Notaugen gegen die Schwâ°rze der Heimsuchung, da ihm graute vor dem Unrat, auf dem man ihn verlassen hatte, weil er seinesgleichen war: selbst da noch, wenn er sich besann, war es sein grËï¬estes Entsetzen, erwidert worden zu sein. Was waren alle Finsternisse seither gegen die dichte Traurigkeit jener Umarmungen, in denen sich alles verlor. Wachte man nicht auf mit dem Gef¸hl, ohne Zukunft zu sein? Ging man nicht sinnlos umher ohne Anrecht auf alle Gefahr? Hatte man nicht hundertmal versprechen m¸ssen, nicht zu sterben? Vielleicht war es der Eigensinn dieser argen Erinnerung, die sich von Wiederkunft zu Wiederkunft eine Stelle erhalten wollte, was sein Leben unter den Abfâ°llen wâ°hren lieï¬. Schlieï¬lich fand man ihn wieder. Und erst dann, erst in den Hirtenjahren, beruhigte sich seine viele Vergangenheit.
Wer beschreibt, was ihm damals geschah? Welcher Dichter hat die â¹berredung, seiner damaligen Tage Lâ°nge zu vertragen mit der K¸rze des Lebens? Welche Kunst ist weit genug, zugleich seine schmale, vermantelte Gestalt hervorzurufen und den ganzen â¹berraum seiner riesigen Nâ°chte.
Das war die Zeit, die damit begann, daï¬ er sich allgemein und anonym f¸hlte wie ein zËgernd Genesender. Er liebte nicht, es sei denn, daï¬ er es liebte, zu sein. Die niedrige Liebe seiner Schafe lag ihm nicht an; wie Licht, das durch Wolken fâ°llt, zerstreute sie sich um ihn her und schimmerte sanft ¸ber den Wiesen. Auf der schuldlosen Spur ihres Hungers schritt er schweigend ¸ber die Weiden der Welt. Fremde sahen ihn auf der Akropolis, und vielleicht war er lange einer der Hirten in den Baux und sah die versteinerte Zeit das hohe Geschlecht ¸berstehen, das mit allem Erringen von Sieben und Drei die sechzehn Strahlen seines Sterns nicht zu bezwingen vermochte. Oder soll ich ihn denken zu Orange, an das lâ°ndliche Triumphtor geruht? Soll ich ihn sehen im seelengewohnten Schatten der Allyscamps, wie sein Blick zwischen den Grâ°bern, die offen sind wie die Grâ°ber Auferstandener, eine Libelle verfolgt?
Gleichviel. Ich seh mehr als ihn, ich sehe sein Dasein, das damals die lange Liebe zu Gott begann, die stille, ziellose Arbeit. Denn ¸ber ihn, der sich f¸r immer hatte verhalten wollen, kam noch einmal das anwachsende NichtanderskËnnen seines Herzens. Und diesmal hoffte er auf ErhËrung. Sein ganzes, im langen Alleinsein ahnend und unbeirrbar gewordenes Wesen versprach ihm, daï¬ jener, den er jetzt meinte, zu lieben verst¸nde mit durchdringender, strahlender Liebe. Aber wâ°hrend er sich sehnte, endlich so meisterhaft geliebt zu sein, begriff sein an Fernen gewohntes Gef¸hl Gottes â°uï¬ersten Abstand. Nâ°chte kamen, da er meinte, sich auf ihn zuzuwerfen in den Raum; Stunden voller Entdeckung, in denen er sich stark genug f¸hlte, nach der Erde zu tauchen, um sie hinaufzureiï¬en auf der Sturmflut seines Herzens. Er war wie einer, der eine herrliche Sprache hËrt und fiebernd sich vornimmt, in ihr zu dichten. Noch stand ihm die Best¸rzung bevor, zu erfahren, wie schwer diese Sprache sei; er wollte es nicht glauben zuerst, daï¬ ein langes Leben dar¸ber hingehen kËnne, die ersten, kurzen Scheinsâ°tze zu bilden, die ohne Sinn sind. Er st¸rzte sich ins Erlernen wie ein Lâ°ufer in die Wette; aber die Dichte dessen, was zu ¸berwinden war, verlangsamte ihn. Es war nichts auszudenken, was dem¸tigender sein konnte als diese Anfâ°ngerschaft. Er hatte den Stein der Weisen gefunden, und nun zwang man ihn, das rasch gemachte Gold seines Gl¸cks unaufhËrlich zu verwandeln in das klumpige Blei der Geduld. Er, der sich dem Raum angepaï¬t hatte, zog wie ein Wurm krumme Gâ°nge ohne Ausgang und Richtung. Nun, da er so m¸hsam und kummervoll lieben lernte, wurde ihm gezeigt, wie nachlâ°ssig und gering bisher alle Liebe gewesen war, die er zu leisten vermeinte. Wie aus keiner etwas hatte werden kËnnen, weil er nicht begonnen hatte, an ihr Arbeit zu tun und sie zu verwirklichen.
In diesen Jahren gingen in ihm die groï¬en Verâ°nderungen vor. Er vergaï¬ Gott beinah ¸ber der harten Arbeit, sich ihm zu nâ°hern, und alles, was er mit der Zeit vielleicht bei ihm zu erreichen hoffte, war “sa patience de supporter une âme”. Die Zufâ°lle des Schicksals, auf die die Menschen halten, waren schon lâ°ngst von ihm abgefallen, aber nun verlor, selbst was an Lust und Schmerz notwendig war, den gew¸rzhaften Beigeschmack und wurde rein und nahrhaft f¸r ihn. Aus den Wurzeln seines Seins entwickelte sich die feste, ¸berwinternde Pflanze einer fruchtbaren Freudigkeit. Er ging ganz darin auf, zu bewâ°ltigen, was sein Binnenleben ausmachte, er wollte nichts ¸berspringen, denn er zweifelte nicht, daï¬ in alledem seine Liebe war und zunahm. Ja, seine innere Fassung ging so weit, daï¬ er beschloï¬, das Wichtigste von dem, was er fr¸her nicht hatte leisten kËnnen, was einfach nur durchwartet worden war, nachzuholen. Er dachte vor allem an die Kindheit, sie kam ihm, je ruhiger er sich besann, desto ungetaner vor; alle ihre Erinnerungen hatten das Vage von Ahnungen an sich, und daï¬ sie als vergangen galten, machte sie nahezu zuk¸nftig. Dies alles noch einmal und nun wirklich auf sich zu nehmen, war der Grund, weshalb der Entfremdete heimkehrte. Wir wissen nicht, ob er blieb; wir wissen nur, daï¬ er wiederkam.
Die die Geschichte erzâ°hlt haben, versuchen es an dieser Stelle, uns an das Haus zu erinnern, wie es war; denn dort ist nur wenig Zeit vergangen, ein wenig gezâ°hlter Zeit, alle im Haus kËnnen sagen, wieviel. Die Hunde sind alt geworden, aber sie leben noch. Es wird berichtet, daï¬ einer aufheulte. Eine Unterbrechung geht durch das ganze Tagwerk. Gesichter erscheinen an den Fenstern, gealterte und erwachsene Gesichter von r¸hrender Æhnlichkeit. Und in einem ganz alten schlâ°gt ganz plËtzlich blaï¬ das Erkennen durch. Das Erkennen? Wirklich nur das Erkennen?–Das Verzeihen. Das Verzeihen wovon?–Die Liebe. Mein Gott: die Liebe.
Er, der Erkannte, er hatte daran nicht mehr gedacht, beschâ°ftigt wie er war: daï¬ sie noch sein kËnne. Es ist begreiflich, daï¬ von allem, was nun geschah, nur noch dies ¸berliefert ward: seine Gebâ°rde, die unerhËrte Gebâ°rde, die man nie vorher gesehen hatte; die Gebâ°rde des Flehens, mit der er sich an ihre F¸ï¬e warf, sie beschwËrend, daï¬ sie nicht liebten. Erschrocken und schwankend hoben sie ihn zu sich herauf. Sie legten sein Ungest¸m nach ihrer Weise aus, indem sie verziehen. Es muï¬ f¸r ihn unbeschreiblich befrei end gewesen sein, daï¬ ihn alle miï¬verstanden, trotz der verzweifelten Eindeutigkeit seiner Haltung. Wahrscheinlich konnte er bleiben. Denn er erkannte von Tag zu Tag mehr, daï¬ die Liebe ihn nicht betraf, auf die sie so eitel waren und zu der sie einander heimlich ermunterten. Fast muï¬te er lâ°cheln, wenn sie sich anstrengten, und es wurde klar, wie wenig sie ihn meinen konnten.
Was wuï¬ten sie, wer er war. Er war jetzt furchtbar schwer zu lieben, und er f¸hlte, daï¬ nur Einer dazu imstande sei. Der aber wollte noch nicht.