beteiligt; dennoch war sie mehr ein Sitz der Verzehrenden als der Erwerbenden. Im ganzen Altertum gab es keine Stadt, in welcher das Geniessen des Lebens so sehr die Hauptsache, und dessen Pflichten so beilaeufig waren wie in “Antiocheia bei Daphne”, wie die Stadt bezeichnend genannt wird, etwa wie wenn wir sagen wuerden “Wien beim Prater”. Denn Daphne ^8 ist der Lustgarten, eine deutsche Meile von der Stadt, von zwei Meilen im Umkreis, beruehmt durch seine Lorbeerbaeume, wonach er heisst, durch seine alten Zypressen, die noch die christlichen Kaiser zu schonen befahlen, seine fliessenden und springenden Wasser, seinen glaenzenden Apollotempel und die prachtvolle vielbesuchte Festfeier des 10. August. Die ganze Umgegend der Stadt, die zwischen zwei bewaldeten Bergzuegen in dem Tale des wasserreichen Orontes, drei deutsche Meilen aufwaerts von der Muendung desselben liegt, ist noch heute trotz aller Vernachlaessigung ein bluehender Garten und einer der anmutigsten Flecke der Erde. Der Stadt selbst tat es an Pracht und Glanz der oeffentlichen Anlagen im ganzen Reiche keine zuvor. Die Hauptstrasse, welche in der Ausdehnung von 36 Stadien, nahezu einer deutschen Meile, mit einer bedeckten Saeulenhalle zu beiden Seiten und in der Mitte einem breiten Fahrweg, die Stadt in gerader Richtung laengs des Flusses durchschnitt, ist in vielen antiken Staedten nachgeahmt worden, aber hat ihresgleichen nicht einmal in dem kaiserlichen Rom. Wie in jedem guten Hause in Antiocheia das Wasser lief ^9, so wandelte man in jenen Hallen durch die ganze Stadt zu allen Jahrzeiten geschuetzt vor Regen wie vor Sonnenglut, auch des Abends in erleuchteten Strassen, was sonst von keiner Stadt des Altertums berichtet wird ^10.
——————————————- ^7 Dies sagt Diodor (20, 47) von der Vorlaeuferin Antiocheias, der nur etwa eine Meile weiter flussaufwaerts angelegten Stadt Antigoneia. Antiocheia ist fuer das Syrien der alten Zeit ungefaehr gewesen, was fuer das heutige Aleppo ist, der Knotenpunkt des inneren Verkehrs; nur dass bei jener Gruendung, wie schon die gleichzeitige Anlage des Hafens von Seleukeia beweist, die unmittelbare Verbindung mit dem Mittelmeer beabsichtigt und daher die Anlage weiter nach Westen gelegt ward.
^8 Der Raum zwischen Antiocheia und Daphne war mit Landhaeusern und Vignen gefuellt (Lib. or. 2 p. 213 Reiske), und es gab hier auch eine Vorstadt Herakleia oder auch Daphne (K. O. Mueller, Antiquitates Antiochiae, S. 44; vgl. vita Veri 7); aber wenn Tac. ann. 2, 83 diese Vorstadt Epidaphne nennt, so ist dies einer seiner seltsamsten Schnitzer. Plinius (nat. 5, 21, 79) sagt korrekt: Antiochia Epidaphnes cognominata.
^9 “Womit wir vornehmlich alle schlagen”, sagt der Antiochener Libanios in der unter Constantius gehaltenen Lobrede auf seine Heimat (or. 1, 354 R.), nachdem er die Quellen der Daphne und die von dort nach der Stadt gefuehrten Leitungen geschildert hat, “das ist die Bewaesserung unserer Stadt; wenn sonst auch jemand es mit uns aufnehmen mag, so geben sie alle nach, sowie die Rede kommt auf das Wasser, seine Fuelle wie seine Trefflichkeit. In den oeffentlichen Baedern hat jeder Strom das Mass eines Flusses, in den privaten manche das gleiche, die uebrigen nicht viel weniger. Wer die Mittel hat, ein neues Bad anzulegen, tut dies unbesorgt um hinreichenden Zufluss und braucht nicht zu fuerchten, dass, wenn fertig, es ihm trocken liegen werde. Deshalb ist jeder Stadtbezirk [es gab deren achtzehn] auf die besondere Eleganz seiner Badeanstalt bedacht; es sind diese Bezirksbadeanstalten um so viel schoener als die allgemeinen, als sie kleiner sind als diese, und die Bezirksgenossen wetteifern immer die einen, die anderen zu uebertreffen. Man ermisst die Fuelle der fliessenden Wasser an der Menge der (guten) Wohnhaeuser; denn soviel der Wohnhaeuser, soviel sind auch der fliessenden Wasser, ja sogar in den einzelnen Haeusern oft mehrere; und auch die Mehrzahl der Werkstaetten hat den gleichen Vorzug. Darum schlagen wir uns auch nicht an den oeffentlichen Brunnen darum, wer zuerst zum Schoepfen kommt, an welchem Uebelstand so viele ansehnliche Staedte leiden, wo um die Brunnen ein heftiges Gedraenge ist und Laerm um die zerbrochenen Kruege. Bei uns fliessen die oeffentlichen Brunnen zur Zierde, da jeder innerhalb der Tueren sein Wasser hat. Und es ist dies Wasser so klar, dass der Eimer leer scheint, und so anmutend, dass es zum Trinken einladet.” ^10 “Das Sonnenlicht”, sagt derselbe Redner p. 363, “loesen andere Lichter ab, Leuchten, die das aegyptische Illuminationsfest hinter sich lassen; und bei uns unterscheidet sich die Nacht vom Tage nur durch die Verschiedenheit der Beleuchtung; die fleissigen Haende finden keinen Unterschied und schmieden weiter und wer da will, singt und tanzt, so dass Hephaestos und Aphrodite hier in die Nacht sich teilen.” Bei dem Strassensport, den der Prinz Gallus sich gestattete, waren die antiochenischen Laternen ihm sehr unbequem (Amm. 14, 1, 9).
——————————————- Aber in diesem ueppigen Treiben fanden die Musen sich nicht zurecht; der Ernst der Wissenschaft und die nicht minder ernste Kunst haben in Syrien und namentlich in Antiocheia niemals rechte Pflege gefunden. Wie vollkommen analog Aegypten und Syrien sonst sich entwickelt hatten, so scharf war ihr Gegensatz in literarischer Hinsicht: diesen Teil der Erbschaft des grossen Alexanders traten die Lagiden allein an. Pflegten sie die hellenische Literatur und foerderten wissenschaftliche Forschung in aristotelischem Sinn und Geist, so haben die besseren Seleukiden wohl durch ihre politische Stellung den Griechen den Orient erschlossen – Seleukos’ I. Sendung des Megasthenes nach Indien an Koenig Tschandragupta und die Erkundung des Kaspischen Meeres durch seinen Zeitgenossen, den Admiral Patrokles, haben in dieser Hinsicht Epoche gemacht; aber von unmittelbarem Eingreifen in die literarischen Interessen von seiten der Seleukiden weiss die Geschichte der griechischen Literatur nichts weiter zu melden, als dass Antiochos der sogenannte Grosse den Dichter Euphorion zu seinem Bibliothekar gemacht hat. Vielleicht darf die Geschichte der lateinischen Literatur fuer Berytus, die lateinische Insel im Meer des orientalischen Hellenismus, den Ernst wissenschaftlicher Arbeit in Anspruch nehmen. Es ist vielleicht kein Zufall, dass die Reaktion gegen die literarisch modernisierende Tendenz der julisch-claudischen Epoche und die Zurueckfuehrung der Sprache und der Schriften der republikanischen Zeit in die Schule wie in die Literatur ausgegangen ist von einem dem Mittelstand angehoerigen Berytier, dem Marcus Valerius Probus, welcher in den zurueckgebliebenen Schulen seiner entlegenen Heimat noch an den alten Klassikern sich gebildet hatte und dann in energischer, mehr kritisch schriftstellerischer als eigentlich lehrender Taetigkeit fuer den Klassizismus der spaeteren Kaiserzeit den Grund legte. Dasselbe Berytos ist spaeter der Sitz des Studiums der fuer die Beamtenlaufbahn erforderlichen Rechtswissenschaft fuer den ganzen Osten geworden und die ganze Kaiserzeit hindurch geblieben. In der hellenischen Literatur sind freilich die Poesie des Epigramms und der Witz des Feuilletons in Syrien zu Hause; mehrere der namhaftesten griechischen Kleindichter, wie Meleagros und Philodemos von Gadara und Antipatros von Sidon, sind Syrer und in sinnlichem Reiz wie in raffinierter Verskunst unuebertroffen; und der Vater der Feuilletonliteratur ist Menippos von Gadara. Aber diese Leistungen liegen meistens vor und zum Teil betraechtlich vor der Kaiserzeit. In der griechischen Literatur dieser Epoche ist keine Landschaft so geringfuegig vertreten wie die syrische, und Zufall ist dies schwerlich, wenngleich bei der universalen Stellung des Hellenismus in der Kaiserzeit auf die Heimat der einzelnen Schriftsteller nicht allzu viel Gewicht gelegt werden darf. Dagegen hatte die in dieser Epoche um sich greifende untergeordnete Schriftstellerei, die gedanken- und formlosen Liebes-, Raeuber-, Piraten-, Kuppler-, Wahrsager- und Traumgeschichten und die Fabelreisen wahrscheinlich eben hier ihren Hauptsitz. Unter den Kollegen des schon genannten Iamblichos, Verfassers der babylonischen Geschichte, werden die Landsleute desselben zahlreich gewesen sein; die Beruehrung dieser griechischen Literatur mit der gleichartigen orientalischen ist wohl ohne Zweifel durch die Syrer vermittelt worden. Das Luegen brauchten die Griechen freilich nicht von den Orientalen zu lernen; aber die nicht mehr plastische, sondern phantastische Fabulierung ihrer spaeteren Zeit ist aus Scheherazades Fuellhorn, nicht aus dem Scherz der Chariten erwachsen. Vielleicht nicht zufaellig macht die Satire dieser Zeit, indem sie den Homer als den Vater der Luegenreisen betrachtet, denselben zu einem Babylonier mit eigentlichem Namen Tigranes. Abgesehen von dieser Unterhaltungslektuere, deren auch die sich einigermassen schaemten, die damit schreibend oder lesend die Zeit verdarben, ist aus diesen Gegenden kaum ein anderer hervorragender Name zu nennen als der Zeitgenosse jenes Iamblichos, der Kommagener Lukianos. Auch er hat nichts geschrieben als in Nachahmung des Menippos Essays und Feuilletons, recht nach syrischer Art, witzig und lustig in der persoenlichen Persiflage, aber wo diese zu Ende ist, unfaehig, die ernste Wahrheit lachend zu sagen oder gar die Plastik der Komik zu handhaben. Diesem Volke galt nur der Tag. Keine griechische Landschaft hat so wenig Denksteine aufzuweisen wie Syrien; das grosse Antiocheia, die dritte Stadt des Reiches, hat, um von dem Lande der Hieroglyphen und der Obelisken nicht zu reden, weniger Inschriften hinterlassen als manches kleine afrikanische oder arabische Dorf. Mit Ausnahme des Rhetors Libanios aus der Zeit Julians, welcher auch mehr bekannt ist als bedeutend, hat diese Stadt der Literatur keinen einzigen Schriftstellernamen geliefert. Nicht mit Unrecht nannte der tyanitische Messias des Heidentums oder sein fuer ihn redender Apostel die Antiochener ein ungebildetes und halb barbarisches Volk und meinte, dass Apollon wohl tun werde, sie auch wie ihre Daphne zu verwandeln; denn in Antiocheia verstaenden wohl die Zypressen zu fluestern, aber nicht die Menschen zu reden. In dem kuenstlerischen Kreis hat Antiocheia eine fuehrende Stellung nur gehabt in Betreff des Theaters und der Spiele ueberhaupt. Die Vorstellungen, welche das antiochenische Publikum fesselten, waren, nach der Sitte dieser Zeit, weniger eigentlich dramatische als rauschende Musikauffuehrungen, Ballette, Tierhetzen und Fechterspiele. Das Klatschen oder Zischen dieses Publikums entschied den Ruf des Taenzers im ganzen Reich. Die Jockeys und die sonstigen Circus- und Theaterhelden kamen vorzugsweise aus Syrien ^11. Die Ballettaenzer und die Musiker sowie die Gaukler und Possenreisser, welche Lucius Verus von der – seinerseits in Antiocheia abgemachten – orientalischen Kampagne nach Rom zurueckbrachte, haben in der Geschichte des italischen Schauspielwesens Epoche gemacht. Mit welcher Leidenschaft das Publikum in Antiocheia diesem Vergnuegen sich hingab, dafuer ist charakteristisch, dass der Ueberlieferung nach die schwerste Katastrophe, welche in dieser Periode ueber Antiocheia gekommen ist, die Einnahme durch die Perser im Jahre 260, die Buerger der Stadt im Theater ueberraschte und von der Hoehe des Berges, an welchen dasselbe angelehnt war, die Pfeile in die Reihen der Zuschauer flogen. In Gaza, der suedlichsten Stadt Syriens, wo das Heidentum an dem beruehmten Marnas-Tempel eine feste Burg besass, liefen am Ende des 4. Jahrhunderts bei den Rennspielen die Pferde eines eifrigen Heiden und eines eifrigen Christen, und als dabei “Christus den Marnas schlug”, da, erzaehlt der heilige Hieronymus, liessen zahlreiche Heiden sich taufen. ———————————————- ^11 Die merkwuerdige Reichsbeschreibung aus der Zeit des Constantius (C. Mueller, Geographi Graeci Minores. Bd. 2, S. 513 f.), die einzige derartige Schrift, worin die gewerblichen Zustaende eine gewisse Beruecksichtigung finden, sagt von Syrien in dieser Hinsicht: “Antiocheia hat alles, was man begehrt, in Fuelle, vor allem aber seine Rennspiele. Rennspiele haben auch Laodikeia, Berytos, Tyros, Kaesareia (in Palaestina). Nach auswaerts sendet Laodikeia Jockeys, Tyros und Berytos Schauspieler, Caesareia Taenzer (pantomimi), Heliopolis am Libanos Floetenblaeser (choraulae), Gaza Musiker (auditores, womit akroamata inkorrekt wiedergegeben ist), Askalon Ringkaempfer (athletae), Kastabala (eigentlich schon in Kilikien) Faustkaempfer.” ———————————————- In Zuegellosigkeit der Sitte wetteiferten zwar die Grossstaedte des Roemischen Reiches alle; aber der Preis gebuehrt hierin wahrscheinlich Antiocheia. Der ehrbare Roemer, den der derbe Sittenmaler der traianischen Zeit schildert, wie er seiner Heimat den Ruecken wendet, weil sie eine Griechenstadt geworden, setzt hinzu, dass von dem Unrat die Achaeer der geringste Teil seien; laengst habe der syrische Orontes sich in den Tiberfluss ergossen und seine Sprache und seine Art, seine Musikanten, Harfenistinnen, Triangelschlaegerinnen und die Scharen seiner Freudenmaedchen ueber Rom ergossen. Von der syrischen Floetistin, der Ambubaia ^12, sprachen die Roemer Augusts wie wir von der Pariser Kokotte. In den syrischen Staedten, sagt schon in der letzten Zeit der roemischen Republik Poseidonios, ein bedeutender, selbst in dem syrischen Apameia heimischer Schriftsteller, haben die Buerger der harten Arbeit sich entwoehnt; man denkt dort nur an Schmausen und Zechen, und alle Reunionen und Kraenzchen dienen diesem Zweck; an der koeniglichen Tafel wird jedem Gast ein Kranz aufgesetzt und dieser dann mit babylonischen Parfuems besprengt; Floetenspiel und Harfenschlagen schallt durch die Gassen; die Turnanstalten sind in Warmbaeder verwandelt – mit letzterem ist die wahrscheinlich in Syrien zuerst aufgekommene und spaeterhin allgemein gewordene Einrichtung der sogenannten Thermen gemeint, die im wesentlichen eine Verbindung von Turn- und Warmbadanstalten waren. Vierhundert Jahre spaeter ging es in Antiocheia nicht anders zu. Nicht so sehr um des Kaisers Bart entspann sich der Zank zwischen Julian und diesen Staedtern, sondern weil er in dieser Stadt der Kneipen, die, wie er sich ausdrueckt, nichts im Sinne habe als Tanzen und Trinken, den Wirten die Preise regulierte. Von dieser wuesten und sinnlichen Wirtschaft ist auch und vor allem das religioese Wesen der syrischen Landschaft durchdrungen. Der Kultus der syrischen Goetter war oft eine Sukkursale des syrischen Bordells ^13. —————————————————– ^12 Von dem syrischen Wort abbuba Pfeife. ^13 Das Schriftchen Lukians von der zu Hierapolis vom ganzen Orient verehrten syrischen Goettin gibt eine Probe der wilden und wolluestigen Fabulierung, welche dem syrischen Kultus eigen ist. In dieser Erzaehlung – der Quelle von Wielands ‘Kombabus’ – wird die Selbstverstuemmelung ironisiert, wie sie den Frommen als ein Akt hoher Moralitaet und gottseligen Glaubens galt. —————————————————– Es wuerde ungerecht sein, die roemische Regierung fuer diese syrischen Zustaende verantwortlich zu machen; sie sind dieselben unter dem Diadochenregiment gewesen und auf die Roemer nur vererbt. Aber in der Geschichte dieser Zeit ist das syrohellenische Element ein wesentlicher Faktor, und obwohl sein indirekter Einfluss bei weitem mehr ins Gewicht faellt, hat dasselbe doch auch mehrfach unmittelbar in der Politik sich bemerklich gemacht. Von eigentlicher politischer Parteiung kann bei den Antiochenern dieser und jeder Zeit noch weniger die Rede sein als bei den Buergerschaften der uebrigen Grossstaedte des Reiches; aber im Mokieren und Raesonnieren haben sie es allem Anschein nach allen uebrigen, selbst den auch hierin mit ihnen wetteifernden Alexandrinern zuvorgetan. Revolution gemacht haben sie nie, aber jeden Praetendenten, den die syrische Armee aufstellte, bereitwillig und ernstlich unterstuetzt, den Vespasianus gegen Vitellius, den Cassius gegen Marcus, den Niger gegen Severus, immer bereit, wo sie Rueckhalt zu haben meinten, der bestehenden Regierung den Gehorsam aufzukuendigen. Das einzige Talent, das ihnen unwidersprochen zukommt, die Meisterschaft des Spottens, uebten sie nicht bloss gegen die Schauspieler ihrer Buehne, sondern nicht minder gegen die in der Residenz des Orients verweilenden Herrscher, und der Spott war ganz der gleiche gegen den Akteur wie gegen den Kaiser: er galt der persoenlichen Erscheinung und den individuellen Eigentuemlichkeiten, gleich als ob ihr Landesherr auch nur da sei, um sie mit seiner Rolle zu amuesieren. So bestand zwischen dem Publikum von Antiocheia und den Herrschern, namentlich denjenigen, die laengere Zeit daselbst verweilten, Hadrian, Verus, Marcus, Severus, Julian, sozusagen ein dauernder Hohnkrieg, aus welchem ein Aktenstueck, die Replik des letztgenannten Kaisers gegen die antiochenischen “Bartspoetter”, noch heute erhalten ist. Wenn dieser kaiserliche Literat den Spottreden mit Spottschriften begegnete, so haben zu anderen Zeiten die Antiochener ihre schlimmen Reden und ihre uebrigen Suenden schwerer zu buessen gehabt. So entzog ihnen Hadrian das Recht der Silberpraegung, Marcus das Versammlungsrecht und schloss auf einige Zeit das Theater. Severus nahm sogar der Stadt den Primat von Syrien und uebertrug diesen auf das in stetem Nachbarkrieg mit der Hauptstadt stehende Laodikeia; und wenn diese beiden Anordnungen bald wieder zurueckgenommen wurden, so ist die Teilung der Provinz, welche bereits Hadrian angedroht hatte, unter Severus, wie gesagt ward, zur Ausfuehrung gekommen, und nicht zum wenigsten deswegen, weil die Regierung die unbotmaessige Grossstadt demuetigen wollte. Selbst den schliesslichen Untergang hat diese Stadt sich herangespottet. Als im Jahre 540 der Perserkoenig Chosroes Nuschirwan vor den Mauern Antiocheias erschien, wurde er von den Zinnen derselben nicht bloss mit Pfeilschuessen empfangen, sondern mit den ueblichen unflaetigen Spottrufen; und dadurch gereizt, erstuermte der Koenig nicht bloss die Stadt, sondern fuehrte auch ihre Einwohner hinweg in das von ihm unweit Ktesiphon angelegte Neu-Antiocheia. Die glaenzende Seite der syrischen Zustaende ist die oekonomische; in Fabrikation und Handel nimmt Syrien neben Aegypten unter den Provinzen des roemischen Kaiserreichs den ersten Platz ein und behauptet in gewisser Beziehung auch vor Aegypten den Vorrang. Die Bodenkultur gedieh unter dem dauernden Friedensstand und unter der einsichtigen, namentlich auf Hebung der Bewaesserung gerichteten Verwaltung in einem Umfang, der die heutige Zivilisation beschaemt. Freilich sind manche Teile Syriens noch heute von ueppigster Fuelle; das Tal des unteren Orontes, den reichen Garten um Tripolis mit seinen Palmengruppen, Orangenhainen, Granat- und Jasmingebueschen, die fruchtbare Kuestenebene nord- und suedwaerts von Gaza haben weder die Beduinen noch die Paschas bis jetzt vermocht zu veroeden. Aber ihr Werk ist dennoch nicht gering anzuschlagen. Apameia im mittleren Tal des Orontes, jetzt eine Felsenwildnis ohne Fluren und Baeume, wo die duerftigen Herden auf den spaerlichen Weideplaetzen von den Raeubern des Gebirges dezimiert werden, ist weit und breit mit Ruinen besaet, und es ist urkundlich bezeugt, dass unter dem Statthalter Syriens Quirinius, demselben, den die Evangelien nennen, diese Stadt mit Einschluss des Gebiets 117000 freie Einwohner gezaehlt hat. Ohne Frage ist einst das ganze Tal des wasserreichen Orontes – schon bei Hemesa ist er 30 bis 40 Meter breit und 1´ bis 3 Meter tief – eine grosse Kulturstaette gewesen. Aber auch von den Strichen, die jetzt voellige Wueste sind und wo dem heutigen Reisenden das Leben und Gedeihen des Menschen unmoeglich scheint, war ein betraechtlicher Teil ehemals das Arbeitsfeld ruehriger Arme. Oestlich von Hemesa, wo jetzt kein gruenes Blatt und kein Tropfen Wasser ist, haben sich massenweise die schweren Basaltplatten ehemaliger Oelpressen gefunden. Waehrend heute nur in den quelligen Taelern des Libanos spaerliche Oliven wachsen, muessen einst die Oelwaelder weit ueber das Orontestal hinausgegangen sein. Wer jetzt von Hemesa nach Palmyra reist, fuehrt das Wasser auf dem Ruecken der Kamele mit sich, und diese ganze Wegstrecke ist bedeckt mit den Resten einstmaliger Villen und Doerfer ^14. Den Marsch Aurelians auf dieser Strecke vermoechte jetzt keine Armee zu unternehmen. Von dem, was heutzutage Wueste heisst, ist ein guter Teil vielmehr Verwuestung der gesegneten Arbeit besserer Zeiten. “Ganz Syrien”, sagt eine Erdbeschreibung aus der Mitte des 4. Jahrhunderts, “hat Ueberfluss an Getreide, Wein und Oel.” Aber ein eigentliches Exportland fuer die Bodenfruechte, wie Aegypten und Afrika, ist Syrien auch im Altertum nicht gewesen, wenn auch die edlen Weine, zum Beispiel der von Damaskos nach Persien, die von Laodikeia, Askalon, Gaza nach Aegypten und von da aus bis nach Aethiopien und Indien versandt wurden, und auch die Roemer den Wein von Byblos, von Tyros, von Gaza zu schaetzen wussten. —————————————————— ^14 Der oesterreichische Ingenieur Joseph Tschernik (Ergaenzungsheft 44 zu Petermanns geographischen Mittheilungen, 1875, S. 3, 9) fand Basaltplatten von Oelpressen nicht bloss auf dem wuesten Plateau bei Kala’at el-Hossn zwischen Hemesa und dem Meer, sondern auch in der Zahl von ueber zwanzig oestlich von Hemesa bei el-Ferklus, wo der Basalt selbst nicht vorkommt, sowie ebendaselbst zahlreiche gemauerte Terrassen und Ruinenhuegel; Terrassierungen auf der ganzen Strecke von 16 Meilen zwischen Hemesa und Palmyra. K. E. Sachau (Reise in Syrien und Mesopotamien. Leipzig 1883, S. 23, 55) fand Reste von Wasserleitungen an verschiedenen Stellen der Strasse von Damaskos nach Palmyra. Die in den Fels gehauenen Zisternen von Arados, deren schon Strabon (16, 2, 13 p. 753) gedenkt, tun noch heute ihren Dienst (J. E. Renan, Mission de Phenicie. Paris 1874, S. 40).
—————————————————— Weit mehr ins Gewicht fielen fuer die allgemeine Stellung der Provinz die syrischen Fabriken. Eine Reihe von Industrien, die eben fuer den Export in Betracht kommen, sind hier heimisch, insbesondere von Leinen, von Purpur, von Seide, von Glas. Die Flachsweberei, von alters her in Babylonien zu Hause, ist von da frueh nach Syrien verpflanzt worden; “ihr Leinen”, sagt jene Erdbeschreibung, “versenden Skytopolis (in Palaestina), Laodikeia, Byblos, Tyros, Berytos in die ganze Welt”, und in dem Tarifgesetz Diocletians werden dem entsprechend als feine Leinenwaren die der drei erstgenannten Staedte neben denen des benachbarten Tarsos und aegyptischen aufgefuehrt, und die syrischen haben vor allen den Vorrang. Dass der Purpur von Tyros, so viele Konkurrenten ihm auch entstanden, stets den ersten Platz behauptet hat, ist bekannt; und neben der tyrischen gab es in Syrien zahlreiche ebenfalls beruehmte Purpurfaerbereien an der Kueste ober- und unterhalb Tyros, in Sarepta, Dora, Caesarea, selbst im Binnenland, in dem palaestinensischen Neapolis und in Lydda. Die Rohseide kam in dieser Epoche aus China und vorzugsweise ueber das Kaspische Meer, also nach Syrien; verarbeitet ward sie hauptsaechlich in den Fabriken von Berytos und von Tyros, in welchem letzteren Orte besonders auch die viel gebrauchte und hoch bezahlte Purpurseide hergestellt ward. Die Glasfabriken von Sidon behaupteten in der Kaiserzeit ihren uralten Ruf, und zahlreiche Glasgefaesse unserer Museen tragen den Stempel eines sidonischen Fabrikanten. Zu dem Vertrieb dieser Waren, die ihrer Natur nach dem Weltmarkt angehoerten, kam weiter die ganze Warenmasse, welche aus dem Orient auf den Euphratstrassen in das Abendland gelangte. Freilich wendete der arabische und der indische Import in dieser Zeit sich von dieser Strasse ab und nahm hauptsaechlich den Weg ueber Aegypten; aber nicht bloss der mesopotamische Verkehr blieb notwendig den Syrern, sondern es standen auch die Emporien der Euphratmuendung in regelmaessigem Karawanenverkehr mit Palmyra und bedienten sich also der syrischen Haefen. Wie bedeutend dieser Verkehr mit den oestlichen Nachbarn war, zeigt nichts so deutlich wie die gleichartige Silberpraegung im roemischen Orient und im parthischen Babylonien; in den Provinzen Syrien und Kappadokien praegte die roemische Regierung Silber, abweichend von der Reichswaehrung, auf die Sorten und auf den Fuss des Nachbarreiches. Die syrische Fabrikation selbst, zum Beispiel von Leinen und Seide, ist eben durch den Import der gleichartigen babylonischen Handelsartikel angeregt worden, und wie diese, so sind auch die Leder- und die Pelzwaren, die Salben, die Spezereien, die Sklaven des Orients waehrend der Kaiserzeit zu einem sehr betraechtlichen Teil ueber Syrien nach Italien und ueberhaupt dem Westen gekommen. Das aber ist diesen Ursitzen des Handelsverkehrs immer geblieben, dass die sidonischen Maenner und ihre Landesgenossen, hierhin sehr verschieden von den Aegyptern, ihre Waren nicht bloss den Auslaendern verkauften, sondern sie ihnen selber brachten, und wie die Schiffskapitaene in Syrien einen hervorragenden und geachteten Stand bildeten ^15, so waren syrische Kaufleute und syrische Faktoreien in der Kaiserzeit ungefaehr ebenso ueberall zu finden wie in den fernen Zeiten, von denen Homer erzaehlt. Die Tyrier hatten derzeit Faktoreien in den beiden grossen Importhaefen Italiens, Ostia und Puteoli, und wie diese selbst in ihren Urkunden ihre Anstalten als die groessten und stattlichsten dieser Art bezeichnen, so wird in der oefter angefuehrten Erdbeschreibung Tyros fuer Handel und Verkehr der erste Platz des Orients genannt ^16; ebenso hebt Strabon bei Tyros und bei Arados die ungewoehnlich hohen, aus vielen Stockwerken bestehenden Haeuser als eine Besonderheit hervor. Aehnliche Faktoreien haben auch Berytos und Damaskos und gewiss noch viele andere syrische und phoenikische Handelsstaedte in den italienischen Haefen gehabt ^17. Dem entsprechend finden wir namentlich in der spaeteren Kaiserzeit syrische, vornehmlich apamenische Kaufleute nicht bloss in ganz Italien ansaessig, sondern ebenso in allen groesseren Emporien des Okzidents, in Salonae in Dalmatien, Apulum in Dakien, Malaca in Spanien, vor allem aber in Gallien und Germanien, zum Beispiel in Bordeaux, Lyon, Paris, Orleans, Trier, so dass wie die Juden so auch diese syrischen Christen nach ihren Gebraeuchen leben und in ihren Konventen sich ihres Griechischen bedienen ^18. Nur auf dieser Grundlage werden die frueher geschilderten Zustaende der Antiochener und der syrischen Staedte ueberhaupt verstaendlich. Die vornehme Welt daselbst besteht aus den reichen Fabrikanten und Kaufleuten, die Masse der Bevoelkerung sind die Arbeiter und die Schiffer ^19, und wie spaeter der im Orient erworbene Reichtum nach Genua und Venedig, so stroemte damals der Handelsgewinn des Okzidents zurueck nach Tyros und Apameia. Bei dem ausgedehnten Handelsgebiet, welches diesen Grosshaendlern offenstand, und bei den im ganzen maessigen Grenz- und Binnenzoellen brachte schon der syrische, einen grossen Teil der gewinnbringendsten und transportabelsten Artikel umfassende Export ungeheure Kapitalien in ihre Haende; und ihr Geschaeft beschraenkte sich nicht auf die heimatlichen Waren ^20. Welches Wohlleben einstmals hier geherrscht hat, das lehren nicht die duerftigen Ueberbleibsel der untergegangenen grossen Staedte, aber die mehr verlassene als verwuestete Landschaft am rechten Ufer des Orontes von Apameia an bis zu der Wendung des Flusses gegen das Meer. In diesem Strich von etwa 20 bis 25 deutschen Meilen Laenge stehen heute noch die Ruinen von gegen hundert Ortschaften, ganze noch erkennbare Strassen, die Gebaeude, mit Ausnahme der Daecher, ausgefuehrt in massivem Steinbau, die Wohnhaeuser von Saeulenhallen umgeben, mit Galerien und Balkonen geschmueckt, Fenster und Portale reich und oft geschmackvoll dekoriert mit Steinarabesken, dazu Garten- und Badeanlagen, Wirtschaftsraeume im Erdgeschoss, Staelle, in den Felsen gehauene Wein- und Oelpressen ^21, auch grosse, ebenfalls in den Felsen gehauene Grabkammern mit Sarkophagen gefuellt und mit saeulengeschmueckten Eingaengen. Spuren oeffentlichen Lebens begegnen nirgends; es sind die Landwohnungen der Kaufleute und der Industriellen von Apameia und Antiocheia, deren gesicherter Wohlstand und solider Lebensgenuss aus diesen Truemmern spricht. Es gehoeren diese Ansiedlungen voellig gleichfoermigen Charakters durchaus der spaeten Kaiserzeit an, die aeltesten dem Anfang des vierten Jahrhunderts, die spaetesten der Mitte des sechsten, unmittelbar vor dem Ansturm des Islam, dem auch dieses bluehende und gedeihliche Leben erlegen ist. Christliche Symbole und biblische Sprueche begegnen ueberall und ebenso stattliche Kirchen und kirchliche Anlagen. Indes hat diese Kulturentwicklung nicht erst unter Konstantin begonnen, sondern in jenen Jahrhunderten nur sich gesteigert und konsolidiert. Sicher sind jenen Steinbauten aehnliche, weniger dauerhafte Villen- und Gartenanlagen vorausgegangen. Die Regeneration des Reichsregiments nach den wuesten Wirren des dritten Jahrhunderts drueckt in dem Aufschwung sich aus, den die syrische Kaufmannswelt damals nahm; aber bis zu einem gewissen Grade wird dies uns gebliebene Abbild derselben auch auf die fruehere Kaiserzeit bezogen werden duerfen.
—————————————————— 15 In Arados, einer zu Strabons Zeit (16, 2, 13 p. 753) sehr volkreichen Stadt, erscheint unter Augustus ein proboylos t/o/n nayarch/e/sani/o/n (CIG 4736 h, besser bei Renan, Mission de Phinicie, S. 31). 16 Totius orbis descriptio c. 24: nulla forte civitas Orientis est eius spissior in negotio. Die Urkunden der statio (CIG 5853; CIL X, 1601) geben von diesen Faktoreien ein lebendiges Bild. Sie dienen zunaechst religioesen Zwecken, das heisst fuer den Kult der tyrischen Goetter am fremden Ort; zu diesem Zwecke wird in der groesseren Station von Ostia von den tyrischen Schiffern und Kaufleuten eine Abgabe erhoben und aus deren Ertrag der kleineren ein jaehrlicher Zuschuss von 1000 Sesterzen gewaehrt, der fuer die Miete des Lokals verwendet wird; die uebrigen Kosten werden von den Tyriern in Puteoli, ohne Zweifel durch freiwillige Beitraege, aufgebracht. 17 Fuer Berytos beweist dies die Puteolaner Inschrift CIL X,1634; fuer Damaskos legt es die dem Jupiter optimus maximus Damascensus daselbst gesetzte X, 1576 wenigstens nahe.
Uebrigens zeigt sich auch hier, mit wie gutem Grund Puteoli Klein-Delos heisst. Auf Delos begegnen in der letzten Zeit seiner Bluete, das heisst etwa in dem Jahrhundert vor dem Mithradatischen Krieg, die syrischen Faktoreien und die syrischen Kulte in ganz gleicher Weise und in noch groesserer Fuelle: wir finden dort die Gilde der Herakleisten von Tyros (to koinon t/o/n Tyri/o/n /E/rakleist/o/n empor/o/n kai naykl/e/r/o/n CIG 2271), der Poseidoniasten von Berytos (to koinon B/e/ryti/o/n Poseid/o/niast/o/n empor/o/n kai naykl/e/r/o/n kai egdoche/o/n, BCH 7, 1883, S. 468), der Verehrer des Adad und der Atargatis von Hierapolis (BCH 6, 1882, S. 495f.), abgesehen von den zahlreichen Denksteinen syrischer Kaufleute. Vgl. Homolle, BCH 8, 1884, S. 110f. 18 Indem Salvianus (gegen 450) den gallischen Christen zu Gemuete fuehrt, dass sie um nichts besser seien als die Heiden, weist er hin (gub. 4, 14, 69) auf die nichtswuerdigen negotiatorum et Syricorum omnium turbae, quae maiorem ferme civitatum universarum partem occupaverunt. Gregor von Tours erzaehlt, dass Koenig Guntchram in Orleans von der gesamten Buergerschaft eingeholt wird und gefeiert, wie in lateinischer Sprache so auch auf hebraeisch und auf syrisch (8, 1: hinc lingua Syrorum, hinc Latinorum, hinc … Judaeorum in diversis laudibus varie concrepabat) und dass nach Erledigung des Bischofsitzes von Paris ein syrischer Kaufmann denselben sich zu verschaffen wusste und die dazu gehoerigen Stellen an seine Landsleute vergab (10, 26: omnem scholam decessoris sui abiciens Syros de genere suo ecclesiasticae domui ministros esse statuit). Sidonius (um 450) schildert die verkehrte Welt von Ravenna (epist. 1, 8) mit den Worten: fenerantur clerici, Syri psallunt ; negotiatores militant, monachi negotiantur. Usque hodie, sagt Hieronymus (in Ezech. 27, vol. 5 p. 513 Vall.) permanet in Syris ingenitus negotiationis ardor, qui per totum mundum lucri cupiditate discurrunt et tantam mercandi habent vesaniam, ut occupato nunc orbe Romano (geschrieben gegen Ende des 4. Jahrhunderts) inter gladios et miserorum neces quaerant divitias et paupertatem periculis fugiant. Andere Belege gibt L. Friedlaender, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms. Bd. 2, 5. Aufl. S. 67. Ohne Bedenken wird man die zahlreichen Inschriften des Okzidents hinzufuegen duerfen, welche von Syrern herruehren, auch wenn diese sich nicht ausdruecklich als Kaufleute bezeichnen. Belehrend ist dafuer das Coemeterium der kleinen norditalischen Landstadt Concordia aus dem 5. Jahrhundert; die auf demselben bestatteten Auslaender sind alle Syrer, meist Apamener (CIL III, p. 1060); ebenso gehoeren alle in Trier gefundenen griechischen Inschriften Syrern (CIG 9891, 9892, 9893). Diese Inschriften sind nicht bloss in syrischer Weise datiert, sondern zeigen auch Besonderheiten des dortigen dialektischen Griechisch (Hermes 19, 1884, S. 423).
Dass diese syrisch-christliche, zu dem Gegensatz des orientalischen und okzidentalischen Klerus in Beziehung stehende Diaspora mit der juedischen nicht zusammengeworfen werden darf, zeigt der Bericht bei Gregorius deutlich; sie hat offenbar viel hoeher gestanden und durchgaengig den besseren Staenden angehoert. 19 Das ist zum Teil noch heute so. Die Zahl der Seidenarbeiter in Hoems wird auf 3000 angeschlagen (Tschernik a. a. O.) ^20 Eine der aeltesten, das heisst nach Severus und vor Diocletian gesetzten Grabschriften dieser Art ist die lateinisch-griechische, unweit Lyon gefundene (Wilmanns 2498 vgl. Lebas-Waddington 2329) eines THaimos o kai Ioylianos Saadoy (lateinisch Thaemus Iulianus Sati fil.), gebuertig aus Atheila (de vico Athelani) unweit Kanatha in Syrien (noch jetzt ‘Atil unweit Kanawat im Hauran) und Decurio in Kanatha, ansaessig in Lyon (patran leip/o/n /e/ke t/o/d’ epi ch/o/r/o/) und hier Grosshaendler fuer aquitanische Waren (es prasin ech/o/n enporion agorasm/o/n meston ek Akoyitani/e/s /o/d’ epi Loygoydynoi/o/ – negotiatori Luguduni et prov. Aquitanica). Danach muessen diese syrischen Kaufleute nicht allein mit syrischen Waren gehandelt, sondern mit ihrem Kapital und ihrer Geschaeftskenntnis den Grosshandel ueberhaupt betrieben haben. ^21 Charakteristisch ist das lateinische Epigramm an einem Kelterhause CIL III, 188 in dieser Heimat der “apamenischen Traube” (vita Elagabali c. 21). —————————————————— Die Verhaeltnisse der Juden in der roemischen Kaiserzeit sind so eigenartig und man moechte sagen so wenig abhaengig von der Provinz, die in der frueheren Kaiserzeit mit ihrem, in der spaeteren vielmehr mit dem wiedererweckten Namen der Philistaeer oder Palaestinenser benannt ward, dass es, wie schon gesagt ward, angemessen erschien, diese in einem besonderen Abschnitt zu behandeln. Das Wenige, was ueber das Land Palaestina zu bemerken ist, insbesondere die nicht unbedeutende Beteiligung der Kuesten- und zum Teil auch der binnenlaendischen Staedte an der syrischen Industrie und dem syrischen Handel, ist in der darueber gegebenen Auseinandersetzung miterwaehnt worden. Die juedische Diaspora hatte schon vor der Zerstoerung des Tempels sich in einer Weise erweitert, dass Jerusalem, auch als es noch stand, mehr ein Symbol als eine Heimat war, ungefaehr wie die Stadt Rom fuer die sogenannten roemischen Buerger der spaeteren Zeit. Die Juden von Antiocheia und Alexandreia und die zahlreichen aehnlichen Gemeinschaften minderen Rechts und geringeren Ansehens haben sich selbstverstaendlich an dem Handel und Verkehr ihrer Wohnsitze beteiligt. Ihr Judentum kommt dabei nur etwa insofern in Betracht, als die Gefuehle gegenseitigen Hasses und gegenseitiger Verachtung, wie sie seit Zerstoerung des Tempels und den mehrfach sich wiederholenden national-religioesen Kriegen zwischen Juden und Nichtjuden sich entwickelt oder vielmehr gesteigert hatten, auch in diesen Kreisen ihre Wirkung geuebt haben werden. Da die im Ausland sich aufhaltenden syrischen Kaufleute sich zunaechst fuer den Kultus ihrer heimatlichen Gottheiten zusammenfanden, so kann der syrische Jude in Puteoli den dortigen syrischen Kaufmannsgilden nicht wohl angehoert haben; und wenn der Kult der syrischen Goetter im Ausland mehr und mehr Anklang fand, so zog, was den uebrigen Syrern zugute kam, zwischen den mosaisch-glaeubigen Syrern und den Italikern eine Schranke mehr. Schlossen sich diejenigen Juden, die eine Heimat ausser Palaestina gefunden hatten, ausserhalb derselben nicht ihren Wohnsitz-, sondern ihren Religionsgenossen an, wie das nicht hat anders sein koennen, so verzichteten sie damit auf die Geltung und die Duldung, welche den Alexandrinern und den Antiochenern und so weiter im Ausland entgegenkam, und wurden genommen, wie sie sich gaben, als Juden. Die palaestinensischen Juden des Okzidents aber waren zum groessten Teil nicht hervorgegangen aus der kaufmaennischen Emigration, sondern kriegsgefangene Leute oder Nachkommen solcher und in jeder Hinsicht heimatlos; die Pariastellung, welche die Kinder Abrahams vor allem in der roemischen Hauptstadt einnahmen, der Betteljude, dessen Hausrat in dem Heubuendel und dem Schacherkorb besteht und dem kein Verdienst zu gering und zu gemein ist, knuepft an den Sklavenmarkt an. Unter diesen Umstaenden begreift es sich, weshalb im Okzident die Juden waehrend der Kaiserzeit neben den Syrern eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Die religioese Gemeinschaft der kaufmaennischen und der Proletariereinwanderung drueckte auf die Gesamtheit der Juden noch neben der allgemeinen mit ihrer Stellung verbundenen Zuruecksetzung. Mit Palaestina aber hat jene wie diese Diaspora wenig zu schaffen. Es bleibt noch ein Grenzgebiet zu betrachten, von dem nicht haeufig die Rede ist und das dennoch wohl Beruecksichtigung verdient: es ist die roemische Provinz Arabia. Sie fuehrt ihren Namen mit Unrecht; der Kaiser, der sie eingerichtet hat, Traianus, war ein Mann grosser Taten, aber noch groesserer Worte. Die arabische Halbinsel, weiche das Euphratgebiet wie das Niltal voneinander scheidet, regenarm, ohne Fluesse, allerseits mit felsiger und hafenarmer Kueste, ist fuer den Ackerbau wie fuer den Handel wenig geeignet und in alter Zeit zum weitaus groessten Teil den nicht sesshaften Wuestenbewohnern zum unbestrittenen Erbteil verblieben. Insonderheit die Roemer, welche ueberhaupt in Asien wie in Aegypten besser als irgendeine andere der wechselnden Vormaechte es verstanden haben, ihren Besitz zu beschraenken, haben niemals auch nur versucht, die arabische Halbinsel zu unterwerfen. Ihre wenigen Unternehmungen gegen den suedoestlichen Teil derselben, den produktenreichsten und wegen der Beziehung zu Indien auch fuer den Handel wichtigsten, werden bei der Eroerterung der aegyptischen Verkehrsverhaeltnisse ihre Darstellung finden. Das roemische Arabien umfasst schon als roemischer Klientelstaat und vor allem als roemische Provinz nur einen maessigen Teil vom Norden der Halbinsel, ausserdem aber das Land suedlich und oestlich von Palaestina zwischen diesem und der grossen Wueste bis ueber Bostra hinaus. Mit diesem betrachten wir die zu Syrien gehoerige Landschaft zwischen Bostra und Damaskos, die jetzt nach dem Haurangebirge benannt zu werden pflegt, nach der alten Bezeichnung Trachonitis und Batanaea.
Diese ausgedehnten Gebiete sind fuer die Zivilisation nur unter besonderen Verhaeltnissen zu gewinnen. Das eigentliche Steppenland (Hamad) oestlich von der Gegend, mit der wir uns hier beschaeftigen, bis zum Euphrat ist nie von den Roemern in Besitz genommen worden und aller Kultur unfaehig; nur die schweifenden Wuestenstaemme, wie heute zum Beispiel die Aneze, durchziehen dasselbe, um ihre Rosse und ihre Kamele im Winter am Euphrat, im Sommer in den Gebirgen suedlich von Bostra zu weiden und oft mehrmals im Jahre die Trift zu wechseln. Schon auf einem hoeheren Grade der Kultur stehen westwaerts der Steppe die sesshaften Hirtenstaemme, die namentlich Schafzucht in grosser Ausdehnung betreiben. Aber auch fuer den Ackerbau ist in diesen Strecken vielfach Raum. Die rote Erde des Hauran, zersetzte Lava, erzeugt im Urzustand viel wilden Roggen, wilde Gerste und wilden Hafer und bestellt den schoensten Weizen. Einzelne Tieftaeler mitten zwischen den Steinwuesten, wie das “Saatfeld”, die Ruhbe, in der Trachonitis, sind die fruchtbarsten Strecken in ganz Syrien; ohne dass gepfluegt, geschweige denn geduengt wird, traegt der Weizen durchschnittlich achtzig-, die Gerste hundertfaeltig und 26 Halme von einem Weizenkorn sind keine Seltenheit. Dennoch bildet sich hier kein fester Wohnsitz, da in den Sommermonaten die grosse Hitze und der Mangel an Wasser und Weide die Bewohner zwingt, nach den Gebirgsweiden des Hauran zu wandern. Aber auch an Gelegenheit zu fester Ansiedelung fehlt es nicht. Das von dem Baradafluss in vielfachen Armen durchstroemte Gartenrevier um die Stadt Damaskos und die fruchtbaren, noch heute volkreichen Bezirke, die dasselbe nach Osten, Norden und Sueden einschliessen, waren in alter wie in neuer Zeit die Perle Syriens. Die Ebene um Bostra, namentlich westlich davon die sogenannte Nukra, ist heute fuer Syrien die Kornkammer, obgleich durch Regenmangel durchschnittlich jede vierte Ernte verlorengeht und die aus der nahen Wueste oftmals einbrechenden Heuschrecken eine unvertilgbare Landplage bleiben. Wo immer die Wasserlaeufe der Gebirge in die Ebene gefuehrt werden, blueht unter ihnen das frische Leben auf. “Die Fruchtbarkeit dieser Landschaft”, sagt ein genauer Kenner, “ist unerschoepflich; und noch heutigentags, wo die Nomaden dort weder Baum noch Strauch uebrig gelassen haben, gleicht das Land, so weit das Auge reicht, einem Garten.” Auch auf den Lavaplateaus der gebirgigen Strecken haben die Lavastroeme nicht wenige Stellen (Ka’ im Auran genannt) fuer den Anbau freigelassen. Diese Naturbeschaffenheit hat regelmaessig die Landschaft den Hirten und den Raeubern ueberliefert. Die notwendige Unstetigkeit eines grossen Teils der Bevoelkerung fuehrt zu ewigen Fehden namentlich um die Weideplaetze und zu stetigen Ueberfaellen derjenigen Gegenden, die sich fuer feste Ansiedlung eignen; mehr noch als anderswo bedarf es hier der Bildung solcher staatlicher Gewalten, die imstande sind, in weiterem Umfange Ruhe und Frieden zu schaffen, und fuer diese fehlt in der Bevoelkerung die rechte Unterlage. Es gibt in der weiten Welt kaum eine Landschaft, wo gleich wie in dieser die Zivilisation nicht aus sich selbst erwachsen, sondern allein durch uebermaechtige Eroberung von aussen her ins Leben gerufen werden kann. Wenn Militaerstationen die schweifenden Staemme der Wueste eindaemmen und diejenigen innerhalb der Kulturgrenze zum friedlichen Hirtenleben zwingen, wenn in die kulturfaehigen Gegenden Kolonisten gefuehrt und die Wasser der Berge von Menschenhand in die Ebene geleitet werden, so, aber auch nur so, gedeiht hier froehliches und reichliches Leben.
Die vorroemische Zeit hatte diesen Landschaften solchen Segen nicht gebracht. Die Bewohner des gesamten Gebiets gehoeren bis gegen Damaskos hin zu dem arabischen Zweig des grossen semitischen Stammes; die Personennamen wenigstens sind durchgaengig arabisch. Es begegneten sich in demselben, wie in dem noerdlichen Syrien, orientalische und okzidentalische Zivilisation; doch hatten bis zu der Kaiserzeit beide nur geringe Fortschritte gemacht. Die Sprache und die Schrift, deren die Nabataeer sich bedienen, sind die Syriens und der Euphratlaender und koennen nur von dort her den Eingeborenen zugekommen sein. Andererseits erstreckte die griechische Festsetzung in Syrien sich zum Teil wenigstens auch auf diese Landschaften. Die grosse Handelsstadt Damaskos war mit dem uebrigen Syrien griechisch geworden. Auch in das transjordanische Gebiet, insbesondere in die noerdliche Dekapolis hatten die Seleukiden die griechische Staedtegruendung getragen; weiter suedlich war hier wenigstens das alte Rabbath Ammon durch die Lagiden die Stadt Philadelpheia geworden. Aber weiter abwaerts und in den oestlichen, an die Wueste grenzenden Strichen hatten die nabataeischen Koenige nicht viel mehr als dem Namen nach den syrischen oder den aegyptischen Alexandriden gehorcht, und Muenzen oder Inschriften und Bauwerke, welche dem vorroemischen Hellenismus beigelegt werden koennten, sind hier nirgends zum Vorschein gekommen.
Als Syrien roemisch ward, war Pompeius bemueht, das hellenische Staedtewesen, das er vorfand, zu festigen; wie denn die Staedte der Dekapolis spaeterhin von dem Jahre 690/1 (64/63), in dem Palaestina zum Reich gekommen war, ihre Jahre zaehlten ^22. Hauptsaechlich aber blieb in diesem Gebiet das Regiment wie die Zivilisierung den beiden Vasallenstaaten, dem juedischen und dem arabischen, ueberlassen.
—————————————————– ^22 Dass die Dekapolis und die Reorganisation des Pompeius wenigstens bis nach Kanata (Kerak) nordwestlich von Bostra reichte, steht durch die Zeugnisse der Schriftsteller und durch die nach der pompeianischen Aera datierten Muenzen fest (Waddington zu 2412 d). Wahrscheinlich gehoeren derselben Stadt die Muenzen mit dem Namen Gabeinia Kanatha und Daten derselben Aera (Reichard, Zeitschrift fuer Numismatik 7,1880, S. 53); es wuerde danach dieser Ort zu den zahlreichen von Gabinius restituierten gehoeren (Ios. ant. Iud. 14, 5, 3). Waddington freilich (zu 2329) gibt diese Muenzen, so weit er sie kannte, dem zweiten Ort dieses Namens, dem heutigen Kanawat, der eigentlichen Hauptstadt des Hauran, nordwaerts von Bostra; aber es ist wenig wahrscheinlich, dass Pompeius’ und Gabinius’ Organisation sich so weit ostwaerts erstreckt hat. Vermutlich ist diese zweite Stadt juenger und benannt nach der ersten, der oestlichsten der Dekapolis.
—————————————————– Von dem Koenig der Juden, Herodes und seinem Hause, wird anderweitig noch die Rede sein; hier haben wir seiner Taetigkeit zu gedenken fuer die Ausdehnung der Zivilisation gegen Osten. Sein Herrschaftsgebiet erstreckte sich ueber beide Ufer des Jordan in seiner ganzen Ausdehnung, nordwaerts bis wenigstens nach Chelbon, nordwestlich von Damaskos, suedlich bis an das Tote Meer, waehrend die Landschaft weiter oestlich zwischen seinem Reich und der Wueste dem Araberkoenig ueberwiesen war. Er und seine Nachkommen, die hier noch nach der Einziehung der Herrschaft von Jerusalem bis auf Traian das Regiment fuehrten und spaeterhin in Ceasarea Paneas im suedlichen Libanos residierten, waren energisch bemueht, die Eingeborenen zu zaehmen. Die aeltesten Zeugnisse einer gewissen Kultur in diesen Gegenden sind wohl die Hoehlenstaedte, von denen im Buch der Richter die Rede ist, grosse unterirdische, durch Luftloecher bewohnbar gemachte Samtverstecke mit Gassen und Brunnen, geeignet, Menschen und Herden zu bergen, schwer zu finden und auch gefunden schwer zu bezwingen. Ihr blosses Dasein zeigt die Vergewaltigung der friedlichen Bewohner durch die unsteten Soehne der Steppe. “Diese Striche”, sagt Josephus, wo er die Zustaende im Hauran unter Augustus schildert, “wurden bewohnt von wilden Staemmen ohne Staedte und ohne feste Aecker, welche mit ihren Herden unter der Erde in Hoehlen mit schmalem Eingang und weiten verschlungenen Gassen hausten, aber mit Wasser und Vorraeten reichlich versehen, schwer zu bezwingen waren.” Einzelne dieser Hoehlenstaedte fassen bis 400 Koepfe. Ein merkwuerdiges Edikt des ersten oder zweiten Agrippa, wovon sich Bruchstuecke in Kanatha (Kanawat) gefunden haben, fordert die Einwohner auf, von ihren “Tierzustaenden” zu lassen und das Hoehlenleben mit zivilisierter Existenz zu vertauschen. Die nicht ansaessigen Araber lebten hauptsaechlich vom Auspluendern teils der benachbarten Bauern, teils der durchziehenden Karawanen; die Unsicherheit wurde dadurch gesteigert, dass der kleine Fuerst Zenodoros von Abila nordwaerts Damaskos im Antilibanos, dem Augustus die Aufsicht ueber den Trachon uebertragen hatte, es vorzog, mit den Raeubern gemeinschaftliche Sache zu machen, und sich an ihrem Gewinn im stillen beteiligte. Eben infolgedessen wies der Kaiser dies Gebiet dem Herodes zu, und dessen ruecksichtsloser Energie gelang einigermassen die Baendigung dieser Raeuberwirtschaft. Der Koenig scheint an der Ostgrenze eine Linie befestigter und koeniglichen Kommandanten (eparchoi) unterstellter Militaerposten eingerichtet zu haben. Er haette noch mehr erreicht, wenn das nabataeische Gebiet den Raeubern nicht eine Freistatt geboten haette; es war dies eine der Ursachen der Entzweiung zwischen ihm und seinem arabischen Kollegen ^23. Die hellenisierende Tendenz tritt auf diesem Gebiete ebenso stark und minder unerfreulich hervor wie in seinem Regiment in der Heimat. Wie alle Muenzen des Herodes und der Herodeer griechisch sind, so traegt im transjordanischen Land zwar das aelteste Denkmal mit Inschrift, das wir kennen, der Tempel des Baalsamin bei Kanatha, eine aramaeische Dedikation; aber die dort aufgestellten Ehrenbasen, darunter eine fuer Herodes den Grossen ^24, sind zweisprachig oder bloss griechisch; unter seinen Nachfolgern herrscht das Griechische allein. —————————————– ^23 Die “fluechtigen Leute aus der Tetrarchie des Philippos”, welche im Heer des Tetrarchen von Galilaea Herodes Antipas dienen und in der Schlacht gegen den Araber Aretas zum Feinde uebergehen (Ios. ant. Iud. 18, 5, 1), sind ohne Zweifel auch aus der Trachonitis ausgetriebene Araber. ^24 Waddington 2366 = Vogue, Inscriptions du Haouran, n. 3. Zweisprachig ist auch die aelteste Grabschrift dieser Gegend aus Suweda, Waddington 2320 = Vogue n. 1, die einzige im Hauran, die das stumme Jota ausdrueckt. Die Aufschriften sind auf beiden Denkmaelern so angebracht, dass nicht zu bestimmen ist, welche Sprache voransteht.
—————————————– Neben dem juedischen stand der schon frueher erwaehnte “Koenig von Nabat”, wie er selber sich nennt. Die Residenz dieser Araberfuersten war die “Felsenstadt”, aramaeisch Sela, griechisch Petra, eine mittwegs zwischen dem Toten Meere und der nordoestlichen Spitze des Arabischen Meerbusens gelegene Felsenburg, von jeher ein Stapelplatz fuer den Verkehr Indiens und Arabiens mit dem Mittelmeergebiet. Von der arabischen Halbinsel besassen diese Herrscher die noerdliche Haelfte; ihre Gewalt erstreckte sich am Arabischen Meerbusen bis nach Leuke Kome gegenueber der aegyptischen Stadt Berenike, im Binnenland wenigstens bis in die Gegend des alten Thaema ^25. Noerdlich von der Halbinsel reichte ihr Gebiet bis nach Damaskos, das unter ihrem Schutze stand ^26, und selbst ueber Damaskos hinaus ^27 und umschloss wie mit einem Guertel das gesamte palaestinensische Syrien. Nach der Besitznahme Judaeas stiessen die Roemer feindlich mit ihnen zusammen, und Marcus Scaurus fuehrte eine Expedition gegen Petra. Damals ist es nicht zu ihrer Unterwerfung gekommen; aber bald nachher muss dieselbe erfolgt sein ^28. Unter Augustus ist ihr Koenig Obodas ebenso reichsuntertaenig ^29 wie der Judenkoenig Herodes und leistet gleich diesem Heerfolge bei der roemischen Expedition gegen das suedliche Arabien. Seit jener Zeit muss der Schutz der Reichsgrenze im Sueden wie im Osten von Syrien bis hinauf nach Damaskos zunaechst in der Hand dieses Araberkoenigs gelegen haben. Mit dem juedischen Nachbarn lag er in bestaendiger Fehde. Augustus, erzuernt darueber, dass der Araber statt bei dem Lehnsherrn gegen Herodes Recht zu suchen, diesem mit den Waffen entgegengetreten war und dass des Obodas Sohn Harethath oder griechisch Aretas nach dem Tode des Vaters, statt die Belehnung abzuwarten, ohne weiteres die Herrschaft angetreten hatte, war im Begriff, diesen abzusetzen und sein Gebiet mit dem juedischen zu vereinigen; aber das Missregiment des Herodes in seinen spaeteren Jahren hielt ihn davon zurueck, und so wurde (um 747 7) Aretas bestaetigt. Einige Dezennien spaeter begann derselbe wieder auf eigene Hand Krieg gegen seinen Schwiegersohn, den Fuersten von Galilaea, Herodes Antipas, wegen der Verstossung seiner Tochter zu Gunsten der schoenen Herodias. Er behielt die Oberhand, aber der erzuernte Lehnsherr Tiberius befahl dem Statthalter von Syrien die Exekution gegen ihn. Schon waren die Truppen auf dem Marsche, als Tiberius starb (37); und sein Nachfolger Gaius, der dem Antipas nicht wohl wollte, verzieh dem Araber. Des Aretas Nachfolger Koenig Maliku oder Malchos focht unter Nero und Vespasian in dem Juedischen Krieg als roemischer Vasall und vererbte die Herrschaft auf seinen Sohn Rabel, den Zeitgenossen Traians, den letzten dieser Regenten. Namentlich nach der Einziehung des Staates von Jerusalem und der Reduzierung der ansehnlichen Herrschaft des Herodes auf das wenig schlagfertige Koenigreich von Caesarea Paneas war unter den syrischen Klientelstaaten der arabische der ansehnlichste, wie er denn auch zu dem Jerusalem belagernden Roemerheere unter den koeniglichen das staerkste Kontingent stellte. Des Gebrauchs der griechischen Sprache hat dieser Staat sich auch unter roemischer Oberhoheit enthalten; die unter der Herrschaft seiner Koenige geschlagenen Muenzen tragen, von Damaskos abgesehen, nur aramaeische Aufschrift. Aber es zeigen sich die Anfaenge geordneter Zustaende und zivilisierten Regiments. Die Praegung selbst hat wahrscheinlich erst begonnen, nachdem der Staat unter roemische Klientel gekommen war. Der arabisch-indische Verkehr mit dem Mittelmeergebiet bewegt sich zum grossen Teil auf der von Leuke Kome ueber Petra nach Gaza laufenden, von den Roemern ueberwachten Karawanenstrasse ^30. Die Fuersten des Nabataeerreiches bedienen sich, aehnlich wie die Gemeinde Palmyra, fuer die Beamten griechischer Aemterbezeichnungen, wie zum Beispiel des Eparchen- und des Strategentitels. Wenn unter Tiberius die durch die Roemer bewirkte gute Ordnung Syriens und die durch die militaerische Besetzung herbeigefuehrte Sicherheit der Ernten ruehmend hervorgehoben wird, so ist dies zunaechst zu beziehen auf die in den Klientelstaaten von Jerusalem oder nachher von Caesarea Paneas und von Petra getroffenen Einrichtungen.
—————————————– ^25 Bei Medain Salih oder Hidjr, suedlich von Teima, dem alten Thaema, sind kuerzlich von den Reisenden Doughty und Huber eine Reihe nabataeischer Inschriften aufgefunden worden, die, grossenteils datiert, von der Zeit des Augustus bis zum Tode Vespasians reichen. Lateinische Inschriften fehlen, und die wenigen griechischen sind spaetester Zeit; allem Anschein nach ist bei der Umwandlung des Nabataeischen Reiches in eine roemische Provinz, was von dem inneren Arabien zu jenem gehoerte, von den Roemern aufgegeben worden. ^26 Die Stadt Damaskos unterwarf sich freiwillig unter den letzten Seleukiden um die Zeit der Diktatur Sullas dem damaligen Koenig der Nabataeer, vermutlich dem Aretas mit dem Scaurus schlug (Ios. ant. Iud. 13, 15). Auch die Muenzen mit der Aufschrift basile?s Aretoy philell/e/nos; (Eckhel 3, 330; Luynes, Revue numismatique N. S. 3, 1858, S. 311) sind vielleicht in Damaskos geschlagen, als dies von den Nabataeern abhaengig war; die Jahreszahl auf einer derselben ist zwar nicht mit Sicherheit bezogen, fuehrt aber vermutlich in die letzte Zeit der roemischen Republik. Wahrscheinlich hat diese Abhaengigkeit der Stadt von den nabataeischen Koenigen fortbestanden, solange es ueberhaupt solche gab. Daraus, dass die Stadt Muenzen mit den Koepfen der roemischen Kaiser gepraegt hat, folgt wohl die Abhaengigkeit von Rom und daneben die Selbstverwaltung, aber nicht die Unabhaengigkeit von dem roemischen Lehnsfuersten; die derartigen Schutzverhaeltnisse sind so mannigfaltig gestaltet dass diese Ordnungen wohl sich miteinander vertragen konnten. Fuer die Fortdauer des Nabataeerregiments spricht teils, dass der Ethnarch des Koenigs Aretas in Damaskos den Apostel Paulus, wie dieser im 2. Brief an die Korinther (11, 32) schreibt, verhaften lassen wollte, teils die seit kurzem festgestellte Tatsache (Anm. 27), dass die Herrschaft der Nabataeer nordoestlich von Damaskos noch unter Traian fortdauerte.
Indem man umgekehrt davon ausging, dass, wenn Aretas in Damaskos herrscht, die Stadt nicht roemisch sein kann hat man auf verschiedenen Wegen versucht, jenen Vorgang im Leben des Paulus chronologisch zu fixieren. Man hat an die Verwicklung zwischen Aretas und der roemischen Regierung in den letzten Jahren des Tiberius gedacht; aber wie diese verlief, ist es nicht wahrscheinlich, dass sie in dem Besitzstand des Aretas eine dauernde Veraenderung herbeigefuehrt hat. Melchior de Vogue (Melanges d’archeologie orientale. Paris 1869, S. 33) hat darauf hingewiesen dass zwischen Tiberius und Nero – genauer zwischen den Jahren 33 und 62 (F. C. Saulcy, Numismatique de la Terre-Sainte. Paris 1874, S. 36) – Kaisermuenzen von Damaskos fehlen und das Regiment der Nabataeer daselbst in diese Zwischenzeit gesetzt, indem er annahm, dass Kaiser Gaius wie so vielen anderen Lehnsfuersten, auch dem Araber seine Huld erwiesen und ihn mit Damaskos belehnt habe. Aber derartige Unterbrechungen der Praegung treten haeufig auf und fordern keine so tiefgreifende Erklaerung. Man wird wohl darauf verzichten muessen, an dem Schalten des Nabataeerkoenigs in Damaskos fuer die Lebensgeschichte des Paulus einen chronologischen Haltpunkt zu finden und ueberhaupt Paulus Aufenthalt in dieser Stadt der Zeit nach zu definieren. Wenn der auf jeden Fall stark verschobenen Darstellung des Vorgangs in der Apostelgeschichte 9 insoweit zu trauen ist, ging Paulus nach Damaskos vor der Bekehrung, um die Christenverfolgung, in welcher Stephanos umgekommen war, dort fortzusetzen, und beschlossen dann, als er bekehrt in Damaskos vielmehr fuer die Christen eintrat die dortigen Juden ihn umzubringen, wobei also vorausgesetzt werden muss, dass der Beamte des Aretas, aehnlich wie Pilatus, der Ketzer- Verfolgung der Juden Raum gab. Aus den zuverlaessigen Angaben des Galaterbriefes folgt ferner, dass die Bekehrung bei Damaskos stattfand (denn dies zeigt das ypestrepsa) und Paulus von da nach Arabien ging; ferner dass er drei Jahre nach der Bekehrung zum ersten und siebzehn Jahre nach derselben zum zweiten Mal nach Jerusalem kam, wonach die apokryphen Berichte der Apostelgeschichte ueber seine Jerusalemreisen zu berichtigen sind (E. Zeller, Die Apostelgeschichte kritisch untersucht. Stuttgart 1854, S. 216). Aber weder ist die Zeit des Todes des Stephanos genau bestimmbar, noch viel weniger der Zeitraum zwischen diesem und der Flucht des bekehrten Paulus aus Damaskos, noch die Zwischenzeit zwischen seiner zweiten Reise nach Jerusalem und der Abfassung des Galaterbriefes, noch das Jahr der Abfassung desselben selbst. ^27 Die kuerzlich bei Dmer, nordoestlich von Damaskos auf der Strasse nach Palmyra, gefundene nabataeische Inschrift (Sachau, ZDMG 38, 1884 S. 535), datiert aus dem Monat Ijjar des Jahres 405 nach roemischer (d. h. seleukidischer) Zaehlung und dem 24. Jahr des Koenigs Rabel, des letzten nabataeischen, also aus dem Mai 94 n. Chr., hat gezeigt, dass dieser Distrikt bis auf die Einziehung dieses Reiches unter der Herrschaft der Nabataeer geblieben ist. Uebrigens scheinen die Herrschaftsgebiete hier geographisch durcheinander gewuerfelt gewesen zu sein; so stritten um das Gebiet von Gamala am See Genezareth der Tetrarch von Galilaea und der Nabataeerkoenig (Ios. ant. Iud. 18, 5, 1).
^28 Vielleicht durch Gabinius (App. Syr. 51). ^29 Strab. 16, 4, 21 p. 779. Die Muenzen dieser Koenige zeigen indes den Kaiserkopf nicht. Aber dass im Nabataeischen Reiche nach roemischen Kaiserjahren datiert werden konnte, beweist die nabataeische Inschrift von Hebraen (M. de Vogue, l’Architecture civile et religieuse dans la Syrie centrale. 2 Bde. Paris 1865-77. Inscr. n. 1), datiert vom 7. Jahr des Claudius, also vom Jahre 47. Hebran, wenig noerdlich von Bostra, scheint auch spaeter zu Arabien gerechnet worden zu sein (Lebas-Waddington 2287), und nabataeische Inschriften oeffentlichen Inhalts begegnen ausserhalb des Nabataeerstaats nicht; die wenigen der Art aus der Trachonitis sind privater Natur. ^30 “Leuke Kome im Lande der Nabataeer”, sagt Strabon unter Tiberius (16, 4, 23 p. 780), “ist ein grosser Handelsplatz, wohin und von wo die Karawanenhaendler (kam/e/lemporoi) mit so zahlreichen Leuten und Kamelen sicher und bequem von und nach Petra gehen, dass sie in nichts von Heerlagern sich unterscheiden.” Auch der unter Vespasian schreibende aegyptische Kaufmann erwaehnt in seiner Kuestenbeschreibung des Roten Meeres c. 19 “den Hafen und die Festung (phro?rion) Leuke Kome von wo der Weg nach Petra fuehrt zum Koenig der Nabataeer Malichas. Er kann als Handelsplatz gelten fuer die auf nicht eben grossen Schiffen dorthin aus Arabien verschifften Waren. Darum wird dorthin ein Einnehmer geschickt (apostelletai) des Eingangszolls von einem Viertel des Wertes und der Sicherheit wegen ein Centurio (ekatontarch/e/s) mit Mannschaft.” Da ein roemischer Reichsangehoeriger hier des Schickens von Beamten und Soldaten erwaehnt, so koennen dies nur roemische sein; auch passt fuer das Heer des Nabataeerkoenigs der Centurio nicht und ist die Steuerreform ganz die roemische. Dass ein Klientelstaat in das Gebiet der Reichssteuer eingezogen wird, kommt auch sonst, zum Beispiel in den Alpengegenden vor. Die Strasse von Petra nach Gaza erwaehnt Plinius nat. 6, 28, 144.
—————————————– Unter Traianus trat an die Stelle dieser beiden Klientelstaaten die unmittelbare roemische Herrschaft. Im Anfang seiner Regierung starb Koenig Agrippa II., und es wurde sein Gebiet mit der Provinz Syrien vereinigt. Nicht lange darauf, im Jahre 106, loeste der Statthalter Aulus Cornelius Palma das bisherige Reich der Koenige von Nabat auf und machte aus dem groesseren Teil desselben die roemische Provinz Arabia, waehrend Damaskos zu Syrien kam und was der Nabataeerkoenig im Binnenland Arabiens besessen hatte, von den Roemern aufgegeben ward. Die Einrichtung Arabiens wird als Unterwerfung bezeichnet, und auch die Muenzen, welche die Besitzergreifung von Arabien feiern, sprechen dafuer, dass die Nabataeer sich zur Wehr setzten, wie denn ueberhaupt die Beschaffenheit ihres Gebiets sowie ihr bisheriges Verhalten eine relative Selbstaendigkeit dieser Fuersten annehmen lassen. Aber nicht in dem Kriegserfolg darf die geschichtliche Bedeutung dieser Vorgaenge gesucht werden; die beiden ohne Zweifel zusammengehoerigen Einziehungen waren nicht mehr als vielleicht mit militaerischer Gewalt durchgefuehrte Verwaltungsakte, und die Tendenz, diese Gebiete der Zivilisation und speziell dem Hellenismus zu gewinnen, wird dadurch nur gesteigert, dass die roemische Regierung die Arbeit selbst auf sich nimmt. Der Hellenismus des Orients, wie ihn Alexander zusammengefasst hat, war eine streitende Kirche, eine politisch, religioes, wirtschaftlich, literarisch vordringende, durchaus erobernde Macht. Hier an dem Saum der Wueste, unter dem Druck des antihellenischen Judentums und gehandhabt von dem geistlosen und unsteten Seleukidenregiment, hatte er bisher wenig ausgerichtet. Aber jetzt das Roemertum durchdringend, entwickelt er eine treibende Kraft, welche sich zu der frueheren verhaelt wie die Macht der juedischen und der arabischen Lehnsfuersten zu derjenigen des Roemischen Reiches. In diesem Lande, wo alles darauf ankam und ankommt, durch Aufstellung einer ueberlegenen und staendigen Militaermacht den Friedensstand zu schirmen, war die Einrichtung eines Legionslagers in Bostra unter einem Kommandanten senatorischen Ranges ein epochemachendes Ereignis. Von diesem Mittelpunkt aus wurden an den zweckmaessigen Stellen die erforderlichen Posten eingerichtet und mit Besatzung versehen. Beispielsweise verdient Erwaehnung das Kastell -von Namara (Nemara), einen starken Tagemarsch jenseits der Grenzen des eigentlich bewohnbaren Berglandes, inmitten der Steinwueste, aber gebietend ueber den einzigen, innerhalb derselben befindlichen Brunnen und die daran sich anschliessenden bei der schon erwaehnten Oase von Ruhbe und weiterhin am Djebel Ses; diese Besatzungen zusammen beherrschen das gesamte Vorland des Hauran. Eine andere Reihe von Kastellen, dem syrischen Kommando und zunaechst dem der bei Danava postierten Legion unterstellt und in gleichmaessigen Distanzen von drei zu drei Stunden angelegt, sicherte die Strasse von Damaskos nach Palmyra; das am besten bekannte davon, das zweite in der Reihe, ist das von Dmer, ein laengeres Viereck von je 300 und 350 Schritt, auf jeder Seite mit sechs Tuermen und einem fuenfzehn Schritte breiten Portal versehen und umfasst von einer einstmals aussen mit schoenen Quadern bekleideten Ringmauer von sechzehn Fuss Dicke.
Niemals war eine solche Aegide ueber dieses Land gebreitet worden. Es wurde nicht eigentlich denationalisiert. Die arabischen Namen bleiben bis in die spaeteste Zeit hinab, wenngleich nicht selten, eben wie in Syrien, dem oertlichen ein roemisch-hellenischer beigefuegt wird: so nennt sich ein Scheich “Adrianos oder Soaidos, Sohn des Malechos” ^31. Auch der einheimische Kultus bleibt unangetastet: die Hauptgottheit der Nabataeer, der Dusaris, wird wohl mit dem Dionysos geglichen, aber regelmaessig unter seinem oertlichen Namen auch ferner verehrt, und bis in spaete Zeit feiern die Bostrener zu seinen Ehren die Dusarien ^32. In gleicher Weise werden in der Provinz Arabia dem Aumu oder dem Helios, dem Vasaeathu, dem Theandritos, dem Ethaos auch ferner Tempel geweiht und Opfer dargebracht. Die Staemme und die Stammordnung bleiben nicht minder: die Inschriften nennen Reihen von “Phylen” einheimischen Namens und oefter Phylarchen oder Ethnarchen. Aber neben der hergebrachten Weise schreitet die Zivilisierung und die Hellenisierung vorwaerts. Wenn aus vortraianischer Zeit im Bereich des Nabataeerstaats kein griechisches Denkmal nachgewiesen werden kann, so ist umgekehrt daselbst kein nachtraianisches in der Landessprache gefunden worden ^33; allem Anschein nach hat die Reichsregierung den Schriftgebrauch des Aramaeischen gleich bei der Einziehung unterdrueckt, obwohl dasselbe sicher die eigentliche Landessprache blieb, wie dies ausser den Eigennamen auch der “Dolmetsch der Steuereinnehmer” bezeugt. ———————————————————— ^31 Waddington 2196: Adriano? to? kai Soaidoy Malechoy ethnarchoy strat/e/go? nomad/o/n to mn/e/mion.
^32 Epiphanius (haeres. 51 p. 483 Dind.) fuehrt aus, dass der 25. Dezember, der Geburtstag Christi, schon in Rom in dem Saturnalienfest, in Alexandreia in dem (auch im Dekret von Kanopos erwaehnten) Fest der Kikellia und in anderen heidnischen Kulturen in analoger Art festlich begangen worden sei. “Dies geschieht in Alexandreia in dem sogenannten Jungfrauenheiligtum (Korion) . .. und wenn man die Leute fragt, was dies Mysterium bedeute, so antworten und sagen sie, dass heute in dieser Stunde die Jungfrau den Ewigen (ton ai/o/na) geboren habe. Dies geschieht in gleicher Weise in Petra, der Hauptstadt von Arabia, in dem dortigen Tempel, und in arabischer Sprache besingen sie die Jungfrau, welche sie auf arabisch Chaamu nennen, das heisst das Maedchen, und den aus ihr Geborenen Dusares, das heisst den Eingeborenen des Herrn.” Der Name Chaamu ist vielleicht verwandt mit dem Aumu oder Aumos der griechischen Inschriften dieser Gegend, der mit Ye?s anik/e/tos /E/lios geglichen wird (Waddington 2392-2395, 2441, 2455, 2456).
^33 Dabei ist abgesehen von der merkwuerdigen, in Harran unweit Zorava gefundenen arabisch-griechischen Inschrift (man beachte die Folge) vom Jahre 568 n. Chr., gesetzt von dem Phylarchen Asaraelos, Sohn des Talemos (Waddington 2464). Dieser Christ ist ein Vorlaeufer Mohammeds. ———————————————————— Ueber die Hebung des Ackerbaues fehlen uns redende Zeugen; aber wenn auf der ganzen oestlichen und suedlichen Abdachung des Hauran von den Spitzen des Gebirges bis zur Wueste hin die Steine, mit denen diese vulkanische Ebene einst besaet war, zu Haufen geworfen oder in langen Zeilen geschichtet und so die herrlichsten Aecker gewonnen sind, so darf man darin die Hand der einzigen Regierung erkennen, die dieses Land so regiert hat, wie es regiert werden kann und regiert werden sollte. In der Ledja, einem dreizehn Stunden langen und acht bis neun breiten Lavaplateau, das jetzt fast menschenleer ist, wuchsen einst Reben und Feigen zwischen den Lavastroemen; quer durch dasselbe fuehrt die Bostra mit Damaskos verbindende Roemerstrasse; in der Ledja und um sie zaehlt man die Ruinen von 12 groesseren und 39 kleineren Ortschaften. Erweislich ist auf Geheiss desselben Statthalters, der die Provinz Arabia eingerichtet hat, der maechtige Aquaedukt angelegt worden, welcher das Wasser vom Gebirge des Hauran nach Kanatha (Kerak) in der Ebene fuehrte, und nicht weit davon ein aehnlicher in Arrha (Raha), Bauten Traians, die neben dem Hafen von Ostia und dem Forum von Rom genannt werden duerfen. Fuer das Aufbluehen des Handelsverkehrs spricht die Wahl selbst der Hauptstadt der neuen Provinz. Bostra bestand unter der nabataeischen Regierung und es hat sich dort eine Inschrift des Koenigs Malichu gefunden; aber seine militaerische und kommerzielle Bedeutung beginnt mit dem Eintritt des unmittelbaren roemischen Regiments. “Bostra”, sagt Wetzstein, “hat unter allen ostsyrischen Staedten die guenstigste Lage; selbst Damaskos, welches seine Groesse der Menge seines Wassers und seiner durch den oestlichen Trachon geschuetzten Lage verdankt, wird Bostra nur unter einer schwachen Regierung ueberstrahlen, waehrend letzteres unter einem starken und weisen Regiment sich in wenigen Jahrzehnten zu einer maerchenhaften Bluete emporschwingen muss. Es ist der grosse Markt fuer die syrische Wueste, das arabische Hochgebirge und die Peraea, und seine langen Reihen steinerner Buden legen noch jetzt in der Veroedung Zeugnis ab von der Realitaet einer frueheren und der Moeglichkeit einer kuenftigen Groesse.” Die Reste der von dort ueber Salchat und Ezrak zum Persischen Meerbusen fuehrenden roemischen Strasse beweisen, dass Bostra neben Petra und Palmyra den Verkehr vom Osten zum Mittelmeer vermittelte. Diese Stadt hat wahrscheinlich schon Traian hellenisch konstituiert; wenigstens heisst sie seitdem “das neue traianische Bostra”, und die griechischen Muenzen beginnen mit Plus, waehrend spaeter infolge der Erteilung des Kolonialrechts durch Alexander die Aufschrift lateinisch wird.
Auch Petra hat schon unter Hadrian griechische Stadtverfassung gehabt und noch einzelne andere Ortschaften spaeterhin Stadtrecht empfangen; ueberwogen aber hat in diesem Arabergebiet bis in die spaeteste Zeit der Stamm und das Stammdorf.
Aus der Mischung nationaler und griechischer Elemente entwickelte sich in diesen Landschaften in dem halben Jahrtausend zwischen Traian und Mohammed eine eigenartige Zivilisation. Es ist uns davon ein volleres Abbild erhalten als von anderen Gestaltungen der antiken Welt, indem die zum grossen Teil aus dem Felsen herausgearbeiteten Anlagen von Petra und die bei dem Mangel des Holzes ganz aus Stein aufgefuehrten Bauwerke im Hauran, verhaeltnismaessig wenig beschaedigt durch die mit dem Islam hier wieder in ihr altes Unrecht eingesetzte Beduinenherrschaft, zu einem betraechtlichen Teil noch heute vorhanden sind und auf die Kunstfertigkeit und Lebensweise jener Jahrhunderte helles Licht werfen. Der oben erwaehnte Tempel des Baalsamin von Kanatha, sicher unter Herodes gebaut, zeigt in seinen urspruenglichen Teilen eine voellige Verschiedenheit von der griechischen Architektur und in der architektonischen Anlage merkwuerdige Analogien mit dem Tempelbau desselben Koenigs in Jerusalem, waehrend die bei diesem vermiedenen bildlichen Darstellungen hier keineswegs fehlen. Aehnliches ist auch bei den in Petra gefundenen Denkmaelern beobachtet worden. Spaeter ging man weiter. Wenn unter den juedischen und den nabataeischen Herrschern die Kultur nur langsam sich von den Einfluessen des Orients loeste, so scheint mit der Verlegung der Legion nach Bostra hier eine neue Zeit begonnen zu haben. “Das Bauen”, sagt ein vortrefflicher franzoesischer Beobachter, Melchior de Vogue, “erhielt damit einen Anstoss, der nicht wieder zum Stillstand kam. Ueberall erhoben sich Haeuser, Palaeste, Baeder, Tempel, Theater, Aquaedukte, Triumphbogen; Staedte stiegen aus dem Boden binnen weniger Jahre mit der regelmaessigen Anlage, den symmetrisch gefuehrten Saeulenreihen, die die Staedte ohne Vergangenheit bezeichnen und fuer diesen Teil Syriens waehrend der Kaiserzeit gleichsam die unvermeidliche Uniform sind.” Die oestliche und suedliche Abdachung des Hauran weist ungefaehr dreihundert derartige veroedete Staedte und Doerfer auf, waehrend dort jetzt nur fuenf neue Ortschaften vorhanden sind; einzelne von jenen, zum Beispiel Busan, zaehlen bis 800 ein- bis zweistoeckige Haeuser, durchaus aus Basalt gebaut, mit wohlgefuegten, ohne Zement verbundenen Quadermauern, meist ornamentierten, oft auch mit Inschriften versehenen Tueren, die flache Decke gebildet durch Steinbalken, welche von Steinbogen getragen und oben durch eine Zementlage regenfrei gestellt werden. Die Stadtmauer wird gewoehnlich nur durch die zusammengeschlossenen Rueckseiten der Haeuser gebildet und ist durch zahlreiche Tuerme geschuetzt. Die duerftigen Rekolonisierungsversuche der neuesten Zeiten finden die Haeuser bewohnbar vor; es fehlt nur die fleissige Menschenhand oder vielmehr der starke Arm, der sie beschuetzt. Vor den Toren liegen die oft unterirdischen oder mit kuenstlichem Steindach versehenen Zisternen, von denen manche noch heute, wo diese Staedtewueste zum Weideland geworden ist, von den Beduinen im Stande gehalten werden, um daraus im Sommer ihre Herden zu traenken. Die Bauweise und die Kunstuebung haben wohl einzelne Ueberreste der aelteren orientalischen Weise bewahrt, zum Beispiel die haeufige Grabform des mit einer Pyramide gekroenten Wuerfels, vielleicht auch die oft dem Grabmal beigefuegten, noch heute in ganz Syrien haeufigen Taubentuerme, ist aber, im ganzen genommen, die gewoehnliche griechische der Kaiserzeit. Nur hat das Fehlen des Holzes hier eine Entwicklung des Steinbogens und der Kuppel hervorgerufen, die technisch wie kuenstlerisch diesen Bauten einen originellen Charakter verleiht. Im Gegensatz zu der anderswo ueblichen gewohnheitsmaessigen Wiederholung der ueberlieferten Formen herrscht hier eine den Beduerfnissen und den Bedingungen selbstaendig genuegende, in der Ornamentik masshaltende, durchaus gesunde und rationelle und auch der Eleganz nicht entbehrende Architektur. Die Grabstaetten, welche in die oestlich und westlich von Petra aufsteigenden Felswaende und in deren Seitentaeler eingebrochen sind, mit ihren oft in mehreren Reihen uebereinandergestellten dorischen oder korinthischen Saeulenfassaden und ihren an das aegyptische Theben erinnernden Pyramiden und Propylaeen sind nicht kuenstlerisch erfreulich, aber imponierend durch Masse und Reichtum. Nur ein reges Leben und ein hoher Wohlstand hat also fuer seine Toten zu sorgen vermocht. Diesen architektonischen Denkmaelern gegenueber befremdet es nicht, wenn die Inschriften eines Theaters in dem “Dorf” (k/o/m/e/) Sakkaea, eines “theaterfoermigen Odeons” in Kanatha Erwaehnung tun und ein Lokalpoet von Namara in der Batanaea sich selber feiert als den “Meister der herrlichen Kunst stolzen ausonischen Lieds” ^34. Also ward an dieser Ostgrenze des Reiches der hellenischen Zivilisation ein Grenzgebiet gewonnen, das mit dem romanisierten Rheinland zusammengestellt werden darf; die Bogen- und Kuppelbauten Ostsyriens halten wohl den Vergleich aus mit den Schloessern und Grabmaelern der Edlen und der Kaufherren der Belgica. —————————————————– ^34 Aysoni/o/n mo?s/e/s ypsinooy pr?tanis. G. Kaibel, Epigrammata Graeca. Berlin 1878, 440.
—————————————————– Aber es kam das Ende. Von den aus dem Sueden hierher einwandernden Araberstaemmen schweigt die geschichtliche Ueberlieferung der Roemer, und was die spaeten Aufzeichnungen der Araber ueber die der Ghassaniden und deren Vorlaeufer berichten, ist wenigstens chronologisch kaum zu fixieren ^35. Aber die Sabaeer, nach denen der Ort Borechath (Breka noerdlich von Kanawat) genannt wird, scheinen in der Tat suedarabische Auswanderer zu sein; und diese sassen hier bereits im 3. Jahrhundert. Sie und ihre Genossen moegen in Frieden gekommen und unter roemischer Aegide sesshaft geworden sein, vielleicht sogar die hochentwickelte und ueppige Kultur des suedwestlichen Arabien nach Syrien getragen haben. Solange das Reich fest zusammenhielt und jeder dieser Staemme unter seinem Scheich stand, gehorchten alle dem roemischen Oberherrn. Aber um den unter einem Koenig geeinigten Arabern oder, wie sie jetzt heissen, Sarazenen des Perserreiches besser zu begegnen, unterwarf Justinian waehrend des Persischen Krieges im Jahre 531 saemtliche Phylarchen der den Roemern untertaenigen Sarazenen dem Arethas, des Gabala Sohn, und verlieh diesem den Koenigstitel, was bis dahin, wie hinzugesetzt wird, niemals geschehen war. Dieser Koenig der saemtlichen in Syrien ansaessigen Araberstaemme war noch des Reiches Lehnstraeger; aber indem er seine Landsleute abwehrte, bereitete er zugleich ihnen die Staette. Ein Jahrhundert spaeter, im Jahre 637, unterlag Arabien und Syrien dem Islam.
—————————————————– ^35 Nach den arabischen Berichten wanderten die Benu Salih aus der Gegend von Mekka (um 190 n. Chr. nach den Ansetzungen von A. P. Caussin de Perceval, Essai sur l’histoire des Arabes avant l’Islamisme. Bd. 1. Paris 1847, S. 212) nach Syrien und siedelten sich hier an neben den Benu-Samaida, in denen Waddington die phyl/e/ Somaith/e/n/o/n einer Inschrift von Suweda (n. 2308) wiederfindet. Die Ghassaniden, die (nach Caussin um 205) von Batn-Marr ebenfalls nach Syrien in dieselbe Gegend einwanderten, wurden von den Salihiten auf Anweisung der Roemer gezwungen, Tribut zu zahlen und entrichteten diesen eine Zeitlang, bis sie (nach demselben um das Jahr 292) die Salihiten ueberwanden und ihr Fuehrer Thalaba, Sohn Amts, von den Roemern als Phylarch anerkannt ward. Diese Erzaehlung mag richtige Elemente enthalten; aber massgebend bleibt immer der im Text wiedergegebene Bericht Prokops (Pers. 1, 17). Die Phylarchen einzelner Provinzen, von Arabia (d. h. Provinz Bostra: nov. 102 c. 1) und von Palaestina (d. h. Provinz Petra: Prok. Pers. 1, 19) sind aelter, aber wohl nicht um viel. Waere ein Oberscheich dieser Art in vorjustinianischer Zeit von den Roemern anerkannt worden, so wuerden die roemischen Schriftsteller und die Inschriften davon wohl die Spuren aufweisen; aber aus vorjustinianischer Zeit fehlt es an solchen.
—————————————————– 11. Kapitel
Judaea und die Juden
Die Geschichte des juedischen Landes ist so wenig die Geschichte des juedischen Volkes wie die Geschichte des Kirchenstaates die der Katholiken; es ist ebenso erforderlich, beides zu sondern wie beides zusammen zu erwaegen. Die Juden im Jordanland, mit welchen die Roemer zu schaffen hatten, waren nicht dasjenige Volk, das unter seinen Richtern und Koenigen mit Moab und Edom schlug und den Reden des Amos und Hosea lauschte. Die durch die Fremdherrschaft ausgetriebene und durch den Wechsel der Fremdherrschaft wieder zurueckgefuehrte kleine Gemeinde frommer Exulanten, welche ihre neue Einrichtung damit begann, die Reste der in den alten Sitzen zurueckgebliebenen Stammgenossen schroff zurueckzuweisen und zu der unversoehnlichen Fehde zwischen Juden und Samaritern den Grund zu legen, das Ideal nationaler Exklusivitaet und priesterlicher Geistesfesselung, hatte lange vor der roemischen Zeit unter dem Regiment der Seleukiden die sogenannte mosaische Theokratie entwickelt, ein geistliches Kollegium mit dem Erzpriester an der Spitze, welches bei der Fremdherrschaft, sich beruhigend und auf staatliche Gestaltung verzichtend, die Besonderheit der Seinigen wahrte und unter der Aegide der Schutzmacht dieselben beherrschte. Dies den Staat ignorierende Festhalten der nationalen Eigenart in religioesen Formen ist die Signatur des spaeteren Judentums. Wohl ist jeder Gottesbegriff in seiner Bildung volkstuemlich; aber kein anderer Gott ist so von Haus aus der Gott nur der Seinen gewesen wie Jahve, und keiner es so ohne Unterschied von Zeit und Ort geblieben. Jene in das Heilige Land Zurueckwandernden, welche nach den Satzungen Mosis zu leben meinten, und in der Tat lebten nach den Satzungen Ezras und Nehemias, waren von den Grosskoenigen des Orients und spaeter von den Seleukiden gerade ebenso abhaengig geblieben, wie sie es an den Wassern Babylons gewesen waren. Ein politisches Element haftet dieser Organisation nicht mehr an als der armenischen oder der griechischen Kirche unter ihren Patriarchen im tuerkischen Reich; kein freier Luftzug staatlicher Entwicklung geht durch diese klerikale Restauration; keine der schweren und ernsten Verpflichtungen des auf sich selbst gestellten Gemeinwesens behinderte die Priester des Tempels von Jerusalem in der Herstellung des Reiches Jahves auf Erden. Der Gegenschlag blieb nicht aus. Jener Kirchenunstaat konnte nur dauern, solange eine weltliche Grossmacht ihm als Schirmherr oder auch als Buettel diente. Als das Reich der Seleukiden verfiel, ward durch die Auflehnung gegen die Fremdherrschaft, die eben aus dem begeisterten Volksglauben ihre besten Kraefte zog, wieder ein juedisches Gemeinwesen geschaffen. Der Erzpriester von Salem wurde vom Tempel auf das Schlachtfeld gerufen. Das Geschlecht der Hasmonaeer stellte nicht bloss das Reich Sauls und Davids ungefaehr in seinen alten Grenzen wieder her, sondern diese kriegerischen Hohenpriester erneuerten auch einigermassen das ehemalige, wahrhaft staatliche, den Priestern gebietende Koenigtum. Aber dasselbe, von jener Priesterherrschaft zugleich das Erzeugnis und der Gegensatz, war nicht nach dem Herzen der Frommen. Die Pharisaeer und die Sadduzaeer schieden sich und begannen sich zu befehden. Weniger Glaubenssaetze und rituelle Differenzen standen hier sich einander entgegen als einerseits das Verharren bei einem lediglich die religioesen Ordnungen und Interessen festhaltenden, im uebrigen fuer die Unabhaengigkeit und die Selbstbestimmung der Gemeinde gleichgueltigen Priesterregiment, andererseits das Koenigtum, hinstrebend zu staatlicher Entwicklung und bemueht, in dem politischen Ringen, dessen Schauplatz damals das Syrische Reich war, dem juedischen Volke durch Schlagen und Vertragen wieder seinen Platz zu verschaffen. Jene Richtung beherrschte die Menge, diese ueberwog in der Intelligenz und in den vornehmen Klassen; ihr bedeutendster Vertreter ist Koenig Iannaeos Alexandros, der waehrend seiner ganzen Regierung nicht minder mit den syrischen Herrschern in Fehde lag wie mit seinen Pharisaeern. Obwohl sie eigentlich nur der andere und in der Tat der natuerlichere und maechtigere Ausdruck des nationalen Aufschwungs ist, beruehrte sie sich doch in ihrem freieren Denken und Handeln mit dem hellenischen Wesen und galt insbesondere den frommen Gegnern als fremdlaendisch und unglaeubig.
Aber die Bewohner Palaestinas waren nur ein Teil, und nicht der bedeutendste Teil der Juden; die babylonischen, syrischen, kleinasiatischen, aegyptischen Judengemeinden waren den palaestinensischen auch nach der Regeneration durch die Makkabaeer weit ueberlegen. Mehr als die letztere hat die juedische Diaspora in der Kaiserzeit zu bedeuten gehabt; und sie ist eine durchaus eigenartige Erscheinung.
Die Judenansiedlungen ausserhalb Palaestina sind nur in untergeordnetem Grade aus demselben Triebe entwickelt wie die der Phoeniker und der Hellepen. Von Haus aus ein ackerbauendes und fern von der Kueste wohnendes Volk, sind ihre Ansiedlungen im Ausland eine unfreie und verhaeltnismaessig spaete Bildung, eine Schoepfung Alexanders oder seiner Marschaelle ^1. An jenen immensen, durch Generationen fortgesetzten griechischen Staedtegruendungen, wie sie in gleichem Umfang nie vorher und nie nachher vorgekommen sind, haben die Juden einen hervorragenden Anteil gehabt, so seltsam es auch war, eben sie bei der Hellenisierung des Orients zur Beihilfe zu berufen. Vor allem gilt dies von Aegypten. Die bedeutendste unter allen von Alexander geschaffenen Staedten, Alexandreia am Nil, ist seit den Zeiten des ersten Ptolemaeers, der nach der Einnahme Palaestinas eine Masse seiner Bewohner dorthin uebersiedelte, fast ebenso sehr eine Stadt der Juden wie der Griechen, die dortige Judenschaft an Zahl, Reichtum, Intelligenz, Organisation der jerusalemitischen mindestens gleich zu achten. In der ersten Kaiserzeit rechnete man auf acht Millionen Aegypter eine Million Juden, und ihr Einfluss reichte vermutlich ueber dieses Zahlenverhaeltnis hinaus. Dass wetteifernd damit in der syrischen Reichshauptstadt die Judenschaft in aehnlicher Weise organisiert und entwickelt worden war, wurde schon bemerkt. Von der Ausdehnung und der Bedeutung der Juden Kleinasiens zeugt unter anderem der Versuch, den unter Augustus die ionischen Griechenstaedte, es scheint nach gemeinschaftlicher Verabredung, machten, ihre juedischen Gemeindegenossen entweder zum Ruecktritt von ihrem Glauben oder zur vollen Uebernahme der buergerlichen Lasten zu noetigen. Ohne Zweifel gab es selbstaendig organisierte Judenschaften in saemtlichen neuhellenischen Gruendungen ^2 und daneben in zahlreichen althellenischen Staedten, selbst im eigentlichen Hellas, zum Beispiel in Korinth. Die Organisierung vollzog sich durchaus in der Weise, dass den Juden ihre Nationalitaet mit den von ihnen selbst daraus gezogenen weitreichenden Konsequenzen gewahrt, nur der Gebrauch der griechischen Sprache von ihnen gefordert ward. So wurden bei dieser damals von oben herab dem Orient aufgeschmeichelten oder aufgezwungenen Graezisierung die Juden der Griechenstaedte griechisch redende Orientalen. ——————————————————- ^1 Ob die Rechtsstellung der Juden in Alexandreia mit Recht von Josephus (c. Ap. 2, 4) auf Alexander zurueckgefuehrt wird, ist insofern zweifelhaft, als, soweit wir wissen, nicht er, sondern der erste Ptolemaeer massenweise Juden dort ansiedelte (Ios. ant. Iud. 12, 1; App. Syr. 50). Die merkwuerdige Gleichartigkeit, mit der die Judenschaften in den verschiedenen Diadochenstaaten sich gestaltet haben, muss, wenn sie nicht auf Alexanders Anordnungen beruht, auf das Rivalisieren und Imitieren bei der Staedtegruendung zurueckgefuehrt werden. Dass Palaestina bald aegyptisch, bald syrisch war, hat bei diesen Ansiedlungen ohne Zweifel wesentlich mitgewirkt. ^2 Der Judengemeinde in Smyrna gedenkt eine kuerzlich daselbst gefundene Inschrift (Reinach, Revue des Etudes Juives, 1883, S. 161): Roypheina Ioydaia archisynag/o/gos kateske?asen to ensorion tois apeletherois kai thremmasin m/e/denos alloy echoysian echontos thapsai tina. ei de tis tolm/e/sei, d/o/sei t/o/ ier/o/tat/o/ tamei/o/ d/e/narioys aph, kai t/o/ ethnei t/o/n Ioydai/o/n d/e/narioys a. Ta?t/e/s t/e/s epigraph/e/s to antigraphon apokeitai eis to archeion. Einfache Kollegien werden in Strafandrohungen dieser Art nicht leicht mit dem Staat oder der Gemeinde auf eine Linie gestellt. ——————————————————- Dass bei den Judengemeinden der makedonischen Staedte die griechische Sprache nicht bloss im natuerlichen Wege des Verkehrs zur Herrschaft gelangt, sondern eine ihnen auferlegte Zwangsbestimmung ist, scheint aus der Sachlage sich mit Notwendigkeit zu ergeben. In aehnlicher Weise hat spaeterhin Traian mit kleinasiatischen Kolonisten Dakien romanisiert. Ohne diesen Zwang haette die aeusserliche Gleichfoermigkeit der Staedtegruendung nicht durchgefuehrt, dies Material fuer die Hellenisierung ueberhaupt nicht verwendet werden koennen. Dass die heiligen Schriften der Juden schon unter den ersten Ptolemaeern in das Griechische uebertragen wurden, mag wohl so wenig Veranstaltung der Regierung gewesen sein wie die Bibeluebersetzung Luthers; aber im Sinne derselben lag allerdings die sprachliche Hellenisierung der aegyptischen Juden, und sie vollzog sich merkwuerdig rasch. Wenigstens im Anfang der Kaiserzeit, wahrscheinlich lange vorher war die Kenntnis des Hebraeischen unter den alexandrinischen Juden ziemlich so selten wie heutzutage in der christlichen Welt die der Ursprachen der heiligen Originale; es wurde mit den Uebersetzungsfehlern der sogenannten siebzig Alexandriner ungefaehr ebenso argumentiert wie von unseren Frommen mit den Uebersetzungsfehlern Luthers. Die nationale Sprache der Juden war in dieser Epoche ueberall aus dem lebendigen Verkehr verschwunden und behauptete sich nur, etwa wie im katholischen Religionsgebiet die lateinische, im kirchlichen Gebrauch. In Judaea selbst war sie ersetzt worden durch die der hebraeischen freilich verwandte aramaeische Volkssprache Syriens; die Judenschaften ausserhalb Judaeas, mit denen wir uns beschaeftigen, hatten das semitische Idiom vollstaendig abgelegt, und erst lange nach dieser Epoche ist jene Reaktion eingetreten, welche schulmaessig die Kenntnis und den Gebrauch derselben allgemeiner bei den Juden zurueckgefuehrt hat. Die literarischen Arbeiten, die sie waehrend dieser Epoche in grosser Zahl geliefert haben, sind in der besseren Kaiserzeit alle griechisch. Wenn die Sprache allein die Nationalitaet bedingte, so waere fuer diese Zeit von den Juden wenig zu berichten.
Aber mit diesem anfaenglich vielleicht schwer empfundenen Sprachzwang verbindet sich die Anerkennung der besonderen Nationalitaet mit allen ihren Konsequenzen. Ueberall in den Staedten der Alexandermonarchie bildete sich die Stadtbewohnerschaft aus den Makedoniern, das heisst den wirklich makedonischen oder den ihnen gleichgeachteten Hellenen. Neben diesen stehen, ausser den Fremden, die Eingeborenen, in Alexandreia die Aegypter, in Kyrene die Libyer und ueberhaupt die Ansiedler aus dem Orient, welche zwar auch keine andere Heimat haben als die neue Stadt, aber nicht als Hellenen anerkannt werden. Zu dieser zweiten Kategorie gehoeren die Juden; aber ihnen, und nur ihnen, wird es gestattet, sozusagen eine Gemeinde in der Gemeinde zu bilden und, waehrend die uebrigen Nichtbuerger von den Behoerden der Buergerschaft regiert werden, bis zu einem gewissen Grad sich selbst zu regieren ^3. “Die Juden”, sagt Strabon, “haben in Alexandreia ein eigenes Volkshaupt (ethnarch/e/s), welches dem Volke (ethnos) vorsteht und die Prozesse entscheidet und ueber Vertraege und Ordnungen verfuegt, als beherrsche es eine selbstaendige Gemeinde.” Es geschah dies, weil die Juden eine derartige spezifische Jurisdiktion als durch ihre Nationalitaet oder, was auf dasselbe hinauskommt, ihre Religion gefordert bezeichneten. Weiter nahmen die allgemeinen staatlichen Ordnungen auf die national-religioesen Bedenken der Juden in ausgedehntem Umfang Ruecksicht und halfen nach Moeglichkeit durch Exemptionen aus. Das Zusammenwohnen trat wenigstens haeufig hinzu; in Alexandreia zum Beispiel waren von den fuenf Stadtquartieren zwei vorwiegend von Juden bewohnt. Es scheint dies nicht das Ghettosystem gewesen zu sein, sondern eher ein durch die anfaengliche Ansiedlung begruendetes und dann von beiden Seiten festgehaltenes Herkommen, wodurch nachbarlichen Konflikten einigermassen vorgebeugt ward.
——————————————— ^3 Wenn die alexandrinischen Juden spaeter behaupteten, den alexandrinischen Makedoniern rechtlich gleichgestellt zu sein (Ios. c. Ap. 2, 4; bel. Iud. 2, 18, 7), so war dies eine Entstellung des wahren Sachverhaeltnisses. Sie waren Schutzgenossen zunaechst der Phyle der Makedonier, wahrscheinlich der vornehmsten von allen, und darum nach Dionysos benannt (Theophilus ad Autolycum 2, 7), und weil das Judenquartier ein Teil dieser Phyle war, macht Josephus in seiner Weise sie selbst zu Makedoniern. Die Rechtsstellung der Bevoelkerung der Griechenstaedte dieser Kategorie erhellt am deutlichsten aus der Nachricht Strabons (bei Ios. ant. Iud. 14, 7, 2) ueber die vier Kategorien derjenigen von Kyrene: Stadtbuerger, Landleute (ge/o/rgoi), Fremde und Juden. Sieht man von den Metoeken ab, die ihre rechtliche Heimat auswaerts haben, so bleiben als heimatberechtigte Kyrenaeer die vollberechtigten Buerger, also die Hellenen und was man als solche gelten liess, und die zwei Kategorien der vom aktiven Buergerrecht Ausgeschlossenen, die Juden, die eine eigene Gemeinde bilden, und die Untertanen, die Libyer, welchen die Autonomie fehlt. Dies konnte leicht so verschoben werden, dass die beiden privilegierten Kategorien auch als gleichberechtigt erschienen.
——————————————— So kamen die Juden dazu, bei der makedonischen Hellenisierung des Orients eine hervorragende Rolle zu spielen; ihre Gefuegigkeit und Brauchbarkeit einerseits, ihre unnachgiebige Zaehigkeit andererseits muessen die sehr realistischen Staatsmaenner, die diese Wege wiesen, bestimmt haben, sich zu solchen Einrichtungen zu entschliessen. Nichtsdestoweniger bleibt die ausserordentliche Ausdehnung und Bedeutung der juedischen Diaspora gegenueber der engen und geringen Heimat wie einerseits eine Tatsache, so andererseits ein Problem. Man wird dabei nicht uebersehen duerfen, dass die palaestinensischen Juden fuer die des Auslandes nicht mehr als den Kern geliefert haben. Das Judentum der aelteren Zeit ist nichts weniger als exklusiv, vielmehr von missionarem Eifer nicht minder durchgedrungen wie spaeterhin das Christentum und der Islam. Das Evangelium weiss von den Rabbis, welche Meer und Land durchziehen, um einen Proselyten zu machen; die Zulassung der halben Proselyten, denen die Beschneidung nicht zugemutet, aber dennoch eine religioese Gemeinschaft gewaehrt wird, ist ein Zeugnis dieses Bekehrungseifers wie zu gleicher Zeit eines seiner wirksamsten Mittel. Motive sehr verschiedener Art kamen dieser Propaganda zustatten. Die buergerlichen Privilegien, welche die Lagiden und die Seleukiden den Juden erteilten, muessen eine grosse Zahl nichtjuedischer Orientalen und Halbhellenen veranlasst haben, sich in den Neustaedten der privilegierten Kategorie der Nichtbuerger anzuschliessen. In spaeterer Zeit kam der Verfall des traditionellen Landesglaubens der juedischen Propaganda entgegen. Zahlreiche Personen besonders der gebildeten Staende, deren glaeubige und sittliche Empfindung von dem, was die Griechen, und noch mehr von dem, was die Aegypter Religion nannten, sich schaudernd oder spottend abwandte, suchten Zuflucht in der einfacheren und reineren, der Vielgoetterei und dem Bilderdienst absagenden juedischen Lehre, welche den aus dem Niederschlag der philosophischen Entwicklung den gebildeten und halbgebildeten Kreisen zugefuehrten religioesen Anschauungen weit entgegenkam. Es gibt ein merkwuerdiges griechisches Moralgedicht, wahrscheinlich aus der spaeteren Epoche der roemischen Republik, welches aus den mosaischen Buechern in der Weise geschoepft ist, dass es die monotheistische Lehre und das allgemeine Sittengesetz aufnimmt, aber alles dem Nichtjuden Anstoessige und alle unmittelbare Opposition gegen die herrschende Religion vermeidet, offenbar bestimmt, fuer dies denationalisierte Judentum weitere Kreise zu gewinnen. Insbesondere die Frauen wandten sich mit Vorliebe dem juedischen Glauben zu. Als die Behoerden von Damaskos im Jahre 66 die gefangenen Juden umzubringen beschlossen, wurde verabredet, diesen Beschluss geheim zu halten, damit die den Juden ergebene weibliche Bevoelkerung nicht die Ausfuehrung verhindere. Sogar im Okzident, wo die gebildeten Kreise sonst dem juedischen Wesen abgeneigt waren, machten vornehme Damen schon frueh eine Ausnahme; die aus edlem Geschlecht entsprossene Gemahlin Neros, Poppaea Sabina, war, wie durch andere minder ehrbare Dinge, so auch stadtkundig durch ihren frommen Judenglauben und ihr eifriges Judenprotektorat. Foermliche Uebertritte zum Judentum kamen nicht selten vor; das Koenigshaus von Adiabene zum Beispiel, Koenig Izates und seine Mutter Helena sowie sein Bruder und Nachfolger wurden in der Zeit des Tiberius und des Claudius in aller Form Juden. Sicher gilt von allen jenen Judenschaften, was von der antiochenischen ausdruecklich bemerkt wird, dass sie zum grossen Teil aus uebergetretenen bestanden.
Diese Verpflanzung des Judentums auf den hellenischen Boden unter Aneignung einer fremden Sprache vollzog sich, wie sehr sie auch unter Festhaltung der nationalen Individualitaet stattfand, nicht ohne in dem Judentum selbst eine seinem Wesen zuwiderlaufende Tendenz zu entwickeln und bis zu einem gewissen Grad dasselbe zu denationalisieren. Wie maechtig die inmitten der Griechen lebenden Judenschaften von den Wellen des griechischen Geisteslebens erfasst wurden, davon traegt die Literatur des letzten Jahrhunderts vor und des ersten nach Christi Geburt die Spuren. Sie ist getraenkt von juedischen Elementen, und es sind mit die hellsten Koepfe und die geistreichsten Denker, welche entweder als Hellenen in das juedische oder als Juden in das hellenische Wesen den Eingang suchen. Nikolaos von Damaskos, selber ein Heide und ein namhafter Vertreter der aristotelischen Philosophie, fuehrte nicht bloss als Literat und Diplomat des Koenigs Herodes bei Agrippa wie bei Augustus die Sache seines juedischen Patrons und der Juden, sondern es zeigt auch seine historische Schriftstellerei einen sehr ernstlichen und fuer jene Epoche bedeutenden Versuch, den Orient in den Kreis der okzidentalischen Forschung hineinzuziehen, waehrend die noch erhaltene Schilderung der Jugendjahre des ihm auch persoenlich nahegetretenen Kaisers Augustus ein denkwuerdiges Zeugnis der Liebe und der Verehrung ist, welche der roemische Herrscher in der griechischen Welt fand. Die Abhandlung vom Erhabenen, geschrieben in der ersten Kaiserzeit von einem unbekannten Verfasser, eine der feinsten uns aus dem Altertum erhaltenen aesthetischen Arbeiten, ruehrt sicher wenn nicht von einem Juden, so doch von einem Manne her, der Homeros und Moses gleichmaessig verehrte ^4. Eine andere, ebenfalls anonyme Schrift ueber das Weltganze, gleichfalls ein in seiner Art achtbarer Versuch, die Lehre des Aristoteles mit der der Stoa zu verschmelzen, ist vielleicht auch von einem Juden geschrieben, sicher dem angesehensten und hoechstgestellten Juden der neronischen Zeit, dem Generalstabschef des Corbulo und des Titus, Tiberius Alexandros gewidmet. Am deutlichsten tritt uns die Vermaehlung der beiden Geisteswelten entgegen in der juedisch-alexandrinischen Philosophie, dem schaerfsten und greifbarsten Ausdruck einer das Wesen des Judentums nicht bloss ergreifenden, sondern auch angreifenden religioesen Bewegung. Die hellenische Geistesentwicklung lag im Kampf mit den nationalen Religionen aller Art, indem sie deren Anschauungen entweder negierte oder auch mit anderem Inhalt erfuellte, die bisherigen Goetter aus den Gemuetern der Menschen austrieb und auf die leeren Plaetze entweder nichts setzte oder die Gestirne und abstrakte Begriffe. Diese Angriffe trafen auch die Religion der Juden. Es bildete sich ein Neujudentum hellenischer Bildung, das mit Jehova nicht ganz so arg, aber doch nicht viel anders verfuhr als die gebildeten Griechen und Roemer mit Zeus und Jupiter. Das Universalmittel der sogenannten allegorischen Deutung, wodurch insbesondere die Philosophen der Stoa die heidnischen Landesreligionen ueberall in hoeflicher Weise vor die Tuere gesetzt hatten, passte fuer die Genesis ebenso gut und ebenso schlecht wie fuer die Goetter der Ilias; wenn Moses mit Abraham eigentlich den Verstand, mit Sarah die Tugend, mit Noah die Gerechtigkeit gemeint hatte, wenn die vier Stroeme des Paradieses die vier Kardinaltugenden waren, so konnte der aufgeklaerteste Hellene an die Thora glauben. Aber eine Macht war dies Pseudojudentum auch, und der geistige Primat der Judenschaft Aegyptens tritt vor allem darin hervor, dass diese Richtung vorzugsweise ihre Vertreter in Alexandreia gefunden hat. —————————————————– ^4 Pseudo-Longinus peri ?psoys: “Weit besser als der Goetterkrieg ist bei Homeros die Schilderung der Goetter in ihrer Vollkommenheit und echten Groesse und Reinheit, wie die des Poseidon (Ilias 13,18 f.). Ebenso schreibt der Gesetzgeber der Juden, kein geringer Mann (oych o tych/o/n an/e/r), nachdem er die goettliche Gewalt in wuerdiger Weise erfasst und zum Ausdruck gebracht hat, gleich zu Anfang der Gesetze (Gen. 1, 3): Es sprach der Gott – was? es werde Licht! und es ward Licht; es werde die Erde! und die Erde ward.” —————————————————– Trotz der innerlichen Scheidung, welche bei den palaestinensischen Juden sich vollzogen und nur zu oft geradezu zum Buergerkrieg gesteigert hatte, trotz der Versprengung eines grossen Teils der Judenschaft in das Ausland, trotz des Eindringens fremder Massen in dieselbe und sogar des destruktiven hellenistischen Elements in ihren innersten Kern blieb die Gesamtheit der Juden in einer Weise vereinigt, fuer welche in der Gegenwart nur etwa der Vatikan und die Kaaba eine gewisse Analogie bieten. Das heilige Salem blieb die Fahne, Zions Tempel das Palladium der gesamten Judenschaft, mochten sie den Roemern oder den Parthern gehorchen, aramaeisch oder griechisch reden, ja an den alten Jahve glauben oder an den neuen, der keiner war. Dass der Schirmherr dem geistlichen Oberhaupt der Juden eine gewisse weltliche Macht zugestanden hatte, bedeutete fuer die Judenschaft ebensoviel, der geringe Umfang dieser Macht ebensowenig wie seiner Zeit fuer die Katholiken der sogenannte Kirchenstaat. Jedes Mitglied einer juedischen Gemeinde hatte jaehrlich nach Jerusalem ein Didrachmon als Tempelschoss zu entrichten, welcher regelmaessiger einging als die Staatssteuern; jedes war verpflichtet, wenigstens einmal in seinem Leben dem Jehovah persoenlich an dein Orte zu opfern, der ihm allein in der Welt wohlgefaellig war. Die theologische Wissenschaft blieb gemeinschaftlich; die babylonischen und die alexandrinischen Rabbiner haben daran sich nicht minder beteiligt wie die von Jerusalem. Das unvergleichlich zaehe Gefuehl der nationalen Zusammengehoerigkeit, wie es in der rueckkehrenden Exulantengemeinde sich festgesetzt und dann jene Sonderstellung der Juden in der Griechenwelt mit durchgesetzt hatte, behauptete sich trotz Zerstreuung und Spaltung. Am bemerkenswertesten ist das Fortleben des Judentums selbst in den davon in der inneren Religion losgeloesten Kreisen. Der namhafteste, fuer uns der einzige deutlich greifbare Vertreter dieser Richtung in der Literatur, Philon, einer der vornehmsten und reichsten Juden aus der Zeit des Tiberius, steht in der Tat zu seiner Landesreligion nicht viel anders als Cicero zu der roemischen; aber er selbst glaubte, nicht sie aufzuloesen, sondern sie zu erfuellen. Auch ihm ist, wie jedem anderen Juden, Moses die Quelle aller Wahrheit, seine geschriebene Weisung bindendes Gesetz, seine Empfindung Ehrfurcht und Glaeubigkeit. Es ist dies sublimierte Judentum dem sogenannten Goetterglauben der Stoa doch nicht voellig identisch. Die Koerperlichkeit des Gottes verschwindet fuer Philon, aber die Persoenlichkeit nicht, und es misslingt ihm vollstaendig, was das Wesen der hellenischen Philosophie ist, die Goettlichkeit in die Menschenbrust zu verlegen; es bleibt die Anschauung, dass der suendhafte Mensch abhaenge von einem vollkommenen, ausser und ueber ihm stehenden Wesen. Ebenso fuegt das neue Judentum sich dem nationalen Ritualgesetz weit unbedingter als das neue Heidentum. Der Kampf des alten und des neuen Glaubens ist in dem juedischen Kreise deswegen von anderer Art als in dem heidnischen, weil der Einsatz ein groesserer war; das reformierte Heidentum streitet nur gegen den alten Glauben, das reformierte Judentum wuerde in seiner letzten Konsequenz das Volkstum aufheben, welches in dem Ueberfluten des Hellenismus mit der Verfluechtigung des Landesglaubens notwendig verschwand, und scheut deshalb davor zurueck, diese Konsequenz zu ziehen. Daher ist auf griechischem Boden und in griechischer Sprache, wenn nicht das Wesen, doch die Form des alten Glaubens mit beispielloser Hartnaeckigkeit festgehalten und verteidigt worden, verteidigt auch von denen, die im Wesen vor dem Hellenismus kapitulieren. Philon selbst hat, wie weiterhin erzaehlt werden soll, fuer die Sache der Juden gestritten und gelitten. Darum aber hat auch die hellenistische Richtung im Judentum auf dieses selbst nie uebermaechtig eingewirkt, niemals vermocht, dem nationalen Judentum entgegenzutreten, kaum dessen Fanatismus zu mildern und die Verkehrtheiten und Frevel desselben zu hemmen. In allen wesentlichen Dingen, insbesondere dem Druck und der Verfolgung gegenueber, verschwinden die Differenzen des Judentums, und wie unbedeutend der Rabbinerstaat war, die religioese Gemeinschaft, der er vorstand, war eine ansehnliche, unter Umstaenden eine furchtbare Macht. Diesen Verhaeltnissen fanden die Roemer sich gegenueber, als sie im Orient die Herrschaft antraten. Die Eroberung zwingt dem Eroberer nicht minder die Hand als dem Eroberten. Das Werk der Jahrhunderte, die makedonischen Stadteinrichtungen konnten weder die Arsakiden noch die Caesaren ungeschehen machen; weder Seleukeia am Euphrat noch Antiocheia und Alexandreia konnten von den nachfolgenden Regierungen angetreten werden unter der Wohltat des Inventars. Wahrscheinlich hat der dortigen juedischen Diaspora gegenueber der Begruender des Kaiserregiments sich, wie in so vielen anderen Dingen, die Politik der ersten Lagiden zur Richtschnur genommen und das Judentum des Orients in seiner Sonderstellung eher gefoerdert als gehindert; und dies Verfahren ist dann fuer seine Nachfolger durchgaengig massgebend gewesen. Es ist schon erzaehlt worden, dass die vorderasiatischen Gemeinden unter Augustus den Versuch machten, ihre juedischen Mitbuerger bei der Aushebung gleichmaessig heranzuziehen und ihnen die Einhaltung des Sabbaths nicht ferner zu gestatten; Agrippa aber entschied gegen sie und hielt den Status quo zu Gunsten der Juden aufrecht oder stellte vielmehr die bisher wohl nur von einzelnen Statthaltern oder Gemeinden der griechischen Provinzen nach Umstaenden zugelassene Befreiung der Juden vom Kriegsdienst und das Sabbathprivilegium vielleicht jetzt erst rechtlich fest. Augustus wies ferner die Statthalter von Asia an, die strengen Reichsgesetze ueber Vereine und Versammlungen gegen die Juden nicht zur Anwendung zu bringen. Aber die roemische Regierung hat es nicht verkannt, dass die den Juden im Orient eingeraeumte exempte Stellung mit der unbedingten Verpflichtung der Reichsangehoerigen zur Erfuellung der vom Staat geforderten Leistungen sich nicht vereinigen liess, dass die garantierte Sonderstellung der Judenschaft den Rassenhass und unter Umstaenden den Buergerkrieg in die einzelnen Staedte trug, dass das fromme Regiment der Behoerden von Jerusalem ueber alle Juden des Reiches eine bedenkliche Tragweite hatte und dass in allem diesem fuer den Staat eine praktische Schaedigung und eine prinzipielle Gefahr lag. Der innerliche Dualismus des Reiches drueckt in nichts sich schaerfer aus als in der verschiedenen Behandlung der Juden in dem lateinischen und dem griechischen Sprachgebiet. Im Okzident sind die autonomen Judenschaften niemals zugelassen worden. Man tolerierte wohl daselbst die juedischen Religionsgebraeuche wie die syrischen und die aegyptischen oder vielmehr etwas weniger als diese; der Judenkolonie in der Vorstadt Roms jenseits des Tiber zeigte Augustus sich guenstig und liess bei seinen Spenden den, der des Sabbaths wegen sich versaeumt hatte, nachtraeglich zu. Aber er persoenlich vermied jede Beruehrung wie mit dem aegyptischen so auch mit dem juedischen Kultus, und wie er selbst in Aegypten dem heiligen Ochsen aus dem Wege gegangen war, so billigte er es durchaus, dass sein Sohn Gaius, als er nach dem Orient ging, bei Jerusalem vorbeiging. Unter Tiberius wurde sogar im Jahre 19 in Rom und ganz Italien der juedische Kultus zugleich mit dem aegyptischen untersagt und diejenigen, die sich nicht dazu verstanden, ihn oeffentlich zu verleugnen und die heiligen Geraete ins Feuer zu werfen, aus Italien ausgewiesen, soweit sie nicht als tauglich fuer den Kriegsdienst in Strafkompanien verwendet werden konnten, wo dann nicht wenige ihrer religioesen Skrupel wegen dem Kriegsgericht verfielen. Wenn, wie wir nachher sehen werden, eben dieser Kaiser im Orient jedem Konflikt mit dem Rabbi fast aengstlich aus dem Wege ging, so zeigt sich hier deutlich, dass er, der tuechtigste Herrscher, den das Reich gehabt hat, die Gefahren der juedischen Immigration ebenso deutlich erkannte wie die Unbilligkeit und die Unmoeglichkeit, da, wo das Judentum bestand, es zu beseitigen ^5. Unter den spaeteren Regenten aendert, wie wir im weiteren Verlauf finden werden, in der Hauptsache die ablehnende Haltung gegen die Juden des Okzidents sich nicht, obwohl sie im uebrigen mehr dem Beispiel des Augustus folgen als dem des Tiberius. Man hinderte die Juden nicht, die Tempelsteuer in der Form freiwilliger Beitraege einzuziehen und nach Jerusalem zu senden. Es wurde ihnen nicht gewehrt, wenn sie einen Rechtshandel lieber vor einen juedischen Schiedsrichter brachten als vor ein roemisches Gericht. Von zwangsweiser Aushebung zum Dienst, wie Tiberius sie anordnete, ist auch im Okzident spaeterhin nicht weiter die Rede. Aber eine oeffentlich anerkannte Sonderstellung und oeffentlich anerkannte Sondergerichte haben die Juden im heidnischen Rom und ueberhaupt im lateinischen Westen niemals erhalten. Vor allem aber haben im Okzident, abgesehen von der Hauptstadt, die der Natur der Sache nach auch den Orient mit repraesentierte und schon in der ciceronischen Zeit eine zahlreiche Judenschaft in sich schloss, die Judengemeinden in der frueheren Kaiserzeit nirgends besondere Ausdehnung oder Bedeutung gehabt ^6. Nur im Orient gab die Regierung von vornherein nach oder vielmehr, sie versuchte nicht, die bestehenden Verhaeltnisse zu aendern und den daraus resultierenden Gefahren vorzubeugen; und so haben denn auch, wie die heiligen Buecher der Juden der lateinischen Welt erst in lateinischer Sprache durch die Christen bekannt geworden sind, die grossen Judenbewegungen der Kaiserzeit sich durchaus auf den griechischen Osten beschraenkt. Hier wurde kein Versuch gemacht, mit der rechtlichen Sonderstellung des Juden die Quelle des Judenhasses allmaehlich zu verstopfen, aber ebensowenig, von Laune und Verkehrtheiten einzelner Regenten abgesehen, dem Judenhass und den Judenhetzen von Seiten der Regierung Vorschub getan. In der Tat ist die Katastrophe des Judentums nicht aus der Behandlung der juedischen Diaspora im Orient hervorgegangen. Lediglich die in verhaengnisvoller Weise sich entwickelnden Beziehungen des Reichsregiments zu dem juedischen Rabbistaat haben nicht bloss die Zerstoerung des Gemeinwesens von Jerusalem herbeigefuehrt, sondern weiter die Stellung der Juden im Reiche ueberhaupt erschuettert und verschoben. Wir wenden uns dazu, die Vorgaenge in Palaestina unter der roemischen Herrschaft zu schildern. —————————————————- ^5 Der Jude Philon schreibt die Behandlung der Juden in Italien auf Rechnung des Seianus (leg. 24; in Flacc. 1), die der Juden im Osten auf die des Kaisers selbst. Aber Josephus fuehrt vielmehr, was in Italien geschah, zurueck auf einen Skandal in der Hauptstadt, welchen drei juedische fromme Schwindler und eine zum Judentum bekehrte vornehme Dame gegeben hatten, und Philon selbst gibt zu, dass Tiberius nach Seians Sturz den Statthaltern nur gewisse Milderungen in dem Verfahren gegen die Juden aufgegeben habe. Die Politik des Kaisers und die seiner Minister den Juden gegenueber war im wesentlichen dieselbe.
^6 Agrippa II., der die juedischen Ansiedlungen im Ausland aufzaehlt (bei Philon leg. ad Gaium 36), nennt keine Landschaft westlich von Griechenland, und unter den in Jerusalem weilenden Fremden, die die Apostelgeschichte 2, 5 f. verzeichnet, sind aus dem Westen nur Roemer genannt. —————————————————- Die Zustaende im suedlichen Syrien waren von den Feldherrn der Republik, Pompeius und seinen naechsten Nachfolgern, in der Weise geordnet worden, dass die groesseren Gewalten, die dort anfingen sich zu bilden, wieder herabgedrueckt und das ganze Land in einzelne Stadtgebiete und Kleinherrschaften aufgeloest wurde. Am schwersten waren davon die Juden betroffen worden; nicht bloss hatten sie allen hinzugewonnenen Besitz, namentlich die ganze Kueste, herausgeben muessen, sondern Gabinius hatte sogar den alten Bestand des Reiches in fuenf selbstaendig sich verwaltende Kreise aufgeloest und dem Hohenpriester Hyrkanos seine weltlichen Befugnisse entzogen. Damit war also wie einerseits die Schutzmacht, so andererseits die reine Theokratie wieder hergestellt. Indes aenderte dies sich bald. Hyrkanos oder vielmehr der fuer ihn regierende Minister, der Idumaeer Antipatros ^7, gelangte wohl schon durch Gabinius selbst, dem er bei seinen parthischen und aegyptischen Unternehmungen sich unentbehrlich zu machen verstand, wiederum zu der fuehrenden Stellung im suedlichen Syrien. Nach der Pluenderung des Tempels von Jerusalem durch Crassus ward der dadurch veranlasste Aufstand der Juden hauptsaechlich durch ihn gedaempft. Es war fuer ihn eine guenstige Fuegung, dass die juedische Regierung nicht genoetigt ward, in die Krisis zwischen Caesar und Pompeius, fuer welchen sie wie der ganze Osten sich erklaert hatte, handelnd einzugreifen. Dennoch waere wohl, nachdem der Bruder und Rivale des Hyrkanos, Aristobulos, sowie dessen Sohn Alexander, wegen ihres Eintretens fuer Caesar, durch die Pompeianer ihr Leben verloren hatten, nach Caesars Sieg der zweite Sohn Antigonos von diesem in Judaea als Herrscher eingesetzt worden. Aber als Caesar, nach dem entscheidenden Sieg nach Aegypten gekommen, sich in Alexandreia in einer gefaehrlichen Lage befand, war es vornehmlich Antipatros, der ihn aus dieser befreite, und dies schlug durch; Antigonos musste zurueckstehen hinter der neueren, aber wirksameren Treue. Nicht am wenigsten hat Caesars persoenliche Dankbarkeit die foermliche Restauration des Judenstaates gefoerdert. Das Juedische Reich erhielt die beste Stellung, die dem Klientelstaat gewaehrt werden konnte, voellige Freiheit von Abgaben an die Roemer ^8 und von militaerischer Besatzung und Aushebung ^9, wogegen allerdings auch die Pflichten und die Kosten der Grenzverteidigung von der einheimischen Regierung zu uebernehmen waren. Die Stadt Ioppe und damit die Verbindung mit dem Meer wurde zurueckgegeben, die Unabhaengigkeit der inneren Verwaltung sowie die freie Religionsuebung garantiert, die bisher verweigerte Wiederherstellung der von Pompeius geschleiften Festungswerke Jerusalems gestattet (707 47). Also regierte unter dem Namen des Hasmonaeerfuersten ein Halbfremder – denn die Idumaeer standen zu den eigentlichen, von Babylon zurueckgewanderten Juden ungefaehr wie die Samariter – den Judenstaat unter dem Schutz und nach dem Willen Roms. Die nationalgesinnten Juden waren dem neuen Regiment nichts weniger als geneigt. Die alten Geschlechter, die im Rat von Jerusalem fuehrten, hielten im Herzen zu Aristobulos und nach dessen Tode zu seinem Sohn Antigonos. In den Bergen Galilaeas fochten die Fanatiker ebenso gegen die Roemer wie gegen die eigene Regierung; als Antipatros’ Sohn Herodes den Fuehrer dieser wilden Schar, Ezekias, gefangengenommen und hatte hinrichten lassen, zwang der Priesterrat von Jerusalem unter dem Vorwand verletzter Religionsvorschriften den schwachen Hyrkanos, den Herodes zu verbannen. Dieser trat darauf in das roemische Heer ein und leistete dem Caesarischen Statthalter von Syrien gegen die Insurrektion der letzten Pompeianer gute Dienste. Aber als nach der Ermordung Caesars die Republikaner im Osten die Oberhand gewannen, war Antipatros wieder der erste, der dem Staerkeren nicht bloss sich fuegte, sondern sich die neuen Machthaber verpflichtete durch rasche Beitreibung der von ihnen auferlegten Kontribution. So kam es, dass der Fuehrer der Republikaner, als er aus Syrien abzog, den Antipatros in seiner Stellung beliess und dem Sohne desselben, Herodes, sogar ein Kommando in Syrien anvertraute. Als dann Antipatros starb, wie man sagt, von einem seiner Offiziere vergiftet, glaubte Antigonos, der bei seinem Schwager, dem Fuersten Ptolemaeos von Chalkis, Aufnahme gefunden hatte, den Augenblick gekommen, um den schwachen Oheim zu beseitigen. Aber die Soehne des Antipatros, Phasael und Herodes, schlugen seine Schar aufs Haupt, und Hyrkanos verstand sich dazu, ihnen die Stellung des Vaters zu gewaehren, ja sogar den Herodes, indem er ihm seine Enkelin Mariamme verlobte, gewissermassen in das regierende Haus aufzunehmen. Inzwischen unterlagen die Fuehrer der republikanischen Partei bei Philippi. Die Opposition in Jerusalem hoffte nun den Sturz der verhassten Antipatriden bei den Siegern zu erwirken; aber Antonius, dem das Schiedsgericht zufiel, wies deren Deputationen erst in Ephesos, dann in Antiocheia, zuletzt in Tyros entschieden ab, ja liess die letzten Gesandten hinrichten, und bestaetigte Phasael und Herodes foermlich als “Vierfuersten” ^10 – der Juden (723 41). —————————————— ^7 Antipatros begann seine Laufbahn als Statthalter (strat/e/gos) von Idumaea (Ios. ant. Iud. 14, 1, 3), und heisst dann Verwalter des Juedischen Reiches (o t/o/n Ioydai/o/n epimel/e/t/e/s daselbst 14, 8, 1), das heisst etwa erster Minister. Mehr liegt auch nicht in der gegen Rom wie gegen Herodes adulatorisch gefaerbten Erzaehlung des Josephus (ant. Iud. 14, 8, 5; bel. Iud. 1, 10, 3), dass Caesar dem Antipatros die Wahl ueberlassen habe, seine Machtstellung (dynasteia) selbst zu bestimmen und, da dieser ihm die Entscheidung anheimstellt, ihn zum Verwalter (epitropos) von Judaea bestellt habe. Dies ist nicht, wie Marquardt, Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 408 will, die (damals noch gar nicht bestehende) roemische Prokuratur der Kaiserzeit, sondern ein formell von dem juedischen Ethnarchen verliehenes Amt, eine epitrop/e/, wie die bei Ios. bel. Iud. 2, 18, 6 erwaehnte. In den Aktenstuecken aus Caesars Zeit vertritt die Juden allein der Erzpriester und Ethnarch Hyrkanos; Caesar gab dem Antipatros, was dem Untertanen eines abhaengigen Staats gewaehrt werden konnte, das roemische Buergerrecht und die personale Immunitaet (Ios. ant. Iud. 14, 8, 3; bel. Iud. 1, 9, 5), aber er machte ihn nicht zum Beamten Roms. Dass Herodes, aus Judaea vertrieben, von dem Roemern eine roemische Offizierstellung etwa in Samaria erhalten hat, ist glaublich; aber die Bezeichnungen strat/e/gos t/e/s Koil/e/s Syrias; (Ios. ant. Iud. 14 9, 5 c. 11, 4) oder strat/e/gos Koil/e/s Syrias kai Samarias; (bel. Iud. 1, 10, 8) sind mindestens irrefuehrend, und ebenso inkorrekt nennt derselbe Schriftsteller den Herodes spaeter deswegen, weil er tois epitrpe?oysi t/e/s Syrias; als Ratgeber dienen soll (ant. Iud. 15, 10, 3), sogar Syrias ol/e/s epitropon (bel. Iud. 1, 20, 4, wo Marquardts Aenderung [Staatsverwaltung, Bd. 1, S. 408 Koil/e/s den Sinn zerstoert). ^8 In dem Dekret Caesars bei Josephus (ant. Iud. 14, 10, 5 u. 6) ist die aus Epiphanius sich ergebende Lesung die einzig moegliche: danach wird das Land von der (durch Pompeius auferlegten: Ios. ant. Iud. 14, 4, 4) Steuer, vom zweiten Jahr der laufenden Verpachtung an, befreit und weiter verordnet, dass die Stadt Joppe, die damals aus roemischem Besitz in juedischen ueberging, zwar auch ferner den vierten Teil der Feldfruechte in Sidon an die Roemer abliefern, aber dafuer dem Hyrkanos ebenfalls in Sidon als Aequivalent jaehrlich 20675 Scheffel Getreide gewaehrt werden sollen, woneben die Joppenser auch noch den Zehnten an Hyrkanos entrichten. Auch zeigt die ganze sonstige Erzaehlung, dass der juedische Staat seitdem von Tributzahlung frei ist; dass Herodes von den der Kleopatra zugewiesenen Distrikten, die er ihr abpachtet, phoros zahlt (ant. Iud. 15, 4, 2 u. 4. c. 5, 3), bestaetigt nur die Regel. Wenn App. civ. 5, 75 unter den von Antonius mit Tribut belegten Koenigen den Herodes fuer Idumaea und Samaria auffuehrt, so fehlt Judaea auch hier nicht ohne guten Grund; und auch fuer diese Nebenlaender kann ihm der Tribut von Augustus erlassen sein. Der detaillierte und zuverlaessige Bericht ueber die Schatzung, die Quirinius anordnet, zeigt mit voelliger Klarheit, dass das Land bis dahin von roemischer Steuer frei war.
^9 In demselben Dekret heisst es: kai op/o/s m/e/deis m/e/te arch/o/n m/e/te strat/e/gos /e/ presbeyt/e/s en tois orois t/o/n Ioydai/o/n anista (‘vielleicht synista Wilamowitz) symmapsian kai strati/o/tas exi/e/ (so Wilamowitz fuer exei), /e/ ta chr/e/mata to?t/o/n anep/e/reastoys (vgl. 14, 10, 2: paracheimasian de kai chr/e/mata prattesthai oth dokimaz/o/). Dies entspricht im wesentlichen der Formel des wenig aelteren Freibriefs fuer Termessos (CIL I, 204): nei quis magistratu prove magistratu legatus ne[ive] quis alius meilites in oppidum Thermesum . . . agrumve . . . hiemandi caussa introducito . . . nisei senatus nominatim utei Thermesum . . . in hibernacula meilites deducantur decreverit. Der Durchmarsch ist demnach gestattet. In dem Privilegium fuer Judaea scheint ausserdem noch die Aushebung untersagt gewesen zu sein. ^10 Dieser Titel, der zunaechst das kollegialische Vierfuerstentum bezeichnet, wie es bei den Galatern herkoemmlich war, ist dann allgemeiner fuer die Samt-, ja auch fuer die Einherrschaft, immer aber als im Rang dem koeniglichen nachstehend verwendet worden. In dieser Weise erscheint er ausser in Galanen auch in Syrien vielleicht seit Pompeius, sicher seit Augustus. Die Nebeneinanderstellung eines Ethnarchen und zweier Tetrarchen, wie sie im Jahre 713 (41) fuer Judaea nach Josephus (ant. Iud. 14, 13, 1; bel. Iud. 1, 12, 5) angeordnet ward, begegnet sonst nicht wieder; analog ist Pheroras Tetrarch der Peraea unter seinem Bruder Herodes (bel. Iud. 1, 24, 5). —————————————— Bald rissen die Wendungen der grossen Politik den juedischen Staat noch einmal in ihre Wogen. Der Herrschaft der Antipatriden machte im folgenden Jahre (714 40) die Invasion der Parther zunaechst ein Ende. Der Praetendent Antigonos schlug sich zu ihnen und bemaechtigte sich Jerusalems und fast des ganzen Gebiets. Hyrkanos ging als Gefangener zu den Parthern, Phasael, Antipatros’ aeltester Sohn, gleichfalls gefangen, gab sich im Kerker den Tod. Mit genauer Not barg Herodes die Seinigen in einem Felsenschloss am Saume Judaeas und ging selbst fluechtig und Hilfe bittend zuerst nach Aegypten und, da er hier Antonius nicht mehr fand, zu den beiden eben damals in neuer Eintracht schaltenden Machthabern (724 40) nach Rom. Bereitwillig gestattete man ihm, was ja nur im roemischen Interesse lag, das Juedische Reich fuer sich zurueckzugewinnen; er kam nach Syrien zurueck, soweit es auf die Roemer ankam, als anerkannter Herrscher und sogar ausgestattet mit dem koeniglichen Titel. Aber gleich wie ein Praetendent hatte er das Land nicht so sehr den Parthern als den Patrioten zu entreissen. Vorzugsweise mit Samaritern und Idumaeern und gedungenen Soldaten schlug er seine Schlachten und gelangte endlich durch die Unterstuetzung der roemischen Legionen auch in den Besitz der lange verteidigten Hauptstadt. Die roemischen Henker befreiten ihn gleichfalls von seinem langjaehrigen Nebenbuhler Antigonos, seine eigenen raeumten auf unter den vornehmen Geschlechtern des Rats von Jerusalem.
Aber die Tage der Bedraengnis waren mit seiner Installation noch keineswegs vorueber. Antonius’ unglueckliche Expedition gegen die Parther blieb fuer Herodes ohne Folgen, da die Sieger es nicht wagten, in Syrien einzuruecken; aber schwer litt er unter den immer sich steigernden Anspruechen der aegyptischen Koenigin, die damals mehr als Antonius den Osten beherrschte; ihre frauenhafte Politik, zunaechst gerichtet auf die Erweiterung ihrer Hausmacht und vor allem ihrer Einkuenfte, erreichte zwar bei Antonius bei weitem nicht alles, was sie begehrte, aber sie entriss dem Koenig der Juden doch einen Teil seiner wertvollsten Besitzungen an der syrischen Kueste und in dem aegyptisch-syrischen Zwischengebiet, ja selbst die reichen Balsampflanzungen und Palmenhaine von Jericho und legte ihm schwere finanzielle Lasten auf. Um den Rest seiner Herrschaft zu behaupten, musste er die neuen syrischen Besitzungen der Koenigin entweder selber abpackten oder fuer andere minder zahlungsfaehige Paechter garantieren. Nach all diesen Bedraengnissen und in Erwartung noch aergerer und ebensowenig abweisbarer Anforderungen war der Ausbruch des Krieges zwischen Antonius und Caesar fuer ihn eine Hoffnung, und dass Kleopatra in ihrer egoistischen Verkehrtheit ihm die taetige Teilnahme an dem Kriege erliess, weil er seine Truppen brauche, um ihre syrischen Einkuenfte beizutreiben, ein weiterer Gluecksfall, da dies ihm die Unterwerfung unter den Sieger erleichterte. Das Glueck kam ihm noch weiter bei dem Parteiwechsel entgegen: er konnte eine Schar getreuer Gladiatoren des Antonius abfangen, die aus Kleinasien durch Syrien nach Aegypten marschierten, um ihrem Herrn Beistand zu leisten. Indem er, bevor er sich zu Caesar nach Rhodos begab, um seine Begnadigung zu erwirken, den letzten maennlichen Spross des Makkabaeerhauses, den achtzigjaehrigen Hyrkanos, dem das Haus des Antipatros seine Stellung verdankte, fuer alle Faelle hinrichten liess, uebertrieb er in der Tat die notwendige Vorsicht. Caesar tat, was die Politik ihn tun hiess, zumal da fuer die beabsichtigte aegyptische Expedition die Unterstuetzung des Herodes von Wichtigkeit war; er bestaetigte den gern Besiegten in seiner Herrschaft und erweiterte sie teils durch die Rueckgabe der von Kleopatra ihm entrissenen Besitzungen, teils durch weitere Gaben: die ganze Kueste von Gaza bis zum Stratonsturm, dem spaeteren Caesarea, die zwischen Judaea und Galilaea sich einschiebende samaritanische Landschaft und eine Anzahl von Staedten oestlich vom Jordan gehorchten seitdem dem Herodes. Mit der Konsolidierung der roemischen Monarchie war auch das juedische Fuerstentum weiteren aeusseren Krisen entzogen. Vom roemischen Standpunkt aus erscheint das Verhalten der neuen Dynastie in einer Weise korrekt, dass dem Betrachtenden dabei die Augen uebergehen. Sie tritt ein zuerst fuer Pompeius, dann fuer Caesar den Vater, dann fuer Cassius und Brutus, dann fuer die Triumvirn, dann fuer Antonius, endlich fuer Caesar den Sohn; die Treue wechselt wie die Parole. Dennoch ist diesem Verhalten die Folgerichtigkeit und Festigkeit nicht abzusprechen. Die Parteiungen, die die herrschende Buergerschaft zerrissen, ob Republik oder Monarchie, ob Caesar oder Antonius, gingen die abhaengigen Landschaften, vor allem die des griechischen Ostens, in der Tat nichts an. Die Entsittlichung, die mit allem revolutionaeren Regimentswechsel verbunden ist, die entweihende Vermengung der inneren Treue und des aeusseren Gehorsams, kam in diesem Fall in grellster Weise zum Vorschein; aber der Pflichterfuellung, wie sie das roemische Gemeinwesen von seinen Untertanen beanspruchte, hatte Koenig Herodes in einer Ausdehnung genuegt, welcher edlere und grossartigere Naturen allerdings nicht faehig gewesen sein wuerden. Den Parthern gegenueber hat er stets, auch in bedenklichen Lagen, fest zu den einmal erkorenen Schutzherren gehalten. Vom Standpunkt der inneren juedischen Politik aus ist das Regiment des Herodes die Beseitigung der Theokratie und insofern eine Fortsetzung, ja eine Steigerung des Regiments der Makkabaeer, als die Trennung des staatlichen und des Kirchenregiments in schneidendster Schaerfe durchgefuehrt wird in dem Gegensatz zwischen dem allmaechtigen, aber fremdgeborenen Koenig, und dem machtlosen, oft und willkuerlich gewechselten Erzpriester. Freilich wurde dem juedischen Hochpriester die koenigliche Stellung eher verziehen als dem fremden und priesterlicher Weihe unfaehigen Mann; und wenn die Hasmonaeer die Unabhaengigkeit des Judentums nach aussen hin vertraten, trug der Idumaeer seine koenigliche Macht ueber die Juden von dem Schirmherrn zu Lehen. Die Rueckwirkung dieses unloesbaren Konflikts auf eine tief leidenschaftliche Natur tritt in dem ganzen Lebenslauf des Mannes uns entgegen, der viel Leid bereitet, aber vielleicht nicht weniger empfunden hat. Immer sichern die Energie, die Stetigkeit, die Fuegsamkeit in das Unvermeidliche, die militaerische und politische Geschicklichkeit, wo dafuer Raum war, dem Judenkoenig einen gewissen Platz in dem Gesamtbild einer merkwuerdigen Epoche. Das fast vierzigjaehrige Regiment des Herodes – er starb im Jahre 750 (4) – im einzelnen zu schildern, wie es die dafuer in grosser Ausfuehrlichkeit erhaltenen Berichte gestatten, ist nicht die Aufgabe des Geschichtschreibers von Rom. Es gibt wohl kein Koenigshaus irgendeiner Zeit, in welchem die Blutfehde zwischen Eltern und Kindern, zwischen Gatten und Geschwistern in gleicher Weise gewuetet hat; Kaiser Augustus und seine Statthalter in Syrien wandten schaudernd sich ab von dem Anteil an dem Mordwerk, der ihnen angesonnen ward; nicht der mindest entsetzliche Zug in diesem Greuelbild ist die voellige Zwecklosigkeit der meisten, in der Regel auf grundlosen Verdacht verfuegten Exekutionen und die stetig nachfolgende verzweifelnde Reue des Urhebers. Wie kraeftig und verstaendig der Koenig das Interesse seines Landes, soweit er konnte und durfte, wahrnahm, wie energisch er nicht bloss in Palaestina, sondern im ganzen Reich mit seinen Schaetzen und mit seinem nicht geringen Einfluss fuer die Juden eintrat -die den Juden guenstige Entscheidung Agrippas in dem grossen kleinasiatischen Reichshandel hatten sie wesentlich ihm zu verdanken -, Liebe und Treue fand er wohl in Idumaea und Samaria, aber nicht bei dem Volke Israel; hier war und blieb er nicht so sehr der mit vielfacher Blutschuld beladene, als vor allem der fremde Mann. Wie es eine der Haupttriebfedern jenes Hauskrieges ist, dass er in seiner Gattin aus hasmonaeischem Geschlecht, der schoenen Mariamne, und in deren Kindern mehr die Juden als die Seinen sah und fuerchtete, so hat er es selbst ausgesprochen, dass er sich zu den Griechen ebenso hingezogen fuehle, wie von den Juden abgestossen. Es ist bezeichnend, dass er die Soehne, denen er zunaechst die Nachfolge zudachte, in Rom erziehen liess. Waehrend er aus seinen unerschoepflichen Reichtuemern die Griechenstaedte des Auslandes mit Gaben ueberhaeufte und mit Tempeln schmueckte, baute er fuer die Juden wohl auch, aber nicht im juedischen Sinne. Die Circus- und Theaterbauten in Jerusalem selbst wie die Tempel fuer den Kaiserkultus in den juedischen Staedten galten dem frommen Israeliten als Aufforderung zur Gotteslaesterung. Dass er den Tempel in Jerusalem in einen Prachtbau verwandelte, geschah halb gegen den Willen der Frommen; wie sehr sie den Bau bewunderten, dass er an demselben einen goldenen Adler anbrachte, wurde ihm mehr veruebelt als alle von ihm verfuegten Todesurteile und fuehrte zu einem Volksaufstand, dem der Adler zum Opfer fiel und dann freilich auch die Frommen, die ihn abrissen. Herodes kannte das Land genug, um es nicht auf das aeusserste kommen zu lassen; wenn es moeglich gewesen waere, dasselbe zu hellenisieren, der Wille dazu haette ihm nicht gefehlt. An Tatkraft stand der Idumaeer hinter den besten Hasmonaeern nicht zurueck. Der grosse Hafenbau beim Stratonsturm oder, wie die von Herodes voellig umgebaute Stadt seitdem heisst, bei Caesarea, gab der hafenarmen Kueste zuerst das, was sie brauchte, und die ganze Kaiserzeit hindurch ist die Stadt ein Hauptemporium des suedlichen Syriens geblieben. Was sonst die Regierung zu leisten vermag, Entwicklung der natuerlichen Hilfsquellen, Eintreten bei Hungersnot und anderen Kalamitaeten, vor allen Dingen Sicherheit des Landes nach innen und aussen, das hat Herodes geleistet. Der Raeuberunfug wurde abgestellt und die in diesen Gegenden so ungemein schwierige Verteidigung der Grenze gegen die streifenden Staemme der Wueste mit Strenge und Folgerichtigkeit durchgefuehrt. Dadurch wurde die roemische Regierung bewogen, ihm noch weitere Gebiete zu unterstellen, Ituraea, Trachonitis, Auranitis, Batanaea. Seitdem erstreckte sich seine Herrschaft, wie dies schon erwaehnt ward, geschlossen ueber das transjordanische Land bis gegen Damaskos und zum Hermongebirge; soviel wir erkennen koennen, hat es nach jenen weiteren Zuweisungen in dem ganzen bezeichneten Gebiet keine Freistadt und keine von Herodes unabhaengige Herrschaft mehr gegeben. Die Grenzverteidigung selbst traf mehr den arabischen Koenig als den der Juden; aber soweit sie ihm oblag, bewirkte die Reihe wohlversehener Grenzkastelle auch hier einen Landfrieden, wie man ihn bisher in diesen Gegenden nicht gekannt hatte. Man begreift es, dass Agrippa, nachdem er die Hafen- und die Kriegsbauten des Herodes besichtigt hatte, in ihm einen gleichstrebenden Gehilfen bei dem grossen Organisationswerk des Reiches erkannte und ihn in diesem Sinne behandelte.
Dauernden Bestand hatte sein Reich nicht. Herodes selbst teilte es in seinem Testament unter drei seiner Soehne, und Augustus bestaetigte die Verfuegung im wesentlichen, indem er nur den wichtigen Hafen Gaza und die transjordanischen Griechenstaedte unmittelbar unter den syrischen Statthalter stellte. Die noerdlichen Reichsteile wurden von dem Hauptland abgetrennt; das zuletzt von Herodes erworbene Gebiet suedlich von Damaskos, die Batanaea mit den dazu gehoerigen Distrikten erhielt Philippos, Galilaea und die Peraea, das heisst das transjordanische Gebiet, soweit es nicht griechisch war, Herodes Antipas, beide als Tetrarchen; diese beiden Kleinfuerstentuemer haben anfangs getrennt, dann unter Herodes des “Grossen” Urenkel Agrippa II. vereinigt, mit geringen Unterbrechungen bis unter Traianus fortbestanden. Wir haben ihres Regiments bei der Schilderung des oestlichen Syriens und Arabiens bereits gedacht. Hier mag nur hinzugefuegt werden, dass diese Herodeer, wenn nicht mit der Energie, doch im Sinn und Geist des Stifters der Dynastie weiterregierten. Die von ihnen eingerichteten Staedte Caesarea, das alte Paneas, im noerdlichen Gebiet und Tiberias in Galilaea sind ganz in der Art des Herodes hellenisch geordnet; charakteristisch ist die Aechtung, welche die juedischen Rabbis wegen eines bei der Anlage von Tiberias gefundenen Grabes ueber die unreine Stadt verhaengten.
Das Hauptland, Judaea nebst Samaria noerdlich und Idumaea suedlich, bekam nach dem Willen des Vaters Archelaos. Aber den Wuenschen der Nation entsprach diese Erbfolge nicht. Die Orthodoxen, das heisst die Pharisaeer, beherrschten so gut wie ausschliesslich die Masse, und wenn bisher die Furcht des Herrn einigermassen niedergehalten war durch die Furcht vor dem ruecksichtslos energischen Koenig, so stand doch der Sinn der grossen Majoritaet der Juden darauf, unter der Schirmherrschaft Roms das reine gottselige Priesterregiment wieder herzustellen, wie es einst die persischen Beamten eingerichtet hatten. Unmittelbar nach dem Tode des alten Koenigs hatten die Massen in Jerusalem sich zusammengerottet, um die Beseitigung des von Herodes ernannten Hohenpriesters und die Ausweisung der Unglaeubigen aus der heiligen Stadt zu verlangen, wo eben das Passah gefeiert werden sollte; Archelaos hatte sein Regiment damit beginnen muessen, auf diese Massen einhauen zu lassen; man zaehlte eine Menge Tote, und die Festfeier unterblieb. Der roemische Statthalter von Syrien – derselbe Varus, dessen Unverstand bald darauf den Roemern Germanien kostete -, dem es zunaechst oblag, waehrend des Interregnums die Ordnung im Lande aufrecht zu halten, hatte diesen in Jerusalem meuternden Haufen gestattet, nach Rom, wo eben ueber die Besetzung des juedischen Thrones verhandelt ward, eine Deputation von fuenfzig Personen zu entsenden, um die Abschaffung des Koenigtums zu erbitten, und als Augustus diese vorliess, gaben achttausend hauptstaedtische Juden ihr das Geleit zum Tempel des Apollo. Die fanatisierten Juden daheim fuhren inzwischen fort, sich selber zu helfen; die roemische Besatzung, die in den Tempel gelegt war, wurde mit stuermender Hand angegriffen, und fromme Raeuberscharen erfuellten das Land; Varus musste die Legionen ausruecken lassen und mit dem Schwert die Ruhe wieder herstellen. Es war eine Warnung fuer den Oberherrn, eine nachtraegliche Rechtfertigung fuer Koenig Herodes’ gewalttaetiges, aber wirksames Regiment. Aber mit der ganzen Schwaechlichkeit, welche er namentlich in spaeteren Jahren so oft bewies, wies Augustus allerdings die Vertreter jener fanatischen Massen mit ihrem Begehren ab, uebergab aber, im wesentlichen das Testament des Herodes ausfuehrend, die Herrschaft in Jerusalem dem Archelaos, gemindert um den koeniglichen Titel, den Augustus dem unerprobten jungen Mann zur Zeit nicht zugestehen mochte, ferner gemindert um die noerdlichen Gebiete und mit der Abnahme der Grenzverteidigung auch in der militaerischen Stellung herabgedrueckt. Dass auf Augustus’ Veranlassung die unter Herodes hochgespannten Steuern herabgesetzt wurden, konnte die Stellung des Vierfuersten wenig bessern. Archelaos’ persoenliche Unfaehigkeit und Unwuerdigkeit brauchten kaum noch hinzuzutreten, um ihn unmoeglich zu machen; wenige Jahre darauf (6 n. Chr.) sah Augustus selbst sich genoetigt, ihn abzusetzen. Nun tat er nachtraeglich jenen Meuterern ihren Willen: das Koenigtum wurde abgeschafft und das Land einerseits in unmittelbare roemische Verwaltung genommen, andererseits, soweit neben dieser ein inneres Regiment zugelassen ward, dasselbe dem Senat von Jerusalem uebergeben. Bei diesem Verfahren moegen allerdings teils frueher in Betreff der Erbfolge von Augustus dem Herodes gegebene Zusicherungen mitbestimmend gewesen sein, teils die mehr und mehr hervortretende und im allgemeinen wohl gerechtfertigte Abneigung der Reichsregierung gegen groessere, einigermassen selbstaendig sich bewegende Klientelstaaten. Was in Galatien, in Kappadokien, in Mauretanien kurz vorher oder bald nachher geschah, erklaert, warum auch in Palaestina das Reich des Herodes ihn selbst kaum ueberdauerte. Aber wie in Palaestina das unmittelbare Regiment geordnet ward, war es auch administrativ ein arger Rueckschritt gegen das Herodische; vor allem aber lagen hier die Verhaeltnisse so eigenartig und so schwierig, dass die allerdings von der Priesterpartei selbst hartnaeckig erstrebte und schliesslich erlangte unmittelbare Beruehrung der regierenden Roemer und der regierten Juden weder diesen noch jenen zum Segen gereichte.
Judaea wurde somit im Jahre 6 n. Chr. eine roemische Provinz zweiten Ranges ^11 und ist, abgesehen von der ephemeren Restauration des jerusalemischen Koenigreichs unter Claudius in den Jahren 41-44, seitdem roemische Provinz geblieben. An die Stelle des bisherigen lebenslaenglichen und, unter Vorbehalt der Bestaetigung durch die roemische Regierung, erblichen Landesfuersten trat ein vom Kaiser auf Widerruf ernannter Beamter aus dem Ritterstand. Der Sitz der roemischen Verwaltung wurde, wahrscheinlich sofort, die von Herodes nach hellenischem Muster umgebaute Hafenstadt Caesarea. Die Befreiung des Landes von roemischer Besatzung fiel selbstverstaendlich weg, aber, wie durchgaengig in den Provinzen zweiten Ranges, bestand die roemische Truppenmacht nur aus einer maessigen Zahl von Reiter- und Fussabteilungen der geringeren Kategorie; spaeterhin lagen dort eine Ala und fuenf Kohorten, etwa 3000 Mann. Diese Truppen wurden vielleicht von dem frueheren Regiment uebernommen, wenigstens zum grossen Teil im Lande selbst, jedoch meist aus Samaritanern und syrischen Griechen gebildet ^12. Legionarbesatzung erhielt die Provinz nicht, und auch in den Judaea benachbarten Gebieten stand hoechstens eine von den vier syrischen Legionen. Nach Jerusalem kam ein staendiger roemischer Kommandant, der in der Koenigsburg seinen Sitz nahm, mit einer schwachen staendigen Besatzung; nur waehrend der Passahzeit, wo das ganze Land und unzaehlige Fremde nach dem Tempel stroemten, lag eine staerkere Abteilung roemischer Soldaten in einer zum Tempel gehoerigen Halle. Dass mit der Einrichtung der Provinz die Steuerpflichtigkeit Rom gegenueber eintrat, folgt schon daraus, dass die Kosten der Landesverteidigung damit auf die Reichsregierung uebergingen. Nachdem diese bei der Einsetzung des Archelaos eine Herabsetzung der Abgaben veranlasst hatte, ist es wenig wahrscheinlich, dass sie bei der Einziehung des Landes eine sofortige Erhoehung derselben in Aussicht nahm; wohl aber wurde, wie in jedem neu erworbenen Gebiet, zu einer Revision der bisherigen Katastrierung geschritten ^13.
——————————————- ^11 Die Angabe des Josephus, dass Judaea zur Provinz Syrien gezogen und dessen Statthalter unterstellt worden sei (ant. Iud. 17 fin.: to? de Archelaoy ch/o/ras ypotelo?s prosnem/e/theis/e/s t/e/ S?r/o/n; 18, 1, 1 : eis t/e/n Ioydai/o/n prosth/e/k/e/n t/e/s Syrias; 4, 6) scheint unrichtig zu sein; vielmehr bildete Judaea wahrscheinlich seitdem eine eigene prokuratorische Provinz. Genaue Unterscheidung zwischen dem rechtlichen und dem faktischen Eingreifen des syrischen Statthalters darf man bei Josephus nicht erwarten. Dass derselbe die neue Provinz ordnete und die erste Schatzung leitete, entscheidet nicht ueber die Frage, welche Einrichtung ihr gegeben ward. Wo die Juden sich ueber ihren Prokurator bei dem Statthalter von Syrien beschweren und dieser gegen denselben einschreitet, ist allerdings der Prokurator von dem Legaten abhaengig; aber wenn L. Vitellius dies tat (Ios. ant. Iud. 18, 4, 2), so griff dessen Macht eben ausserordentlicherweise hinaus ueber die Provinz (Tac. ann. 6, 32; Roemisches Staatsrecht, Bd. 2, S. 822), und in dem andern Fall zeigen die Worte des Tacitus (12, 54): quia Claudius ius statuendi etiam de procuratoribus dederat, dass der Statthalter von Syrien kraft seiner allgemeinen Kompetenz ein solches Urteil nicht haette faellen koennen. Sowohl das ius gladii dieser Prokuratoren (Ios. bel. Iud. 2, 8, 1: mechri to? kteinein lab/o/n para to? Kaisaros exoysian, ant. Iud. 18, 1, 1; /e/g/e/somenos Ioydai/o/n t/e/ epi pasin exoysia) wie ihr ganzes Auftreten beweisen, dass sie nicht zu denen gehoerten, die unter einem kaiserlichen Legaten stehend nur finanzielle Geschaefte besorgten, sondern vielmehr wie die Prokuratoren von Noricum und Raetia auch fuer Rechtspflege und Heerbefehl die hoechste Instanz bildeten. Also hatten die Legaten von Syrien dort nur die Stellung wie die von Pannonien in Noricum und der obergermanische in Raetien. Dies entspricht auch der allgemeinen Entwicklung der Verhaeltnisse: alle groesseren Koenigreiche sind bei der Einziehung nicht den benachbarten grossen Statthalterschaften zugelegt worden, deren Machtfuelle zu steigern nicht in der Tendenz dieser Epoche liegt, sondern zu selbststaendigen, meist zuerst ritterlichen Statthalterschaften gemacht worden. ^12 Nach Josephus (ant. Iud. 20, 8, 7, genauer als bel. Iud. 2, 13, 7) bestand der groesste Teil der roemischen Truppen in Palaestina aus Caesareern und Sebastenern. Die ala Sebastenorum focht im Juedischen Kriege unter Vespasian (Ios. bel. Iud. 2, 12, 5). Vgl. Eph. epigr. V, p. 194. Alae und cohortes Iudaeorum gibt es nicht.
^13 Die Einkuenfte des Herodes beliefen sich nach Josephus (ant. Iud. 17, 11, 4) auf etwa 1200 Talente, wovon auf Batanaea mit den Nebenlaendern etwa 100, auf Galilaea und Peraea 200, das uebrige auf den Anteil des Archelaos entfallen; dabei ist wohl das aeltere hebraeische Talent (zu etwa 7830 Mark) gemeint, nicht, wie F. Hultsch (Griechische und roemische Metrologie. z. Aufl. Berlin 1882, S. 605) annimmt, das Denartalent (zu etwa 5220 Mark), da die Einkuenfte desselben Gebiets unter Claudius bei demselben Josephus (ant. Iud. 19, 8, 2) auf 12 Mill. Denare (etwa 10 Mill. Mark) angesetzt werden. Den Hauptposten darin bildete die Bodenabgabe, deren Hoehe wir nicht kennen; in syrischer Zeit betrug sie wenigstens zeitweilig den dritten Teil vom Getreide und die Haelfte von Wein und Oel (1. Makk. 10, 30), zu Caesars Zeit fuer Joppe ein Viertel der Frucht (Anm. 8), woneben dann noch der Tempelzehnte stand. Dazu kamen eine Anzahl anderer Steuern und Zoelle, Auktionsabgaben, Salzsteuer, Wege- und Brueckengelder u. dgl. m.; diese sind es, auf welche die Zoellner der Evangelien sich beziehen.
——————————————- Fuer die einheimischen Behoerden wurden in Judaea, wie ueberall, soweit moeglich die Stadtgemeinden zum Fundament genommen. Samaria oder, wie die Stadt jetzt heisst, Sebaste, das neu angelegte Caesarea und die sonstigen in dem ehemaligen Reich des Archelaos enthaltenen staedtischen Gemeinden verwalteten unter Aufsicht der roemischen Behoerde sich selbst. Auch das Regiment der Hauptstadt mit dem grossen dazugehoerigen Gebiet wurde in aehnlicher Weise geordnet. Schon in vorroemischer Zeit unter den Seleukiden hatte sich, wie wir sahen, in Jerusalem ein Rat der Aeltesten gebildet, das Synhedrion oder judaisiert der Sanhedrin. Den Vorsitz darin fuehrte der Hochpriester, welchen der jedesmalige Herr des Landes, wenn er nicht etwa selber Hochpriester war, auf Zeit bestellte. Dem Kollegium gehoerten die gewesenen Hochpriester und angesehene Gesetzkundige an. Diese Versammlung, in der das aristokratische Element ueberwog, funktionierte als hoechste geistliche Vertretung der gesamten Judenschaft, und, soweit diese davon nicht zu trennen war, auch als die weltliche Vertretung insbesondere der Gemeinde von Jerusalem. Zu einer geistlichen Institution mosaischer Satzung hat das Synhedrion von Jerusalem erst der spaetere Rabbinismus durch fromme Fiktion umgestempelt. Er entsprach wesentlich dem Rat der griechischen Stadtverfassung, trug aber allerdings seiner Zusammensetzung wie seinem Wirkungskreise nach einen mehr geistlichen Charakter, als er den griechischen Gemeindevertretungen zukommt. Diesem Synhedrion und seinem Hochpriester, den jetzt als Vertreter des kaiserlichen Landesherrn der Prokurator ernannte, liess oder uebertrug die roemische Regierung diejenige Kompetenz, welche in den hellenischen Untertanengemeinden den staedtischen Behoerden und den Gemeinderaeten zukam. Sie liess mit gleichgueltiger Kurzsichtigkeit dem transzendentalen Messianismus der Pharisaeer freien Lauf und dem bis zum Eintreffen des Messias fungierenden, keineswegs transzendentalen Landeskonsistorium ziemlich freies Schalten in Angelegenheiten des Glaubens, der Sitte und des Rechts, wo die roemischen Interessen dadurch nicht geradezu beruehrt wurden. Insbesondere betraf dies die Rechtspflege. Zwar soweit es sich dabei um roemische Buerger handelte, wird die Justiz in Zivil- wie in Kriminalsachen den roemischen Gerichten sogar schon vor der Einziehung des Landes vorbehalten gewesen sein. Aber die Ziviljustiz ueber die Juden blieb auch nach derselben hauptsaechlich der oertlichen Behoerde. Die Kriminaljustiz ueber dieselben uebte diese wahrscheinlich im allgemeinen konkurrierend mit dem roemischen Prokurator; nur Todesurteile konnte sie nicht anders vollstrecken lassen als nach Bestaetigung durch den kaiserlichen Beamten. Im wesentlichen waren diese Anordnungen die unabweisbaren Konsequenzen der Abschaffung des Fuerstentums, und indem die Juden diese erbaten, erbaten sie in der Tat jene mit. Gewiss war es auch die Absicht der Regierung, Haerte und Schroffheit bei der Durchfuehrung soweit moeglich zu vermeiden. Publius Sulpicius Quirinius, dem als Statthalter von Syrien die Einrichtung der neuen Provinz uebertragen ward, war ein angesehener und mit den Verhaeltnissen des Orients genau vertrauter Beamter, und alle Einzelberichte bestaetigen redend oder schweigend, dass man die Schwierigkeiten der Verhaeltnisse kannte und darauf Ruecksicht nahm. Die oertliche Praegung der Kleinmuenze, wie sie frueher die Koenige geuebt hatten, ging jetzt auf den Namen des roemischen Herrschers; aber der juedischen Bilderscheu wegen wurde nicht einmal der Kopf des Kaisers auf die Muenze gesetzt. Das Betreten des inneren Tempelraumes blieb jedem Nichtjuden untersagt bei Todesstrafe ^14. Wie ablehnend Augustus sich persoenlich gegen die orientalischen Kulte verhielt, er verschmaehte es hier sowenig wie in Aegypten, sie in ihrer Heimat mit dem Kaiserregiment zu verknuepfen; prachtvolle Geschenke des Augustus, der Livia und anderer Glieder des kaiserlichen Hauses schmueckten das Heiligtum der Juden, und nach kaiserlicher Stiftung rauchte taeglich dort dem “hoechsten Gott” das Opfer eines Stiers und zweier Laemmer. Die roemischen Soldaten wurden angewiesen, wenn sie in Jerusalem Dienst hatten, die Feldzeichen mit den Kaiserbildern in Caesarea zu lassen, und als ein Statthalter unter Tiberius davon abging, entsprach die Regierung schliesslich den flehenden Bitten der Frommen und liess es bei dem alten. Ja als auf einer Expedition gegen die Araber die roemischen Truppen durch Jerusalem marschieren sollten, erhielten sie infolge der Bedenken der Priester gegen die Bilder an den Feldzeichen eine andere Marschroute. Als ebenjener Statthalter dem Kaiser an der Koenigsburg in Jerusalem Schilde ohne Bildwerke weihte und die Frommen auch daran Aergernis nahmen, befahl Tiberius dieselben abzunehmen und an dem Augustustempel in Caesarea aufzuhaengen. Das Festgewand des Hohenpriesters, das sich auf der Burg in roemischem Gewahrsam befand und daher vor der Anlegung erst sieben Tage lang von solcher Entweihung gereinigt werden musste, wurde den Glaeubigen auf ihre Beschwerde ausgeliefert und der Kommandant der Burg angewiesen, sich nicht weiter um dasselbe zu bekuemmern. Allerdings konnte von der Menge nicht verlangt werden, dass sie darum die Folgen
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