This page contains affiliate links. As Amazon Associates we earn from qualifying purchases.
Language:
Form:
Genre:
Published:
Collection:
Tags:
Buy it on Amazon FREE Audible 30 days

Preising. Gut denn!

Ernst. Weiter entbietet ihn zum Turnier, nach Regensburg, denk ich! Ja, ja, nach Regensburg! Ich bin’s denen schuldig! Er soll nicht länger dastehen, wie ein Knabe, dem der eine Vogel davongeflogen ist, und der keinen andern fangen kann, auch soll’s die Ritterschaft gleich wissen, daß Welf und Wittelsbach sich endlich einmal wieder küssen wollen, und das will ich feierlich auf dem Turnier verkünden! Es muß so rasch, als möglich, zustande gebracht werden, mein Bruder soll die Ausschreibungen auf der Stelle erlassen, ich will gleich zu ihm, er wird’s gern tun, das ist ein Geschäft für ihn! Wißt Ihr, wie’s mit seinem Sohne steht? Ich sah ihn lange nicht, sie verstecken ihn vor mir, wie’s scheint, als ob sie sich schämten, ich mag kaum nach ihm fragen!

Preising. Besser, wie ich höre, etwas besser, seit das alte Kräuterweib ihn pflegt!

Ernst. Das freut mich, obgleich es wohl nicht viel heißt! Denn mit diesem Knaben spielen alle Gebresten Fangball, ich hätte gar nicht gedacht, daß es so viele übel gibt, als er schon gehabt hat, es ist ein Elend! Preising, der arme Adolph wird gewiß keine tolle Streiche machen, höchstens den, daß er ins Kloster geht, und daran tut er am Ende sogar recht!

Preising. Oft werden schwache Kinder doch noch starke Männer!

Ernst. Gott geb’s, ich wünsch es von Herzen! Aber–was trieb mein Albrecht schon alles, als er vier Jahr’ alt war! Da kam kein Bart ungerupft vom Schloß, und kein Fenster blieb ganz, wo er herumhantierte. Freilich, jetzt ist’s weit mit ihm gekommen, er hat sein Nest beschmutzt, und das hätt’ ich nie gedacht, ich hielt ihn für einen bessern Vogel. Nun, es soll schon wieder rein werden, und später kann ich dafür auch um so mehr von ihm fordern, denn alle zehn Gebote zusammen peitschen den Mann nicht so vorwärts, wie die Jugend-Torheiten, die ihm rechts und links über die Schultern kucken, wenn er den Kopf einmal dreht. Nur darum, glaub ich, läßt Gott, der Herr, sie zu! (Wendet sich zum Abgehen.)

Preising. Und wenn–Gnädiger Herr, in einem solchen Fall ward das ja gewiß noch niemals schnell gesagt! Wenn er es mir nicht gleich auf den Weg mitgibt: lad ich ihn dann auch zum Turnier?

Ernst. Dann erst recht! Dann will ich ihn vor gesamter Ritterschaft–Torheit! Zu Pferd, Preising, zu Pferd! (Rasch ab.)

Vohburg.

Siebente Szene

Erkerzimmer. Albrecht tritt mit Agnes ein. Der Kastellan folgt.

Albrecht (zu Agnes, die einzutreten zaudert). Nun? (Zum Kastellan.) Also dies ist das Zimmer?

Kastellan. Dies ist das Zimmer!

Albrecht. Ein wahrer Lug ins Land!

Kastellan. Ja, von hier aus sieht man die Feinde zuerst, aber auch die Freunde. Das sagte die Hochselige, als sie’s zum ersten Mal betrat und geradeso, wie Ew. Gnaden jetzt, aufs Fenster zuging!

Albrecht. Wir hätten früher kommen sollen, nicht wahr, Alter, gleich nach der Ankunft? Denn ich merk’s wohl, daß meine Mutter dich ins Vertrauen gezogen hat!

Kastellan. Ei, ich brauch’s nicht zu erfahren, warum das fünf Tage später geschieht, als sie erwartete! Ich weiß ohne das, was ich dem Burgwart und dem Kellermeister zu antworten hab, wenn sie die Köpfe noch einmal zusammenstecken sollten, denn Ew. Gnaden stehen jetzt darin, und also auch meine erlauchte Gebieterin Elisabeth von Württemberg, nunmehr von Bayern!

Albrecht. Deine Gebieterin gewiß, wenn auch nicht Elisabeth von Württemberg!

Kastellan. Nicht? Ich meinte doch! Anders freilich hätt’ ich’s mir vorgestellt! Wenn Fürstinnen im Heiligen Römischen Reich sonst ihren Brautzug hielten, meldete es ein Glockenturm dem andern durch fröhlich Geläut, die Fahnen flogen, die Trompeten schmetterten und bunte Herolde sprengten hin und her! Davon hat man diesmal nichts gemerkt: nun, Gott segne die Herzogin dieser Lande und die rechtmäßige Gemahlin meines Herrn! (Ab.)

Achte Szene

Albrecht. Ein wunderlicher Alter! Ganz wie ein welkes Blatt unter grünem Laub, das der Wind hängenließ!

Agnes. Er erinnert mich an meinen Vater! So wird der einmal aussehen!

Albrecht. Nun sind wir denn hier! Wie trieb er! Soviel ich ihm auch zugute halte, es verdroß mich fast, dies ewige Sich-in-den-Weg-Stellen und Klirren mit dem Schlüsselbund!

Agnes. Und ich schämte mich! Aber es rührte mich doch! Er kann keinen Flecken an seinem Herzog dulden, und er hielt mich für deinen Flecken!

Albrecht. Nun, ihr Wände? Wenn ihr Zungen habt, so braucht sie, damit ich endlich erfahre, warum wir gerade hierher zuerst kommen sollten! Ich glaubte, dieser sei eine überraschung zugedacht, aber ich sehe ja nichts!

Agnes. Schön ist es hier! Dies braune Getäfel ist so blank, daß es uns abspiegelt! Das ist gewiß Regensburger Arbeit! Und die bunten Glasfenster mit den vielen, vielen Bildern darin!

Albrecht. Ja, das machen sie jetzt am Rhein, seit sie in Köln den Dom bauen! Lauter Legenden! Man wird heilig, wenn man durch solche Scheiben sieht! Aber ich kann mir doch nicht denken, daß wir hierher gerufen sind, um uns die zu erklären!

Agnes. Und die Aussicht! Oh!

Albrecht. Das alles ist jetzt dein! Aber freu dich nicht zu sehr! Du mußt auch manches mit in den Kauf nehmen. Zum Exempel den alten krüpplichten Baum da, und dort die Hütte ohne Dach!

Agnes. Mein Albrecht, du bist so fröhlich, das ist mein größtes Glück!

Albrecht. Oh, ich bin heute ein Maulhänger gegen das, was ich morgen sein werde, und so fort und fort! Ja, Agnes, so ist’s! Ein Entzücken ist bei mir immer nur der Herold des anderen, größeren, und jetzt erst weiß ich’s, warum wir Menschen unsterblich sind.

Agnes. Nicht mehr! Ich halt’s nicht aus! Die Brust zerspringt mir! (Sie erblickt den Betschemel.) Da! Da! (Sie wirft sich hin und betet.)

Albrecht (mit einem Blick nach oben). Nun segnest Du! Und ich weiß auch, durch wen!

Agnes (steht wieder auf, an dem Betschemel öffnet sich, wo sie kniete, ein geheimes Fach, sie bemerkt es nicht).

Albrecht. Jetzt ist meine Mutter nicht mehr im Himmel, sondern wieder auf Erden und hier bei uns, aber ihre Seligkeit ist gleich groß!

Agnes. Ach, auf mich war sie nicht gefaßt!

Albrecht (bemerkt das geheime Fach). Aber, was ist das?

Agnes. Perlen und Kleinodien! Oh, welche Pracht!

Albrecht. Ihr Schmuck! Das denk ich wenigstens, denn getragen hat sie ihn wohl nur, eh’ ich geboren wurde! Und ein Brief! (Er nimmt den Brief.) An dasjenige meiner Kinder, das hier zuerst nach mir betet! (Reicht ihn Agnes.) Also an dich! Da ist das Geheimnis! Sieh! sieh! Da hatte dieser Gang doch einen Zweck! Das hätte dir bei der Trauung prächtig gestanden! Freilich, wir hatten sie hinter uns, eh’ wir kamen!–Nun?

Agnes (reicht ihm den Brief).

Albrecht (nachdem er ihn gelesen hat). Wär’ ich’s gewesen, so hätt’ ich dich damit schmücken dürfen, nun sollst du’s selbst tun. Das ist auch besser!

Agnes. Nicht dies, nicht das!

Albrecht. Und was darunterliegt, ist für den, der nicht betete. Das wird nicht so glänzen und funkeln! Gute Mutter, du hast vorausgewußt, wer das sein würde; ich seh dich, wie du den Zeigefinger gegen mich erhebst! (Zu Agnes.) Aber nun mach doch! Wie lange soll ich um den letzten Tannenbaum, den sie mir aufrichtete, herumhüpfen, eh’ ich ihn plündern darf? Nimm rasch das Deinige weg, daß ich zum Meinigen komm!

Agnes. Wie sollt’ ich!

Albrecht. Du bist ihr freilich keinen Gehorsam schuldig, aber ich, und wahrlich, ich will ihn der Toten am wenigsten weigern. Du wirst mich nicht hindern wollen, ein frommer Sohn zu sein! Also! (Er nimmt die Perlen und will sie schmücken.)

Agnes (tritt zurück). Nicht doch! Was bliebe noch für eine Prinzessin!

Albrecht. Willst du trennen, was zusammengehört? Da gäbst du meinem Vater, den du so fürchtest, ein böses Beispiel! Mach’s schnell wieder gut, daß er sich nicht darauf berufe! Komm! Gleiches zu Gleichem! (Er schüttelt die Perlen, daß sie klappern.) Das heißt hier: Hagel zu Schnee! (Er hängt sie ihr um.) Nun mögen sie sich streiten, wer weißer ist!

Agnes. Schmeichler!

Albrecht. Agnes, hat man’s dir schon gesagt, daß der rote Wein, wenn du ihn trinkst, durch den Alabaster deines Halses hindurchleuchtet, als ob man ihn aus einem Kristall in den andern gösse? Aber, was schwatz ich! (Er nimmt das goldene Diadem.) Ich habe ja noch ein Paar zu vereinigen! (Er will es ihr aufsetzen.)

Agnes. Es würde mich drücken!

Albrecht. Du hast recht, daß du dich jetzt noch mehr sträubst, wie vorher, denn hier ist die Ebenbürtigkeit noch mehr zweifelhaft! Dies Gold und das (er deutet auf ihre Locken), der Abstand ist zu groß! Dies ist der Sonnenstrahl, wie er erst durch die Erde hindurchging und an ihre Millionen Gewächse sein Bestes abgab, dann verdichtete sich der grobe Rest zum schweren toten Korn! Das ist der Sonnenstrahl, der die Erde niemals berührte, er hätte eine Wunderblume erzeugt, vor der sich selbst Rosen und Lilien geneigt haben würden, doch er zog es vor, sich kosend als schimmerndes Netz um dein Haupt zu legen! (Er setzt ihr das Diadem auf.) Aber nimm’s nicht so genau, wir finden nichts Beßres.

Agnes. Nur, um zu sehen, wie’s ihr gestanden hat!

Albrecht. Das Auge ist so edel, daß es nicht geschmückt werden kann, noch diesen Ring an den Finger–er ging lange genug nackt!–noch dieses Armband, und (er führt sie ritterlich vor) die Kaiserin ist fertig! Denn, das ahntest du nicht, eine Kaiserin wollt’ ich machen, und sie steht da, setz dich auf den ersten Thron der Welt, und in tausend Jahren wird nicht kommen, die sagen darf: erhebe dich! Nun will ich aber auch mein Teil sehen! (Er nimmt eine Menge welker Blumen usw. aus dem Fach.) Welke Blumen und Blätter, die fast zerstäuben, wenn man sie anrührt? Was mag sich so ankündigen? Heraus! (Er erblickt einen Totenkopf und erhebt ihn.) Ah, du bist’s, stummer Prediger? Du redest noch besser, wie Salomo, aber mir sagst du nichts Neues; wer, wie ich, auf Schlachtfeldern aufwuchs, der weiß es auch ohne dich, daß er sterben muß! Doch erst will ich leben! Im Himmel gibt’s Halbselige, sie blicken nach der Erde zurück, und wissen nicht, warum! Ich weiß es, sie haben ihren Kelch nicht geleert, sie haben nicht geliebt! Ja, Agnes-

Neunte Szene

Der Kastellan (tritt ein).

Albrecht (zum Kastellan). Halt! Noch kein Wort, und ob die Welt unterginge! Ja, Agnes, wenn ich bei Gott aufhören soll, muß ich bei dir anfangen, es gibt für mich keinen anderen Weg zu ihm! Geht es dir nicht auch so?

Agnes. Und käme jetzt der Tod, ich dürfte nicht mehr sagen: Du kommst zu früh!

Albrecht (preßt sie an sich). All unsre Wollust mündet in Gott, was unsre enge Brust nicht faßt, das flutet in die seinige hinüber, er ist nur glücklich, wenn wir selig sind, soll er nicht glücklich sein? (Er küßt sie.) Und zuweilen stößt er die Welle zurück, dann überströmt sie den Menschen, und er ist auf einmal dahin, wandelt im Paradiese und spürt keine Veränderung! Wenn das jetzt käme!

Agnes. Nicht weiter, nicht weiter!

Albrecht (läßt sie los). Das war eine Stunde! Nun komme die zweite! –Was gibt’s?

Kastellan. Botschaft von Eurem Herrn Vater! Ritter Preising!

Albrecht. Hierher!

(Kastellan ab.)

Agnes (will gehen).

Albrecht. Nein! So ist’s nicht gemeint, daß ich dich verleugnen will! Bleib! Wie der dich ansieht, sieht mein Vater dich auch an. Da wissen wir gleich, wie’s steht!

Agnes. Laß mich, mein Albrecht! Es treibt mich fort! Dies (sie deutet auf das Diadem) wäre Herausforderung!

Albrecht. So geh da hinein, da ist ja auch noch ein Gemach, nicht wahr? Dann bist du mit drei Schritten wieder bei mir!

Agnes (ab).

Albrecht. Kommt nur, ich lasse mich finden!

Zehnte Szene

Preising tritt ein, von Törring, Frauenhoven und Nothhafft von Wernberg begleitet.

Albrecht. Was bringt Ihr, Kanzler?

Preising. Fröhliche Botschaft!

Albrecht. Wirklich? Da käme Freude zur Freude!

Preising. Eine Botschaft, die mein gnädiger Herr eigentlich dem Ritter Haydeck, und nicht mir, hätte übertragen sollen!

Albrecht. So! Ich versteh schon!

Preising. Er mußte Euch die Flucht Eurer ersten Braut melden-

Albrecht. Ich habe vergessen, ihn dafür zu belohnen, es soll geschehen, sobald ich ihn wiederseh!

Preising. Er sollte Euch billig auch das Jawort der zweiten überbringen!

Albrecht. Preising, geradeheraus! Ich versteh mich schlecht aufs Rätsellösen, aber gut aufs Nußknacken! Was ist’s?

Preising. Euer Vater hat um die schönste Fürstin Deutschlands für Euch angehalten-

Albrecht. Das bedaur’ ich sehr!

Preising. Erich von Braunschweig hat eingewilligt!

Albrecht. Das bedaur’ ich noch mehr!

Preising. Und ich-

Albrecht. Ihr sollt mich zum Nicken bringen, wie einen Nürnberger Hampelmann, den man von hinten ziehen kann! Es wird Euch nicht gelingen, und das bedaur’ ich am meisten, denn Euer Ansehen wird darunter leiden!

Preising. Euer Vater würde erstaunt sein, das kann ich Euch versichern, wenn Ihr Euch nur einen Augenblick gegen eine Verbindung sträuben könntet, die seit der Ächtung Heinrichs des Löwen nicht zustande gebracht werden konnte, sooft es auch versucht wurde, und die eine uralte, zuweilen höchst gefährliche Feindschaft für ewige Zeiten ersticken wird! Hier nicht mit beiden Händen zugreifen, heißt nicht bloß das Glück mit Füßen treten; es heißt auch die endlich eingeschlafene Feindschaft zwischen Welf und Wittelsbach wieder aufwecken, ja verdoppeln; es heißt den ungerechten Haß in einen gerechten verwandeln; es heißt die Rache herausfordern und ihr selbst die Waffen reichen!

Albrecht. Das weiß ich, oh, das weiß ich, mich sollt’s wundern, wenn’s anders wär’! Man kann die Pläne meines Vaters nie kreuzen, ohne zugleich der halben Welt ins Gesicht zu schlagen, mit ihm allein hat’s noch keiner zu tun gehabt! Aber so groß die Kunst auch sein mag, den Faden so zu spinnen unfehlbar ist sie nicht, und diesmal reißt er ab!

Preising. Und Euer Grund?

Albrecht. Ihr kennt ihn!

Preising. Ich hoffe, nein!

Albrecht. Nicht? Nun, Ihr braucht ihn nicht weit zu suchen! Ich bin ein Mensch, ich soll dem Weibe, mit dem ich vor den Altar trete, so gut, wie ein andrer, Liebe und Treue zuschwören, darum muß ich’s so gut, wie ein andrer, selbst wählen dürfen!

Preising. Ihr seid ein Fürst, Ihr sollt über Millionen herrschen, die für Euch heute ihren Schweiß vergießen, morgen ihr Blut verspritzen und übermorgen ihr Leben aushauchen müssen: wollt Ihr das alles ganz umsonst? So hat Gott die Welt nicht eingerichtet, dann wäre sie nimmer rund geworden, einmal müßt Ihr auch ihnen ein Opfer bringen, und Ihr werdet nicht der erste Eures ruhmwürdigen Geschlechts sein wollen, der es verweigert!

Albrecht. Einmal? Einmal mit jedem Atemzuge, meint Ihr! Wißt Ihr auch, was Ihr verlangt? Gewiß nicht, denn sonst würdet Ihr die Augen wenigstens niederschlagen und nicht dastehen, als ob alle zehn Gebote mit feurigen Buchstaben auf Eurer Stirn geschrieben ständen. Was tut Ihr, wenn der Tag Euch ein finstres Gesicht zeigt, wenn Euch alles mißlingt, und Ihr Euch selbst fehlt? Ihr werft beiseite, was Euch quält, und eilt zu Eurem Weibe, sie ist vielleicht gerade doppelt von Gott gesegnet und kann Euch abgeben, wenn das aber auch einmal nicht zutrifft, so könnt Ihr sie ja gar nicht ansehen, ohne aller Eurer glücklichen Stunden zu gedenken, und wem die wieder lebendig werden, der hat eine mehr! Was wär’ mein Los? Könnt’ ich auch zu meinem Weibe eilen? Unmöglich, ich müßte eher eine Wache vor meine Tür stellen, damit die Unselige in ihrer Unschuld nur nicht von selbst komme und mich ganz verrückt mache, denn sie wäre ja mein Ärgster Fluch! Doch nein, das wäre schlecht von mir, das dürft’ ich nicht, ich müßte ihr entgegengehen und sie in meine Arme schließen, während ich sie lieber von mir schleudern möchte, wie einen ankriechenden Käfer, denn das hätt’ ich vor Gott gelobt. Graust Euch? Wißt Ihr jetzt, was Ihr verlangt? Nicht bloß auf mein Glück soll ich Verzicht leisten, ich soll mein Unglück liebkosen, ich soll’s herzen und küssen, ja ich soll dafür beten, aber nein, nein, in alle Ewigkeit nein!

Preising. Herzog Ludwig, Euer Vorfahr, nahm eine Gemahlin, die keiner erblickte, ohne ihr zu dem Namen, den sie in der heiligen Taufe empfangen hatte, unwillkürlich noch einen zweiten zu geben; es war Margaretha von Kärnten, die im Volksmund noch heutzutage die Maultasche heißt. Er war jung, wie Ihr, und man hört nicht, daß er blind gewesen ist, aber sie brachte die Grafschaft Tirol an Bayern zurück, und wenn er sich über ihre Schönheit nicht freuen konnte, so wird der Gedanke ihn getröstet haben, daß seine armen Untertanen unter seiner Regierung das Salz noch einmal so billig kauften, wie zuvor, und ihn mit fröhlichen Gesichtern morgens, mittags und abends dafür segneten!

Albrecht. Wißt Ihr, ob er ihnen nicht jedesmal eine Bitte abschlug, wenn er sein Weib gesehen hatte?

Preising. Ich weiß nur, daß er vier Kinder hinterließ. Gnädiger Herr, ich habe meine Botschaft ausgerichtet und werde Eurem Vater melden, daß Ihr zu mir nicht ja gesagt habt. Wollt Ihr etwas hinzufügen, so tut’s, wenn Ihr ihn seht! Mein Auftrag ist noch nicht zu Ende, ich soll Euch noch zu dem Turnier laden, das er in Regensburg zu halten gedenkt, und Ihr werdet seinen Unwillen nicht dadurch noch erhöhen wollen, daß Ihr ausbleibt!

Albrecht. Gewiß nicht, ich habe das Fechten nicht verlernt, auch in Augsburg nicht, und gebe gern den Beweis!

Preising. Da müßt Ihr denn noch heute aufsitzen!

Albrecht. Noch heute?

Preising. Übermorgen findet’s statt!

Albrecht. Das kommt ja rascher zustande, wie eine Bauern-Schlägerei! Was gibt’s denn? Ist dem Kaiser in seinem Alter eine Prinzessin geboren?

Preising. Wahrscheinlich sollte Eure neue Verlobung der Ritterschaft verkündigt werden, denn Euer Vater hält Eure Weigerung für unmöglich und ist stolz darauf, daß ihm gelang, was seinen Vorfahren drei Jahrhunderte hindurch mißglückte. Nun wird’s wohl auf ein bloßes Lanzenspiel hinauslaufen!

Albrecht. Gleichviel! Ich bin in billigen Dingen sein gehorsamer Sohn und will um eine Erbsenschote turnieren, wenn er’s verlangt!

Preising. Also, Ihr erscheint, ich hab Euer Wort!

(Ab, von Törring, Frauenhoven und Nothhafft von Wernberg zurückbegleitet.)

Elfte Szene

Albrecht. Da ist’s! Und ich kann nicht sagen, daß mich’s verdrießt! Ich bin nicht gemacht, mein Glück zu genießen, wie ein Knabe die Kirschen nascht, die er gestohlen hat! Und wenn der Sturmwind mir die Tarnkappe abreißt, so kann der Augsburger Priester doch gewiß nicht sagen, ich selbst hätte das Geheimnis verraten!

Zwölfte Szene

Agnes (tritt wieder ein, aber ohne die Kleinodien). Nun, mein Albrecht?

Albrecht. Ja, Agnes, nun werd ich’s bald sehen, ob du von deinem Vater was gelernt hast, ich werde bloß, um dich auf die Probe zu stellen, ein Paar Beulen von Regensburg mitbringen! Aber, was hast du gemacht? Mein Werk wieder zerstört? Nein, wirst du sagen, Gottes Werk wiederhergestellt! Und es ist wahr, ich hatte es nur verdorben, wie der Knabe die Lilie, die er mit Nelkenblättern bestreut! Du tatest wohl, den bunten überfluß abzuschütteln.

Agnes. Ich habe alles gehört, alles! Ich mußte!

Albrecht. Alles, nur meine letzte Antwort nicht! Fürchte nichts von meinem Ungestüm, ich halte sie zurück, solange ich kann, auch jetzt noch! Aber im äußersten Fall: Hier ist sie! (Er umarmt sie.) Wir sind vereint, nur der Tod kann uns noch trennen, und der ist sein eigner Herr! Auch gibt’s auf der ganzen Welt keinen Mann, der sich schneller in etwas ergibt, wie mein Vater, wenn er sieht, daß nichts mehr zu ändern ist! Nun in die Rüstkammer! Nothhafft und Törring nehm ich mit, Frauenhoven bleibt hier zu deinem Schutz!

Agnes. Es ist nicht Furcht, was mich bewegt! Den Schwindel hab ich überwunden! Aber–Sieh, mein Albrecht, es tut mir weh, wenn ich mir denke, daß ganz Augsburg mich für etwas anderes, als für deine Gemahlin hält; und der Trost, vor Gott rein dazustehen, reicht nicht immer aus, kaum, laß mich’s bekennen, das Gefühl, mein Glück damit zu bezahlen. Doch ich will es gern mein ganzes Leben lang ertragen, wenn’s nur zwischen dir und deinem Vater Friede bleibt. Wie fürchterlich war’s mir früher schon immer, wenn sich Freunde und Brüder meinetwegen entzweiten, und von wie manchem Tanz blieb ich weg, um’s nur nicht zu sehen! Und was war das gegen dies!

Albrecht. Diesmal ist gar nichts zu besorgen! Auch ein Fürstensohn darf sagen: ich will die nicht! und wenigstens: ich will noch nicht! Aber zusammenhauen will ich sie–Hei! wer mich bisher schon einen guten Fechter genannt hat, der soll sich schämen, und ein jeder soll sich’s im stillen zuschwören, mir nie wieder in den Weg zu treten, auch wer selbst nichts abbekommt!

(Beide ab.)

Regensburg.

Dreizehnte Szene

Turnierplatz. Die Zuschauer sind auf ihren Tribünen schon versammelt. Der Marschall steht vor den Schranken, ein Buch unterm Arm. Großer Zug; Fahnen, Trophäen, Trompeten.

Ernst (tritt auf, von seinen Rittern begleitet. Unter diesen befinden sich Wolfram von Pienzenau, Otto von Bern, Ignaz von Seyboltstorff und Hans von Preising. Preising geht ihm zur Seite. Die Ritter stellen sich bis auf Preising rechts vom Marschall auf).

Preising. Gnädiger Herr, mißdeutet’s nicht, daß ich noch einmal anklopfe, aber die Stunde ist ernst, was Ihr zu tun gedenkt, kann vielleicht nicht mehr zurückgetan werden, und Ihr pflegt ja doch sonst meinen geringen Rat nicht zu verschmähen!

Ernst. Gegen jedermann kann ich Euch schützen, nur nicht gegen meinen Nachfolger, darum rat ich mir diesmal allein!

Marschall (ruft). Wolfram von Pienzenau! Otto von Bern!

Pienzenau und Bern. Hier!

Marschall (läßt sie ein).

Preising. Ich fürchte zu erraten, was Ihr vorhabt, der Marschall hat das Buch gewiß nicht umsonst unterm Arm! überlegt’s noch, ich bitt Euch, und seht in der raschen Antwort, die er Euch vorhin gab, nicht den Trotz eines Sohns, sondern die Hartnäckigkeit eines Verliebten, der sein Gefühl für eine Agnes nicht sogleich auf eine Anna übertragen kann!

Ernst. Ihr werdet augenblicklich aufgerufen werden!

Preising (geht zu den Rittern).

Ernst. Ein Schnitt ins Fleisch tut not. Wirkt’s nicht gleich, so wirkt’s später! Ei, ei, wer hätte das gedacht! Einer Dirne wegen!

Albrecht (tritt mit Nothhafft von Wernberg und Törring auf).

Ernst (an Albrecht vorbeischreitend). Noch einmal! Darf ich der Ritterschaft Eure Verlobung mit Anna von Braunschweig ankündigen lassen?

Albrecht. Ich habe zu viel von Euch im Leibe, um auf eine und dieselbe Frage an einem und demselben Morgen zwei Antworten zu geben! –Mein Gott, lag ich denn ganz umsonst auf den Knien vor Euch?

Ernst. Gut! (Er geht weiter.) Marschall, ich habe Euch nichts zu sagen! (Er besteigt seine Tribune.) Nur fort!

Marschall (ruft). Hans von Preising! Ignaz von Seyboltstorff!

Preising und Seyboltstorff. Hier! (Treten an die Schranken.)

Albrecht. Preising! Seyboltstorff! Zurück! Wittelsbach ist da! (Tritt an die Schranken.)

Marschall. Halt!

Albrecht. Marschall von Pappenheim, aufgeschaut! Den Blinden, dem ich den Star stechen muß, bedien ich mit der Lanze!

Ernst. Artikel zehn!

Marschall (öffnet das Buch und liest). Weiter wurde zu Heilbronn für ewige Zeiten beschlossen und geordnet. welcher vom Adel geboren und herkommen ist und Frauen und Jungfrauen schwächte-

Albrecht (schlägt ihm das Buch aus der Hand). Der darf nicht turnieren! Werden hier Krippenreiter zugelassen, die das nicht wissen?

Marschall. Ihr seid angeklagt, auf Eurem Schloß Vohburg mit einem Schwabenmädchen in Unehren zu leben!

Albrecht. Mein Kläger?

Ernst (erhebt sich).

Albrecht. Herzog von München-Bayern, laß deine Späher peitschen, sie haben deine Schwieger verunglimpft! Die ehr–und tugendsam Augsburger Bürgertochter, Jungfer Agnes Bernauer, ist meine Gemahlin, und niemand, als sie, befindet sich auf Vohburg! Hier stehen meine Zeugen!

Ernst. Preising! Das ist ja zum–Wiederjungwerden!

Albrecht. Da man nun mit seinem angetrauten Weibe nicht in Unehren leben kann, so–Schildknapp’, zeig dem Mann mit dem Buch da, wie man öffnet!

Schildknapp’ (öffnet rasch).

Albrecht (tritt ein). Nun, Ihr Herren? Man pflegt: ich wünsch Euch Glück! zu sagen!

Ernst (greift zum Schwert und will hinunterstürzen). Ich komm schon!

Preising (wirft sich ihm entgegen). Gnädiger Herr, erst müßt Ihr mich durchstoßen!

Ernst. Ei, ich will’s ja nur als Knüttel brauchen, ich will nur für die überraschung danken! Doch, Ihr habt recht, es ist auch so gut, was erhitzt der Vater sich, der Herzog genügt. (Er ruft.) Edle von Bayern, Grafen, Freiherren und Ritter, auch Wilhelm, mein Bruder, hat einen Sohn-

Albrecht. Was soll das?

Ernst. Wer den Weg zur Schlafkammer seiner ehr–und tugendsamen Jungfer–allen Respekt vor ihr, es muß eine gescheite Person sein! –durch die Kirche nehmen mußte, der nimmt die Benediktion mit und die Gnade aller Heiligen obendrein, aber Krone und Herzogsmantel läßt er am Altar zurück! (Er fährt fort.) Dieser Sohn heißt Adolph und ihn erklär ich-

Albrecht. Bei meiner Mutter, nein!

Hans von Läubelfing. Albrecht von Wittelsbach, Ingolstadt steht hinter Euch, fürchtet nicht für Euer Recht, Ludwig der Bärtige zieht!

Ernst. Ludwig von Ingolstadt, oder wer hier für ihn spricht, das Reich steht hinter mir mit Acht und Aberacht, weh dem, der seine Ordnung stört!

Marschall (nebst vielen andern Rittern, mit den Schwertern klirrend). Ja, weh dem!

Ernst. Bürger von Augsburg, Eidam des Vaters, empfangt jetzt Segen und Hochzeitsgabe zugleich! (Fährt fort.) Es lebe mein Nachfolger! (Er steigt von der Tribune herunter.) Wer ein guter Bayer ist, stimmt mit ein: es lebe Adolph, das Kind!

Marschall (mit vielen andern Rittern um Ernst sich scharend). Es lebe Adolph, das Kind!

Albrecht (zieht und dringt auf den Marschall ein, auch um ihn scharen sich einige Ritter). Otto, mein Ahnherr, für Treu!

Ernst (schlägt ihm mit der Faust aufs Schwert). Das Turnier ist aus!

Albrecht. Nein, es beginnt! Die Ritterschaft verläßt mich! Bürger und Bauern, heran!

(Er schwingt sein Schwert gegen die Zuschauer. Großes Getümmel.)

Vierter Akt

München.

Erste Szene

Das Herzogliche Kabinett. Preising sitzt an einem Tisch, ein versiegeltes Dokument in der Hand.

Preising. Dies soll ich öffnen und prüfen! Und gerade heut, an diesem Tage des Jammers! (Er besieht das Dokument.) Keine Aufschrift, bis auf ein Kreuz! Aber sieben Siegel von seiner eignen Hand! Dazu lag’s, dreifach verschlossen, in einer ehernen Truhe! Der Inhalt muß ernst und wichtig sein! Auch neu ist es nicht! Das beweist der Staub, der sich mir an die Finger setzt! (Er fängt an, die Siegel zu erbrechen.) Offenbar ein Geheimnis, das er lange vor mir verbarg! Mir wird fast beklommen!

Zweite Szene

Stachus (tritt ein). Ein Bauer ist da, mit einer ungeheuer großen Ähre, die er dem Herzog zeigen will!

Preising. Nur heute nicht! Er wird vom Sterbebett keine Augen dafür mitbringen!

Stachus. Das hab ich ihm schon gesagt! Aber er läßt sich nicht bedeuten, und Ihr wißt’s ja, daß wir mit den gemeinen Leuten nicht unsanft verfahren dürfen!

Preising. So laß ihn stehen, bis er von selbst geht! Hört man denn nichts von dem armen Prinzen? Wird’s nicht doch ein wenig besser? Bei Gott ist ja kein Ding unmöglich!

Stachus. Besser! Vor einer halben Stunde ward er versehen! Herr Kanzler, die Augsburger Hexe paßt schon auf, und der Teufel läßt sie nicht im Stich, wie sollt’s besser werden!

Preising. Was redst du da wieder, Stachus!

Stachus. Was sie alle reden! In der Burg, auf der Straße, an der Schranne, im Klosterhof, wo man auch hinkommt, alle, alle! Ein hochwürdiger Pater Franziskaner hat diese Bernauerin schon von der Kanzel herab verflucht, er hat gesagt, sie sei wert, bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden, da wird’s doch wohl wahr sein! Und wie sollt’s auch nicht! Erst stirbt der Vater, der gute, gute Herzog Wilhelm; dies Wams hab ich von ihm! Dann folgt seine Gemahlin! Heute rot, morgen tot; wir mußten sie beweinen, eh’ sie ihn noch beweinen konnte. Nun der Prinz, der freundliche kleine Adolph! Hört Ihr? Das Sterbeglöcklein! Es ist aus! Aus! (Er ballt die Hände, wie zum Fluchen.) Und ich sollte nicht!?–(Er sinkt auf die Knie und betet.)

Preising (sinkt gleichfalls auf die Knie).

Stachus (aufstehend). Selbst in Brand stecken möcht’ ich den Scheiterhaufen! Die fände so viele Henker, als es treue Bayern gibt. Nun geht’s an den Herzog, den regierenden Herrn, gebt nur acht! (Ab.)

Dritte Szene

Preising (der sich zugleich mit Stachus erhebt). Ja, es ist aus! Das Glöcklein verstummt, das Kind tat seinen letzten Atemzug, und Ernst hat keinen Erben mehr, da er seinen Sohn verstieß. Dies ist eine schwere Stunde fürs Land! Gott schaue gnädig auf uns herab! (Er ergreift das Dokument wieder.) Nun wird er wohl gleich hiersein! Die ganze Nacht war er drüben! (Er nimmt es aus dem Umschlag und entfaltet’s.) Was ist das? (Er liest.) “Rechtlicher Beweis, geschöpft aus den Ordnungen des Reichs und anderen lauteren Quellen, daß die Agnes Bernauer oder Pernauer aus Augsburg wegen verbrecherischer Verleitung des jungen Herzogs Albrecht zu unrechtmäßiger Ehe, ja sogar, falls sich nichts Weiteres erhärten ließe, wegen bloßer Eingebung einer solchen im äußersten Falle gar wohl, zur Abwendung schweren Unheils, auf welche Weise es immer sei, vom Leben zum Tode gebracht werden dürfe!” (Er setzt ab.) Oh, nun begreif ich alles! Dieser Tote wird wieder töten, dieser Knabe, der nicht einmal seine Nürnberger Klapperbüchse mehr schütteln kann, wird das Mädchen nachholen! Schrecklich! (Er sieht wieder hinein.) Des jungen Herzogs! Er ist fünf Jahre älter, als sie, und hat vielleicht schon seine erste Schlacht gewonnen, bevor sie noch ihre letzte Puppe in den Winkel warf! ärmste, welch ein Schicksal ereilt dich! (Er blättert um.) Wer hat sich denn unterschrieben? Adlzreiter! Kraitmayr! Emeran Nusperger zu Kalmperg! Große Juristen, würdig, zu Justinians Füßen zu sitzen und die Welt zu richten, wer wagte ihnen zu widersprechen! Sie ist verloren! (Er sieht wieder hinein.) Und gleich nach dem Regensburger Turnier abgefaßt! Ja, da trafen sie alle drei hier in München zusammen, ich hielt’s für Zufall, nun seh ich wohl, daß sie gerufen waren! Das sind schon dritthalb Jahre! Wie wenig mag sie’s noch erwarten! (Er blättert noch einmal um.) Unten das förmliche Todesurteil, dem nur noch der Name des Herzogs fehlt! Der wird nun wohl bald hinzukommen! Mich graust! Manch ähnliches Blatt hielt ich schon in der Hand, aber da ging dem strengen Spruch jedesmal eine Reihe schnöder Gewalttaten voran, man las viel von Raub, Mord, Brand und Friedensbruch, ehe man an die Strafe kam. Hier könnte höchstens stehen: sie trug keinen Schleier und schnitt sich die Haare nicht ab! Ich weiß jetzt ja recht gut, wie’s zugegangen ist! Und dennoch–(Er liest wieder.) Durchs Beil, durchs Wasser, ja durch einen Schuß aus dem Busch–(Er setzt ab.) Gibt’s denn gar kein anderes Mittel mehr?

Vierte Szene

Ernst (tritt ein). Ich ließ Euch warten, Preising! Aber ich mußte selbst warten!

Preising. Gnädiger Herr!

Ernst. Laßt, laßt! Die Erde kann schon mit gebrochenen Augen gepflastert werden! Es kam ein Paar hinzu! Habt Ihr gelesen!

Preising. Ich wollte just, da hört’ ich das Glöcklein!

Ernst. So lest jetzt! (Er wendet sich.) Es hat mich angegriffen! Wie schwer stirbt ein Kind! Zwölf Stunden Todeskampf für ein so kurzes Leben! Mein Gott! Nun, es ist vorbei! (Er macht ein paar Schritte.) Die große Glocke! Endlich! Mir fehlte noch was! Die verkündigt’s der Stadt! Nun geht’s von Ort zu Ort, von Haus zu Haus, von Mund zu Mund. Ja, betet, betet, betet! Wir können’s brauchen! (Wendet sich wieder zu Preising.) Nun?

Preising (legt das Dokument auf den Tisch). Was soll ich noch sagen!

Ernst. Was Ihr könnt! Prüft Punkt für Punkt, ich steh Euch Rede, diesmal, wie allemal! Habt Ihr etwas gegen die Männer einzuwenden, die das Gutachten abgaben und den Spruch fällten?

Preising. Gegen die Männer! Wenn der Schwabenspiegel noch nicht zusammengestellt wäre, diesen dreien würde ich an Kaisers Statt den Auftrag geben, es zu tun!

Ernst. Sind sie bestechlich? Trifft einen unter ihnen der Verdacht der hohlen Hand?

Preising. Gewiß nicht! Wenn aber auch: Herzog Ernst hat keinem etwas hineingedrückt!

Ernst. Ihr erweist mir nur Gerechtigkeit! Nicht einmal den Schweißpfenning, der ihnen gebührt hätte, und das ist die einzige Schuld, die ich nie bezahlen will!

Preising. Ich schwöre für Euch! Aber auch für sie!

Ernst. Nun, solche Männer, so beschaffen, legten vor dritthalb Jahren nach gewissenhaftester Erwägung des Falls dies Blatt bei mir nieder, und erst jetzt zieh ich’s hervor. Kann man mich der Übereilung zeihen?

Preising. Nicht Euer Feind!

Ernst. Wenn ich’s vollstrecken lasse: kann man behaupten, es sei nicht der Herzog, der seine Pflicht erfüllen, sondern der Ritter, der einen Flecken abwaschen, oder der Vater, der sich rächen will?

Preising. Auch das nicht!

Ernst (ergreift die Feder). Wohlan denn!

Preising. Gnädiger Herr, haltet noch ein!

Ernst. Ja? Gut! (legt die Feder nieder) Ich bin kein Tyrann, und denke keiner zu werden. Aber man soll von mir auch nicht sagen: er trug das Schwert umsonst! Wer’s unnütz zieht, dem wird’s aus der Hand genommen, aber wer’s nicht braucht, wenn’s Zeit ist, der ruft alle zehn Plagen Ägyptens auf sein Volk herab, und die treffen dann Gerechte und Ungerechte zugleich, denn unser Herrgott jätet nicht, wenn er selbst strafen muß, er mäht nur! Das erwägt und nun sprecht! (Er setzt sich.)

Preising. Ich kann dies Blatt nicht widerlegen! Es ist wahr: wenn die Erbfolge gestört wird oder auch nur zweifelhaft bleibt, so bricht früher oder später der Bürgerkrieg mit allen seinen Schrecken herein, und niemand weiß, wann er endet!

Ernst. Er bricht herein, wenn sie Kinder bekommen, er bricht herein, wenn sie keine bekommen! In dem einen Fall wollen die sich behaupten, in dem andern können Ingolstadt und Landshut sich nicht vereinigen, weil jedes den Löwenteil verlangt! Ja, es ist die Frage, ob die auch nur bis zu seinem Tode ruhig bleiben! Denn, wenn sie jetzt mit ihm liebäugeln, so geschieht’s, um mich zu ärgern!

Preising. Aber es ist doch auch entsetzlich, daß sie sterben soll, bloß weil sie schön und sittsam war!

Ernst. Das ist es auch! Ja! Darum stellt’ ich’s Gott anheim. Er hat gesprochen. Ich warf mein eignes Junges aus dem Nest und legte ein fremdes hinein. Es ist tot!

Preising. Und gäbe es wirklich keinen anderen Ausweg? Gar keinen?

Ernst. Ihr greift mich hart an, Ihr meint, ich könnte noch mehr tun! Und wahr ist’s: in den Adern Ludwigs von Ingolstadt und Heinrichs von Landshut fließt das Blut des Geschlechts ebenso rein, wie in meinem eignen!

Preising. Daran hab ich noch nicht gedacht!

Ernst. Aber ich! Zwar wär’s so arg, daß wohl auch ein Heiliger fragen würde: Herr, warum das mir? Doch, wenn’s nun wär’? Der letzte Hohenstaufe starb durch Henkers Hand, mit Gottes dunklem Ratschluß kann viel bestehen, was der Mensch nicht faßt. Aber dies kann Gottes Ratschluß nicht sein, denn es hälfe nichts, und das ist mein Trost! Spräche ich zu Heinrich: Komm, Fuchs, du hast mir mein ganzes Leben lang Fallstricke gelegt und Gruben gegraben, nimm mein Herzogtum zum Lohn! so führe Ludwig dazwischen. Spräche ich zu Ludwig: Ich bin dir noch den Dank für so manchen Schlag schuldig, der von hinten kam, hier ist er! so griffe Heinrich mit zu, und einer könnt’s doch nur sein! Oder ist’s nicht so?

Preising. Gewiß!

Ernst. Es bliebe also immer dasselbe, alles ginge drunter und drüber, und die Tausende, die im Vertrauen auf mich ins Land kamen und meine Märkte zu Städten erhoben, meine Städte so weit emporbrachten, daß selbst die stolze Hansa ihnen nicht mehr ungestraft den Rücken kehren darf, würden mich und mein Andenken verfluchen!

Preising. Ich meinte nicht das! Laßt sie entführen und dann verschwinden! Das geht jetzt leichter, wie sonst, er läßt sie nicht mehr so ängstlich bewachen.

Ernst. Was wär’ damit gewonnen? Er würde sie suchen bis an seinen Tod! Ihr wart ein schlechter Prophet in Regensburg!

Preising. Man breitet aus, daß sie gestorben ist. Er fand den Priester, der ihn mit ihr verband: kann Euch der Priester fehlen, der einen Totenschein ausstellt?

Ernst. Und ich sollte ihm das zweite Weib geben, solange das erste noch lebte? Nein, Preising, das Sakrament ist mir heilig, er soll nicht am Tage des Zorns wider mich zeugen und sagen: Herr, wenn ich mich mit Greueln befleckte, so wußte ich nichts davon. Hier hilft kein Kloster, nur der Tod!

Preising. Doch auch wohl der Papst, und wenn der sich weigert, der Kaiser! Friedrich Barbarossa schied sich selbst, Ludwig der Bayer schied seinen Sohn!

Ernst. Wie soll man scheiden, wenn keins von beiden will? Preising, ich hatte dritthalb Jahre Zeit, und das Kind, für das jetzt die Glocken gehen, war oft genug krank! (Er greift wieder zur Feder.) Nein, Gott will es so und nicht anders! Und gerade jetzt geht es leicht. Er reitet heut oder morgen nach Ingolstadt zum Turnier hinab. Dort soll er, ich möchte sagen, wieder ehrlich gesprochen werden, und dies wird glücken, denn Ludwig hat alles zusammengerufen, was mir feind ist, er denkt: je weiter der Riß zwischen uns beiden, je besser für ihn! Nun, während sie die Fahne über ihn schwenken, will ich dafür sorgen, daß sie sich hintendrein nicht zu schämen brauchen. Nichts hat mich so verdrossen, als das Gepränge, mit dem er sie gleich nach dem Regensburger Tag, einer Herzogin gleich, von Vohburg nach Straubing führte. Jetzt ist das gut! Emeran Nusperger zu Kalmperg ist Richter in Straubing, und Pappenheim kann mit hundert Reitern in vierundzwanzig Stunden dort sein!

Preising. Und nachher? Gnädiger Herr, Ihr habt recht, ich war in Regensburg ein schlechter Prophet! Wird er’s tragen? Wird er nicht rasen und Hand an sich legen oder sich offen wider Euch empören?

Ernst. Das eine vielleicht, das andre gewiß, ich tu, was ich muß, der Ausgang ist Gottes. Ich setz ihn daran, wie Abraham den Isaak, geht er in der ersten Verzweiflung unter, und es ist sehr möglich, daß er’s tut, so lasse ich ihn begraben, wie sie, tritt er mir im Felde entgegen, so werf ich ihn oder halte ihn auf, bis der Kaiser kommt. Dem meld ich’s, noch eh’ es geschieht, und er wird nicht säumen, denn wie ich Ordnung im Hause will, so will er Ordnung im Reich. Es ist ein Unglück für sie und kein Glück für mich, aber im Namen der Witwen und Waisen, die der Krieg machen würde, im Namen der Städte, die er in Asche legte, der Dörfer, die er zerstörte: Agnes Bernauer, fahr hin! (Er unterschreibt und geht, dann wendet er sich und winkt.) Kanzler!

(Ab, Preising folgt mit dem Blatt.)

Straubing.

Fünfte Szene

Burghof und daranstoßender Garten. Törring, Frauenhoven und Nothhafft von Wernberg, alle gerüstet, an einem steinernen Tisch, auf dem Wein steht. Der Kastellan geht vorüber.

Nothhafft von Wernberg. Nun, Alter, schon wieder in die Kapelle? (Er erhebt seinen Becher.) Komm, versuch einmal, damit du siehst, daß die Frommen noch immer nicht umsonst beten!

Kastellan. Ich stoß dich um, sagte der Ritter zum Becher, und tat’s, siebenmal hintereinander. Aber der Becher stieß ihn wieder um, und da fiel er dem Teufel in die Arme, der schon längst hinter ihm stand! Hütet Euch und spottet nicht! (Ab.)

Sechste Szene

Frauenhoven. Wo bleibt der Herzog? Die Pferde werden ungeduldig!

Törring. Er wird die Totengruft besehen, die sie sich bauen ließ. Sie ist gestern oder heut fertig geworden. Ich sah sie beide zu den Karmelitern hinübergehen.

Nothhafft von Wernberg. Doch ein seltsamer Gedanke für ein junges Weib! Eine Totengruft!

Törring. Nun, im Anfang gerade so seltsam nicht! Da mag ihr beklommen genug gewesen sein, und mit Recht. Jetzt freilich sieht’s anders aus! Und doch kann man noch nicht wissen, wie’s kommt! Das schwache Kind in München ist nicht stark dadurch geworden, daß der alte Herzog ihm die Krone aufsetzte. Ja, er hat’s vielleicht nur getan, weil er sich darauf verließ, daß sie schon von selbst wieder herunterfallen würde!

Frauenhoven. Da irrt ihr! Wie oft hat er Albrecht durch seinen Bruder die förmliche Entsagung abzudrängen gesucht!

Törring. Das war immer nur ein Stich, eine verkappte Anfrage, ob er ihrer noch nicht satt sei! Wenn Ernst keinen Hintergedanken hatte, warum stellte er sich zwischen ihn und den Kaiser, als dieser wegen der Regensburger Händel Rechenschaft forderte? Der alte Sigmund meinte es sehr ernsthaft, das Podagra hat einen wackern Reichsvogt aus ihm gemacht, und seine Kommissarien, wir dürfen’s uns wohl bekennen, hätten nicht einmal Brillen aufzusetzen gebraucht, um einen offenen Aufruhr zu entdecken. Warum kehrten sie so plötzlich in München um?

Frauenhoven. Ihr seht immer schwarz!

Nothhafft von Wernberg. Sie kommen! Steigen wir zu Pferde, daß wir den Abschied abkürzen! Aber vorher–(Er ergreift den Becher.)

Törring. Auf guten Ausgang!

(Sie stoßen an und geben ab.)

Siebente Szene

Albrecht und Agnes treten auf. Albrecht ist ebenfalls gerüstet.

Agnes. Also, die Ampel, die noch fehlt, bringst du mir mit, nicht wahr? Eine eherne, mit einer langen Kette, daß sie hoch vom Gewölb niederschweben kann.

Albrecht. Lieber etwas andres, ich gesteh’s dir offen. Doch ich hab’s versprochen, und ich tu’s!

Agnes. Zürnst du mir?

Albrecht. Wie könnt’ ich! Aber es ängstigt mich, daß dir dies so am Herzen liegt! Hast du eine böse Ahnung? Ich wüßte zwar nicht, woher die dir jetzt noch kommen sollte, und dennoch muß es so sein!

Agnes. Gewiß nicht! Ei, da würd’ ich von meinem Sarg reden, von den Fackeln, dem Glockengeläut und allem, was ich mir sonst noch wünschte! Und wenn ich fürchtete, dir weh zu tun, würd’ ich sagen: Denke dir, mir hat geträumt, ich würde begraben, und darüber mußt du dich freuen, denn es bedeutet langes Leben, aber das Leichenbegängnis war so schön, daß ich’s dereinst geradeso und nicht anders haben möchte. Und dann würde ich’s dir beschreiben!

Albrecht. So will ich dir die Ampel nach dreißig Jahren schenken!

Agnes. Wenn du nicht anders willst! Angezündet soll sie ja noch nicht werden! Aber, mein Albrecht, du kennst uns nicht, du weißt nicht, wie wir sind! Ein bürgerliches Mädchen macht sich das Totenhemd gleich nach dem Hochzeitkleid, und sie tut wohl daran, denn sie kann nicht wissen, wie sie’s sonst in ihrem Alter bekommt! Nun, das liegt mir in der Art, und so lange bin ich noch nicht die Gemahlin eines Herzogs, daß sich schon alles an mir verändert hätte! Aber, du siehst, die Demut ist schon entwichen, denn ich habe nicht, wie meine Gespielinnen, die eigenen Finger geplagt und mir das Sterbegewand genäht, ich habe den Maurer und den Zimmermann gequält und mir eine Totenkapelle erbaut! Nun steht sie, und es ist mir eine Freude, daß ich die Stätte, wo ich meinen längsten Schlaf halten soll, jetzt schon kenne, ja daß ich sie betreten und dort im voraus für mich beten kann! Darum möcht’ ich auch die Ampel gleich aufhängen, sonst wär’ mir da in der letzten Stunde ja doch noch etwas fremd!

Albrecht. Wenn es nur das ist!

Agnes. Was sonst? Ich seh schon bei Tage einmal nach meinem Bett, weiter nichts! Ei, merkst du denn noch etwas von jener Angst und Beklommenheit an mir, die mich ergriff, als du so ungestüm von Regensburg zurückkehrtest und mich hierher führtest? Damals zitterte ich für mich und dich! Noch hatte ich mich an Vohburg nicht gewöhnt, noch lief ich, wie ein Kind, von Gemach zu Gemach und konnte keins finden, das mir eng genug war, und schon mußt’ ich das kleine Schloß mit diesem großen vertauschen, neben dem es sich ausnahm, wie mein armes Vaterhaus sich neben ihm ausgenommen hatte! Ach, die Musik unterwegs, das wilde Lebehoch der Bauern, die sich mit ihren Sensen und Pflugeisen um uns zusammenrotteten, die Blumen, die man uns streute, alles entsetzte mich. Du selbst kamst mir ganz fremd vor, weil du’s littest und dich darüber freutest; ich erschrak zu Tode, als du hier sogar die Glocken läuten lassen wolltest! Aber das ist vorbei, längst vorbei! Du hörst ja, ich selbst nenne Vohburg jetzt klein, ich wundere mich gar nicht mehr, wenn sich die Armen und Bittenden des Morgens um mich drängen, ich kann fragen, wie eine geborne Herzogin, ich kann den Kopf schütteln und fast abschlagen, ich sollte mich schämen!

Albrecht. So will ich dich!

Agnes. Nur in meinen Träumen geht’s anders her, sonst würd’ ich gewiß zu stolz! Da kehrt die alte Zeit wieder, wo ich die Brotkrumen sorgfältig auflesen mußte, die zu Boden fielen, und wo mein Geburtstagsgeschenk meistens darin bestand, daß ich nicht gescholten wurde, wenn ich etwas tat, was nicht ganz recht war. Noch in der letzten Nacht, du mit deiner immer offnen Hand wirst lachen, bat ich meinen Vater glühend und stotternd um irgendeine Kleinigkeit, und er sagte, was er gewöhnlich zu sagen pflegte, wenn er eine Bitte nicht zweimal hören wollte: gut, es sei, aber dann kann ich ein halbes Jahr lang keinen Tropfen Wein mehr trinken! Ich war noch recht unwillig auf ihn, als ich erwachte, aber nun–Ich hab ihn doch wenigstens einmal wiedergesehen!

Albrecht. Du wirst ihn–(Er unterbricht sich.) Da hab ich dich um die überraschung gebracht!

Agnes. Nein, mein Albrecht! Ich hab’s recht gut gemerkt, aber wenn er kommen wollte, wär’ er längst dagewesen! Ich kann mir auch denken, was ihn abhält, und du mußt ihn darum ehren!

Albrecht. Ich glaube doch, er wird diesmal nachgeben! Sonst gehen wir im Winter nach Augsburg zum Mummenschanz.

Achte Szene

Törring (tritt ein). Verzeiht!

Albrecht. Ich bleib Euch zu lange!

Törring. Wenn Ihr überhaupt noch fort wollt-

Albrecht. Wenn ich überhaupt noch fort will? Ei, ich werde die Ritter und Herren, die Herzog Ludwig so mühsam zusammenbrachte, nun doch nicht zum Narren halten?

Törring. Hört Ihr die Domglocke nicht?

Albrecht. Längst, aber, was kümmert sie mich?

Törring. Mehr, als Ihr denkt: Euer Vetter Adolph ist tot!

Albrecht. Tot?

Törring. Eben trifft die Trauerbotschaft aus München ein!

Albrecht. Friede mit ihm! Er lebte sich selbst nur zur Last und keinem zur Freude!

Agnes. Gott im Himmel! Das ist nun in sechs Monaten der dritte!

Törring. Ja, ja, edle Frau, Ihr versteht’s!

Agnes. So bin ich wieder schuld? O freilich! freilich! Wer sonst wohl!

Albrecht. Gott weiß, daß ich mich nicht freue! Wie sollt’ ich auch? Für mich war er nie da! Aber weinen kann ich ebensowenig! Ich denk nur an eins! Nun kann mein Vater mit Ehren zurück!

Törring. Ich darf absatteln lassen?

Albrecht. Was fällt Euch ein? Zwar, ich möchte nicht, daß jetzt aus dem Turnier noch etwas würde. Aber ich bin doch wohl der letzte, der ausbleiben darf! Fort muß ich, und das gleich, doch gewiß werd ich nun viel früher wieder hiersein, als ich dachte! Agnes, jetzt–(Er sagt ihr etwas ins Ohr, dann hält er seine Hand auf ihre Wange.) Au, ich brenne mich!

Agnes. Verzeih dir’s Gott, daß dir das in den Sinn kommt!

Albrecht. Amen! Ich sag’s mit! Aber es wird sich zeigen! Ich hatte immer das Gefühl, mein letzter Wunsch könne nicht eher gekrönt werden. Ei, unser Sohn mußte doch auch einen Großvater haben! Und nun–(Er umarmt sie.) Siehst du, daß du mir nicht aufrichtig zürnst? Du hältst mich fest! Oh, ich weiß es ja längst, daß du erst dann an Gottes Segen glauben wirst! Darin bist du abergläubisch. Aber ändre dich ja nicht, ich lieb auch das an dir! (Er küßt sie.) Mein Leben, auf Wiedersehen! (Er läßt sie los und entfernt sich ein paar Schritte von ihr.) Seht Ihr, Törring, daß man von seinem Leben scheiden kann, und darum doch nicht gleich zu sterben braucht? Also! Werdet kein Hagestolz! Aber freilich, man muß das Beste erst abküssen! (Er umarmt und küßt sie noch einmal.) So! Nun bin ich in Ingolstadt und du in Straubing! Siehst du mich noch? Ja? Ich dich nicht mehr! (Ab.)

Törring (folgt).

Neunte Szene

Agnes (eilt in den Garten). Da kann ich ihn zu Pferd steigen sehen! (Sie kehrt wieder um.) Ja, wenn er selbst mich in die Höhe höbe und über die Mauer kucken ließe, wie damals, als die schwarzbraunen ägypter mit Zimbeln und Schellen vorüberzogen. Aber hören muß ich ihn können! (Sie eilt wieder fort.) Still, still mit euren Trompeten! Horch! Das ist er! “Ihr seid brav, Törring!” Gewiß, aber warum sagst du ihm das gerade jetzt? Ach, da geht’s schon fort! Leb wohl, mein–Halt! Der Trab stockt! Es ist doch nichts geschehen? Da redet einer! Schwach, undeutlich–schweig du! Nun noch einmal er! “Führt ihn gleich zu ihr!” Zu mir? Wen denn? “Es wird ihr lieb sein!” Mir lieb? Nein, Albrecht, da kennst du mich nicht! Ich wollte, es würde augenblicklich Nacht und erst in dreimal vierundzwanzig Stunden wieder Tag! Oder wär’s mein Vater? (Sie jauchzt auf.) Mein Vater! Gewiß nicht! Ach nein! jetzt sprengen sie weiter. Hui! Recht, ihr Rosse, holt aus! Um so eher seid ihr wieder mit ihm da. (Sie horcht auf.) Ich höre nichts mehr. (Sie horcht wieder.) Doch! (Sie pflückt währenddem gedankenlos eine Blume.) Was soll’s noch! (Sie läßt die Blume fallen.) Hab ich da was gepflückt? Das tut mir leid! Es ist keine Zeit, Blumen vor die Brust zu stecken! (Sie wandelt langsam wieder herauf.) Nun ist’s denn so gekommen, wie sie alle vorhersagten! Tot! Ob das uns wirklich was Gutes bedeutet? Was tu ich jetzt? Zieh ich mich schwarz an? Da bin ich wieder hochmütig und rechne mich mit zur Familie, wie dieser unheimliche Mensch mit den kalten Augen, der Richter, gespöttelt haben soll. Unterlaß ich’s? Da freu ich mich über das Unglück! Ich folg meinem Herzen und das sagt: traure mit den Traurenden! Lacht nicht, Herr Emeran! Man ist manchem Dank schuldig, ohne daß man’s weiß! Es ist gut für Euch, daß dies Herz so weich ist, wenn Ihr es auch nicht ahnt!

Zehnte Szene

Törring (tritt auf).

Agnes. Ihr noch hier?

Törring. Ich bleibe, edle Frau! Es ist einer aus Augsburg da, ich darf ihn wohl schicken?

Agnes. Aus Augsburg?

Törring (geht ab, gleich darauf erscheint Theobald).

Agnes (ruft ihm entgegen). Theobald!

Theobald. Agnes–Frau Herzogin, wollt’ ich sagen–Nicht? So ist’s recht?

Agnes. Laßt das! Kommt mein Vater auch? Doch, was frag ich! Wie könntet Ihr Euch alle beide zugleich entfernen!

Theobald. Nun, das–Aber Ihr wißt, wie er ist! Er meint, Ihr solltet Gott danken, wenn Euch der Vater endlich vergeben und vergessen sei, und ihm keine Boten weiter senden, es helfe doch nichts, denn er seinerseits kenne seine Schuldigkeit und werde den alten Bartkratzer hier nicht in Erinnerung bringen! Es freue ihn zwar von Herzen–und das tut’s auch, ich weiß es, darum kehrt Euch nicht an ihn–daß Ihr noch an ihn dächtet, und daß auch Euer Herr sich seiner nicht schäme, aber er verstehe das besser, und Ihr möchtet aufhören, ihn zu quälen!

Agnes. Und das ist alles, was Ihr mir von ihm melden sollt? Nur, um mir das zu sagen, habt Ihr die weite Reise gemacht?

Theobald. Nun, das gerade nicht! Ich hatte wohl auch noch einen anderen Grund!

Agnes. Und der–muß er mir Geheimnis bleiben?

Theobald. Ach, warum auch! Wir hören nun seit Jahren so allerlei, und da wollt’ ich, da sollt’ ich doch einmal sehen-

Agnes. Ob ich auch wirklich glücklich sei? Oh, wärt Ihr doch eine Stunde früher gekommen! Dann hättet Ihr mit eigenen Augen–Doch nein, nein, es ist besser so! Und Ihr? In Augsburg?

Theobald. Wegen des Vaters braucht Ihr Euch nicht zu ängstigen! Gleich nachdem Ihr fort wart, baute er sich den neuen Ofen, an den er früher nie die Kosten wagen wollte, und das hat sich ihm belohnt.

Agnes. Ich danke Gott dafür!

Theobald. Er hat allerlei entdeckt, mehr als er zeigen darf, wenn er nicht noch ärger als Hexenmeister ins Geschrei kommen will. Dinge, sag ich Euch–es ist schade, daß Ihr sie nicht sehen könnt. Das wird nun so wieder mit ihm untergehen. Doch, es ist auch manches darunter, was er nicht zu verbergen braucht, und dabei steht er sich schon gut genug. Er könnte sich nun gern ein Gärtlein kaufen, wie Ihr es immer wünschtet.

Agnes. Und Ihr selbst, Theobald?

Theobald. Mir gibt er jetzt doppelten Lohn!

Agnes. Ach, das will ich nicht wissen!

Theobald. Nun, ich lache noch zuweilen über mich! Und das recht von Herzen, Ihr könnt mir’s glauben! Noch vorhin, als ich den Herzog, Euren Gemahl, zu Pferd daherkommen sah. Freilich, das ist ein Mann! Und wie er Euch lieben muß, kann man schon daran sehen, daß er seine Leute so warten läßt, was doch gar nicht Ritterart ist! An denen kam ich bereits vor einer Stunde vorbei, und sie mußten schon lange stehen, denn sie waren höchst ungeduldig.

Agnes. Das ist ja nicht möglich! Er hat sie ja bei sich!

Theobald. Zehn oder Zwölf! Ich meine die übrigen!

Agnes. Die übrigen? Ei, er reitet ja nur zum Turnier und nimmt nicht einen Mann mehr mit!

Theobald. Und doch sah ich eine Stunde von hier hinter dem Föhrenwald, wo die Hügel sich senken, einhundertundfunfzig oder zweihundert Gewappnete, den Fuß im Bügel, die Lanze in der Hand und das Gesicht gen Straubing gekehrt, als ob sie ihren Führer oder sonst etwas von dort erwarteten!

Agnes. Ich erschrecke. Wo?

Theobald. Ei, an der Münchner Straße!

Agnes. An der Münchner Straße? Er reitet nach Ingolstadt.

Theobald. Auch sprengte ein Geharnischter, der von hier kam, in wilder Hast an mir vorbei. Ich dachte, der sagte ihn an. Jetzt fällt’s mir ein, daß er verkappt war!

Agnes. Das ist höchst verdächtig, das muß Törring wissen, das–Mein Gott, hört, der Burgwart stößt ins Horn, daß es zerspringt–Trompetengeschmetter von allen Seiten–ganz nah–immer näher–das ist nichts Gutes–das ist Herzog Ernst!

(Man hört das alles.)

Theobald. Es ist nichts Gutes! Geschrei! Waffengeklirr! Gilt das denn Euch? Kein Zweifel, man stürmt! Und sie sind schon aneinander.

(Man hört das alles.)

Agnes. Das ist nicht möglich! Das Schloß hat Mauern und Gräben.

Elfte Szene

Der Kastellan (stürzt herein). Edle Frau–folgt mir in die Totengruft–mich schickt der Törring!

Agnes. Ich hoffe, er wird mich verteidigen.

Der Kastellan. Die Brücke–ein Verräter hat die Brücke niedergelassen oder gar nicht wiederaufgezogen, denn die Dummheit kann nicht so weit gehen. Die Feinde sind gleich hier! Wie soll er sie aufhalten!

Agnes. Nun, so sind’s keine Mörder, und ich, was bin denn ich?

(Das Getöse kommt immer näher.)

Der Kastellan. Kommt, kommt, ich beschwör Euch! Wer weiß, ob sie Euch dort suchen!

Agnes. Theobald, geht Ihr mit ihm!

Theobald. Um eine Waffe zu holen, meint Ihr! Es wächst wohl auch eine auf’m Baum! (Er reißt einen Ast ab.)

Zwölfte Szene

Törring und Pappenheim treten kämpfend auf. Im Hintergrunde kämpfen Reisige und Burgknechte. Auch Preising wird sichtbar, aber ohne das Schwert zu ziehen.

Pappenheim. Ergebt Euch, Törring!

Törring. Ho!

Pappenheim. So nehmt! Ich hab Euch lange genug geschont!

Törring. Pah!

Pappenheim. War’s nicht vom Besten?

Törring. Ei was! (Er holt aus, fällt aber in die Knie.) Doch! (Zu Agnes hinüber.) Edle Frau, Ihr seht–Was hilft’s Euch?

Pappenheim (beugt sich auf ihn nieder). Ihr habt’s nicht anders gewollt!

Törring (fällt um). Macht’s Kreuz über mich! Freund oder–(Er stirbt.)

Theobald (wirft den Ast weg, und stürzt auf Törring zu.) Da erb ich was!

Agnes. Theobald!

Theobald. Weiß wohl, es ist ein Hochmut von mir! Aber–(Er nimmt Törrings Schwert.)

Pappenheim (sich wendend). Wo ist die Hexe, um die ich dies edle Blut vergoß?

Agnes (schreitet ihm entgegen). Wen sucht Ihr?

Pappenheim (senkt unwillkürlich sein Schwert und greift an den Helm, dann schlägt er sich vor die Stirn). Teufel, was mach ich!

Theobald. Ihr Knechte, schart euch um eure Gebieterin! Sie hat gewiß jedem von euch Gutes getan!

Die Knechte (scharen sich).

Pappenheim (zu den Seinigen). Ergreift sie! Die ist’s!

Theobald (tritt vor Agnes). Solange ich lebe, geht’s nicht!

Pappenheim. Was willst du?

Theobald. Es ist die Tochter meines Meisters!

Pappenheim. Badergesell, kannst du zählen? Nieder mit ihm, wenn er nicht weichen will, und fort mit ihr!

Die Reisigen (drängen sich um Agnes herum, aber mit Scheu, und ohne sie anzurühren, weil sie von ihrer Schönheit geblendet sind). Ha! Ei! Die!

Pappenheim. Nun, was gafft ihr? Hat sie’s euch schon angetan, wie dem armen Herzog, oder wollt ihr warten, bis ihr’s weghabt? Laßt ihr nur Zeit, kuckt ihr nur in die gefährlichen schönen Augen, so läßt sie euch Borsten wachsen, statt der Haare, und Klauen, statt der Nägel! Ich dächte, ihr hättet genug von ihren Künsten gehört. Muß ich selbst den Schergendienst verrichten? (Er dringt auf Agnes ein und will sie ergreifen.)

Theobald (schwingt das Schwert, wie ein Rad, um den Kopf herum, so daß Pappenheim sich nicht nähern kann).

Pappenheim. Ei, dich soll ja–(Er will Theobald durchstoßen.)

Agnes (wirft sich zwischen beide). Schont ihn! Er denkt an meinen alten Vater! Ich folg Euch! Aber vergeßt nicht, es ist Herzog Albrechts Gemahlin, die Ihr in seinem eigenen Schloß überfallt!

Pappenheim (will wieder auf Theobald eindringen). Der Bursch hat mich-

Preising (rasch hervortretend). Im Namen des Herzogs, meines Herrn, jedes Schwert in die Scheide!

Pappenheim (indem er sein Schwert einsteckt). Warum auch nicht! Ich soll sie nur fangen!

Agnes. Theobald, kehrt noch nicht nach Augsburg zurück! Dies kann das Ende nicht sein! (Sie geht voran.)

Pappenheim (folgt ihr mit den Reisigen).

Theobald (will gleichfalls folgen, schlägt sich dann aber vor die Stirn). Nein! Nach Ingolstadt! Zu ihm! Das erste Pferd, das ich unterwegs treffe, ist mein! (Stürzt fort.)

Preising. Gott gebe, daß sie jetzt auf mich höre! Noch kann ich sie vom Tode retten, und ich will’s. (Ab.)

Fünfter Akt

Straubing

Erste Szene

Kerker.

Agnes. “Ingolstadt ist weit!” Es könnte mich verrückt machen, das schreckliche Wort! Ingolstadt ist keine vierundzwanzig Stunden von hier, und als Theobald eben vorbeistürzt, und der Marschall ihn mit vorgestreckter Lanze aufhält, sagt dieser Richter mit einem Blick auf mich: laßt ihn doch laufen, wohin er will, Ingolstadt ist weit! Wären keine vierundzwanzig Stunden mehr mein? Herr, mein Gott, so kannst Du mich nicht verlassen!

Zweite Szene

Preising (tritt ein).

Agnes (ihm entgegen). Was bringt Ihr mir?

Preising. Was Ihr selbst wollt!

Agnes. Was ich selbst will? Oh, spottet meiner nicht! Ihr werdet mir die düstre Pforte nicht wieder öffnen, die man so fest hinter mir verriegelt hat!

Preising. Ich werde, wenn Ihr Euch fügt!

Agnes. Und was verlangt Ihr von mir?

Preising. Ich stehe hier für den Herzog von Bayern.

Agnes (macht eine zurückweichende Bewegung).

Preising. Aber ich meine es redlich mit Euch, und auch mein erlauchter Gebieter ist nicht Euer Feind!

Agnes. Nicht mein Feind? Wie komm ich denn hieher?

Preising. Ihr wißt, wie’s steht! Herzog Ernst ist alt, und sein Thron bleibt unbesetzt, wenn Gott ihn abruft, oder sein einziger Sohn muß ihn besteigen. Nun, Albrecht kann Euch nimmermehr mit hinaufnehmen, und da er sich von Euch nicht trennen will, so müßt Ihr Euch von ihm trennen!

Agnes. Ich mich von ihm! Eher von mir selbst!

Preising. Ihr müßt! Glaubt’s mir, glaubt’s einem Mann, der Euer Schicksal schon kennt, wie Gott, und es gern noch wenden möchte! Ihr könnt kein Mißtrauen in mich setzen; warum wär’ ich gekommen, wenn Euer Los mir nicht am Herzen läge? Meines Arms bedurfte es doch gewiß nicht; Ihr habt’s ja gesehen, wie überflüssig ich war, und welchen Gebrauch ich von meinem Schwert machte. Ich zog mit, weil Ihr mich erbarmtet; ich suche Euch jetzt im Kerker, im Vorhof des Todes, auf, weil ich allein noch helfen kann, doch ich wiederhol’s Euch: Ihr müßt!

Agnes. Ihr habt den armen Menschen gerettet, der vorhin sein Leben für mich wagte, ich muß glauben, daß Ihr’s aufrichtig meint, aber Ihr seid ein Mann und wißt nicht, was Ihr fordert! Nein, nein! Das in Ewigkeit nicht!

Preising. Nicht zu rasch, ich beschwör Euch! Wohl mag’s ein schweres Opfer für Euch sein, doch wenn Ihr’s verweigert, so wird man–könnt Ihr noch zweifeln nach allem, was heute geschah?–aus Euch selbst ein Opfer machen! Ja, ich gehe vielleicht schon weiter, als ich darf, indem ich Euch überhaupt noch eine Bedingung stelle, und tu’s auf meine eigne Gefahr!

Agnes. Ihr wollt mich erschrecken, aber es wird Euch nicht gelingen! (Sie hält sich an einem Tisch.) So leicht fürchte ich mich nicht, dies Zittern meiner Knie kommt noch von dem überfall! Mein Gott, erst die Trompeten, dann die blutigen Schwerter und die Toten! Aber für mich besorg ich nichts, ich bin ja nicht in Räuberhänden, und Herzog Ernst ist ebenso gerecht, als streng! (Sie setzt sich.) Seht mich nicht so an, mir ward jetzt so wunderlich, weil der tote Törring mir auf einmal vor die Seele trat, es ist schon wieder vorüber. (Sie erhebt sich wieder.) Was könnte mir auch wohl widerfahren! Ist doch selbst ein Missetäter, solange der Richter ihn noch nicht verurteilt hat, in seinem Kerker so sicher, als ob die Engel Gottes ihn bewachten, und ich habe den meinigen noch nicht einmal erblickt! Nein, nein, so hat mein Gemahl nicht von seinem Vater gesprochen, daß ich dies glauben dürfte! Doch, wenn’s auch so wäre, wenn der Tod–es ist unmöglich, ich weiß es, ganz unmöglich–aber wenn er wirklich schon vor der Tür stände und meine Worte zählte: ich könnte nimmermehr anders!

Preising. Der Tod steht vor der Tür, er kommt, wenn ich gehe, ja er wird anklopfen, wenn ich zu lange säume! Schaut einmal durchs Gitter zur Brücke hinüber! Was seht Ihr?

Agnes. Das Volk drängt sich, einige heben die Hände zum Himmel empor, andere starren in die Donau hinab, es liegt doch keiner darin?

Preising (mit einem Blick auf sie). Noch nicht!

Agnes. Allmächtiger Gott! Versteh ich Euch?

Preising (nickt).

Agnes. Und was hab ich verbrochen?

Preising (hebt das Todesurteil in die Höhe). Die Ordnung der Welt gestört, Vater und Sohn entzweit, dem Volk seinen Fürsten entfremdet, einen Zustand herbeigeführt, in dem nicht mehr nach Schuld und Unschuld, nur noch nach Ursach’ und Wirkung gefragt werden kann! So sprechen Eure Richter, denn das Schicksal, das Euch bevorsteht, wurde schon vor Jahren von Männern ohne Furcht und ohne Tadel über Euch verhängt, und Gott selbst hat den harten Spruch bestätigt, da er den jungen Prinzen zu sich rief, der die Vollziehung allein aufhielt. Ihr schaudert, sucht Euch nicht länger zu täuschen, so ist’s! Und wenn’s einen Edelstein gäbe, kostbarer, wie sie alle zusammen, die in den Kronen der Könige funkeln und in den Schachten der Berge ruhen, aber ebendarum auch ringsum die wildesten Leidenschaften entzündend und Gute, wie Böse, zu Raub, Mord und Totschlag verlockend: dürfte der einzige, der noch ungeblendet blieb, ihn nicht mit fester Hand ergreifen und ins Meer hinunterschleudern, um den allgemeinen Untergang abzuwenden? Das ist Euer Fall, erwägt’s und bedenkt Euch, ich frage zum letzten Mal!

Agnes. Erwägt auch Ihr, ob Ihr nicht verlangt, was mehr als Tod ist! Ich entsage meinem Gemahl nicht, ich kann’s und darf’s nicht. Bin ich denn selbst noch, die ich war? Hab ich bloß empfangen? Hab ich nicht auch gegeben? Sind wir nicht eins, unzertrennlich eins durch Geben und Nehmen, wie Leib und Seele? Aber ich verbürge mich für ihn, daß er dem Thron entsagt! Fürchtet nicht, daß ich verspreche, was er nicht halten wird! Ich hab’s aus seinem eignen Munde, wie ein Zauberwort für die höchste Gefahr! Zwar glaubte ich längst nicht mehr, daß ich’s noch brauchen würde, aber diese Stunde hat’s mir entrissen, und nun braucht’s, wie Ihr wollt!

Preising. Das rettet Euch nicht mehr! Herzog Albrecht kann die angestammte Majestät sowenig ablegen, als Euch damit bekleiden, sie ist unzertrennlich mit ihm verbunden, wie die Schönheit, die ihn fesselt, mit Euch. Will er’s nicht seinen Segen nennen, so nenne er’s seinen Fluch, aber er gehört seinem Volk und muß auf den Thron steigen, wie Ihr ins Grab. Euch rettet’s nur noch, wenn Ihr Eure Ehe für eine sündliche erklärt und augenblicklich den Schleier nehmt.

Agnes. Wie mild ist Herzog Ernst! Der will doch nur mein Leben! Ihr wollt mehr! Ja, ja, das braucht’ ich bloß zu tun, so wär’ ich für ihn, wie nie dagewesen; ich selbst hätte mein Andenken in seiner Seele ausgelöscht, und er müßte erröten, mich je geliebt zu haben! Mein Albrecht, deine Agnes dich abschwören! O Gott, wie reich komm ich mir in meiner Armut jetzt auf einmal wieder vor, wie stark in meiner Ohnmacht! Diesen Schmerz kann ich doch noch von ihm abwenden! Das kann mir doch kein Herzog gebieten! Nun zittre ich wirklich nicht mehr!

Preising. Oh, daß Euer alter Vater neben mir stände und mich unterstützte! Daß er spräche: mein Kind, warum willst du einen Platz nicht freiwillig wiederaufgeben, den du doch nur gezwungen einnahmst? Denn ich weiß ja, daß dies Euer Fall war!

Agnes. Gezwungen? So also wird meine Angst, mein Zittern und Zagen ausgelegt? Oh, wenn Ihr mir Euer Mitleid geschenkt habt, weil Ihr das glaubt, so nehmt’s zurück und quält mich nicht länger, ich habe keinen Anspruch darauf. Nein, nein, ich wurde nicht gezwungen! So gewiß ich ihn eher erblickt habe, als er mich, so gewiß habe ich ihn auch eher geliebt, und das war gleich, als ob’s immer gewesen wäre und in alle Ewigkeit nicht wiederaufhören könne. Darum keine Anklage gegen ihn, ich war früher schuldig, als er! Nie zwar hätt’ ich’s verraten, ich hätte vielleicht nicht zum zweiten Mal zu ihm hinübergeschaut, sondern im stillen mein Herz zerdrückt und unter Lachen und Weinen ein Gelübde getan. Ach, ich schämte mich vor Gott und vor mir selbst, mir war, als ob mein eignes Blut mir über den Kopf liefe, ich erwiderte ein Lächeln des armen Theobald, um mir recht weh zu tun. Doch, als er nun am Abend zu mir herantrat, da wandte ich mich zuerst freilich auch noch ab, aber nur, wie ein Mensch, der in den Himmel eintreten soll und weiß, daß er dem Tode die Schuld noch nicht bezahlt hat! Wenn ein Engel den mit sanfter Gewalt über die Schwelle nötigt: hat er ihn gezwungen?

Preising. So ist es Euer letztes Wort?

Dritte Szene

Die Türe wird geöffnet, man erblickt Häscher und Reisige, die jedoch draußen bleiben, es tritt ein: Emeran Nusperger zu Kalmperg und bleibt am Eingang stehen.

Agnes (ihm entgegen). Herr Emeran, hätte mein Gemahl je erfahren, was ich von Euch wußte, Ihr lebtet nicht, um mich zu verderben! Er haßte Euch schon ohne Grund, wie keinen auf der Welt, ich hätt’ ihm wohl einen Grund angeben können, aber ich tat’s nicht! Sinnt nach, und wenn Ihr ein Mensch seid, so muß sich in Eurer Brust jetzt etwas für mich regen!

Emeran Nusperger zu Kalmperg (schweigt).

Agnes. Herr Emeran, hin ich auf ehrliche Weise in Eure Hand gefallen? Bedenkt wohin Ihr mich ohne Vorbereitung schickt, laßt mir noch etwas Zeit, und Gott soll’s Euch verzeihen, daß Ihr einen Judas mehr gemacht habt, ich will selbst für Euch bitten!

Emeran Nusperger zu Kalmperg (schweigt).

Agnes. Herr Emeran, wie ich in diesem Augenblick zu Euch, so werdet ihr dereinst zu Gott um eine kurze Frist flehen, und er wird Euch antworten, wie Ihr mir! Seht mich an, wie jung ich noch bin, und gebt mir von jedem Jahr, das Ihr mir raubt, nur eine Minute zurück! Könnt Ihr mir’s weigern? Ich will ja nur von mir selbst Abschied nehmen!

Preising. Ihr verlangt von ihm, was er nicht gewähren kann! Er weiß von Eurem Knecht, daß Ihr gestern zur Nacht erst gebeichtet habt, und die Stunde drängt! Auch ist die eine ebenso schwarz, wie die andere, glaubt’s mir! Aber willigt ein und-

Agnes. Hebe Dich von mir, Versucher!

Emeran Nusperger zu Kalmperg (winkt einem Häscher).

Ein Häscher (tritt herein und nähert sich Agnes).

Agnes. Fort, Mensch! Willst du deine Hand an die legen, die noch keiner, als dein Herzog, berührt hat? Nur dem Totengräber kann ich’s nicht mehr wehren! (Sie schreitet zur Tür, bleibt dann aber stehen). Albrecht, Albrecht, was wirst du empfinden!

Preising. Ja! Ja! Und Ihr wollt diesen Stachel lieber in seine Seele drücken, als–Noch ist’s Zeit!

Agnes. Fragt ihn, wenn ich dahin bin, ob er lieber eine Unwürdige verfluchen, als eine Tote beweinen möchte! Ich kenne seine Antwort! Nein, nein, Ihr bringt Euer Opfer nicht so weit, daß es sich selbst befleckt. Rein war mein erster Hauch, rein soll auch mein letzter sein! Tut mir, wie Ihr müßt und dürft, ich will’s leiden! Bald weiß ich, ob’s mit Recht geschah!

(Sie schreitet durch die Häscher hindurch, Preising und Emeran Nusperger zu Kalmperg folgen.)

Offenes Feld.

Vierte Szene

Herzog Ernst mit seinen Rittern und Reisigen, die man ziehen und sich ausbreiten sieht. Bauerhütten, wovon eine ganz in der Nähe ist.

Ernst (tritt mit Wolfram von Pienzenau, Ignaz von Seyboltstorff und Otto von Bern hervor).

Ernst. Ihr, Pienzenau, reitet zu Haydeck! Er soll so weit vorwärtsgehen, als er kann! Ich muß hier haltmachen und auf den Kanzler warten.

Wolfram von Pienzenau (ab).

Ernst. Ihr, Seyboltstorff, schwenkt Euch gegen Straubing, und besetzt die Hügelkette!

Ignaz von Seyboltstorff (ab).

Ernst. Ihr, Bern, seht nach Euren Reitern und bleibt nüchtern, damit die auch nüchtern bleiben. (Wie Bern sprechen will.) Ich weiß wohl, daß Ihr behauptet, des Morgens immer benebelt aufzustehen und Euch den Verstand erst nach und nach anzutrinken, wie andere Leute den Rausch, aber ich halte nichts davon, und ich muß Euch heute zur Hand haben, wie mein Schwert!

Otto von Bern (ab).

Fünfte Szene

Ernst. Eine Bauerhütte! Ich will doch einmal sehen, wie die Leute leben! (Er geht auf die Hütte zu, findet sie aber verschlossen.) Zu! Alles auf’m Felde bei der Arbeit. Wer kocht denn Essen? Oder hab ich sie schon verjagt? (Er kommt zurück.) Wenn’s geglückt ist, muß die Nachricht jeden Augenblick kommen! Dies ist das erste Mal, daß mir die Zeit lang wird.–Ernst, frevle nicht! Wer weiß, welcher Schatten jetzt schon zwischen Himmel und Erde umherirrt!

Sechste Szene

Preising (tritt mit Pappenheim auf). Hier soll er sein!

Ernst (ihnen entgegen). Ihr Preising? Nun?

Preising. Tot!

Ernst. So sei Gott ihr gnädig!–Pappenheim, Ihr müßt gleich wieder aufsitzen und Euch mit Pienzenau vereinigen, um Haydeck zu stärken. Der hat den ersten Stoß zu erwarten, wenn’s was gibt!

Pappenheim (ab).

Ernst. Wie starb sie?

Preising. Hat sie sich Euch um die elfte Stunde nicht angezeigt?

Ernst. Das versteh ich nicht!

Preising. Da war’s! Der Henker versagte den Dienst, Herr Emeran mußte einen seiner Hörigen entlassen, der stürzte sie von der Brücke herab. Erst schien’s, als ob sie aus Angst vor der Befleckung durch seine Hände freiwillig hinunterspringen wollte, doch dann kam die Furcht des Todes über sie, ihr schwindelte, und er mußte sie packen. Das Volk hätte ihn gern gesteinigt, und doch wußte jeder, daß der jämmerliche Mensch es nur für seine Freiheit tat. Nicht um die Welt möcht’ ich’s zum zweiten Mal sehen.

Ernst. Genug, Preising! Es gibt Dinge, die man, wie im Schlaf tun muß. Dies gehört dazu. Das große Rad ging über sie weg–nun ist sie bei dem, der’s dreht. Jetzt handelt sich’s denn um ihn!

Preising. Oh, er wird’s schon wissen! Es war gerade einer aus Augsburg auf dem Schloß, als Pappenheim eindrang, ein braver Bursch, der sich wacker hielt. Der eilte fort, als sie in den Kerker geführt wurde, und gewiß nach Ingolstadt. Es war ein Bote ihres Vaters!

Ernst. Armer, alter Mann! Nun ich setzte mein eigen Fleisch und Blut ebensogut ein, wie das deine! Wer weiß, ob unser Los nicht schon gleich ist!

Preising. Und dann?

Ernst. Dann werde, was will! Ich habe das Meinige getan und sorge für die Gräber. Aber es kann auch anders kommen. Der Fürst schlief nur in ihm, er war nicht tot. Warum hätt’ er sonst nicht entsagt? Warum so auf dies Turnier gedrungen? Vielleicht erwacht er wieder, und dann–Es ist töricht, mit den gemeinen Leuten von Zauberei zu reden, wo ein Gesicht, das unser Herrgott zweimal angestrichen hat, alles erklärt, aber es ändert sich viel, wenn Himmel und Erde sich erst einmal wieder in solch ein Blendwerk von Mädchen geteilt haben, und nur noch ein Leichnam daliegt, der nicht mehr durch rote Lippen und frische Wangen an die Eitelkeiten der Welt, nur noch durch gebrochene Augen an die letzten Dinge mahnt!

Preising. Da brennt’s! Oder nicht? Ja! ja!

(Man sieht in der Ferne ein Dorf in Flammen stehen.)

Ernst. Das ist er! So hat die Wut den Schmerz besiegt! Nun wird alles gut! (Rufend.) Nur zu, mein Sohn, nur zu! Je ärger, je besser!

Preising. Aber das wolltet Ihr ja eben verhüten!

Ernst. Ei, jetzt ist’s ein Tag! Was in dem zerstört wird, bau ich schon wieder auf! Und verlaßt Euch darauf, der Kaiser hat seinen Adler schon fliegen lassen, und der wird ihm die Krallen zeigen, eh’ er’s denkt! Und dann–(Er erhebt seinen Herzogsstab.) Preising, Ihr werdet heut noch überrascht! (Da Preising sprechen will.) Kommt, kommt, zu Pferde! (Er ruft.) Otto von Bern!

(Ab mit Preising.)

Siebente Szene

Bauern, Männer, Weiber und Kinder tumultuarisch durcheinander rennend und schreiend.

Einige. Der Böhme! Der Böhme!

Andere. Der Kaiser!

Andere. Ingolstadt und Landshut!

Alle. Alle zusammen! Alle zusammen! Weh uns! Wohin?

Achte Szene

Albrecht erscheint mit vielen Kämpfenden, worunter sich auch Theobald befindet.

Albrecht (er tut bei jedem Ausruf einen Streich). Agnes Bernauer! Agnes Bernauer! Hei, daß ihr’s wißt, eh’ ihr umfallt, der Tod heißt heute Agnes Bernauer und kennt kein Erbarmen! Kein Geschlecht in Bayern, hoch oder niedrig, das morgen nicht weinen soll! Da liegt ein Haydeck, da ein Pienzenau, da ein Seyboltstorff! Aber noch immer lebt Pappenheim! Pappenheim, wo bist du? Räuber, Verräter, Schurke, versteckst du dich? Ihr alle, ruft mit mir, daß es über die ganze Erde schallt: Pappenheim, Räuber, Verräter, Schurke, hervor!

Pappenheim (tritt auf). Wer sucht mich?

Albrecht. Ich und der Teufel, wir beide zugleich! Aber erst komm ich! Zieh und laß sehen, ob ein ehrlich Eisen dir noch dient! (Er wirft Pappenheim zurück.)

Theobald (tritt hervor). Und ich? Ha, ha, ha! Ich glaube, ich fürchte mich, es wird mir ganz schwarz vor den Augen. Ei, ich mach sie zu und steche darauf los! Bring ich keinen um, so reiz ich doch wohl einen, daß er mich umbringt!

Albrecht (tritt wieder auf). Abgetan! Was nun? Oh, daß man mir ihn wieder lebendig machte, und daß ich ihn mit jedem Atemzug einmal niederhauen dürfte, von heute an bis zum Anbruch des Jüngsten Gerichts.

Theobald (tritt vor Albrecht hin.). Haut mich nieder!

Albrecht. Dich? Wofür? Ei, du bist’s? Was fällt dir ein!

Theobald. Meint Ihr, daß ich mit einer solchen Nachlebt nach Augsburg zurück will?

Albrecht. Guter, treuer Mensch, bleib bei mir!

Theobald. Bei Euch? Bei Euch! Ha! Wenn Ihr nicht gewesen wärt–Da! (Er sticht nach Albrecht.) Der kommt auch von Agnes Bernauer! Und der! Und der!

Albrecht (wehrt ab). Bist du verrückt? Gib mir lieber die Hand! Du bringst mich nicht so weit, daß ich dir ein Leid zufüge!

Theobald (sticht wieder nach ihm). Ihr sollt aber!

Albrecht. So muß ich schon tun, was ich noch nie tat! (Er wendet ihm den Rücken.) Wem gehört denn das rote Gesicht? Das ist ein Degenberg, und an dem fehlt’s noch! (Stürzt fort.)

Theobald. Alles soll sterben, alles, Freund und Feind! (Er wirft sich seinem eignen Trupp entgegen, der Albrecht folgen will.) Wohin? Halt! (Er wird durchbohrt.) So! Nun ist’s genug! (Fällt und stirbt. )

Nothhafft von Wernberg (tritt auf). Sieg! Sieg! Wo ist der Herzog? Albrecht, sie laufen vor uns, als ob wir mehr als Menschen wären!

Albrecht. Aber sie sollen liegen! Ich will die Donau, die sie erstickt hat, mit Leichen wieder ersticken!

Nothhafft von Wernberg. Der im Bart wirft sich auf Straubing, Ihr sollt’s betrachten, als ob er’s schon hätte!

Albrecht. Daß er mir den Richter bloß fängt, und ihm kein Leid zufügt! In dessen Blut will ich mir den letzten Rausch trinken!

Rolf von Frauenhoven (tritt auf). Hurra! Hurra! Nun ist’s aus! Wir haben ihn! (Zu Albrecht, wie er ihn bemerkt.) Wir haben Euren Vater, Ihr könnt ihm gleich guten Tag sagen! Eben ward er gepackt!

Albrecht. Wer hat das befohlen?

Frauenhoven. Wer hat’s verboten? Seine eignen Leute rannten ihn über den Haufen, als er sich ihrer Flucht in den Weg stellte, und Hans von Läubelfing–Da bringt er ihn mit dem Kanzler! Seht!

Albrecht (wendet sich nach der entgegengesetzten Seite). Er soll ihn freilassen! Gleich!

Nothhafft von Wernberg. Ei, das kommt wohl morgen auch früh genug!

Albrecht. Gleich! sage ich. Mensch, fühlst du’s denn nicht auch?

Nothhafft von Wernberg. Eh’ er Urfehde geschworen und uns wenigstens die Köpfe gesichert hat?

Albrecht (stampft mit dem Fuß). Gleich! Gleich! Gleich!

Nothhafft von Wernberg. So sagt’s ihm selbst!

Neunte Szene

Ernst tritt mit Preising auf, von Hans von Läubelfing und seiner Schar begleitet.

Ernst. Da steht mein Sohn! Wenn der den Degen seines Vaters will, hier ist er!

Albrecht. Ihr habt mir bei Alling das Leben gerettet! (Mit einer Handbewegung.) Fort! Fort!

Ernst. Ich tat bei Alling, was ich schuldig war, und begehre keinen Dank dafür!

Albrecht (indem er sich umkehrt). So komme diese Stunde über Euer Haupt! (Er bemerkt Preising.) Ha, da ist noch einer! Herr Kanzler, Ihr seid frei, Ihr mögt wollen oder nicht! Aber nur, um Eurem Gefährten, dem Marschall, gleich in die Hölle nachgeschickt zu werden! (Er zieht gegen Preising.) Oh, wär’ auch der dritte da!

Ernst. Pfui! Willst du dich am Diener rächen, statt am Herrn? Mein Kanzler vollzog nur meinen Befehl, und ich mußte ihn zweimal geben, eh’ er’s tat!

Albrecht. So seid Ihr’s wirklich allein? Ganz allein? So kann ich mich an niemanden halten, als an Euch? Und Ihr tretet mir noch in den Weg? Ihr weicht mir nicht aus?

Ernst. Warum sollt’ ich? Ich habe meine Pflicht getan, in Straubing, wie in Alling, oder in Regensburg!

Albrecht. Eure Pflicht! Gott hat Euch in meine Hand gegeben! Zeugt er so für den, der seine Pflicht tat?

Ernst. Gott will dich versuchen! Hab wohl acht, daß du vor ihm bestehst! Er hat noch nie auf zwei Menschen herabgeschaut, wie jetzt auf dich und mich! (Er tritt Albrecht näher.) Mein Sohn, du hast dich mit meinem ärgsten Feind verbunden, mit deinem falschen Ohm, der dir zwar gern die Brandfackel vorantrug, als es galt, mein unschuldiges Land zu verheeren, der dir aber nicht das Schwert aus der Hand gerissen haben würde, wenn du es gegen dich selbst gezückt hättest! Kehre zu mir zurück, es ist besser. Ich mußte tun, was ich tat, du wirst es selbst dereinst begreifen, und wär’s erst in deiner letzten Stunde, aber ich kann auch mit dir weinen, denn ich fasse deinen Schmerz!

Albrecht. Oh, sprecht nicht so! Laßt mich glauben, daß Ihr nicht mehr davon wißt, als der kalte Fluß, der sie verschlungen hat. Wenn ich Euch nicht fluchen soll, muß ich mir denken: ein neuer Tod ist in die Welt gekommen, um den alten abzulösen, und das ist dein eigner Vater! Ein Mensch konnte ihr kein Leid zufügen; nicht bei Tage, denn er hätte sie gesehen, nicht bei Nacht, denn er hätte sie gehört, und nur eins von beidem war nötig, um jeden zu entwaffnen! Sagt: ich bin kein Mensch und schickte auch keine Menschen, dann will ich mich vor Euch bekreuzen und fliehn!

Ernst. Ich bin ein Mensch, und hätt’s wohl verdient, daß es mir erspart worden wäre. Aber wenn du dich wider göttliche und menschliche Ordnung empörst: ich bin gesetzt, sie aufrechtzuerhalten, und darf nicht fragen, was es mich kostet!

Albrecht. Göttliche und menschliche Ordnung! Ha, ha! Als ob’s zwei Regenbogen wären, die man zusammengefügt und als funkelnden Zauberring um die Welt gelegt hätte! Aber die göttliche Ordnung rief sie ins Leben und ließ sie aus dem Staube hervorgehen, damit sie wieder erhöhe, was sich selbst erniedrigt, und erniedrigen was sich selbst erhöht hatte. Die menschliche–(Er tritt Ernst näher.) Die menschliche–(Er wendet sich rasch um gegen die Seinigen.) Vorwärts, Ihr Freunde, vorwärts, wer wird schon am Mittag feiern! Herzog Ernst ist frei, niemand krümme ihm ein Haar, er kann keine Agnes mehr töten, aber rasten wollen wir erst, wenn sein München in Flammen steht! (Will fort.)

Ernst. Recht so! Dann wird der Bayer sie doch gewiß verfluchen, sonst hätt’ er sie vielleicht beweint. Ihre Brüder sind’s, die du erwürgst, nicht die meinigen, und ob du die ganze Menschheit abschlachtest: in ihren Adern wird nicht ein Blutstropfe wieder warm davon! Aber dahin kannst du’s bringen, daß ihr eigener Vater die Stunde vermaledeit, in der sie ihm geboren ward, und daß sie selbst sich aus dem Paradies, wenn sie’s schon betreten hat, schaudernd und schamrot wieder hinausstiehlt, die erste und letzte, die’s tut, ohne verdammt zu sein!

Albrecht (hält inne und senkt sein Schwert).

You may also like: