festhielt, Pompeius gezwungen, den Krieg zu erklaeren, und ihn zu erklaeren nicht als Vertreter der legitimen Gewalt, sondern als Feldherr einer offenbar revolutionaeren und die Mehrheit terrorisierenden Senatsminoritaet. Es war dieser Erfolg nicht gering anzuschlagen, wenngleich der Instinkt der Massen sich keinen Augenblick darueber taeuschen konnte und taeuschte, dass es in diesem Krieg sich um andere Dinge handelte als um formale Rechtsfragen. Nun, wo der Krieg erklaert war, lag es in Caesars Interesse, baldmoeglichst zum Schlagen zu kommen. Die Ruestungen der Gegner waren erst im Beginnen und selbst die Hauptstadt unbesetzt. In zehn bis zwoelf Tagen konnte daselbst eine den in Oberitalien stehenden Truppen Caesars dreifach ueberlegene Armee beisammen sein; aber noch war es nicht unmoeglich, Rom unverteidigt zu ueberrumpeln, ja vielleicht durch einen raschen Winterfeldzug ganz Italien einzunehmen und den Gegnern ihre besten Hilfsquellen zu verschliessen, bevor sie noch dieselben nutzbar zu machen vermochten. Der kluge und energische Curio, der nach Niederlegung seines Tribunats (9. Dezember 704 50) sofort zu Caesar nach Ravenna gegangen war, stellte seinem Meister die Lage der Dinge lebhaft vor, und es bedurfte dessen schwerlich, um Caesar zu ueberzeugen, dass jetzt laengeres Zaudern nur schaden koenne. Allein da er, um nicht den Gegnern Veranlassung zu Beschwerden zu geben, nach Ravenna selbst bisher keine Truppen gezogen hatte, konnte er fuer jetzt nichts tun, als seinen saemtlichen Korps den Befehl zum schleunigsten Aufbruch zufertigen und musste warten, bis wenigstens die eine in Oberitalien stehende Legion in Ravenna eintraf. Inzwischen sandte er ein Ultimatum nach Rom, das, wenn zu nichts anderem, doch dazu nuetzlich war, dass es durch Nachgiebigkeit bis aufs aeusserste seine Gegner noch weiter in der oeffentlichen Meinung kompromittierte und vielleicht sogar, indem er selber zu zaudern schien, sie bestimmte, die Ruestungen gegen ihn laessiger zu betreiben. In diesem Ultimatum liess Caesar alle frueheren an Pompeius gestellten Gegenforderungen fallen und erbot sich seinerseits, bis zu der von dem Senate festgesetzten Frist sowohl die Statthalterschaft des Jenseitigen Galliens niederzulegen als auch von den zehn ihm eigenen Legionen acht aufzuloesen; er erklaerte sich befriedigt, wenn der Senat ihm entweder die Statthalterschaft des Diesseitigen Galliens und Illyriens mit einer oder auch die des Diesseitigen Galliens allein mit zwei Legionen, nicht etwa bis zur Uebernahme des Konsulats, sondern bis nach Beendigung der Konsulwahlen fuer 706 (48) belasse. Er ging also auf diejenigen Vergleichsvorschlaege ein, mit denen zu Anfang der Verhandlungen die Senatspartei, ja Pompeius selbst erklaert hatten, sich befriedigen zu wollen, und zeigte sich bereit, von der Wahl zum Konsulat bis zum Antritt desselben im Privatstand zu verharren. Ob es Caesar mit diesen erstaunlichen Zugestaendnissen Ernst war und er sein Spiel gegen Pompeius selbst bei solchem Vorgeben durchfuehren zu koennen sich getraute oder ob er darauf rechnete, dass man auf der andern Seite bereits zu weit gegangen sei, um in diesen Vergleichsvorschlaegen mehr zu finden als den Beweis dafuer, dass Caesar seine Sache selbst als verloren betrachte, laesst sich nicht mehr mit Sicherheit entscheiden. Die Wahrscheinlichkeit ist dafuer, dass Caesar weit eher den Fehler allzukecken Spielens als den schlimmeren beging, etwas zu versprechen, was er nicht zu halten gesonnen war, und dass, wenn wunderbarerweise seine Vorschlaege angenommen worden waeren, er sein Wort gutgemacht haben wuerde. Curio uebernahm es, seinen Herrn noch einmal in der Hoehle des Loewen zu vertreten. In drei Tagen durchflog er die Strasse von Ravenna nach Rom; als die neuen Konsuln Lucius Lentulus und Gaius Marcellus der juengere ^3 zum erstenmal am 1. Januar 705 (49) den Senat versammelten, uebergab er in voller Sitzung das von dem Feldherrn an den Senat gerichtete Schreiben. Die Volkstribune Marcus Antonius, in der Skandalchronik der Stadt bekannt als Curios vertrauter Freund und aller seiner Torheiten Genosse, aber zugleich auch aus den aegyptischen und gallischen Feldzuegen als glaenzender Reiteroffizier, und Quintus Cassius, Pompeius’ ehemaliger Quaestor, welche beide jetzt an Curios Stelle Caesars Sache in Rom fuehrten, erzwangen die sofortige Verlesung der Depesche. Die ernsten und klaren Warte, in denen Caesar den drohenden Buergerkrieg, den allgemeinen Wunsch nach Frieden, Pompeius’ Uebermut, seine eigene Nachgiebigkeit mit der ganzen unwiderstehlichen Macht der Wahrheit darlegte, die Vergleichsvorschlaege von einer ohne Zweifel seine eigenen Anhaenger ueberraschenden Maessigung, die bestimmte Erklaerung, dass hiermit die Hand zum Frieden zum letztenmal geboten sei, machten den tiefsten Eindruck. Trotz der Furcht vor den zahlreich in die Hauptstadt gestroemten Soldaten des Pompeius war die Gesinnung der Majoritaet nicht zweifelhaft; man durfte nicht wagen, sie sich aussprechen zu lassen. Ueber den von Caesar erneuerten Vorschlag, dass beiden Statthaltern zugleich die Niederlegung ihres Kommandos aufgegeben werden moege, ueber alle durch sein Schreiben nahegelegten Vergleichsvorschlaege und ueber den von Marcus Caelius Rufus und Marcus Calidius gestellten Antrag, Pompeius zur sofortigen Abreise nach Spanien zu veranlassen, weigerten sich die Konsuln, wie sie als Vorsitzende es durften, die Abstimmung zu eroeffnen. Selbst der Antrag eines der entschiedensten Gesinnungsgenossen, der nur nicht gegen die militaerische Lage der Dinge so blind war wie seine Partei, des Marcus Marcellus: die Beschlussfassung auszusetzen, bis der italische Landsturm unter Waffen stehe und den Senat zu schuetzen vermoege, durfte nicht zur Abstimmung gebracht werden. Pompeius liess durch sein gewoehnliches Organ Quintus Scipio erklaeren, dass er jetzt oder nie die Sache des Senats aufzunehmen entschlossen sei und sie fallen lasse, wenn man noch laenger zaudere. Der Konsul Lentulus sprach es unumwunden aus, dass es gar auf den Beschluss des Senats nicht mehr ankomme, sondern, wenn derselbe bei seiner Servilitaet verharren sollte, er von sich aus handeln und mit seinen maechtigen Freunden das weitere veranlassen werde. So terrorisiert, beschloss die Majoritaet, was ihr befohlen ward: dass Caesar bis zu einem bestimmten, nicht fernen Tage das Jenseitige Gallien an Lucius Domitius Ahenobarbus, das Diesseitige an Marcus Servilius Nonianus abzugeben und das Heer zu entlassen habe, widrigenfalls er als Hochverraeter erachtet werde. Als die Tribune von Caesars Partei gegen diesen Beschluss ihres Interzessionsrechts sich bedienten, wurden sie nicht bloss, wie sie wenigstens behaupteten, in der Kurie selbst von Pompeianischen Soldaten mit den Schwertern bedroht und, um ihr Leben zu retten, in Sklavenkleidern aus der Hauptstadt zu fluechten gezwungen, sondern es behandelte auch der nun hinreichend eingeschuechterte Senat ihr formell durchaus verfassungsmaessiges Einschreiten wie einen Revolutionsversuch, erklaerte das Vaterland in Gefahr und rief in den ueblichen Formen die gesamte Buergerschaft unter die Waffen und an die Spitze der Bewaffneten die saemtlichen verfassungstreuen Beamten (7. Januar 705 49). ———————————————– ^3 Zu unterscheiden von dem gleichnamigen Konsul des Jahres 704 (SO); dieser war ein Vetter, der Konsul des Jahres 705 (49) ein Bruder des Marcus Marcellus, Konsul 703 (51).
———————————————- Nun war es genug. Wie Caesar durch die schutzflehend zu ihm ins Lager fluechtenden Tribune von der Aufnahme in Kenntnis gesetzt ward, welche seine Vorschlaege in der Hauptstadt gefunden hatten, rief er die Soldaten der dreizehnten Legion, die inzwischen aus ihren Kantonierungen bei Tergeste (Triest) in Ravenna eingetroffen war, zusammen und entwickelte vor ihnen den Stand der Dinge. Es war nicht bloss der geniale Herzenskuendiger und Geisterbeherrscher, dessen glaenzende Rede in diesem erschuetternden Wendepunkt seines und des Weltgeschicks hoch emporleuchtete und flammte; nicht bloss der freigebige Heermeister und der sieghafte Feldherr, welcher zu den Soldaten sprach, die von ihm selbst unter die Waffen gerufen und seit acht Jahren mit immer steigender Begeisterung seinen Fahnen gefolgt waren; es sprach vor allem der energische und konsequente Staatsmann, der nun seit neunundzwanzig Jahren die Sache der Freiheit in guter und boeser Zeit vertreten, fuer sie den Dolchen der Moerder und den Henkern der Aristokratie, den Schwertern der Deutschen und den Fluten des unbekannten Ozeans Trotz geboten hatte, ohne je zu weichen und zu wanken, der die Sullanische Verfassung zerrissen, das Regiment des Senats gestuerzt, die wehr- und waffenlose Demokratie in dem Kampfe jenseits der Alpen beschildet und bewehrt hatte; und er sprach nicht zu dem clodianischen Publikum, dessen republikanischer Enthusiasmus laengst zu Asche und Schlacken niedergebrannt war, sondern zu den jungen Mannschaften aus den Staedten und Doerfern Norditaliens, die den maechtigen Gedanken der buergerlichen Freiheit noch frisch und rein empfanden, die noch faehig waren, fuer Ideale zu fechten und zu sterben, die selbst fuer ihre Landschaft das von der Regierung ihnen versagte Buergerrecht in revolutionaerer Weise von Caesar empfangen hatten, die Caesars Sturz den Ruten und Beilen abermals preisgab und die die tatsaechlichen Beweise bereits davon besassen, wie unerbittlichen Gebrauch die Oligarchie davon gegen die Transpadaner zu machen gedachte. Vor solchen Zuhoerern legte ein solcher Redner die Tatsachen dar: den Dank fuer die Eroberung Galliens, den der Adel dem Feldherrn und dem Heer bereitete, die geringschaetzige Beseitigung der Komitien, die Terrorisierung des Senats, die heilige Pflicht, das vor einem halben Jahrtausend von den Vaetern mit den Waffen in der Hand dem Adel abgezwungene Volkstribunat mit gewaffneter Hand zu schirmen, den alten Schwur zu halten, den jene fuer sich wie fuer die Enkel ihrer Enkel geleistet, fuer die Tribune der Gemeinde Mann fuer Mann einzustehen bis in den Tod. Als dann er, der Fuehrer und Feldherr der Popularpartei, die Soldaten des Volkes aufrief, jetzt, nachdem der Gueteversuch erschoepft, die Nachgiebigkeit an den aeussersten Grenzen angelangt war, jetzt ihm zu folgen in den letzten, den unvermeidlichen, den entscheidenden Kampf gegen den ebenso verhassten wie verachteten, ebenso perfiden wie unfaehigen und bis zur Laecherlichkeit unverbesserlichen Adel – da war kein Offizier und kein Soldat, der sich zurueckgehalten haette. Der Aufbruch war befohlen; an der Spitze seines Vortrabs ueberschritt Caesar den schmalen Bach, der seine Provinz von Italien schied und jenseits dessen die Verfassung den Prokonsul von Gallien bannte. Indem er nach neunjaehriger Abwesenheit den Boden des Vaterlandes wieder betrat, betrat er zugleich die Bahn der Revolution. “Die Wuerfel waren geworfen.”
10. Kapitel
Brundisium, Ilerda, Pharsalos und Thapsus Zwischen den beiden bisherigen Gesamtherrschern von Rom sollten also die Waffen entscheiden, wer von ihnen berufen sei, Roms erster Alleinherrscher zu sein. Sehen wir, wie fuer die bevorstehende Kriegfuehrung zwischen Caesar und Pompeius sich das Machtverhaeltnis gestellt hatte. Caesars Macht ruhte zunaechst auf der voellig unumschraenkten Gewalt, deren er innerhalb seiner Partei genoss. Wenn die Ideen der Demokratie und der Monarchie in ihr zusammenflossen, so war dies nicht die Folge einer zufaellig eingegangenen und zufaellig loesbaren Koalition, sondern es war im tiefsten Wesen der Demokratie ohne Repraesentativverfassung begruendet, dass Demokratie wie Monarchie zugleich ihren hoechsten und letzten Ausdruck in Caesar fanden. Politisch wie militaerisch entschied Caesar durchaus in erster und letzter Instanz. In wie hohen Ehren er auch jedes brauchbare Werkzeug hielt, so blieb es doch immer Werkzeug: Caesar stand innerhalb seiner Partei ohne Genossen, nur umgeben von militaerisch-politischen Adjutanten, die in der Regel aus der Armee hervorgegangen und als Soldaten geschult waren, nirgends nach Grund und Zweck zu fragen, sondern unbedingt zu gehorchen. Darum vor allem hat in dem entscheidenden Augenblick, als der Buergerkrieg begann, von allen Soldaten und Offizieren Caesars nur ein einziger ihm den Gehorsam verweigert; und es bestaetigt nur diese Auffassung des Verhaeltnisses Caesars zu seinen Anhaengern, dass dieser eine eben von allen der Erste war. Titus Labienus hatte mit Caesar alle Drangsale der duesteren catilinarischen Zeit wie allen Glanz der gallischen Siegeslaufbahn geteilt, hatte regelmaessig selbstaendig befehligt und haeufig die halbe Armee gefuehrt; er war ohne Frage wie der aelteste, tuechtigste und treueste unter Caesars Adjutanten, so auch der hoechstgestellte und am hoechsten geehrte. Noch im Jahre 704 (50) hatte Caesar ihm den Oberbefehl im Diesseitigen Gallien uebertragen, um teils diesen Vertrauensposten in sichere Hand zu geben, teils zugleich Labienus in seiner Bewerbung um das Konsulat damit zu foerdern. Allein ebenhier trat Labienus mit der Gegenpartei in Verbindung, begab sich beim Beginn der Feindseligkeiten im Jahre 705 (49), statt in Caesars in Pompeius’ Hauptquartier und kaempfte waehrend des ganzen Buergerkrieges mit beispielloser Erbitterung gegen seinen alten Freund und Kriegsherrn. Wir sind weder ueber Labienus’ Charakter noch ueber die einzelnen Umstaende seines Parteiwechsels genuegend unterrichtet; im wesentlichen aber liegt hier sicher nichts vor als ein weiterer Beleg dafuer, dass der Kriegsfuerst weit sicherer auf seine Hauptleute als auf seine Marschaelle zaehlen kann. Allem Anschein nach war Labienus eine jener Persoenlichkeiten, die mit militaerischer Brauchbarkeit vollstaendige staatsmaennische Unfaehigkeit vereinigen und die dann, wenn sie ungluecklicherweise Politik machen wollen oder muessen, jenen tollen Schwindelanfaellen ausgesetzt sind, wovon die Geschichte der Napoleonischen Marschaelle so manches tragikomische Beispiel aufzeigt. Er mochte wohl sich berechtigt halten, als das zweite Haupt der Demokratie neben Caesar zu gelten; und dass er mit diesem Anspruch zurueckgewiesen ward, wird ihn in das Lager der Gegner gefuehrt haben. Es zeigte hier zum ersten Male sich die ganze Schwere des Uebelstandes, dass Caesars Behandlung seiner Offiziere als unselbstaendiger Adjutanten keine zur Uebernahme eines abgesonderten Kommandos geeigneten Maenner in seinem Lager emporkommen liess, waehrend er doch bei der leicht vorherzusehenden Zersplitterung der bevorstehenden Kriegfuehrung durch alle Provinzen des weiten Reiches ebensolcher Maenner dringend bedurfte. Allein dieser Nachteil wurde dennoch weit aufgewogen durch die erste und nur um diesen Preis zu bewahrende Bedingung eines jeden Erfolgs, die Einheit der obersten Leitung.
Die einheitliche Leitung erhielt ihre volle Gewalt durch die Brauchbarkeit der Werkzeuge. Hier kam in erster Linie in Betracht die Armee. Sie zaehlte noch neun Legionen Infanterie oder hoechstens 50000 Mann, welche aber alle vor dem Feinde gestanden und von denen zwei Drittel saemtliche Feldzuege gegen die Kelten mitgemacht hatten. Die Reiterei bestand aus deutschen und norischen Soeldnern, deren Brauchbarkeit und Zuverlaessigkeit in dem Kriege gegen Vercingetorix erprobt worden war. Der achtjaehrige Krieg voll mannigfacher Wechselfaelle gegen die tapfere, wenn auch militaerisch der italischen entschieden nachstehende keltische Nation hatte Caesar die Gelegenheit gegeben, seine Armee zu organisieren, wie nur er zu organisieren verstand. Alle Brauchbarkeit des Soldaten setzt physische Tuechtigkeit voraus: bei Caesars Aushebungen wurde auf Staerke und Gewandtheit der Rekruten mehr als auf Vermoegen und Moralitaet gesehen. Aber die Leistungsfaehigkeit der Armee beruht, wie die einer jeden Maschine, vor allen Dingen auf der Leichtigkeit und Schnelligkeit der Bewegung: in der Bereitschaft zum sofortigen Aufbruch zu jeder Zeit und in der Schnelligkeit des Marschierens erlangten Caesars Soldaten eine selten erreichte und wohl nie uebertroffene Vollkommenheit. Mut galt natuerlich ueber alles: die Kunst, den kriegerischen Wetteifer und den Korpsgeist anzufachen, so dass die Bevorzugung einzelner Soldaten und Abteilungen selbst den Zurueckstehenden als die notwendige Hierarchie der Tapferkeit erschien, uebte Caesar mit unerreichter Meisterschaft. Er gewoehnte den Leuten das Fuerchten ab, indem er, wo es ohne ernste Gefahr geschehen konnte, die Soldaten nicht selten von einem bevorstehenden Kampf nicht in Kenntnis setzte, sondern sie unvermutet auf den Feind treffen liess. Aber der Tapferkeit gleich stand der Gehorsam. Der Soldat wurde angehalten, das Befohlene zu tun, ohne nach Ursache und Absicht zu fragen; manche zwecklose Strapaze wurde einzig als Uebung in der schweren Kunst der blinden Folgsamkeit ihm auferlegt. Die Disziplin war streng, aber nicht peinlich: unnachsichtlich ward sie gehandhabt, wenn der Soldat vor dem Feinde stand; zu anderen Zeiten, vor allem nach dem Siege, wurden die Zuegel nachgelassen, und wenn es dem sonst brauchbaren Soldaten dann beliebte, sich zu parfuemieren oder mit eleganten Waffen und andern Dingen sich zu putzen, ja sogar, wenn er Brutalitaeten oder Unrechtfertigkeiten selbst bedenklicher Art sich zu Schulden kommen liess und nur nicht zunaechst die militaerischen Verhaeltnisse dadurch beruehrt wurden, so ging die Narrenteidung wie das Verbrechen ihm hin und die desfaelligen Klagen der Provinzialen fanden bei dem Feldherrn ein taubes Ohr. Meuterei dagegen ward, nicht bloss den Anstiftern, sondern selbst dem Korps, niemals verziehen. Aber der rechte Soldat soll nicht bloss ueberhaupt tuechtig, tapfer und gehorsam, sondern er soll dies alles willig, ja freiwillig sein; und nur genialen Naturen ist es gegeben, durch Beispiel und durch Hoffnung und vor allem durch das Bewusstsein, zweckmaessig gebraucht zu werden, die beseelte Maschine, die sie regieren, zum freudigen Dienen zu bestimmen. Wenn der Offizier, um von seinen Leuten Tapferkeit zu verlangen, selbst mit ihnen der Gefahr ins Auge gesehen haben muss, so hatte Caesar auch als Feldherr Gelegenheit gehabt, den Degen zu ziehen und dann gleich dem Besten ihn gebraucht; an Taetigkeit aber und Strapazen mutete er stets sich selbst weit mehr zu als seinen Soldaten. Caesar sorgte dafuer, dass an den Sieg, der zunaechst freilich dem Feldherrn Gewinn bringt, doch auch fuer den Soldaten sich persoenliche Hoffnungen knuepften. Dass er es verstand, die Soldaten fuer die Sache der Demokratie zu begeistern, soweit die prosaisch gewordene Zeit noch Begeisterung gestattet, und dass die politische Gleichstellung der transpadanischen Landschaft, der Heimat seiner meisten Soldaten, mit dem eigentlichen Italien als eines der Kampfziele hingestellt ward, wurde schon erwaehnt. Es versteht sich, dass daneben auch materielle Praemien nicht fehlten, sowohl besondere fuer hervorragende Waffentaten, wie allgemeine fuer jeden tuechtigen Soldaten; dass die Offiziere dotiert, die Soldaten beschenkt und fuer den Triumph die verschwenderischsten Gaben in Aussicht gestellt wurden. Aber vor allen Dingen verstand es Caesar als wahrer Heermeister, in jedem einzelnen grossen oder kleinen Triebrad des maechtigen Instruments das Gefuehl zweckmaessiger Verwendung zu erwecken. Der gewoehnliche Mensch ist zum Dienen bestimmt und er straeubt sich nicht, Werkzeug zu sein, wenn er fuehlt, dass ein Meister ihn lenkt. Allgegenwaertig und jederzeit ruhte der Adlerblick des Feldherrn auf dem ganzen Heer, mit unparteiischer Gerechtigkeit belohnend und bestrafend und der Taetigkeit eines jeden die zum Besten aller dienenden Wege weisend, so dass auch mit des Geringsten Schweiss und Blut nicht experimentiert oder gespielt, darum aber auch, wo es noetig war, unbedingte Hingebung bis in den Tod gefordert ward. Ohne dem einzelnen in das gesamte Triebwerk den Einblick zu gestatten, liess Caesar ihn doch genug von dem politischen und militaerischen Zusammenhang der Dinge ahnen, um als Staatsmann und Feldherr von dem Soldaten erkannt, auch wohl idealisiert zu werden. Durchaus behandelte er die Soldaten nicht als seinesgleichen, aber als Maenner, welche Wahrheit zu fordern berechtigt und zu ertragen faehig waren, und die den Versprechungen und Versicherungen des Feldherrn Glauben zu schenken hatten, ohne Prellerei zu vermuten oder auf Geruechte zu horchen; als langjaehrige Kameraden in Krieg und Sieg, unter denen kaum einer war, den er nicht mit Namen kannte und bei dem sich nicht in all den Feldzuegen ein mehr oder minder persoenliches Verhaeltnis zu dem Feldherrn gebildet haette; als gute Genossen, mit denen er zutraulich und mit der ihm eigenen heiteren Elastizitaet schwatzte und verkehrte; als Schutzbefohlene, deren Dienste zu vergelten, deren Unbill und Tod zu raechen ihm heilige Pflicht war. Vielleicht nie hat es eine Armee gegeben, die so vollkommen war, was die Armee sein soll: eine fuer ihre Zwecke faehige und fuer ihre Zwecke willige Maschine in der Hand eines Meisters, der auf sie seine eigene Spannkraft uebertraegt. Caesars Soldaten waren und fuehlten sich zehnfacher Uebermacht gewachsen: wobei nicht uebersehen werden darf, dass bei der durchaus auf das Handgemenge und vornehmlich den Schwertkampf berechneten roemischen Taktik der geuebte roemische Soldat dem Neuling in noch weit hoeherem Grade ueberlegen war, als dies unter den heutigen Verhaeltnissen der Fall ist ^1. Aber noch mehr als durch die ueberlegene Tapferkeit fuehlten die Gegner sich gedemuetigt durch die unwandelbare und ruehrende Treue, mit der Caesars Soldaten an ihrem Feldherrn hingen. Es ist wohl ohne Beispiel in der Geschichte, dass, als der Feldherr seine Soldaten aufrief, ihm in den Buergerkrieg zu folgen, mit der einzigen, schon erwaehnten Ausnahme des Labienus kein roemischer Offizier und kein roemischer Soldat ihn im Stich liess. Die Hoffnungen der Gegner auf eine ausgedehnte Desertion scheiterten ebenso schmaehlich wie der fruehere Versuch, sein Heer wie das des Lucullus auseinander zu sprengen; selbst Labienus erschien in Pompeius’ Lager wohl mit einem Haufen keltischer und deutscher Reiter, aber ohne einen einzigen Legionaer. Ja die Soldaten, als wollten sie zeigen, dass der Krieg ganz ebenso ihre Sache sei wie die des Feldherrn, machten unter sich aus, dass sie den Sold, den ihnen Caesar beim Ausbruch des Buergerkrieges zu verdoppeln versprochen hatte, bis zu dessen Beendigung dem Feldherrn kreditieren und inzwischen die aermeren Kameraden aus allgemeinen Mitteln unterstuetzen wollten; ueberdies ruestete und besoldete jeder Unteroffizier einen Reiter aus seiner Tasche.
—————————————————— ^1 Ein gefangener Centurio von der zehnten Legion Caesars erklaerte dem feindlichen Oberfeldherrn dass er bereit sei, es mit zehn von seinen Leuten gegen die beste feindliche Kohorte (500 Mann) aufzunehmen (Bell. Afr. 45). “In der Fechtweise der Alten”, urteilt Napoleon I., “bestand die Schlacht aus lauter Zweikaempfen; in dem Munde des heutigen Soldaten wuerde es Prahlerei sein, was in dem jenes Centurionen nur richtig war.” Von dem Soldatengeist, der Caesars Armee durchdrang, legen die seinen Memoiren angehaengten Berichte ueber den Afrikanischen und den Zweiten Spanischen Krieg, von denen jener einen Offizier zweiten Ranges zum Verfasser zu haben scheint, dieser ein in jeder Beziehung subalternes Lagerjournal ist, lebendigen Beweis ab. —————————————————— Wenn also Caesar das eine hatte, was not tat: unbeschraenkte politische und militaerische Gewalt und eine schlagfertige zuverlaessige Armee, so dehnte seine Macht verhaeltnismaessig sich nur ueber einen sehr beschraenkten Raum aus. Sie ruhte wesentlich auf der oberitalischen Provinz. Diese Landschaft war nicht bloss die am besten bevoelkerte unter allen italischen, sondern auch der Sache der Demokratie als ihrer eigenen ergeben. Von der daselbst herrschenden Stimmung zeugt das Verhalten einer Abteilung Rekruten von Opitergium (Oderzo in der Delegation Treviso), die nicht lange nach dem Ausbruch des Krieges in den illyrischen Gewaessern, auf einem elenden Floss von den feindlichen Kriegsschiffen umzingelt, den ganzen Tag bis zur sinkenden Sonne sich zusammenschiessen liessen, ohne sich zu ergeben, und, soweit sie den Geschossen entgangen waren, in der folgenden Nacht mit eigener Hand sich den Tod gaben. Man begreift, was einer solchen Bevoelkerung zugemutet werden konnte. Wie sie Caesar bereits die Mittel gewaehrt hatte, seine urspruengliche Armee mehr als zu verdoppeln, so stellten auch nach Ausbruch des Buergerkrieges zu den sofort angeordneten umfassenden Aushebungen die Rekruten zahlreich sich ein. In dem eigentlichen Italien dagegen war Caesars Einfluss dem der Gegner nicht entfernt zu vergleichen. Wenn er auch durch geschickte Manoever die Catonische Partei ins Unrecht zu setzen gewusst und alle, die einen Vorwand wuenschten, um mit gutem Gewissen entweder neutral zu bleiben, wie die Senatsmajoritaet, oder seine Partei zu ergreifen, wie seine Soldaten und die Transpadaner, von seinem guten Recht hinreichend ueberzeugt hatte, so liess sich doch die Masse der Buergerschaft natuerlich dadurch nicht irren und sah, als der Kommandant von Gallien seine Legionen gegen Rom in Bewegung setzte, allen formalen Rechtseroerterungen zum Trotz, in Cato und Pompeius die Verteidiger der legitimen Republik, in Caesar den demokratischen Usurpator. Allgemein erwartete man ferner von dem Neffen des Marius, dem Schwiegersoehne des Cinna, dem Verbuendeten des Catilina die Wiederholung der Marianisch-Cinnanischen Greuel, die Realisierung der von Catilina entworfenen Saturnalien der Anarchie; und wenn auch Caesar hierdurch allerdings Verbuendete gewann, die politischen Fluechtlinge sofort in Masse sich ihm zur Verfuegung stellten, die verlorenen Leute ihren Erloeser in ihm sahen, die niedrigsten Schichten des haupt- und landstaedtischen Poebels auf die Kunde von seinem Anmarsch in Gaerung gerieten, so waren dies doch von den Freunden, die gefaehrlicher als die Feinde sind. Noch weniger als in Italien hatte Caesar in den Provinzen und den Klientelstaaten Einfluss. Das Transalpinische Gallien bis zum Rhein und zum Kanal gehorchte ihm zwar, und die Kolonisten von Narbo sowie die sonst daselbst ansaessigen roemischen Buerger waren ihm ergeben; allein selbst in der Narbonensischen Provinz hatte die Verfassungspartei zahlreiche Anhaenger, und nun gar die neueroberten Landschaften waren fuer Caesar in dem bevorstehenden Buergerkrieg weit mehr eine Last als ein Vorteil, wie er denn aus guten Gruenden in demselben von dem keltischen Fussvolk gar keinen, von der Reiterei nur sparsamen Gebrauch machte. In den uebrigen Provinzen und den benachbarten, halb oder ganz unabhaengigen Staaten hatte Caesar wohl auch versucht, sich Rueckhalt zu verschaffen, hatte den Fuersten reiche Geschenke gespendet, in manchen Staedten grosse Bauten ausfuehren lassen und in Notfaellen ihnen finanziellen und militaerischen Beistand gewaehrt; allein im ganzen war natuerlich damit nicht viel erreicht worden, und die Beziehungen zu den deutschen und keltischen Fuersten in den Rhein- und Donaulandschaften, namentlich die der Reiterwerbung wegen wichtige zu dem norischen Koenig Voccio waren wohl die einzigen derartigen Verhaeltnisse, die fuer ihn etwas bedeuten mochten. Wenn Caesar also in den Kampf eintrat nur als Kommandant von Gallien, ohne andere wesentliche Hilfsmittel als brauchbare Adjutanten, ein treues Heer und eine ergebene Provinz, so begann ihn Pompeius als tatsaechliches Oberhaupt des roemischen Gemeinwesens und im Vollbesitz aller der legitimen Regierung des grossen roemischen Reiches zur Verfuegung stehenden Hilfsquellen. Allein wenn seine Stellung politisch und militaerisch weit ansehnlicher war, so war sie dagegen auch weit minder klar und fest. Die Einheit der Oberleitung, die aus Caesars Stellung sich von selbst und mit Notwendigkeit ergab, war dem Wesen der Koalition zuwider; und obwohl Pompeius, zu sehr Soldat, um sich ueber die Unentbehrlichkeit derselben zu taeuschen, sie der Koalition aufzuzwingen versuchte und sich vom Senat zum alleinigen und unumschraenkten Oberfeldherrn zu Lande und zur See ernennen liess, so konnte doch der Senat selbst nicht beseitigt und ein ueberwiegender Einfluss auf die politische, ein gelegentliches und darum doppelt schaedliches Eingreifen in die militaerische Oberleitung ihm nicht verwehrt werden. Die Erinnerung an den zwanzigjaehrigen, auf beiden Seiten mit vergifteten Waffen gefuehrten Krieg zwischen Pompeius und der Verfassungspartei, das auf beiden Seiten lebhaft vorhandene und muehsam verhehlte Bewusstsein, dass die naechste Folge des erfochtenen Sieges der Bruch zwischen den Siegern sein werde, die Verachtung, die man gegenseitig und von beiden Seiten mit nur zu gutem Grund sich zollte, die unbequeme Anzahl angesehener und einflussreicher Maenner in den Reihen der Aristokratie und die geistige und sittliche Inferioritaet fast aller Beteiligten erzeugten ueberhaupt bei den Gegnern Caesars ein widerwilliges und widersetzliches Zusammenwirken, das mit dem eintraechtigen und geschlossenen Handeln auf der anderen Seite den uebelsten Kontrast bildet.
Wenn also alle Nachteile der Koalition unter sich feindlicher Maechte von Caesars Gegnern in ungewoehnlichem Masse empfunden wurden, so war doch allerdings auch diese Koalition eine sehr ansehnliche Macht. Die See beherrschte sie ausschliesslich: alle Haefen, alle Kriegsschiffe, alles Flottenmaterial standen zu ihrer Verfuegung. Die beiden Spanien, gleichsam Pompeius’ Hausmacht so gut wie die beiden Gallien Caesars, waren ihrem Herrn treu anhaenglich und in den Haenden tuechtiger und zuverlaessiger Verwalter. Auch in den uebrigen Provinzen, natuerlich mit Ausnahme der beiden Gallien, waren die Statthalter- und Kommandantenstellen waehrend der letzten Jahre unter dem Einfluss von Pompeius und der Senatsminoritaet mit sicheren Maennern besetzt worden. Durchaus und mit grosser Entschiedenheit ergriffen die Klientelstaaten Partei gegen Caesar und fuer Pompeius. Die bedeutendsten Fuersten und Staedte waren in den verschiedenen Abschnitten seiner mannigfaltigen Wirksamkeit zu Pompeius in die engsten persoenlichen Beziehungen getreten – wie er denn in dem Kriege gegen die Marianer der Waffengenosse der Koenige von Numidien und Mauretanien gewesen war und das Reich des ersteren wiederaufgerichtet hatte; wie er im Mithradatischen Kriege ausser einer Menge anderer kleinerer geistlicher und weltlicher Fuerstentuemer die Koenigreiche Bosporus, Armenien und Kappadokien wiederhergestellt, das galatische des Deiotarus geschaffen hatte; wie zunaechst auf seine Veranlassung der Aegyptische Krieg unternommen und durch seinen Adjutanten die Lagidenherrschaft neu befestigt worden war. Selbst die Stadt Massalia in Caesars eigener Provinz verdankte wohl auch diesem manche Verguenstigungen, aber Pompeius vom Sertorianischen Kriege her eine sehr ansehnliche Gebietserweiterung, und es stand ausserdem die hier regierende Oligarchie mit der roemischen in einem natuerlichen und durch vielfache Zwischenbeziehungen befestigten Bunde. Diese persoenlichen Ruecksichten und Verhaeltnisse sowie die Glorie des Siegers in drei Weltteilen, welche in diesen abgelegeneren Teilen des Reiches die des Eroberers von Gallien noch weit ueberstrahlte, schadeten indes hier Caesar vielleicht weniger noch als die daselbst nicht unbekannt gebliebenen An- und Absichten des Erben des Gaius Gracchus ueber die Notwendigkeit der Reunion der abhaengigen Staaten und die Nuetzlichkeit der Provinzialkolonisationen. Keiner unter den abhaengigen Dynasten sah von dieser Gefahr sich naeher bedroht als Koenig Juba von Numidien. Nicht bloss war er vor Jahren, noch bei Lebzeiten seines Vaters Hiempsal, mit Caesar persoenlich aufs heftigste zusammengeraten, sondern es hatte auch kuerzlich derselbe Curio, der jetzt unter Caesars Adjutanten fast den ersten Platz einnahm, bei der roemischen Buergerschaft den Antrag auf Einziehung des Numidischen Reiches gestellt. Sollte endlich es so weit kommen, dass die unabhaengigen Nachbarstaaten in den roemischen Buergerkrieg eingriffen, so war der einzige wirklich maechtige, der der Parther, durch die zwischen Pakoros und Bibulus angeknuepfte Verbindung tatsaechlich bereits mit der aristokratischen Partei alliiert, waehrend Caesar viel zu sehr Roemer war, um aus Parteiinteressen sich mit den Ueberwindern seines Freundes Crassus zu verkuppeln.
Was Italien anlangt, so war, wie schon gesagt, die grosse Majoritaet der Buergerschaft Caesar abgeneigt; vor allem natuerlich die gesamte Aristokratie mit ihrem sehr betraechtlichen Anhang, nicht viel minder aber auch die hohe Finanz, die nicht hoffen durfte, bei einer durchgreifenden Reform des Gemeinwesens ihre parteiischen Geschworenengerichte und ihr Erpressungsmonopol zu konservieren. Ebenso antidemokratisch gesinnt waren die kleinen Kapitalisten, die Landgutsbesitzer und ueberhaupt alle Klassen, die etwas zu verlieren hatten; nur dass freilich in diesen Schichten die Sorge um die naechsten Zinstermine und um Saaten und Ernten in der Regel jede andere Ruecksicht ueberwog. Die Armee, ueber die Pompeius verfuegte, bestand hauptsaechlich in den spanischen Truppen, sieben krieggewohnten und in jeder Hinsicht zuverlaessigen Legionen, wozu die weiter in Syrien, Asia, Makedonien, Afrika, Sizilien und sonst befindlichen, freilich schwachen und sehr zerstreuten Truppenabteilungen kamen. In Italien standen unter den Waffen zunaechst nur die zwei von Caesar kuerzlich abgegebenen Legionen, deren Effektivbestand sich nicht ueber 7000 Mann belief und deren Zuverlaessigkeit mehr als zweifelhaft war, da sie, ausgehoben im Diesseitigen Gallien und alte Waffengefaehrten Caesars, ueber die unfeine Intrige, durch die man sie das Lager hatte wechseln machen, in hohem Grade missvergnuegt waren und ihres Feldherrn, der die fuer den Triumph jedem Soldaten versprochenen Geschenke ihnen vor ihrem Abmarsch grossmuetig vorausgezahlt hatte, sehnsuechtig gedachten. Allein abgesehen davon, dass die spanischen Truppen mit dem Fruehjahr entweder auf dem Landweg durch Gallien oder zur See in Italien eintreffen konnten, konnten in Italien die Mannschaften der von den Aushebungen von 699 (55) noch uebrigen drei Legionen sowie das im Jahre 702 (52) in Pflicht genommene italische Aufgebot aus dem Urlaub einberufen werden. Mit Einrechnung dieser stellte sich die Zahl der Pompeius im ganzen zur Verfuegung stehenden Truppen, ohne die sieben Legionen in Spanien und die in den andern Provinzen zerstreuten zu rechnen, bloss in Italien auf zehn Legionen ^2 oder gegen 60000 Mann, so dass es eben keine Uebertreibung war, wenn Pompeius behauptete, nur mit dem Fusse stampfen zu duerfen, um den Boden mit Bewaffneten zu bedecken. Freilich bedurfte es wenn auch kurzer, doch einiger Frist, um diese Truppen zu mobilisieren; die Anstalten dazu sowie zur Effektuierung der neuen, infolge des Ausbruchs des Buergerkrieges vom Senat angeordneten Aushebungen waren aber auch bereits ueberall im Gange. Unmittelbar nach dem entscheidenden Senatsbeschluss (7. Januar 705 49), mitten im tiefen Winter, waren die angesehensten Maenner der Aristokratie in die verschiedenen Landschaften abgegangen, um die Einberufung der Rekruten und die Anfertigung von Waffen zu beschleunigen. Sehr empfindlich war der Mangel an Reiterei, da man fuer diese gewohnt war, sich gaenzlich auf die Provinzen und namentlich die keltischen Kontingente zu verlassen; um wenigstens einen Anfang zu machen, wurden dreihundert Caesar gehoerende Gladiatoren aus den Fechtschulen von Capua entnommen und beritten gemacht, was indes so allgemeine Missbilligung fand, dass Pompeius diese Truppe wieder aufloeste und dafuer aus den berittenen Hirtensklaven Apuliens 300 Reiter aushob. ———————————————— ^2 Diese Ziffer gab Pompeius selbst an (Caes. civ. 1, 6) und es stimmt damit, dass er in Italien etwa 60 Kohorten oder 30000 Mann einbuesste und 25000 nach Griechenland ueberfuehrte (Caes, civ. 3, 10). ————————————————- In der Staatskasse war Ebbe wie gewoehnlich; man war beschaeftigt, aus den Gemeindekassen und selbst den Tempelschaetzen der Munizipien den unzureichenden Barbestand zu ergaenzen.
Unter diesen Umstaenden ward zu Anfang Januar 705 (49) der Krieg eroeffnet. Von marschfaehigen Truppen hatte Caesar nicht mehr als eine Legion, 5000 Mann Infanterie und 300 Reiter, bei Ravenna, das auf der Chaussee etwa 50 deutsche Meilen von Rom entfernt war; Pompeius zwei schwache Legionen, 7000 Mann Infanterie und eine geringe Reiterschar, unter Appius Claudius’ Befehlen bei Luceria, von wo man, ebenfalls auf der Chaussee, ungefaehr ebensoweit nach der Hauptstadt hatte. Die anderen Truppen Caesars, abgesehen von den rohen, noch in der Bildung begriffenen Rekrutenabteilungen, standen zur Haelfte an der Saone und Loire, zur Haelfte in Belgien, waehrend Pompeius’ italische Reserven bereits von allen Seiten in den Sammelplaetzen eintrafen; lange bevor auch nur die Spitze der transalpinischen Heerhaufen Caesars in Italien einruecken konnte, wusste hier ein weit ueberlegenes Heer bereit stehen, sie zu empfangen. Es schien eine Torheit, mit einem Haufen von der Staerke des Catilinarischen und augenblicklich ohne wirksame Reserve angreifend vorzugehen gegen eine ueberlegene und stuendlich anwachsende Armee unter einem faehigen Feldherrn; allein es war eine Torheit im Geiste Hannibals. Wenn der Anfang des Kampfes bis zum Fruehjahr sich hinauszog, so ergriffen Pompeius’ spanische Truppen im Transalpinischen, seine italischen im Cisalpinischen Gallien die Offensive, und Pompeius, als Taktiker Caesar gewachsen, an Erfahrung ihm ueberlegen, war in einem solchen regelmaessig verlaufenden Feldzug ein furchtbarer Gegner. Jetzt liess er vielleicht, gewohnt, mit ueberlegenen Massen langsam und sicher zu operieren, durch einen durchaus improvisierten Angriff sich deroutieren; und was Caesars dreizehnte Legion nach der ernsten Probe des gallischen Ueberfalls und der Januarkampagne im Bellovakerland nicht aus der Fassung bringen konnte, die Ploetzlichkeit des Krieges und die Muehsal des Winterfeldzuges, masste die Pompeianischen aus alten Caesarischen Soldaten oder auch schlecht geuebten Rekruten bestehenden und noch in der Bildung begriffenen Heerhaufen desorganisieren.
So rueckte denn Caesar in Italien ein ^3. Zwei Chausseen fuehrten damals aus der Romagna nach Sueden: die Aemilisch-Cassische, die von Bononia ueber den Apennin nach Arretium und Rom, und die Popillisch-Flaminische, die von Ravenna an der Kueste des Adriatischen Meeres nach Fanum und, dort sich teilend, in westlicher Richtung durch den Furlopass nach Rom, in suedlicher nach Ancona und weiter nach Apulien lief. Auf der ersteren gelangte Marcus Antonius bis Arretium; auf der zweiten drang Caesar selbst vor. Widerstand ward nirgends geleistet: die vornehmen Werbeoffiziere waren keine Militaers, die Rekrutenmassen keine Soldaten, die Landstaedter nur besorgt, nicht in eine Belagerung verwickelt zu werden. Als Curio mit 1500 Mann auf Iguvium anrueckte, wo ein paar tausend umbrische Rekruten unter dem Praetor Quintus Minucius Thermus sich gesammelt hatten, suchten, auf die blosse Meldung seines Anmarsches, General und Soldaten das Weite; und aehnlich ging es im kleinen ueberall. Caesar hatte die Wahl, entweder gegen Rom, dem seine Reiter in Arretium bereits auf 28 deutsche Meilen sich genaehert hatten, oder gegen die bei Luceria lagernden Legionen zu marschieren. Er waehlte das letztere. Die Konsternation der Gegenpartei war grenzenlos. Pompeius erhielt die Meldung von Caesars Anmarsch in Rom; er schien anfangs die Hauptstadt verteidigen zu wollen, aber als die Nachricht von Caesars Einruecken in das Picenische und von seinen ersten Erfolgen daselbst einlief, gab er sie auf und befahl die Raeumung. Ein panischer Schreck, vermehrt durch das falsche Geruecht, dass vor den Toren sich Caesars Reiter gezeigt haetten, kam ueber die vornehme Welt. Die Senatoren, denen angezeigt worden war, dass man jeden in der Hauptstadt Zurueckbleibenden als Mitschuldigen des Rebellen Caesar behandeln werde, stroemten scharenweise aus den Toren. Die Konsuln selbst hatten so vollstaendig den Kopf verloren, dass sie nicht einmal die Kassen in Sicherheit brachten; als Pompeius sie aufforderte, dies nachzuholen, wozu ausreichend Zeit war, liessen sie ihm zuruecksagen, dass sie es fuer sicherer hielten, wenn er zuvor Picenum besetze! Man war ratlos; also ward grosser Kriegsrat in Teanum Sidicinum gehalten (23. Januar), dem Pompeius, Labienus und beide Konsuln beiwohnten. Zunaechst lagen wieder Vergleichsvorschlaege Caesars vor: selbst jetzt noch erklaerte dieser sich bereit, sein Heer sofort zu entlassen, seine Provinzen den ernannten Nachfolgern zu uebergeben und sich in regelrechter Weise um das Konsulat zu bewerben, wofern Pompeius nach Spanien abgehe und Italien entwaffnet werde. Die Antwort war, dass man, wenn Caesar sogleich in seine Provinz zurueckkehre, sich anheischig mache, die Entwaffnung Italiens und die Abreise des Pompeius durch einen ordnungsmaessig in der Hauptstadt zu fassenden Senatsbeschluss herbeizufuehren; was vielleicht nicht eine plumpe Prellerei, sondern eine Annahme des Vergleichsvorschlags sein sollte, jedenfalls aber der Sache nach das Gegenteil war. Die von Caesar gewuenschte persoenliche Zusammenkunft mit Pompeius lehnte dieser ab und musste sie ablehnen, um nicht durch den Anschein einer neuen Koalition mit Caesar das schon rege Misstrauen der Verfassungspartei noch mehr zu reizen. Die Kriegfuehrung anlangend einigte man in Teanum sich dahin, dass Pompeius das Kommando der bei Luceria stehenden Truppen, auf denen trotz ihrer Unzuverlaessigkeit doch alle Hoffnung beruhte, uebernehmen, mit diesen in seine und Labienus’ Heimat, in Picenum, einruecken, dort wie einst vor fuenfunddreissig Jahren den Landsturm persoenlich zu den Waffen rufen und an der Spitze der treuen picenischen und der kriegsgewohnten, ehemals Caesarischen Kohorten versuchen solle, dem Vordringen des Feindes eine Schranke zu setzen. Es kam nur darauf an, ob die picenische Landschaft sich so lange hielt, bis Pompeius zu ihrer Verteidigung herankam. Bereits war Caesar mit seiner wiedervereinigten Armee auf der Kuestenstrasse ueber Ancona in dieselbe eingedrungen. Auch hier waren die Ruestungen in vollem Gange; gleich in der noerdlichsten picenischen Stadt Auximum stand ein ansehnlicher Haufe von Rekruten unter Publius Attius Varus beisammen; allein auf Ersuchen der Munizipalitaet raeumte Varus die Stadt, noch ehe Caesar erschien, und eine Handvoll von dessen Soldaten, die den Trupp unweit Auximum einholten, zerstreuten ihn vollstaendig nach kurzem Gefecht – es war das erste in diesem Kriege. Ebenso raeumten bald darauf Gaius Lucilius Hirrus mit 3000 Mann Camerinum, Publius Lentulus Spinther mit 5000 Asculum. Die Pompeius ganz ergebenen Mannschaften liessen zum groessten Teil Haus und Hof willig im Stich und folgten den Fuehrern ueber die Grenze: die Landschaft selbst aber war schon verloren, als der zur vorlaeufigen Leitung der Verteidigung von Pompeius gesandte Offizier Lucius Vibullius Rufus, kein vornehmer Senator, aber ein kriegskundiger Militaer, daselbst eintraf; er musste sich begnuegen, die geretteten etwa 6000 bis 7000 Rekruten den unfaehigen Werbeoffizieren abzunehmen und sie vorlaeufig nach dem naechsten Sammelplatz zu fuehren. Dies war Corfinium, der Mittelpunkt der Aushebungen im albensischen, marsischen und paelignischen Gebiet; die hier versammelte Rekrutenmasse von beilaeufig 15000 Mann war das Kontingent der streitbarsten und der zuverlaessigsten Landschaften Italiens und der Kern des in der Bildung begriffenen Heeres der Verfassungspartei. Als Vibullius hier eintraf, war Caesar noch mehrere Tagemaersche zurueck; es war nichts im Wege, Pompeius’ Instruktionen gemaess sofort aufzubrechen und die geretteten picenischen nebst den in Corfinium gesammelten Rekruten dem Hauptheer in Apulien zuzufuehren. Allein in Corfinium kommandierte der designierte Nachfolger Caesars in der Statthalterschaft des Jenseitigen Gallien, Lucius Domitius, einer der borniertesten Starrkoepfe der roemischen Aristokratie; und dieser weigerte sich nicht bloss, Pompeius’ Befehlen Folge zu leisten, sondern verhinderte auch den Vibullius, wenigstens mit der picenischen Mannschaft nach Apulien abzuruecken. So fest hielt er sich ueberzeugt, dass Pompeius nur aus Eigensinn zaudere und notwendig zum Entsatz herbeikommen muesse, dass er kaum sich ernstlich auf die Belagerung gefusst machte und nicht einmal die in die umliegenden Staedte verlegten Rekrutenhaufen in Corfinium zusammenzog. Pompeius aber erschien nicht und aus guten Gruenden; denn seine beiden unzuverlaessigen Legionen konnte er wohl als Rueckhalt fuer den picenischen Landsturm verwenden, aber nicht mit ihnen allein Caesar die Schlacht anbieten. Dafuer kam nach wenigen Tagen Caesar (14. Februar). Zu den Truppen desselben war in Picenum die zwoelfte und vor Corfinium die achte von den transalpinischen Legionen gestossen, und ausserdem wurden teils aus den gefangenen oder freiwillig sich stellenden Pompeianischen Mannschaften, teils aus den ueberall sofort ausgehobenen Rekruten drei neue Legionen gebildet, so dass Caesar vor Corfinium bereits an der Spitze einer Armee von 40000 Mann, zur Haelfte gedienter Leute, stand. Solange Domitius auf Pompeius’ Eintreffen hoffte, liess er die Stadt verteidigen; als dessen Briefe ihn endlich enttaeuscht hatten, beschloss er nicht etwa, auf dem verlorenen Posten auszuharren, womit er seiner Partei den groessten Dienst geleistet haben wuerde, auch nicht einmal zu kapitulieren, sondern, waehrend dem gemeinen Soldaten der Entsatz als nahe bevorstehend angekuendigt ward, selber mit den vornehmen Offizieren in der naechsten Nacht auszureissen. Indes selbst diesen sauberen Plan ins Werk zu setzen verstand er nicht. Sein verwirrtes Benehmen verriet ihn. Ein Teil der Mannschaften fing an zu meutern: die marsischen Rekruten, die eine solche Schaendlichkeit ihres Feldherrn nicht fuer moeglich hielten, wollten gegen die Meuterer kaempfen; aber auch sie mussten sich widerwillig von der Wahrheit der Anschuldigung ueberzeugen, worauf denn die gesamte Besatzung ihren Stab festnahm und ihn, sich und die Stadt an Caesar uebergab (20. Februar). Das 3000 Mann starke Korps in Alba und 1500 in Tarracina gesammelte Rekruten streckten hierauf die Waffen, sowie Caesars Reiterpatrouillen sich zeigten; eine dritte Abteilung in Sulmo von 3500 Mann war bereits frueher genoetigt worden zu kapitulieren.
———————————————– ^3 Der Senatsbeschluss war vom 7. Januar; am 18. wusste man schon in Rom seit mehreren Tagen, dass Caesar die Grenze ueberschritten habe (Cic. Att. 7, 10; 9, 10, 4); der Bote brauchte von Rom nach Ravenna allermindestens drei Tage. Danach faellt der Aufbruch um den 12. Januar, welcher nach der gangbaren Reduktion dem julianischen 24. November 704 (50) entspricht. ———————————————– Pompeius hatte Italien verloren gegeben, sowie Caesar Picenum eingenommen hatte; nur wollte er die Einschiffung so lange wie moeglich verzoegern, um von den Mannschaften zu retten, was noch zu retten war. Langsam hatte er demnach sich nach dem naechsten Hafenplatz Brundisium in Bewegung gesetzt. Hier fanden die beiden Legionen von Luceria und was Pompeius in dem menschenleeren Apulien an Rekruten in der Eile hatte zusammenraffen koennen, sowie die von den Konsuln und sonstigen Beauftragten in Kompanien ausgehobenen und eiligst nach Brundisium gefuehrten Leute sich ein; ebendahin begab sich eine Menge politischer Fluechtlinge, unter ihnen die angesehensten Senatoren in Begleitung ihrer Familien. Die Einschiffung begann; allein die vorraetigen Fahrzeuge genuegten nicht, um die ganze Masse, die sich doch noch auf 25000 Koepfe belief, auf einmal zu transportieren. Es blieb nichts uebrig, als das Heer zu teilen. Die groessere Haelfte ging vorauf (4. Maerz), mit der kleineren von etwa 10000 Mann erwartete Pompeius in Brundisium die Rueckkehr der Flotte; denn wie wuenschenswert fuer einen etwaigen Versuch, Italien wieder einzunehmen, auch der Besitz von Brundisium war, so getraute man sich doch nicht, den Platz auf die Dauer gegen Caesar zu halten. Inzwischen traf Caesar vor Brundisium ein; die Belagerung begann. Caesar versuchte vor allem, die Hafenmuendung durch Daemme und schwimmende Bruecken zu schliessen, um die rueckkehrende Flotte auszusperren; allein Pompeius liess die im Hafen liegenden Handelsfahrzeuge armieren und wusste die voellige Schliessung des Hafens so lange zu verhindern, bis die Flotte erschien und die von Pompeius, trotz der Wachsamkeit der Belagerer und der feindlichen Gesinnung der Stadtbewohner, mit grosser Geschicklichkeit bis auf den letzten Mann unbeschaedigt aus der Stadt herausgezogenen Truppen aus Caesars Bereich nach Griechenland entfuehrte (17. Maerz). An dem Mangel einer Flotte scheiterte wie die Belagerung selbst, so auch die weitere Verfolgung.
In einem zweimonatlichen Feldzug, ohne ein einziges ernstliches Gefecht, hatte Caesar eine Armee von zehn Legionen so aufgeloest, dass mit genauer Not die kleinere Haelfte derselben in verwirrter Flucht ueber das Meer entkommen, die ganze italische Halbinsel aber mit Einschluss der Hauptstadt nebst der Staatskasse und allen daselbst aufgehaeuften Vorraeten in die Gewalt des Siegers geraten war. Nicht ohne Grund klagte die geschlagene Partei ueber die schauerliche Raschheit, Einsicht und Energie des “Ungeheuers”. Indes es liess sich fragen, ob Caesar durch die Eroberung Italiens mehr gewann oder mehr verlor. In militaerischer Hinsicht wurden zwar jetzt sehr ansehnliche Hilfsquellen nicht bloss den Gegnern entzogen, sondern auch fuer Caesar fluessig gemacht; schon im Fruehjahr 705 (49) zaehlte seine Armee infolge der ueberall angeordneten massenhaften Aushebungen ausser den neun alten eine bedeutende Anzahl von Rekrutenlegionen. Andererseits aber wurde es jetzt nicht bloss noetig, in Italien eine ansehnliche Besatzung zurueckzulassen, sondern auch Massregeln zu treffen gegen die von den seemaechtigen Gegnern beabsichtigte Sperrung des ueberseeischen Verkehrs und die infolgedessen namentlich der Hauptstadt drohende Hungersnot, wodurch Caesars bereits hinreichend verwickelte militaerische Aufgabe noch weiter sich komplizierte. Finanziell war es allerdings von Belang, dass es Caesar geglueckt war, der hauptstaedtischen Kassenbestaende sich zu bemaechtigen; aber die hauptsaechlichsten Einnahmequellen, namentlich die Abgaben aus dem Orient, waren doch in den Haenden des Feindes und bei den so sehr vermehrten Beduerfnissen fuer das Heer sowie der neuen Verpflichtung, fuer die darbende hauptstaedtische Bevoelkerung zu sorgen, zerrannen die vorgefundenen ansehnlichen Summen so schnell, dass Caesar sich bald genoetigt sah, den Privatkredit anzusprechen, und, da er unmoeglich damit lange sich fristen zu koennen schien, allgemein als die einzig uebrig bleibende Aushilfe umfassende Konfiskationen erwartet wurden. Ernstere Schwierigkeiten noch bereiteten die politischen Verhaeltnisse, in welche Caesar mit der Eroberung Italiens eintrat. Die Besorgnis der besitzenden Klassen vor einer anarchischen Umwaelzung war allgemein. Feinde und Freunde sahen in Caesar einen zweiten Catilina; Pompeius glaubte oder behauptete zu glauben, dass Caesar nur durch die Unmoeglichkeit, seine Schulden zu bezahlen, zum Buergerkrieg getrieben worden sei. Das war allerdings absurd; aber in der Tat waren Caesars Antezedentien nichts weniger als beruhigend und noch weniger beruhigend der Hinblick auf das Gefolge, das jetzt ihn umgab. Individuen des anbruechigsten Rufes, stadtkundige Gesellen wie Quintus Hortensius, Gaius Curio, Marcus Antonius – dieser der Stiefsohn des auf Ciceros Befehl hingerichteten Catilinariers Lentulus – spielten darin die ersten Rollen; die hoechsten Vertrauensposten wurden an Maenner vergeben, die es laengst aufgegeben hatten, ihre Schulden auch nur zu summieren; man sah Caesarische Beamte Taenzerinnen nicht bloss unterhalten – das taten andere auch -, sondern oeffentlich in Begleitung solcher Dirnen erscheinen. War es ein Wunder, dass auch ernsthafte und politisch parteilose Maenner Amnestie fuer alle landfluechtigen Verbrecher, Vernichtung der Schuldbuecher, umfassende Konfiskations-, Acht- und Mordbefehle erwarteten, ja eine Pluenderung Roms durch die gallische Soldateska? Indes hierin taeuschte das “Ungeheuer” die Erwartungen seiner Feinde wie seiner Freunde. Schon wie Caesar die erste italische Stadt Ariminum besetzte, untersagte er allen gemeinen Soldaten, sich bewaffnet innerhalb der Mauern sehen zu lassen; durchaus und ohne Unterschied, ob sie ihn freundlich oder feindlich empfangen hatten, wurden die Landstaedte vor jeder Unbill geschuetzt. Als die meuterische Garnison am spaeten Abend Corfinium uebergab, verschob er, gegen jede militaerische Ruecksicht, die Besetzung der Stadt bis zum anderen Morgen, einzig, um die Buergerschaft nicht einem naechtlichen Einmarsch seiner erbitterten Soldaten preiszugeben. Von den Gefangenen wurden die Gemeinen, als voraussetzlich politisch indifferent, in die eigene Armee eingereiht, die Offiziere aber nicht bloss verschont, sondern auch ohne Unterschied der Person und ohne Annahme irgendwelcher Zusagen frei entlassen, und was sie als Privateigentum in Anspruch nahmen, ohne auch nur die Berechtigung der Reklamationen mit Strenge zu untersuchen, ihnen ohne Weiterungen verabfolgt. So ward selbst Lucius Domitius behandelt, ja sogar dem Labienus das zurueckgelassene Geld und Gepaeck ins feindliche Lager nachgesandt. In der peinlichsten Finanznot wurden dennoch die ungeheuren Gueter der anwesenden wie der abwesenden Gegner nicht angegriffen; ja Caesar borgte lieber bei den Freunden, als dass er auch nur durch Ausschreibung der formell zulaessigen, aber tatsaechlich antiquierten Grundsteuer die Besitzenden gegen sich aufgeregt haette. Nur die Haelfte, und nicht die schwerere, seiner Aufgabe betrachtete der Sieger als mit dem Siege geloest; die Buergschaft der Dauer sah er nach seiner eigenen Aeusserung allein in der unbedingten Begnadigung der Besiegten und hatte darum auch auf dem ganzen Marsche von Ravenna bis Brundisium unablaessig die Versuche erneuert, eine persoenliche Zusammenkunft mit Pompeius und einen ertraeglichen Vergleich einzuleiten. Aber wenn die Aristokratie schon frueher von keiner Aussoehnung hatte wissen wollen, so hatte die unerwartete und so schimpfliche Emigration ihren Zorn bis zum Wahnsinn gesteigert, und das wilde Racheschnauben der Geschlagenen kontrastierte seltsam mit der Versoehnlichkeit des Siegers. Die aus dem Emigrantenlager den in Italien zurueckgebliebenen Freunden regelmaessig zukommenden Mitteilungen flossen ueber von Entwuerfen zu Konfiskationen und Proskriptionen, von Epurationsplaenen des Senats und des Staats, gegen die Sullas Restaurationen Kinderspiel waren und die selbst die gemaessigten Parteigenossen mit Entsetzen vernahmen. Die tolle Leidenschaft der Ohnmacht, die weise Maessigung der Macht taten ihre Wirkung. Die ganze Masse, der die materiellen Interessen ueber die politischen gingen, warf sich Caesar in die Arme. Die Landstaedte vergoetterten “die Rechtschaffenheit, die Maessigung, die Klugheit” des Siegers; und selbst die Gegner raeumten ein, dass es mit diesen Huldigungen Ernst war. Die hohe Finanz, Steuerpaechter und Geschworene verspuerten nach dem argen Schiffbruch, der die Verfassungspartei in Italien betroffen hatte, keine besondere Lust, sich weiter denselben Steuermaennern anzuvertrauen; die Kapitalien kamen wieder zum Vorschein und “die reichen Herren begaben sich wieder an ihr Tagewerk, die Zinsbuecher zu schreiben”. Selbst die grosse Majoritaet des Senats, wenigstens der Zahl nach – denn allerdings befanden sich von den vornehmeren und einflussreichen Senatsmitgliedern nur wenige darunter – war, trotz der Befehle des Pompeius und der Konsuln, in Italien, zum Teil sogar in der Hauptstadt selbst zurueckgeblieben und liess Caesars Regiment sich gefallen. Caesars eben in ihrer scheinbaren Ueberschwenglichkeit wohlberechnete Milde erreichte ihren Zweck: die zappelnde Angst der besitzenden Klassen vor der drohenden Anarchie wurde einigermassen beschwichtigt. Wohl war dies fuer die Folgezeit ein unberechenbarer Gewinn; die Abwendung der Anarchie und der fast nicht minder gefaehrlichen Angst vor der Anarchie war die Vorbedingung der kuenftigen Reorganisation des Gemeinwesens. Aber fuer den Augenblick war diese Milde fuer Caesar gefaehrlicher als die Erneuerung der cinnanischen und catilinarischen Raserei gewesen sein wuerde; sie verwandelte Feinde nicht in Freunde und Freunde in Feinde. Caesars catilinarischer Anhang grollte, dass das Morden und Pluendern unterblieb; von diesen verwegenen, verzweifelten und zum Teil talentvollen Gesellen waren die bedenklichsten Querspruenge zu erwarten. Die Republikaner aller Schattierungen dagegen wurden durch die Gnade des Ueberwinders weder bekehrt noch versoehnt. Nach dem Credo der Catonischen Partei entband die Pflicht gegen das, was sie Vaterland nannte, von jeder anderen Ruecksicht; selbst wer Caesar Freiheit und Leben verdankte, blieb befugt und verpflichtet, gegen ihn die Waffen zu ergreifen oder doch mindestens gegen ihn zu komplottieren. Die minder entschiedenen Fraktionen der Verfassungspartei liessen zwar allenfalls sich willig finden, von dem neuen Monarchen Frieden und Schutz anzunehmen; aber sie hoerten doch darum nicht auf, die Monarchie wie den Monarchen von Herzen zu verwuenschen. Je offenbarer die Verfassungsaenderung hervortrat, desto bestimmter kam der grossen Majoritaet der Buergerschaft, sowohl in der politisch lebhaften, aufgeregten Hauptstadt wie in der energischen laendlichen und landstaedtischen Bevoelkerung, ihre republikanische Besinnung zum Bewusstsein; insofern berichteten die Verfassungsfreunde in Rom mit Recht an ihre Gesinnungsgenossen im Exil, dass daheim alle Klassen und alle Individuen pompeianisch gesinnt seien. Die schwierige Stimmung all dieser Kreise wurde noch gesteigert durch den moralischen Druck, den die entschiedeneren und vornehmeren Gesinnungsgenossen eben als Emigranten auf die Menge der Geringeren und Lauen ausuebten. Dem ehrlichen Mann schlug ueber sein Verbleiben in Italien das Gewissen; der Halbaristokrat glaubte sich zu den Plebejern zu stellen, wenn er nicht mit den Domitiern und den Metellern ins Exil ging und gar, wenn er in dem Caesarischen Senat der Nullitaeten mitsass. Die eigene Milde des Siegers gab dieser stillen Opposition erhoehte politische Bedeutung: da Caesar nun einmal des Terrorismus sich enthielt, so schienen die heimlichen Gegner ihre Abneigung gegen sein Regiment ohne viele Gefahr betaetigen zu koennen. Sehr bald machte er in dieser Beziehung merkwuerdige Erfahrungen mit dem Senat. Caesar hatte den Kampf begonnen, um den terrorisierten Senat von seinen Unterdrueckern zu befreien. Dies war geschehen; er wuenschte also von dem Senat die Billigung des Geschehenen, die Vollmacht zu weiterer Fortsetzung des Krieges zu erlangen. Zu diesem Zwecke beriefen, als Caesar vor der Hauptstadt erschien (Ende Maerz), die Volkstribune seiner Partei ihm den Senat (1. April). Die Versammlung war ziemlich zahlreich, aber selbst von den in Italien verbliebenen Senatoren waren doch die namhaftesten ausgeblieben, sogar der ehemalige Fuehrer der servilen Majoritaet, Marcus Cicero, und Caesars eigener Schwiegervater Lucius Piso; und was schlimmer war, auch die Erschienenen waren nicht geneigt, auf Caesars Vorschlaege einzugehen. Als Caesar von einer Vollmacht zur Fortsetzung des Krieges sprach, meinte der eine der zwei einzigen anwesenden Konsulare, Servius Sulpicius Rufus, ein urfurchtsamer Mann, der nichts wuenschte als einen ruhigen Tod in seinem Bette, dass Caesar sich mehr um das Vaterland verdient machen werde, wenn er es aufgebe, den Krieg nach Griechenland und Spanien zu tragen. Als dann Caesar den Senat ersuchte, wenigstens seine Friedensvorschlaege an Pompeius zu uebermitteln, war man dem an sich zwar nicht entgegen, aber die Drohungen der Emigranten gegen die Neutralen hatten diese so in Furcht gesetzt, dass niemand sich fand, um die Friedensbotschaft zu uebernehmen. An der Abneigung der Aristokratie, den Thron des Monarchen errichten zu helfen, und an derselben Schlaffheit des hohen Kollegiums, durch die kurz zuvor Caesar Pompeius’ legale Ernennung zum Oberfeldherrn in dem Buergerkrieg vereitelt hatte, scheiterte jetzt auch er mit dem gleichen Verlangen. Andere Hemmungen kamen hinzu. Caesar wuenschte, um seine Stellung doch irgendwie zu regulieren, zum Diktator ernannt zu werden; es geschah nicht, weil ein solcher verfassungsmaessig nur von einem der Konsuln bestellt werden konnte und der Versuch, den Konsul Lentulus zu kaufen, wozu bei dessen zerruetteten Vermoegensverhaeltnissen wohl Aussicht war, dennoch fehlschlug. Der Volkstribun Lucius Metellus ferner legte gegen saemtliche Schritte des Prokonsuls Protest ein und machte Miene, die Staatskasse, als Caesars Leute kamen, um sie zu leeren, mit seinem Leibe zu decken. Caesar konnte in diesem Falle nicht umhin, den Unverletzlichen so saenftiglich wie moeglich beiseiteschieben zu lassen; uebrigens blieb er dabei, sich aller Gewaltschritte zu enthalten. Dem Senat erklaerte er, ebenwie es kurz zuvor die Verfassungspartei getan, dass er zwar gewuenscht habe, auf gesetzlichem Wege und mit Beihilfe der hoechsten Behoerde die Verhaeltnisse zu ordnen; allein da diese verweigert werde, koenne er ihrer auch entraten. Ohne weiter um den Senat und die staatsrechtlichen Formalien sich zu kuemmern, uebergab er die einstweilige Verwaltung der Hauptstadt dem Praetor Marcus Aemilius Lepidus als Stadtpraefekten und ordnete fuer die Verwaltung der ihm gehorchenden Landschaften und die Fortsetzung des Krieges das Erforderliche an. Selbst unter dem Getoese des Riesenkampfes und neben dem lockenden Klang der verschwenderischen Versprechungen Caesars machte es noch tiefen Eindruck auf die hauptstaedtische Menge, als sie in ihrem freien Rom zum erstenmal den Monarchen als Monarchen schalten und die Tuer der Staatskasse durch seine Soldaten aufsprengen sah. Allein die Zeiten waren nicht mehr, wo Eindruecke und Stimmungen der Masse den Gang der Ereignisse bestimmten; die Legionen entschieden und auf einige schmerzliche Empfindungen mehr oder weniger kam eben nichts weiter an.
Caesar eilte, den Krieg wiederaufzunehmen. Seine bisherigen Erfolge verdankte er der Offensive, und er gedachte auch ferner, dieselbe festzuhalten. Die Lage seines Gegners war seltsam. Nachdem der urspruengliche Plan, den Feldzug zugleich von Italien und Spanien aus in den beiden Gallien offensiv zu fuehren, durch Caesars Angriff vereitelt war, hatte Pompeius nach Spanien zu gehen beabsichtigt. Hier hatte er eine sehr starke Stellung. Das Heer zaehlte sieben Legionen; es dienten darin eine grosse Anzahl von Pompeius’ Veteranen, und die mehrjaehrigen Kaempfe in den lusitanischen Bergen hatten Soldaten und Offiziere gestaehlt. Unter den Anfuehrern war Marcus Varro zwar nichts als ein beruehmter Gelehrter und ein getreuer Anhaenger; aber Lucius Afranius hatte mit Auszeichnung im Orient und in den Alpen gefochten, und Marcus Petreius, der Ueberwinder Catilinas, war ein ebenso unerschrockener wie faehiger Offizier. Wenn in der jenseitigen Provinz Caesar noch von seiner Statthalterschaft her mancherlei Anhang hatte, so war dagegen die wichtigere Ebroprovinz mit allen Banden der Verehrung und der Dankbarkeit an den beruehmten General gefesselt, der zwanzig Jahre zuvor im Sertorianischen Kriege in ihr das Kommando gefuehrt und nach dessen Beendigung sie neu eingerichtet hatte. Pompeius konnte nach der italischen Katastrophe offenbar nichts Besseres tun als mit den geretteten Heerestruemmern sich dorthin begeben und an der Spitze seiner gesamten Macht Caesar entgegentreten. Ungluecklicherweise aber hatte er, in der Hoffnung, die in Corfinium stehenden Truppen noch retten zu koennen, so lange in Apulien sich verweilt, dass er statt der kampanischen Haefen das naehere Brundisium zum Einschiffungsort zu waehlen genoetigt war. Warum er, Herr der See und Siziliens, nicht spaeterhin auf den urspruenglichen Plan wieder zurueck kam, laesst sich nicht entscheiden; ob vielleicht die Aristokratie in ihrer kurzsichtigen und misstrauischen Art keine Lust bezeigte, sich den spanischen Truppen und der spanischen Bevoelkerung anzuvertrauen – genug, Pompeius blieb im Osten und Caesar hatte die Wahl, den naechsten Angriff entweder gegen die Armee zu richten, die in Griechenland unter Pompeius’ eigenem Befehl sich organisierte, oder gegen die schlagfertige seiner Unterfeldherren in Spanien. Er hatte fuer das letztere sich entschieden und, sowie der italische Feldzug zu Ende ging, Massregeln getroffen, um neun seiner besten Legionen, ferner 6000 Reiter, teils in den Keltengauen von Caesar einzeln ausgesuchte Leute, teils deutsche Soeldner, und eine Anzahl iberischer und ligurischer Schuetzen an der unteren Rhone zusammenzuziehen.
Aber ebenhier waren auch seine Gegner taetig gewesen. Der vom Senat an Caesars Stelle zum Statthalter des Jenseitigen Galliens ernannte Lucius Domitius hatte von Corfinium aus, sowie Caesar ihn freigegeben, sich mit seinem Gesinde und mit Pompeius’ Vertrauensmann Lucius Vibullius Rufus nach Massalia auf den Weg gemacht und in der Tat die Stadt bestimmt, sich fuer Pompeius zu erklaeren, ja Caesars Truppen den Durchmarsch zu weigern. Von den spanischen Truppen blieben die zwei am wenigsten zuverlaessigen Legionen unter Varros Oberbefehl in der jenseitigen Provinz stehen; dagegen hatten die fuenf besten, verstaerkt durch 40000 Mann spanischen Fussvolks, teils keltiberischer Linieninfanterie, teils lusitanischer und anderer Leichten, und durch 5000 spanische Reiter, unter Afranius und Petreius, den durch Vibullius ueberbrachten Befehlen des Pompeius gemaess sich aufgemacht, um die Pyrenaeen dem Feinde zu sperren. Hierueber traf Caesar selbst in Gallien ein und entsandte sogleich, da die Einleitung der Belagerung von Massalia ihn selber noch zurueckhielt, den groessten Teil seiner an der Rhone versammelten Truppen, sechs Legionen und die Reiterei, auf der grossen, ueber Narbo (Narbonne) nach Rhode (Rosas) fuehrenden Chaussee, um an den Pyrenaeen dem Feinde zuvorzukommen. Es gelang; als Afranius und Petreius an den Paessen anlangten, fanden sie dieselben bereits besetzt von den Caesarianern und die Linie der Pyrenaeen verloren. Sie nahmen darauf zwischen diesen und dem Ebro eine Stellung bei Ilerda (Lerida). Diese Stadt liegt vier Meilen noerdlich vom Ebro an dem rechten Ufer eines Nebenflusses desselben, des Sicoris (Segre), ueber den nur eine einzige solide Bruecke unmittelbar bei Ilerda fuehrte. Suedlich von Ilerda treten die das linke Ufer des Ebro begleitenden Gebirge ziemlich nahe an die Stadt hinan; nordwaerts erstreckt sich zu beiden Seiten des Sicoris ebenes Land, das von dem Huegel, auf welchem die Stadt gebaut ist, beherrscht wird. Fuer eine Armee, die sich musste belagern lassen, war es eine vortreffliche Stellung; aber die Verteidigung Spaniens konnte, nachdem die Besetzung der Pyrenaeenlinie versaeumt war, doch nur hinter dem Ebro ernstlich aufgenommen werden, und da weder eine feste Verbindung zwischen Ilerda und dem Ebro hergestellt, noch dieser Fluss ueberbrueckt war, so war der Rueckzug aus der vorlaeufigen in die wahre Verteidigungsstellung nicht hinreichend gesichert. Die Caesarianer setzten sich oberhalb Ilerda in dem Delta fest, das der Fluss Sicoris mit dem unterhalb Ilerda mit ihm sich vereinigenden Cinga (Cinca) bildet; indes ward es mit dem Angriff erst Ernst, nachdem Caesar im Lager eingetroffen war (23. Juni). Unter den Mauern der Stadt ward von beiden Teilen gleich erbittert und gleich tapfer mit vielfach wechselndem Erfolg gekaempft; ihren Zweck aber: zwischen dem Pompeianischen Lager und der Stadt sich festzusetzen und dadurch der Steinbruecke sich zu bemaechtigen., erreichten die Caesarianer nicht und blieben also fuer ihre Kommunikation mit Gallien lediglich angewiesen auf zwei Bruecken, welche sie ueber den Sicoris und zwar, da der Fluss bei Ilerda selbst zu solcher Ueberbrueckung schon zu ansehnlich war, vier bis fuenf deutsche Meilen weiter oberwaerts in der Eile geschlagen hatten. Als dann mit der Schneeschmelze die Hochwasser kamen, wurden diese Notbruecken weggerissen; und da es an Schiffen fehlte, um die hochangeschwollenen Fluesse zu passieren, und unter diesen Umstaenden an Wiederherstellung der Bruecken zunaechst nicht gedacht werden konnte, so war die Caesarische Armee beschraenkt auf den schmalen Raum zwischen der Cinca und dem Sicoris, das linke Ufer des Sicoris aber und damit die Strasse, auf der die Armee mit Gallien und Italien kommunizierte, fast unverteidigt den Pompeianern preisgegeben, die den Fluss teils auf der Stadtbruecke, teils nach lusitanischer Art auf Schlaeuchen schwimmend passierten. Es war die Zeit kurz vor der Ernte; die alte Frucht war fast aufgebraucht, die neue noch nicht eingebracht und der enge Landstreif zwischen den beiden Baechen bald ausgezehrt. Im Lager herrschte foermliche Hungersnot – der preussische Scheffel Weizen kostete 300 Denare (90 Taler) – und brachen bedenkliche Krankheiten aus; dagegen haeufte am linken Ufer Proviant und die mannigfaltigste Zufuhr sich an, dazu Mannschaften aller Art: Nachschub aus Gallien von Reiterei und Schuetzen, beurlaubte Offiziere und Soldaten, heimkehrende Streifscharen, im ganzen eine Masse von 6000 Koepfen, welche von den Pompeianern mit ueberlegener Macht angegriffen und mit grossem Verlust in die Berge gedraengt wurden, waehrend die Caesarianer am rechten Ufer dem ungleichen Gefecht untaetig zusehen mussten. Die Verbindungen der Armee waren in den Haenden der Pompeianer; in Italien blieben die Nachrichten aus Spanien ploetzlich aus, und die bedenklichen Geruechte, die dort umzulaufen begannen, waren von der Wahrheit nicht allzuweit entfernt. Haetten die Pompeianer ihren Vorteil mit einigem Nachdruck verfolgt, so konnte es ihnen nicht fehlen, die auf dem linken Ufer des Sicoris zusammengedraengte, kaum widerstandsfaehige Masse entweder in ihre Gewalt zu bringen oder wenigstens nach Gallien zurueckzuwerfen und dies Ufer so vollstaendig zu besetzen, dass ohne ihr Wissen kein Mann den Fluss ueberschritt. Allein beides war versaeumt worden; jene Haufen waren wohl mit Verlust beiseite gedraengt, aber doch weder vernichtet noch voellig zurueckgeworfen worden, und die Ueberschreitung des Flusses zu wehren, ueberliess man wesentlich dem Flusse selbst. Hierauf baute Caesar seinen Plan. Er liess tragbare Kaehne von leichtem Holzgestell und Korbgeflecht mit lederner Bekleidung, nach dem Muster der im Kanal bei den Briten und spaeter den Sachsen ueblichen, im Lager anfertigen und sie auf Wagen an den Punkt, wo die Bruecken gestanden hatten, transportieren. Auf diesen gebrechlichen Nachen wurde das andere Ufer erreicht und, da man es unbesetzt fand, ohne grosse Schwierigkeit die Bruecke wiederhergestellt; rasch war dann auch die Verbindungsstrasse freigemacht und die sehnlich erwartete Zufuhr in das Lager geschafft. Caesars gluecklicher Einfall riss also das Heer aus der ungeheuren Gefahr, in der es schwebte. Sofort begann dann Caesars an Tuechtigkeit der feindlichen weit ueberlegene Reiterei, die Landschaft am linken Ufer des Sicoris zu durchstreifen; schon traten die ansehnlichsten spanischen Gemeinden zwischen den Pyrenaeen und dem Ebro, Osca, Tarraco, Dertosa und andere, ja selbst einzelne suedlich vom Ebro auf Caesars Seite. Durch die Streiftrupps Caesars und die Uebertritte der benachbarten Gemeinden wurde nun den Pompeianern die Zufuhr knapp; sie entschlossen sich endlich zum Rueckzug hinter die Ebrolinie und gingen eiligst daran, unterhalb der Sicorismuendung eine Schiffbruecke ueber den Ebro zu schlagen. Caesar suchte den Gegnern den Rueckweg ueber den Ebro abzuschneiden und sie in Ilerda festzuhalten; allein solange die Feinde im Besitz der Bruecke bei Ilerda blieben und er dort weder Furt noch Bruecken in seiner Gewalt hatte, durfte er seine Armee nicht auf die beiden Flussufer verteilen und konnte Ilerda nicht einschliessen. Seine Soldaten schanzten also Tag und Nacht, um durch Abzugsgraeben den Fluss so viel tiefer zu legen, dass die Infanterie ihn durchwaten koenne. Aber die Vorbereitungen der Pompeianer, den Ebro zu passieren, kamen frueher zu Ende als die Anstalten der Caesarianer zur Einschliessung von Ilerda; als jene nach Vollendung der Schiffbruecke den Marsch nach dem Ebro zu am linken Ufer des Sicoris antraten, schienen die Ableitungsgraeben der Caesarianer dem Feldherrn doch nicht weit genug vorgerueckt, um die Furt fuer die Infanterie zu benutzen; nur seine Reiter liess er den Strom passieren und, dem Feinde an die Fersen sich heftend, wenigstens ihn aufhalten und schaedigen. Allein als Caesars Legionen am grauenden Morgen die seit Mitternacht abziehenden feindlichen Kolonnen erblickten, begriffen sie mit der instinktmaessigen Sicherheit krieggewohnter Veteranen die strategische Bedeutung dieses Rueckzugs, der sie noetigte, dem Gegner in ferne, unwegsame und von feindlichen Scharen erfuellte Landschaften zu folgen; auf ihre eigene Bitte wagte es der Feldherr, auch das Fussvolk in den Fluss zu fuehren, und obwohl den Leuten das Wasser bis an die Schultern ging, ward er doch ohne Unfall durchschritten. Es war die hoechste Zeit. Wenn die schmale Ebene, welche die Stadt Ilerda von den den Ebro einfassenden Gebirgen trennt, einmal durchschritten und das Heer der Pompeianer in die Berge eingetreten war, so konnte der Rueckzug an den Ebro ihnen nicht mehr verwehrt werden. Schon hatten dieselben, trotz der bestaendigen, den Marsch ungemein verzoegernden Angriffe der feindlichen Reiterei, den Bergen sich bis auf eine Meile genaehert, als sie, seit Mitternacht auf dem Marsche und unsaeglich erschoepft, ihren urspruenglichen Plan, die Ebene noch an diesem Tage ganz zu durchschreiten, aufgaben und Lager schlugen. Hier holte Caesars Infanterie sie ein und lagerte am Abend und in der Nacht ihnen gegenueber, indem der anfaenglich beabsichtigte naechtliche Weitermarsch von den Pompeianern aus Furcht vor den naechtlichen Angriffen der Reiterei wieder aufgegeben ward. Auch am folgenden Tage standen beide Heere unbeweglich, nur beschaeftigt, die Gegend zu rekognoszieren. Am fruehen Morgen des dritten brach Caesars Fussvolk auf, um, durch die pfadlosen Berge zur Seite der Strasse die Stellung der Feinde umgehend, ihnen den Weg zum Ebro zu verlegen. Der Zweck des seltsamen Marsches, der anfangs in das Lager vor Ilerda sich zurueckzuwenden schien, ward von den Pompeianischen Offizieren nicht sogleich erkannt. Als sie ihn fassten, opferten sie Lager und Gepaeck und rueckten im Gewaltmarsch auf der Hauptstrasse vor, um den Uferkamm vor den Caesarianern zu gewinnen. Indes es war bereits zu spaet; schon hielten, als sie herankamen, auf der grossen Strasse selbst die geschlossenen Massen des Feindes. Ein verzweifelter Versuch der Pompeianer, ueber die Bergsteile andere Wege zum Ebro ausfindig zu machen, ward von Caesars Reiterei vereitelt, welche die dazu vorgesandten lusitanischen Truppen umzingelte und zusammenhieb. Waere es zwischen der Pompeianischen Armee, die die feindlichen Reiter im Ruecken, das Fussvolk von vorne sich gegenueber hatte und gaenzlich demoralisiert war, und den Caesarianern zu einer Schlacht gekommen, so war deren Ausgang kaum zweifelhaft, und die Gelegenheit zum Schlagen bot mehrfach sich dar; aber Caesar machte keinen Gebrauch davon und zuegelte nicht ohne Muehe die ungeduldige Kampfeslust seiner siegesgewissen Soldaten. Die Pompeianische Armee war ohnehin strategisch verloren; Caesar vermied es, durch nutzloses Blutvergiessen sein Heer zu schwaechen und die arge Fehde noch weiter zu vergiften. Schon am Tage, nachdem es gelungen war, die Pompeianer vom Ebro abzuschneiden, hatten die Soldaten der beiden Heere miteinander angefangen zu fraternisieren und wegen der Uebergabe zu unterhandeln, ja es waren bereits die von den Pompeianern geforderten Bedingungen, namentlich Schonung der Offiziere, von Caesar zugestanden worden, als Petreius mit seiner aus Sklaven und Spaniern bestehenden Eskorte ueber die Unterhaendler zukam und die Caesarianer, deren er habhaft ward, niedermachen liess. Caesar sandte dennoch die zu ihm in das Lager gekommenen Pompeianer ungeschaedigt zurueck und beharrte dabei, eine friedliche Loesung zu suchen. Ilerda, wo die Pompeianer noch Besatzung und ansehnliche Magazine hatten, ward jetzt das Ziel ihres Marsches; allein vor sich das feindliche Heer und zwischen sich und der Festung den Sicoris, marschierten sie, ohne ihrem Ziele naeher zu kommen. Ihre Reiterei ward allmaehlich so eingeschuechtert, dass das Fussvolk sie in die Mitte nehmen und Legionen in die Nachhut gestellt werden mussten; die Beschaffung von Wasser und Fourage ward immer schwieriger; schon musste man die Lasttiere niederstossen, da man sie nicht ernaehren konnte. Endlich fand die umherirrende Armee sich foermlich eingeschlossen, den Sicoris im Ruecken, vor sich das feindliche Heer, das Wall und Graben um sie herumzog. Sie versuchte den Fluss zu ueberschreiten, aber Caesars deutsche Reiter und leichte Infanterie kamen in der Besetzung des entgegenstehenden Ufers ihr zuvor. Alle Tapferkeit und alle Treue konnten die unvermeidliche Kapitulation nicht laenger abwenden (2. August 705 49). Caesar gewaehrte nicht bloss Offizieren und Soldaten Leben und Freiheit und sowohl den Besitz der ihnen noch gebliebenen Habe wie auch die Zurueckgabe der bereits ihnen abgenommenen, deren vollen Wert er selber seinen Soldaten zu erstatten uebernahm, sondern waehrend er die in Italien gefangenen Rekruten zwangsweise in seine Armee eingereiht hatte, ehrte er diese alten Legionaere des Pompeius durch die Zusage, dass keiner wider seinen Willen genoetigt werden solle, in sein Heer einzutreten. Er forderte nur, dass ein jeder die Waffen abgebe und sich in seine Heimat verfuege. Demgemaess wurden die aus Spanien gebuertigen Soldaten, etwa der dritte Teil der Armee, sogleich, die italischen an der Grenze des Jen- und Diesseitigen Galliens verabschiedet.
Das Diesseitige Spanien fiel mit der Aufloesung dieser Armee von selbst in die Gewalt des Siegers. Im Jenseitigen, wo Marcus Varro fuer Pompeius den Oberbefehl fuehrte, schien es diesem, als er die Katastrophe von Ilerda erfuhr, das raetlichste, sich in die Inselstadt Gades zu werfen und die betraechtlichen Summen, die er durch Einziehung der Tempelschaetze und der Vermoegen angesehener Caesarianer zusammengebracht hatte, die nicht unbedeutende von ihm aufgestellte Flotte und die ihm anvertrauten zwei Legionen dorthin in Sicherheit zu bringen. Allein auf das blosse Geruecht von Caesars Ankunft erklaerten die namhaftesten Staedte der Caesar seit langem anhaenglichen Provinz sich fuer diesen und verjagten die Pompeianischen Besatzungen oder bestimmten sie zu gleichem Abfall: so Corduba, Carmo und Gades selbst. Auch eine der Legionen brach auf eigene Hand nach Hispalis auf und trat mit dieser Stadt zugleich auf Caesars Seite. Als endlich selbst Italica dem Varro die Tore sperrte, entschloss dieser sich zu kapitulieren.
Ungefaehr gleichzeitig unterwarf sich auch Massalia. Mit seltener Energie hatten die Massalioten nicht bloss die Belagerung ertragen, sondern auch die See gegen Caesar behauptet; es war ihr heimisches Element und sie durften hoffen, auf diesem kraeftige Unterstuetzung von Pompeius zu empfangen, welcher ja das Meer ausschliesslich beherrschte. Indes Caesars Unterfeldherr, der tuechtige Decimus Brutus, derselbe, der ueber die Veneter den ersten Seesieg im Ozean erfochten hatte, wusste rasch eine Flotte herzustellen und, trotz der wackeren Gegenwehr der feindlichen, teils aus albioekischen Soldknechten der Massalioten, teils aus Hirtensklaven des Domitius bestehenden Flottenmannschaft, durch seine tapferen, aus den Legionen auserlesenen Schiffssoldaten die staerkere massaliotische Flotte zu ueberwinden und die groessere Haelfte der Schiffe zu versenken oder zu erobern. Als dann ein kleines Pompeianisches Geschwader unter Lucius Nasidius aus dem Osten ueber Sizilien und Sardinien im Hafen von Massalia eintraf, erneuerten die Massalioten noch einmal ihre Seeruestung und liefen zugleich mit den Schiffendes Nasidius gegen Brutus aus. Haetten in dem Treffen, das auf der Hoehe von Tauroeis (La Ciotat, oestlich von Marseille) geschlagen ward, die Schiffe des Nasidius mit demselben verzweifelten Mut gestritten, den die massaliotischen an diesem Tage bewiesen, so moechte das Ergebnis desselben wohl ein verschiedenes gewesen sein; allein die Flucht der Nasidianer entschied den Sieg fuer Brutus und die Truemmer der Pompeianischen Flotte fluechteten nach Spanien. Die Belagerten waren von der See vollstaendig verdraengt. Auf der Landseite, wo Gaius Trebonius die Belagerung leitete, ward auch nachher noch die entschlossenste Gegenwehr fortgesetzt; allein trotz der haeufigen Ausfaelle der albioekischen Soeldner und der geschickten Verwendung der ungeheuren, in der Stadt aufgehaeuften Geschuetzvorraete rueckten endlich doch die Arbeiten der Belagerer bis an die Mauer vor und einer der Tuerme stuerzte zusammen. Die Massalioten erklaerten, dass sie die Verteidigung aufgaeben, aber mit Caesar selbst die Kapitulation abzuschliessen wuenschten, und ersuchten den roemischen Befehlshaber, bis zu Caesars Ankunft die Belagerungsarbeiten einzustellen. Trebonius hatte von Caesar gemessenen Befehl, die Stadt so weit irgend moeglich zu schonen; er gewaehrte den erbetenen Waffenstillstand. Allein da die Massalioten ihn zu einem tueckischen Ausfall benutzten, in dem sie die eine Haelfte der fast unbewachten roemischen Werke vollstaendig niederbrannten, begann von neuem und mit gesteigerter Erbitterung der Belagerungskampf. Der tuechtige Befehlshaber der Roemer stellte mit ueberraschender Schnelligkeit die vernichteten Tuerme und den Damm wieder her; bald waren die Massalioten abermals vollstaendig eingeschlossen. Als Caesar, von der Unterwerfung Spaniens zurueckkehrend, vor ihrer Stadt ankam, fand er dieselbe teils durch die feindlichen Angriffe, teils durch Hunger und Seuchen aufs Aeusserste gebracht und zum zweitenmal, und diesmal ernstlich, bereit, auf jede Bedingung zu kapitulieren. Nur Domitius, der schmaehlich missbrauchten Nachsicht des Siegers eingedenk, bestieg einen Nachen und schlich sich durch die roemische Flotte, um fuer seinen unversoehnlichen Groll ein drittes Schlachtfeld zu suchen. Caesars Soldaten hatten geschworen, die ganze maennliche Bevoelkerung der treubruechigen Stadt ueber die Klinge springen zu lassen und forderten mit Ungestuem von dem Feldherrn das Zeichen zur Pluenderung. Allein Caesar, seiner grossen Aufgabe, die hellenisch-italische Zivilisation im Westen zu begruenden auch hier eingedenk, liess sich nicht zwingen, zu der Zerstoerung Korinths die Fortsetzung zu liefern. Massalia, von jenen einst so zahlreichen freien und seemaechtigen Staedten der alten ionischen Schiffernation die von der Heimat am weitesten entfernte und fast die letzte, in der das hellenische Seefahrerleben noch rein und frisch sich erhalten hatte, wie denn auch die letzte griechische Stadt, die zur See geschlagen hat – Massalia musste zwar seine Waffen- und Flottenvorraete an den Sieger abliefern und verlor einen Teil seines Gebietes und seiner Privilegien, aber behielt seine Freiheit und seine Nationalitaet und blieb, wenn auch materiell in geschmaelerten Verhaeltnissen, doch geistig nach wie vor der Mittelpunkt der hellenischen Kultur in der fernen, eben jetzt zu neuer geschichtlicher Bedeutung gelangenden keltischen Landschaft. Waehrend also in den westlichen Landschaften der Krieg nach manchen bedenklichen Wechselfaellen schliesslich sich durchaus zu Caesars Gunsten entschied und Spanien und Massalia unterworfen, die feindliche Hauptarmee bis auf den letzten Mann gefangengenommen wurde, hatte auch auf dem zweiten Kriegsschauplatze, auf welchem Caesar es notwendig gefunden, sofort nach der Eroberung Italiens die Offensive zu ergreifen, die Waffenentscheidung stattgefunden.
Es ward schon gesagt, dass die Pompeianer die Absicht hatten, Italien auszuhungern. Die Mittel dazu hatten sie in Haenden. Sie beherrschten die See durchaus und arbeiteten allerorts, in Gades, Utica, Messana, vor allem im Osten, mit grossem Eifer an der Vermehrung ihrer Flotte; sie hatten ferner die saemtlichen Provinzen inne, aus denen die Hauptstadt ihre Subsistenzmittel zog: Sardinien und Korsika durch Marcus Cotta, Sizilien durch Marcus Cato, Afrika durch den selbst ernannten Oberfeldherrn Titus Attius Varus und ihren Verbuendeten, den Koenig Juba von Numidien. Es war fuer Caesar unumgaenglich noetig, diese Plaene des Feindes zu durchkreuzen und demselben die Getreideprovinzen zu entreissen. Quintus Valerius ward mit einer Legion nach Sardinien gesandt und zwang den Pompeianischen Statthalter, die Insel zu raeumen. Die wichtigere Unternehmung, Sizilien und Afrika dem Feinde abzunehmen, wurde unter Beistand des tuechtigen und kriegserfahrenen Gaius Caninius Rebilus dem jungen Gaius Curio anvertraut. Sizilien ward von ihm ohne Schwertstreich besetzt; Cato, ohne rechte Armee und kein Mann des Degens, raeumte die Insel, nachdem er in seiner rechtschaffenen Art die Sikelioten vorher gewarnt hatte, sich nicht durch unzulaenglichen Widerstand nutzlos zu kompromittieren. Curio liess zur Deckung dieser fuer die Hauptstadt so wichtigen Insel die Haelfte seiner Truppen zurueck und schiffte sich mit der anderen, zwei Legionen und 500 Reitern, nach Afrika ein. Hier durfte er erwarten, ernsteren Widerstand zu finden: ausser der ansehnlichen und in ihrer Art tuechtigen Armee Jubas hatte der Statthalter Varus aus den in Afrika ansaessigen Roemern zwei Legionen gebildet und auch ein kleines Geschwader von zehn Segeln aufgestellt. Mit Hilfe seiner ueberlegenen Flotte bewerkstelligte indes Curio ohne Schwierigkeit die Landung zwischen Hadrumetum, wo die eine Legion der Feinde nebst ihren Kriegsschiffen, und Utica, vor welcher Stadt die zweite Legion unter Varus selbst stand. Curio wandte sich gegen die letztere und schlug sein Lager unweit Utica, ebenda, wo anderthalb Jahrhunderte zuvor der aeltere Scipio sein erstes Winterlager in Afrika genommen hatte. Caesar, genoetigt, seine Kerntruppen fuer den Spanischen Krieg zusammenzuhalten, hatte die sizilisch-afrikanische Armee groesstenteils aus den vom Feind uebernommenen Legionen, namentlich den Kriegsgefangenen von Corfinium, zusammensetzen muessen; die Offiziere der Pompeianischen Armee in Afrika, die zum Teil bei denselben in Corfinium ueberwundenen Legionen gestanden hatten, liessen jetzt kein Mittel unversucht, ihre alten, nun gegen sie fechtenden Soldaten zu ihrem ersten Eidschwur wieder zurueckzubringen. Indes Caesar hatte in seinem Stellvertreter sich nicht vergriffen. Curio verstand es, ebensowohl die Bewegung des Heeres und der Flotte zu lenken, als auch persoenlichen Einfluss auf die Soldaten zu gewinnen; die Verpflegung war reichlich, die Gefechte ohne Ausnahme gluecklich. Als Varus, in der Voraussetzung, dass es den Truppen Curios an Gelegenheit fehlte, auf seine Seite ueberzugehen, hauptsaechlich, um ihnen diese zu verschaffen, sich entschloss, eine Schlacht zu liefern, rechtfertigte der Erfolg seine Erwartungen nicht. Begeistert durch die feurige Ansprache ihres jugendlichen Fuehrers schlugen Curios Reiter die feindlichen in die Flucht und saebelten im Angesichte beider Heere die mit den Reitern ausgerueckte leichte Infanterie der Feinde nieder; und ermutigt durch diesen Erfolg und durch Curios persoenliches Beispiel, gingen auch seine Legionen durch die schwierige, die beiden Linien trennende Talschlucht vor zum Angriff, den die Pompeianer aber nicht erwarteten, sondern schimpflich in ihr Lager zurueckflohen und auch dies die Nacht darauf raeumten. Der Sieg war so vollstaendig, dass Curio sofort dazu schritt, Utica zu belagern. Als indes die Meldung eintraf, dass Koenig Juba mit seiner gesamten Heeresmacht zum Entsatz heranrueckte, entschloss sich Curio, ebenwie bei Syphax’ Eintreffen Scipio getan, die Belagerung aufzuheben und in Scipios ehemaliges Lager zurueckzugehen, bis aus Sizilien Verstaerkung nachkommen werde. Bald darauf lief ein zweiter Bericht ein, dass Koenig Juba durch Angriffe seiner Nachbarfuersten veranlasst worden sei, mit seiner Hauptmacht wieder umzukehren, und den Belagerten nur ein maessiges Korps unter Saburra zur Hilfe sende. Curio, der bei seinem lebhaften Naturell nur sehr ungern sich entschlossen hatte zu rasten, brach nun sofort wieder auf, um mit Saburra zu schlagen, bevor derselbe mit der Besatzung von Utica in Verbindung treten koenne. Seiner Reiterei, die am Abend voraufgegangen war, gelang es in der Tat, das Korps des Saburra am Bagradas bei naechtlicher Weile zu ueberraschen und uebel zuzurichten; und auf diese Siegesbotschaft beschleunigte Curio den Marsch der Infanterie, um durch sie die Niederlage zu vollenden. Bald erblickte man auf den letzten Abhaengen der gegen den Bagradas sich senkenden Anhoehen das Korps des Saburra, das mit den roemischen Reitern sich herumschlug; die heranrueckenden Legionen halfen, dasselbe voellig in die Ebene hinabdraengen. Allein hier wendete sich das Gefecht. Saburra stand nicht, wie man meinte, ohne Rueckhalt, sondern nicht viel mehr als eine deutsche Meile entfernt von der numidischen Hauptmacht. Bereits trafen der Kern des numidischen Fussvolks und 2000 gallische und spanische Reiter auf dem Schlachtfeld ein, um Saburra zu unterstuetzen, und der Koenig selbst mit dem Gros der Armee und sechzehn Elefanten war im Anmarsch. Nach dem Nachtmarsch und dem hitzigen Gefecht waren von den roemischen Reitern augenblicklich nicht viel ueber 200 beisammen, und diese sowie die Infanterie von den Strapazen und dem Fechten aufs aeusserste erschoepft, alle in der weiten Ebene, in die man sich hatte verlocken lassen, rings eingeschlossen von den bestaendig sich mehrenden feindlichen Scharen. Vergeblich suchte Curio, handgemein zu werden; die libyschen Reiter wichen, wie sie pflegten, sowie eine roemische Abteilung vorging, um, wenn sie umkehrte, sie zu verfolgen. Vergeblich versuchte er, die Hoehen wiederzugewinnen; sie wurden von den feindlichen Reitern besetzt und versperrt. Es war alles verloren. Das Fussvolk ward niedergehauen bis auf den letzten Mann. Von der Reiterei gelang es einzelnen sich durchzuschlagen; und Curio haette wohl sich zu retten vermocht, aber er ertrug es nicht, ohne das ihm anvertraute Heer allein vor seinem Herrn zu erscheinen, und starb mit dem Degen in der Hand. Selbst die Mannschaft, die im Lager vor Utica sich zusammenfand, und die Flottenbesatzung, die sich so leicht nach Sizilien haette retten koennen, ergaben sich unter dem Eindruck der fuerchterlich raschen Katastrophe den Tag darauf an Varus (August oder September 705 49).
So endigte die von Caesar angeordnete sizilisch-afrikanische Expedition. Sie erreichte insofern ihren Zweck, als durch die Besetzung Siziliens in Verbindung mit der von Sardinien wenigstens dem dringendsten Beduerfnis der Hauptstadt abgeholfen ward; die vereitelte Eroberung Afrikas, aus welcher die siegende Partei keinen weiteren wesentlichen Gewinn zog, und der Verlust zweier unzuverlaessiger Legionen liessen sich verschmerzen. Aber ein unersetzlicher Verlust fuer Caesar, ja fuer Rom, war Curios frueher Tod. Nicht ohne Ursache hatte Caesar dem militaerisch unerfahrenen und wegen seines Lotterlebens berufenen jungen Mann das wichtigste selbstaendige Kommando anvertraut; es war ein Funken von Caesars eigenem Geist in dem feurigen Juengling. Auch er hatte wie Caesar den Becher der Lust bis auf die Hefen geleert; auch er ward nicht darum Staatsmann, weil er Offizier war, sondern es gab seine politische Taetigkeit ihm das Schwert in die Hand; auch seine Beredsamkeit war nicht die der gerundeten Perioden, sondern die Beredsamkeit des tief empfundenen Gedankens; auch seine Kriegfuehrung ruhte auf dem raschen Handeln mit geringen Mitteln; auch sein Wesen war Leichtigkeit und oft Leichtfertigkeit, anmutige Offenherzigkeit und volles Leben im Augenblick. Wenn, wie sein Feldherr von ihm sagt, Jugendfeuer und hoher Mut ihn zu Unvorsichtigkeiten hinrissen und wenn er, um nicht einen verzeihlichen Fehler sich verzeihen zu lassen, allzu stolz den Tod nahm, so fehlen Momente gleicher Unvorsichtigkeit und gleichen Stolzes auch in Caesars Geschichte nicht. Man darf es beklagen, dass es dieser uebersprudelnden Natur nicht vergoennt war, auszuschaeumen und sich aufzubewahren fuer die folgende, an Talenten so bettelarme, dem schrecklichen Regiment der Mittelmaessigkeiten so rasch verfallende Generation. Inwiefern diese Kriegsvorgaenge des Jahres 705 (49) in Pompeius’ allgemeinen Feldzugsplan eingriffen, namentlich welche Rolle in diesem nach dem Verlust Italiens den wichtigen Heereskoerpern im Westen zugeteilt war, laesst sich nur vermutungsweise bestimmen. Dass Pompeius die Absicht gehabt, seinem in Spanien fechtenden Heer zu Lande ueber Afrika und Mauretanien zu Hilfe zu kommen, war nichts als ein im Lager von Ilerda umherlaufendes abenteuerliches und ohne Zweifel durchaus grundloses Geruecht. Viel wahrscheinlicher ist es, dass er bei seinem frueheren Plan, Caesar im Dies- und Jenseitigen Gallien von zwei Seiten anzugreifen, selbst nach dem Verlust von Italien noch beharrte und einen kombinierten Angriff zugleich von Spanien und Makedonien aus beabsichtigte. Vermutlich sollte die spanische Armee so lange an den Pyrenaeen sich defensiv verhalten, bis die in der Organisation begriffene makedonische gleichfalls marschfaehig war; worauf dann beide zugleich aufgebrochen sein und, je nach den Umstaenden, entweder an der Rhone oder am Po sich die Hand gereicht, auch die Flotte vermutlich gleichzeitig versucht haben wuerde, das eigentliche Italien zurueckzuerobern. In dieser Voraussetzung, wie es scheint, hatte Caesar zunaechst sich darauf gefasst gemacht, einem Angriff auf Italien zu begegnen. Einer der tuechtigsten seiner Offiziere, der Volkstribun Marcus Antonius, befehligte hier mit propraetorischer Gewalt. Die suedoestlichen Haefen Sipus, Brundisium, Tarent, wo am ersten ein Landungsversuch zu erwarten war, hatten eine Besatzung von drei Legionen erhalten. Ausserdem zog Quintus Hortensius, des bekannten Redners ungeratener Sohn, eine Flotte im Tyrrhenischen, Publius Dolabella eine zweite im Adriatischen Meere zusammen, welche teils die Verteidigung unterstuetzten, teils fuer die bevorstehende Ueberfahrt nach Griechenland mitverwandt werden sollten. Falls Pompeius versuchen wuerde, zu Lande in Italien einzudringen, hatten Marcus Licinius Crassus, der aelteste Sohn des alten Kollegen Caesars, die Verteidigung des Diesseitigen Galliens, des Marcus Antonius juengerer Bruder Gaius die von Illyricum zu leiten. Indes der vermutete Angriff liess lange auf sich warten. Erst im Hochsommer des Jahres ward man in Illyrien handgemein. Hier stand Caesars Statthalter Gaius Antonius mit seinen zwei Legionen auf der Insel Curicta (Veglia, im Golf von Quarnero), Caesars Admiral Publius Dolabella mit 40 Schiffen in dem schmalen Meerarm zwischen dieser Insel und dem Festland. Das letztere Geschwader griffen Pompeius’ Flottenfuehrer im Adriatischen Meer, Marcus Octavius mit der griechischen, Lucius Scribonius Libo mit der illyrischen Flottenabteilung an, vernichteten saemtliche Schiffe Dolabellas und schnitten Antonius auf seiner Insel ab. Ihn zu retten, kamen aus Italien ein Korps unter Basilus und Sallustius und das Geschwader des Hortensius aus dem Tyrrhenischen Meer; allein weder jenes noch dieses vermochten der weit ueberlegenen feindlichen Flotte etwas anzuhaben. Die Legionen des Antonius mussten ihrem Schicksal ueberlassen werden. Die Vorraete gingen zu Ende, die Truppen wurden schwierig und meuterisch; mit Ausnahme weniger Abteilungen, denen es gelang, auf Floessen das Festland zu erreichen, streckte das Korps, immer noch fuenfzehn Kohorten stark, die Waffen und ward auf den Schiffen Libos nach Makedonien gefuehrt, um dort in die Pompeianische Armee eingereiht zu werden, waehrend Octavius zurueckblieb, um die Unterwerfung der von Truppen entbloessten illyrischen Kueste zu vollenden. Die Delmater, jetzt in diesen Gegenden die bei weitem maechtigste Voelkerschaft, die wichtige Inselstadt Issa (Lissa) und andere Ortschaften ergriffen die Partei des Pompeius; allein die Anhaenger Caesars behaupteten sich in Salome (Spalato) und Lissos (Alessio) und hielten in der ersteren Stadt nicht bloss die Belagerung mutig aus, sondern machten, als sie aufs Aeusserste gebracht waren, einen Ausfall mit solchem Erfolg, dass Octavius die Belagerung aufhob und nach Dyrrhachion abfuhr, um dort zu ueberwintern. Dieser in Illyricum von der Pompeianischen Flotte erfochtene Erfolg, obwohl an sich nicht unbedeutend, wirkte doch auf den Gesamtgang des Feldzuges wenig ein; und zwerghaft gering erscheint er, wenn man erwaegt, dass die Verrichtungen der unter Pompeius’ Oberbefehl stehenden Land- und Seemacht waehrend des ganzen ereignisreichen Jahres 705 (49) sich auf diese einzige Waffentat beschraenkten und dass vom Osten her, wo der Feldherr, der Senat, die zweite grosse Armee, die Hauptflotte, ungeheure militaerische und noch ausgedehntere finanzielle Hilfsmittel der Gegner Caesars vereinigt waren, da, wo es not tat, in jenen allentscheidenden Kampf im Westen gar nicht eingegriffen ward. Der aufgeloeste Zustand der in der oestlichen Haelfte des Reiches befindlichen Streitkraefte, die Methode des Feldherrn, nie anders als mit ueberlegenen Massen zu operieren, seine Schwerfaelligkeit und Weitschichtigkeit und die Zerfahrenheit der Koalition mag vielleicht die Untaetigkeit der Landmacht zwar nicht entschuldigen, aber doch einigermassen erklaeren; aber dass die Flotte, die doch ohne Nebenbuhler das Mittelmeer beherrschte, so gar nichts tat, um den Gang der Dinge bestimmen zu helfen, nichts fuer Spanien, so gut wie nichts fuer die treuen Massalioten, nichts, um Sardinien, Sizilien, Afrika zu verteidigen und Italien wo nicht wieder zu besetzen, doch wenigstens ihm die Zufuhr abzusperren – das macht an unsere Vorstellungen von der im Pompeianischen Lager herrschenden Verwirrung und Verkehrtheit Ansprueche, denen wir nur mit Muehe zu genuegen vermoegen.
Das Gesamtresultat dieses Feldzugs war entsprechend. Caesars doppelte Offensive gegen Spanien und gegen Sizilien und Afrika war dort vollstaendig, hier wenigstens teilweise gelungen; dagegen ward Pompeius’ Plan, Italien auszuhungern, durch die Wegnahme Siziliens in der Hauptsache, sein allgemeiner Feldzugsplan durch die Vernichtung der spanischen Armee vollstaendig vereitelt; und in Italien waren Caesars Verteidigungsanstalten nur zum kleinsten Teil zur Verwendung gekommen. Trotz der empfindlichen Verluste in Afrika und Illyrien ging doch Caesar in der entschiedensten und entscheidendsten Weise aus diesem ersten Kriegsjahr als Sieger hervor.
Wenn indes vom Osten aus nichts Wesentliches geschah, um Caesar an der Unterwerfung des Westens zu hindern, so arbeitete man doch wenigstens dort in der so schmaehlich gewonnenen Frist daran, sich politisch und militaerisch zu konsolidieren. Der grosse Sammelplatz der Gegner Caesars ward Makedonien. Dorthin begab sich Pompeius selbst und die Masse der brundisinischen Emigranten; dorthin die uebrigen Fluechtlinge aus dem Westen: Marcus Cato aus Sizilien, Lucius Domitius von Massalia; namentlich aber aus Spanien eine Menge der besten Offiziere und Soldaten der aufgeloesten Armee, an der Spitze ihre Feldherrn Afranius und Varro. In Italien ward die Emigration unter den Aristokraten allmaehlich nicht bloss Ehren-, sondern fast Modesache, und neuen Schwung erhielt sie durch die unguenstigen Nachrichten, die ueber Caesars Lage vor Ilerda eintrafen; auch von den laueren Parteigenossen und den politischen Achseltraegern kamen nach und nach nicht wenige an, und selbst Marcus Cicero ueberzeugte sich endlich, dass er seiner Buergerpflicht nicht ausreichend damit genuege, wenn er eine Abhandlung ueber die Eintracht schreibe. Der Emigrantensenat in Thessalonike, wo das offizielle Rom seinen interimistischen Sitz aufschlug, zaehlte gegen 200 Mitglieder, darunter manche hochbejahrte Greise und fast saemtliche Konsulare. Aber freilich waren es Emigranten. Auch dieses roemische Koblenz stellte die hohen Ansprueche und duerftigen Leistungen der vornehmen Welt Roms, ihre unzeitigen Reminiszenzen und unzeitigeren Rekriminationen, ihre politischen Verkehrtheiten und finanziellen Verlegenheiten in klaeglicher Weise zur Schau. Es war das wenigste, dass man, waehrend der alte Bau zusammensank, mit der peinlichsten Wichtigkeit jeden alten Schnoerkel und Rostfleck der Verfassung in Obacht nahm: am Ende war es bloss laecherlich, wenn es den vornehmen Herren Gewissensskrupel machte, ausserhalb des geheiligten staedtischen Bodens ihre Ratversammlung Senat zu heissen und sie vorsichtig sich die “Dreihundert” titulierten ^4; oder wenn man weitlaeufige staatsrechtliche Untersuchungen anstellte, ob und wie ein Kuriatgesetz von Rechts wegen sich anderswo zustande bringen lasse als im roemischen Mauerring. Weit schlimmer war die Gleichgueltigkeit der Lauen und die bornierte Verbissenheit der Ultras. Jene waren weder zum Handeln zu bringen noch auch nur zum Schweigen. Wurden sie aufgefordert, in einer bestimmten Weise fuer das gemeine Beste taetig zu sein, so betrachteten sie, mit der schwachen Leuten eigenen Inkonsequenz, jedes solche Ansinnen als einen boeswilligen Versuch, sie noch weiter zu kompromittieren und taten das Befohlene gar nicht oder mit halbem Herzen. Dabei aber fielen sie natuerlich mit ihrem verspaeteten Besserwissen und ihren superklugen Unausfuehrbarkeiten den Handelnden bestaendig zur Last; ihr Tagewerk bestand darin, jeden kleinen und grossen Vorgang zu bekritteln, zu bespoetteln und zu beseufzen und durch ihre eigene Laessigkeit und Hoffnungslosigkeit die Menge abzuspannen und zu entmutigen. Wenn hier die Atome der Schwaeche zu schauen war, so stand dagegen deren Hypertonie bei den Ultras in voller Bluete. Hier hatte man es kein Hehl, dass die Vorbedingung fuer jede Friedensverhandlung die Ueberbringung von Caesars Kopf sei: jeder der Friedensversuche, die Caesar auch jetzt noch wiederholentlich machte, ward unbesehen von der Hand gewiesen oder nur benutzt, um auf heimtueckische Weise den Beauftragten des Gegners nach dem Leben zu stellen. Dass die erklaerten Caesarianer samt und sonders Leben und Gut verwirkt hatten, verstand sich von selbst; aber auch den mehr oder minder Neutralen ging es wenig besser. Lucius Domitius, der Held von Corfinium, machte im Kriegsrat alles Ernstes den Vorschlag, diejenigen Senatoren, die im Heer des Pompeius gefochten haetten, ueber alle, die entweder neutral geblieben oder zwar emigriert, aber nicht in das Heer eingetreten seien, abstimmen zu lassen und diese einzeln je nach Befinden freizusprechen oder mit Geldbusse oder auch mit dem Verlust des Lebens und des Vermoegens zu bestrafen. Ein anderer dieser Ultras erhob bei Pompeius gegen Lucius Afranius wegen seiner mangelhaften Verteidigung Spaniens eine foermliche Anklage auf Bestechung und Verrat. Diesen in der Wolle gefaerbten Republikanern nahm ihre politische Theorie fast den Charakter eines religioesen Glaubensbekenntnisses an; sie hassten denn auch die laueren Parteigenossen und den Pompeius mit seinem persoenlichen Anhang womoeglich noch mehr als die offenbaren Gegner, und durchaus mit jener Stupiditaet des Hasses, wie sie orthodoxen Theologen eigen zu sein pflegt; sie wesentlich verschuldeten die zahllosen und erbitterten Sonderfehden, welche die Emigrantenarmee und den Emigrantensenat zerrissen. Aber sie liessen es nicht bei Worten. Marcus Bibulus, Titus Labienus und andere dieser Koterie fuehrten ihre Theorie praktisch durch und liessen, was ihnen von Caesars Armee an Offizieren oder Soldaten in die Haende fiel, in Masse hinrichten; was begreiflicherweise Caesars Truppen nicht gerade bewog, mit minderer Energie zu fechten. Wenn waehrend Caesars Abwesenheit von Italien die Konterrevolution zu Gunsten der Verfassungsfreunde, zu der alle Elemente vorhanden waren, dennoch daselbst nicht ausbrach, so lag, nach der Versicherung einsichtiger Gegner Caesars, die Ursache hauptsaechlich in der allgemeinen Besorgnis vor dem unbezaehmbaren Wueten der republikanischen Ultras nach erfolgter Restauration. Die Besseren im Pompeianischen Lager waren in Verzweiflung ueber dies rasende Treiben. Pompeius, selbst ein tapferer Soldat, schonte, soweit er durfte und konnte, der Gefangenen; aber er war zu schwachmuetig und in einer zu schiefen Stellung, um, wie es ihm als Oberfeldherrn zukam, alle Greuel dieser Art zu hemmen oder gar zu ahnden. Energischer versuchte der einzige Mann, der wenigstens mit sittlicher Haltung in den Kampf eintrat, Marcus Cato, diesem Treiben zu steuern, er erwirkte, dass der Emigrantensenat durch ein eigenes Dekret es untersagte, untertaenige Staedte zu pluendern und einen Buerger anders als in der Schlacht zu toeten. Ebenso dachte der tuechtige Marcus Marcellus. Freilich wusste es niemand besser als Cato und Marcellus, dass die extreme Partei ihre rettenden Taten wenn noetig allen Senatsbeschluessen zum Trotze vollzog. Wenn aber bereits jetzt, wo man noch Klugheitsruecksichten zu beobachten hatte, die Wut der Ultras sich nicht baendigen liess, so mochte man nach dem Siege auf eine Schreckensherrschaft sich gefasst machen, von der Marius und Sulla selbst sich schaudernd abgewandt haben wuerden; und man begreift es, dass Cato, seinem eigenen Gestaendnis zufolge, mehr noch als vor der Niederlage, graute vor dem Siege seiner eigenen Partei.
—————————————– ^4 Da nach formellem Recht die “gesetzliche Ratversammlung” unzweifelhaft ebenso wie das “gesetzliche Gericht” nur in der Stadt selbst oder innerhalb der Bannmeile stattfinden konnte, so nannte die bei dem afrikanischen Heer den Senat vertretende Versammlung sich die “Dreihundert” (Bell. Afr. 88, 90; App. hist. 2, 95), nicht weil er aus 300 Mitgliedern bestand, sondern weil dies die uralte Normzahl der Senatoren war. Es ist sehr glaublich, dass diese Versammlung sich durch angesehene Ritter verstaerkte; aber wenn Plutarch (Cato min. 59, 61) die Dreihundert zu italischen Grosshaendlern macht, so hat er seine Quelle (Bell. Afr. 90) missverstanden. Aehnlich wird der Quasisenat schon in Thessalonike geordnet gewesen sein.
————————————— Die Leitung der militaerischen Vorbereitungen im makedonischen Lager lag in der Hand des Oberfeldherrn Pompeius. Die stets schwierige und gedrueckte Stellung desselben hatte durch die ungluecklichen Ereignisse des Jahres 705 (49) sich noch verschlimmert. In den Augen seiner Parteigenossen trug wesentlich er davon die Schuld. Es war das in vieler Hinsicht nicht gerecht. Ein guter Teil der erlittenen Unfaelle kam auf Rechnung der Verkehrtheit und Unbotmaessigkeit der Unterfeldherren, namentlich des Konsuls Lentulus und des Lucius Domitius; von dem Augenblick an, wo Pompeius an die Spitze der Armee getreten war, hatte er sie geschickt und mutig gefuehrt und wenigstens sehr ansehnliche Streitkraefte aus dem Schiffbruch gerettet; dass er Caesars jetzt von allen anerkanntem, durchaus ueberlegenem Genie nicht gewachsen war, konnte billigerweise ihm nicht vorgeworfen werden. Indes es entschied allein der Erfolg. Im Vertrauen auf den Feldherrn Pompeius hatte die Verfassungspartei mit Caesar gebrochen; die verderblichen Folgen dieses Bruches fielen auf den Feldherrn Pompeius zurueck, und wenn auch bei der notorischen militaerischen Unfaehigkeit aller uebrigen Chefs kein Versuch gemacht ward, das Oberkommando zu wechseln, so war doch wenigstens das Vertrauen zu dem Oberfeldherrn paralysiert. Zu diesen Nachwehen der erlittenen Niederlagen kamen die nachteiligen Einfluesse der Emigration. Unter den eintreffenden Fluechtlingen war allerdings eine Anzahl tuechtiger Soldaten und faehiger Offiziere namentlich der ehemaligen spanischen Armee; allein die Zahl derer, die kamen, um zu dienen und zu fechten, war ebenso gering, wie zum Erschrecken gross die der vornehmen Generale, die mit ebenso gutem Fug wie Pompeius sich Prokonsuln und Imperatoren nannten, und der vornehmen Herren, die mehr oder weniger unfreiwillig am aktiven Kriegsdienst sich beteiligten. Durch diese ward die hauptstaedtische Lebensweise in das Feldlager eingebuergert, keineswegs zum Vorteil des Heeres: die Zelte solcher Herren waren anmutige Lauben, der Boden mit frischem Rasen zierlich bedeckt, die Waende mit Efeu bekleidet; auf dem Tisch stand silbernes Tafelgeschirr und oft kreiste dort schon am hellen Tage der Becher. Diese eleganten Krieger machten einen seltsamen Kontrast mit Caesars Grasteufeln, vor deren grobem Brot jene erschraken und die in Ermangelung dessen auch Wurzeln assen und schwuren, eher Baumrinde zu kauen als vom Feinde abzulassen. Wenn ferner die unvermeidliche Ruecksicht auf eine kollegialische und ihm persoenlich abgeneigte Behoerde Pompeius schon an sich in seiner Taetigkeit hemmte, so steigerte diese Verlegenheit sich ungemein, als der Emigrantensenat beinahe im Hauptquartier selbst seinen Sitz aufschlug und nun alles Gift der Emigration in diesen Senatssitzungen sich entleerte. Eine bedeutende Persoenlichkeit endlich, die gegen all diese Verkehrtheiten ihr eigenes Gewicht haette einsetzen koennen, war nirgends vorhanden. Pompeius selbst war dazu geistig viel zu untergeordnet und viel zu zoegernd, schwerfaellig und versteckt. Marcus Cato wuerde wenigstens die erforderliche moralische Autoritaet gehabt und auch des guten Willens, Pompeius damit zu unterstuetzen, nicht ermangelt haben; allein Pompeius, statt ihn zum Beistand aufzufordern, setzte ihn mit misstrauischer Eifersucht zurueck und uebertrug zum Beispiel das so wichtige Oberkommando der Flotte lieber an den in jeder Beziehung unfaehigen Bibulus als an Cato. Wenn somit Pompeius die politische Seite seiner Stellung mit der ihm eigenen Verkehrtheit behandelte und was an sich schon verdorben war, nach Kraeften weiter verdarb, so widmete er dagegen mit anerkennenswertem Eifer sich seiner Pflicht, die bedeutenden, aber aufgeloesten Streitkraefte der Partei militaerisch zu organisieren. Den Kern derselben bildeten die aus Italien mitgebrachten Truppen, aus denen mit den Ergaenzungen aus den illyrischen Kriegsgefangenen und den in Griechenland domizilierten Roemern zusammen fuenf Legionen gebildet wurden. Drei andere kamen aus dem Osten: die beiden aus den Truemmern der Armee des Crassus gebildeten syrischen und eine aus den zwei schwachen, bisher in Kilikien stehenden kombinierte. Der Wegziehung dieser Besatzungstruppen stellte sich nichts in den Weg, da teils die Pompeianer mit den Parthern im Einvernehmen standen und selbst ein Buendnis mit ihnen haetten haben koennen, wenn Pompeius nicht unwillig sich geweigert haette, den geforderten Preis: die Abtretung der von ihm selbst zum Reiche gebrachten syrischen Landschaft, dafuer zu zahlen; teils Caesars Plan, zwei Legionen nach Syrien zu entsenden und durch den in Rom gefangengehaltenen Prinzen Aristobulos die Juden abermals unter die Waffen zu bringen, zum Teil durch andere Ursachen, zum Teil durch Aristobulos’ Tod vereitelt ward. Weiter wurden aus den in Kreta und Makedonien angesiedelten gedienten Soldaten eine, aus den kleinasiatischen Roemern zwei neue Legionen ausgehoben. Zu allem dem kamen 2000 Freiwillige, die aus den Truemmern der spanischen Kernscharen und anderen aehnlichen Zuzuegen hervorgingen, und endlich die Kontingente der Untertanen. Wie Caesar hatte Pompeius es verschmaeht, von denselben Infanterie zu requirieren; nur zur Kuestenbesatzung waren die epirotischen, aetolischen und thrakischen Milizen aufgeboten und ausserdem an leichten Truppen 3000 griechische und kleinasiatische Schuetzen und 1200 Schleuderer angenommen worden. Die Reiterei dagegen bestand, ausser einer aus dem jungen Adel Roms gebildeten, mehr ansehnlichen als militaerisch bedeutenden Nobelgarde und den von Pompeius beritten gemachten apulischen Hirtensklaven, ausschliesslich aus den Zuzuegen der Untertanen und Klienten Roms. Den Kern bildeten die Kelten, teils von der Besatzung von Alexandreia, teils die Kontingente des Koenigs Deiotarus, der trotz seines hohen Alters an der Spitze seiner Reiterei in Person erschienen war, und der uebrigen galatischen Dynasten. Mit ihnen wurden vereinigt die vortrefflichen thrakischen Reiter, die teils von ihren Fuersten Sadala und Rhaskuporis herangefuehrt, teils von Pompeius in der makedonischen Provinz angeworben waren; die kappadokische Reiterei; die von Koenig Antiochos von Kommagene gesendeten, berittenen Schuetzen; die Zuzuege der Armenier von diesseits des Euphrat unter Taxiles, von jenseits desselben unter Megabares und die von Koenig Juba gesandten numidischen Scharen – die gesamte Masse stieg auf 7000 Pferde.
Sehr ansehnlich endlich war die Pompeianische Flotte. Sie ward gebildet teils aus den von Brundisium mitgefuehrten oder spaeter erbauten roemischen Fahrzeugen, teils aus den Kriegsschiffen des Koenigs von Aegypten, der kolchischen Fuersten, des kilikischen Dynasten Tarkondimotos, der Staedte Tyros, Rhodos, Athen, Kerkyra und ueberhaupt der saemtlichen asiatischen und griechischen Seestaaten und zaehlte gegen 500 Segel, wovon die roemischen den fuenften Teil ausmachten. An Getreide und Kriegsmaterial waren in Dyrrhachion ungeheure Vorraete aufgehaeuft. Die Kriegskasse war wohlgefuellt, da die Pompeianer sich im Besitz der hauptsaechlichen Einnahmequellen des Staats befanden und die Geldmittel der Klientelfuersten, der angesehenen Senatoren, der Steuerpaechter und ueberhaupt der gesamten roemischen und nichtroemischen Bevoelkerung in ihrem Bereich fuer sich nutzbar machten. Was in Afrika, Aegypten, Makedonien, Griechenland, Vorderasien und Syrien das Ansehen der legitimen Regierung und Pompeius’ oftgefeierte Koenigs- und Voelkerklientel vermochte, war zum Schutz der roemischen Republik in Bewegung gesetzt worden; wenn in Italien die Rede ging, dass Pompeius die Geten, Kolcher und Armenier gegen Rom bewaffne, wenn im Lager er der “Koenig der Koenige” hiess, so waren dies kaum Uebertreibungen zu nennen. Im ganzen gebot derselbe ueber eine Armee von 7000 Reitern und elf Legionen, von denen freilich hoechstens fuenf als kriegsgewohnt bezeichnet werden durften, und ueber eine Flotte von 500 Segeln. Die Stimmung der Soldaten, fuer deren Verpflegung und Sold Pompeius genuegend sorgte und denen fuer den Fall des Sieges die ueberschwenglichsten Belohnungen zugesichert waren, war durchgaengig gut, in manchen und eben den tuechtigsten Abteilungen sogar vortrefflich; indes bestand doch ein grosser Teil der Armee aus neu ausgehobenen Truppen, deren Formierung und Exerzierung, wie eifrig sie auch betrieben ward, notwendigerweise Zeit erforderte. Die Kriegsmacht ueberhaupt war imposant, aber zugleich einigermassen buntscheckig. Nach der Absicht des Oberfeldherrn sollten bis zum Winter 705/06 (49/48) Heer und Flotte wesentlich vollstaendig an der Kueste und in den Gewaessern von Epirus vereinigt sein. Der Admiral Bibulus war auch bereits mit 110 Schiffen in seinem neuen Hauptquartier Kerkyra eingetroffen. Dagegen war das Landheer, dessen Hauptquartier waehrend des Sommers zu Berrhoea am Haliakmon gewesen war, noch zurueck; die Masse bewegte sich langsam auf der grossen Kunststrasse von Thessalonike nach der Westkueste auf das kuenftige Hauptquartier Dyrrhachion zu; die beiden Legionen, die Metellus Scipio aus Syrien heranfuehrte, standen gar noch bei Pergamon in Kleinasien im Winterquartier und wurden erst zum Fruehjahr in Europa erwartet. Man nahm sich eben Zeit. Vorlaeufig waren die epirotischen Haefen ausser durch die Flotte nur noch durch die Buergerwehren und die Aufgebote der Umgegend verteidigt.
So war es Caesar moeglich geblieben, trotz des dazwischenfallenden Spanischen Krieges auch in Makedonien die Offensive fuer sich zu nehmen, und er wenigstens saeumte nicht. Laengst hatte er die Zusammenziehung von Kriegs- und Transportschiffen in Brundisium angeordnet und nach der Kapitulation der spanischen Armee und dem Fall von Massalia die dort verwendeten Kerntruppen zum groessten Teil ebendahin dirigiert. Die unerhoerten Anstrengungen zwar, die also von Caesar den Soldaten zugemutet wurden, lichteten mehr als die Gefechte die Reihen, und die Meuterei einer der vier aeltesten Legionen, der neunten, auf ihrem Durchmarsch durch Placentia war ein gefaehrliches Zeichen der bei der Armee einreissenden Stimmung; doch wurden Caesars Geistesgegenwart und persoenliche Autoritaet derselben Herr, und von dieser Seite stand der Einschiffung nichts im Wege. Allein woran schon im Maerz 705 (49) die Verfolgung des Pompeius gescheitert war, der Mangel an Schiffen, drohte auch diese Expedition zu vereiteln. Die Kriegsschiffe, die Caesar in den gallischen, sizilischen und italischen Haefen zu erbauen befohlen hatte, waren noch nicht fertig oder doch nicht zur Stelle; sein Geschwader im Adriatischen Meer war das Jahr zuvor bei Curicta vernichtet worden; er fand bei Brundisium nicht mehr als zwoelf Kriegsschiffe und kaum Transportfahrzeuge genug, um den dritten Teil seiner nach Griechenland bestimmten Armee von zwoelf Legionen und 10000 Reitern auf einmal ueberzufuehren. Die ansehnliche feindliche Flotte beherrschte ausschliesslich das Adriatische Meer und namentlich die saemtlichen festlaendischen und Inselhaefen der Ostkueste. Unter solchen Umstaenden draengt die Frage sich auf, warum Caesar nicht statt des Seeweges den zu Lande durch Illyrien einschlug, welcher aller von der Flotte drohenden Gefahren ihn ueberhob und ueberdies fuer seine groesstenteils aus Gallien kommenden Truppen kuerzer war als der ueber Brundisium. Zwar waren die illyrischen Landschaften unbeschreiblich rauh und arm; aber sie sind doch von anderen Armeen nicht lange nachher durchschritten worden, und dieses Hindernis ist dem Eroberer Galliens schwerlich unuebersteiglich erschienen. Vielleicht besorgte er, dass waehrend des schwierigen illyrischen Marsches Pompeius seine gesamte Streitmacht ueber das Adriatische Meer fuehren moechte, wodurch die Rollen auf einmal sich umkehren, Caesar in Makedonien, Pompeius in Italien zu stehen kommen konnte; obwohl ein solcher rascher Wechsel dem schwerfaelligen Gegner doch kaum zuzutrauen war. Vielleicht hatte Caesar auch in der Voraussetzung, dass seine Flotte inzwischen auf einen achtunggebietenden Stand gebracht sein wuerde, sich fuer den Seeweg entschieden, und als er nach seiner Rueckkehr aus Spanien des wahren Standes der Dinge im Adriatischen Meere inne ward, mochte es zu spaet sein, den Feldzugsplan zu aendern. Vielleicht, ja nach Caesars raschem, stets zur Entscheidung draengenden Naturell darf man sagen wahrscheinlich, fand er durch die augenblicklich noch unbesetzte, aber sicher in wenigen Tagen mit Feinden sich bedeckende epirotische Kueste sich unwiderstehlich gelockt, den ganzen Plan des Gegners wieder einmal durch einen verwegenen Zug zu durchkreuzen. Wie dem auch sei, am 4. Januar 706 ^5 (48) ging Caesar mit sechs, durch die Strapazen und Krankheiten sehr gelichteten Legionen und 600 Reitern von Brundisium nach der epirotischen Kueste unter Segel. Es war ein Seitenstueck zu der tollkuehnen britannischen Expedition; indes wenigstens der erste Wurf war gluecklich. Inmitten der akrokeraunischen (Chimara-) Klippen, auf der wenig besuchten Reede von Paleassa (Paljassa) ward die Kueste erreicht. Man sah die Transportschiffe sowohl aus dem Hafen von Orikon (Bucht von Avlona), wo ein Pompeianisches Geschwader von achtzehn Schiffen lag, als auch aus dem Hauptquartier der feindlichen Flotte bei Kerkyra; aber dort hielt man sich zu schwach, hier war man nicht segelfertig, und ungehindert ward der erste Transport ans Land gesetzt. Waehrend die Schiffe sogleich zurueckgingen, um den zweiten nachzuholen, ueberstieg Caesar noch denselben Abend die akrokeraunischen Berge. Seine ersten Erfolge waren so gross wie die Ueberraschung der Feinde. Der epirotische Landsturm setzte nirgends sich zur Wehr; die wichtigen Hafenstaedte Orikon und Apollonia nebst einer Menge kleinerer Ortschaften wurden weggenommen; Dyrrhachion, von den Pompeianern zum Hauptwaffenplatz ausersehen und mit Vorraeten aller Art angefuellt, aber nur schwach besetzt, schwebte in der groessten Gefahr.
——————————————————– ^5 Nach dem berichtigten Kalender am 5. November 705 (49). ——————————————————– Indes der weitere Verlauf des Feldzuges entsprach diesem glaenzenden Anfange nicht. Bibulus machte die Nachlaessigkeit, die er sich hatte zu Schulden kommen lassen, nachtraeglich durch verdoppelte Anstrengungen zum Teil wieder gut. Nicht bloss brachte er von den heimkehrenden Transportschiffen gegen dreissig auf, die er saemtlich mit Mann und Maus verbrennen liess, sondern er richtete auch laengs des ganzen von Caesar besetzten Kuestenstrichs, von der Insel Sason (Saseno) bis zu den Haefen von Kerkyra, den sorgfaeltigsten Wachtdienst ein, so beschwerlich auch die rauhe Jahreszeit und die Notwendigkeit, den Wachtschiffen alle Beduerfnisse, selbst Holz und Wasser, von Kerkyra zuzufuehren, denselben machten; ja sein Nachfolger Libo – er selbst unterlag bald den ungewohnten Strapazen – sperrte sogar eine Zeitlang den Hafen von Brundisium, bis ihn von der kleinen Insel vor demselben, auf der er sich festgesetzt hatte, der Wassermangel wieder vertrieb. Es war Caesars Offizieren nicht moeglich, ihrem Feldherrn den zweiten Transport der Armee nachzufuehren. Ebensowenig gelang ihm selbst die Wegnahme von Dyrrhachion. Pompeius erfuhr durch einen der Friedensboten Caesars von dessen Vorbereitungen zur Fahrt nach der epirotischen Kueste und darauf den Marsch beschleunigend warf er sich noch eben zu rechter Zeit in diesen wichtigen Waffenplatz. Caesars Lage war kritisch. Obwohl er in Epirus so weit sich ausbreitete, als es bei seiner geringen Staerke nur irgend moeglich war, so blieb die Subsistenz seiner Armee doch schwierig und unsicher, waehrend die Feinde, im Besitz der Magazine von Dyrrhachion und Herren der See, Ueberfluss an allem hatten. Mit seinem vermutlich wenig ueber 20000 Mann starken Heer konnte er dem wenigstens doppelt so zahlreichen Pompeianischen keine Schlacht anbieten, sondern musste sich gluecklich schaetzen, dass Pompeius methodisch zu Werke ging und, statt sofort die Schlacht zu erzwingen, zwischen Dyrrhachion und Apollonia am rechten Ufer des Apsos, Caesar auf dem linken gegenueber, das Winterlager bezog, um mit dem Fruehjahr, nach dem Eintreffen der Legionen von Pergamon, mit unwiderstehlicher Uebermacht den Feind zu vernichten. So verflossen Monate. Wenn der Eintritt der besseren Jahreszeit, die dem Feinde starken Zuzug und den freien Gebrauch seiner Flotte brachte, Caesar noch in derselben Lage fand, so war er, mit seiner schwachen Schar zwischen der ungeheuren Flotte und dem dreifach ueberlegenen Landheer der Feinde in den epirotischen Felsen eingekeilt, allem Anscheine nach verloren; und schon neigte der Winter sich zu Ende. Alle Hoffnung beruhte immer noch auf der Transportflotte: dass diese durch die Blockade sich durchschlich oder durchschlug, war kaum zu hoffen; aber nach der ersten freiwilligen Tollkuehnheit war diese zweite durch die Notwendigkeit geboten. Wie verzweifelt Caesar selbst seine Lage erschien, beweist sein Entschluss, da die Flotte immer nicht kam, allein auf einer Fischerbarke durch das Adriatische Meer nach Brundisium zu fahren, um sie zu holen; was in der Tat nur darum unterblieb, weil sich kein Schiffer fand, die verwegene Fahrt zu unternehmen. Indes es bedurfte seines persoenlichen Erscheinens nicht, um den treuen Offizier, der in Italien kommandierte, Marcus Antonius, zu bestimmen, diesen letzten Versuch zur Rettung seines Herrn zu machen. Abermals lief die Transportflotte, mit vier Legionen und 800 Reitern an Bord, aus dem Hafen von Brundisium aus und gluecklich fuehrte ein starker Suedwind sie an Libos Galeeren vorueber. Allein derselbe Wind, der hier die Flotte rettete, machte es ihr unmoeglich, wie ihr befohlen war, an der apolloniatischen Kueste zu landen, und zwang sie, an Caesars und Pompeius’ Lager vorbeizufahren und noerdlich von Dyrrhachion nach Lissos zu steuern, welche Stadt zu gutem Glueck noch zu Caesar hielt. Als sie an dem Hafen von Dyrrhachion vorueberfuhr, brachen die rhodischen Galeeren auf, um sie zu verfolgen, und kaum waren Antonius’ Schiffe in den Hafen von Lissos eingefahren, als auch das feindliche Geschwader vor demselben erschien. Aber eben in diesem Augenblick schlug ploetzlich der Wind um und warf die verfolgenden Galeeren wieder zurueck in die offene See und zum Teil an die felsige Kueste. Durch die wunderbarsten Glueckszufaelle war die Landung auch des zweiten Transportes gelungen. Noch standen zwar Antonius und Caesar etwa vier Tagemaersche voneinander, getrennt durch Dyrrhachion und die gesamte feindliche Armee; indes Antonius bewerkstelligte gluecklich den gefaehrlichen Marsch um Dyrrhachion herum durch die Paesse des Graba Balkan und ward von Caesar, der ihm entgegengegangen war, am rechten Ufer des Apsos aufgenommen. Pompeius, nachdem er vergeblich versucht hatte, die Vereinigung der beiden feindlichen Armeen zu verhindern und das Korps des Antonius einzeln zum Schlagen zu zwingen, nahm eine neue Stellung bei Asparagion an dem Flusse Genusas (Uschkomobin), der dem Apsos parallel zwischen diesem und der Stadt Dyrrhachion fliesst, und hielt hier sich wieder unbeweglich. Caesar fuehlte jetzt sich stark genug, eine Schlacht zu liefern; aber Pompeius ging nicht darauf ein. Dagegen gelang es Caesar, den Gegner zu taeuschen und unversehens mit seinen besser marschierenden Truppen sich, aehnlich wie bei Ilerda, zwischen das feindliche Lager und die Festung Dyrrhachion zu werfen, auf die dieses sich stuetzte. Die Kette des Graba Balkan, die in der Richtung von Osten nach Westen streichend am Adriatischen Meere in der schmalen dyrrhachinischen Landzunge endigt, entsendet drei Meilen oestlich von Dyrrhachion in suedwestlicher Richtung einen Seitenarm, der in bogenfoermiger Richtung ebenfalls zum Meere sich wendet, und der Haupt- und der Seitenarm des Gebirges schliessen zwischen sich eine kleine, um eine Klippe am Meeresstrand sich ausbreitende Ebene ein. Hier nahm Pompeius jetzt sein Lager, und obwohl die Caesarische Armee ihm den Landweg nach Dyrrhachion verlegt hielt, blieb er doch mit Hilfe seiner Flotte fortwaehrend mit dieser Stadt in Verbindung und ward von dort mit allem Noetigen reichlich und bequem versehen, waehrend bei den Caesarianern, trotz starker Detachierungen in das Hinterland und trotz aller Anstrengungen des Feldherrn, ein geordnetes Fahrwesen und damit eine regelmaessige Verpflegung in Gang zu bringen, es doch mehr als knapp herging und Fleisch, Gerste, ja Wurzeln sehr haeufig die Stelle des gewohnten Weizens vertreten massten. Da der phlegmatische Gegner beharrlich bei seiner Passivitaet blieb, unternahm Caesar, den Hoehenkreis zu besetzen, der die von Pompeius eingenommene Strandebene umschloss, um wenigstens die ueberlegene feindliche Reiterei festzustellen und ungestoerter gegen Dyrrhachion operieren zu koennen, womoeglich aber den Gegner entweder zur Schlacht oder zur Einschiffung zu noetigen. Von Caesars Truppen war beinahe die Haelfte ins Binnenland detachiert; es schien fast abenteuerlich, mit dem Rest eine vielleicht doppelt so zahlreiche, konzentriert aufgestellte, auf die See und die Flotte gestuetzte Armee gewissermassen belagern zu wollen. Dennoch schlossen Caesars Veteranen unter unsaeglichen Anstrengungen das Pompeianische Lager mit einer drei und eine halbe deutsche Meile langen Postenkette ein und fuegten spaeter, ebenwie vor Alesia, zu dieser inneren Linie noch eine zweite aeussere hinzu, um sich vor Angriffen von Dyrrhachion aus und vor den mit Hilfe der Flotte so leicht ausfuehrbaren Umgehungen zu schuetzen. Pompeius griff mehrmals einzelne dieser Verschanzungen an, um womoeglich die feindliche Linie zu sprengen, allein durch eine Schlacht die Einschliessung zu hindern versuchte er nicht, sondern zog es vor, auch seinerseits um sein Lager herum eine Anzahl Schanzen anzulegen und dieselben durch Linien miteinander zu verbinden. Beiderseits war man bemueht, die Schanzen moeglichst weit vorzuschieben und die Erdarbeiten rueckten unter bestaendigen Gefechten nur langsam vor. Zugleich schlug man auf der entgegengesetzten Seite des Caesarischen Lagers sich herum mit der Besatzung vor Dyrrhachion; durch Einverstaendnisse innerhalb der Festung hoffte Caesar sie in seine Gewalt zu bringen, ward aber durch die feindliche Flotte daran verhindert. Unaufhoerlich ward an den verschiedensten Punkten – an einem der heissesten Tage an sechs Stellen zugleich – gefochten und in der Regel behielt in diesen Scharmuetzeln die erprobte Tapferkeit der Caesarianer die Oberhand; wie denn zum Beispiel einmal eine einzige Kohorte sich gegen vier Legionen mehrere Stunden lang in ihrer Schanze hielt, bis Unterstuetzung herbeikam. Ein Haupterfolg ward auf keiner Seite erreicht; doch machten sich die Folgen der Einschliessung den Pompeianern allmaehlich in drueckender Weise fuehlbar. Die Stauung der von den Hoehen in die Ebene sich ergiessenden Baeche noetigte sie, sich mit sparsamem und schlechtem Brunnenwasser zu begnuegen. Noch empfindlicher war der Mangel an Futter fuer die Lasttiere und die Pferde, dem auch die Flotte nicht genuegend abzuhelfen vermochte; sie fielen zahlreich und es half nur wenig, dass die Pferde durch die Flotte nach Dyrrhachion geschafft wurden, da sie auch hier nicht ausreichend Futter fanden. Lange konnte Pompeius nicht mehr zoegern, sich durch einen gegen den Feind gefuehrten Schlag aus seiner unbequemen Lage zu befreien. Da ward er durch keltische Ueberlaeufer davon in Kenntnis gesetzt, dass der Feind es versaeumt habe, den Strand zwischen seinen beiden 600 Fuss voneinander entfernten Schanzenketten durch einen Querwall zu sichern, und baute hierauf seinen Plan. Waehrend er die innere Linie der Verschanzungen Caesars vom Lager aus durch die Legionen, die aeussere durch die auf Schiffe gesetzten und jenseits der feindlichen Verschanzungen gelandeten leichten Truppen angreifen liess, landete eine dritte Abteilung in dem Zwischenraum zwischen beiden Linien und griff die schon hinreichend beschaeftigten Verteidiger derselben im Ruecken an. Die zunaechst am Meer befindliche Schanze wurde genommen und die Besatzung floh in wilder Verwirrung; mit Muehe gelang es dem Befehlshaber der naechsten Schanze, Marcus Antonius, diese zu behaupten und fuer den Augenblick dem Vordringen der Pompeianer ein Ziel zu setzen; aber, abgesehen von dem ansehnlichen Verlust, blieb die aeusserste Schanze am Meer in den Haenden der Pompeianer und die Linie durchbrochen. Um so eifriger ergriff Caesar die Gelegenheit, die bald darauf sich ihm darbot, eine unvorsichtig sich vereinzelnde Pompeianische Legion mit dem Gros seiner Infanterie anzugreifen. Allein die Angegriffenen leisteten tapferen Widerstand, und in dem mehrmals zum Lager groesserer und kleinerer Abteilungen benutzten und kreuz und quer von Waellen und Graeben durchzogenen Terrain, auf dem gefochten ward, kam Caesars rechter Fluegel nebst der Reiterei ganz vom Wege ab statt den linken im Angriff auf die Pompeianische Legion zu unterstuetzen, geriet er in einen engen, aus einem der alten Lager zum Fluss hingefuehrten Laufgraben. So fand Pompeius, der den Seinigen zu Hilfe mit fuenf Legionen eiligst herbeikam, die beiden Fluegel der Feinde voneinander getrennt und den einen in einer gaenzlich preisgegebenen Stellung. Wie die Caesarianer ihn anruecken sahen, ergriff sie ein panischer Schreck; alles stuerzte in wilder Flucht zurueck, und wenn es bei dem Verlust von 1000 der besten Soldaten blieb und Caesars Armee nicht eine vollstaendige Niederlage erlitt, so hatte sie dies nur dem Umstand zu danken, dass auch Pompeius sich auf dem durchschnittenen Boden nicht frei entwickeln konnte und ueberdies, eine Kriegslist besorgend, seine Truppen anfangs zurueckhielt. Aber auch so waren es unheilvolle Tage. Nicht bloss hatte Caesar die empfindlichsten Verluste erlitten und seine Verschanzungen, das Resultat einer viermonatlichen Riesenarbeit, auf einen Schlag eingebuesst: er war durch die letzten Gefechte wieder genau auf den Punkt zurueckgeworfen, von welchem er ausgegangen war. Von der See war er vollstaendiger verdraengt als je, seit des Pompeius aeltester Sohn Gnaeus Caesars wenige, im Hafen von Orikon lagernde Kriegsschiffe durch einen kuehnen Angriff teils verbrannt, teils weggefuehrt und bald nachher die in Lissos zurueckgebliebene Truppenflotte gleichfalls in Brand gesteckt hatte; jede Moeglichkeit, von Brundisium noch weitere Verstaerkungen zur See heranzuziehen, war damit fuer Caesar verloren. Die zahlreiche Pompeianische Reiterei, jetzt ihrer Fesseln entledigt, ergoss sich in die Umgegend und drohte Caesar die stets schwierige Verpflegung der Armee voellig unmoeglich zu machen. Caesars verwegenes Unternehmen, gegen einen seemaechtigen, auf die Flotte gestuetzten Feind ohne Schiffe offensiv zu operieren, war vollstaendig gescheitert. Auf dem bisherigen Kriegsschauplatz fand er sich einer unbezwinglichen Verteidigungsstellung gegenueber und weder gegen Dyrrhachion noch gegen das feindliche Heer einen ernstlichen Schlag auszufuehren imstande; dagegen hing es jetzt nur von Pompeius ab, gegen den bereits in seinen Subsistenzmitteln sehr gefaehrdeten Gegner unter den guenstigsten Verhaeltnissen zum Angriff ueberzugehen. Der Krieg war an einem Wendepunkt angelangt. Bisher hatte Pompeius, allem Anscheine nach, das Kriegsspiel ohne eigenen Plan gespielt und nur nach dem jedesmaligen Angriff seine Verteidigung bemessen; und es war dies nicht zu tadeln, da das Hinziehen des Krieges ihm Gelegenheit gab, seine Rekruten schlagfaehig zu machen, seine Reserven heranzuziehen und das Uebergewicht seiner Flotte im Adriatischen Meer immer vollstaendiger zu entwickeln. Caesar war nicht bloss taktisch, sondern auch strategisch geschlagen. Diese Niederlage hatte zwar nicht diejenige Folge, die Pompeius nicht ohne Ursache erhoffte: zu einer sofortigen voelligen Aufloesung der Armee durch Hunger und Meuterei liess die eminente soldatische Energie der Veteranen Caesars es nicht kommen. Allein es schien doch nur von dem Gegner abzuhaengen, durch zweckmaessige Verfolgung seines Sieges die volle Frucht desselben zu ernten.
An Pompeius war es, die Offensive zu ergreifen, und er war dazu entschlossen. Es boten sich ihm drei verschiedene Wege dar, um seinen Sieg fruchtbar zu machen. Der erste und einfachste war, von der ueberwundenen Armee nicht abzulassen und, wenn sie aufbrach, sie zu verfolgen. Ferner konnte Pompeius Caesar selbst und dessen Kerntruppen in Griechenland stehen lassen und selber, wie er laengst vorbereitet hatte, mit der Hauptarmee nach Italien ueberfahren, wo die Stimmung entschieden antimonarchisch war und die Streitmacht Caesars, nach Entsendung der besten Truppen und des tapfern und zuverlaessigen Kommandanten zu der griechischen Armee, nicht gar viel bedeuten wollte. Endlich konnte der Sieger sich auch in das Binnenland wenden, die Legionen des Metellus Scipio an sich liehen und versuchen, die im Binnenlande stehenden Truppen Caesars aufzuheben. Es hatte naemlich dieser, unmittelbar nachdem der zweite Transport bei ihm eingetroffen war, teils, um die Subsistenzmittel fuer seine Armee herbeizuschaffen, starke Detachements nach Aetolien und Thessalien entsandt, teils ein Korps von zwei Legionen unter Gnaeus Domitius Calvinus auf der Egnatischen Chaussee gegen Makedonien vorgehen lassen, das dem auf derselben Strasse von Thessalonike her anrueckenden Korps des Scipio den Weg verlegen und womoeglich es einzeln schlagen sollte. Schon hatten Calvinus und Scipio sich bis auf wenige Meilen einander genaehert, als Scipio sich ploetzlich rueckwaerts wandte und, rasch den Haliakmon (Jadsche Karasu) ueberschreitend und dort sein Gepaeck unter Marcus Favonius zuruecklassend, in Thessalien eindrang, um die mit der Unterwerfung des Landes beschaeftigte Rekrutenlegion Caesars unter Lucius Cassius Longinus mit Uebermacht anzugreifen. Longinus aber zog sich ueber die Berge nach Ambrakia auf das von Caesar nach Aetolien gesandte Detachement unter Gnaeus Calvisius Sabinus zurueck, und Scipio konnte ihn nur durch seine thrakischen Reiter verfolgen lassen, da Calvinus seine unter Favonius am Haliakmon zurueckgelassene Reserve mit dem gleichen Schicksale bedrohte, welches er selbst dem Longinus zu bereiten gedachte. So trafen Calvinus und Scipio am Haliakmon wieder zusammen und lagerten hier laengere Zeit einander gegenueber. Pompeius konnte zwischen diesen Plaenen waehlen; Caesar blieb keine Wahl. Er trat nach jenem ungluecklichen Gefechte den Rueckzug auf Apollonia an. Pompeius folgte. Der Marsch von Dyrrhachion nach Apollonia auf einer schwierigen, von mehreren Fluessen durchschnittenen Strasse war keine leichte Aufgabe fuer eine geschlagene und vom Feinde verfolgte Armee; indes die geschickte Leitung ihres Feldherrn und die unverwuestliche Marschfaehigkeit der Soldaten noetigten Pompeius nach viertaegiger Verfolgung, dieselbe als nutzlos einzustellen. Er hatte jetzt sich zu entscheiden zwischen der italischen Expedition und dem Marsch in das Binnenland; und so raetlich und lockend auch jene schien, so manche Stimmen auch dafuer sich erhoben, er zog es doch vor, das Korps des Scipio nicht preiszugeben, um so mehr, als er durch diesen Marsch das des Calvinus in die Haende zu bekommen hoffte. Calvinus stand augenblicklich auf der Egnatischen Strasse bei Herakleia Lynkestis, zwischen Pompeius und Scipio und, nachdem Caesar sich auf Apollonia zurueckgezogen, von diesem weiter entfernt als von der grossen Armee des Pompeius, zu allem dem ohne Kenntnis von den Vorgaengen bei Dyrrhachion und von seiner bedenklichen Lage, da nach den bei Dyrrhachion erlangten Erfolgen die ganze Landschaft sich zu Pompeius neigte und die Boten Caesars ueberall aufgegriffen wurden. Erst als die feindliche Hauptmacht bis auf wenige Stunden sich ihm genaehert hatte, erfuhr Calvinus aus den Erzaehlungen der feindlichen Vorposten selbst den Stand der Dinge. Ein rascher Aufbruch in suedlicher Richtung gegen Thessalien zu entzog ihn im letzten Augenblick der drohenden Vernichtung; Pompeius musste sich damit begnuegen, Scipio aus seiner gefaehrdeten Stellung befreit zu haben. Caesar war inzwischen unangefochten nach Apollonia gelangt. Sogleich nach der Katastrophe von Dyrrhachion hatte er sich entschlossen, wenn moeglich den Kampf von der Kueste weg in das Binnenland zu verlegen, um die letzte Ursache des Fehlschlagens seiner bisherigen Anstrengungen, die feindliche Flotte, aus dem Spiel zu bringen. Der Marsch nach Apollonia hatte nur den Zweck gehabt, dort, wo seine Depots sich befanden, seine Verwundeten in Sicherheit zu bringen und seinen Soldaten die Loehnung zu zahlen; sowie dies geschehen war, brach er, mit Hinterlassung von Besatzungen in Apollonia, Orikon und Lissos, nach Thessalien auf. Nach Thessalien hatte auch das Korps des Calvinus sich in Bewegung gesetzt; und die aus Italien, jetzt auf dem Landwege durch Illyrien, anrueckenden Verstaerkungen, zwei Legionen unter Quintus Cornificius, konnte er gleichfalls hier leichter noch als in Epirus an sich ziehen. Auf schwierigen Pfaden im Tale des Aoos aufwaertssteigend und die Bergkette ueberschreitend, die Epirus von Thessalien scheidet, gelangte er an den Peneios; ebendorthin ward Calvinus dirigiert und die Vereinigung der beiden Armeen also auf dem kuerzesten und dem Feinde am wenigsten ausgesetzten Wege bewerkstelligt. Sie erfolgte bei Aeginion unweit der Quelle des Peneios. Die erste thessalische Stadt, vor der die jetzt vereinigte Armee erschien, Gomphoi, schloss ihr die Tore; sie ward rasch erstuermt und der Pluenderung preisgegeben, und dadurch geschreckt unterwarfen sich die uebrigen Staedte Thessaliens, sowie nur Caesars Legionen vor den Mauern sich zeigten. Ueber diesen Maerschen und Gefechten und mit Hilfe der, wenn auch nicht allzureichlichen, Vorraete, die die Landschaft am Peneios darbot, schwanden allmaehlich die Spuren und die Erinnerungen der ueberstandenen unheilvollen Tage.
Unmittelbare Fruechte also hatten die Siege von Dyrrhachion fuer die Sieger nicht viele getragen. Pompeius, mit seiner schwerfaelligen Armee und seiner zahlreichen Reiterei, hatte dem beweglichen Feind in die Gebirge zu folgen nicht vermocht; Caesar wie Calvinus hatten der Verfolgung sich entzogen und beide standen vereinigt und in voller Sicherheit in Thessalien. Vielleicht waere es das richtigste gewesen, wenn Pompeius jetzt ohne weiteres mit seiner Hauptmacht zu Schiff nach Italien gegangen waere, wo der Erfolg kaum zweifelhaft war. Indes vorlaeufig ging nur eine Abteilung der Flotte nach Sizilien und Italien ab. Man betrachtete im Lager der Koalition durch die Schlachten von Dyrrhachion die Sache mit Caesar als so vollstaendig entschieden, dass es nur galt, die Fruechte der Siege zu ernten, das heisst, die geschlagene Armee aufzusuchen und abzufangen. An die Stelle der bisherigen uebervorsichtigen Zurueckhaltung trat ein durch die Umstaende noch weniger gerechtfertigter Uebermut; man achtete es nicht, dass man in der Verfolgung doch eigentlich gescheitert war, dass man sich gefasst halten musste, in Thessalien auf eine voellig erfrischte und reorganisierte Armee zu treffen und dass es nicht geringe Bedenken hatte, vom Meere sich entfernend und auf die Unterstuetzung der Flotte verzichtend, dem Gegner auf das von ihm gewaehlte Schlachtfeld zu folgen. Man war eben entschlossen, um jeden Preis mit Caesar zu schlagen und darum baldmoeglichst und auf dem moeglichst bequemen Wege an ihn zu kommen. Cato uebernahm das Kommando in Dyrrhachion, wo eine Besatzung von achtzehn Kohorten, und in Kerkyra, wo 300 Kriegsschiffe zurueckblieben: Pompeius und Scipio begaben sich, jener wie es scheint die Egnatische Chaussee bis Pella verfolgend und dann die grosse Strasse nach Sueden einschlagend, dieser vom Haliakmon aus durch die Paesse des Olymp, an den unteren Peneios und trafen bei Larisa zusammen. Caesar stand suedlich davon in der Ebene, die zwischen dem Huegelland von Kynoskephalae und dem Othrysgebirge sich ausbreitet und von dem Nebenfluss des Peneios, dem Enipeus, durchschnitten wird, am linken Ufer desselben bei der Stadt Pharsalos; ihm gegenueber, am rechten Ufer des Enipeus am Abhang der Hoehen von Kynoskephalae, schlug Pompeius sein Lager ^6. Pompeius’ Armee war vollstaendig beisammen; Caesar dagegen erwartete noch das frueher nach Aetolien und Thessalien detachierte, jetzt unter Quintus Fufius Calenus in Griechenland stehende Korps von fast zwei Legionen und die auf dem Landweg von Italien ihm nachgesandten und bereits in Illyrien angelangten zwei Legionen des Cornificius. Pompeius’ Heer, elf Legionen oder 47000 Mann und 7000 Pferde stark, war dem Caesar an Fussvolk um mehr als das Doppelte, an Reiterei um das Siebenfache ueberlegen; Strapazen und Gefechte hatten Caesars Truppen so dezimiert, dass seine acht Legionen nicht ueber 22000 Mann unter den Waffen, also bei weitem nicht die Haelfte des Normalbestandes zaehlten. Pompeius’ siegreiche, mit einer zahllosen Reiterei und guten Magazinen versehene Armee hatte Lebensmittel in Fuelle, waehrend Caesars Truppen notduerftig sich hinhielten und erst von der nicht fernen Getreideernte bessere Verpflegung erhofften. Die Stimmung der Pompeianischen Soldaten, die in der letzten Kampagne den Krieg kennen und ihrem Fuehrer vertrauen gelernt hatten, war die beste. Alle militaerischen Gruende sprachen auf Pompeius’ Seite dafuer, da man nun einmal in Thessalien Caesar gegenueberstand, mit der Entscheidungsschlacht nicht lange zu zoegern; und mehr wohl noch als diese wog im Kriegsrat die Emigrantenungeduld der vielen vornehmen Offiziere und Heerbegleiter. Seit den Ereignissen von Dyrrhachion betrachteten diese Herren den Triumph ihrer Partei als eine ausgemachte Tatsache; bereits wurde eifrig gehadert ueber die Besetzung von Caesars Oberpontifikat und Auftraege nach Rom gesandt, um fuer die naechsten Wahlen Haeuser am Markt zu mieten. Als Pompeius Bedenken zeigte, den Bach, der beide Heere schied und den Caesar mit seinem viel schwaecheren Heer zu passieren sich nicht getraute, seinerseits zu ueberschreiten, erregte dies grossen Unwillen; Pompeius, hiess es, zaudere nur mit der Schlacht, um noch etwas laenger ueber so viele Konsulare und Praetorier zu gebieten und seine Agamemnonrolle zu verewigen. Pompeius gab nach; und Caesar, der in der Meinung, dass es nicht zum Kampf kommen werde, eben eine Umgehung der feindlichen Armee entworfen hatte und dazu gegen Skotussa aufzubrechen im Begriff war, ordnete ebenfalls seine Legionen zur Schlacht, als er die Pompeianer sich anschicken sah, sie auf seinem Ufer ihm anzubieten. Also ward, fast auf derselben Walstatt, wo hundertfuenfzig Jahre zuvor die Roemer ihre Herrschaft im Osten begruendet hatten, am 9. August 706 (48) die Schlacht von Pharsalos geschlagen. Pompeius lehnte den rechten Fluegel an den Enipeus, Caesar ihm gegenueber den linken an das vor dem Enipeus sich ausbreitende durchschnittene Terrain; die beiden anderen Fluegel standen in die Ebene hinaus, beiderseits gedeckt durch die Reiterei und die leichten Truppen. Pompeius’ Absicht war, sein Fussvolk in der Verteidigung zu halten, dagegen mit seiner Reiterei die schwache Reiterschar, die, nach deutscher Art mit leichter Infanterie gemischt, ihr gegenueberstand, zu zersprengen und sodann Caesars rechten Fluegel in den Ruecken zu nehmen. Sein Fussvolk hielt den ersten Stoss der feindlichen Infanterie mutig aus und es kam das Gefecht hier zum Stehen. Labienus sprengte ebenfalls die feindliche Reiterei nach tapferem, aber kurzem Widerstand auseinander und entwickelte sich linkshin, um das Fussvolk zu umgehen. Aber Caesar, die Niederlage seiner Reiterei voraussehend, hatte hinter ihr auf der bedrohten Flanke seines rechten Fluegels etwa 2000 seiner besten Legionaere aufgestellt. Wie die feindlichen Reiter, die Caesarischen vor sich hertreibend, heran und um die Linie herum jagten, prallten sie ploetzlich auf diese unerschrocken gegen sie anrueckende Kernschar und, durch den unerwarteten und ungewohnten Infanterieangriff ^7 rasch in Verwirrung gebracht, sprengten sie mit verhaengten Zuegeln vom Schlachtfeld. Die siegreichen Legionaere hieben die preisgegebenen feindlichen Schuetzen zusammen, rueckten dann auf den linken Fluegel des Feindes los und begannen nun ihrerseits dessen Umgehung. Zugleich ging Caesars bisher zurueckgehaltenes drittes Treffen auf der ganzen Linie zum Angriff vor. Die unverhoffte Niederlage der besten Waffe des Pompeianischen Heeres, wie sie den Mut der Gegner hob, brach den der Armee und vor allem den des Feldherrn. Als Pompeius, der seinem Fussvolk von Haus aus nicht traute, die Reiter zurueckjagen sah, ritt er sofort von dem Schlachtfeld zurueck in das Lager, ohne auch nur den Ausgang des von Caesar befohlenen Gesamtangriffs abzuwarten. Seine Legionen fingen an zu schwanken und bald ueber den Bach in das Lager zurueckzuweichen, was nicht ohne schweren Verlust bewerkstelligt ward. Der Tag war also verloren und mancher tuechtige Soldat gefallen, die Armee indes noch im wesentlichen intakt und Pompeius’ Lage weit minder bedenklich als die Caesars nach der Niederlage von Dyrrhachion. Aber wenn Caesar in den Wechselfaellen seiner Geschicke es gelernt hatte, dass das Glueck auch seinen Guenstlingen wohl auf Augenblicke sich zu entziehen liebt, um durch Beharrlichkeit von ihnen abermals bezwungen zu werden, so kannte Pompeius das Glueck bis dahin nur als die bestaendige Goettin und verzweifelte an sich und an ihr, als sie ihm entwich; und wenn in Caesars grossartiger Natur die Verzweiflung nur immer maechtigere Kraefte entwickelte, so versank Pompeius’ duerftige Seele unter dem gleichen Druck in den bodenlosen Abgrund der Kuemmerlichkeit. Wie er einst im Kriege mit Sertorius im Begriff gewesen war, das anvertraute Amt im Stiche lassend vor dem ueberlegenen Gegner auf und davon zu gehen, so warf er jetzt, da er die Legionen ueber den Bach zurueckweichen sah, die verhaengnisvolle Feldherrnschaerpe von sich und ritt auf dem naechsten Weg dem Meere zu, um dort ein Schiff sich zu suchen. Seine Armee, entmutigt und fuehrerlos – denn Scipio, obwohl von Pompeius als Kollege im Oberkommando anerkannt, war doch nur dem Namen nach Oberfeldherr -, hoffte hinter den Lagerwaellen Schutz zu finden; aber Caesar gestattete ihr keine Rast: rasch wurde die hartnaeckige Gegenwehr der roemischen und thrakischen Lagerwachen ueberwaeltigt und die Masse genoetigt, sich in Unordnung die Anhoehen von Krannon und Skotussa hinaufzuziehen, an deren Fusse das Lager geschlagen war. Sie versuchte, auf diesen Huegeln sich fortbewegend Larisa wiederzuerreichen; allein Caesars Truppen, weder der Beute noch der Muedigkeit achtend und auf besseren Wegen in die Ebene vorrueckend, verlegten den Fluechtigen den Weg; ja, als am spaeten Abend die Pompeianer ihren Marsch einstellten, vermochten ihre Verfolger es noch, eine Schanzlinie zu ziehen, die den Fluechtigen den Zugang zu dem einzigen in der Naehe befindlichen Bach verschloss. So endigte der Tag von Pharsalos. Die feindliche Armee war nicht bloss geschlagen, sondern vernichtet. 15000 der Feinde lagen tot oder verwundet auf dem Schlachtfeld, waehrend die Caesarianer nur 200 Mann vermissten; die noch zusammengebliebene Masse, immer noch gegen 20000 Mann, streckte am Morgen nach der Schlacht die Waffen; nur einzelne Trupps, darunter freilich die namhaftesten Offiziere, suchten eine Zuflucht in den Bergen; von den elf feindlichen Adlern wurden neun Caesar ueberbracht. Caesar, der schon am Tage der Schlacht die Soldaten erinnert hatte, im Feinde nicht den Mitbuerger zu vergessen, behandelte die Gefangenen nicht wie Bibulus und Labienus es taten; indes auch er fand doch noetig, jetzt die Strenge walten zu lassen. Die gemeinen Soldaten wurden in das Heer eingereiht, gegen die Leute besseren Standes Geldbussen oder Vermoegenskonfiskationen erkannt; die gefangenen Senatoren und namhaften Ritter erlitten, mit wenigen Ausnahmen, den Tod. Die Zeiten der Gnade waren vorbei; je laenger er waehrte, desto ruecksichtsloser und unversoehnlicher waltete der Buergerkrieg. —————————————— ^6 Die genaue Bestimmung des Schlachtfeldes ist schwierig. Appian (bist. 2, 75) setzt dasselbe ausdruecklich zwischen (Neu-) Pharsalos (jetzt Fersala) und den Enipeus. Von den beiden Gewaessern, die hier allein von einiger Bedeutung und unzweifelhaft der Apidanos und Enipeus der Alten sind, dem Sofadhitiko und dem Fersaliti, hat jener seine Quellen auf den Bergen von Thaumakoi (Dhomoko) und den Dolopischen Hoehen, dieser auf dem Othrys, und fliesst nur der Fersaliti bei Pharsalos vorbei; da nun aber der Enipeus nach Strabon (9 p. 432) auf dem Othrys entspringt und bei Pharsalos vorbeifliesst, so ist der Fersaliti mit vollem Recht von W. M. Leake (Travels in Northern Greece. Bd. 4. London 1835, S. 320) fuer den Enipeus erklaert worden und die von Goeler befolgte Annahme, dass der Fersaliti der Apidanos sei, unhaltbar. Damit stimmen auch alle sonstigen
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