Parthischen Reiches selbst in einen roemischen Lehnsstaat sind Korollarien desselben Gedankens. Es soll in keiner Weise geleugnet werden, dass bei der Eroberungspolitik die Konsequenz ein bedenkliches Lob ist und dass Traianus nach seiner Art bei diesen Unternehmungen dem Streben nach aeusserlichem Erfolg mehr als billig nachgegeben und ueber das verstaendige Ziel hinausgegriffen hat; aber es geschieht ihm Unrecht, wenn sein Auftreten im Osten auf blinde Eroberungslust zurueckgefuehrt wird ^53. Er tat, was Caesar, wenn er gelebt haette, auch getan haben wuerde. Seine Politik ist nur die andere Seite derjenigen der Staatsmaenner Neros, und beide sind so entgegengesetzt wie gleich folgerichtig und gleich berechtigt. Die Folgezeit hat mehr der erobernden Politik recht gegeben als derjenigen der Nachgiebigkeit. ————————————
^52 Fronto p. 209 Naber: cum praesens Traianus Euphratis et Tigridis portoria equorum et camelorum trib[utaque ordinaret, Ma]cer (?) caesus est. Dies geht auf den Moment, wo, waehrend Traian an der Tigrismuendung verweilte, Babylonien und Mesopotamien abfielen.
^53 Ungefaehr mit gleichem Recht laesst Julian (Caes. p. 328) den Kaiser sagen dass er gegen die Parther die Waffen nicht ergriffen habe, bevor sie das Recht verletzt haetten, und wirft ihm Dio (68, 17) vor, den Krieg aus Ehrgeiz gefuehrt zu haben.
———————————— Fuer den Augenblick freilich kam es anders. Die orientalischen Eroberungen Traians durchleuchten den trueben Abend des Roemerreiches wie die Blitzstrahlen die dunkle Nacht, aber wie diese bringen sie keinen neuen Morgen. Der Nachfolger fand sich vor die Wahl gestellt, das unfertige Werk der Unterwerfung der Parther zu vollenden oder fallen zu lassen. Ohne bedeutende Steigerung der Armee wie des Budgets konnte die Grenzerweiterung ueberall nicht durchgefuehrt werden; und die damit unvermeidlich gegebene Verschiebung des Schwerpunktes nach Osten war eine bedenkliche Staerkung des Reiches. Hadrian und Pius lenkten also voellig wieder ein in die Bahnen der frueheren Kaiserzeit. Den roemischen Lehnskoenig von Parthien, den Parthamaspates, liess Hadrian fallen und fand ihn in anderer Weise ab. Er raeumte Assyrien und Mesopotamien und gab diese Provinzen freiwillig dem frueheren Herrn zurueck. Nicht minder sandte er diesem die gefangene Tochter; das bleibende Zeichen des gewonnenen Sieges, den goldenen Thron von Ktesiphon, weigerte selbst der friedfertige Plus sich, den Parthern wieder auszuliefern. Hadrianus sowohl wie Pius waren ernstlich bemueht, mit dem Nachbarn in Frieden und Freundschaft zu leben, und zu keiner Zeit scheinen die Handelsbeziehungen zwischen den roemischen Entrepots an der syrischen Ostgrenze und den Kaufstaedten am Euphrat reger gewesen zu sein als in dieser Epoche. Armenien hoerte ebenfalls auf roemische Provinz zu sein und trat in seine fruehere Stellung zurueck als roemischer Lehnsstaat und parthische Sekundogenitur ^54. Abhaengig blieben gleichfalls die Fuersten der Albaner und Iberer am Kaukasus und die zahlreichen kleinen Dynasten in dem suedoestlichen Winkel des Schwarzen Meeres ^55. Roemische Besatzungen standen nicht bloss an der Kueste in Apsaros ^56 und am Phasis, sondern nachweislich unter Commodus in Armenien selbst unweit Artaxata; militaerisch gehoerten alle diese Staaten zum Sprengel des Kommandanten von Kappadokien ^57. Indes scheint diese ihrem Wesen nach sehr unbestimmte Oberhoheit ueberhaupt, und namentlich von Hadrian ^58, in einer Weise gehandhabt zu sein, dass sie mehr als ein Schutzrecht erschien denn als eigentliche Untertaenigkeit, und wenigstens die maechtigeren unter diesen Fuersten taten und liessen im wesentlichen, was ihnen gefiel. Das schon frueher hervorgehobene gemeinsame Interesse der Abwehr der wilden transkaukasischen Staemme trat in dieser Epoche noch bestimmter hervor und hat offenbar namentlich zwischen Roemern und Parthern als ein Band gedient. Gegen das Ende der Regierung Hadrians fielen die Alanen, im Einverstaendnis, wie es scheint, mit dem damaligen Koenig von Iberien, Pharasmanes II., dem es zunaechst oblag, ihnen den Kaukasuspass zu sperren, in die suedlichen Landschaften ein und pluenderten nicht bloss das Gebiet der Albaner und der Armenier, sondern auch die parthische Provinz Medien und die roemische Provinz Kappadokien; wenn es auch nicht zu gemeinschaftlicher Kriegfuehrung kam, sondern das Gold des damals in Parthien regierenden Herrschers Vologasos’ III. und die Mobilmachung der kappadokischen Armee von seiten der Roemer ^59 die Barbaren zur Umkehr bestimmten, so gingen die Interessen doch zusammen und die Beschwerde, welche die Parther in Rom ueber Pharasmanes von Iberien fuehrten, zeigt das Zusammenhalten der beiden Grossmaechte ^60.
———————————————– ^54 Unmoeglich kann Hadrian Armenien aus dem roemischen Lehnsverband entlassen haben. Die Notiz des Biographen (c. 21): Armeniis regem habere permisit, cum sub Traiano legatum habuissent fuehrt vielmehr auf das Gegenteil, und wir finden am Ende der Hadrianischen Regierung im Heer des Statthalters von Kappadokien das Kontingent der Armenier (Arr. Alan. 29). Pius hat nicht bloss die Parther durch seine Vorstellungen bestimmt, von der beabsichtigten Invasion Armeniens abzustehen (Vita 9), sondern auch Armenien in der Tat zu Lehen gegeben (Muenzen aus den Jahren 140-144, Eckhel 7, S. 15). Auch dass Iberien sicher unter Pius im Lehnsverband gestanden hat, weil sonst die Parther ueber deren Koenig nicht haetten in Rom Beschwerde fuehren koennen (Dio 69, 15), setzt das gleiche Lehnsverhaeltnis fuer Armenien voraus. Die Namen der armenischen Koenige dieser Zeit sind nicht bekannt. Wenn die proximae gentes, mit deren Herrschaft Hadrian den von Traian zum parthischen Koenig bestellten Partherfuersten entschaedigte (vita c. 5), in der Tat die Armenier sind, was nicht unwahrscheinlich ist, so liegt darin eine Bestaetigung sowohl der dauernden Abhaengigkeit Armeniens von Rom wie der fortdauernden Herrschaft der Arsakiden daselbst. Auch der A?r/e/lios Pakoros basileys megal/e/s Armenias der seinem in Rom verstorbenen Bruder Aurelius Merithates dort ein Grabmal errichtete (CIG 6559), gehoert seinem Namen nach zu dem Haus der Arsakiden. Schwerlich aber ist er der von Vologasos IV. ein- und von den Roemern abgesetzte Koenig von Armenien; waere dieser gefangen nach Rom gekommen, so wuerden wir es wissen, und es haette auch dieser kaum in einer roemischen Inschrift sich Koenig von Gross- Armenien nennen duerfen.
^55 Als belehnt von Traianus oder Hadrianus fuehrt Arrian (peripl. m. Eux. c. 15) auf die Heniocher und Machelonen (vgl. Dio 68,18; 71, 14); die Lazen (vgl. Suidas u. d. W. Dometianos), denen auch Pius einen Koenig setzte (vita 9); die Apsilen; die Absager; die Sanigen; diese alle innerhalb der bis Dioskurias = Sebastopolis reichenden Reichsgrenze; jenseits derselben im Bereich des bosporanischen Lehnstaats die Zicher oder Zincher (das. c. 27). ^56 Ausser Arrian (peripl. m. Eux. c. 7) bestaetigt dies der Offizier aus hadrianischer Zeit praepositus numerorum tendentium in Ponto Absaro (CIL X, 1202).
^57 Vgl. Anm. 63. Auch das im Jahre 185 in Valarschapat (Etschmiazin) unweit Artaxata garnisonierende Detachement wahrscheinlich von 1000 Mann (weil unter einem Tribun) gehoerte zu einer der kappadokischen Legionen (CIL III, 6052).
^58 Hadrians Bemuehung um die Freundschaft der orientalischen Lehnsfuersten wird oft hervorgehoben, nicht ohne Hindeutung darauf, dass er sich mehr als billig von ihnen habe gefallen lassen (vita c. 13, 17, 21). Pharasmanes von Iberien kam auf seine Einladung nicht nach Rom, folgte aber derjenigen des Pius (vita Hadr. 13, 21; vita Pii 9; Dio 69, 15, 2, welches Exzerpt unter Pius gehoert).
^59 Den merkwuerdigen Bericht des Statthalters von Kappadokien unter Hadrian, Flavius Arrianus, ueber die Mobilmachung der kappadokischen Armee gegen die “Skythen” besitzen wir noch unter dessen kleinen Schriften; er war selbst am Kaukasus und besichtigte die dortigen Paesse (Lyd. mag. 3, 53). ^60 Das lehren die Truemmer des Dionischen Berichts bei Xiphilin, Zonaras und in den Exzerpten; die richtige Lesung Alanoi statt Albanoi hat Zonaras bewahrt; dass die Alanen auch das Albanergebiet pluenderten, ergibt die Fassung der exc. urs. LXXII.
———————————————– Die Stoerungen des Status quo kamen wieder von parthischer Seite. Die Oberherrlichkeit der Roemer ueber Armenien hat in der Geschichte eine aehnliche Rolle gespielt wie die des deutschen Kaiserreiches ueber Italien; wesenlos wie sie war, wurde sie doch stets als Uebergriff empfunden und trug die Kriegsgefahr im Schosse. Schon unter Hadrian drohte der Konflikt; es gelang dem Kaiser, in einer persoenlichen Zusammenkunft mit dem Partherfuersten den Friedensstand zu wahren. Unter Pius schien abermals die parthische Invasion Armeniens bevorzustehen; seine ernste Abmahnung war zunaechst von Erfolg. Aber selbst dieser friedfertigste aller Kaiser, dem es mehr am Herzen lag, das Leben eines Buergers zu sparen als tausend Feinde zu toeten, musste in der letzten Zeit seiner Regierung sich auf den Angriff gefasst machen und die Heere des Orients verstaerken. Kaum hatte er die Augen geschlossen (161), als sich das lange drohende Gewitter entlud. Auf Befehl des Koenigs Vologasos IV. rueckte der persische Feldherr Chosroes ^61 in Armenien ein und setzte den Arsakidenprinzen Pakoros auf den Thron. Der Statthalter von Kappadokien, Severianus, tat, was seine Pflicht war, und fuehrte seinerseits die roemischen Truppen ueber den Euphrat. Bei Elegeia, eben da, wo ein Menschenalter zuvor der ebenfalls von den Parthern auf den armenischen Thron gesetzte Koenig Parthomasiris sich vor Traian vergeblich gedemuetigt hatte, stiessen die Heere aufeinander; das roemische wurde nicht bloss geschlagen, sondern in dreitaegigem Kampfe vernichtet; der unglueckliche Feldherr gab, wie einst Varus, sich selber den Tod. Die siegreichen Orientalen begnuegten sich nicht mit der Einnahme Armeniens, sondern ueberschritten den Euphrat und brachen in Syrien ein; auch das dort stehende Heer wurde geschlagen und man fuerchtete fuer die Treue der Syrer. Die roemische Regierung hatte keine Wahl. Da die Truppen des Orients auch bei dieser Gelegenheit ihre geringe Schlagfaehigkeit bewiesen und ueberdies durch die erlittene Niederlage geschwaecht und demoralisiert waren, wurden aus dem Westen, selbst vom Rhein her weitere Legionen nach dem Osten gesandt und in Italien selbst Aushebungen angeordnet. Der eine der beiden kurz vorher zur Regierung gelangten Kaiser, Lucius Verus, ging selbst nach dem Orient (162), um den Oberbefehl zu uebernehmen; und wenn er, weder kriegerisch noch auch nur pflichttreu, sich der Aufgabe nicht gewachsen zeigte und von seinen Taten im Orient kaum etwas anderes zu berichten ist, als dass er mit seiner Nichte daselbst Hochzeit machte und wegen seines Theaterenthusiasmus selbst von den Antiochenern ausgelacht ward, so fuehrten die Statthalter von Kappadokien und von Syrien, dort zuerst Statius Priscus, dann Martius Verus, hier Avidius Cassius ^62, die besten Generale dieser Epoche, die Sache Roms besser als der Traeger der Krone. Noch einmal, bevor die Heere aneinander kamen, boten die Roemer den Frieden; gern haette Marcus den schweren Krieg vermieden. Aber Vologasos wies die billigen Vorschlaege schroff zurueck; und diesmal war der friedfertige Nachbar auch der staerkere. Armenien wurde sofort wieder gewonnen; schon im Jahre 163 nahm Priscus die Hauptstadt Artaxata ein und zerstoerte sie. Nicht weit davon wurde die neue Landeshauptstadt, Kainepolis, armenisch Nor- Khalakh oder Valarschapat (Etschmiazin), von den Roemern erbaut und mit starker Besatzung belegt ^63. Im Jahre darauf wurde an Pakoros’ Stelle Sohaemos, der Abstammung nach auch ein Arsakide, aber roemischer Untertan und roemischer Senator, zum Koenig von Gross-Armenien ernannt ^64. Rechtlich also aenderte in Armenien sich nichts; doch wurden die Bande, die es an Rom knuepften, straffer angezogen.
————————————————- ^61 So heisst er bei Lukian hist. conscr. 21; wenn derselbe ihn Alex. 27 Othryades nennt, so schoepft er hier aus einem Historiker von dem Schlage derer, welche er in jener Schrift verspottet und von denen ein anderer denselben Mann als Oxyroes hellenisierte (hist. conscr. 18). ^62 Syrien verwaltete, als der Krieg ausbrach, L. Attidius Cornelianus (CIG 4661 vom Jahre 160; vita Marci 8; CIL III 129 vom Jahre 162), nach ihm Iulius Verus (CIL III, 199, wahrscheinlich vom Jahre 163), alsdann Avidius Cassius, vermutlich seit dem Jahre 164. Dass die uebrigen Provinzen des Ostens an Cassius’ Befehle gewiesen wurden (vit. soph. 1, 13; Dio 71, 3), aehnlich wie dies bei Corbulo als Legaten von Kappadokien geschehen war, kann sich nur auf die Zeit nach dem Abgang des Kaisers Verus beziehen; solange dieser den nominellen Oberbefehl fuehrte, ist dafuer kein Raum. ^63 Ein wahrscheinlich Dionisches Fragment (bei Suidas unter Martios) erzaehlt, dass Priscus in Armenien die Koin/e/ polis anlegte und mit roemischer Besatzung versah, sein Nachfolger Martius Verus die dort entstandene nationale Bewegung beschwichtigte und diese Stadt zur ersten Armeniens erklaerte. Dies ist Valarschapat (Oyalasarpat oder Oyaleroktist/e/ bei Agathangelos), seitdem die Hauptstadt Armeniens. Koin/e/ polis ist, wie mich Kiepert belehrt, schon von Stilting erkannt als abersetzung des armenischen Ntr-Khalakh, welche zweite Benennung Valarschapat bei den armenischen Autoren des fuenften Jahrhunderts stets neben der gewoehnlichen fuehrt. Moses von Khorene laesst nach Bardesanes die Stadt aus einer unter Koenig Tigran VI., der nach ihm 150-188 regiert, hierhin gefuehrten Judenkolonie entstehen; ihre Ummauerung und Benennung fuehrt er auf dessen Sohn Valarsch II. 188-208 zurueck. Dass die Stadt im Jahre 185 starke roemische Besatzung hatte, zeigt die Inschrift CIL III, 6052. ^64 Dass Sohaemos Achaemenide und Arsakide war (oder zu sein vorgab) und Koenigssohn und Koenig so wie roemischer Senator und Konsul, bevor er Koenig von Gross-Armenien ward, sagt sein Zeitgenosse Iamblichos (c. 10 des Auszugs bei Photios). Wahrscheinlich gehoert er der Dynastenfamilie von Hemesa an (Ios. ant. Iud. 20, 8, 4 und sonst). Wenn Iamblichos der Babylonier “unter ihm” schrieb, so kann dies wohl nur so verstanden werden, dass er seinen Roman in Artaxata verfasst hat. Dass Sohaemos vor Pakoros ueber Armenien geherrscht hat, wird nirgend gesagt und ist nicht wahrscheinlich, da weder Frontos Worte (p. 127 Naber) quod Sohaemo potius quam Vologaeso regnum Armeniae dedisset aut quod Pacorum regno privasset noch die des Fragments aus Dio (?) 71, 1: Martios Oy/e/ros ton THoykydid/e/n ekpempei katagagein Sosimon es Arm/e/nian auf Wiedereinsetzung fuehren, die Muenzen aber mit rex Armeniis datus (Eckhel 7, S. 91; vgl. vita Veri 7, 8) diese in der Tat ausschliessen. Den Vorgaenger des Pakoros kennen wir nicht und wissen nicht einmal, ob der Thron, den er einnahm, erledigt oder besetzt war.
————————————————- Ernster waren die Kaempfe in Syrien und Mesopotamien. Die Euphratlinie wurde von den Parthern hartnaeckig verteidigt; nach einem lebhaften Gefecht am rechten Ufer bei Sura wurde die Festung Nikephorion (Rakka) auf dem linken von den Roemern erstuermt. Noch heftiger wurde um den Uebergang bei Zeugma gestritten; aber auch hier blieb in der entscheidenden Schlacht bei Europos (Djerabis, suedlich von Biredjik) den Roemern der Sieg. Sie rueckten nun ihrerseits in Mesopotamien ein. Edessa wurde belagert, Dausara unweit davon erstuermt; die Roemer erschienen vor Nisibis; der parthische Feldherr rettete sich schwimmend ueber den Tigris. Die Roemer konnten von Mesopotamien aus den Marsch nach Babylon antreten. Die Satrapen verliessen teilweise die Fahnen des geschlagenen Grosskoenigs; Seleukeia, die grosse Kapitale der Hellenen am Euphrat, oeffnete den Roemern freiwillig die Tore, wurde aber spaeter, weil die Buergerschaft mit Recht oder mit Unrecht des Einverstaendnisses mit dem Feinde beschuldigt ward, von den Roemern niedergebrannt. Auch die parthische Hauptstadt Ktesiphon wurde genommen und zerstoert; mit gutem Grund konnte zu Anfang des Jahres 165 der Senat die beiden Herrscher als die parthischen Grosssieger begruessen. In dem Feldzug dieses Jahres drang Cassius sogar in Medien ein; indes namentlich die in diesen Gegenden ausbrechende Pest dezimierte die Truppen und noetigte zur Umkehr, beschleunigte vielleicht auch den Friedensschluss. Das Ergebnis des Krieges war die Abtretung des westlichen Strichs von Mesopotamien: die Fuersten von Edessa oder von Osrhoene traten in den roemischen Lehnsverband und die Stadt Karrhae, seit langem gut griechisch gesinnt, wurde Freistadt unter roemischem Schutz ^65. Dem Umfang nach war, zumal dem vollstaendigen Kriegserfolg gegenueber, der Gebietszuwachs maessig, dennoch aber von Bedeutung, insofern damit die Roemer Fuss fassten am linken Ufer des Euphrat. Im uebrigen wurden die besetzten Gebiete den Parthern zurueckgegeben und der Status quo wiederhergestellt. Im ganzen also gab man die zurueckhaltende, von Hadrian aufgenommene Politik jetzt wieder auf und lenkte ein in die Bahn des Traianus. Es ist dies um so bemerkenswerter, als der Regierung des Marcus gewiss nicht Ehrgeiz und Vergroesserungsstreben zum Vorwurf gemacht werden kann; was sie tat, tat sie notgedrungen und in bescheidenen Grenzen. —————————————————- ^65 Dies zeigen die mesopotamischen Koenigs- und Stadtmuenzen. Berichte ueber die Friedensbedingungen fehlen in unserer Ueberlieferung. —————————————————- Den gleichen Weg ging weiter und entschiedener Kaiser Severus. Das Dreikaiserjahr 193 hatte zum Kriege zwischen den Legionen des Westens und denen des Ostens gefuehrt, und mit Pescennius Niger waren diese unterlegen. Die roemischen Lehnsfuersten des Ostens und nicht minder der Beherrscher der Parther, Vologasos V., des Sanatrukios Sohn, hatten, wie begreiflich, den Niger anerkannt und ihm sogar ihre Truppen zur Verfuegung gestellt; dieser hatte erst dankend abgelehnt, dann, als seine Sache eine ueble Wendung nahm, ihre Hilfe angerufen. Die uebrigen roemischen Lehnstraeger, vor allem der von Armenien, hielten sich vorsichtig zurueck; nur der Fuerst von Edessa, Abgaros, sandte den verlangten Zuzug. Die Parther versprachen Hilfe, und sie kam auch wenigstens aus den naechsten Distrikten, von dem Fuersten Barsemias von Hatra in der mesopotamischen Wueste und von jenseits des Tigris von dem Satrapen der Adiabener. Auch nach Nigers Tod (194) blieben diese Fremden nicht bloss in dem roemischen Mesopotamien, sondern forderten sogar das Herausziehen der daselbst stehenden roemischen Besatzungen und die Rueckgabe dieses Gebiets ^66. Darauf rueckte Severus in Mesopotamien ein und nahm die ganze ausgedehnte und wichtige Landschaft in Besitz. Von Nisibis aus wurde eine Expedition gegen den Araberfuersten von Hatra gefuehrt, der es indes nicht gelang, die feste Stadt zu nehmen; auch jenseits des Tigris gegen den Satrapen von Adiabene richteten die Generale des Severus nichts Bedeutendes aus ^67. Aber Mesopotamien, das heisst das ganze Gebiet zwischen Euphrat und Tigris bis zum Chaboras, wurde roemische Provinz und mit zwei dieser Gebietserweiterung wegen neu geschaffenen Legionen belegt. Das Fuerstentum Edessa blieb als roemische Lehnsherrschaft bestehen, war aber jetzt nicht mehr Grenzgebiet, sondern von unmittelbarem Reichsland umschlossen. Hauptstadt der neuen Provinz und Sitz des Statthalters wurde die ansehnliche und feste Stadt Nisibis, seitdem nach dem Namen des Kaisers genannt und als roemische Kolonie geordnet. Nachdem also von dem Parthischen Reiche ein wichtiger Gebietsteil abgerissen und gegen zwei von ihm abhaengige Satrapen Waffengewalt gebraucht worden war, machte sich der Grosskoenig mit den Truppen auf, um den Roemern entgegenzutreten. Severus bot die Hand zum Frieden und trat fuer Mesopotamien einen Teil von Armenien ab. Indes war damit die Waffenentscheidung nur vertagt. So wie Severus nach dem Westen aufgebrochen war, wohin die Verwicklung mit seinem Mitherrscher in Gallien ihn abrief, brachen die Parther den Frieden ^68 und rueckten in Mesopotamien ein; der Fuerst von Osrhoene ward vertrieben, das Land besetzt und der Statthalter Laetus, einer der vorzueglichsten Kriegsmaenner der Zeit, in Nisibis belagert. Er schwebte in grosser Gefahr, als Severus, nachdem Albinus unterlegen war, im Jahre 198 abermals im Orient eintraf. Damit wendete sich das Kriegsglueck. Die Parther wichen zurueck, und nun ergriff Severus die Offensive. Er rueckte in Babylonien ein und gewann Seleukeia und Ktesiphon; der Partherkoenig rettete sich mit wenigen Reitern durch die Flucht, der Kronschatz wurde die Beute der Sieger, die parthische Hauptstadt den roemischen Soldaten zur Pluenderung preisgegeben und ueber 100000 Gefangene auf den roemischen Sklavenmarkt gebracht. Besser freilich als der Partherstaat selbst wehrten sich die Araber in Hatra; vergeblich versuchte Severus in zwiefacher schwerer Belagerung, die Wuestenburg zu bezwingen. Aber im wesentlichen war der Erfolg der beiden Feldzuege der Jahre 198 und 199 ein vollstaendiger. Durch die Einrichtung der Provinz Mesopotamien und des grossen Kommandos daselbst verlor Armenien die Zwischenstellung, welche es bisher gehabt hatte; es konnte in den bisherigen Verhaeltnissen verbleiben und von der foermlichen Einverleibung abgesehen werden. Das Land behielt also seine eigenen Truppen, und die Reichsregierung hat sogar fuer dieselben spaeterhin einen Zuschuss aus der Reichskasse gezahlt ^69. ——————————————————– ^66 Der Anfang des ursinischen Exzerpts Dio 75, 1, 2 ist verwirrt. Oi Orrs/e/noi, heisst es, kai oi Adiab/e/noi apostantes kai Nisibin poliorko?ntes kai /e/tt/e/thentes ypo Seoy/e/roy epresbe?sano pros ayton meta ton to? Nigroy thanaton. Osrhoene war damals roemisch, Adiabene parthisch; von wem fallen die beiden Landschaften ab? und wessen Partei haben die Nisibener ergriffen? Dass deren Gegner vor Absendung der Gesandtschaft von Severus geschlagen worden, widerspricht dem Verlauf der Erzaehlung; denn weil ihre Gesandten dem Severus ungenuegende Anerbietungen machen, ueberzieht sie dieser mit Krieg. Wahrscheinlich ist die Unterstuetzung Nigers durch Untertanen der Parther und deren Gemeinschaft mit Nigers roemischem Parteigaenger nun genau als Abfall von Severus aufgefasst; dass die Leute nachher behaupten, sie haetten beabsichtigt, vielmehr Severus zu unterstuetzen, wird deutlich als Ausflucht bezeichnet. Die Nisibener moegen sich geweigert haben mitzutun und deshalb von den Anhaengern Nigers angegriffen worden sein. So erklaert es sich, was auch aus dem Xiphilinischen Auszug Dio 75, 2 erhellt, dass das linke Euphratufer fuer Severus Feindesland war, nicht aber Nisibis; roemisch braucht die Stadt darum damals nicht gewesen zu sein, vielmehr ist sie nach allen Spuren dies erst durch Severus geworden.
^67 Da die Kriege gegen die Araber und die Adiabener in der Tat gegen die Parther gerichtet waren, so war es in der Ordnung, dass dem Kaiser deswegen die Titel Parthicus Arabicus und Parthicus Adiabenicus erteilt wurden; sie finden sich auch, aber gewoehnlich bleibt Parthicus weg, offenbar weil, wie der Biograph des Severus sagt (c. 9), excusavit Parthicum nomen, ne Parthos lacesseret. Dazu stimmt die sicher in das Jahr 195 gehoerende Notiz bei Dio 75, 9, 6 ueber das friedliche Abkommen mit den Parthern und die Abtretung eines Stueckes von Armenien an sie.
^68 Dass auch Armenien in ihre Gewalt geriet, deutet Herodian 5, 9, 2 an; freilich ist seine Darstellung schief und fehlerhaft. ^69 Als bei dem Frieden im Jahre 218 das alte Verhaeltnis zwischen Rom und Armenien erneuert wurde, machte der Koenig von Armenien sich Aussicht auf Erneuerung der roemischen Jahresgelder (Dio 78, 27: to? Tiridatoy to arg?rion o kat’ etos para t/o/n R/o/mai/o/n eyrisketo elpisantos l/e/psesthai). Eigentliche Tributzahlung der Roemer an die Armenier ist fuer die severische und die vorseverische Zeit ausgeschlossen, stimmt auch keineswegs zu den Worten Dios; der Zusammenhang wird der bezeichnete sein. Im 4. und 5. Jahrhundert wurde das Kastell von Biriparach im Kaukasus, das den Darielpass sperrte, von den Persern, die seit dem Frieden von 364 hier die Herren spielten, mit roemischem Zuschuss unterhalten und dies ebenfalls als Tributzahlung aufgefasst (Lyd. mag. 3, 52, 53; Priscus fr. 31 Mueller).
——————————————————– Die weitere Entwicklung dieser Nachbarverhaeltnisse ist bedingt durch die Verschiebung der inneren Ordnung in den beiden Reichen. Wenn unter der Dynastie Nervas und nicht minder unter Severus dem oft von Buergerkrieg und Thronfehde zerrissenen Partherstaat die relativ stabile roemische Monarchie ueberlegen gegenuebergestanden hatte, so brach diese Ordnung nach Severus’ Tode zusammen, und fast ein Jahrhundert lang folgten sich in dem Westreich meist elende und durchaus ephemere Regenten, die dem Ausland gegenueber stetig schwankten zwischen Uebermut und Schwaeche. Waehrend also die Schale des Westens sank, stieg diejenige des Ostens. Wenige Jahre nach dem Tode des Severus (211) traf in Iran eine Umwaelzung ein, welche nicht bloss, wie so viele fruehere Krisen, den herrschenden Regenten stuerzte, nicht einmal bloss eine andere Dynastie an die Stelle der verkommenen Arsakiden ans Regiment rief, sondern die nationalen und religioesen Elemente zu gewaltigem Aufschwung entfesselnd an die Stelle der vom Hellenismus durchdrungenen Bastardzivilisation des Partherstaats die Staatsordnung, den Glauben, die Sitte und die Fuersten derjenigen Landschaft setzte, welche das alte Perserreich geschaffen hatte und seit dessen Uebergang an die parthische Dynastie wie die Graeber des Dareios und des Xerxes, so auch die Keime der Wiedergeburt des Volkes in sich bewahrte. Es erfolgte die Wiederherstellung des von Alexander niedergeworfenen Grosskoenigtums der Perser durch das Eintreten der Dynastie der Sassaniden. Werfen wir auf diese neue Gestaltung der Dinge einen Blick, bevor wir den Verlauf der roemisch-parthischen Beziehungen im Orient weiter verfolgen.
Es ist schon ausgesprochen worden, dass die parthische Dynastie, obwohl in der Tat sie Iran dem Hellenismus entrissen hatte, doch der Nation sozusagen als illegitim galt. Artahschatr oder neupersisch Ardaschir, so berichtet die offizielle Historiographie der Sassaniden, trat auf, um das Blut des von Alexander ermordeten Dara zu raechen und um die Herrschaft an die legitime Familie zurueckzubringen und sie so wieder herzustellen, wie sie zur Zeit seiner Vorfahren, vor den Teilkoenigen gewesen war. In dieser Legende steckt ein gutes Stueck Wirklichkeit. Die Dynastie, welche von dem Grossvater Ardaschirs, Sasan, den Namen fuehrt, ist keine andere als die koenigliche der persischen Landschaft; Ardaschirs Vater Papak oder Pabek ^70 und eine lange Reihe seiner Ahnen hatten unter der Obergewalt der Arsakiden in diesem Stammlande der iranischen Nation das Szepter gefuehrt ^71, in Istachr, unweit des alten Persepolis, residiert und ihre Muenzen mit iranischer Sprache und iranischer Schrift und mit den heiligen Emblemen des persischen Landesglaubens bezeichnet, waehrend die Grosskoenige in dem halb griechischen Grenzland ihren Sitz hatten und ihre Muenzen in griechischer Sprache und griechischer Weise praegen liessen. Die Grundordnung des iranischen Staatensystems, das den Teilkoenigen uebergeordnete Grosskoenigtum, ist unter den beiden Dynastien ebensowenig eine verschiedene gewesen, wie die des Reiches Deutscher Nation unter den saechsischen und den schwaebischen Kaisern. Nur darum wird in jener offiziellen Version die Arsakidenzeit als die der Teilkoenige und Ardaschir als das erste gemeinsame Haupt von ganz Iran nach dem letzten Dareios bezeichnet, weil im alten Persischen Reich die persische Landschaft wie zu den uebrigen, so auch zu den Parthern sich verhaelt wie im roemischen Staat Italien zu den Provinzen, und der Perser dem Parther die Legitimation fuer das von Rechts wegen mit seiner Landschaft verbundene Grosskoenigtum bestritt ^72. ———————————————– ^70 Artaxares nennt seinen Vater Papakos in der Anm. 74 angefuehrten Inschrift Koenig; wie damit auszugleichen ist, dass nicht bloss die einheimische Legende (bei Agathias 2, 27) den Pabek zum Schuster macht, sondern auch der Zeitgenosse Dion (wenn in der Tat Zon. 12, 15 diese Worte aus ihm entlehnt hat) den Artaxares nennt ex aphan/o/n kai adox/o/n, wissen wir nicht. Natuerlich nehmen die roemischen Schriftsteller fuer den schwachen legitimen Arsakiden Partei gegen den gefaehrlichen Usurpator. ^71 Strabon (unter Tiberius) 15, 3, 24: n?n d’/e/d/e/ kath’ ayto?s synest/o/tes oi Persai basileas echoysin yp/e/kooys eterois basile?si, proteron men Makedosi, n?n de Parthyaiois.
^72 Wenn Noeldeke sagt (Tabari, S. 449): “Dass die Hauptlaender der Monarchie direkt der Krone unterworfen waren, bildete den Hauptunterschied des Sassanidenreichs vom arsakidischen, welches in den verschiedensten Provinzen wirkliche Koenige hatte”, so wird die Macht des Grosskoenigtums ohne Zweifel durchaus durch die Persoenlichkeit des Inhabers bedingt und unter den ersten Sassaniden eine viel staerkere gewesen sein als unter den letzten verkommenen Arsakiden. Aber ein prinzipieller Gegensatz ist nicht erfindlich. Von Mithradates I. an, dem eigentlichen Gruender der Dynastie, nennt sich der arsakidische Herrscher “Koenig der Koenige”, eben wie spaeter der sassanidische, waehrend Alexander der Grosse und die Seleukiden diesen Titel nie gefuehrt haben. Auch unter ihnen herrschten einzelne Lehnskoenige, zum Beispiel in der Persis (Anm. 71); aber die regelmaessige Form der Reichsverwaltung war das Lehnskoenigtum damals nicht und die griechischen Herrscher nannten sich nicht danach, so wenig wie die Caesaren wegen Kappadokien oder Numidien den Grosskoenigtitel annahmen. Die Satrapen des Arsakidenstaats sind wesentlich die Marzbanen der Sassaniden. Eher moegen die grossen Reichsaemter, welche in der sassanidischen Staatsordnung den Oberverwaltungsstellen der Diocletianisch- Konstantinischen Konstitution entsprechen und wahrscheinlich fuer diese das Vorbild gewesen sind, dem Arsakidenstaat gemangelt haben; dann wuerden allerdings beide sich aehnlich zueinander verhalten wie die Reichsordnung Augusts zu der Konstantins. Aber wir wissen zu wenig von der Arsakidenordnung, um dies mit Sicherheit zu behaupten.
———————————————– Wie dem Umfange nach das Sassanidenreich sich zu dem der Arsakiden verhielt, ist eine Frage, auf die die Ueberlieferung keine genuegende Antwort gibt. Die Provinzen des Westens sind, seit die neue Dynastie fest im Sattel sass, saemtlich derselben untertaenig geblieben und die Ansprueche, die die letztere gegen die Roemer erhob, gingen, wie wir sehen werden, weit hinaus ueber die Praetensionen der Arsakiden. Aber wie weit die Herrschaft der Sassaniden gegen den Osten gereicht hat und wann sie bis zum Oxos vorgedrungen ist, der spaeter als die legitime Grenze zwischen Iran und Turan gilt, entzieht sich unseren Blicken ^73.
——————————————- ^73 Nach den in der arabischen Chronik des Tabari erhaltenen persischen Aufzeichnungen aus der letzten Sassanidenzeit erobert Ardaschir, nachdem er Ardawan eigenhaendig den Kopf abgehauen und den Titel Schahan-Schah, Koenig der Koenige, angenommen hat, zuerst Hamadhan (Ekbatana) in Grossmedien, dann Aserbeidschan (Atropatene), Armenien, Mosul (Adiabene); ferner Suristan oder Sawad (Babylonien). Von da geht er nach Istachr in seine persische Heimat zurueck und erobert dann, von neuem ausziehend, Sagistan, Gurgan (Hyrkanien), Abraschahr (Nisapur im Partherland), Marw (Margiane), Balch (Baktra) und Charizm (Chiwa) bis zu den aeussersten Grenzen von Chorasan. “Nachdem er viele Leute getoetet und ihre Koepfe nach dem Feuertempel der Anahedh (in Istachr) geschickt hatte, kehrte er von Marw nach Pars zurueck und liess sich in Gor (Feruzabad) nieder.” Wieviel hiervon Legende ist, wissen wir nicht (vgl. Noeldeke, Tabari, S. 17, 116).
——————————————- Das Staatssystem Irans hat infolge des Eintritts der neuen Dynastie sich nicht gerade prinzipiell umgestaltet. Die offizielle Titulatur des ersten Sassanidenherrschers, wie sie unter dem Felsrelief von Nakschi-Rustam in drei Sprachen gleichmaessig angegeben ist: “der Mazda-Diener Gott Artaxares, Koenig der Koenige der Arianer, goettlicher Abstammung” ^74, ist im wesentlichen die der Arsakiden, nur dass die iranische Nation, wie schon in der alteinheimischen Koenigstitulatur, und der einheimische Gott jetzt ausdruecklich genannt werden. Dass eine in der Persis heimische Dynastie an die Stelle einer urspruenglich stammfremden und nur nationalisierten trat, war ein Werk und ein Sieg nationaler Reaktion; aber den daraus sich ergebenden Konsequenzen setzte die Macht der Verhaeltnisse vielfach unuebersteigliche Schranken. Persepolis oder, wie es jetzt heisst, Istachr wird wieder dem Namen nach die Hauptstadt des Reiches, und neben den gleichartigen des Dareios verkuenden dort auf derselben Felsenwand die merkwuerdigen Bildwerke und noch merkwuerdigeren, eben erwaehnten Inschriften den Ruhm Ardaschirs und Schapurs; aber die Verwaltung konnte von dieser entlegenen Oertlichkeit aus nicht wohl gefuehrt werden, und ihr Mittelpunkt blieb auch ferner Ktesiphon. Den rechtlichen Vorzug der Perser, wie er unter den Achaemeniden bestanden hatte, nahm die neupersische Regierung nicht wieder auf; wenn Dareios sich “einen Perser, Sohn eines Persers, einen Arier aus arischem Stamm” nannte, so nannte Ardaschir sich, wie wir sahen, lediglich den Koenig der Arianer. Ob in die grossen Geschlechter, abgesehen von dem koeniglichen, persische Elemente neu eingefuehrt worden sind, wissen wir nicht; auf jeden Fall sind mehrere von ihnen geblieben, wie die Suren und die Karen; nur unter den Achaemeniden, nicht unter den Sassaniden sind dieselben ausschliesslich persisch gewesen.
——————————————- ^74 Griechisch (CIG 4675) lautet der Titel: Masdasnos; (Mazda-Diener, als Eigenname behandelt) theos Artaxar/e/s basile?s basile/o/n Arian/o/n ek genoys the/o/n; genau damit stimmt der Titel seines Sohnes Sapor 1. (das. 4676), nur dass nach Arian/o/n eingeschoben ist kai Anarian/o/n, also die Erstreckung der Herrschaft auf das Ausland hervorgehoben wird. In der Titulatur der Arsakiden, soweit sie aus den griechischen und persischen Muenzaufschriften erhellt, kehren theos, basile?s basile/o/n, theopat/o/r (=ek genoys the/o/n) wieder, dagegen fehlt die Hervorhebung der Arianer und bezeichnenderweise der Mazda-Diener; daneben erscheinen zahlreiche andere den syrischen Koenigen entlehnte Titel, wie epiphan/e/s, nikat/o/r, , auch der roemische aytokrat/o/r. ——————————————- Auch in religioeser Beziehung trat ein eigentlicher Wechsel nicht ein; wohl aber gewann der Glaube und gewannen die Priester unter den persischen Grosskoenigen einen Einfluss und eine Macht, wie sie sie unter den parthischen niemals besessen hatten. Es mag wohl sein, dass die zwiefache Propaganda fremder Kulte gegen Iran, des Buddhatums vom Osten her und des juedisch-christlichen Glaubens aus dem Westen, der alten Mazda-Religion eben durch die Fehde eine Regeneration brachte. Der Stifter der neuen Dynastie, Ardaschir, war, wie glaubhaft berichtet wird, ein eifriger Feueranbeter und nahm selbst die Weihen des Priestertums; darum, heisst es weiter, wurde von da an der Stand der Magier einflussreich und anmassend, waehrend er bis dahin keineswegs solche Ehre und solche Freiheit gehabt, sondern bei den Machthabern nicht eben viel gegolten hatte. “Seitdem ehren und verehren die Perser alle die Priester; die oeffentlichen Angelegenheiten werden nach ihren Ratschlaegen und Orakeln geordnet; jeder Vertrag und jeder Rechtsstreit unterliegt ihrer Aufsicht und ihrem Urteil und nichts erscheint den Persern recht und gesetzlich, was nicht von einem Priester bestaetigt worden ist.” Dementsprechend begegnen wir einer Ordnung der geistlichen Verwaltung, die an die Stellung des Papstes und der Bischoefe neben dem Kaiser und den Fuersten erinnert. Jeder Kreis steht unter einem Obermagier (Magupat, Magierherr, neupersisch Mobedh) und diese alle wieder unter dem Obersten der Obermagier (Mobedhan-Mobedh), dem Abbild des “Koenigs der Koenige”, und er ist es jetzt, der den Koenig kroent. Die Folgen dieser Priesterherrschaft blieben nicht aus: das starre Ritual, die beengenden Vorschriften ueber Schuld und Suehne, die in wuestes Orakelwesen und Zauberkunst sich aufloesende Wissenschaft haften zwar dem Parsentum von jeher an, sind aber doch vermutlich erst in dieser Epoche zu voller Entwicklung gelangt. Auch in dem Gebrauch der Landessprache und den Landesgebraeuchen zeigen sich die Spuren der nationalen Reaktion. Die groesste Griechenstadt des Partherreiches, die alte Seleukeia, blieb bestehen, aber sie heisst seitdem nicht nach dem Namen des griechischen Marschalls, sondern nach dem ihres neuen Herrn Beh, das heisst gut, Ardaschir. Die griechische Sprache, bisher, wenn auch zerruettet und nicht mehr alleinherrschend, doch immer noch in Gebrauch, verschwindet mit dem Eintritt der neuen Dynastie mit einem Schlag von den Muenzen, und nur auf den Inschriften der ersten Sassaniden begegnet sie noch eben und hinter der eigentlichen Landessprache. Die “Partherschrift”, das Pahlavi, behauptet sich, aber neben sie tritt eine zweite, wenig verschiedene und zwar, wie die Muenzen beweisen, als eigentlich offizielle, wahrscheinlich die bis dahin in der persischen Provinz gebrauchte, so dass die aeltesten Denkmaeler der Sassaniden, aehnlich wie die der Achaemeniden, dreisprachig sind, etwa wie im deutschen Mittelalter Lateinisch, Saechsisch und Fraenkisch nebeneinander Anwendung gefunden haben. Nach Koenig Sapor I. (+ 272) verschwindet die Zwiesprachigkeit und behauptet die zweite Schreibweise allein den Platz, den Namen Pahlavi erbend. Das Jahr der Seleukiden und die dazu gehoerigen Monatsnamen verschwinden mit dem Wechsel der Dynastie; dafuer treten nach altem persischen Herkommen die Regentenjahre ein und die einheimischen persischen Monatsnamen ^75. Selbst die altpersische Legende wird auf das neue Persien uebertragen. Die noch vorhandene ‘Geschichte von Ardaschir, Papaks Sohn’, welche diesen Sohn eines persischen Hirten an den medischen Hof geraten, dort Knechtsdienste tun und dann den Befreier seines Volkes werden laesst, ist nichts als das alte Maerchen vom Kyros auf die neuen Namen umgeschrieben. Ein anderes Fabelbuch der indischen Parsen weiss zu berichten, wie Koenig Iskander Rumi, das heisst “Alexander der Roemer”, die heiligen Buecher Zarathustras habe verbrennen lassen, dann aber sie hergestellt worden seien von dem frommen Ardaviraf, als Koenig Ardaschir den Thron bestiegen habe. Hier steht der Roemer- Hellene gegen den Perser; den arsakidischen Bastard hat die Sage, wie billig, vergessen.
—————————————- ^75 Frawardin, Ardhbehescht usw. (C. L. Ideler, Lehrbuch der Chronologie. Berlin 1831, Bd. 2, S. 515). Merkwuerdigerweise haben wesentlich dieselben Monatsnamen sich in dem provinzialen Kalender der roemischen Provinz Kappadokien behauptet (Ideler, Bd. 1, S. 443); sie muessen aus der Zeit herruehren, wo dieselbe persische Satrapie war.
—————————————- Im uebrigen werden die Zustaende wesentlich die alten geblieben sein. In militaerischer Beziehung namentlich sind die Heere auch der Sassaniden sicher keine stehenden und geschulten Truppen gewesen, sondern das Aufgebot der wehrfaehigen Mannschaften, in das mit der nationalen Bewegung wohl ein neuer Geist gefahren sein mag, aber das nach wie vor im wesentlichen auf dem adligen Rossdienst ruhte. Auch die Verwaltung blieb, wie sie war: der tuechtige Herrscher schritt mit unerbittlicher Strenge ein gegen den Strassenraeuber wie gegen den erpressenden Beamten und, verglichen wenigstens mit der spaeteren arabischen und der tuerkischen Herrschaft, befanden sich die Untertanen des Sassanidenreiches im Wohlstand und der Staatsschatz in Fuelle. Bedeutsam aber ist die Verschiebung der Stellung des neuen Reiches gegenueber dem roemischen. Die Arsakiden haben den Caesaren sich nie voellig ebenbuertig gefuehlt. Wie oft auch beide Staaten in Krieg und Frieden als gleichgewogene Maechte sich einander entgegentraten, wie entschieden die Anschauung der doppelten Grossmacht auch den roemischen Orient beherrscht, es bleibt der roemischen Macht ein aehnlicher Vorrang, wie ihn das Heilige Roemische Reich Deutscher Nation lange Jahrhunderte sehr zu seinem Schaden besessen hat. Unterwerfungsakte, wie sie gegenueber Tiberius und Nero die parthischen Grosskoenige auf sich nahmen, ohne durch die aeusserste Notwendigkeit dazu gezwungen zu sein, lassen sich umgekehrt nicht einmal denken. Deutlicher noch spricht die Unterlassung der Goldpraegung. Es kann nicht Zufall sein, dass nie unter dem Regiment der Arsakiden eine Goldmuenze geschlagen worden ist und gleich der erste Sassanidenherrscher die Goldpraegung geuebt hat; es ist dieselbe das greifbarste Zeichen der durch keine Vasallenpflichten beschraenkten Souveraenitaet. Dem Anspruch des Caesarenreiches, allein die Weltmuenze schlagen zu koennen, hatten die Arsakiden ohne Ausnahme sich wenigstens insoweit gefuegt, dass sie selber ueberhaupt sich der Praegung enthielten und diese in Silber und Kupfer den Staedten oder den Satrapen ueberliessen; die Sassaniden schlugen wieder Goldstuecke, auch wie Koenig Dareios. Das Grosskoenigtum des Ostens fordert endlich sein volles Recht; die Welt gehoert nicht ferner den Roemern allein. Mit der Unterwuerfigkeit der Orientalen und der Oberherrlichkeit der Okzidentalen ist es vorbei. Dem entsprechend tritt an die Stelle der bis dahin immer wieder zum Frieden zurueckwendenden Beziehungen zwischen Roemern und Parthern durch Generationen die erbitterte Fehde.
Nachdem die neue Staatsordnung dargestellt worden ist, mit der das sinkende Rom bald zu ringen haben sollte, nehmen wir den Faden der Erzaehlung wieder auf. Severus’ Sohn und Nachfolger Antoninus, kein Krieger und Staatsmann wie sein Vater, aber von beidem eine wueste Karikatur, muss die Absicht gehabt haben, soweit bei solchen Persoenlichkeiten ueberhaupt von Absicht geredet werden kann, den Osten ganz in roemische Gewalt zu bringen. Es hielt nicht schwer, die Fuersten von Osrhoene und von Armenien, nachdem sie an den kaiserlichen Hof entboten worden waren, gefangen zu setzen und diese Lehen fuer eingezogen zu erklaeren. Aber schon auf die Kunde hin brach in Armenien ein Aufstand aus. Der Arsakidenprinz Tiridates wurde zum Koenig ausgerufen und rief den Schutz der Parther an. Darauf stellte sich Antoninus an die Spitze einer grossen Truppenmacht und erschien im Jahre 216 im Osten, um die Armenier und noetigenfalls auch die Parther niederzuwerfen. Tiridates selbst gab sogleich seine Sache verloren, obwohl die nach Armenien gesandte Abteilung dort nachher noch auf heftige Gegenwehr stiess, und fluechtete zu den Parthern. Die Roemer forderten die Auslieferung. Die Parther waren nicht geneigt, sich seinetwegen auf einen Krieg einzulassen, um so weniger als eben damals die beiden Soehne des Koenigs Vologasos V., Vologasos VI. und Artabanos, in erbitterter Thronfehde lagen. Der erstere fuegte sich, als die roemische Forderung gebieterisch wiederholt ward und lieferte den Tiridates aus. Darauf begehrte der Kaiser von dem inzwischen zur Anerkennung gelangten Artabanos die Hand seiner Tochter zu dem ausgesprochenen Zwecke, damit das Reich zu erheiraten und Orient und Okzident unter eine Herrschaft zu bringen. Die Zurueckweisung dieses wuesten Vorschlags ^76 war das Signal zum Krieg; die Roemer erklaerten ihn und ueberschritten den Tigris. Die Parther waren unvorbereitet; ohne Widerstand zu finden brannten die Roemer die Staedte und Doerfer in Adiabene nieder und zerstoerten mit ruchloser Hand sogar die alten Koenigsgraeber bei Arbela ^77. Aber fuer den naechsten Feldzug machte Artabanos die aeussersten Anstrengungen und stellte im Fruehjahr 217 eine gewaltige Heeresmacht in das Feld. Antoninus, der den Winter in Edessa zugebracht hatte, wurde, eben als er zu dieser zweiten Kampagne aufbrach, von seinen Offizieren ermordet. Sein Nachfolger Macrinus, unbefestigt im Regiment und wenig angesehen, dazu an der Spitze einer der Zucht und Haltung entbehrenden und durch den Kaisermord erschuetterten Armee, haette gern des mutwillig angezettelten und sehr ernsthafte Verhaeltnisse annehmenden Krieges sich entledigt. Er schickte dem Partherkoenig die Gefangenen zurueck und warf die Schuld fuer die begangenen Frevel auf den Vorgaenger. Aber Artabanos war damit nicht zufrieden; er forderte Ersatz fuer alle begangene Verwuestung und die Raeumung Mesopotamiens. So kam es bei Nisibis zur Schlacht, in der die Roemer den kuerzeren zogen. Dennoch gewaehrten die Parther, zum Teil weil ihr Aufgebot sich aufzuloesen Miene machte, vielleicht auch unter dem Einfluss des roemischen Goldes, den Frieden (218) auf verhaeltnismaessig guenstige Bedingungen: Rom zahlte eine ansehnliche Kriegsentschaedigung (50 Mill. Denare), behielt aber Mesopotamien; Armenien blieb dem Tiridates, aber dieser nahm es von den Roemern zum Lehen. Auch in Osrhoene wurde das alte Fuerstenhaus wieder eingesetzt.
———————————————- ^76 So erzaehlt der zuverlaessige Dio 78, 1; unbeglaubigt ist die Version Herodians 4, 11, dass Artabanos die Tochter zusagte und bei der Verlobungsfeier Antoninus auf die anwesenden Parther einhauen liess. ^77 Wenn an der Nennung der Kadusier in der Biographie c. 6 etwas Wahres ist, so veranlassten die Roemer diesen wilden, der Regierung nicht botmaessigen Stamm im Suedwesten des Kaspischen Meeres, gleichzeitig ueber die Parther herzufallen.
———————————————- Es ist dies der letzte Friedensvertrag, den die Arsakidendynastie mit Rom geschlossen hat. Fast unmittelbar nachher und vielleicht mit infolge dieses Pakts, der allerdings, wie die Verhaeltnisse lagen, von den Orientalen als eine Preisgebung der erfochtenen Siege durch die eigene Regierung angesehen werden konnte, begann die Insurrektion, welche den Staat der Parther in einen Staat der Perser umwandelte. Ihr Fuehrer, Koenig Ardaschir oder Artaxares (224-241), stritt manches Jahr mit den Anhaengern der alten Dynastie, bevor er vollen Erfolg hatte ^78; nach drei grossen Schlachten, in deren letzter Koenig Artabanos fiel, war er im eigentlichen Partherreich Herr und konnte in die mesopotamische Wueste einruecken, um die Araber von Hatra zu unterwerfen und von da aus gegen das roemische Mesopotamien vorzugehen. Aber die tapferen und unabhaengigen Araber wehrten sich, wie frueher gegen die roemische Invasion, so jetzt gegen die Perser in ihren gewaltigen Mauern mit gutem Erfolg, und Artaxares fand sich veranlasst, zunaechst gegen Medien und Armenien zu operieren, wo die Arsakiden sich noch behaupteten und auch die Soehne des Artabanos eine Zuflucht gefunden hatten. Erst um das Jahr 230 wandte er sich gegen die Roemer und erklaerte ihnen nicht bloss den Krieg, sondern forderte alle Provinzen zurueck, die einst zum Reich seiner Vorgaenger, des Dareios und des Xerxes, gehoert hatten, das heisst die Abtretung von ganz Asien. Den drohenden Worten Nachdruck zu geben, fuehrte er ein gewaltiges Heer ueber den Euphrat; Mesopotamien wurde besetzt und Nisibis belagert; die feindlichen Reiter zeigten sich in Kappadokien und in Syrien. Den roemischen Thron nahm damals Severus Alexander ein, ein Herrscher, an dem nichts kriegerisch war als der Name und fuer den in der Tat die Mutter Mamaea das Regiment fuehrte. Dringende, fast demuetige Friedensvorschlaege der roemischen Regierung blieben ohne Wirkung; es blieb nichts uebrig als der Gebrauch der Waffen. Die aus dem ganzen Reiche zusammengezogenen roemischen Heeresmassen wurden geteilt: der linke Fluegel nahm die Richtung auf Armenien und Medien, der rechte auf Mesene an der Euphrat- und Tigrismuendung, vielleicht in der Berechnung, dort wie hier auf den Anhang der Arsakiden sich stuetzen zu koennen; die Hauptarmee ging gegen Mesopotamien vor. Die Truppen waren zahlreich genug, aber ohne Zucht und Haltung; ein hochgestellter roemischer Offizier dieser Zeit bezeugt es selbst, dass sie verwoehnt und unbotmaessig waren, sich weigerten zu kaempfen, ihre Offiziere erschlugen und haufenweise desertierten. Die Hauptmacht kam gar nicht ueber den Euphrat ^79, da die Mutter dem Kaiser vorstellte, dass es nicht seine Sache sei, sich fuer seine Untertanen, sondern dieser, sich fuer ihn zu schlagen. Der rechte Fluegel, im Flachland von der persischen Hauptmacht angegriffen und von dem Kaiser im Stich gelassen, wurde aufgerieben. Als darauf der Kaiser dem nach Medien vorgedrungenen Fluegel Befehl erteilte, sich zurueckzuziehen, litt auch dieser stark bei dem winterlichen Rueckmarsch durch Armenien. Wenn es bei diesem ueblen Rueckzug der grossen orientalischen Armee nach Antiocheia blieb und zu keiner vollstaendigen Katastrophe kam, sogar Mesopotamien in roemischer Gewalt blieb, so scheint das nicht das Verdienst der roemischen Truppen oder ihrer Fuehrer zu sein, sondern darauf zu beruhen, dass das persische Aufgebot des Kampfes muede ward und nach Hause ging ^80. Aber sie gingen nicht auf lange, um so mehr, als bald darauf nach der Ermordung des letzten Sprossen der Severischen Dynastie die einzelnen Heerfuehrer und die Regierung in Rom um die Besetzung des roemischen Thrones zu schlagen begannen und somit darin einig waren, die Geschaefte der auswaertigen Feinde zu besorgen. Unter Maximinus (235-238) geriet das roemische Mesopotamien in Ardaschirs Gewalt und schickten die Perser abermals sich an, den Euphrat zu ueberschreiten ^81. Nachdem die inneren Wirren einigermassen sich beruhigt hatten und Gordian III., fast noch ein Knabe, unter dem Schutz des Kommandanten von Rom und bald seines Schwiegervaters Furius Timesitheus unbestritten im ganzen Reiche gebot, wurde in feierlicher Weise den Persern der Krieg erklaert, und im Jahre 242 rueckte eine grosse roemische Armee unter persoenlicher Fuehrung des Kaisers oder vielmehr seines Schwiegervaters in Mesopotamien ein. Sie hatte vollstaendigen Erfolg; Karrhae wurde wieder gewonnen, bei Resaina zwischen Karrhae und Nisibis das Heer des Perserkoenigs Schapur oder Sapor (reg. 241-272), welcher kurz vorher seinem Vater Ardaschir gefolgt war, auf das Haupt geschlagen, infolge dieses Sieges auch Nisibis besetzt. Ganz Mesopotamien war zurueckerobert; es wurde beschlossen, zum Euphrat zurueck und von da stromabwaerts gegen die feindliche Hauptstadt Ktesiphon zu marschieren. Ungluecklicherweise starb Timesitheus und sein Nachfolger, Marcus Iulius Philippus, ein geborener Araber aus der Trachonitis, benutzte die Gelegenheit, den jungen Herrscher zu beseitigen. Als das Heer den schwierigen Marsch durch das Tal des Chaboras nach dem Euphrat zurueckgelegt hatte, fanden, angeblich infolge der von Philippus getroffenen Anordnungen, die Soldaten in Kirkesion am Einfluss des Chaboras in den Euphrat die erwarteten Lebensmittel und Vorraete nicht vor und legten dies dem Kaiser zur Last. Nichtsdestoweniger wurde der Marsch in der Richtung auf Ktesiphon angetreten; aber schon auf der ersten Station bei Zaitha (etwas unterhalb Mejadin) erschlugen eine Anzahl aufstaendischer Gardisten den Kaiser (Fruehling oder Sommer 244) und riefen ihren Kommandanten Philippus an seiner Stelle zum Augustus aus. Der neue Herrscher tat, was der Soldat oder wenigstens der Gardist begehrte, und gab nicht bloss die beabsichtigte Expedition gegen Ktesiphon auf, sondern fuehrte auch die Truppen sogleich nach Italien zurueck. Die Erlaubnis dazu erkaufte er sich von dem ueberwundenen Feind durch die Abtretung von Mesopotamien und Armenien, also der Euphratgrenze. Indes erregte dieser Friedensschluss eine solche Erbitterung, dass der Kaiser es nicht wagte, denselben zur Ausfuehrung zu bringen und in den abgetretenen Provinzen die Besatzungen stehen liess ^82. Dass die Perser sich dies wenigstens vorlaeufig gefallen liessen, gibt das Mass dessen, was sie damals vermochten. Nicht die Orientalen, sondern die Goten, die fuenfzehn Jahre hindurch wuetende Pest und die Zwietracht der miteinander um die Krone hadernden Korpsfuehrer brachen die letzte Kraft des Reiches. ———————————————- ^78 Die spaeterhin rezipierte Chronologie setzt den Beginn der Sassanidendynastie auf das Seleukidenjahr 538 = 1. Oktober 226/27 n. Chr. oder das vierte (volle) Jahr des seit Fruehling 222 regierenden Severus Alexander (Agathias 4, 24). Nach anderen Daten zaehlte Koenig Ardaschir das Jahr Herbst 223/24 n. Chr. als sein erstes, nahm also wohl in diesem den Grosskoenigtitel an (Noeldeke, Tabari, S. 410). Die letzte bis jetzt bekannte datierte Muenze des aelteren Systems ist vom Jahre 539. Als Dion schrieb, zwischen 230 und 234, war Artabanos tot und sein Anhang ueberwaeltigt, und wurde das Einruecken des Artaxares in Mesopotamien und Syrien erwartet. ^79 Der Kaiser blieb wahrscheinlich in Palmyra; wenigstens gedenkt eine palmyrenische Inschrift CIG 4483 der epid/e/mia theo? Alexandroy. ^80 Die unvergleichlich schlechten Berichte ueber diesen Krieg (der relativ beste ist der aus gemeinschaftlicher Quelle bei Herodian, Zonaras und Synkellos p. 674 vorliegende) entscheiden nicht einmal die Frage, wer in diesen Kaempfen Sieger blieb. Waehrend Herodian von einer beispiellosen Niederlage der Roemer spricht, feiern die lateinischen Quellen, die Biographie sowohl wie Victor, Eutrop und Rufius Festus, den Alexander als den Besieger des Artaxerxes oder Xerxes, und nach diesen letzteren ist auch der weitere Verlauf der Dinge guenstig. Die Vermittlung gibt Herodian (6, 6, 5) an die Hand. Nach den armenischen Berichten (Gutschmid, ZDMG 31, 1877, S. 47) haben die Arsakiden mit Unterstuetzung der Kaukasusvoelker sich in Armenien noch bis zum Jahre 237 gegen Ardaschir behauptet; diese Diversion mag richtig und auch den Roemern zugute gekommen sein.
^81 Den besten Bericht geben, aus derselben Quelle schoepfend, Synkellos (p. 683) und Zonaras (12, 18). Damit stimmen die Einzelangaben Ammians (23, 5; 7, 17) und so ziemlich der gefaelschte Brief Gordians an den Senat in der Biographie c. 27, aus dem die Erzaehlung c. 26 unkundig hergestellt ist; Antiocheia war in Gefahr, aber nicht in den Haenden der Perser. ^82 So stellt Zon. 12, 19 den Hergang dar; damit stimmt Zos. hist. 3, 32, und auch der spaetere Verlauf der Dinge zeigt Armenien nicht geradezu im persischen Besitz. Wenn nach Euagr. 5, 7 damals bloss Klein-Armenien roemisch blieb, so mag das insofern nicht unrichtig sein, als die Abhaengigkeit des Lehnskoenigs von Gross-Armenien nach dem Frieden wohl nur eine nominelle war. ———————————————- Es wird hier, wo der roemische Orient im Ringen mit dem persischen auf sich selber angewiesen ist, am Platz sein, eines merkwuerdigen Staates zu gedenken, der, durch und fuer den Wuestenhandel geschaffen, jetzt fuer kurze Zeit in der politischen Geschichte eine fuehrende Rolle uebernimmt. Die Oase Palmyra, in der einheimischen Sprache Thadmor, liegt auf halbem Wege zwischen Damaskos und dem Euphrat. Von Bedeutung ist sie lediglich als Zwischenstation zwischen dem Euphratgebiet und dem Mittelmeer und hat auch diese Bedeutung erst spaet gewonnen und frueh wieder verloren, so dass Palmyras Bluetezeit ungefaehr mit derjenigen Periode zusammenfaellt, die wir hier schildern. Ueber das Emporkommen der Stadt fehlt es an jeder Ueberlieferung ^83. Erwaehnt wird sie zuerst bei Gelegenheit des Aufenthaltes des Antonius in Syrien im Jahre 713 (41), wo dieser einen vergeblichen Versuch machte, sich ihrer Reichtuemer zu bemaechtigen; auch die dort gefundenen Denkmaeler – die aelteste datierte palmyrenische Inschrift ist vom Jahre 745 (9) – reichen schwerlich viel weiter zurueck. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihr Aufbluehen mit der Festsetzung der Roemer im syrischen Kuestenland zusammenhaengt. So lange die Nabataeer und die Staedte der Osrhoene nicht unmittelbar roemisch waren, hatten die Roemer ein Interesse daran, eine andere direkte Verbindung mit dem Euphrat herzustellen, und diese fuehrte dann notwendig ueber Palmyra. Eine roemische Gruendung ist Palmyra nicht; als Veranlassung fuer jenen Raubzug nahm Antonius die Neutralitaet der zwischen den beiden Grossstaaten den Verkehr vermittelnden Kaufleute, und die roemischen Reiter kehrten unverrichteter Sache um vor der Schuetzenkette, die die Palmyrener dem Angriff entgegenstellten. Aber schon in der ersten Kaiserzeit muss die Stadt zum Reiche gerechnet worden sein, da die fuer Syrien ergangenen Steuerverordnungen des Germanicus und des Corbulo auch fuer Palmyra zur Anwendung kamen; in einer Inschrift vom Jahre 80 begegnet eine claudische Phyle daselbst; seit Hadrian nennt sich die Stadt Hadriana Palmyra, und im dritten Jahrhundert bezeichnet sie sich sogar als Kolonie. ———————————————- ^83 Der biblische Bericht (1. Koen. 9, 18) ueber die Erbauung der Stadt Thamar in Idumaea durch Koenig Salomo ist nur durch ein freilich altes Missverstaendnis auf Thadmor uebertragen worden; immer enthaelt die irrige Beziehung desselben auf diese Stadt bei den spaeteren Juden (Chron. 2, 8, 4 und die griechische Uebersetzung von 1. Koen. 9, 4) das aelteste Zeugnis fuer deren Existenz (Hitzig, ZDMG 8, 1854, S. 222). ———————————————- Indes war die Reichsuntertaenigkeit der Palmyrener anderer Art als die gewoehnliche und einigermassen dem Klientelverhaeltnis der abhaengigen Koenigreiche aehnlich. Noch in Vespasians Zeit heisst Palmyra ein Zwischengebiet zwischen den beiden Grossmaechten und wurde bei jedem Zusammenstoss der Roemer und der Parther gefragt, welche Politik die Palmyrener einhalten wuerden. Den Schluessel fuer die Sonderstellung muessen wir in den Grenzverhaeltnissen und den fuer den Grenzschutz getroffenen Ordnungen suchen. Die syrischen Truppen, soweit sie am Euphrat selbst standen, haben ihre Hauptstellung bei Zeugma, Biredjik gegenueber an der grossen Euphratpassage, gehabt. Weiter stromabwaerts schiebt sich zwischen das unmittelbar roemische und das parthische Gebiet das von Palmyra, das bis zum Euphrat reicht und die naechste bedeutende Uebergangsstelle bei Sura gegenueber der mesopotamischen Stadt Nikephorion (spaeter Kallinikon, heute er-Rakka) einschliesst. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Hut dieser wichtigen Grenzfestung sowie die Sicherung der Wuestenstrasse zwischen dem Euphrat und Palmyra, auch wohl eines Teils der Strasse von Palmyra nach Damaskos, der Gemeinde Palmyra ueberlassen ward und dass sie also berechtigt und verpflichtet war, die fuer diese nicht geringe Aufgabe erforderlichen militaerischen Einrichtungen zu treffen ^84. Spaeterhin sind wohl die Reichstruppen naeher an Palmyra herangezogen und ist eine der syrischen Legionen nach Danava zwischen Palmyra und Damaskos, die arabische nach Bostra gelegt worden; seit Severus Mesopotamien mit dem Reich vereinigt hatte, waren sogar hier beide Ufer des Euphrat in roemischer Gewalt und endigte das roemische Gebiet am Euphrat nicht mehr bei Sura, sondern bei Kirkesion an der Muendung des Chaboras in den Euphrat oberhalb Mejadin. Auch wurde damals Mesopotamien stark mit Reichstruppen belegt. Aber die mesopotamischen Legionen standen an der grossen Strasse im Norden bei Resaina und Nisibis, und auch die syrischen und die arabischen Truppen machten die Mitwirkung der palmyrenischen nicht entbehrlich. Es mag sogar die Hut von Kirkesion und dieses Teils des Euphratufers eben den Palmyrenern anvertraut worden sein. Erst nach dem Untergang Palmyras und vielleicht in Ersatz desselben ist Kirkesion ^85 von Diocletian zu der starken Festung gemacht worden, die seitdem hier der Stuetzpunkt der Grenzverteidigung gewesen ist. —————————————————– ^84 Ausdruecklich berichtet wird dies nirgends; aber alle Umstaende sprechen dafuer. Dass die roemisch-parthische Grenze, bevor die Roemer auf dem linken Euphratufer sich festsetzten, am rechten wenig unterhalb Sura war, sagt am bestimmtesten Plinius (nat. 5, 26, 89: a Sura proxime est Philiscum – vgl. Anm. 85 – oppidum Parthorum ad Euphratem; ab eo Seleuciam dierum decem navigatio), und hier ist sie bis zur Einrichtung der Provinz Mesopotamien unter Severus geblieben. Die Palmyrene des Ptolemaeos (5, 15, 24, 25) ist eine Landschaft Koilesyriens, die einen guten Teil des Gebiets suedlich von Palmyra zu umfassen scheint, sicher aber bis an den Euphrat reicht und Sura einschliesst; andere staedtische Zentren ausser Palmyra scheinen nicht aufgefuehrt zu werden und nichts im Wege zu stehen, diesen grossen Distrikt als Stadtgebiet zu fassen. Namentlich solange Mesopotamien parthisch war, aber auch nachher noch hat mit Ruecksicht auf die angrenzende Wueste ein dauernder Grenzschutz hier nicht fehlen koennen; wie denn im 4. Jahrhundert nach Ausweis der Notitia die Palmyrene stark besetzt war, die noerdliche von den Truppen des Dux von Syrien, Palmyra selbst und die suedliche Haelfte von denen des Dux von Phoenike. Dass in der frueheren Kaiserzeit hier keine roemischen Truppen gestanden haben, ist durch das Schweigen der Schriftsteller und das Fehlen der in Palmyra selbst zahlreichen Inschriften verbuergt. Wenn in der Peutingerschen Tafel unter Sura vermerkt ist: “fines exercitus Syriatici et commercium barbarorum”, d. h. “hier endigen die roemischen Besatzungen, und hier ist der Zwischenort fuer den Barbarenverkehr”, so ist damit nur gesagt, was in spaeterer Zeit Ammian (23, 3, 7: Callinicum mumimentum robustum et commercandi opimitate gratissimum) und noch Kaiser Honorius (Cod. Iust. 4, 63, 4) wiederholen, dass Kallinikon zu den wenigen, dem roemisch-barbarischen Grenzhandel freigegebenen Entrepots gehoert; aber nicht einmal fuer die Entstehungszeit der Tafel folgt daraus, dass damals Reichstruppen dort standen, da ja die Palmyrener im allgemeinen auch zur syrischen Armee gehoerten und bei dem exercitus Syriaticus an sie gedacht sein kann. Es muss die Stadt eine eigene Truppenmacht aufgestellt haben, aehnlich wie die Fuersten von Numidien und von Pantikapaeon. Dadurch allein wird auch sowohl das Abweisen der Truppen des Antonius wie das Verhalten der Palmyrener in den Wirren des 3. Jahrhunderts verstaendlich, nicht minder das Auftreten der numeri Palmyrenorum unter den militaerischen Neuerungen derselben Epoche.
^85 Amm. 23, 5, 2: Cercusium .. . Diocletiaenus exiguum ante hoc et suspectum muris turribusque circumdedit celsis, . . . ne vagarentur per Syriam Persae ita ut paucis ante annis cum magnis provinciarum contigerat damnis. Vgl. Prok. aed. 2, 6. Vielleicht ist dieser Ort nicht verschieden von dem PHalga oder PHaliga des Isidorus von Charax (mans. Parth. 1; Stephanus v. Byzanz, Ethnika, unter diesem Wort) und dem Plinianischen Philiscum (Anm. 84). —————————————————– Die Spuren dieser Sonderstellung Palmyras sind auch in den Institutionen nachweisbar. Das Fehlen des Kaisernamens auf den palmyrenischen Muenzen ist wohl nicht aus ihr zu erklaeren, sondern daraus, dass die Gemeinde fast nur kleine Scheidemuenze ausgegeben hat. Deutlich aber spricht die Behandlung der Sprache. Von der sonst bei den Roemern fast ausnahmslos befolgten Regel, in dem unmittelbaren Gebiet nur den Gebrauch der beiden Reichssprachen zu gestatten, ist Palmyra ausgenommen. Hier hat diejenige Sprache, welche im uebrigen Syrien und nicht minder seit dem Exil in Judaea die gewoehnliche im privaten Verkehr, aber auf diesen beschraenkt war, sich im oeffentlichen Gebrauch behauptet, solange die Stadt ueberhaupt bestanden hat. Wesentliche Verschiedenheiten des palmyrenischen Syrisch von dem der uebrigen oben genannten Gegenden lassen sich nicht nachweisen; die nicht selten arabisch oder juedisch, auch persisch geformten Eigennamen zeigen die starke Voelkermischung, und zahlreiche griechisch-roemische Lehnwoerter die Einwirkung der Okzidentalen. Es wird spaeterhin Regel, dem syrischen Text einen griechischen beizufuegen, welcher in einem Beschluss des palmyrenischen Gemeinderats vom Jahre 137 dem palmyrenischen nach-, spaeter gewoehnlich voransteht; aber bloss griechische Inschriften eingeborener Palmyrener sind seltene Ausnahmen. Sogar in Weihinschriften, welche Palmyrener ihren heimischen Gottheiten in Rom gesetzt haben ^86, und in Grabschriften der in Afrika oder Britannien verstorbenen palmyrenischen Soldaten ist die palmyrenische Fassung zugefuegt. Ebenso wurde in Palmyra zwar das roemische Jahr wie im uebrigen Reiche der Datierung zugrunde gelegt, aber die Monatsnamen sind nicht die im roemischen Syrien offiziell rezipierten makedonischen, sondern diejenigen, welche in demselben wenigstens bei den Juden im gemeinen Verkehr galten und ausserdem bei den unter assyrischer und spaeter persischer Herrschaft lebenden aramaeischen Staemmen in Gebrauch waren ^87. ———————————————– ^86 Von den sieben bis jetzt ausserhalb Palmyra gefundenen Dedikationen an den palmyrenischen Malach Belos haben die drei in Rom zum Vorschein gekommenen (CIL VI, 51, 710; CIG 6015) neben griechischem oder lateinischem auch palmyrenischen Text, zwei afrikanische (CIL VIII, 2497, 8795 add.) und zwei dakische (Archaeologisch-epigraphische Mitteilungen aus Oesterreich 6, 1882, 109, 111) bloss lateinischen. Die eine der letzteren ist von einem offenbar aus Palmyra gebuertigen Duoviralen von Sarmizegetusa, P. Aelius Theimes, gesetzt diis patriis Malagbel et Bebellahamon et Benefal et Manavat. ^87 Woher diese Monatsnamen ruehren, ist dunkel; sie treten zuerst in der assyrischen Keilschrift auf, sind aber nicht assyrischen Ursprungs. Infolge der assyrischen Herrschaft sind sie dann in dem Bereich der syrischen Sprache in Gebrauch geblieben. Abweichungen finden sich; der zweite Monat, der Dios der griechisch redenden Syrer, unser November, heisst bei den Juden Markeschwan, bei den Palmyrenern Kanun (Waddington 25746). Uebrigens sind diese Monatsnamen, soweit sie innerhalb des Roemischen Reiches zur Anwendung kommen, wie die makedonischen dem Julianischen Kalender angepasst, so dass nur die Monatsbenennung differiert, der Jahranfang (1. Oktober) des syrisch-roemischen Jahres auf die griechischen wie auf die aramaeischen Benennungen gleichmaessig Anwendung findet.
———————————————– Die munizipale Ordnung ist im wesentlichen nach dem Muster der griechischen des Roemerreichs gestaltet; die Beziehungen fuer Beamte und Rat ^88 und selbst diejenige der Kolonie werden in den palmyrenischen Texten meistenteils aus den Reichssprachen beibehalten. Aber auch in der Verwaltung behielt der Distrikt eine groessere Selbstaendigkeit, als sie sonst den Stadtgemeinden zukommt. Neben den staedtischen Beamten finden wir wenigstens im dritten Jahrhundert die Stadt Palmyra mit ihrem Gebiet unter einem besonderen “Hauptmann” senatorischen Ranges und roemischer Bestellung, aber gewaehlt aus dem angesehensten Geschlecht des Ortes; Septimios Hairanes, des Odaenathos Sohn, ist der Sache nach ein Fuerst der Palmyrener ^89, der von dem Legaten von Syrien wohl nicht anders abhaengig war als die Klientelfuersten von den benachbarten Reichstatthaltern ueberhaupt. Wenige Jahre spaeter begegnen wir seinem Sohn ^90 Septimios Odaenathos in der gleichen, ja im Rang noch gesteigerten erbfuerstlichen Stellung ^91. ———————————————– ^88 Zum Beispiel Archon, Grammateus, Proedros, Syndikos, Dekaprotoi. ^89 Dies lehrt die Inschrift von Palmyra CIG 4491, 4492 = Waddington 2600 = Vogue 22, diesem Hairanes im Jahre 251 gesetzt von einem Soldaten der in Arabien stehenden Legion. Sein Titel ist griechisch o lamprotatos synkl/e/tikos exarchos (= princeps) Palmyr/e/n/o/n, palmyrenisch “erlauchter Senator, Haupt von Thadmor”. Die Grabschrift (CIG 4507 = Waddington 2621 = Vogue 21) des Vaters des Hairanes, Septimios Odaenathos, Sohnes des Hairanes, Enkels des Vaballathos, Urenkels des Nassoros, gibt auch ihm schon senatorischen Rang. ^90 Allerdings wird der Vater dieses Odaenathos nirgends genannt; aber es ist so gut wie sicher, dass er der Sohn des eben genannten Hairanes ist und den Namen von seinem Grossvater fuehrt. Auch Zosimus (hist. 1, 39) nennt ihn einen von den Vorfahren her von der Regierung ausgezeichneten Palmyrener (andra Palmyr/e/non kai ek progon/o/n t/e/s para t/o/n basile/o/n axi/o/thenta tim/e/s).
^91 In der Inschrift Waddington 2603 = Vogue 23, die die Zunft der Gold- und Silberarbeiter von Palmyra im Jahre 257 dem Odaenathos setzt, heisst es o lamprotatos ypatikos, also vir consularis, und griechisch despot/e/s, syrisch mbran. Die erstere Bezeichnung ist kein Amtstitel, sondern eine Angabe der Rangklasse; so steht vir consularis nicht selten hinter dem Namen ganz wie vir clarissimus (CIL X., p. 1117 und sonst) und findet sich o lamprotatos ypatikos neben und vor verschiedenartigen Amtstiteln, zum Beispiel dem des Prokonsuls von Afrika (CIG 2979 wo lamprotatos fehlt), des kaiserlichen Legaten von Pontus und Bithynien (CIG 3747 3748, 3771) und von Palaestina (CIG 4151), des Statthalters von Lykien und Pamphylien (CIG 4272); erst in nachkonstantinischer Zeit wird es mit dem Namen der Provinz verbunden als Amtstitel verwendet (z. B. CIG 2596, 4266 e). Hieraus ist also fuer die Rechtsstellung des Odaenathos nichts zu entnehmen. Ebenso darf in der syrischen Bezeichnung des Herrn nicht gerade der Herrscher gefunden werden; sie wird auch einem Prokurator gegeben (Waddington 2606 = Vogue 25).
———————————————– Nicht minder bildete Palmyra einen abgeschlossenen Zollbezirk, in welchem die Zoelle nicht von Staats-, sondern von Gemeindewegen verpachtet wurden ^92. ———————————————– ^92 Syrien bildete in der Kaiserzeit ein eigenes Reichszollgebiet und es ward der Reichszoll nicht bloss an der Kueste, sondern auch an der Euphratgrenze, insonderheit bei Zeugma erhoben. Daraus folgt mit Notwendigkeit, dass auch weiter suedwaerts, wo der Euphrat nicht mehr in roemischer Gewalt war, an der roemischen Ostgrenze aehnliche Zoelle eingerichtet waren. Nun hat ein Beschluss des Rats von Palmyra vom Jahre 137 gelehrt, dass die Stadt und ihr Gebiet einen eigenen Zollbezirk bildeten und von allen ein- oder ausgehenden Waren zu Gunsten der Stadt der Zoll erhoben ward. Dass dies Gebiet ausserhalb des Reichszolles stand, ist wahrscheinlich, einmal weil, wenn eine das palmyrenische Gebiet einschliessende Reichszollinie bestanden haette, deren Erwaehnung in jener ausfuehrlichen Verfuegung nicht wohl fehlen koennte: zweitens weil eine von den Reichszollinien eingeschlossene Gemeinde des Reiches schwerlich das Recht gehabt hat, an ihrer Gebietsgrenze in diesem Umfang Zoelle zu erheben. Man wird also in der Zollerhebung der Gemeinde Palmyra dieselbe Sonderstellung zu erkennen haben, welche ihr in militaerischer Hinsicht beigelegt werden muss. Vielleicht ist ihr dagegen zu Gunsten der Reichskasse eine Auflage gemacht worden, etwa die Ablieferung einer Quote des Zollertrages oder auch ein erhoehter Tribut. Aehnliche Einrichtungen wie fuer Palmyra moegen auch fuer Bostra und Petra bestanden haben; denn zollfrei sind die Waren sicher auch hier nicht eingegangen und nach Plin. nat. 12, 14, 65 scheint von dem arabischen, ueber Gaza ausgehenden Weihrauch Reichszoll nur in Gaza an der Kueste erhoben zu sein. Die Traegheit der roemischen Verwaltung ist staerker als die Fiskalitaet; sie mag die unbequemen Landgrenzzoelle oefter von sich auf die Gemeinden abgewaelzt haben.
————————————————— Die Bedeutung Palmyras ruht auf dem Karawanenverkehr. Die Haeupter der Karawanen (synodiarchai), welche von Palmyra nach den grossen Entrepots am Euphrat gingen, nach Vologasias, der schon erwaehnten parthischen Gruendung unweit der Staette des alten Babylon, und nach Forath oder Charax Spasinu, Zwillingsstaedten an der Muendung nahe am Persischen Meerbusen, erscheinen in den Inschriften als die angesehensten Stadtbuerger ^93 und bekleiden nicht bloss die Aemter ihrer Heimat, sondern zum Teil Reichsaemter; auch die Grosshaendler (archemporoi) und die Zunft der Gold- und Silberarbeiter zeugen von der Bedeutung der Stadt fuer den Handel und die Fabrikation, nicht minder fuer ihren Wohlstand die noch heute stehenden Tempel der Stadt und die langen Saeulenreihen der staedtischen Hallen so wie die massenhaften reich verzierten Grabmaeler. Dem Feldbau ist das Klima wenig guenstig – der Ort liegt nahe an der Nordgrenze der Dattelpalme und fuehrt nicht von dieser seinen griechischen Namen; aber es finden sich in der Umgegend die Reste grosser unterirdischer Wasserleitungen und ungeheurer, kuenstlich aus Quadern angelegter Wasserreservoirs, mit deren Hilfe der jetzt aller Vegetation bare Boden einst eine reiche Kultur kuenstlich entwickelt haben muss. Dieser Reichtum und diese auch in der Roemerherrschaft nicht ganz beseitigte nationale Eigenart und administrative Selbstaendigkeit erklaeren einigermassen Palmyras Rolle um die Mitte des dritten Jahrhunderts in der grossen Krise, zu deren Darlegung wir jetzt uns zurueckwenden. ———————————————- ^93 Diese Karawanen (synodiai) erscheinen auf den palmyrenischen Inschriften als feste Genossenschaften, die dieselben Fahrten ohne Zweifel in bestimmten Intervallen unter ihrem Vormann (synodiarch/e/s, Waddington 2589, 2590, 2596) unternehmen; so setzen einem solchen eine Bildsaeule “die mit ihm nach Vologesias hinab gegangenen Kaufleute” (oi s?n ayt/o/ katelthontes eis Ologesiada enporoi, Waddington 2599 vom Jahre 247) oder “herauf von Forath (vgl. Plin. nat. 6, 28, 145) und Vologasias” (oi synanabantes met’ ayto? emporoi apo PHorathoy ke Ologasiados, Waddington 2589 vom Jahre 142) oder “herauf von Spasinu Charax” (oi s?n ayt/o/ anabantes apo Stasinoy CHarakos, Waddington 2596 vom Jahre 193; aehnlich 2590 vom Jahre 155). Alle diese Fuehrer sind vornehme, mit Ahnenreihen ausgestattete Maenner; ihre Ehrendenkmaeler stehen in der grossen Kolonnade neben denen der Koenigin Zenobia und ihrer Familie. Besonders merkwuerdig ist einer derselben, Septimius Vorodes, von dem es eine Reihe von Ehrenbasen aus den Jahren 2b2-267 gibt (Waddington 2606-2610); auch er war Karawanenhaupt (anakomisanta t/e/s synodias ek t/o/n idi/o/n kai marthyr/e/thenta ypo t/o/n archempor/o/n, Waddington 2606 a; also bestritt er die Kosten der Rueckreise fuer die ganze Begleitung und wurde wegen dieser Freigebigkeit von den Grosshaendlern oeffentlich belobt). Aber er bekleidete auch nicht bloss die staedtischen Aemter des Strategen und Agoranomen, sondern war sogar kaiserlicher Prokurator zweiter Klasse (ducenarius) und Argapetes (Anm. 102).
———————————————- Nachdem Kaiser Decius im Jahre 251 gegen die Goten in Europa gefallen war, ueberliess die Regierung des Reiches, wenn es ueberhaupt damals ein Reich und eine Regierung noch gab, den Osten voellig seinem Schicksal. Waehrend die Piraten vom Schwarzen Meer her weit und breit die Kuesten und selbst das Binnenland verheerten, ging auch der Perserkoenig Sapor wieder angriffsweise vor. Wenn sein Vater sich damit begnuegt hatte, sich den Herrn von Iran zu nennen, so hat er zuerst wie nach ihm die folgenden Herrscher sich bezeichnet als den Grosskoenig von Iran und Nicht-Iran und damit gleichsam das Programm seiner Eroberungspolitik hingestellt. Im Jahre 252 oder 253 besetzte er Armenien, oder es unterwarf sich ihm freiwillig, ohne Zweifel mitergriffen von jenem Aufflammen des alten Perserglaubens und Perserwesens; der rechtmaessige Koenig Tiridates suchte Zuflucht bei den Roemern, die uebrigen Glieder des koeniglichen Hauses stellten sich unter die Fahnen des Persers ^94. Nachdem also Armenien persisch geworden war, ueberschwemmten die Scharen der Orientalen Mesopotamien, Syrien und Kappadokien; sie verwuesteten weit und breit das platte Land, aber die Bewohner der groesseren Staedte wiesen den Angriff der auf Belagerung wenig eingerichteten Feinde ab, voran die tapferen Edessener. Im Okzident war inzwischen wenigstens eine anerkannte Regierung hergestellt worden. Der Kaiser Publius Licinius Valerianus, ein rechtschaffener und wohlgesinnter Herrscher, aber kein entschlossener und schwierigen Verhaeltnissen gewachsener Charakter, erschien endlich im Osten und begab sich nach Antiocheia. Von da aus ging er nach Kappadokien, das die persischen Streif scharen raeumten. Aber die Pest dezimierte sein Heer, und er zoegerte lange, den entscheidenden Kampf in Mesopotamien aufzunehmen. Endlich entschloss er sich, dem schwer bedraengten Edessa Hilfe zu bringen, und ueberschritt mit seinen Scharen den Euphrat. Hier, unweit Edessa, trat die Katastrophe ein, welche fuer den roemischen Orient ungefaehr das zu bedeuten hat, was fuer den Okzident der Sieg der Goten an der Donaumuendung und der Fall des Decius: die Gefangennahme des Kaisers Valerianus durch die Perser (Ende 259 oder Anfang 260) ^95. Ueber die naeheren Umstaende gehen die Berichte auseinander. Nach der einen Version wurde er, als er mit einer schwachen Schar versuchte, nach Edessa zu gelangen, von den weit ueberlegenen Persern umzingelt und gefangen. Nach einer andern gelangte er, wenn auch geschlagen, in die belagerte Stadt, fuerchtete aber, da er keine ausreichende Hilfe brachte und die Lebensmittel nur um so rascher zu Ende gingen, den Ausbruch einer Militaerinsurrektion und lieferte sich darum freiwillig dem Feind in die Haende. Nach einer dritten knuepfte er, aufs aeusserste bedraengt, Verhandlungen wegen der Uebergabe Edessas mit Sapor an; da der Perserkoenig es ablehnte, mit Gesandten zu verhandeln, erschien er persoenlich im feindlichen Lager und ward wortbruechigerweise zum Gefangenen gemacht.
——————————————— ^94 Nach dem griechischen Bericht (Zon. 12, 21) fluechtet Koenig Tiridates zu den Roemern, seine Soehne aber treten auf die Seite der Perser; nach dem armenischen wird Koenig Chosroes von seinen Bruedern ermordet und des Chosroes Sohn Tiridates zu den Roemern gefluechtet (Gutschmid ZDMG 31, 1877, S. 48). Vielleicht ist der letztere vorzuziehen. ^95 Den einzigen festen chronologischen Anhalt geben die alexandrinischen Muenzen, nach welchen Valerianus zwischen 29. August 259 und 28. August 260 gefangen ward. Dass er nach seiner Gefangennahme nicht mehr als Kaiser galt, erklaert sich, da die Perser ihn zwangen, seinen ehemaligen Untertanen Befehle in ihrem Interesse zu erteilen (Dio Forts. fr. 3). ——————————————— Welche immer von diesen Erzaehlungen der Wahrheit am naechsten kommen mag, der Kaiser ist in feindlicher Gefangenschaft gestorben ^96, und die Folge dieser Katastrophe war der Verlust des Orients an die Perser. Vor allem Antiocheia, die groesste und reichste Stadt des Ostens, geriet zum ersten Mal, seit sie roemisch war, in die Gewalt des Landesfeindes, und zum guten Teil durch die Schuld der eigenen Buerger. Ein vornehmer Antiochener, Mareades, den wegen unterschlagener oeffentlicher Gelder der Rat ausgestossen hatte, fuehrte die persische Armee nach seiner Vaterstadt; mag es auch Fabel sein, dass die Buergerschaft im Theater selbst von den anrueckenden Feinden ueberrascht ward, daran ist kein Zweifel, dass sie nicht bloss keinen Widerstand leistete, sondern ein grosser Teil der niederen Bevoelkerung, teils mit Ruecksicht auf Mareades, teils in der Hoffnung auf Anarchie und Raub, das Eindringen der Perser gern sah. So wurde die Stadt mit allen ihren Schaetzen die Beute des Feindes und entsetzlich in derselben gehaust, freilich auch Mareades, wir wissen nicht warum, von Koenig Sapor zum Feuertode verurteilt ^97. Das gleiche Schicksal erlitten ausser zahllosen kleineren Ortschaften die Hauptstaedte von Kilikien und Kappadokien, Tarsos und Caesarea, letztere angeblich eine Stadt von 400000 Einwohnern. Die endlosen Zuege der Gefangenen, die wie das Vieh einmal am Tage zur Traenke gefuehrt wurden, bedeckten die Wuestenstrassen des Ostens. Auf der Heimkehr sollen die Perser, um eine Schlucht rascher zu ueberschreiten, sie mit den Leibern der mitgefuehrten Gefangenen ausgefuellt haben. Glaublicher ist es, dass der grosse “Kaiserdamm” (Bend-i-Kaiser) bei Sostra (Schuschter) in Susiana, durch welchen noch heute das Wasser des Pasitigris den hoeher gelegenen Gegenden zugefuehrt wird, von diesen Gefangenen gebaut ward; wie ja auch Kaiser Neros Architekten die Hauptstadt von Armenien bauen geholfen und ueberhaupt auf diesem Gebiet die Okzidentalen stets ihre Ueberlegenheit behauptet haben. Auf eine Gegenwehr des Reiches stiessen die Perser nirgends; aber Edessa hielt sich noch immer, und auch Caesarea hatte sich tapfer verteidigt und war nur durch Verrat gefallen. Die oertliche Gegenwehr ging allmaehlich hinaus ueber die Abwehr hinter den staedtischen Waellen, und die durch die weite Ausdehnung des eroberten Gebiets herbeigefuehrte Aufloesung der persischen Haufen war dem kuehnen Parteigaenger guenstig. Einem selbstbestellten roemischen Fuehrer, Kallistos ^98, gelang ein gluecklicher Handstreich: mit den Schiffen, die er in den kilikischen Haefen zusammengebracht hatte, fuhr er nach Pompeiopolis, das die Perser eben belagerten, waehrend sie gleichzeitig Lykaonien brandschatzten, erschlug mehrere Tausend Mann und bemaechtigte sich des koeniglichen Harems. Dies bestimmte den Koenig, unter dem Vorwand einer nicht aufzuschiebenden Festfeier, sofort nach Hause zu gehen, in solcher Eile, dass er, um nicht aufgehalten zu werden, von den Edessenern freien Durchzug durch ihr Gebiet gegen alles von ihm erbeutete roemische Goldgeld erkaufte. Den von Antiocheia heimkehrenden Scharen brachte der Fuerst von Palmyra, Odaenathos, bevor sie den Euphrat ueberschritten, empfindliche Verluste bei. Aber kaum war die dringendste Persergefahr beseitigt, als unter den sich selbst ueberlassenen Heerfuehrern des Ostens zwei der namhaftesten, der die Kasse und das Depot der Armee in Samosata verwaltende Offizier Fulvius Macrianus ^99 und der oben genannte Kallistos, dem Sohne und Mitregenten und jetzt alleinigen Herrscher Gallienus, fuer den freilich der Osten und die Perser nicht da waren, den Gehorsam aufkuendigten und, selbst die Annahme des Purpurs verweigernd, die beiden Soehne des ersteren Fulvius Macrianus und Fulvius Quietus zu Kaisern ausriefen (261). Dies Auftreten der beiden angesehenen Feldherrn bewirkte, dass in Aegypten und im ganzen Osten, mit Ausnahme von Palmyra, dessen Fuerst fuer Gallienus eintrat, die beiden jungen Kaiser zur Anerkennung gelangten. Der eine von ihnen, Macrianus, ging mit seinem Vater nach dem Westen ab, um auch hier dies neue Regiment einzusetzen. Aber bald wandte sich das Glueck: in Illyricum verlor Macrianus, nicht gegen Gallienus, sondern gegen einen anderen Praetendenten, Schlacht und Leben. Gegen den in Syrien zurueckgebliebenen Bruder wandte sich Odaenathos; bei Hemesa, wo die Heere aufeinandertrafen, antworteten die Soldaten des Quietus auf die Aufforderung, sich zu ergeben, dass sie alles eher ueber sich ergehen lassen wuerden, als einem Barbaren sich in die Haende zu liefern. Nichtsdestoweniger verriet der Feldherr des Quietus, Kallistos, seinen Herrn an den Palmyrener ^100, und also endete auch dessen kurzes Regiment. —————————————————– ^96 Die besseren Berichte wissen nur davon, dass Valerianus in persischer Gefangenschaft starb. Dass Sapor ihn beim Besteigen des Pferdes als Schemel benutzte (Lact. mort. pers. 5; Oros. hist. 7, 22, 4; Aur. Vict. epit. 33) und schliesslich ihn schinden liess (Lact. a.a.O.; Agathias 4, 23; Cedrenus p. 454), ist eine christliche Erfindung, die Vergeltung fuer die von Valerian angeordnete Christenverfolgung.
^97 Die Tradition, wonach Mareades (so Amm. 23, 5, 3; Mariades Malalas 12 p. 295; Mariadnes Forts. des Dio fr. 1) oder, wie er hier heisst, Cyriades sich zum Augustus ausrufen liess (vit. trig. tyr. 1), ist schwach beglaubigt; sonst koennte darin wohl die Veranlassung gefunden werden, weshalb Sapor ihn hinrichten liess.
^98 Kallistos heisst er in der einen wohl auf Dexippus zurueckgehenden Ueberlieferung bei Synkellos p. 716 und Zon. 12, 23, dagegen Ballista in den Kaiserbiographien und bei Zon. 12, 24.
^99 Er war nach dem zuverlaessigsten Bericht procurator summarum (epi t/o/n katholoy log/o/n basile/o/s: Dionysios bei Eus. 7, 10, 5), also Finanzminister mit Ritterrang; der Fortsetzer des Dio (fr. 3 Muell.) drueckt dies in der Sprache der spaeteren Zeit aus mit kom/e/s t/o/n th/e/sayr/o/n kai ephest/o/s t/e/ agora to? sitoy.
^100 Wenigstens nach dem Bericht, der den Kaiserbiographien zu Grunde liegt (vita Gallieni 3 und sonst). Nach Zon. 12, 24, dem einzigen Schriftsteller, der ausserdem das Ende des Kallistos erwaehnt, liess Odaenathos denselben toeten. —————————————————– Damit tritt Palmyra im Orient an den ersten Platz. Gallienus, durch die Barbaren des Westens und die ueberall dort ausbrechenden Militaerinsurrektionen mehr als ausreichend beschaeftigt, gab dem Fuersten von Palmyra, der in der eben erzaehlten Krise allein ihm die Treue bewahrt hatte, eine beispiellose, indes unter den obwaltenden Umstaenden wohl erklaerliche Ausnahmestellung: er wurde als Erbfuerst oder, wie er jetzt heisst, Koenig von Palmyra zugleich zwar nicht Mitherrscher, aber selbstaendiger Statthalter des Kaisers fuer den Osten ^101. Die oertliche Verwaltung von Palmyra fuehrte unter ihm ein anderer Palmyrener, zugleich als kaiserlicher Prokurator und als sein Stellvertreter ^102. Somit lag die gesamte Reichsgewalt, soweit sie ueberhaupt im Osten noch bestand, in der Hand des “Barbaren”, und so rasch wie glaenzend stellte dieser mit seinen Palmyrenern, welche durch die Truemmer der roemischen Heerkoerper und das Aufgebot des Landes verstaerkt wurden, die Herrschaft Roms wieder her. Asien und Syrien waren schon vom Feinde geraeumt. Odaenathos ging ueber den Euphrat, machte endlich den tapferen Edessenern Luft und nahm den Persern die eroberten Staedte Nisibis und Karrhae wieder ab (264). Wahrscheinlich ist auch Armenien damals wieder unter roemische Botmaessigkeit zurueckgebracht worden ^103. Sodann ergriff er, zuerst wieder seit Gordianus, die Offensive gegen die Perser und marschierte auf Ktesiphon. In zwei verschiedenen Feldzuegen wurde die Hauptstadt des Persischen Reiches von ihm umstellt und die Umgegend verheert, mit den Persern unter den Mauern derselben gluecklich gefochten ^104. Selbst die Goten, deren Raubzuege bis in das Binnenland sich erstreckten, wichen zurueck, als er nach Kappadokien aufbrach. Eine Machtentwicklung dieser Art war ein Segen fuer das bedraengte Reich und zugleich eine ernste Gefahr. Odaenathos beobachtete freilich gegen den roemischen Oberherrn alle schuldigen Formen und sandte die gefangenen feindlichen Offiziere und die Beutestuecke nach Rom an den Kaiser, der es nicht verschmaehte, daraufhin zu triumphieren; aber in der Tat war der Orient unter Odaenathos nicht viel weniger selbstaendig als der Westen unter Postumus, und es begreift sich, dass die roemisch gesinnten Offiziere dem palmyrenischen Vizekaiser Opposition machten ^105 und einerseits die Rede ist von Versuchen des Odaenathos, sich den Persern anzuschliessen, die nur an Sapors Uebermut gescheitert sein sollen ^106, andererseits Odaenathos’ Ermordung in Hemesa im Jahre 266/67 auf Anstiften der roemischen Regierung zurueckgefuehrt ward ^107. Indes der eigentliche Moerder war ein Brudersohn des Odaenathos und Beweise fuer die Beteiligung der Regierung liegen nicht vor. Auf jeden Fall aenderte das Verbrechen in der Lage der Dinge nichts. Die Gattin des Verstorbenen, die Koenigin Bat Zabbai oder griechisch Zenobia, eine schoene und kluge Frau von maennlicher Tatkraft ^108, nahm kraft des erblichen Fuerstenrechts fuer ihren und Odaenathos’ noch im Knabenalter stehenden Sohn Vaballathos oder Athenodoros ^109 – der aeltere, Herodes, war mit dem Vater umgekommen – die Stellung des Verstorbenen in Anspruch und drang in der Tat damit sowohl in Rom wie im Orient durch; die Regierungsjahre des Sohnes werden gezaehlt vom Tode des Vaters. Fuer den nicht regierungsfaehigen Sohn trat die Mutter in Rat und Tat ein ^110, und sie beschraenkte sich auch nicht darauf, den Besitzstand zu wahren, sondern ihr Mut oder ihr Uebermut strebten nach der Herrschaft ueber das gesamte Reichsgebiet griechischer Zunge. In dem Kommando ueber den Orient, welches dem Odaenathos uebertragen und von ihm auf seinen Sohn vererbt war, mag wohl dem Rechte nach die Obergewalt ueber Kleinasien und Aegypten mitbegriffen gewesen sein; aber tatsaechlich hatte Odaenathos nur Syrien und Arabien und etwa noch Armenien, Kilikien, Kappadokien in der Gewalt gehabt. Jetzt forderte ein einflussreicher Aegypter, Timagenes, die Koenigin auf, Aegypten zu besetzen; dem entsprechend entsandte sie ihren Oberfeldherrn Zabdas mit einem Heer, angeblich 70000 Mann, an den Nil. Das Land widersetzte sich energisch; aber die Palmyrener schlugen das aegyptische Aufgebot und bemaechtigten sich Aegyptens. Ein roemischer Admiral, Probus, versuchte sie wieder zu vertreiben und ueberwand sie auch, so dass sie nach Syrien aufbrachen; aber als er ihnen bei dem aegyptischen Babylon unweit Memphis den Weg zu verlegen suchte, wurde er durch die bessere Ortskunde des palmyrenischen Feldherrn Timagenes geschlagen und gab sich selber den Tod ^111. Als um die Mitte des Jahres 270 nach Kaiser Claudius’ Tode Aurelianus an seine Stelle trat, geboten die Palmyrener ueber Alexandreia. Auch in Kleinasien machten sie Anstalt, sich festzusetzen; ihre Besatzungen waren bis nach Ankyra in Galatien vorgeschoben und selbst in Kalchedon, Byzanz gegenueber; hatten sie versucht, die Herrschaft ihrer Koenigin zur Geltung zu bringen. Alles dies geschah, ohne dass die Palmyrener der roemischen Regierung absagten, ja wahrscheinlich in der Weise, dass das von der roemischen Regierung dem Fuersten von Palmyra uebertragene Regiment des Ostens auf diese Weise verwirklicht ward und man die roemischen Offiziere, die sich der Ausdehnung der palmyrenischen Herrschaft widersetzten, der Auflehnung gegen die kaiserlichen Anordnungen zieh; die in Alexandreia geschlagenen Muenzen nennen Aurelianus und Vaballathos nebeneinander und geben nur dem ersteren den Augustustitel. Der Sache nach loeste freilich hier der Osten sich vom Reiche ab, und in Ausfuehrung einer dem elenden Gallienus durch die Not abgezwungenen Anordnung wurde dasselbe gehaelftet. ———————————————- ^101 Dass Odaenathos so wie nach ihm sein Sohn Vaballathos (abgesehen natuerlich von der Zeit nach dem Bruche mit Aurelianus) keineswegs Augusti waren (wie die vita Gallieni 12 faelschlich angibt), zeigt sowohl das Fehlen des Augustusnamens auf den Muenzen wie auch der nur fuer einen Untertan moegliche Titel v(ir) c(onsularis) = y(patikos), den wie der Vater (Anm. 91) so auch der Sohn noch fuehrt. Die Statthalterstellung wird auf den Muenzen des Sohnes mit im(perator) d(ux) R(omanorum) = ayt(okrat/o/r) s(trat/e/gos) bezeichnet; uebereinstimmend damit sagen Zonaras (12, 23 und abermals 12, 24) und Synkellos (p. 716), dass Gallienus den Odaenathos wegen eines Sieges ueber die Perser und den Ballista zum strat/e/gos t/e/s e/o/as oder pas/e/s anatol/e/s; bestellte; der Biograph des Gallienus c. 10, dass er obtinuit totius Orientis imperium. Damit werden alle asiatischen Provinzen und Aegypten gemeint sein das hinzugefuegte imperator = aytokrat/o/r (vgl. vit. trig. tyr. 15, 6; post reditum de Perside – Herodes des Odaenathos Sohn – cum patre imperator est appellatus) soll ohne Zweifel die von der gewoehnlichen statthalterlichen verschiedene, freiere Handhabung der Gewalt ausdruecken. Dazu tritt weiter der jetzt foermlich angenommene Titel seines Koenigs von Palmyra (trig. tyr.15, 2: adsumpto nomine regali), welchen auch der Sohn nicht auf den aegyptischen, aber wohl auf den syrischen Muenzen fuehrt. Dass Odaenathos in einer im August 271, also nach seinem Tode und waehrend des Krieges der Seinigen mit Aurelian gesetzten Inschrift wahrscheinlich melekh malke, “Koenig der Koenige” heisst (Vogue 28), gehoert zu den revolutionaeren Demonstrationen dieses Zeitraumes und macht fuer die fruehere Zeit keinen Beweis.
^102 Die zahlreichen Inschriften des Septimius Vorodes, gesetzt in den Jahren 262 bis 267 (Waddington 2606-2610), also bei Lebzeiten Odaenaths, bezeichnen ihn saemtlich als kaiserlichen Prokurator zweiter Klasse (ducenarius), daneben aber teils mit dem Titel argapet/e/s, welches persische, aber auch bei den Juden gangbare Wort “Burgherr”, “Vizekoenig” bedeutet (Levy, ZDMG 18, 1864, S. 90; Noeldeke, das. 24, 1869, S. 107), teils als dikaiodot/e/s t/e/s m/e/tropol/o/nias, was ohne Zweifel, wenn nicht sprachlich, so doch sachlich dasselbe Amt ist. Vermutlich ist darunter dasjenige zu verstehen, weshalb Odaenaths Vater das “Haupt von Thadmor” heisst (Anm. 89): der fuer das Kriegsrecht wie fuer die Rechtspflege kompetente Einzelvorsteher von Palmyra; nur dass, seit der erweiterten Stellung Odaenaths, dieser Posten als Unteramt von einem Manne ritterlichen Ranges bekleidet wird. Der Vermutung Sachaus (ZDMG 35, 1881, S. 738), dass dieser Vorodes der “Wurud” einer Kupfermuenze aus hiesigen Kabinetts und beide mit dem zugleich mit dem Vater umgebrachten aelteren Sohn des Odaenathos Herodes identisch seien, stehen ernstliche Bedenken entgegen. Herodes und Orodes sind verschiedene Namen (in der palmyrenischen Inschrift Waddington 2610 stehen beide nebeneinander); der Sohn eines Senators kann nicht fueglich ein Ritteramt bekleiden; ein mit seinem Bildnis muenzender Prokurator ist selbst fuer diese exzeptionellen Verhaeltnisse nicht denkbar. Wahrscheinlich ist die Muenze ueberhaupt nicht palmyrenisch. “Sie ist”, schreibt mir v. Sallet, “wahrscheinlich aelter als Odaenathos und gehoert wohl einem Arsakiden des 2. Jahrhunderts n. Chr.; sie zeigt einen Kopf mit einem dem sassanidischen aehnlichen Kopfputz; die Rueckseite, S C im Lorbeerkranz, scheint den Muenzen von Antiocheia nachgeahmt.” Wenn spaeter, nach dem Bruch mit Rom im Jahre 271, in einer Inschrift von Palmyra (Waddington 2611) zwei Feldherren der Palmyrener unterschieden werden, o megas strat/e/lat/e/s, der auch geschichtlich bekannte Zabdas, und o enthade strat/e/lat/e/s Zabbaeos, so ist der letztere vermutlich eben der Argapetes.
^103 Dafuer spricht die Sachlage; Zeugnisse fehlen. In den Kaiserbiographien dieser Epoche pflegen die Armenier unter den von Rom unabhaengigen Grenzvoelkern aufgefuehrt zu werden (Val. Max. 6; vit. trig. tyr. 30, 7, 18; Aur. Vict. 11, 27, 28, 41); aber dies gehoert zu ihren voellig unzuverlaessigen, dekorativen Bestandteilen. ^104 Dieser bescheidenere Bericht (Eutr. 9, 10; vita Gall. 10; vit. trig. tyr. 15, 4; Zos. hist. 1, 39, der allein die zweimalige Expedition bezeugt) wird dem, der die Einnahme der Stadt meldet (Synkellos p. 716), vorgehen muessen. ^105 Dies zeigen die Erzaehlungen ueber den Carinus (Dios Forts. p. 8) und ueber den Rufinus (Anm. 107). Dass nach Odaenathos’ Tode ein auf Gallienus’ Geheiss gegen die Perser agierender Feldherr, Heraclianus von Zenobia, angegriffen und ueberwunden ward (vita Gall. 13, 5), ist an sich nicht unmoeglich, da ja die Fuersten von Palmyra das Oberkommando im ganzen Osten von Rechts wegen besassen und eine solche Aktion, auch wenn sie von Gallienus veranlasst war, behandelt werden konnte als dagegen verstossend, und es wuerde dies das gespannte Verhaeltnis deutlich bezeichnen; aber der Gewaehrsmann ist so schlecht, dass darauf wenig zu geben ist. ^106 Das lehrt die charakteristische Erzaehlung des Petrus fr. 10, welches vor fr. 11 zu stellen ist.
^107 Die Erzaehlung des Fortsetzers des Dio fr. 7, dass der alte Odaenathos als des Hochverrats verdaechtig von einem (sonst nicht erwaehnten) Rufinus getoetet und der juengere, als er diesen bei dem Kaiser Gallienus verklagt habe, auf die Erklaerung des Rufinus, dass der Klaeger das gleiche Schicksal verdiene, abgewiesen sei, kann so, wie sie liegt, nicht richtig sein. Aber Waddingtons Vorschlag, dem Gallienus den Gallus zu substituieren und in dem Klaeger den Gatten Zenobias zu erkennen, ist nicht statthaft, da der Vater dieses Odaenathos Hairanes war, bei diesem fuer eine derartige Exekution gar kein Grund vorliegt und das Exzerpt in seiner ganzen Beschaffenheit unzweifelhaft auf Gallienus geht. Vielmehr wird der alte Odaenathos der Gemahl der Zenobia sein und der Schriftsteller dem Vaballathos, auf dessen Namen geklagt ward, irrig den Vaternamen beigelegt haben.
^108 Alle Einzelheiten, die in unseren Erzaehlungen ueber die Zenobia umlaufen, stammen aus den Kaiserbiographien; und wiederholen wird sie nur, wer diese Quelle nicht kennt.
^109 Den Namen Vaballathos geben, ausser den Muenzen und den Inschriften, Pol. Silv. chron. p. 243 meiner Ausgabe und der Biograph des Aurelianus c. 38, indem er die Angabe, dass Odaenathos zwei Soehne, Timolaus und Herennianus, hinterlassen habe, als unrichtig bezeichnet. In der Tat scheinen diese beiden, lediglich in den Kaiserbiographien auftretenden Personen nebst allem, was daran haengt, von dem Skribenten erfunden, auf den die Durchfaelschung dieser Biographien zurueckgeht. Auch Zosimus (hist. 1, 59) weiss nur von einem mit der Mutter in Gefangenschaft geratenen Sohn. ^110 Ob Zenobia fuer sich die formelle Mitregierung in Anspruch genommen hat, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. In Palmyra nennt sie sich selbst noch nach dem Bruch mit Rom bloss basiliss/e/ (Waddington 2611, 2628). Im uebrigen Reich mag sie den Titel Augusta, Sebast/e/ in Anspruch genommen haben; denn wenn auch Muenzen der Zenobia aus der Zeit vor dem Bruch mit Rom fehlen, so kann doch einerseits die alexandrinische Inschrift mit basiliss/e/s kai basile/o/s prostaxant/o/n (Eph. epigr. IV, p. 25 n. 33) keinen Anspruch machen auf offizielle Redaktion und gibt andrerseits die Inschrift von Byblos CIG 4503 b = Waddington zu 2611 in der Tat der Zenobia den Titel Sebast/e/ neben Claudius oder Aurelian, waehrend sie denselben dem Vaballathos versagt. Dies ist auch insofern begreiflich, als Augusta eine Ehren-, Augustus eine Amtsbezeichnung ist, also dem Weibe wohl eingeraeumt werden konnte, was man dem Mann versagte. ^111 So erzaehlt Zosimus (hist. 1, 44) den Hergang, mit dem Zonaras (12, 27) und Synkellos (p. 721) im wesentlichen stimmen. Der Bericht im Leben des Claudius c. 11 ist mehr verschoben als eigentlich widersprechend; die erste Haelfte ist nur durch die Nennung des Saba angedeutet; die Erzaehlung beginnt mit dem erfolgreichen Versuch des Timagenes, den Angriff des Probus (hier Probatus) abzuwehren. Was ich darueber bei A. v. Sallet (Die Fuersten von Palmyra, Berlin 1866, S. 44) aufgestellt habe, ist nicht haltbar. ———————————————- Der kraeftige und umsichtige Kaiser, dem jetzt die Herrschaft zugefallen war, brach sofort mit der palmyrenischen Nebenregierung, was dann zur Folge haben musste und hatte, dass Vaballathos von den Seinen selber zum Kaiser ausgerufen ward. Aegypten wurde schon im Ausgang des Jahres 270 durch den tapferen Feldherrn Probus, den spaeteren Nachfolger Aurelians, nach harten Kaempfen wieder zum Reiche gebracht ^112. Freilich zahlte diesen Sieg die zweite Stadt des Reiches Alexandreia fast mit ihrer Existenz, wie dies in einem folgenden Abschnitt dargelegt werden soll. Schwieriger war die Bezwingung der entlegenen syrischen Oase. Alle anderen orientalischen Kriege der Kaiserzeit sind hauptsaechlich von dort heimischen Reichstruppen gefuehrt worden; hier, wo der Okzident den abgefallenen Osten abermals zu unterwerfen hatte, schlugen wieder einmal, wie in der Zeit der freien Republik, Okzidentalen gegen Orientalen ^113, die Soldaten vom Rhein und der Donau mit denen der syrischen Wueste. Gegen den Ausgang des Jahres 271, wie es scheint, begann die gewaltige Expedition. Ohne auf Gegenwehr zu treffen, gelangte das roemische Heer bis an die Grenze von Kappadokien; hier leistete die Stadt Tyana, die die kilikischen Paesse sperrte, ernstlichen Widerstand. Nachdem sie gefallen war und Aurelian durch milde Behandlung der Bewohner sich den Weg zu weiteren Erfolgen geebnet hatte, ueberschritt er den Taurus und gelangte durch Kilikien nach Syrien. Wenn Zenobia, wie nicht zu bezweifeln ist, auf taetige Unterstuetzung von seiten des Perserkoenigs gerechnet hatte, so fand sie sich getaeuscht. Der hochbetagte Koenig Schapur griff nicht in diesen Krieg ein und die Herrscherin des roemischen Ostens blieb auf ihre eigenen Streitkraefte angewiesen, von denen vielleicht auch noch ein Teil auf die Seite des legitimen Augustus trat. In Antiocheia vertrat die palmyrenische Hauptmacht unter dem Feldherrn Zabdas dem Kaiser den Weg; auch Zenobia selbst war anwesend. Ein glueckliches Gefecht gegen die ueberlegene palmyrenische Reiterei am Orontes lieferte Aurelian die Stadt in die Haende, welche nicht minder wie Tyana volle Verzeihung empfing – gerechterweise erkannte er an, dass die Reichsuntertanen kaum eine Schuld traf, wenn sie dem von der roemischen Regierung selbst zum Oberkommandanten bestellten palmyrenischen Fuersten sich gefuegt hatten. Die Palmyrener zogen ab, nachdem sie bei der Vorstadt von Antiocheia, Daphne, ein Rueckzugsgefecht geliefert hatten, und schlugen die grosse Strasse ein, die von der Hauptstadt Syriens nach Hemesa und von da durch die Wueste nach Palmyra fuehrt. Aurelianus forderte die Koenigin auf, sich zu unterwerfen, hinweisend auf die namhaften in den Kaempfen am Orontes erlittenen Verluste. Es seien das ja nur Roemer, antwortete die Koenigin; noch gaben die Orientalen sich nicht ueberwunden. Bei Hemesa ^114 stellte sie sich zu der entscheidenden Schlacht. Sie war lang und blutig; die roemische Reiterei unterlag und loeste fluechtend sich auf; aber die Legionen entschieden und der Sieg blieb den Roemern. Schwieriger als der Kampf war der Marsch. Die Entfernung von Hemesa nach Palmyra betraegt in gerader Richtung 18 deutsche Meilen, und wenn auch in jener Epoche der hochgesteigerten syrischen Zivilisation die Gegend nicht in dem Grade wuest war wie heutzutage, so bleibt der Zug Aurelians dennoch eine bedeutende Leistung, zumal da die leichten Reiter des Feindes das roemische Heer auf allen Seiten umschwaermten. Indes Aurelian gelangte zum Ziel und begann die Belagerung der festen und wohl verproviantierten Stadt; schwieriger als diese selbst war die Herbeifuehrung der Lebensmittel fuer das belagernde Heer. Endlich sank der Fuerstin der Mut, und sie entwich aus der Stadt, um Hilfe bei den Persern zu suchen. Doch das Glueck stand dem Kaiser weiter bei. Die nachsetzenden roemischen Reiter nahmen sie mit ihrem Sohne gefangen, als sie eben am Euphrat angelangt das rettende Boot besteigen wollte, und die durch ihre Flucht entmutigte Stadt kapitulierte (272). Aurelianus gewaehrte auch hier wie in diesem ganzen Feldzug den unterworfenen Buergerschaften volle Verzeihung. Aber ueber die Koenigin und ihre Beamten und Offiziere erging ein strenges Strafgericht. Zenobia verschmaehte es nicht, nachdem sie mit maennlicher Tatkraft jahrelang die Herrschaft gefuehrt hatte, jetzt die Frauenprivilegien anzurufen und die Verantwortung auf ihre Berater zu werfen, von denen nicht wenige, unter ihnen der gefeierte Gelehrte Cassius Longinus, unter dem Henkerbeil endigten. Sie selbst durfte in dem Triumphzug des Kaisers nicht fehlen, und sie ging nicht den Weg Kleopatras, sondern zog in goldenen Ketten zur Schau der roemischen Menge vor dem Wagen des Siegers auf das roemische Kapitol. Aber bevor Aurelianus seinen Sieg feiern konnte, hatte er ihn zu wiederholen. Wenige Monate nach der Uebergabe erhoben sich die Palmyrener abermals, erschlugen die kleine dort garnisonierende roemische Besatzung und riefen einen gewissen Antiochos ^115 zum Herrscher aus, indem sie zugleich versuchten, den Statthalter von Mesopotamien, Marcellinus, zur Auflehnung zu bestimmen. Die Kunde erreichte den Kaiser, als er eben den Hellespont ueberschritten hatte. Er kehrte sofort um und stand, frueher als es Freund oder Feind geahnt hatte, abermals vor den Mauern der insurgierten Stadt. Die Empoerer waren darauf nicht gefasst gewesen; es gab diesmal keine Gegenwehr, aber auch keine Gnade. Palmyra wurde zerstoert, das Gemeinwesen aufgeloest, die Mauern geschleift, die Prunkstuecke des herrlichen Sonnentempels in den Tempel uebertragen, den in Erinnerung an diesen Sieg der Kaiser dem Sonnengott des Ostens in Rom erbaute. Nur die verlassenen Hallen und Mauern blieben, wie sie zum Teil noch heute stehen. Das geschah im Jahre 273 ^116. Die Bluete Palmyras war eine kuenstliche, erzeugt durch die dem Handel gewiesenen Strassen und die grossen dadurch bedingten oeffentlichen Bauten. Jetzt zog die Regierung von der ungluecklichen Stadt ihre Hand ab. Der Handel suchte und fand andere Bahnen; da Mesopotamien damals als roemische Provinz betrachtet ward und bald auch wieder zum Reich kam, ebenfalls das Nabataeergebiet bis zu dem Hafen von Aelana in roemischer Hand war, so konnte diese Zwischenstation entbehrt werden und mag der Verkehr sich dafuer nach Bostra oder Beroea (Aleppo) gezogen haben. Dem kurzen meteorartigen Aufleuchten Palmyras und seiner Fuersten folgte unmittelbar die Oede und Stille, die seither bis auf den heutigen Tag ueber dem kuemmerlichen Wuestendorf und seinen Kolonnadenruinen lagert. ——————————————- ^112 Die Zeitbestimmung beruht darauf, dass die Usurpationsmuenzen des Vaballathos schon in seinem fuenften aegyptischen Regierungsjahr, das heisst 29. August 270/71 aufhoeren; dass sie sehr selten sind, spricht fuer den Anfang des Jahres. Damit stimmt wesentlich ueberein, dass die Erstuermung des Prucheion (das uebrigens kein Stadtteil war, sondern eine Lokalitaet dicht bei der Stadt nach der Seite der grossen Oase: Hier. vita Hilar. 33, 34, vol. 2 p. 32 Vall.) von Eusebius in der Chronik in das 1. Jahr des Claudius, von Ammian (22, 16, 15) unter Aurelian gesetzt wird; der genaueste Bericht bei Eusebius (hist. eccl. 7, 32) ist nicht datiert. Die Rueckeroberung Aegyptens durch Probus steht nur in der Biographie desselben (c. 9); sie kann so, wie sie erzaehlt wird, verlaufen sein, aber moeglich ist es auch, dass in dieser durch und durch verfaelschten Quelle die Timagenes-Geschichte mutatis mutandis auf den Kaiser uebertragen ist. ^113 Das hat wohl der von Zosimus (hist. 1, 52) ausgezogene Bericht ueber die Schlacht von Hemesa hervorheben wollen, indem er unter den Truppen Aurelians die Dalmatiner, Moeser, Pannonier, Noriker, Raeter, Mauretaner und die Garde aufzaehlt. Wenn er diesen die Truppen von Tyana und einige Abteilungen aus Mesopotamien, Syrien, Phoenike, Palaestina zugesellt, so geht dies ohne Zweifel auf die kappadokischen Besatzungen, die nach der Einnahme von Tyana sich angeschlossen hatten, und auf einige bei dem Einruecken Aurelians in Syrien zu ihm uebergegangene roemisch gesinnte Abteilungen der Armeen des Ostens. ^114 Aus Versehen setzt Eutropius (9, 13) die entscheidende Schlacht haud longe ab Antiochia; gesteigert ist dasselbe bei Rufius c. 24 (von dem Hier. chron. a. Abr. 2289 abhaengt) und bei Synkellos p. 721 durch den Zusatz apud Immas, en Immais, welcher 33 roemische Meilen von Antiocheia auf der Strasse nach Chalkis zu liegende Ort von Hemesa weit abliegt. Die beiden Hauptberichte bei Zosimus und dem Biographen Aurelians stimmen in allem wesentlichen ueberein. ^115 Diesen Namen haben Zos. hist. 1, 60 und Pol. Silv. chron. p. 243; der Achilleus des Biographen Aurelians c. 31 scheint eine Verwechslung mit dem Usurpator der diocletianischen Zeit. Dass gleichzeitig auch in Aegypten ein Parteigaenger der Zenobia und zugleich Raeuberhauptmann namens Firmus sich gegen die Regierung erhoben hat, ist wohl moeglich, beruht aber nur auf den Kaiserbiographien, und die hinzugefuegten Details klingen sehr bedenklich. ^116 Die Chronologie dieser Ereignisse steht nicht voellig fest. Die Seltenheit der syrischen Muenzen Vaballaths als Augustus beweisen, dass dem Bruch mit Aurelian (Ende 270) die Ueberwaeltigung bald nachfolgte. Nach den datierten Inschriften des Odaenathos und der Zenobia vom August 271 (Waddington 2611) stand damals die Herrschaft der Koenigin noch aufrecht. Da eine Expedition dieser Art nach den klimatischen Verhaeltnissen nicht wohl anders als im Fruehling stattfinden kann, so wird die erste Einnahme Palmyras im Fruehjahr 272 erfolgt sein. Die juengste (bloss palmyrenische) Inschrift, die wir von da kennen (Vogue 116) ist vom August 272. In diese Zeit mag die Insurrektion fallen, die zweite Einnahme und die Zerstoerung etwa in den Fruehling 273 (wonach 6, 154 A. zu berichtigen ist).
——————————————- Das ephemere Reich von Palmyra ist in seinem Entstehen wie in seinem Fall eng mit den Beziehungen der Roemer zu dem nicht roemischen Osten verwachsen, aber nicht minder ein Stueck der allgemeinen Reichsgeschichte. Denn wie das Westreich des Postumus, so ist das Ostreich der Zenobia eine jener Massen, in die damals das gewaltige Ganze sich schien aufloesen zu sollen. Wenn waehrend seines Bestehens seine Leiter dem Ansturm der Perser ernstlich Schranken zu setzen versuchten, ja ihre Machtentwicklung eben darauf beruhte, so hat es bei seinem Zusammenbrechen nicht bloss bei denselben Persern Rettung gesucht, sondern wahrscheinlich sind infolge des Abfalls der Zenobia Armenien und Mesopotamien den Roemern verlorengegangen und hat auch nach der Unterwerfung Palmyras der Euphrat wieder eine Zeitlang die Grenze gemacht. An ihm angelangt, hoffte die Koenigin Aufnahme bei den Persern zu finden; und ueber ihn hinueber die Legionen zu fuehren, unterliess Aurelianus, da Gallien nebst Britannien und Spanien damals noch der Regierung die Anerkennung verweigerten. Er und sein Nachfolger Probus kamen nicht dazu, diesen Kampf aufzunehmen. Aber als im Jahre 282 nach dem vorzeitigen Ende des letzteren die Truppen den naechsthoechsten Befehlshaber Marcus Aurelius Carus zum Kaiser ausriefen, war es das erste Wort des neuen Herrschers, dass die Perser dieser Wahl gedenken sollten, und er hat es gehalten. Sogleich rueckte er mit dem Heere in Armenien ein und stellte dort die fruehere Ordnung wieder her. An der Landesgrenze kamen ihm persische Gesandte entgegen, die sich bereit erklaerten, alles Billige zu gewaehren ^117; aber sie wurden kaum angehoert, und der Marsch ging unaufhaltsam weiter. Auch Mesopotamien wurde abermals roemisch und die parthischen Residenzstaedte Seleukeia und Ktesiphon einmal mehr von den Roemern besetzt, ohne dass diese auf nachhaltigen Widerstand getroffen waeren, wozu der damals im Persischen Reiche wuetende Bruderkrieg das seinige beitrug ^118. Der Kaiser war eben ueber den Tigris gegangen und im Begriff, in das Herz des feindlichen Landes einzudringen, als er auf gewaltsame Weise, vermutlich durch Moerderhand, den Tod und damit auch der Feldzug sein Ende fand. Sein Nachfolger aber erlangte im Frieden die Abtretung von Armenien und Mesopotamien ^119; obwohl Carus wenig ueber ein Jahr den Purpur trug, wurde die Reichsgrenze des Severus durch ihn wiederhergestellt. ———————————————– ^117 Es lehrt nichts fuer die Stellung der Armenier, dass in uebrigens durchaus apokryphen Schilderungen (vita Valer. 6; vita Aurel. 27, 28) die Armenier nach der Katastrophe Valerians zu den Persern halten und in der letzten Krise der Palmyrener als Bundesgenossen der Zenobia neben den Persern erscheinen; beides sind selbstverstaendliche Konsequenzen aus der allgemeinen Lage der Dinge. Dass Aurelian Armenien so wenig wie Mesopotamien unterwarf, dafuer spricht in diesem Falle teils das Schweigen der Quellen, teils die Nachricht des Synesios (regn. 17), dass Kaiser Carinus (vielmehr Carus) in Armenien hart an der Grenze des persischen Gebiets eine persische Gesandtschaft kurzerhand abgefertigt und, durch deren Bericht erschreckt, der junge Perserkoenig sich zu jeder Konzession bereit erklaert habe. Wie diese Erzaehlung auf Probus bezogen werden kann, wie v. Gutschmid meint (ZDMG 31, 1877, S. 50), sehe ich nicht ein; zu Carus’ persischer Expedition dagegen passt sie recht gut. ^118 Die Wiedereroberung Mesopotamiens berichtet nur der Biograph c. 8; aber bei dem Ausbruch des Perserkrieges unter Diocletian ist dasselbe roemisch. Der inneren Unruhen im Perserreich wird ebendaselbst gedacht; auch wird in einem im Jahre 289 gehaltenen Vortrag (Paneg. 3, 17) der Krieg erwaehnt, den gegen den Koenig von Persien – es war dies Bahram II. – der eigene Bruder Ormies oder vielmehr Hormizd fuehrt adscitis Sacis et Ruffis (?) et Gellis (vgl. Noeldeke, Tabari, S. 479). Wir haben ueberhaupt ueber diesen wichtigen Feldzug nur einige abgerissene Notizen.
^119 Das sagt deutlich Mamertinus (Paneg. 2, 7, vgl. 2, 10; 3, 6) in der im Jahre 289 gehaltenen Rede: Syriam velut amplexu suo tegebat Eupbrates antequam Diocletiano sponte (das heisst, ohne dass Diocletian zu den Waffen zu greifen brauchte, wie dann weiter ausgefuehrt wird) se dederent regna Persarum; ferner ein anderer Lobredner aus dem Jahre 296 (Paneg. 5, 3): Partho ultra Tagrim reducto. Wendungen wie die bei Aur. Vict. Caes. 39, 33, dass Galerius relictis finibus nach Mesopotamien marschiert sei, oder dass Narseh nach Ruf. Fest. 25 im Frieden Mesopotamien abtrat, koennen dagegen nicht geltend gemacht werden; ebensowenig, dass orientalische Quellen die roemische Besitznahme von Nisibis in 609 Sel. = 297/98 n. Chr. setzen (Noeldeke, Tabari, S. 50). Waere dies richtig, so koennte der genaue Bericht ueber die Friedensverhandlungen von 297 bei Petrus Patricius fr. 14 unmoeglich von der Abtretung Mesopotamiens schweigen und bloss der Regulierung des Grenzverkehrs Erwaehnung tun. ———————————————– Einige Jahre darauf (293) bestieg ein neuer Herrscher, Narseh, des Koenigs Schapur Sohn, den Thron von Ktesiphon, und erklaerte im Jahre 296 wegen des Besitzes von Mesopotamien und Armenien den Roemern den Krieg ^120. Diocletianus, der damals die oberste Leitung wie des Reiches ueberhaupt, so namentlich des Orients hatte, beauftragte mit der Fuehrung desselben seinen Reichsgehilfen Galerius Maximianus, einen rohen, aber tapferen Feldherrn. Der Anfang war unguenstig. Die Perser fielen in Mesopotamien ein und gelangten bis nach Karrhae; gegen sie fuehrte der Caesar die syrischen Legionen bei Nikephorion ueber den Euphrat; zwischen diesen beiden Positionen stiessen die Armeen aufeinander, und die weit schwaechere roemische unterlag. Es war ein harter Schlag und der junge Feldherr musste schwere Vorwuerfe ueber sich ergehen lassen; aber er verzagte nicht. Fuer den naechsten Feldzug wurden aus dem ganzen Reich Verstaerkungen herangezogen und beide Regenten rueckten persoenlich in das Feld; Diocletian nahm Stellung in Mesopotamien mit der Hauptmacht, waehrend Galerius, verstaerkt durch die inzwischen herangezogenen illyrischen Kerntruppen, mit einem Heer von 25000 Mann in Armenien dem Feind entgegentrat und ihm eine entscheidende Niederlage beibrachte. Das Lager und der Schatz, ja selbst der Harem des Grosskoenigs fielen den Kriegern in die Haende, und mit Not entging Narseh selbst der Gefangenschaft. Um nur die Frauen und die Kinder wieder zu erlangen, erklaerte der Koenig sich bereit, auf jede Bedingung Frieden zu schliessen; sein Abgesandter Apharban beschwor den Roemer, des Persers zu schonen: die beiden Reiche, das Roemische und das Persische, seien gleichsam die beiden Augen der Welt und keines koenne des anderen entbehren. Es haette in der Macht der Roemer gestanden, ihren orientalischen Provinzen eine mehr hinzuzufuegen; der vorsichtige Herrscher begnuegte sich mit der Regulierung der Besitzverhaeltnisse im Nordosten. Mesopotamien blieb selbstverstaendlich im roemischen Besitz; der wichtige Handelsverkehr mit dem benachbarten Ausland wurde unter strenge staatliche Kontrolle gestellt und wesentlich nach der festen Stadt Nisibis gewiesen, dem Stuetzpunkt der roemischen Grenzwacht im oestlichen Mesopotamien. Als Grenze der unmittelbaren roemischen Herrschaft wurde der Tigris anerkannt, jedoch in der Ausdehnung, dass das ganze suedliche Armenien bis zum See Thospitis (Vansee) und zum Euphrat, also das gesamte obere Tigristal zum Roemischen Reich gehoeren solle. Eigentliche Provinz ward dies Vorland von Mesopotamien nicht, sondern nach der bisherigen Weise als roemische Satrapie Sophene verwaltet. Einige Dezennien spaeter ward hier die starke Festung Amida (Diarbekr) angelegt, seitdem die Hauptburg der Roemer im Gebiet des oberen Tigris. Zugleich ward die Grenze zwischen Armenien und Medien neu reguliert und die Lehnsherrlichkeit Roms ueber jenes Land wie ueber Iberien abermals bestaetigt. Bedeutende Gebietsabtretungen legte der Friede den Besiegten nicht auf, aber er stellte eine den Roemern guenstige Grenze her, welche auf laengere Zeit hinaus in diesen vielumstrittenen Gebieten die beiden Reiche schied ^121. Die Politik Traians erhielt damit ihre vollstaendige Durchfuehrung; allerdings verschob sich auch eben damals der Schwerpunkt der roemischen Herrschaft aus dem Westen nach dem Osten.
———————————————– ^120 Dass Narseh in das damals roemische Armenien einbrach, sagt Amm. 23, 5, 11; fuer Mesopotamien folgt dasselbe aus Eutr. 9, 24. Noch am 1. Maerz 296 bestand der Friede oder war doch die Kriegserklaerung im Okzident nicht bekannt (Paneg. 5, 10).
^121 Die Differenzen in den ausnahmsweise guten Berichten namentlich des Petrus Patricius fr. 14 und Ammians (25, 7, 9) sind wohl nur formaler Art. Dass der Tigris die eigentliche Reichsgrenze sein sollte, wie Priscus sagt, schliesst nicht aus, zumal bei der eigentuemlichen Beschaffenheit seines Oberlaufs, dass dieselbe dort teilweise darueber hinausgriff; vielmehr scheinen die fuenf vorher bei Petrus genannten Distrikte eben als transtigritanische und von der folgenden allgemeinen Bestimmung auszunehmende aufgefuehrt zu werden. Die Distrikte, welche Priscus hier und, ausdruecklich als transtigritanische, Ammian auffuehren – es sind dies bei beiden Arzanene, Karduene und Zabdicene, bei Priscus Sophene und Intilene (“vielmehr Ingiline, armenisch Angel, jetzt Egil”: Kiepen), bei Ammian Moxoene und Rehimene (?) – koennen unmoeglich alle vor dem Frieden, wo doch Armenien schon Romano iuri obnoxia war (Amm. 23, 5, 11), von den Roemern als persische betrachtet worden sein; ohne Zweifel bildeten die westlicheren derselben schon damals einen Teil des roemischen Armeniens und stehen hier nur insofern, als sie infolge des Friedens dem Reiche als Satrapie Sophene einverleibt wurden. Dass es sich hier nicht um die Grenze der Abtretung, sondern um die des unmittelbaren Reichsgebiets handelte, zeigt der Folgesatz, der die Grenze zwischen Armenien und Medien feststellt. ———————————————– 10. Kapitel
Syrien und das Nabataeerland
Sehr allmaehlich haben die Roemer sich dazu entschlossen, nach der westlichen auch der oestlichen Haelfte der Kuesten des Mittelmeeres sich zu bemaechtigen; nicht an dem Widerstand, auf den sie hier verhaeltnismaessig in geringem Masse trafen, sondern an der wohlbegruendeten Scheu vor den denationalisierenden Konsequenzen dieser Eroberungen hat es gelegen, dass sie so lange wie moeglich sich nur bemuehten, in jenen Gegenden den entscheidenden politischen Einfluss zu bewahren, und dass die eigentliche Einverleibung wenigstens Syriens und Aegyptens erst stattfand, als der Staat schon fast eine Monarchie war. Wohl wurde dadurch das Roemerreich geographisch geschlossen, das Mittelmeer, Roms eigentliche Basis, seit es eine Grossmacht war, nach allen Seiten hin ein roemischer Binnensee, Schiffahrt und Handel auf und an demselben zum Segen aller Anwohner staatlich geeinigt. Aber der geographischen Geschlossenheit zur Seite ging die nationale Zweiteilung. Durch Griechenland und Makedonien waere der Roemerstaat nie binational geworden, so wenig wie die Griechenstaedte Neapolis und Massalia Kampanien und die Provence hellenisiert haben. Aber wenn in Europa und Afrika das griechische Gebiet gegenueber der geschlossenen Masse des lateinischen verschwindet, so gehoert, was von dem dritten Erdteil mit dem von Rechts wegen dazu gehoerigen Niltal in diesen Kulturkreis hineingezogen ward, ausschliesslich den Griechen, und namentlich Antiocheia und Alexandreia sind die rechten Traeger der in Alexander ihren Hoehepunkt erreichenden hellenischen Entwicklung, Mittelpunkte hellenischen Lebens und hellenischer Bildung und Grossstaedte wie Rom auch. Nachdem in dem vorhergehenden Kapitel der die ganze Kaiserzeit ausfuellende Kampf des Ostens und des Westens in und um Armenien und Mesopotamien dargestellt worden ist, wenden wir uns dazu, die Verhaeltnisse der syrischen Landschaften zu schildern, wie sie gleichzeitig sich gestalteten. Gemeint ist das Gebiet, das der Bergstock Pisidiens, Isauriens und Westkilikiens von Kleinasien, die oestliche Fortsetzung desselben Gebirges und der Euphrat von Armenien und Mesopotamien, die arabische Wueste von dem Parthischen Reiche und von Aegypten scheiden; nur schien es angemessen, die eigenartigen Schicksale Judaeas in einem besonderen Abschnitt zu behandeln. Der Verschiedenheit der politischen Entwicklung unter dem Kaiserregiment entsprechend soll zunaechst von dem eigentlichen Syriens dem noerdlichen Teil dieses Gebiets und von der unter dem Libanos sich hinziehenden phoenikischen Kueste, weiter von dem Hinterlande Palaestinas, dem Gebiet der Nabataeer gesprochen werden. Was ueber Palmyra zu sagen war, hat schon im vorigen Kapitel seinen Platz gefunden.
Seit der Teilung der Provinzen zwischen dem Kaiser und dem Senat hat Syrien unter kaiserlicher Verwaltung gestanden und ist im Orient, wie Gallien im Westen, der Schwerpunkt der kaiserlichen zivilen und militaerischen Verwaltung gewesen. Diese Statthalterschaft war von Anfang an von allen die angenehmste und wurde dies im Lauf der Zeit nur noch in hoeherem Grade. Ihr Inhaber fuehrte, gleich den Statthaltern der beiden Germanien, das Kommando ueber vier Legionen, und waehrend den Kommandanten der Rheinarmee die Verwaltung der inneren gallischen Landschaften abgenommen ward und schon in ihrem Nebeneinanderstehen eine gewisse Beschraenkung lag, behielt der Statthalter von Syrien auch die Zivilverwaltung der ganzen grossen Provinz ungeschmaelert und fuehrte lange Zeit in ganz Asien allein ein Kommando ersten Ranges. Unter Vespasian erhielt er zwar an den Statthaltern von Palaestina und von Kappadokien zwei ebenfalls Legionen befehligende Kollegen; andererseits aber wuchsen durch die Einziehung des Koenigreichs Kommagene und bald darauf auch der Fuerstentuemer im Libanos deren Gebiete seiner Verwaltung zu. Erst im Laufe des zweiten Jahrhunderts trat eine Schmaelerung seiner Befugnisse ein, indem Hadrian eine der vier Legionen dem Statthalter von Syrien nahm und sie dem von Palaestina ueberwies. Den ersten Platz in der roemischen Militaerhierarchie hat erst Severus dem syrischen Statthalter entzogen. Nachdem dieser die Provinz, die wie einst ihren Statthalter Vespasian, so damals den Niger zum Kaiser hatte machen wollen, unter Widerstreben namentlich der Hauptstadt Antiocheia unterworfen hatte, verfuegte er die Teilung derselben in eine noerdliche und eine suedliche Haelfte und gab dem Statthalter jener, der sogenannten Syria Koile, zwei, dem Statthalter dieser, der Provinz Syrophoenicia, eine Legion. Auch insofern darf Syrien mit Gallien zusammengestellt werden, als dieser kaiserliche Verwaltungsbezirk schaerfer als die meisten sich in befriedete Landschaften und schutzbeduerftige Grenzdistrikte schied. Wenn die ausgedehnte Kueste Syriens und die westlichen Landschaften ueberhaupt feindlichen Angriffen nicht ausgesetzt waren und die Deckung an der Wuestengrenze gegen die schweifenden Beduinen den arabischen und juedischen Fuersten und spaeterhin den Truppen der Provinz Arabien, auch den Palmyrenern, mehr oblag als den syrischen Legionen, so erforderte, namentlich bevor Mesopotamien roemisch ward, die Euphratgrenze eine aehnliche Bewachung gegen die Parther wie der Rhein gegen die Germanen. Aber wenn die syrischen Legionen an der Grenze zur Verwendung kamen, so konnte man doch auch in dem westlichen Syrien ihrer nicht entraten ^1. Die Rheintruppen waren allerdings auch der Gallier wegen da; dennoch durften die Roemer mit berechtigtem Stolz sagen, dass fuer die grosse Hauptstadt Galliens und die drei gallischen Provinzen eine unmittelbare Besatzung von 1200 Mann ausreiche. Aber fuer die syrische Bevoelkerung und insbesondere fuer die Hauptstadt des roemischen Asiens genuegte es nicht, die Legionen am Euphrat aufzustellen. Nicht bloss am Saum der Wueste, sondern auch in den Schlupfwinkeln der Gebirge hausten in der Nachbarschaft der reichen Aecker und der grossen Staedte, nicht in dem Grade wie heutzutage, aber doch auch damals stetig, verwegene Raeuberbanden und pluenderten, oft als Kaufleute oder Soldaten verkleidet, die Landhaeuser und die Doerfer. Aber auch die Staedte selbst, vor allem Antiocheia, verlangten, wie Alexandreia, eigene Besatzung. Ohne Zweifel ist dies der Grund gewesen, weshalb eine Teilung in Zivil- und Militaerbezirke, wie sie fuer Gallien schon Augustus verfuegte, in Syrien niemals auch nur versucht worden ist und weshalb die grossen, auf sich selbst stehenden Lageransiedlungen, aus denen zum Beispiel Mainz am Rhein, Leon in Spanien, Chester in England hervorgegangen sind, im roemischen Orient gaenzlich fehlen. Ohne Zweifel aber ist dies auch der Grund, weshalb die syrische Armee in Zucht und Geist so sehr zurueckstand gegen die der Westprovinzen; weshalb die stramme Disziplin, wie sie in den militaerischen Standlagern des Okzidents gehandhabt ward, in den staedtischen Kantonnements des Ostens nie Fuss fassen konnte. Wo der stehenden Truppe neben ihrer naechsten Bestimmung noch die Aufgabe der Polizei zufaellt, wirkt dies an sich demoralisierend, und nur zu oft wird, wo sie unruhige staedtische Massen in Zucht halten soll, vielmehr ihre eigene Disziplin dadurch untergraben. Die frueher geschilderten syrischen Kriege liefern dazu den unerfreulichen Kommentar; keiner derselben fand eine kriegsfaehige Armee vor und regelmaessig bedurfte es erst herangezogener okzidentalischer Truppen, um dem Kampfe die Wendung zu geben. —————————————————- ^1 Die Standquartiere der syrischen Legionen genau zu bestimmen, vermoegen wir nicht; doch ist, was hier gesagt ist, wesentlich gesichert. Unter Nero stand die 10. Legion in Raphaneae suedwestlich von Hamath (Ios. bel. Iud. 7, 1, 3) und ebendaselbst oder doch ungefaehr in dieser Gegend unter Tiberius die 6. (Tac. ann. 2, 79); wahrscheinlich in oder bei Antiocheia die 12. unter Nero (Ios. bel. Iud. 2, 18, 9). Wenigstens eine Legion stand am Euphrat; fuer die Zeit vor der Einziehung Kommagenes bezeugt dies Ios. bel. Iud. 7, 1, 3, und spaeterhin hatte eine der syrischen Legionen ihr Hauptquartier in Samosata (Ptol. geogr. 5; 15, 11; Inschrift aus Severus’ Zeit CIL VI, 1409; Itin. Anton. Aug. p. 186). Wahrscheinlich hatten die Staebe der meisten syrischen Legionen ihren Sitz in den westlichen Distrikten und geht die immer wiederkehrende Beschwerde, dass das Lagern in den Staedten die syrische Armee zerruette, hauptsaechlich auf diese Einrichtung. Ob in der besseren Zeit an dem Wuestensaum eigentliche Legionshauptquartiere bestanden haben, ist zweifelhaft; bei den Grenzposten daselbst haben auch Detachements der Legionen Verwendung gefunden, und namentlich ist der besonders unruhige Distrikt zwischen Damaskos und Bostra stark mit Legionaeren belegt worden, die einerseits das Kommando von Syrien stellte, andererseits das arabische seit Einrichtung desselben durch Traian. —————————————————- Syrien im engeren Sinne und seine Nebenlaender, das ebene Kilikien und Phoenike haben unter den roemischen Kaisern eine Geschichte im eigentlichen Sinne nicht gehabt. Die Bewohner dieser Landschaften gehoeren dem gleichen Stamme an wie die Bewohner Judaeas und Arabiens, und die Stammvaeter der Syrer und der Phoeniker haben in ferner Zeit an einem Orte gesessen mit denen der Juden und der Araber und eine Sprache geredet. Aber wenn die letzteren an ihrer Eigenart und an ihrer Sprache festgehalten haben, so haben die Syrer und die Phoeniker sich hellenisiert, schon bevor sie unter roemische Herrschaft gelangten. Es vollzog sich diese Hellenisierung durchgaengig in der Bildung von hellenischen Politien. Den Grund dazu hatte freilich die einheimische Entwicklung gelegt, namentlich an der phoenikischen Kueste die alten und grossen Kaufstaedte. Aber vor allem hat die Staatenbildung Alexanders und der Alexandriden, eben wie die der roemischen Republik, zu ihrem Fundament nicht den Stamm, sondern die Stadtgemeinde; nicht das altmakedonische Erbfuerstentum, sondern die griechische Politie hat Alexander in den Osten getragen, und nicht aus Staemmen, sondern aus Staedten gedachte er und gedachten die Roemer ihr Reich zusammenzusetzen. Der Begriff der autonomen Buergerschaft ist ein dehnbarer und die Autonomie Athens und Thebens eine andere als die der makedonischen und der syrischen Stadt, eben wie im roemischen Kreis die Autonomie des freien Capua einen anderen Inhalt hatte als die der latinischen Pflanzstaedte der Republik oder gar der Stadtgemeinden des Kaiserreichs; aber der Grundgedanke ist ueberall das sich selbst verwaltende, in seinem Mauerring souveraene Buergertum. Nach dem Sturz des Perserreichs ist Syrien nebst dem benachbarten Mesopotamien als die militaerische Verbindungsbruecke zwischen dem Westen und dem Osten wie kein anderes Land mit makedonischen Ansiedlungen bedeckt worden; die dort in weitester Ausdehnung uebernommenen, sonst im ganzen Alexanderreich nirgends also sich wiederfindenden makedonischen Ortsnamen beweisen es, dass hier der Kern der hellenischen Eroberer des Ostens angesiedelt wurde und dass Syrien fuer diesen Staat das Neu-Makedonien werden sollte; wie denn auch, solange das Reich Alexanders eine Zentralregierung behielt, diese dort ihren Sitz gehabt hat. Den syrischen Reichsstaedten hatten dann die Wirren der letzten Seleukidenzeit zu groesserer Selbstaendigkeit verholfen. Diese Einrichtungen fanden die Roemer vor. Unmittelbar vom Reich verwaltete, nicht staedtische Distrikte gab es schon nach der von Pompeius vorgenommenen Organisation in Syrien wahrscheinlich gar nicht, und wenn die abhaengigen Fuerstentuemer in der ersten Epoche der roemischen Herrschaft einen grossen Teil des suedlichen Binnenlandes der Provinz umfassten, so waren diese meist gebirgigen und schwach bewohnten Distrikte doch von untergeordneter Bedeutung. Im ganzen genommen blieb den Roemern in Syrien fuer die Hebung der staedtischen Entwicklung nicht viel zu tun uebrig, weniger als in Kleinasien. Eigentliche Staedtegruendung ist daher aus der Kaiserzeit fuer Syrien kaum zu berichten. Die wenigen Kolonien, welche hier angelegt worden sind, wie unter Augustus Berytus und wahrscheinlich auch Heliopolis, haben keinen anderen Zweck gehabt als die nach Makedonien gefuehrten, naemlich die Unterbringung der Veteranen. Wie sich die Griechen und die aeltere Bevoelkerung in Syrien zueinander stellten, laesst sich schon an den oertlichen Benennungen deutlich verfolgen. Landschaften und Staedte tragen hier der Mehrzahl nach griechische Namen, grossenteils, wie bemerkt, der makedonischen Heimat entlehnte wie Pieria, Anthemus, Arethusa, Beroea, Chalkis, Edessa, Europos, Kyrrhos, Larisa, Pella, andere benannt nach Alexander oder den Gliedern des seleukidischen Hauses, wie Alexandreia, Antiocheia, Seleukis und Seleukeia, Apameia, Laodikeia, Epiphaneia. Die alten einheimischen Namen behaupten sich wohl daneben, wie Beroea, zuvor aramaeisch Chaleb, auch Chalybon, Edessa oder Hierapolis, zuvor Mabog, auch Bambyke, Epiphaneia, zuvor Hamat, auch Amathe genannt wird. Aber meistens traten die aelteren Benennungen vor den fremden zurueck und nur wenige Landschaften und groessere Orte wie Kommagene, Samosata, Hemesa, Damaskos entbehren neugeschoepfter griechischer Namen. Das oestliche Kilikien hat wenig makedonische Gruendungen aufzuweisen; aber die Hauptstadt Tarsos hat sich frueh und vollstaendig hellenisiert und ist lange vor der roemischen Zeit eines der Zentren der hellenischen Bildung geworden. Etwas anderes ist es in Phoenike: die altberuehmten Kaufstaedte Arados, Byblos, Berytos, Sidon, Tyros haben die einheimischen Namen nicht eigentlich abgelegt; aber wie auch hier das Griechische die Oberhand gewann, zeigt die hellenisierende Umbildung eben dieser Namen, und noch deutlicher, dass Neu-Arados uns nur unter dem griechischen Namen Antarados bekannt ist, ebenso die von den Tyriern, den Sidoniern und den Aradiern gemeinschaftlich an dieser Kueste gegruendete neue Stadt nur unter dem Namen Tripolis, und beide ihre heutigen Benennungen Tartus und Tarabulus aus den griechischen entwickelt haben. Schon in der Seleukidenzeit tragen die Muenzen im eigentlichen Syrien ausschliesslich, die der phoenikischen Staedte weit ueberwiegend griechische Aufschrift; und von Anfang der Kaiserzeit an steht die Alleinherrschaft des Griechischen hier fest ^2. —————————————————- ^2 Von Byblos gibt es eine Muenze aus Augustus’ Zeit mit griechischer und phoenikischer Aufschrift (Imhoof-Blumer, Monnaies grecques, Leipzig 1883, S. 443).
—————————————————- Nur die nicht bloss durch weite Wuestenstrecken geschiedene, sondern auch eine gewisse politische Selbstaendigkeit bewahrende Oase Palmyra macht, wie wir sahen, hierin eine Ausnahme. Aber in dem Verkehr blieben die einheimischen Idiome. In den Bergen des Libanos und des Antilibanos, wo auch in Hemesa (Roms), Chalkis, Abila (beide zwischen Berytus und Damaskos) kleine Fuerstenhaeuser einheimischen Ursprungs bis gegen das Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. schalteten, hat die einheimische Sprache in der Kaiserzeit wahrscheinlich die Alleinherrschaft gehabt, wie denn in den schwer zugaenglichen Gebirgen der Drusen die Sprache Arams erst in neuerer Zeit dem Arabischen gewichen ist. Aber vor zwei Jahrtausenden war dieselbe in der Tat in ganz Syrien die Sprache des Volkes ^3. Dass bei den doppelnamigen Staedten im gewoehnlichen Leben die syrische Benennung ebenso ueberwog wie in der Literatur die griechische, zeigt sich darin, dass heute Beroea-Chalybon Haleb (Aleppo), Epiphaneia-Amathe Hama, Hierapolis-Bambyke-Mabog Membidj, Tyros mit seinem phoenikischen Namen Sur genannt wird; dass die uns aus den Urkunden und den Schriftstellern nur als Heliopolis bekannte syrische Stadt ihren uralten einheimischen Namen Baalbek noch heute fuehrt, ueberhaupt allgemein die heutigen Ortsnamen nicht aus den griechischen, sondern aus den aramaeischen hervorgegangen sind. —————————————————- ^3 Johannes Chrysostomos aus Antiocheia (t 407) weist mehrfach (De sanctis martyros. Opera. Paris 1718 ff. Vol. 2, p. 651; homil. 19, a. a. O., p. 188) hin auf die eterophonia, die barbaros phon/e/ des laos im Gegensatz zu der Sprache der Gebildeten.
—————————————————- Ebenso zeigt der Kultus das Fortleben des syrischen Volkstums. Die Syrer von Beroea bringen ihre Weihgeschenke mit griechischer Aufschrift dem Zeus Malbachos, die von Apameia dem Zeus Belos, die von Berytus als roemische Buerger dem Jupiter Balmarcodes, alles Gottheiten, an denen weder Zeus noch Jupiter wirklichen Teil hatten. Jener Zeus Belos ist kein anderer als der in Palmyra in syrischer Sprache verehrte Malach Belos. Wie lebendig die heimische Goetterverehrung in Syrien gewesen und geblieben ist, dafuer legt das deutlichste Zeugnis ab, dass die Dame von Hemesa, die durch ihre Verschwaegerung mit dem Severischen Hause fuer ihren Tochtersohn im Anfang des 3. Jahrhunderts die Kaiserwuerde erlangte, nicht damit zufrieden, dass der Knabe Oberpontifex des roemischen Volkes hiess, ihn auch anhielt, sich den Oberpriester des heimischen Sonnengottes Elagabalus vor allen Roemern zu titulieren. Die Roemer mochten die Syrer besiegen; aber die roemischen Goetter haben in ihrer eigenen Heimat vor den syrischen das Feld geraeumt. Nicht minder sind die zahlreichen auf uns gekommenen syrischen Eigennamen ueberwiegend ungriechisch und Doppelnamen nicht selten; der Messias heisst auch Christos, der Apostel Thomas auch Didymos, die von Petrus wiedererweckte Frau aus Joppe das “Reh”, Tabitha oder Dorkas. Aber fuer die Literatur und vermutlich auch fuer den Geschaeftsverkehr und den Verkehr der Gebildeten war das syrische Idiom so wenig vorhanden wie im Westen das keltische; in diesen Kreisen herrschte ausschliesslich das Griechische, abgesehen von dem auch im Osten fuer das Militaer geforderten Latein. Ein Literat aus der zweiten Haelfte des zweiten Jahrhunderts, den der frueher erwaehnte Koenig von Armenien Sohaemos an seinen Hof zog, hat einen Roman, der in Babylon spielt, einiges ueber seine eigene Lebensgeschichte eingelegt, das diese Verhaeltnisse erlaeutert. Er sei, sagt er, ein Syrer, aber nicht von den eingewanderten Griechen, sondern von Vater- und Mutterseite einheimischer Abkunft, Syrer nach Sprache und Sitte, auch babylonischer Sprache und persischer Magie kundig. Aber eben dieser, das hellenische Wesen in gewissem Sinne ablehnende Mann fuegt hinzu, dass er hellenische Bildung sich angeeignet habe, und ist ein angesehener Jugendlehrer in Syrien und ein namhafter Romanschriftsteller der spaeteren griechischen Literatur geworden ^4.
——————————————— ^4 Der Auszug des Photios aus dem Roman des Iamblichos c. 11, welcher den Verfasser irrig zu einem Babylonier macht, wird durch das Scholion dazu wesentlich berichtigt und ergaenzt. Der Geheimschreiber der Grosskoenigs, der unter den traianischen Gefangenen nach Syrien kommt, dort des Iamblichos Erzieher wird und ihn in der “barbarischen Weisheit” unterweist, ist natuerlich eine Figur des in Babylon spielenden Romans, den Iamblichos von diesem seinem Lehrmeister vernommen haben will; aber charakteristisch fuer die Zeit ist der armenische Hofliterat und Prinzenerzieher (denn als “guten Rhetor” hat ihn doch wohl Sohaemos nach Valarschapat berufen) selbst, der kraft seiner magischen Kunst nicht bloss den Fliegenzauber und die Geisterbeschwoerung versteht, sondern auch dem Verus den Sieg ueber Vologasos vorhersagt und zugleich Geschichten, wie sie auch in ‘Tausendundeiner Nacht’ stehen koennten, den Griechen griechisch erzaehlt.
——————————————— Wenn spaeterhin das syrische Idiom wieder zur Schriftsprache geworden ist und eine eigene Literatur entwickelt hat, so ist dies nicht auf eine Ermannung des Nationalgefuehls zurueckzufuehren, sondern auf das unmittelbare Beduerfnis der christlichen Propaganda: jene syrische Literatur, ausgegangen von der Uebersetzung der christlichen Bekenntnisschriften in das Syrische, blieb gebannt in den Kreis der spezifischen Bildung des christlichen Klerus und nahm daher von der allgemeinen hellenischen Bildung nur den kleinen Bruchteil auf, den die Theologen jener Zeit ihren Zwecken zutraeglich oder doch damit vertraeglich fanden ^5; ein hoeheres Ziel als die Uebertragung der griechischen Klosterbibliothek auf die Maronitenkloester hat diese Schriftstellerei nicht erreicht und wohl auch nicht erstrebt. Sie reicht auch schwerlich weiter zurueck als in das zweite Jahrhundert unserer Zeitrechnung und hat ihren Mittelpunkt nicht in Syrien, sondern in Mesopotamien, namentlich in Edessa ^6, wo wahrscheinlich, anders als in dem aelteren roemischen Gebiet, sich die Anfaenge einer vorchristlichen Literatur in der Landessprache entwickelt hatten. ——————————————— ^5 Die syrische Literatur besteht fast ausschliesslich aus Uebersetzungen griechischer Werke. Unter den Profanschriften stehen in erster Reihe Aristotelische und Plutarchische Traktate, dann praktische Schriften juristischen oder agronomischen Inhalts und populaere Unterhaltungsbuecher wie der Alexanderroman, Aesops Fabeln, Menanders Sentenzen. ^6 Die syrische Uebersetzung des Neuen Testaments, der aelteste uns bekannte syrische Sprachtext, ist wahrscheinlich in Edessa entstanden; die strati/o/tai der Apostelgeschichte heissen hier “Roemer”. ——————————————— Unter den mannigfaltigen Bastardformen, welche der Hellenismus in seiner zugleich zivilisierenden und degenerierenden Propaganda angenommen hat, ist die syrohellenische wohl diejenige, in welcher die beiden Elemente am meisten im Gleichgewicht standen, vielleicht aber zugleich diejenige, die die Gesamtentwicklung des Reiches am entschiedensten beeinflusst hat. Die Syrer empfingen wohl die griechische Staedteordnung und eigneten sich hellenische Sprache und Sitte an; dennoch hoerten sie nie auf, sich als Orientalen zu fuehlen oder vielmehr als Traeger einer doppelten Zivilisation. Nirgends vielleicht ist dies schaerfer ausgesprochen als in dem kolossalen Grabtempel, welchen im ersten Anfang der Kaiserzeit Koenig Antiochos von Kommagene sich auf einem einsamen Berggipfel unweit des Euphrat errichtet hat. Er nennt in der ausfuehrlichen Grabschrift sich einen Perser; im persischen Gewande, wie das Herkommen seines Geschlechts es erheischt, soll der Priester des Heiligtums ihm die Gedaechtnisopfer darbringen; aber wie die Perser nennt er auch die Hellenen die gesegneten Wurzeln seines Geschlechts und fleht den Segen aller Goetter der Persis wie der Maketis, das heisst des persischen wie des makedonischen Landes auf seine Nachkommen herab. Denn er ist der Sohn eines einheimischen Koenigs vom Geschlecht der Achaemeniden und einer griechischen Fuerstentochter aus dem Hause des Seleukos, und dem entsprechend schmueckten das Grabmal in langer Doppelreihe die Abbilder einerseits seiner vaeterlichen Ahnen bis auf den ersten Dareios, andererseits seiner muetterlichen bis zu dem Marschall Alexanders. Die Goetter aber, die er verehrt, sind zugleich persisch und griechisch, Zeus Oromasdes, Apollon Mithras Helios Hermes, Artagnes Herakles Ares, und dieses letzteren Bild zum Beispiel traegt die Keule des griechischen Heros und zugleich die persische Tiara. Dieser persische Fuerst, der zugleich sich einen Freund der Hellenen und als loyaler Untertan des Kaisers einen Freund der Roemer nennt, wie nicht minder jener von Marcus und Lucius auf den Thron von Armenien berufene Achaemenide Sohaemos, sind echte Vertreter der einheimischen, die persischen Erinnerungen und die roemisch-hellenische Gegenwart gleichmaessig im Sinne tragenden Aristokratie des kaiserlichen Syriens. Aus solchen Kreisen ist der persische Mithraskult in den Okzident gelangt. Aber die Bevoelkerung, welche zugleich unter diesem persischen oder sich persisch nennenden Grossadel und unter dem Regiment der makedonischen und spaeter der italienischen Herren stand, war in Syrien wie in Mesopotamien und in Babylonien aramaeisch; sie erinnert vielfach an die heutigen Rumaenen gegenueber den vornehmen Sachsen und Magyaren. Sicher waren sie das verderbteste und das verderbendste Element in dem roemisch- hellenischen Voelkerkonglomerat. Von dem sogenannten Caracalla, der als Sohn eines afrikanischen Vaters und einer syrischen Mutter in Lyon geboren war, wird gesagt, dass er die Laster dreier Staemme in sich vereinigt habe, die gallische Leichtfertigkeit, die afrikanische Wildheit und die syrische Spitzbueberei. Diese Durchdringung des Orients und des Hellenismus, die nirgends so vollstaendig wie in Syrien sich vollzogen hat, tritt uns ueberwiegend in der Gestalt entgegen, dass in der Mischung das Gute und Edle zugrunde geht. Indes ist dies nicht ueberall der Fall; die spaetere Entwicklung der Religion wie der Spekulation, das Christentum und der Neuplatonismus, sind aus der gleichen Paarung hervorgegangen; wenn mit jenem der Osten in den Westen dringt, so ist dieser die Umgestaltung der okzidentalischen Philosophie im Sinn und Geist des Ostens, eine Schoepfung zunaechst des Aegypters Plotinos (204 bis 270) und seines bedeutendsten Schuelers, des Tyriers Malchos oder Porphyrios (233 bis nach 300), und dann vorzugsweise in den Staedten Syriens gepflegt. Beide welthistorischen Bildungen zu eroertern, ist hier nicht der Platz; vergessen aber duerfen sie auch bei der Wuerdigung der syrischen Verhaeltnisse nicht werden.
Die syrische Art findet ihren eminenten Ausdruck in der Hauptstadt des Landes und vor Konstantinopels Gruendung des roemischen Ostens ueberhaupt, der Volkszahl nach in dieser Epoche nur hinter Rom und Alexandreia und etwa noch dem babylonischen Seleukeia zurueckstehend, Antiocheia, bei welchem es erforderlich scheint, einen Augenblick zu verweilen. Die Stadt, eine der juengsten Syriens und heutzutage von geringer Bedeutung, ist nicht durch die natuerlichen Verkehrsverhaeltnisse Grossstadt geworden, sondern eine Schoepfung monarchischer Politik. Die makedonischen Eroberer haben sie ins Leben gerufen zunaechst aus militaerischen Ruecksichten, als geeignete Zentralstelle fuer eine Herrschaft, die zugleich Kleinasien, das Euphratgebiet und Aegypten umspannte und auch dem Mittelmeer nahe sein wollte ^7. Das gleiche Ziel und die verschiedenen Wege der Seleukiden und der Lagiden finden ihren treuen Ausdruck in der Gleichartigkeit und dem Gegensatz von Antiocheia und Alexandreia; wie dieses fuer die Seemacht und die maritime Politik der aegyptischen Herrscher, so ist Antiocheia der Mittelpunkt fuer die kontinentale Orientmonarchie der Herrscher Asiens. Zu verschiedenen Malen haben die spaeteren Seleukiden hier grosse Neugruendungen vorgenommen, so dass die Stadt, als sie roemisch wurde, aus vier selbstaendigen und ummauerten Bezirken bestand, die wieder alle eine gemeinsame Mauer einschloss. Auch an Einwanderern aus der Ferne fehlte es nicht. Als das eigentliche Griechenland unter die Herrschaft der Roemer geriet und Antiochos der Grosse vergeblich versucht hatte, diese dort zu verdraengen, gewaehrte er wenigstens den auswandernden Euboeern und Aetolern in seiner Residenz eine Freistatt. Wie in der Hauptstadt Aegyptens ist auch in derjenigen Syriens den Juden ein gewissermassen selbstaendiges Gemeinwesen und eine privilegierte Stellung eingeraeumt worden, und ihre Stellung als Zentren der juedischen Diaspora ist nicht das schwaechste Element in der Entwicklung beider Staedte geworden. Einmal zur Residenz und zum Sitz der obersten Verwaltung eines grossen Reiches gemacht, blieb Antiocheia auch in roemischer Zeit die Hauptstadt der asiatischen Provinzen Roms. Hier residierten die Kaiser, wenn sie im Orient verweilten, und regelmaessig der Statthalter von Syrien; hier wurde die Reichsmuenze fuer den Osten geschlagen und hier vornehmlich, daneben in Damaskos und in Edessa befanden sich die Reichswaffenfabriken. Freilich hatte die Stadt fuer das Roemerreich ihre militaerische Bedeutung verloren und unter den veraenderten Verhaeltnissen wurde die schlechte Verbindung mit dem Meer als ein grosser Uebelstand empfunden, nicht so sehr wegen der Entfernung als weil der Hafen, die zugleich mit Antiocheia angelegte Stadt Seleukeia, fuer den grossen Verkehr wenig geeignet war. Ungeheure Summen haben die roemischen Kaiser von den Flaviern an bis auf Constantius aufgewandt, um in die diese Oertlichkeit umgebenden Felsenmassen die erforderlichen Docks mit den Zuzugs-Kanaelen zu brechen und genuegende Molen herzustellen; aber die Kunst der Ingenieure, welcher an der Muendung des Nil die hoechsten Wuerfe gluecklich gelangen, rang in Syrien vergeblich mit den unueberwindlichen Schwierigkeiten des Terrains. Selbstverstaendlich hat die groesste Stadt Syriens an der Fabrikation und dem Handel dieser Provinz, wovon noch weiter die Rede sein wird, sich lebhaft
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