Welch erb‰rmlich Grauen Faflt ‹bermenschen dich! Wo ist der Seele Ruf? Wo ist die Brust, die eine Welt in sich erschuf Und trug und hegte, die mit Freudebeben
Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben? Wo bist du, Faust, des Stimme mir erklang, Der sich an mich mit allen Kr‰ften drang? Bist du es, der, von meinem Hauch umwittert, In allen Lebenslagen zittert,
Ein furchtsam weggekr¸mmter Wurm?

FAUST:
Soll ich dir, Flammenbildung, weichen? Ich bin’s, bin Faust, bin deinesgleichen!

GEIST:
In Lebensfluten, im Tatensturm
Wall ich auf und ab,
Wehe hin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselndes Wehen,
Ein gl¸hend Leben,
So schaff ich am laufenden Webstuhl der Zeit Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.

FAUST:
Der du die weite Welt umschweifst,
Gesch‰ftiger Geist, wie nah f¸hl ich mich dir!

GEIST:
Du gleichst dem Geist, den du begreifst, Nicht mir!
(verschwindet)

FAUST (zusammenst¸rzend):
Nicht dir?
Wem denn?
Ich Ebenbild der Gottheit!
Und nicht einmal dir!
(es klopft)

O Tod! ich kenn’s- das ist mein Famulus- Es wird mein schˆnstes Gl¸ck zunichte! Dafl diese F¸lle der Geschichte
Der trockne Schleicher stˆren mufl! (Wagner im Schlafrock und der Nachtm¸tze, eine Lampe in der Hand. Faust wendet sich unwillig.)

WAGNER:
Verzeiht! ich hˆr euch deklamieren; Ihr last gewifl ein griechisch Trauerspiel? In dieser Kunst mˆcht ich was profitieren, Denn heutzutage wirkt das viel.
Ich hab es ˆfters r¸hmen hˆren,
Ein Komˆdiant kˆnnt einen Pfarrer lehren.

FAUST:
Ja, wenn der Pfarrer ein Komˆdiant ist; Wie das denn wohl zuzeiten kommen mag.

WAGNER:
Ach! wenn man so in sein Museum gebannt ist, Und sieht die Welt kaum einen Feiertag,
Kaum durch ein Fernglas, nur von weitem, Wie soll man sie durch ‹berredung leiten?

FAUST:
Wenn ihr’s nicht f¸hlt, ihr werdet’s nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt
Und mit urkr‰ftigem Behagen
Die Herzen aller Hˆrer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen, Braut ein Ragout von andrer Schmaus
Und blast die k¸mmerlichen Flammen Aus eurem Aschenh‰uschen ‘raus!
Bewundrung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht- Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht.

WAGNER:
Allein der Vortrag macht des Redners Gl¸ck; Ich f¸hl es wohl, noch bin ich weit zur¸ck.

FAUST:
Such Er den redlichen Gewinn!
Sei Er kein schellenlauter Tor!
Es tr‰gt Verstand und rechter Sinn Mit wenig Kunst sich selber vor!
Und wenn’s euch Ernst ist, was zu sagen, Ist’s nˆtig, Worten nachzujagen?
Ja, eure Reden, die so blinkend sind, In denen ihr der Menschheit Schnitzel kr‰uselt, Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die d¸rren Bl‰tter s‰uselt!

WAGNER:
Ach Gott! die Kunst ist lang;
Und kurz ist unser Leben.
Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben, Doch oft um Kopf und Busen bang.
Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, Durch die man zu den Quellen steigt!
Und eh man nur den halben Weg erreicht, Mufl wohl ein armer Teufel sterben.

FAUST:
Das Pergament, ist das der heil’ge Bronnen, Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt? Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt.

WAGNER:
Verzeiht! es ist ein grofl Ergetzen, Sich in den Geist der Zeiten zu versetzen; Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.

FAUST:
O ja, bis an die Sterne weit!
Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit Sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.
Was ihr den Geist der Zeiten heiflt, Das ist im Grund der Herren eigner Geist, In dem die Zeiten sich bespiegeln.
Da ist’s denn wahrlich oft ein Jammer! Man l‰uft euch bei dem ersten Blick davon. Ein Kehrichtfafl und eine Rumpelkammer
Und hˆchstens eine Haupt- und Staatsaktion Mit trefflichen pragmatischen Maximen,
Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!

WAGNER:
Allein die Welt! des Menschen Herz und Geist! Mˆcht jeglicher doch was davon erkennen.

FAUST:
Ja, was man so erkennen heiflt!
Wer darf das Kind beim Namen nennen? Die wenigen, die was davon erkannt,
Die tˆricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten, Dem Pˆbel ihr Gef¸hl, ihr Schauen offenbarten, Hat man von je gekreuzigt und verbrannt. Ich bitt Euch, Freund, es ist tief in der Nacht, Wir m¸ssen’s diesmal unterbrechen.

WAGNER:
Ich h‰tte gern nur immer fortgewacht, Um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen. Doch morgen, als am ersten Ostertage,
Erlaubt mir ein’ und andre Frage.
Mit Eifer hab’ ich mich der Studien beflissen; Zwar weifl ich viel, doch mˆcht’ ich alles wissen. (Ab.)

FAUST (allein):
Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, Der immerfort an schalem Zeuge klebt,
Mit gier’ger Hand nach Sch‰tzen gr‰bt, Und froh ist, wenn er Regenw¸rmer findet!

Darf eine solche Menschenstimme hier, Wo Geisterf¸lle mich umgab, ertˆnen?
Doch ach! f¸r diesmal dank ich dir, Dem ‰rmlichsten von allen Erdensˆhnen. Du rittest mich von der Verzweiflung los, Die mir die Sinne schon zerstˆren wollte. Ach! die Erscheinung war so riesengrofl, Dafl ich mich recht als Zwerg empfinden sollte.

Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon Ganz nah ged¸nkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit, Sein selbst genofl in Himmelsglanz und Klarheit, Und abgestreift den Erdensohn;
Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft Schon durch die Adern der Natur zu flieflen Und, schaffend, Gˆtterleben zu genieflen Sich ahnungsvoll vermafl, wie mufl ich’s b¸flen! Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.

Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen; Hab ich die Kraft dich anzuziehn besessen, So hatt ich dich zu halten keine Kraft.
Zu jenem sel’gen Augenblicke
Ich f¸hlte mich so klein, so grofl; Du stieflest grausam mich zur¸ck,
Ins ungewisse Menschenlos.
Wer lehret mich? was soll ich meiden? Soll ich gehorchen jenem Drang?
Ach! unsre Taten selbst, so gut als unsre Leiden, Sie hemmen unsres Lebens Gang.

Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, Dr‰ngt immer fremd und fremder Stoff sich an; Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen, Dann heiflt das Beflre Trug und Wahn.
Die uns das Leben gaben, herrliche Gef¸hle Erstarren in dem irdischen Gew¸hle.

Wenn Phantasie sich sonst mit k¸hnem Flug Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert,
So ist ein kleiner Raum ihr genug,
Wenn Gl¸ck auf Gl¸ck im Zeitenstrudel scheitert. Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, Dort wirket sie geheime Schmerzen,
Unruhig wiegt sie sich und stˆret Luft und Ruh; Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, Als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;
Du bebst vor allem, was nicht trifft, Und was du nie verlierst, das muflt du stets beweinen.

Den Gˆttern gleich ich nicht! zu tief ist es gef¸hlt; Dem Wurme gleich ich, der den Staub durchw¸hlt, Den, wie er sich im Staube n‰hrend lebt, Des Wandrers Tritt vernichtet und begr‰bt.

Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand Aus hundert F‰chern mit verenget?
Der Trˆdel, der mit tausendfachem Tand In dieser Mottenwelt mich dr‰nget?
Hier soll ich finden, was mir fehlt? Soll ich vielleicht in tausend B¸chern lesen, Dafl ¸berall die Menschen sich gequ‰lt, Dafl hie und da ein Gl¸cklicher gewesen?- Was grinsest du mir, hohler Sch‰del, her? Als dafl dein Hirn, wie meines, einst verwirret Den leichten Tag gesucht und in der D‰mmrung schwer, Mit Luft nach Wahrheit, j‰mmerlich geirret. Ihr Instrumente freilich spottet mein,
Mit Rad und K‰mmen, Walz und B¸gel: Ich stand am Tor, ihr solltet Schl¸ssel sein; Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel. Geheimnisvoll am lichten Tag
L‰flt sich Natur des Schleiers nicht berauben, Und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, Das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben. Du alt Ger‰te, das ich nicht gebraucht, Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte. Du alte Rolle, du wirst angeraucht,
Solang an diesem Pult die tr¸be Lampe schmauchte. Weit besser h‰tt ich doch mein Weniges verpraflt, Als mit dem Wenigen belastet hier zu schwitzen! Was du ererbt von deinem Vater hast,
Erwirb es, um es zu besitzen.
Was man nicht n¸tzt, ist eine schwere Last, Nur was der Augenblick erschafft, das kann er n¸tzen.

Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle? Ist jenes Fl‰schchen dort den Augen ein Magnet? Warum wird mir auf einmal lieblich helle, Als wenn im n‰cht’gen Wald uns Mondenglanz umweht?

Ich gr¸fle dich, du einzige Phiole, Die ich mit Andacht nun herunterhole!
In dir verehr ich Menschenwitz und Kunst. Du Inbegriff der holden Schlummers‰fte, Du Auszug aller tˆdlich feinen Kr‰fte, Erweise deinem Meister deine Gunst!
Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert, Ich fasse dich, das Streben wird gemindert, Des Geistes Flutstrom ebbet nach und nach. Ins hohe Meer werd ich hinausgewiesen,
Die Spiegelflut ergl‰nzt zu meinen F¸flen, Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.

Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen, An mich heran! Ich f¸hle mich bereit,
Auf neuer Bahn den ƒther zu durchdringen, Zu neuen Sph‰ren reiner T‰tigkeit.
Dies hohe Leben, diese Gˆtterwonne! Du, erst noch Wurm, und die verdienest du? Ja, kehre nur der holden Erdensonne
Entschlossen deinen R¸cken zu!
Vermesse dich, die Pforten aufzureiflen, Vor denen jeder gern vor¸berschleicht!
Hier ist es Zeit, durch Taten zu beweisen, Das Mannesw¸rde nicht der Gˆtterhˆhe weicht, Vor jener dunkeln Hˆhle nicht zu beben, In der sich Phantasie zu eigner Qual verdammt, Nach jenem Durchgang hinzustreben,
Um dessen engen Mund die ganze Hˆlle flammt; In diesem Schritt sich heiter zu entschlieflen, Und w‰r es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu flieflen.

Nun komm herab, kristallne reine Schale! Hervor aus deinem alten Futterale,
An die ich viele Jahre nicht gedacht! Du gl‰nzetst bei der V‰ter Freudenfeste, Erheitertest die ernsten G‰ste,
Wenn einer dich dem andern zugebracht. Der vielen Bilder k¸nstlich reiche Pracht, Des Trinkers Pflicht, sie reimweis zu erkl‰ren, Auf einen Zug die Hˆhlung auszuleeren,
Erinnert mich an manche Jugendnacht. Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen. Hier ist ein Saft, der eilig trunken macht; Mit brauner Flut erf¸llt er deine Hˆhle. Den ich bereit, den ich w‰hle,
“Der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele, Als festlich hoher Grufl, dem Morgen zugebracht! (Er setzt die Schale an den Mund.)
Glockenklang und Chorgesang.

CHOR DER ENGEL:
Christ ist erstanden!
Freude dem Sterblichen,
Den die verderblichen,
Schleichenden, erblichen
M‰ngel unwanden.

FAUST:
Welch tiefes Summen, welch heller Ton Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde? Verk¸ndigt ihr dumpfen Glocken schon
Des Osterfestes erste Feierstunde?
Ihr Chˆre, singt ihr schon den trˆstlichen Gesang, Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang, Gewiflheit einem neuen Bunde?

CHOR DER WEIBER:
Mit Spezereien
Hatten wir ihn gepflegt,
Wir seine Treuen
Hatten ihn hingelegt;
T¸cher und Binden
Reinlich unwanden wir,
Ach! und wir finden
Christ nicht mehr hier.

CHOR DER ENGEL:
Christ ist erstanden!
Selig der Liebende,
Der die betr¸bende,
Heilsam und ¸bende
Pr¸fung bestanden.

FAUST:
Was sucht ihr, m‰chtig und gelind, Ihr Himmelstˆne, mich am Staube?
Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind. Die Botschaft hˆr ich wohl, allein mir fehlt der Glaube; Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind. Zu jenen Sph‰ren wag ich nicht zu streben, Woher die holde Nachricht tˆnt;
Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewˆhnt, Ruft er auch jetzt zur¸ck mich in das Leben. Sonst st¸rzte sich der Himmelsliebe Kufl Auf mich herab in ernster Sabbatstille;
Da klang so ahnungsvoll des Glockentones F¸lle, Und ein Gebet war br¸nstiger Genufl;
Ein unbegreiflich holdes Sehnen
Trieb mich, durch Wald und Wiesen hinzugehn, Und unter tausend heiflen Tr‰nen
F¸hlt ich mir eine Welt entstehn.
Dies Lieb verk¸ndete der Jugend muntre Spiele, Der Fr¸hlingsfeier freies Gl¸ck;
Erinnrung h‰lt mich nun, mit kindlichem Gef¸hle, Vom letzten, ernsten Schritt zur¸ck.
O tˆnet fort, ihr s¸flen Himmelslieder! Die Tr‰ne quillt, die Erde hat mich wieder!

CHOR DER J‹NGER:
Hat der Begrabene
Schon sich nach oben,
Lebend Erhabene,
Herrlich erhoben;
Ist er in Werdeluft
Schaffender Freude nah:
Ach! an der Erde Brust
Sind wir zum Leide da.
Liefl er die Seinen
Schmachtend uns hier zur¸ck;
Ach! wir beweinen,
Meister, dein Gl¸ck!

CHOR DER ENGEL:
Christ ist erstanden,
Aus der Verwesung Schofl.
Reiflet von Banden
Freudig euch los!
T‰tig ihn preisenden,
Liebe beweisenden,
Br¸derlich speisenden,
Predigend reisenden,
Wonne verheiflenden
Euch ist der Meister nah,
Euch ist er da!

Vor dem Tor

Spazierg‰nger aller Art ziehen hinaus.

EINIGE HANDWERKSBURSCHE:
Warum denn dort hinaus?

ANDRE:
Wir gehn hinaus aufs J‰gerhaus.

DIE ERSTEN:
Wir aber wollen nach der M¸hle wandern.

EIN HANDWERKSBURSCH:
Ich rat euch, nach dem Wasserhof zu gehn.

ZWEITER:
Der Weg dahin ist gar nicht schˆn.

DIE ZWEITEN:
Was tust denn du?

EIN DRITTER:
Ich gehe mit den andern.

VIERTER:
Nach Burgdorf kommt herauf, gewifl dort findet ihr Die schˆnsten M‰dchen und das beste Bier, Und H‰ndel von der ersten Sorte.

F‹NFTER:
Du ¸berlustiger Gesell,
Juckt dich zum drittenmal das Fell? Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.

DIENSTMƒDCHEN:
Nein, nein! ich gehe nach der Stadt zur¸ck.

ANDRE:
Wir finden ihn gewifl bei jenen Pappeln stehen.

ERSTE:
Das ist f¸r mich kein grofles Gl¸ck; Er wird an deiner Seite gehen,
Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.
Was gehn mich deine Freuden an!

ANDRE:
Heut ist er sicher nicht allein,
Der Krauskopf, sagt er, w¸rde bei ihm sein.

SCH‹LER:
Blitz, wie die wackern Dirnen schreiten! Herr Bruder, komm! wir m¸ssen sie begleiten. Ein starkes Bier, ein beizender Toback,
Und eine Magd im Putz, das ist nun mein Geschmack.

B‹RGERMƒDCHEN:
Da sieh mir nur die schˆnen Knaben! Es ist wahrhaftig eine Schmach:
Gesellschaft kˆnnten sie die allerbeste haben, Und laufen diesen M‰gden nach!
ZWEITER SCH‹LER (zum ersten):
Nicht so geschwind! dort hinten kommen zwei, Sie sind gar niedlich angezogen,
‘s ist meine Nachbarin dabei;
Ich bin dem M‰dchen sehr gewogen. Sie gehen ihren stillen Schritt
Und nehmen uns doch auch am Ende mit.

ERSTER:
Herr Bruder, nein! Ich bin nicht gern geniert. Geschwind! dafl wir das Wildbret nicht verlieren. Die Hand, die samstags ihren Besen f¸hrt Wird sonntags dich am besten karessieren.

B‹RGER:
Nein, er gef‰llt mir nicht, der neue Burgemeister! Nun, da er’s ist, wird er nur t‰glich dreister. Und f¸r die Stadt was tut denn er?
Wird es nicht alle Tage schlimmer?
Gehorchen soll man mehr als immer,
Und zahlen mehr als je vorher.

BETTLER (singt):
Ihr guten Herrn, ihr schˆnen Frauen, So wohlgeputzt und backenrot,
Belieb es euch, mich anzuschauen,
Und seht und mildert meine Not!
Laflt hier mich nicht vergebens leiern! Nur der ist froh, der geben mag.
Ein Tag, den alle Menschen feiern,
Er sei f¸r mich ein Erntetag.

ANDRER B‹RGER:
Nichts Bessers weifl ich mir an Sonn- und Feiertagen Als ein Gespr‰ch von Krieg und Kriegsgeschrei, Wenn hinten, weit, in der T¸rkei,
Die Vˆlker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gl‰schen aus Und sieht den Flufl hinab die bunten Schiffe gleiten; Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

DRITTER B‹RGER:
Herr Nachbar, ja! so lafl ich’s auch geschehn: Sie mˆgen sich die Kˆpfe spalten,
Mag alles durcheinander gehn;
Doch nur zu Hause bleib’s beim alten. ALTE (zu den B¸rgerm‰dchen):
Ei! wie geputzt! das schˆne junge Blut! Wer soll sich nicht in euch vergaffen?-
Nur nicht so stolz! es ist schon gut! Und was ihr w¸nscht, das w¸flt ich wohl zu schaffen.

B‹RGERMƒDCHEN:
Agathe, fort! ich nehme mich in acht, Mit solchen Hexen ˆffentlich zu gehen;
Sie liefl mich zwar in Sankt Andreas’ Nacht Den k¸nft’gen Liebsten leiblich sehen-
DIE ANDRE:
Mir zeigte sie ihn im Kristall,
Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen; Ich seh mich um, ich such ihn ¸berall,
Allein mir will er nicht begegnen.

SOLDATEN:
Burgen mit hohen
Mauern und Zinnen,
M‰dchen mit stolzen
Hˆhnenden Sinnen
Mˆcht ich gewinnen!
K¸hn ist das M¸hen,
Herrlich der Lohn!

Und die Trompete
Lassen wir werben,
Wie zu der Freude,
So zum Verderben.
Das ist ein St¸rmen!
Das ist ein Leben!
M‰dchen und Burgen
M¸ssen sich geben.
K¸hn ist das M¸hen,
Herrlich der Lohn!
Und die Soldaten
Ziehen davon.

Faust und Wagner.

FAUST:
Vom Eise befreit sind Strom und B‰che Durch des Fr¸hlings holden, belebenden Blick; Im Tale gr¸net Hoffnungsgl¸ck;
Der alte Winter, in seiner Schw‰che, Zog sich in rauhe Berge zur¸ck.
Von dorther sendet er, fliehend, nur Ohnm‰chtige Schauer kornigen Eises
In Streifen ¸ber die gr¸nende Flur; Aber die Sonne duldet kein Weifles,
‹berall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier
Sie nimmt geputzte Menschen daf¸r. Kehre dich um, von diesen Hˆhen
Nach der Stadt zur¸ckzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn, Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger H‰user dumpfen Gem‰chern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und D‰chern, Aus der Straflen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrw¸rdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge Durch die G‰rten und Felder zerschl‰gt, Wie der Flufl, in Breit und L‰nge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken ¸berladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an.
Ich hˆre schon des Dorfs Get¸mmel, Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet grofl und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

WAGNER:
Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren Ist ehrenvoll und ist Gewinn;
Doch w¸rd ich nicht allein mich her verlieren, Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.
Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben Ist mir ein gar verhaflter Klang;
Sie toben wie vom bˆsen Geist getrieben Und nennen’s Freude. nennen’s Gesang.

Bauern unter der Linde. Tanz und Gesang.

Der Sch‰fer putzte sich zum Tanz,
Mit bunter Jacke, Band und Kranz,
Schmuck war er angezogen.
Schon um die Linde war es voll,
Und alles tanzte schon wie toll.
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
So ging der Fiedelbogen.

Er dr¸ckte hastig sich heran,
Da stiefl er an ein M‰dchen an
Mit seinem Ellenbogen;
Die frische Dirne kehrt, sich um
Und sagte: Nun, das find ich dumm!
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Seid nicht so ungezogen!

Doch hurtig in dem Kreise ging’s,
Sie tanzten rechts, sie tanzten links, Und alle Rˆcke flogen.
Sie wurden rot, sie wurden warm
Und ruhten atmend Arm in Arm,
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Und H¸ft an Ellenbogen.

Und tu mir doch nicht so vertraut!
Wie mancher hat nicht seine Braut
Belogen und betrogen!
Er schmeichelte sie doch bei Seit,
Und von der Linde scholl es weit:
Juchhe! Juchhe!
Juchheisa! Heisa! He!
Geschrei und Fiedelbogen.

ALTER BAUER:
Herr Doktor, das ist schˆn von Euch, Dafl Ihr uns heute nicht verschm‰ht,
Und unter dieses Volksgedr‰ng,
Als ein so Hochgelahrter, geht.
So nehmet auch den schˆnsten Krug, Den wir mit frischem Trunk gef¸llt,
Ich bring ihn zu und w¸nsche laut, Dafl er nicht nur den Durst Euch stillt: Die Zahl der Tropfen, die er hegt,
Sei Euren Tagen zugelegt.

FAUST:
Ich nehme den Erquickungstrank
Enwidr’ euch allen Heil und Dank.
(Das Volk sammelt sich im Kreis umher.)

ALTER BAUER:
F¸rwahr, es ist sehr wohl getan,
Dafl Ihr am frohen Tag erscheint;
Habt Ihr es vormals doch mit uns
An bˆsen Tagen gut gemeint!
Gar mancher steht lebendig hier
Den Euer Vater noch zuletzt
Der heiflen Fieberwut entrifl,
Als er der Seuche Ziel gesetzt.
Auch damals Ihr, ein junger Mann,
Ihr gingt in jedes Krankenhaus,
Gar manche Leiche trug man fort,
Ihr aber kamt gesund heraus,
Bestandet manche harte Proben;
Dem Helfer half der Helfer droben.

ALLE:
Gesundheit dem bew‰hrten Mann,
Dafl er noch lange helfen kann!

FAUST:
Vor jenem droben steht geb¸ckt,
Der helfen lehrt und H¸lfe schickt. (Er geht mit Wagnern weiter.)

WAGNER:
Welch ein Gef¸hl muflt du, o grofler Mann, Bei der Verehrung dieser Menge haben!
O gl¸cklich, wer von seinen Gaben
Solch einen Vorteil ziehen kann!
Der Vater zeigt dich seinem Knaben, Ein jeder fragt und dr‰ngt und eilt,
Die Fiedel stockt, der T‰nzer weilt. Du gehst, in Reihen stehen sie,
Die M¸tzen fliegen in die Hˆh;
Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie, Als k‰m das Venerabile.

FAUST:
Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, Hier wollen wir von unsrer Wandrung rasten. Hier safl ich oft gedankenvoll allein
Und qu‰lte mich mit Beten und mit Fasten. An Hoffnung reich, im Glauben fest,
Mit Tr‰nen, Seufzen, H‰nderingen Dacht ich das Ende jener Pest
Vom Herrn des Himmels zu erzwingen. Der Menge Beifall tˆnt mir nun wie Hohn. O kˆnntest du in meinem Innern lesen,
Wie wenig Vater und Sohn
Solch eines Ruhmes wert gewesen!
Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, Der ¸ber die Natur und ihre heil’gen Kreise In Redlichkeit, jedoch auf seine Weise,
Mit grillenhafter M¸he sann;
Der, in Gesellschaft von Adepten,
Sich in die schwarze K¸che schlofl, Und, nach unendlichen Rezepten,
Das Widrige zusammengofl.
Da ward ein roter Leu, ein k¸hner Freier, Im lauen Bad der Lilie verm‰hlt,
Und beide dann mit offnem Flammenfeuer Aus einem Brautgemach ins andere gequ‰lt. Erschien darauf mit bunten Farben
Die junge Kˆnigin im Glas,
Hier war die Arzenei, die Patienten starben, Und niemand fragte: wer genas?
So haben wir mit hˆllischen Latwergen In diesen T‰lern, diesen Bergen
Weit schlimmer als die Pest getobt. Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben: Sie welkten hin, ich mufl erleben,
Dafl man die frechen Mˆrder lobt.

WAGNER:
Wie kˆnnt Ihr Euch darum betr¸ben! Tut nicht ein braver Mann genug,
Die Kunst, die man ihm ¸bertrug,
Gewissenhaft und p¸nktlich auszu¸ben? Wenn du als J¸ngling deinen Vater ehrst, So wirst du gern von ihm empfangen;
Wenn du als Mann die Wissenschaft vermehrst, So kann dein Sohn zu hˆhrem Ziel gelangen.

FAUST:
O gl¸cklich, wer noch hoffen kann, Aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen! Was man nicht weifl, das eben brauchte man, Und was man weifl, kann man nicht brauchen. Doch lafl uns dieser Stunde schˆnes Gut Durch solchen Tr¸bsinn nicht verk¸mmern! Betrachte, wie in Abendsonne-Glut
Die gr¸numgebnen H¸tten schimmern. Sie r¸ckt und weicht, der Tag ist ¸berlebt, Dort eilt sie hin und fˆrdert neues Leben. O dafl kein Fl¸gel mich vom Boden hebt Ihr nach und immer nach zu streben!
Ich s‰h im ewigen Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen F¸flen, Entz¸ndet alle Hˆhn beruhigt jedes Tal, Den Silberbach in goldne Strˆme flieflen. Nicht hemmte dann den gˆttergleichen Lauf Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten; Schon tut das Meer sich mit erw‰rmten Buchten Vor den erstaunten Augen auf.
Doch scheint die Gˆttin endlich wegzusinken; Allein der neue Trieb erwacht,
Ich eile fort, ihr ew’ges Licht zu trinken, Vor mir den Tag und hinter mir die Nacht, Den Himmel ¸ber mir und unter mir die Wellen. Ein schˆner Traum, indessen sie entweicht. Ach! zu des Geistes Fl¸geln wird so leicht Kein kˆrperlicher Fl¸gel sich gesellen. Doch ist es jedem eingeboren
Dafl sein Gef¸hl hinauf und vorw‰rts dringt, Wenn ¸ber uns, im blauen Raum verloren, Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;
Wenn ¸ber schroffen Fichtenhˆhen
Der Adler ausgebreitet schwebt,
Und ¸ber Fl‰chen, ¸ber Seen
Der Kranich nach der Heimat strebt.

WAGNER:
Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden, Doch solchen Trieb hab ich noch nie empfunden. Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt; Des Vogels Fittich werd ich nie beneiden. Wie anders tragen uns die Geistesfreuden Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!
Da werden Wintern‰chte hold und schˆn Ein selig Leben w‰rmet alle Glieder,
Und ach! entrollst du gar ein w¸rdig Pergamen, So steigt der ganze Himmel zu dir nieder.

FAUST:
Du bist dir nur des einen Triebs bewuflt, O lerne nie den andern kennen!
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, Die eine will sich von der andern trennen; Die eine h‰lt, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen; Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
O gibt es Geister in der Luft,
Die zwischen Erd und Himmel herrschend weben So steiget nieder aus dem goldnen Duft
Und f¸hrt mich weg zu neuem, buntem Leben! Ja, w‰re nur ein Zaubermantel mein,
Und tr¸g er mich in fremde L‰nder! Mir sollt er um die kˆstlichsten Gew‰nder, Nicht feil um einen Kˆnigsmantel sein.

WAGNER:
Berufe nicht die wohlbekannte Schar, Die strˆmend sich im Dunstkreis ¸berbreitet, Dem Menschen tausendf‰ltige Gefahr,
Von allen Enden her, bereitet.
Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen; Von Morgen ziehn, vertrocknend, sie heran, Und n‰hren sich von deinen Lungen;
Wenn sie der Mittag aus der W¸ste schickt, Die Glut auf Glut um deinen Scheitel h‰ufen So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt, Um dich und Feld und Aue zu ers‰ufen.
Sie hˆren gern, zum Schaden froh gewandt, Gehorchen gern, weil sie uns gern betr¸gen; Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt, Und lispeln englisch, wenn sie l¸gen.
Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt, Die Luft gek¸hlt, der Nebel f‰llt!
Am Abend sch‰tzt man erst das Haus.- Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus? Was kann dich in der D‰mmrung so ergreifen?

FAUST:
Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?

WAGNER:
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.

FAUST:
Betracht ihn recht! f¸r was h‰ltst du das Tier?

WAGNER:
F¸r einen Pudel, der auf seine Weise Sich auf der Spur des Herren plagt.

FAUST:
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise Er um uns her und immer n‰her jagt?
Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel Auf seinen Pfaden hinterdrein.

WAGNER:
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel; Es mag bei Euch wohl Augent‰uschung sein.

FAUST:
Mir scheint es, dafl er magisch leise Schlingen Zu k¸nft’gem Band um unsre F¸fle zieht.

WAGNER:
Ich seh ihn ungewifl und furchtsam uns umspringen, Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.

FAUST:
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!

WAGNER:
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da. Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch, Er wedelt. Alles Hundebrauch.

FAUST:
Geselle dich zu uns! Komm hier!

WAGNER:
Es ist ein pudeln‰rrisch Tier.
Du stehest still, er wartet auf;
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf; Verliere was, er wird es bringen,
Nach deinem Stock ins Wasser springen.

FAUST:
Du hast wohl recht; ich finde nicht die Spur Von einem Geist, und alles ist Dressur.

WAGNER:
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
Wird selbst ein weiser Mann gewogen. Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar, Er, der Studenten trefflicher Skolar.
(Sie gehen in das Stadttor.)

Studierzimmer

Faust mit dem Pudel hereintretend.

FAUST:
Verlassen hab ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
Mit ahnungsvollem, heil’gem Grauen
In uns die beflre Seele weckt.
Entschlafen sind nun wilde Triebe
Mit jedem ungest¸men Tun;
Es reget sich die Menschenliebe,
Die Liebe Gottes regt sich nun. Sei ruhig, Pudel! renne nicht hin und wider!
An der Schwelle was schnoperst du hier? Lege dich hinter den Ofen nieder,
Mein bestes Kissen geb ich dir.
Wie du drauflen auf dem bergigen Wege Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast, So nimm nun auch von mir die Pflege,
Als ein willkommner stiller Gast. Ach wenn in unsrer engen Zelle Die Lampe freundlich wieder brennt,
Dann wird’s in unserm Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft f‰ngt wieder an zu sprechen, Und Hoffnung wieder an zu bl¸hn,
Man sehnt sich nach des Lebens B‰chen, Ach! nach des Lebens Quelle hin. Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen Tˆnen,
Die jetzt meine ganze Seel umfassen, Will der tierische Laut nicht passen.
Wir sind gewohnt, dafl die Menschen verhˆhnen, Was sie nicht verstehn,
Dafl sie vor dem Guten und Schˆnen, Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;
Will es der Hund, wie sie, beknurren?

Aber ach! schon f¸hl ich, bei dem besten Willen, Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen. Aber warum mufl der Strom so bald versiegen, Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab ich so viel Erfahrung.
Doch dieser Mangel l‰flt sich ersetzen, Wir lernen das ‹berirdische sch‰tzen, Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends w¸rd’ger und schˆner brennt Als in dem Neuen Testament.
Mich dr‰ngt’s, den Grundtext aufzuschlagen, Mit redlichem Gef¸hl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu ¸bertragen, (Er schl‰gt ein Volum auf und schickt sich an.)

Geschrieben steht: “Im Anfang war das Wort!” Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort? Ich kann das Wort so hoch unmˆglich sch‰tzen, Ich mufl es anders ¸bersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin. Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn. Bedenke wohl die erste Zeile,
Dafl deine Feder sich nicht ¸bereile! Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft? Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft! Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, Schon warnt mich was, dafl ich dabei nicht bleibe. Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!

Soll ich mit dir das Zimmer teilen,
Pudel, so lafl das Heulen,
So lafl das Bellen!
Solch einen stˆrenden Gesellen
Mag ich nicht in der N‰he leiden. Einer von uns beiden
Mufl die Zelle meiden.
Ungern heb ich das Gastrecht auf,
Die T¸r ist offen, hast freien Lauf. Aber was mufl ich sehen!
Kann das nat¸rlich geschehen?
Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit? Wie wird mein Pudel lang und breit!
Er hebt sich mit Gewalt,
Das ist nicht eines Hundes Gestalt! Welch ein Gespenst bracht ich ins Haus!
Schon sieht er wie ein Nilpferd aus, Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebifl. Oh! du bist mir gewifl!
F¸r solche halbe Hˆllenbrut
Ist Salomonis Schl¸ssel gut.
GEISTER (auf dem Gange):
Drinnen gefangen ist einer!
Bleibet hauflen, folg ihm keiner!
Wie im Eisen der Fuchs,
Zagt ein alter Hˆllenluchs.
Aber gebt acht!
Schwebet hin, schwebet wider,
Auf und nieder,
Und er hat sich losgemacht.
Kˆnnt ihr ihm n¸tzen,
Laflt ihn nicht sitzen!
Denn er tat uns allen
Schon viel zu Gefallen.

FAUST:
Erst zu begegnen dem Tiere,
Brauch ich den Spruch der Viere: Salamander soll gl¸hen, Undene sich winden,
Sylphe verschwinden,
Kobold sich m¸hen. Wer sie nicht kennte Die Elemente,
Ihre Kraft
Und Eigenschaft,
W‰re kein Meister
‹ber die Geister. Verschwind in Flammen, Salamander!
Rauschend fliefle zusammen,
Undene!
Leucht in Meteoren-Schˆne,
Sylphe!
Bring h‰usliche H¸lfe,
Incubus! Incubus!
Tritt hervor und mache den Schlufl! Keines der Viere Steckt in dem Tiere.
Es liegt ganz ruhig und grinst mich an; Ich hab ihm noch nicht weh getan.
Du sollst mich hˆren
St‰rker beschwˆren. Bist du, Geselle Ein Fl¸chtling der Hˆlle?
So sieh dies Zeichen
Dem sie sich beugen,
Die schwarzen Scharen! Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren. Verworfnes Wesen!
Kannst du ihn lesen?
Den nie Entsproflnen,
Unausgesprochnen,
Durch alle Himmel Gegoflnen,
Freventlich Durchstochnen? Hinter den Ofen gebannt, Schwillt es wie ein Elefant
Den ganzen Raum f¸llt es an,
Es will zum Nebel zerflieflen.
Steige nicht zur Decke hinan!
Lege dich zu des Meisters F¸flen! Du siehst, dafl ich nicht vergebens drohe. Ich versenge dich mit heiliger Lohe!
Erwarte nicht
Das dreimal gl¸hende Licht!
Erwarte nicht
Die st‰rkste von meinen K¸nsten! (Mephistopheles tritt, indem der Nebel f‰llt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.)

MEPHISTOPHELES:
Wozu der L‰rm? was steht dem Herrn zu Diensten?

FAUST:
Das also war des Pudels Kern!
Ein fahrender Skolast? Der Kasus macht mich lachen.

MEPHISTOPHELES:
Ich salutiere den gelehrten Herrn!
Ihr habt mich weidlich schwitzen machen.

FAUST:
Wie nennst du dich?

MEPHISTOPHELES:
Die Frage scheint mir klein F¸r einen, der das Wort so sehr verachtet, Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Wesen Tiefe trachtet.

FAUST:
Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen Gewˆhnlich aus dem Namen lesen,
Wo es sich allzu deutlich weist,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, L¸gner heiflt. Nun gut, wer bist du denn?

MEPHISTOPHELES:
Ein Teil von jener Kraft, Die stets das Bˆse will und stets das Gute schafft.

FAUST:
Was ist mit diesem R‰tselwort gemeint?

MEPHISTOPHELES:
Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, dafl es zugrunde geht;
Drum besser w‰r’s, dafl nichts entst¸nde. So ist denn alles, was ihr S¸nde,
Zerstˆrung, kurz, das Bˆse nennt, Mein eigentliches Element.

FAUST:
Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?

MEPHISTOPHELES:
Bescheidne Wahrheit sprech ich dir. Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt Gewˆhnlich f¸r ein Ganzes h‰lt-
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, so viel es strebt, Verhaftet an den Kˆrpern klebt.
Von Kˆrpern strˆmt’s, die Kˆrper macht es schˆn, Ein Kˆrper hemmt’s auf seinem Gange;
So, hoff ich, dauert es nicht lange, Und mit den Kˆrpern wird’s zugrunde gehn.

FAUST:
Nun kenn ich deine w¸rd’gen Pflichten! Du kannst im Groflen nichts vernichten
Und f‰ngst es nun im Kleinen an.

MEPHISTOPHELES:
Und freilich ist nicht viel damit getan. Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt
So viel als ich schon unternommen
Ich wuflte nicht ihr beizukommen
Mit Wellen, St¸rmen, Sch¸tteln, Brand- Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut, Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
Wie viele hab ich schon begraben!
Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut. So geht es fort, man mˆchte rasend werden! Der Luft, dem Wasser wie der Erden
Entwinden tausend Keime sich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten! H‰tt ich mir nicht die Flamme vorbehalten, Ich h‰tte nichts Aparts f¸r mich.

FAUST:
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens t¸ckisch ballt! Was anders suche zu beginnen
Des Chaos wunderlicher Sohn!

MEPHISTOPHELES:
Wir wollen wirklich uns besinnen,
Die n‰chsten Male mehr davon!
D¸rft ich wohl diesmal mich entfernen?

FAUST:
Ich sehe nicht, warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennen lernen
Besuche nun mich, wie du magst.
Hier ist das Fenster, hier die T¸re, Ein Rauchfang ist dir auch gewifl.

MEPHISTOPHELES:
Gesteh ich’s nur! dafl ich hinausspaziere, Verbietet mir ein kleines Hindernis,
Der Drudenfufl auf Eurer Schwelle-

FAUST:
Das Pentagramma macht dir Pein?
Ei sage mir, du Sohn der Hˆlle,
Wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein? Wie ward ein solcher Geist betrogen?

MEPHISTOPHELES:
Beschaut es recht! es ist nicht gut gezogen: Der eine Winkel, der nach auflen zu,
Ist, wie du siehst, ein wenig offen.

FAUST:
Das hat der Zufall gut getroffen!
Und mein Gefangner w‰rst denn du? Das ist von ungef‰hr gelungen!

MEPHISTOPHELES:
Der Pudel merkte nichts, als er hereingesprungen, Die Sache sieht jetzt anders aus:
Der Teufel kann nicht aus dem Haus.

FAUST:
Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?

MEPHISTOPHELES:
‘s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: Wo sie hereingeschl¸pft, da m¸ssen sie hinaus. Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte.

FAUST:
Die Hˆlle selbst hat ihre Rechte?
Das find ich gut, da liefle sich ein Pakt, Und sicher wohl, mit euch, ihr Herren, schlieflen?

MEPHISTOPHELES:
Was man verspricht, das sollst du rein genieflen, Dir wird davon nichts abgezwackt.
Doch das ist nicht so kurz zu fassen, Und wir besprechen das zun‰chst
Doch jetzo bitt ich, hoch und hˆchst, F¸r dieses Mal mich zu entlassen.

FAUST:
So bleibe doch noch einen Augenblick, Um mir erst gute M‰r zu sagen.

MEPHISTOPHELES:
Jetzt lafl mich los! ich komme bald zur¸ck; Dann magst du nach Belieben fragen.

FAUST:
Ich habe dir nicht nachgestellt,
Bist du doch selbst ins Garn gegangen. Den Teufel halte, wer ihn h‰lt!
Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen.

MEPHISTOPHELES:
Wenn dir’s beliebt, so bin ich auch bereit, Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;
Doch mit Bedingnis, dir die Zeit
Durch meine K¸nste w¸rdig zu vertreiben.

FAUST:
Ich seh es gern, das steht dir frei; Nur dafl die Kunst gef‰llig sei!

MEPHISTOPHELES:
Du wirst, mein Freund, f¸r deine Sinnen In dieser Stunde mehr gewinnen
Als in des Jahres Einerlei.
Was dir die zarten Geister singen,
Die schˆnen Bilder, die sie bringen, Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
Auch dein Geruch wird sich ergetzen, Dann wirst du deinen Gaumen letzen,
Und dann entz¸ckt sich dein Gef¸hl. Bereitung braucht es nicht voran,
Beisammen sind wir, fanget an!

GEISTER:
Schwindet, ihr dunkeln
Wˆlbungen droben!
Reizender schaue
Freundlich der blaue
ƒther herein!
W‰ren die dunkeln
Wolken zerronnen!
Sternelein funkeln,
Mildere Sonnen
Scheinen darein.
Himmlischer Sˆhne
Geistige Schˆne,
Schwankende Beugung
Schwebet vor¸ber.
Sehnende Neigung
Folget hin¸ber;
Und der Gew‰nder
Flatternde B‰nder
Decken die L‰nder,
Decken die Laube,
Wo sich f¸rs Leben,
Tief in Gedanken,
Liebende geben.
Laube bei Laube!
Sprossende Ranken!
Lastende Traube
St¸rzt ins Beh‰lter
Dr‰ngender Kelter,
St¸rzen in B‰chen
Sch‰umende Weine,
Rieseln durch reine,
Edle Gesteine,
Lassen die Hˆhen
Hinter sich liegen,
Breiten zu Seen
Sich ums Gen¸ge
Gr¸nender H¸gel.
Und das Gefl¸gel
Schl¸rfet sich Wonne,
Flieget der Sonne,
Flieget den hellen
Inseln entgegen,
Die sich auf Wellen
Gauklend bewegen;
Wo wir in Chˆren
Jauchzende hˆren,
‹ber den Auen
Tanzende schauen,
Die sich im Freien
Alle zerstreuen.
Einige klimmen
‹ber die Hˆhen,
Andere schwimmen
‹ber die Seen,
Andere schweben;
Alle zum Leben,
Alle zur Ferne
Liebender Sterne,
Seliger Huld.

MEPHISTOPHELES:
Er schl‰ft! So recht, ihr luft’gen zarten Jungen! Ihr habt ihn treulich eingesungen!
F¸r dies Konzert bin ich in eurer Schuld. Du bist noch nicht der Mann, den Teufel festzuhalten! Umgaukelt ihn mit s¸flen Traumgestalten, Versenkt ihn in ein Meer des Wahns;
Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten, Bedarf ich eines Rattenzahns.
Nicht lange brauch ich zu beschwˆren, Schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hˆren.

Der Herr der Ratten und der M‰use,
Der Fliegen, Frˆsche, Wanzen, L‰use Befiehlt dir, dich hervor zu wagen
Und diese Schwelle zu benagen,
So wie er sie mit ÷l betupft-
Da kommst du schon hervorgehupft!
Nur frisch ans Werk! Die Spitze, die mich bannte, Sie sitzt ganz vornen an der Kante.
Noch einen Bifl, so ist’s geschehn.- Nun, Fauste, tr‰ume fort, bis wir uns wiedersehn.

FAUST (erwachend):
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang Dafl mir ein Traum den Teufel vorgelogen, Und dafl ein Pudel mir entsprang?

Studierzimmer

Faust. Mephistopheles.

FAUST:
Es klopft? Herein! Wer will mich wieder plagen?

MEPHISTOPHELES:
Ich bin’s.

FAUST:
Herein!

MEPHISTOPHELES:
Du muflt es dreimal sagen.

FAUST:
Herein denn!

MEPHISTOPHELES:
So gef‰llst du mir. Wir werden, hoff ich, uns vertragen; Denn dir die Grillen zu verjagen,
Bin ich als edler Junker hier,
In rotem, goldverbr‰mtem Kleide,
Das M‰ntelchen von starrer Seide, Die Hahnenfeder auf dem Hut,
Mit einem langen, spitzen Degen,
Und rate nun dir, kurz und gut,
Dergleichen gleichfalls anzulegen;
Damit du, losgebunden, frei,
Erfahrest, was das Leben sei.

FAUST:
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein Des engen Erdelebens f¸hlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gew‰hren? Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf, Ich mˆchte bittre Tr‰nen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf Nicht einen Wunsch erf¸llen wird, nicht einen, Der selbst die Ahnung jeder Lust
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schˆpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch mufl ich, wenn die Nacht sich niedersenkt, Mich ‰ngstlich auf das Lager strecken; Auch da wird keine Rast geschenkt,