This page contains affiliate links. As Amazon Associates we earn from qualifying purchases.
Language:
Genre:
Published:
  • 1854-1856
Edition:
FREE Audible 30 days

Vorstandschaft des Museums zwei verschiedene Aemter sind, zeigt die Inschrift selbst. Dasselbe lehrt die Inschrift eines koeniglichen Oberarztes aus guter Lagidenzeit, der daneben sowohl Exeget ist wie Vorsteher des Museums (CHr?sermon /E/rakleitoy Alexandrea ton sthggen/e/ basile/o/s Ptolemaioy kai ex/e/g/e/t/e/n kai epi t/o/n iatr/o/n kai epistat/e/n to? Mo?seioy). Aber beide Denkmaeler legen zugleich nahe, dass die Stellung des ersten Beamten von Alexandreia und die Vorstandschaft des Museums haeufig demselben Manne uebertragen worden sind, obwohl in roemischer Zeit jene vom Praefekten, diese vom Kaiser vergeben ward. ^24 Nicht zu verwechseln mit dem gleichartigen Amt, das Philon (in Flacc. 16) erwaehnt und Lukianos (apolog. 12) bekleidete; dies ist kein staedtisches, sondern eine Subalternstelle bei der Praefektur von Aegypten, lateinisch a commentariis oder ab actis.
^25 Dies ist der procurator Neaspoleos et mausolei Alexandriae (CIL VIII, 8934; Henzen 6929). Beamte gleicher Art und gleichen Ranges, deren Kompetenz aber nicht klar erhellt, sind der procurator ad Mercurium Alexandreae (CIL X, 3847) und der procurator Alexandreae Pelusii (CIL VI, 1624). Auch der Pharus steht unter einem kaiserlichen Freigelassenen (CIL VI, 8582). ————————————————— Selbstverstaendlich sind Alexandriner und Aegypter in diejenigen Praetendentenbewegungen hineingezogen worden, die vom Orient ausgingen, und haben dabei regelmaessig mitgemacht; auf diese Weise sind hier Vespasian, Cassius, Niger, Macrianus, Vaballathus, der Sohn der Zenobia, Probus zu Herrschern ausgerufen worden. Die Initiative aber haben in allen diesen Faellen weder die Buerger von Alexandreia ergriffen noch die wenig angesehenen aegyptischen Truppen, und die meisten dieser Revolutionen, auch die misslungenen, haben fuer Aegypten keine besonders empfindlichen Folgen gehabt. Aber die an den Namen der Zenobia sich knuepfende Bewegung ist fuer Alexandreia und fuer ganz Aegypten fast ebenso verhaengnisvoll geworden wie fuer Palmyra. In Stadt und Land standen die palmyrenisch und roemisch Gesinnten mit den Waffen und der Brandfackel in der Hand sich gegenueber. An der Suedgrenze rueckten die barbarischen Blemyer ein, wie es scheint im Einverstaendnis mit dem palmyrenisch gesinnten Teil der Bewohner Aegyptens, und bemaechtigten sich eines grossen Teils von Oberaegypten ^26. In Alexandreia war der Verkehr zwischen den beiden feindlichen Quartieren aufgehoben, selbst Briefe zu befoerdern, war schwierig und gefaehrlich ^27. Die Gassen starrten von Blut und von unbegrabenen Leichen. Die dadurch erzeugten Seuchen wueteten noch aerger als das Schwert; und damit keines der vier Rosse des Verderbens mangele, versagte auch der Nil und gesellte sich die Hungersnot zu den uebrigen Geisseln. Die Bevoelkerung schmolz in der Weise zusammen, dass, wie ein Zeitgenosse sagt, es frueher in Alexandreia mehr Greise gab als nachher Buerger. Als der von Claudius gesandte Feldherr Probus endlich die Oberhand gewann, warfen sich die palmyrenisch Gesinnten, darunter die Mehrzahl der Ratsmitglieder, in das feste Kastell Prucheion in der unmittelbaren Naehe der Stadt; und obwohl, als Probus den Austretenden Schonung des Lebens verhiess, die grosse Mehrzahl sich unterwarf, harrte doch ein betraechtlicher Teil der Buergerschaft bis zum Aeussersten aus in dem Kampf der Verzweiflung. Die Festung, endlich durch Hunger bezwungen (270), wurde geschleift und lag seitdem oede; die Stadt aber verlor ihre Mauern. In dem Lande haben die Blemyer sich noch jahrelang behauptet; erst Kaiser Probus hat Ptolemais und Koptos ihnen wieder entrissen und sie aus dem Lande hinausgeschlagen. Der Notstand, den diese durch eine Reihe von Jahren sich hinziehenden Unruhen hervorgerufen haben muessen, mag dann wohl die einzige nachweislich in Aegypten entstandene Revolution ^28 zum Ausbruch gebracht haben. Unter der Regierung Diocletians lehnten sich, wir wissen nicht warum und wozu, sowohl die eingeborenen Aegypter wie die Buergerschaft von Alexandreia gegen die bestehende Regierung auf. Es wurden Gegenkaiser aufgestellt, Lucius Domitius Domitianus und Achilleus, falls nicht etwa beide Namen dieselbe Persoenlichkeit bezeichnen; die Empoerung waehrte drei bis vier Jahre; die Staedte Busiris im Delta und Koptos unweit Theben wurden von den Truppen der Regierung zerstoert und schliesslich unter der eigenen Fuehrung Diocletians im Fruehjahr 297 die Hauptstadt nach achtmonatlicher Belagerung bezwungen. Von dem Herunterkommen des reichen, aber durchaus auf den inneren und aeusseren Frieden angewiesenen Landes zeugt nichts so deutlich wie die im Jahre 302 erlassene Verfuegung desselben Diocletian, dass ein Teil des bisher nach Rom gesandten aegyptischen Getreides in Zukunft der alexandrinischen Buergerschaft zugute kommen solle ^29. Allerdings gehoert dies zu den Massregeln, welche die Dekapitalisierung Roms bezweckten; aber den Alexandrinern, die zu beguenstigen dieser Kaiser wahrlich keine Ursache hatte, waere die Lieferung nicht zugewandt worden, wenn sie sie nicht dringend gebraucht haetten.
————————————————- ^26 Auf die Allianz der Palmyrener und der Blemyer deutet die Notiz der vita Firmi c. 3 und dass nach Zosimus (hist. 1, 71) Ptolemais zu den Blemyern abfiel (vgl. Eus. hist. eccl. 7, 32). Aurelian hat mit diesen nur verhandelt (vita 34. 41); Probus erst warf sie wieder aus Aegypten (Zos. a. a. O.; vita 17).
^27 Wir besitzen noch dergleichen Briefe, von dem damaligen Bischof der Stadt Dionysios (+ 265), an die in der feindlichen Stadthaelfte abgesperrten Gemeindeglieder gerichtet (Eus. hist. eccl. 7, 21, 22 vgl. 32). Wenn es darin heisst: “leichter kommt man vom Orient in den Okzident als von Alexandreia nach Alexandreia” und /e/ mesaitat/e/ t/e/s pole/o/s odos, also die von der Lochiasspitze quer durch die Stadt laufende, mit Saeulenhallen besetzte Strasse (vgl. Lumbroso, L’Egitto, S. 137) mit der Wueste zwischen Aegypten und dem Gelobten Lande verglichen wird, so scheint es fast, als habe Severus Antoninus seine Drohung ausgefuehrt, eine Mauer quer durch die Stadt zu ziehen und militaerisch zu besetzen (Dio 77, 23). Die Schleifung der Mauern nach der Niederwerfung des Aufstandes (Amm. 22,16,15) wuerde dann auf ebendiesen Bau zu beziehen sein.
^28 Die angeblich aegyptischen Tyrannen Aemilianus, Firmus, Saturninus sind als solche wenigstens nicht beglaubigt. Die sogenannte Lebensbeschreibung des zweiten ist nichts als die arg entstellte Katastrophe des Prucheion. ^29 Chr. Pasch. p. 514; Prok. hist. 26; Gothofred zu Cod. Theod. 14, 26, 2. Staendige Kornverteilungen sind schon frueher in Alexandreia eingerichtet worden, aber, wie es scheint, nur fuer altersschwache Personen, und vermutlich fuer Rechnung der Stadt, nicht des Staats (Eus. hist. eccl. 7, 21). ————————————————- Wirtschaftlich ist Aegypten bekanntlich vor allem das Land des Ackerbaues. Zwar ist die “schwarze Erde” – das bezeichnet der einheimische Landesname Chemi – nur ein schmaler Doppelstreifen zu beiden Seiten des maechtigen, von der letzten Stromschnelle bei Syene, der Suedgrenze des eigentlichen Aegyptens, auf 120 Meilen in breiter Fuelle durch die rechts und links sich ausdehnende gelbe Wueste zum Mittellaendischen Meer stroemenden Nils; nur an seinem letzten Ende breitet die “Gabe des Flusses”, das Nildelta, zwischen den mannigfaltigen Armen seiner Muendung sich zu beiden Seiten weiter aus. Auch der Ertrag dieser Strecken haengt Jahr fuer Jahr ab von dem Nil und den sechzehn Ellen seiner Schwelle, den den Vater umspielenden sechzehn Kindern, wie die Kunst der Griechen den Flussgott darstellt; mit gutem Grund nennen die Araber die niedrigen Ellen mit den Namen der Engel des Todes, denn erreicht der Fluss die volle Hoehe nicht, so trifft das ganze aegyptische Land Hunger und Verderben. Im allgemeinen aber vermag Aegypten, wo die Bestellungskosten verschwindend niedrig sind, der Weizen hundertfaeltig traegt und auch die Gemuesezucht, der Weinbau, die Baumkultur, namentlich die Dattelpalme, und die Viehzucht guten Ertrag bringen, nicht bloss eine dichte Bevoelkerung zu ernaehren, sondern auch reichlich Getreide in das Ausland zu senden. Dies fuehrte dazu, dass nach der Einsetzung der Fremdherrschaft dem Lande selbst von seinem Reichtum nicht viel verblieb. Ungefaehr wie in persischer Zeit und wie heutzutage schwoll damals der Nil und fronten die Aegypter hauptsaechlich fuer das Ausland, und zunaechst dadurch spielt Aegypten in der Geschichte des kaiserlichen Rom eine wichtige Rolle. Nachdem Italiens eigener Getreidebau gesunken und Rom die groesste Stadt der Welt geworden war, bedurfte dasselbe der stetigen Zufuhr billigen ueberseeischen Getreides; und vor allem durch die Loesung der nicht leichten wirtschaftlichen Aufgabe, die hauptstaedtische Zufuhr finanziell moeglich zu machen und sicherzustellen hat der Prinzipat sich befestigt. Diese Loesung ruhte auf dem Besitz Aegyptens, und insofern hier der Kaiser ausschliesslich gebot, hielt er durch Aegypten das Land Italien mit seinen Dependenzen in Schach. Als Vespasianus die Herrschaft ergriff, sandte er seine Truppen nach Italien, er selbst aber ging nach Aegypten und bemaechtigte sich Roms durch die Kornflotte. Wo immer ein roemischer Regent daran gedacht hat oder haben soll, den Sitz der Regierung nach dem Osten zu verlegen, wie uns von Caesar, Antonius, Nero, Geta erzaehlt wird, da richten sich die Gedanken wie von selber nicht nach Antiocheia, obwohl dies damals die regelmaessige Residenz des Ostens war, sondern nach der Geburtsstaette und der festen Burg des Prinzipats, nach Alexandreia.
Deshalb war denn auch die roemische Regierung auf die Hebung des Feldbaues in Aegypten eifriger bedacht als irgendwo sonst. Da derselbe von der Nilueberschwemmung abhaengig ist, ward es moeglich, durch systematisch durchgefuehrte Wasserbau ten, kuenstliche Kanaele, Daemme, Reservoirs die fuer den Feldbau geeignete Flaeche bedeutend zu erweitern. In den guten Zeiten Aegyptens, des Heimatlandes der Messschnur und des Kunstbaus, war dafuer viel geschehen, aber diese segensreichen Anlagen unter den letzten elenden und finanziell bedraengten Regierungen in argen Verfall geraten. So fuehrte die roemische Besitznahme sich wuerdig damit ein, dass Augustus durch die in Aegypten stehenden Truppen die Nilkanaele einer durchgreifenden Reinigung und Erneuerung unterwarf. Wenn zur Zeit der roemischen Besitzergreifung die volle Ernte einen Stand des Flusses von vierzehn Ellen erfordert hatte und bei acht Ellen Missernte eintrat, so genuegten spaeter, nachdem die Kanaele in Stand gesetzt waren, schon zwoelf Ellen fuer eine volle Ernte und gaben acht Ellen noch einen genuegenden Ertrag. Jahrhunderte nachher hat Kaiser Probus Aegypten nicht bloss von den Aethiopen befreit, sondern auch die Wasserbauten am Nil wieder instand gesetzt. Es darf ueberhaupt angenommen werden, dass die besseren Nachfolger Augusts in aehnlichem Sinne administrierten und dass, zumal bei der durch Jahrhunderte kaum unterbrochenen inneren Ruhe und Sicherheit, der aegyptische Ackerbau unter dem roemischen Prinzipat in dauerndem Flor gestanden hat. Welche Rueckwirkung diese Verhaeltnisse auf die Aegypter selbst hatten, vermoegen wir genauer nicht zu verfolgen. Zu einem grossen Teil beruhten die Einkuenfte aus Aegypten auf dem kaiserlichen Domanialbesitz, welcher in roemischer wie in frueherer Zeit einen betraechtlichen Teil des ganzen Areals ausmachte ^30; hier wird, zumal bei der wenig kostspieligen Bestellung, den Kleinpaechtern, die dieselbe beschafften, nur eine maessige Quote des Ertrags geblieben oder eine hohe Geldpacht auferlegt worden sein. Aber auch die zahlreichen und durchgaengig kleineren Eigentuemer werden eine hohe Grundsteuer in Getreide oder in Geld entrichtet haben. Die ackerbauende Bevoelkerung, genuegsam wie sie war, blieb in der Kaiserzeit wohl zahlreich; aber sicher lastete der Steuerdruck, sowohl an sich wie wegen der Verwendung des Ertrags im Ausland, schwerer auf Aegypten unter der roemischen Fremdherrschaft als unter dem keineswegs schonenden Regiment der Ptolemaeer. ————————————————— ^30 In der Stadt Alexandreia scheint es kein eigentliches Grundeigentum gegeben zu haben, sondern nur eine Art Erbmiete (Amm. 22, 11, 6; Roemisches Staatsrecht, Bd. 2, 963, A. 1); im uebrigen aber hat das Privateigentum am Boden in dem Sinn, wie das Provinzialrecht ueberhaupt ein solches kennt, auch in Aegypten gegolten. Von Domanialbesitz ist oft die Rede, zum Beispiel sagt Strabon (17, 1, 51 p. 828), dass die besten aegyptischen Datteln auf einer Insel wachsen, auf der Private kein Land besitzen duerften, sondern sie sei frueher koeniglich, jetzt kaiserlich und bringe eine grosse Einnahme. Vespasian verkaufte einen Teil der aegyptischen Domaenen und erbitterte dadurch die Alexandriner (Dio 66, 8), ohne Zweifel die Grosspaechter, die dann das Land an die eigentlichen Bauern in Unterpacht gaben. Ob der Grundbesitz in toter Hand, insbesondere der Priesterkollegien, in der roemischen Zeit noch so ausgedehnt war wie frueher, kann in Zweifel gezogen werden; ebenso ob im uebrigen der Grossgrundbesitz oder das Kleineigentum ueberwog; die Kleinwirtschaft war sicher allgemein. Ziffern besitzen wir weder fuer die Domanial- noch fuer die Grundsteuerquote; dass die fuenfte Garbe bei Orosius (hist. 1, 8, 9) mit Einschluss des usque ad nunc aus der Genesis abgeschrieben ist, hat Lumbroso, Recherches, S. 94, mit Recht bemerkt. Die Domanialrente kann nicht unter der Haelfte betragen haben; auch fuer die Grundsteuer moechte der Zehnte (Lumbroso a. a. O., S. 289, 293) kaum genuegen.
Anderweitige Ausfuhr des Getreides aus Aegypten bedurfte der Bewilligung des Statthalters (Hirschfeld, Annona, S. 23), ohne Zweifel weil sonst in dem dichtbevoelkerten Lande leicht Mangel haette eintreten koennen. Doch ist diese Einrichtung sicher mehr kontrollierend gewesen als prohibitiv; in dem Periplus des Aegypters wird mehrfach (c. 7, 17, 24, 28 vgl. 56) Getreide unter den Exportartikeln aufgefuehrt. Auch die Bestellung der Aecker scheint aehnlich kontrolliert worden zu sein; “die Aegypter”, heisst es, “bauen lieber Rueben als Getreide, soweit sie duerfen, wegen des Rueboels” (Plin. nat. 19, 5, 79). ————————————————— Von der Wirtschaft Aegyptens bildete der Ackerbau nur einen Teil; wie dasselbe in dieser Hinsicht Syrien weit voranstand, so hatte es vor dem wesentlich agrikolen Afrika die hohe Bluete der Fabriken und des Handels voraus. Die Linnenfabrikation in Aegypten steht an Alter und Umfang und Ruhm der syrischen mindestens gleich und hat, wenn auch die feineren Sorten in dieser Epoche vorzugsweise in Syrien und Phoenizien fabriziert wurden ^31, sich durch die ganze Kaiserzeit gehalten; als Aurelian die Lieferungen aus Aegypten an die Reichshauptstadt auf andere Gegenstaende als Getreide erstreckte, fehlten unter diesen die Leinwand und der Werg nicht. In feinen Glaswaren behaupteten, sowohl in der Faerbung wie in der Formung, die Alexandriner entschieden den ersten Platz, ja, wie sie meinten insofern das Monopol, als gewisse beste Sorten nur mit aegyptischem Material herzustellen seien. Unbestritten hatten sie ein solches in dem Papyrus. Diese Pflanze, die im Altertum massenweise auf den Fluessen und Seen Unteraegyptens kultiviert ward und sonst nirgends gedieh, lieferte den Eingeborenen sowohl Nahrung wie das Material fuer Stricke, Koerbe und Kaehne, das Schreibmaterial aber damals fuer die ganze schreibende Welt. Welchen Ertrag sie gebracht haben muss, ermisst man aus den Massregeln, die der roemische Senat ergriff, als einmal auf dem roemischen Platz der Papyrus knapp ward und zu fehlen drohte; und da die muehsame Zubereitung nur an Ort und Stelle erfolgen kann, muessen zahllose Menschen davon in Aegypten gelebt haben. Auf Glas und Papyrus ^32 erstreckten sich neben dem Leinen die von Aurelian zu Gunsten der Reichshauptstadt eingefuehrten alexandrinischen Warenlieferungen. Vielfach muss der Verkehr mit dem Osten auf die aegyptische Fabrikation bietend und verlangend eingewirkt haben. Gewebe wurden daselbst fuer den Export nach dem Orient fabriziert und zwar in der durch den Landesgebrauch geforderten Weise: die gewoehnlichen Kleider der Bewohner von Habesch waren aegyptisches Fabrikat; nach Arabien und Indien gingen die Prachtstoffe besonders der in Alexandreia kunstvoll betriebenen Bunt- und Goldwirkerei. Ebenso spielten die in Aegypten angefertigten Glaskorallen in dem Handel der afrikanischen Kueste dieselbe Rolle wie heutzutage. Indien bezog teils Glasbecher, teils unverarbeitetes Glas zur eigenen Fabrikation; selbst am chinesischen Hof sollen die Glasgefaesse, mit welchen die roemischen Fremden dem Kaiser huldigten, hohe Bewunderung erregt haben. Aegyptische Kaufleute brachten dem Koenig der Axomiten (Habesch) als stehende Geschenke nach dortiger Landesart angefertigte Gold- und Silbergefaesse, den zivilisierten Herrschern der suedarabischen und der indischen Kueste unter anderen Gaben auch Statuen, wohl von Bronze, und musikalische Instrumente. Dagegen sind die Materialien der Luxusfabrikation, die aus dem Orient kamen, insbesondere Elfenbein und Schildpatt, schwerlich vorzugsweise in Aegypten, hauptsaechlich wohl in Rom verarbeitet worden. Endlich kam in einer Epoche, welche in oeffentlichen Prachtbauten ihresgleichen niemals in der Welt gehabt hat, das kostbare Baumaterial, welches die aegyptischen Steinbrueche lieferten, in ungeheuren Massen auch ausserhalb Aegyptens zur Verwendung: der schoene rote Granit von Syene, die Breccia verde aus der Gegend von Koser, der Basalt, der Alabaster, seit Claudius der graue Granit und besonders der Porphyr der Berge oberhalb Myos Hormos. Die Gewinnung derselben ward allerdings groesstenteils fuer kaiserliche Rechnung durch Strafkolonisten bewirkt; aber wenigstens der Transport muss dem ganzen Lande und namentlich der Stadt Alexandreia zugute gekommen sein. Welchen Umfang der aegyptische Verkehr und die aegyptische Fabrikation gehabt hat, zeigt eine zufaellig erhaltene Notiz ueber die Ladung eines durch seine Groesse ausgezeichneten Lastschiffes (akatos), das unter Augustus den jetzt an der Porta del Popolo stehenden Obelisken mit seiner Basis nach Rom brachte; es fuehrte ausserdem 200 Matrosen, 1200 Passagiere, 400000 roem. Scheffel (34000 Hektoliter) Weizen und eine Ladung von Leinwand, Glas, Papier und Pfeffer. “Alexandreia”, sagt ein roemischer Schriftsteller des 3. Jahrhunderts ^33, “ist eine Stadt der Fuelle, des Reichtums und der Ueppigkeit, in der niemand muessig geht; dieser ist Glasarbeiter, jener Papierfabrikant, der dritte Leinweber; der einzige Gott ist das Geld.” Es gilt dies verhaeltnismaessig von dem ganzen Lande. —————————————————— ^31 Im Diocletianischen Edikt sind unter den fuenf feinen Linnensorten die vier ersten syrisch oder kilikisch (tarsisch), und das aegyptische Leinen erscheint nicht bloss an letzter Stelle, sondern wird auch bezeichnet als tarsisches alexandrinisches, das heisst nach tarsischem Muster in Alexandreia verfertigtes.
^32 Einem reichen Mann in Aegypten wurde nachgesagt, dass er seinen Palast mit Glas statt mit Marmor getaefelt habe und Papyrus und Leim genug besitze, um ein Heer damit zu fuettern (vita Firmi 3). ^33 Dass der angebliche Brief Hadrians (vita Saturnini 8) ein spaetes Machwerk ist, zeigt zum Beispiel, dass der Kaiser sich in diesem an seinen Schwager Servianus gerichteten, hoechst freundschaftlichen Brief beklagt ueber die Injurien, mit denen die Alexandriner bei seiner ersten Abreise seinen Sohn Verus ueberhaeuft haetten, waehrend andererseits feststeht, dass dieser Servianus neunzigjaehrig im Jahre 136 hingerichtet ward, weil er die kurz zuvor erfolgte Adoption des Verus gemissbilligt hatte. —————————————————— Von dem Handelsverkehr Aegyptens mit den suedlich angrenzenden Landschaften sowie mit Arabien und Indien wird weiterhin eingehend die Rede sein. Derjenige mit den Laendern des Mittelmeers tritt in der Ueberlieferung weniger hervor, zum Teil wohl, weil er zu dem gewoehnlichen Gang der Dinge gehoerte und nicht oft sich Veranlassung fand, seiner besonders zu gedenken. Das aegyptische Getreide wurde von alexandrinischen Schiffern nach Italien gefuehrt und infolgedessen entstand in Portus bei Ostia ein dem alexandrinischen Sarapistempel nachgebildetes Heiligtum mit seiner Schiffergemeinde ^34; aber an dem Vertrieb der aus Aegypten nach dem Westen gehenden Waren werden diese Lastschiffe schwerlich in bedeutendem Umfang beteiligt gewesen sein. Dieser lag wahrscheinlich ebenso sehr und vielleicht mehr in der Hand der italischen Reeder und Kapitaene als der aegyptischen; wenigstens gab es schon unter den Lagiden eine ansehnliche italische Niederlassung in Alexandreia ^35 und haben im Okzident die aegyptischen Kaufleute nicht die gleiche Verbreitung gehabt wie die syrischen ^36. Die spaeter zu erwaehnenden Anordnungen Augusts, welche auf dem Arabischen und dem Indischen Meer den Handelsverkehr umgestalteten, fanden auf die Schiffahrt des Mittellaendischen keine Anwendung; die Regierung hatte kein Interesse daran, hier die aegyptischen Kaufleute vor den uebrigen zu beguenstigen. Es blieb dort der Verkehr vermutlich wie er war. ———————————————— ^34 Die na?kl/e/roi to? pore?tikoy Alexandrino? stoloy, die den ohne Zweifel nach Portus gehoerigen Stein CIG 5889 gesetzt haben, sind die Kapitaene dieser Getreideschiffe. Aus dem Serapeum von Ostia besitzen wir eine Reihe von Inschriften (CIL XIV, 47), wonach dasselbe in allen Stuecken die Kopie des alexandrinischen war; der Vorsteher ist zugleich epimel/e/t/e/s pantos to? Alexandreinoy stoloy (CIG 5973). Wahrscheinlich waren diese Fahrzeuge wesentlich mit dem Korntransport beschaeftigt und erfolgte dieser also sukzessiv, worauf auch die von Kaiser Gaius in der Meerenge von Reggio getroffenen Vorkehrungen (Ios. ant. Iud. 19, 2, 5) hinweisen. Damit ist wohl vereinbar, dass das erste Erscheinen der alexandrinischen Flotte im Fruehjahr fuer Puteoli ein Fest war (Sen. epist. 77, 1).
^35 Dies zeigen die merkwuerdigen delischen Inschriften Eph. epigr. V, p. 600, 602.
^36 Schon in den delischen Inschriften des letzten Jahrhunderts der Republik wiegen die Syrer vor. Die aegyptischen Gottheiten haben dort wohl ein viel verehrtes Heiligtum gehabt, aber unter den zahlreichen Priestern und Dedikanten begegnet nur ein einziger Alexandriner (Hauvette-Besnault, BCH 6, 1882, S. 316 f.). Gilden alexandrinischer Kaufleute kennen wir von Tomi und von Perinthos (CIG 2024).
———————————————— Aegypten war also nicht bloss in seinen anbaufaehigen Teilen mit einer dichten ackerbauenden Bevoelkerung besetzt, sondern auch, wie schon die zahlreichen und zum Teil sehr ansehnlichen Flecken und Staedte dies erkennen lassen, ein Fabrikland und daher denn auch weitaus die am staerksten bevoelkerte Provinz des Roemischen Reiches. Das alte Aegypten soll eine Bevoelkerung von 7 Millionen gehabt haben; unter Vespasian zaehlte man in den offiziellen Listen 7´ Millionen kopfsteuerpflichtiger Einwohner, wozu die von der Kopfsteuer befreiten Alexandriner und sonstigen Griechen, sowie die wahrscheinlich nicht sehr zahlreichen Sklaven hinzutreten, so dass die Bevoelkerung mindestens auf 8 Millionen Koepfe anzusetzen ist. Da das anbaufaehige Areal heutzutage auf 500 deutsche Quadratmeilen, fuer die roemische Zeit hoechstens auf 700 veranschlagt werden kann, so wohnten damals in Aegypten auf der Quadratmeile durchschnittlich etwa 11000 Menschen.
Wenn wir den Blick auf die Bewohner Aegyptens richten, so sind die beiden das Land bewohnenden Nationen, die grosse Masse der Aegypter und die kleine Minderzahl der Alexandriner, durchaus verschiedene Kreise ^37, wenngleich zwischen beiden die Ansteckungskraft des Lasters und die allem Laster eigene Gleichartigkeit eine schlimme Gemeinschaft des Boesen gestiftet hat. ———————————————- ^37 Nachdem Juvenal die wuesten Zechgelage der eingeborenen Aegypter zu Ehren der Lokalgoetter der einzelnen Nomen geschildert hat, fuegt er hinzu, dass darin die Eingeborenen dem Kanopos, das heisst dem durch seine zuegellose Ausgelassenheit beruechtigten alexandrinischen Sarapisfest (Strab. 17, 1, 17 p. 801) in keiner Hinsicht nachstaenden: horrida sane Aegyptus, sed luxuria, quantum ipse notavi, barbara famoso non cedit turba Canopo (sat. 15, 44). ———————————————- Die eingeborenen Aegypter werden von ihren heutigen Nachkommen weder in der Lage noch in der Art sich weit entfernt haben. Sie waren genuegsam, nuechtern, arbeitsfaehig und taetig, geschickte Handwerker und Schiffer und gewandte Kaufleute, festhaltend am alten Herkommen und am alten Glauben. Wenn die Roemer versichern, dass die Aegypter stolz seien auf die Geisselmale wegen begangener Steuerdefrauden ^38, so sind dies Anschauungen vom Standpunkt aus des Steuerbeamten. Es fehlte in der nationalen Kultur nicht an guten Keimen; bei aller Ueberlegenheit der Griechen auch in dem geistigen Kampfe der beiden so voellig verschiedenen Rassen hatten die Aegypter wieder manche und wesentliche Dinge vor den Hellenen voraus, und sie empfanden dies auch. Es ist schliesslich doch der Rueckschlag ihrer eigenen Empfindung, wenn die aegyptischen Priester der griechischen Unterhaltungsliteratur die von den Hellenen sogenannte Geschichtsforschung und ihre Behandlung poetischer Maerchen als wirklicher Ueberlieferung aus vergangenen Urzeiten verspotten; in Aegypten mache man keine Verse, aber ihre ganze alte Geschichte sei eingeschrieben auf den Tempeln und Gedaechtnissteinen; freilich seien jetzt nur noch wenige derselben kundig, da viele Denkmale zerstoert seien und die Ueberlieferung zugrunde gehe durch die Unwissenheit und die Gleichgueltigkeit der Spaeteren. Aber diese berechtigte Klage traegt in sich selbst die Hoffnungslosigkeit; der ehrwuerdige Baum der aegyptischen Zivilisation war laengst zum Niederschlagen gezeichnet. Der Hellenismus drang zersetzend bis an die Priesterschaft selbst. Ein aegyptischer Tempelschreiber, Chaeremon, der als Lehrer der griechischen Philosophie an den Hof des Claudius fuer den Kronprinzen berufen ward, legte in seiner ‘Aegyptischen Geschichte’ den alten Landesgoettern die Elemente der stoischen Physik unter und die in der Landesschrift geschriebenen Urkunden in diesem Sinne aus. In dem praktischen Leben der Kaiserzeit kam das alte aegyptische Wesen fast nur noch in Betracht auf dem religioesen Gebiet. Religion war diesem Volke eins und alles. Die Fremdherrschaft an sich wurde willig ertragen, man moechte sagen kaum empfunden, solange sie die heiligen Gebraeuche des Landes und was damit zusammenhing nicht antastete. Freilich hing damit in dem inneren Landesregiment so ziemlich alles zusammen, Schrift und Sprache, Priesterprivilegien und Priesterhoffart, Hofsitte und Landesart; die Fuersorge der Regierung fuer den derzeit lebenden heiligen Ochsen, die Leistungen fuer dessen Bestattung bei seinem Ableben und fuer die Auffindung des geeigneten Nachfolgers galten diesen Priestern und diesem Volke als das Kriterium der Tuechtigkeit des jedesmaligen Landesherrn und als der Massstab fuer die ihm schuldige Achtung und Treue. Der erste Perserkoenig fuehrte sich damit in Aegypten ein, dass er das Heiligtum der Neith in Sais seiner Bestimmung, das heisst den Priestern zurueckgab; der erste Ptolemaeos brachte, noch als makedonischer Statthalter, die nach Asien entfuehrten aegyptischen Goetterbilder an ihre alte Staette zurueck und restituierte den Goettern von Pe und Tep die ihnen entfremdeten Landschenkungen; fuer die bei dem grossen Siegeszuge des Euergetes aus Persien heimgebrachten heiligen Tempelbilder statten die Landespriester in dem beruehmten Kanopischen Dekret vom Jahre 238 v. Chr. dem Koenig ihren Dank ab; die landuebliche Einreihung der lebenden Herrscher und Herrscherinnen in den Kreis der Landesgoetter haben diese Auslaender ebenso mit sich vornehmen lassen wie die aegyptischen Pharaonen. Die roemischen Herrscher sind diesem Beispiel nur in beschraenktem Masse gefolgt. In der Titulatur gingen sie wohl, wie wir sahen, einigermassen auf den Landeskultus ein, vermieden aber doch, selbst in aegyptischer Fassung, die mit den okzidentalischen Anschauungen in allzu grellem Kontrast stehenden landueblichen Praedikate. Da diese Lieblinge des Ptah und der Isis in Italien gegen die aegyptische Goetterverehrung aehnlich wie gegen die juedische einschritten, liessen sie von solcher Liebe sich erklaerlicherweise ausserhalb der Hieroglyphen nichts merken und beteiligten sich auch in Aegypten in keiner Weise an dem Dienst der Landesgoetter. Wie hartnaeckig immer die Landesreligion noch unter der Fremdherrschaft bei den eigentlichen Aegyptern festgehalten ward, die Pariastellung, in welcher diese selbst neben den herrschenden Griechen und Roemern sich befanden, drueckte notwendig auf den Kultus und die Priester, und von der fuehrenden Stellung, dem Einflusse, der Bildung des alten aegyptischen Priesterstandes sind unter dem roemischen Regiment nur duerftige Reste wahrzunehmen. Dagegen diente die von Hause aus schoener Gestaltung und geistiger Verklaerung abgewandte Landesreligion in und ausser Aegypten als Ausgangs- und Mittelpunkt fuer allen erdenklichen frommen Zauber und heiligen Schwindel – es genuegt dafuer zu erinnern an den in Aegypten heimischen dreimal groessten Hermes mit der an seinen Namen sich knuepfenden Literatur von Traktaetchen und Wunderbuechern sowie der entsprechenden weitverbreiteten Praxis. In den Kreisen aber der Eingeborenen knuepften sich in dieser Epoche an den Kultus die aergsten Missbraeuche – nicht bloss viele Tage hindurch fortgesetzte Zechgelage zu Ehren der einzelnen Ortsgottheiten mit der dazu gehoerigen Unzucht, sondern auch dauernde Religionsfehden zwischen den einzelnen Sprengeln um den Vorrang des Ibis vor der Katze, des Krokodils vor dem Pavian. Im Jahre 127 n. Chr. wurden wegen eines solchen Anlasses die Ombiten im suedlichen Aegypten von einer benachbarten Gemeinde ^39 bei einem Festgelage ueberfallen und es sollen die Sieger einen der Erschlagenen gefressen haben. Bald nachher verzehrte die Hundegemeinde der Hechtgemeinde zum Trotz einen Hecht und diese jener zum Trotze einen Hund, und es brach darueber zwischen diesen beiden Nomen ein Krieg aus, bis die Roemer einschritten und beide Parteien abstraften. Dergleichen Vorgaenge waren in Aegypten an der Tagesordnung. Auch sonst fehlte es an Unruhen im Lande nicht. Gleich der erste von Augustus bestellte Vizekoenig von Aegypten musste wegen vermehrter Steuern Truppen nach Oberaegypten senden, nicht minder, vielleicht ebenfalls infolge des Steuerdrucks, nach Heroonpolis am oberen Ende des Arabischen Meerbusens. Einmal, unter Kaiser Marcus, nahm ein Aufstand der eingeborenen Aegypter sogar einen bedrohlichen Charakter an. Als in den schwer zugaenglichen Kuestensuempfen ostwaerts von Alexandreia, der sogenannten “Rinderweide” (bucolia), welche den Verbrechern und den Raeubern als Zufluchtsort diente und eine Art Kolonie derselben bildete, einige Leute von einer roemischen Truppenabteilung aufgegriffen wurden, erhob sich zu deren Befreiung die ganze Raeuberschaft, und die Landbevoelkerung schloss sich an. Die roemische Legion aus Alexandreia ging ihnen entgegen, aber sie wurde geschlagen und fast waere Alexandreia selbst den Aufstaendischen in die Haende gefallen. Der Statthalter des Ostens, Avidius Cassius, rueckte wohl mit seinen Truppen ein, wagte aber auch nicht gegen die Ueberzahl den Kampf, sondern zog es vor, in dem Bunde der Aufstaendischen Zwietracht hervorzurufen; nachdem die eine Bande gegen die andere stand, wurde die Regierung leicht ihrer aller Herr. Auch dieser sogenannte Rinderhirtenaufstand hat wahrscheinlich, wie dergleichen Bauernkriege meistens, einen religioesen Charakter getragen; der Fuehrer Isidoros, der tapferste Mann Aegyptens, war seinem Stande nach ein Priester, und dass zur Bundesweihe nach Ableistung des Eides ein gefangener roemischer Offizier geopfert und von den Schwoerenden gegessen ward, passt sowohl dazu wie zu dem Kannibalismus des Ombitenkrieges. Einen Nachklang dieser Vorgaenge bewahren die aegyptischen Raeubergeschichten der spaetgriechischen untergeordneten Literatur. Wie sehr uebrigens dieselben der roemischen Verwaltung zu schaffen gemacht haben moegen, einen politischen Zweck haben sie nicht gehabt und auch die allgemeine Ruhe des Landes nur partiell und temporaer unterbrochen. ———————————————- ^38 Amm. 22, 16, 23: erubescit apud (Aegyptios), si qui non infitiando tributa plurimas in corpore vibices ostendat. ^39 Dies ist nach Juvenal Tentyra, was ein Fehler sein muss, wenn das bekannte gemeint ist; aber auch die Liste des Ravennaten 3, 2 nennt beide Orte zusammen.
———————————————- Neben den Aegyptern stehen die Alexandriner, einigermassen wie in Ostindien die Englaender neben den Landeseingeborenen. Allgemein gilt Alexandreia in der vorkonstantinischen Kaiserzeit als die zweite Stadt des Roemischen Reiches und die erste Handelsstadt der Welt. Sie zaehlte am Ende der Lagidenherrschaft ueber 300000 freie Einwohner, in der Kaiserzeit ohne Zweifel noch mehr. Die Vergleichung der beiden grossen, im Wetteifer miteinander erwachsenen Kapitalen am Nil und am Orontes ergibt ebenso viele Gleichartigkeiten wie Gegensaetze. Beides sind verhaeltnismaessig neue Staedte, monarchische Schoepfungen aus dem Nichts, von planmaessiger Anlage und regelmaessiger staedtischer Einrichtung; das Wasser laeuft in jedem Hause wie in Antiocheia so auch in Alexandreia. An Schoenheit der Lage und Pracht der Gebaeude war die Stadt im Orontestal der Rivalin ebenso ueberlegen wie diese ihr in der Gunst der Oertlichkeit fuer den Grosshandel und an Volkszahl. Die grossen oeffentlichen Bauten der aegyptischen Hauptstadt, der koenigliche Palast, das der Akademie gewidmete Museion, vor allem der Tempel des Sarapis waren Wunderwerke einer frueheren, architektonisch hoch entwickelten Epoche; aber der grossen Zahl kaiserlicher Anlagen in der syrischen Residenz hat die von wenigen der Caesaren betretene aegyptische Hauptstadt nichts Entsprechendes entgegenzustellen. In der Unbotmaessigkeit und der Oppositionslust gegen das Regiment stehen Antiochener und Alexandriner einander gleich; man kann hinzusetzen, auch darin, dass beide Staedte, und namentlich Alexandreia, eben unter der roemischen Regierung und durch dieselbe bluehten und viel mehr Ursache hatten zu danken als zu frondieren. Wie die Alexandriner sich zu ihren hellenischen Regenten verhielten, davon zeugt die lange Reihe zum Teil noch heute gebraeuchlicher Spottnamen, welche die koeniglichen Ptolemaeer ohne Ausnahme dem Publikum ihrer Hauptstadt verdankten. Auch Kaiser Vespasianus empfing von den Alexandrinern fuer die Einfuehrung einer Steuer auf Salzfisch den Titel des Sardellensaecklers (Kybiosakt/e/s), der Syrer Severus Alexander den des Oberrabbiners; aber die Kaiser kamen selten nach Aegypten und die fernen und fremden Herrscher boten diesem Spott keine rechte Zielscheibe. In ihrer Abwesenheit widmete das Publikum wenigstens den Vizekoenigen die gleiche Aufmerksamkeit mit beharrlichem Eifer; selbst die Aussicht auf unausbleibliche Zuechtigung vermochte die oft witzige und immer freche Zunge dieser Staedter nicht zum Schweigen zu bringen ^40. Vespasian begnuegte sich in Vergeltung jener ihm bewiesenen Aufmerksamkeit, die Kopfsteuer um sechs Pfennige zu erhoehen, und bekam dafuer den weiteren Namen des Sechspfennigmanns; aber ihre Reden ueber Severus Antoninus, den kleinen Affen des grossen Alexander und den Geliebten der Mutter Iokaste, sollten ihnen teuer zu stehen kommen. Der tueckische Herrscher erschien in aller Freundschaft und liess sich vom Volke feiern, dann aber seine Soldaten auf die festliche Menge einhauen, so dass Tage lang die Plaetze und Strassen der grossen Stadt im Blute schwammen; ja er ordnete die Aufloesung der Akademie an und die Verlegung der Legion in die Stadt selbst, was freilich beides nicht zur Ausfuehrung kam. Aber wenn es in Antiocheia in der Regel bei den Spottreden blieb, so griff der alexandrinische Poebel bei dem geringsten Anlass zum Stein und zum Knittel. Im Krawallieren, sagt ein selbst alexandrinischer Gewaehrsmann, sind die Aegypter allen anderen voraus; der kleinste Funken genuegt hier, um einen Tumult zu entfachen. Wegen versaeumter Visiten, wegen Konfiskation verdorbener Lebensmittel, wegen Ausschliessung aus einer Badeanstalt, wegen eines Streites zwischen dem Sklaven eines vornehmen Alexandriners und einem roemischen Infanteristen ueber den Wert oder Unwert der beiderseitigen Pantoffel haben die Legionen auf die Buergerschaft von Alexandreia einhauen muessen. Es kam hier zum Vorschein, dass die niedere Schicht der alexandrinischen Bevoelkerung zum groesseren Teil aus Eingeborenen bestand; bei diesen Auflaeufen spielten die Griechen freilich die Anstifter, wie denn die Rhetoren, das heisst hier die Hetzredner, dabei ausdruecklich erwaehnt werden ^41, aber im weiteren Verlauf tritt dann die Tuecke und die Wildheit des eigentlichen Aegypters ins Gefecht. Die Syrer sind feige und als Soldaten sind es die Aegypter auch; aber im Strassentumult sind sie imstande, einen Mut zu entwickeln, der eines besseren Zieles wuerdig waere ^42. An den Rennpferden ergoetzten sich die Antiochener wie die Alexandriner; aber hier endigte kein Wagenrennen ohne Steinwuerfe und Messerstiche. Von der Judenhetze unter Kaiser Gaius wurden beide Staedte ergriffen; aber in Antiocheia genuegte ein ernstes Wort der Behoerde, um ihr ein Ende zu machen, waehrend der alexandrinischen, von einigen Bengeln durch eine Puppenparade angezettelten Tausende von Menschenleben zum Opfer fielen. Die Alexandriner, heisst es, gaben, wenn ein Auflauf entstand, nicht Frieden, bevor sie Blut gesehen hatten. Die roemischen Beamten und Offiziere hatten daselbst einen schweren Stand. “Alexandreia”, sagt ein Berichterstatter aus dem 4. Jahrhundert, “betreten die Statthalter mit Zittern und Zagen, denn sie fuerchten die Volksjustiz; wo ein Statthalter ein Unrecht begeht, da folgt sofort das Anstecken des Palastes und die Steinigung.” Das naive Vertrauen auf die Gerechtigkeit dieser Prozedur bezeichnet den Standpunkt des Schreibers, der zu diesem “Volke” gehoert hat. Die Fortsetzung dieses die Regierung wie die Nation gleich entehrenden Lynchsystems liefert die sogenannte Kirchengeschichte, die Ermordung des den Heiden und den Orthodoxen gleich missliebigen Bischofs Georgios und seiner Genossen unter Julian und die der schoenen Freidenkerin Hypatia durch die fromme Gemeinde des Bischofs Kyrillos unter Theodosius II. Tueckischer, unberechenbarer, gewalttaetiger waren diese alexandrinischen Auflaeufe als die antiochenischen, aber ebenso wie diese weder fuer den Bestand des Reiches gefaehrlich noch auch nur fuer die einzelne Regierung. Leichtfertige und boesartige Buben sind recht unbequem, aber auch nur unbequem, im Hause wie im Gemeinwesen.
——————————————————– ^40 Sen. dial. 19, 6: loquax et in contumelias praefectorum irgeniosa provincia . . . etiam periculosi sales placent. ^41 Dion Chrysostomos sagt in seiner Ansprache an die Alexandriner (or. 32 p. 663 Reiske): “Weil nun (die Verstaendigen) zuruecktreten und schweigen, daher entstehen bei euch die ewigen Streitigkeiten und Haendel und das wueste Geschrei und die schlimmen und zuegellosen Reden, die Anklaeger, die Verdaechtigungen, die Prozesse, der Rednerpoebel.” In der alexandrinischen Judenhetze, die Philon so drastisch schildert, sieht man diese Volksredner an der Arbeit. ^42 Dio Cass. 39, 58: “Die Alexandriner leisten in aller Hinsicht das Moegliche an Dreistigkeit und reden heraus, was ihnen in den Mund kommt. Im Krieg und seinen Schrecken benehmen sie sich feige; bei den Auflaeufen aber, die bei ihnen sehr haeufig und sehr ernst sind, greifen sie ohne weiteres zum Totschlagen und achten um des augenblicklichen Erfolgs willen das Leben fuer nichts, ja sie gehen in ihr Verderben, als handelte es sich um die hoechsten Dinge.”
——————————————————– Auch in dem religioesen Wesen haben beide Staedte eine analoge Stellung. Den Landeskultus, wie die einheimische Bevoelkerung ihn in Syrien wie in Aegypten festhielt, haben in seiner urspruenglichen Gestalt wie die Antiochener so auch die Alexandriner abgelehnt. Aber wie die Seleukiden, so haben auch die Lagiden sich wohl gehuetet, an den Grundlagen der alten Landesreligion zu ruetteln, und nur, die aelteren nationalen Anschauungen und Heiligtuemer mit den schmiegsamen Gestalten des griechischen Olymp verquickend, sie aeusserlich einigermassen hellenisiert, zum Beispiel den griechischen Gott der Unterwelt, den Pluton, unter dem bis dahin wenig genannten aegyptischen Goetternamen Sarapis in den Landeskultus eingefuehrt und auf diesen dann den alten Osiriskult allmaehlich uebertragen ^43. So spielten die echt aegyptische Isis und der pseudo-aegyptische Sarapis in Alexandreia eine aehnliche Rolle wie in Syrien der Belos und der Elagabalos, und drangen auch in aehnlicher Weise wie diese, wenngleich weniger maechtig und heftiger angefochten, in der Kaiserzeit allmaehlich in den okzidentalischen Kultus ein. In der bei Gelegenheit dieser religioesen Gebraeuche und Feste entwickelten Unsittlichkeit und der durch priesterlichen Segen approbierten und stimulierten Unzucht hatten beide Staedte sich einander nichts vorzuwerfen.
———————————————— ^43 Die “frommen Aegypter” wehrten sich dagegen, wie Macrobius (Sat. 1, 7, 14) berichtet, aber tyrannide Ptolemaeorum pressi hos quoque deos (Sarapis und Saturnus) in cultum recipere Alexandrinorum more, apud quos potissimum colebantur, coacti sunt. Da sie also blutige Opfer darbringen mussten, was gegen ihr Ritual war, liessen sie diese Goetter wenigstens in den Staedten nicht zu: nullum Aegypti oppidum intra muros suos aut Saturni aut Sarapis fanum recepit. ———————————————— Bis in spaete Zeit hinab hat der alte Kultus in dem frommen Lande Aegypten seine festeste Burg behauptet ^44. Die Restauration des alten Glaubens, sowohl wissenschaftlich in der an denselben sich anlehnenden Philosophie wie auch praktisch in der Abwehr der von den Christen gegen den Polytheismus gerichteten Angriffe, und in der Wiederbelebung des heidnischen Tempeldienstes und der heidnischen Mantik, hat ihren rechten Mittelpunkt in Alexandreia. Als dann der neue Glaube auch diese Burg eroberte, blieb die Landesart sich dennoch treu; die Wiege des Christentums ist Syrien, die des Moenchtums Aegypten. Von der Bedeutung und der Stellung der Judenschaft, in welcher ebenfalls beide Staedte sich gleichen, ist schon in anderer Verbindung die Rede gewesen. Von der Regierung ins Land gerufene Einwanderer wie die Hellenen, standen sie wohl diesen nach und waren kopfsteuerpflichtig wie die Aegypter, aber hielten sich und galten mehr als diese. Ihre Zahl betrug unter Vespasian eine Million, etwa den achten Teil der Gesamtbevoelkerung Aegyptens, und wie die Hellenen wohnten sie vorzugsweise in der Hauptstadt, von deren fuenf Vierteln zwei juedisch waren. An anerkannter Selbstaendigkeit, an Ansehen, Bildung und Reichtum war die alexandrinische Judenschaft schon vor dem Untergang Jerusalems die erste der Welt; und infolgedessen hat ein guter Teil der letzten Akte der juedischen Tragoedie, wie dies frueher dargelegt worden ist, auf aegyptischem Boden sich abgespielt.
———————————————– ^44 Der oft angefuehrte anonyme Verfasser einer Reichsbeschreibung aus der Zeit des Constantius, ein guter Heide, preist Aegypten namentlich auch wegen seiner musterhaften Froemmigkeit: “Nirgends werden die Mysterien der Goetter so gut gefeiert wie dort von alters her und noch heute.” Freilich, fuegt er hinzu, meinten einige, dass die Chaldaeer – er meint den syrischen Kult – die Goetter besser verehrten; aber er halte sich an das, was er mit Augen gesehen. “Hier gibt es Heiligtuemer aller Art und praechtig geschmueckte Tempel, und in Menge finden sich Kuester und Priester und Propheten und Glaeubige und treffliche Theologen, und alles geht nach seiner Ordnung; du findest die Altaere immer von Flammen lodern und die Priester mit ihren Binden und die Weihrauchfaesser mit herrlich duftenden Spezereien.” Aus derselben Zeit etwa (nicht vor Hadrian) und offenbar auch von kundiger Hand ruehrt eine andere boshaftere Schilderung her (vita Saturnini 8): “Wer in Aegypten den Sarapis verehrt, ist auch Christ, und die sich christliche Bischoefe nennen, verehren gleichfalls den Sarapis; jeder Grossrabbi der Juden, jeder Samariter, jeder christliche Geistliche ist da zugleich ein Zauberer, ein Prophet, ein Quacksalber (aliptes). Selbst wenn der Patriarch nach Aegypten kommt, fordern die einen, dass er zum Sarapis, die andern, dass er zu Christus beten.” Diese Diatribe haengt sicher damit zusammen, dass die Christen den aegyptischen Gott fuer den Joseph der Bibel erklaerten, den Urenkel der Sara und mit Recht den Scheffel tragend. In ernsterem Sinn fasst die Lage der aegyptischen Altglaeubigen der vermutlich dem 3. Jahrhundert angehoerige Verfasser des in lateinischer Uebersetzung unter den dem Apuleius beigelegten Schriften erhaltenen Goettergespraechs, in welchem der dreimal groesste Hermes dem Asklepios die zukuenftigen Dinge verkuendet: “Du weisst doch, Asklepios, dass Aegypten ein Abbild des Himmels oder, um richtiger zu reden, eine Uebersiedelung und Niederfahrt der ganzen himmlischen Waltung und Taetigkeit ist; ja, um noch richtiger zu reden, unser Vaterland ist der Tempel des gesamten Weltalls. Und dennoch: eintreten wird eine Zeit, wo es den Anschein gewinnt, als haette Aegypten vergeblich mit frommem Sinn in emsigem Dienst das Goettliche gehegt, wo alle heilige Verehrung der Goetter erfolglos und verfehlt sein wird. Denn die Gottheit wird zurueck in den Himmel sich begeben, Aegypten wird verlassen und das Land, welches der Sitz der Goetterdienste war, wird der Anwesenheit goettlicher Macht beraubt und auf sich selbst angewiesen sein. Dann wird dieses geweihte Land, die Staette der Heiligtuemer und Tempel, dicht mit Graebern und Leichen angefuellt sein. O Aegypten, Aegypten, von deinen Goetterdiensten werden nur Geruechte sich erhalten, und auch diese werden deinen kommenden Geschlechtern unglaublich duenken, nur Worte werden sich erhalten auf den Steinen, die von deinen frommen Taten erzaehlen, und bewohnen wird Aegypten der Skythe oder Inder oder sonst einer aus dem benachbarten Barbarenland. Neue Rechte werden eingefuehrt werden, neues Gesetz, nichts heiliges, nichts gottesfuerchtiges, nichts des Himmels und der Himmlischen Wuerdiges wird gehoert noch im Geiste geglaubt werden. Eine schmerzliche Trennung der Goetter von den Menschen tritt ein; nur die boesen Engel bleiben da, die unter die Menschheit sich mengen.” (Nach J. Bernays’ Uebersetzung, Gesammelte Abhandlungen, Bd. 1, S. 330).
———————————————– Alexandreia wie Antiocheia sind vorzugsweise Sitze der wohlhabenden Handel- und Gewerbetreibenden; aber in Antiocheia fehlt der Seehafen und was daran haengt, und wie rege es dort auf den Gassen herging, sie hielten doch keinen Vergleich aus gegen das Leben und Treiben der alexandrinischen Fabrikarbeiter und Matrosen. Dagegen hatte fuer den Lebensgenuss, das Schauspiel, das Diner, die Liebesfreuden Antiocheia mehr zu bieten als die Stadt, in der “niemand muessig ging”. Auch das eigentliche, vorzugsweise an die rhetorischen Exhibitionen anknuepfende Literatentreiben, welches wir in der Schilderung Kleinasiens skizzierten, trat in Aegypten zurueck ^45, wohl mehr im Drang der Geschaefte des Tages als durch den Einfluss der zahlreichen und gut bezahlten, in Alexandreia lebenden und grossenteils auch dort heimischen Gelehrten. Fuer den Gesamtcharakter der Stadt kamen diese Maenner des Museums, von denen noch weiter die Rede sein wird, vor allem, wenn sie in fleissiger Arbeit ihre Schuldigkeit taten, nicht in hervorragender Weise in Betracht. Die alexandrinischen Aerzte aber galten als die besten im ganzen Reich; freilich war Aegypten nicht minder die rechte Heimstaette der Quacksalber und der Geheimmittel und jener wunderlichen zivilisierten Form der Schaefermedizin, in welcher fromme Einfalt und spekulierender Betrug sich im Mantel der Wissenschaft drapieren. Des dreimal groessten Hermes haben wir schon gedacht; auch der alexandrinische Sarapis hat im Altertum mehr Wunderkuren verrichtet als irgendeiner seiner Kollegen und selbst den praktischen Kaiser Vespasian angesteckt, dass auch er die Blinden und Lahmen heilte, jedoch nur in Alexandreia.
——————————————————- ^45 Als die Roemer von dem beruehmten Rhetor Proaeresios (Ende 3., Anfang 4. Jahrhundert) einen seiner Schueler fuer einen Lehrstuhl erbitten, sendet er ihnen den Eusebios aus Alexandreia; “hinsichtlich der Rhetorik”, heisst es von diesem (Eun. proaer. p. 92 Boiss.), “genuegt es zu sagen, dass er ein Aegypter war; denn dieses Volk treibt zwar mit Leidenschaft das Versemachen, aber die ernste Redekunst (o spoydaios Erm/e/s) ist bei ihnen nicht zu Hause”. Die merkwuerdige Wiederaufnahme der griechischen Poesie in Aegypten, der zum Beispiel das Epos des Nonnos angehoert, liegt jenseits der Grenzen unserer Darstellung.
——————————————————- Obgleich der Platz, welchen Alexandreia in der geistigen und literarischen Entwicklung des spaeteren Griechenlands und der okzidentalischen Kultur ueberhaupt einnimmt oder einzunehmen scheint, nicht in einer Schilderung der oertlichen Zustaende Aegyptens, sondern nur in derjenigen dieser Entwicklung selbst entsprechend gewuerdigt werden kann, ist das alexandrinische Gelehrtenwesen und dessen Fortdauer unter dem roemischen Regiment eine allzu merkwuerdige Erscheinung, um nicht auch in dieser Verbindung in seiner allgemeinen Stellung beruehrt zu werden. Dass die Verschmelzung der orientalischen und der hellenischen Geisteswelt neben Syrien vorzugsweise in Aegypten sich vollzog, wurde schon bemerkt; und wenn der neue Glaube, der den Okzident erobern sollte, von Syrien ausging, so kam die ihm homogene Wissenschaft, diejenige Philosophie, welche neben dem Menschengeist und ausserhalb desselben den ueberweltlichen Gott und die goettliche Offenbarung anerkennt und verkuendet, vorzugsweise aus Aegypten, wahrscheinlich schon der neue Pythagoreismus, sicher das philosophische Neujudentum, von dem frueher die Rede war, sowie der neue Platonismus, dessen Begruender, der Aegypter Plotinos, ebenfalls schon erwaehnt ward. Auf dieser vorzugsweise in Alexandreia sich vollziehenden Durchdringung der hellenischen und der orientalischen Elemente beruht es hauptsaechlich, dass, wie dies in der Darstellung der italischen Verhaeltnisse naeher darzulegen ist, der dortige Hellenismus in der frueheren Kaiserzeit vorzugsweise aegyptische Form traegt. Wie die an Pythagoras, Moses, Platon anknuepfenden altneuen Weisheiten von Alexandreia aus in Italien eindrangen, so spielte die Isis und was dazu gehoert die erste Rolle in der bequemen Modefroemmigkeit, welche die roemischen Poeten der augustischen Zeit und die pompeianischen Tempel aus der des Claudius uns zeigen. Die aegyptische Kunstuebung herrscht vor in den kampanischen Fresken derselben Epoche wie in der tiburtinischen Villa Hadrians. Dem entspricht die Stellung, welche das alexandrinische Gelehrtenwesen in dem geistigen Leben der Kaiserzeit einnimmt. Nach aussen hin beruht dasselbe auf der staatlichen Pflege der geistigen Interessen und wuerde mit mehr Recht an den Namen Alexanders anknuepfen als an den Alexandreias; es ist die Realisierung des Gedankens, dass in einem gewissen Stadium der Zivilisation Kunst und Wissenschaft durch das Ansehen und die Machtmittel des Staats gestuetzt und gefoerdert werden muessen, die Konsequenz des genialen Moments der Weltgeschichte, welcher Alexander und Aristoteles nebeneinander stellte. Es soll hier nicht gefragt werden, wie in dieser maechtigen Konzeption Wahrheit und Irrtum, Beschaedigung und Hebung des geistigen Lebens sich miteinander mischen, nicht die duerftige Nachbluete des goettlichen Singens und des hohen Denkens der freien Hellenen einmal mehr gestellt werden neben den ueppigen und doch auch grossartigen Ertrag des spaeteren Sammelns, Forschens und Ordnens. Konnten die Institutionen, welche diesem Gedanken entsprangen, der griechischen Nation unwiederbringlich Verlorenes nicht oder, was schlimmer ist, nur scheinhaft erneuern, so haben sie ihr auf dem noch freien Bauplatz der geistigen Welt den einzig moeglichen und auch einen herrlichen Ersatz gewaehrt. Fuer unsere Erwaegung kommen vor allem die oertlichen Verhaeltnisse in Betracht. Kunstgaerten sind einigermassen unabhaengig vom Boden, und nicht anders ist es mit diesen wissenschaftlichen Institutionen, nur dass sie ihrem Wesen nach an die Hoefe gewiesen sind. Die materielle Unterstuetzung kann ihnen auch anderswo zuteil werden; aber wichtiger als diese ist die Gunst der hoechsten Kreise, die ihnen die Segel schwellt, und die Verbindungen, welche, in den grossen Zentren zusammenlaufend, diese Kreise der Wissenschaft fuellen und erweitern. In der besseren Zeit der Alexandermonarchien hatte es solcher Zentren so viele gegeben als es Staaten gab, und dasjenige des Lagidenhofs war nur das angesehenste unter ihnen gewesen. Die roemische Republik hatte die uebrigen eines nach dem andern in ihre Gewalt gebracht und mit den Hoefen auch die dazugehoerigen wissenschaftlichen Anstalten und Kreise beseitigt. Dass der kuenftige Augustus, als er den letzten dieser Hoefe aufhob, die damit verknuepften gelehrten Institute bestehen liess, ist die rechte und nicht die schlechteste Signatur der veraenderten Zeit. Der energischere und hoehere Philhellenismus des Caesarenregiments unterschied sich zu seinem Vorteil von dem republikanischen dadurch, dass er nicht bloss griechischen Literaten in Rom zu verdienen gab, sondern die grosse Tutel der griechischen Wissenschaft als einen Teil der Alexanderherrschaft betrachtete und behandelte. Freilich war, wie in dieser gesamten Regeneration des Reiches, der Bauplan grossartiger als der Bau. Die koeniglich patentierten und pensionierten Musen, welche die Lagiden nach Alexandreia gerufen hatten, verschmaehten es nicht, die gleichen Bezuege auch von den Roemern anzunehmen; und die kaiserliche Munifizenz stand hinter der frueheren koeniglichen nicht zurueck. Der Bibliothekfonds von Alexandreia und der Fonds der Freistellen fuer Philosophen, Poeten, Aerzte und Ge lehrte aller Art ^46 sowie die diesen gewaehrten Immunitaeten wurden von Augustus nicht vermindert, von Kaiser Claudius vermehrt, freilich mit der Auflage, dass die neuen Claudischen Akademiker die griechischen Geschichtswerke des wunderlichen Stifters Jahr fuer Jahr in ihren Sitzungen zum Vortrag zu bringen hatten. Mit der ersten Bibliothek der Welt behielt Alexandreia zugleich durch die ganze Kaiserzeit einen gewissen Primat der wissenschaftlichen Arbeit, bis das Museion zugrunde ging und der Islam die antike Zivilisation erschlug. Es war auch nicht bloss die damit gebotene Gelegenheit, sondern zugleich die alte Tradition und die Geistesrichtung dieser Hellenen, welche der Stadt jenen Vorrang bewahrte, wie denn unter den Gelehrten die geborenen Alexandriner an Zahl und Bedeutung hervorragen. Auch in dieser Epoche sind zahlreiche und achtbare gelehrte Arbeiten, namentlich philologische und physikalische, aus dem Kreise der Gelehrten “vom Museum”, wie sie gleich den Parisern “vom Institut” sich titulierten, hervorgegangen; aber die literarische Bedeutung, welche die alexandrinische und die pergamenische Hofwissenschaft und Hofkunst in der besseren Epoche des Hellenismus fuer die gesamte hellenische und hellenisierende Welt gehabt hat, knuepfte nie auch nur entfernt sich an die roemisch-alexandrinische. Die Ursache liegt nicht in dem Mangel an Talenten oder anderen Zufaelligkeiten, am wenigsten daran, dass der Platz im Museum vom Kaiser zuweilen nach Gaben und immer nach Gunst vergeben ward und die Regierung damit voellig schaltete wie mit dem Ritterpferd und den Hausbeamtenstellungen; das war auch an den aelteren Hoefen nicht anders gewesen. Hofphilosophen und Hofpoeten blieben in Alexandreia, aber nicht der Hof; es zeigte sich hier recht deutlich, dass es nicht auf die Pensionen und Gratifikationen ankam, sondern auf die fuer beide Teile belebende Beruehrung der grossen politischen und der grossen wissenschaftlichen Arbeit. Diese stellte wohl fuer die neue Monarchie sich ein und damit auch ihre Konsequenzen; aber die Staette dafuer war nicht Alexandreia: diese Bluete der politischen Entwicklung gehoerte billig den Lateinern und der lateinischen Hauptstadt. Die augustische Poesie und die augustische Wissenschaft sind unter aehnlichen Verhaeltnissen zu aehnlicher bedeutender und erfreulicher Entwicklung gelangt wie die hellenistische an dem Hof der Pergamener und der frueheren Ptolemaeer. Sogar indem griechischen Kreise knuepfte, soweit die roemische Regierung auf denselben im Sinne der Lagiden einwirkte, mehr als an Alexandreia sich dies an Rom an. Die griechischen Bibliotheken der Hauptstadt standen freilich der alexandrinischen nicht gleich und ein dem alexandrinischen Museum vergleichbares Institut gab es in Rom nicht. Aber die Stellung an den roemischen Bibliotheken oeffnete die Beziehungen zu dem Hofe. Auch die von Vespasian eingerichtete, von der Regierung besetzte und besoldete hauptstaedtische Professur der griechischen Rhetorik gab ihrem Inhaber, wenn er gleich nicht in dem Sinne Hausbeamter war wie der kaiserliche Bibliothekar, eine aehnliche Stellung und galt, ohne Zweifel deswegen, als der vornehmste Lehrstuhl des Reiches ^47. Vor allem aber war das kaiserliche Kabinettssekretariat in seiner griechischen Abteilung die angesehenste und einflussreichste Stellung, zu der ein griechischer Literat ueberhaupt gelangen konnte. Versetzung von der alexandrinischen Akademie in ein derartiges hauptstaedtisches Amt war nachweislich Befoerderung ^48. Auch abgesehen von allem, was die griechischen Literaten sonst allein in Rom fanden, genuegten die Hofstellungen und die Hofaemter, um den angesehensten von ihnen den Zug vielmehr dahin zu geben als an den aegyptischen “Freitisch”. Das gelehrte Alexandreia dieser Zeit ward eine Art Witwensitz der griechischen Wissenschaft, achtungswert und nuetzlich, aber auf den grossen Zug der Bildung wie der Verbildung der Kaiserzeit von keinem durchschlagenden Einfluss; die Plaetze im Museum wurden, wie billig, nicht selten an namhafte Gelehrte von auswaerts vergeben, und fuer das Institut selbst kamen die Buecher der Bibliothek mehr in Betracht als die Buerger der grossen Handels- und Fabrikstadt.
———————————————— ^46 Ein “homerischer Poet” ek Moyseioy bringt es fertig, den Memnon in vier homerischen Versen anzusingen, ohne ein Wort von dem Seinen hinzuzutun (CIG 4748). Hadrian macht einen alexandrinischen Poeten zum Lohn fuer ein loyales Epigramm zum Mitglied (Athenaeos 15 p. 677 e). Beispiele von Rhetoren aus hadrianischer Zeit bei Philostratos vit. soph. 1, 22, 3. c. 25, 3. Ein philosophos apo Moyseioy in Halikarnassos (BCH 4, 1880, S. 405). In spaeterer Zeit, wo der Circus alles ist, finden wir einen namhaften Ringkaempfer – vielleicht darf man sagen, als Ehrenmitglied der philosophischen Klasse (Inschrift aus Rom CIG 5914: ne/o/koros to? megaloy Sarapidos kai t/o/n en t/o/ Moysei/o/ seitoymen/o/n atel/o/n philosoph/o/n; vgl. das. 4724 und Firm. err. 13,3). Oi en Ephes/o/ apo to? Moyseioy iatroi (Wood, Ephesus. Inscriptions from tombs, n. 7), eine Gesellschaft ephesischer Aerzte, beziehen sich wohl auch auf das Museum von Alexandreia, aber sind schwerlich Mitglieder desselben, sondern in demselben gebildet.
^47 O an/o/ thronos bei Philostratos vit. soph. 2, 10, 5. ^48 Beispiele sind Chaeremon, der Lehrer Neros, vorher angestellt in Alexandreia (Suidas Aeion?sios Alexandre?s; vgl. Zeller, Hermes 11, 1876, S. 430 und oben 7, 275); Dionysios, des Glaukos Sohn, zuerst in Alexandreia Nachfolger Chaeremons, dann von Nero bis auf Traian Bibliothekar in Rom und kaiserlicher Kabinettssekretaer (Suidas. a. a. O.); L. Julius Vestinus unter Hadrian, der sogar nach der Vorstandschaft des Museums dieselben Stellungen wie Dionysios in Rom bekleidete, auch als philologischer Schriftsteller bekannt. ———————————————— Die militaerischen Verhaeltnisse Aegyptens stellten, eben wie in Syrien, den Truppen daselbst eine zwiefache Aufgabe: den Schutz der Suedgrenze und der Ostkueste, der freilich mit dem fuer die Euphratlinie erforderlichen nicht entfernt verglichen werden kann, und die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung im Lande wie in der Hauptstadt. Die roemische Besatzung bestand, abgesehen von den bei Alexandreia und auf dem Nil stationierten Schiffen, die hauptsaechlich fuer die Zollkontrolle gedient zu haben scheinen, unter Augustus aus drei Legionen nebst den dazugehoerigen, nicht zahlreichen Hilfstruppen, zusammen etwa 20000 Mann. Es war dies etwa halb soviel, als er fuer die saemtlichen asiatischen Provinzen bestimmte, was der Wichtigkeit dieser Provinz fuer die neue Monarchie entsprach. Die Besatzung wurde aber wahrscheinlich noch unter Augustus selbst um ein Drittel und dann unter Domitian um ein weiteres Drittel vermindert. Anfaenglich waren zwei Legionen ausserhalb der Hauptstadt stationiert; das Hauptlager aber und bald das einzige lag vor den Toren derselben, da wo Caesar der Sohn den letzten Kampf mit Antonius ausgefochten hatte, in der danach benannten Vorstadt Nikopolis. Diese hatte ihr eigenes Amphitheater und ihr eigenes kaiserliches Volksfest und war voellig selbstaendig eingerichtet, so dass eine Zeitlang die oeffentlichen Lustbarkeiten von Alexandreia durch die ihrigen in Schatten gestellt wurden. Die unmittelbare Bewachung der Grenze fiel den Auxilien zu. Dieselben Ursachen also, welche in Syrien die Disziplin lockerten, die zunaechst polizeiliche Aufgabe und die unmittelbare Beruehrung mit der grossen Hauptstadt, kamen auch fuer die aegyptischen Truppen ins Spiel; hier trat noch hinzu, dass die ueble Gewohnheit, den Soldaten bei der Fahne das eheliche Leben oder doch ein Surrogat desselben zu gestatten und die Truppe aus diesen Lagerkindern zu ergaenzen, bei den makedonischen Regimentern der Ptolemaeer seit langem einheimisch war und rasch auch bei den Roemern sich wenigstens bis zu einem gewissen Grade einbuergerte. Dem entsprechend scheint das aegyptische Korps, in welchem die Okzidentalen noch seltener dienten als in den uebrigen Armeen des Ostens und das zum grossen Teil aus der Buergerschaft und dem Lager von Alexandreia sich rekrutierte, unter allen Armeekorps das am wenigstens angesehene gewesen zu sein, wie denn auch die Offiziere dieser Legion, wie schon bemerkt ward, im Rang denen der uebrigen nachstanden.
Die eigentlich militaerische Aufgabe der aegyptischen Truppen haengt eng zusammen mit den Massregeln fuer die Hebung des aegyptischen Handels. Es wird angemessen sein, beides zusammenzufassen und zunaechst die Beziehungen zu den kontinentalen Nachbarn im Sueden, sodann diejenigen zu Arabien und Indien im Zusammenhang darzulegen.
Aegypten reicht nach Sueden, wie schon bemerkt, bis zu der Schranke, welche der letzte Katarakt unweit Syene (Assuan) der Schiffahrt entgegenstellt. Jenseits Syene beginnt der Stamm der Kesch, wie die Aegypter sie nennen, oder, wie die Griechen uebersetzen, der Dunkelfarbigen, der Aethiopen, wahrscheinlich den spaeter zu erwaehnenden Urbewohnern Abessiniens stammverwandt, und, wenn auch vielleicht aus der gleichen Wurzel wie die Aegypter entsprungen, doch in der geschichtlichen Entwicklung als fremdes Volk ihnen gegenueberstehend. Weiter suedwaerts folgen die Nahsiu der Aegypter, das heisst die Schwarzen, die Nubier der Griechen, die heutigen Neger. Die Koenige Aegyptens hatten in besseren Zeiten ihre Herrschaft weit in das Binnenland hinein ausgedehnt oder es hatten wenigstens auswandernde Aegypter hier sich eigene Herrschaften gegruendet; die schriftlichen Denkmaeler des pharaonischen Regiments gehen bis oberhalb des dritten Katarakts nach Dongola hinein, wo Nabata (bei Nuri) der Mittelpunkt ihrer Niederlassungen gewesen zu sein scheint; und noch betraechtlich weiter stromaufwaerts, etwa sechs Tagereisen noerdlich von Khartum, bei Schendi im Sennaar, in der Naehe der frueh verschollenen Aethiopenstadt Meroâ finden sich Gruppen freilich schriftloser Tempel und Pyramiden. Als Aegypten roemisch ward, war es mit dieser Machtentwicklung laengst vorbei und herrschte jenseits Syene ein aethiopischer Stamm unter Koeniginnen, die stehend den Namen oder den Titel Kandake fuehrten ^49 und in jenem einst aegyptischen Nabata in Dongola residierten; ein Volk auf niedriger Stufe der Zivilisation, ueberwiegend Hirten, imstande, ein Heer von 30000 Mann aufzubringen, aber geruestet mit Schilden von Rindshaeuten, bewehrt meist nicht mit Schwertern, sondern mit Beilen oder Lanzen und eisenbeschlagenen Keulen; raeuberische Nachbarn, im Gefecht den Roemern nicht gewachsen. Diese fielen im Jahre 730 (24) oder 731 (23) in das roemische Gebiet ein, wie sie behaupteten, weil die Vorsteher der naechsten Nomen sie geschaedigt haetten, wie die Roemer meinten, weil die aegyptischen Truppen damals grossenteils in Arabien beschaeftigt waren und sie hofften, ungestraft pluendern zu koennen. In der Tat ueberwanden sie die drei Kohorten, die die Grenze deckten, und schleppten aus den naechsten aegyptischen Distrikten Philae, Elephantine, Syene die Bewohner als Sklaven fort und als Siegeszeichen die Statuen des Kaisers, die sie dort vorfanden. Aber der Statthalter, der eben damals die Verwaltung des Landes uebernahm, Gaius Petronius, vergalt den Angriff rasch; mit 10000 Mann zu Fuss und 800 Reitern trieb er sie nicht bloss zum Lande hinaus, sondern folgte ihnen den Nil entlang in ihr eigenes Land, schlug sie nachdruecklich bei Pselchis (Dakke) und erstuermte ihre feste Burg Premis (Ibrim) so wie die Hauptstadt selbst, die er zerstoerte. Zwar erneuerte die Koenigin, ein tapferes Weib, im naechsten Jahre den Angriff und versuchte Premis, wo roemische Besatzung geblieben war, zu erstuermen; aber Petronius brachte rechtzeitig Ersatz, und so entschloss sich die Aethiopin, Gesandte zu senden und um Frieden zu bitten. Der Kaiser gewaehrte ihn nicht bloss, sondern befahl, das unterworfene Gebiet zu raeumen, und wies den Vorschlag seines Statthalters ab, die Besiegten tributpflichtig zu machen. Insofern ist dieser sonst nicht bedeutende Vorgang bemerkenswert, als gleich damals der bestimmte Entschluss der roemischen Regierung sich zeigte, zwar das Niltal, soweit der Fluss schiffbar ist, unbedingt zu behaupten, aber von der Besitznahme der weiten Landschaften am oberen Nil ein fuer allemal abzusehen. Nur die Strecke von Syene, wo unter Augustus die Grenztruppen standen, bis nach Hiera Sykaminos (Maharraka), das sogenannte Zwoelfmeilenland (D/o/dekaschoinos) ist zwar niemals als Nomos eingerichtet und nie als ein Teil Aegyptens, aber doch als zum Reiche gehoerig betrachtet worden; und spaetestens unter Domitian wurden selbst die Posten bis nach Hiera Sykaminos vorgerueckt ^^50. Dabei ist es im wesentlichen geblieben. Die von Nero geplante orientalische Expedition sollte allerdings auch Aethiopien umfassen; aber es blieb bei der vorlaeufigen Erkundung des Landes durch roemische Offiziere bis ueber Meroâ hinauf. Das nachbarliche Verhaeltnis muss an der aegyptischen Suedgrenze bis in die Mitte des dritten Jahrhunderts im ganzen friedlicher Art gewesen sein, wenn es auch an kleineren Haendeln mit jener Kandake und mit ihren Nachfolgerinnen, die laengere Zeit sich behauptet zu haben scheinen, spaeter vielleicht mit anderen, jenseits der Reichsgrenze zur Vormacht gelangenden Staemmen, nicht gefehlt haben wird. Erst als das Reich in der valerianisch-gallienischen Zeit aus den Fugen ging, brachen die Nachbarn auch ueber diese Grenze. Es ist schon erwaehnt worden, dass die in den Gebirgen an der Suedostgrenze ansaessigen, frueher den Aethiopen gehorchenden Blemyer, ein Barbarenvolk von entsetzlicher Roheit, welches noch Jahrhunderte spaeter sich der Menschenopfer nicht entwoehnt hatte, in dieser Epoche selbstaendig gegen Aegypten vorging und im Einverstaendnis mit den Palmyrenern einen guten Teil Oberaegyptens besetzte und eine Reihe von Jahren behauptete. Der tuechtige Kaiser Probus vertrieb sie; aber die einmal begonnenen Einfaelle hoerten nicht auf ^51, und Kaiser Diocletianus entschloss sich, die Grenze zurueckzunehmen. Das schmale Zwoelfmeilenland forderte starke Besatzung und trug dem Staate wenig ein. Die Nubier, welche in der libyschen Wueste hausten und besonders die grosse Oase stetig heimsuchten, gingen darauf ein, ihre alten Sitze aufzugeben und sich in dieser Landschaft anzusiedeln, die ihnen foermlich abgetreten ward; zugleich wurden ihnen sowohl wie ihren oestlichen Nachbarn, den Blemyern, feste Jahrgelder ausgesetzt, dem Namen nach, um sie fuer die Grenzbewachung zu entschaedigen, in der Tat ohne Zweifel als Abkaufsgelder fuer ihre Pluenderzuege, die natuerlich dennoch nicht aufhoerten. Es war ein Schritt zurueck, der erste, seit Aegypten roemisch war. ————————————————————- ^49 Der Eunuch der Kandake, der im Jesaias liest (Apostelgeschichte 8, 27), ist bekannt; eine Kandake regiert auch zu Neros Zeit (Plin. nat. 6, 29, 182) und spiele eine Rolle im Alexanderroman (3, 18 f.). ^50 Dass die Reichsgrenze bis Hiera Sykaminos reichte, ergibt sich fuer das 2. Jahrhundert aus Ptol. geogr. 5, 5, 74, fuer die Zeit Diocletians aus den die Reichsstrassen bis dahin fuehrenden Itinerarien. In der ein Jahrhundert juengeren Notitia dignitatum reichen die Posten wieder nicht hinaus ueber Syene, Philae, Elephantine. In der Strecke von Philae nach Hiera Sykaminos, der Dodekaschoenos Herodots (2, 29), scheinen schon in frueher Zeit fuer die Aegyptern und Aethiopen immer gemeinschaftliche Isis von Philae Tempelabgaben erhoben worden zu sein; aber griechische Inschriften aus der Lagidenzeit haben sich hier nicht gefunden, dagegen zahlreiche datierte aus roemischer, die aeltesten aus der des Augustus (Pselchis, 2 n. Chr.: CIG 5086) und des Tiberius (ebenda, J. 26: 5104; J. 33: 5101), die juengste aus der des Philippus (Kardassi, J. 248: 5010). Diese beweisen nicht unbedingt fuer die Reichsangehoerigkeit des betreffenden Fundorts; aber die eines landvermessenden Soldaten vom Jahre 33 (5101) und die eines praesidium vom Jahre 84 (Talmis, 5042 f.), sowie zahlreiche andere setzen dieselbe allerdings voraus. Jenseits der bezeichneten Grenze hat sich nie ein aehnlicher Stein gefunden; denn die merkwuerdige Inschrift der regina (CIL III, 83), bei Messaurat, suedlich von Schendi (16¯ 25′ Breite, 5 Lieues noerdlich von den Ruinen von Naga) gefunden, die suedlichste aller bekannten lateinischen Inschriften, jetzt im Berliner Museum, hat nicht ein roemischer Untertan gesetzt, sondern vermutlich ein aus Rom zurueckkehrender Abgesandter einer afrikanischen Koenigin, der lateinisch redet, vielleicht nur, um zu zeigen, dass er in Rom gewesen sei. ^51 Die tropaea Niliaca, sub quibus Aethiops et Indus intremuit, in einer wahrscheinlich im Jahre 296 gehaltenen Rede (Paneg. 5, 5) gehen auf ein derartiges Rencontre, nicht auf die aegyptische Insurrektion; von Angriffen der Blemyer spricht eine andere Rede vom Jahre 289 (Paneg. 3, 17). Ueber die Abtretung des Zwoelfmeilengebiets an die Nubier berichtet Prok. Pers. 1, 19. Als unter der Herrschaft nicht der Nubier, sondern der Blemyer stehend erwaehnen dasselbe Olympiodorus (fr. 37 Mueller) und die Inschrift des Silko CIG 5072. Das kuerzlich zum Vorschein gekommene Fragment eines griechischen Heldengedichts auf den Blemyersieg eines spaetroemischen Kaisers bezieht Buecheler (Rheinisches Museum N. F. 39, 1880, S. 279 f.) auf den des Marcianus im Jahre 451 (vgl. Priscus fr. 21). ————————————————————- Von dem kaufmaennischen Verkehr an dieser Grenze ist aus dem Altertum wenig ueberliefert. Da die Katarakte des oberen Nils den unmittelbaren Wasserweg sperrten, hat sich der Verkehr zwischen dem inneren Afrika und den Aegyptern, namentlich der Elfenbeinhandel in roemischer Zeit mehr ueber die abessinischen Haefen als am Nil hin bewegt; aber gefehlt hat er auch in dieser Richtung nicht ^52. Die auf der Insel Philae zahlreich neben den Aegyptern wohnenden Aethiopen sind offenbar meistens Kaufleute gewesen, und der hier vorwaltende Grenzfrieden wird das Seinige beigetragen haben zum Aufbluehen der oberaegyptischen Grenzstaedte und des aegyptischen Handels ueberhaupt. ———————————————————— ^52 Juvenal erwaehnt sat. 11, 124 die Elefantenzaehne, quos mittit porta Syenes.
———————————————————— Die Ostkueste Aegyptens stellt der Entwicklung des Weltverkehrs eine schwer zu loesende Aufgabe. Der durchgaengig oede und felsige Strand ist eigentlicher Kultur unfaehig und in alter wie in neuer Zeit eine Wueste ^52. Dagegen naehern die beiden fuer die Kulturentwicklung der alten Welt vorzugsweise wichtigen Meere, das Mittellaendische und das Rote oder Indische sich einander am meisten an den beiden noerdlichsten Spitzen des letzteren, dem Persischen und dem Arabischen Golf; jener nimmt den Euphrat in sich auf, der in seinem mittleren Lauf dem Mittellaendischen Meere nahekommt; dieser ist nur wenige Tagemaersche entfernt von dem in dasselbe Meer fliessenden Nil. Daher nimmt in alter Zeit der Handelsverkehr zwischen dem Osten und dem Westen ueberwiegend entweder die Richtung auf dem Euphrat zu der syrischen und der arabischen Kueste oder er wendet sich von der Ostkueste Aegyptens nach dem Nil. Die Verkehrswege vom Euphrat her sind aelter als die ueber den Nil; aber die letzteren haben den Vorzug der besseren Schiffbarkeit des Stromes und des kuerzeren Landtransports; Die Beseitigung des letzteren durch Herstellung einer kuenstlichen Wasserstrasse ist bei dem Euphratweg ausgeschlossen, bei dem aegyptischen in alter wie in neuer Zeit wohl schwierig, aber nicht unmoeglich befunden. Sonach ist dem Land Aegypten von der Natur selbst vorgeschrieben, die Ostkueste mit dem Nillauf und der noerdlichen Kueste durch Land- oder Wasserstrassen zu verbinden; und es gehen auch die Anfaenge derartiger Anlagen bis zurueck in die Zeit derjenigen einheimischen Herrscher, welche zuerst Aegypten dem Ausland und dem grossen Handelsverkehr erschlossen. Auf den Spuren, wie es scheint, aelterer Anlagen der grossen Regenten Aegyptens, Sethi I. und Rhamses II., begann der Sohn Psammetichs, Koenig Necho (610-594 v. Chr.), den Bau eines Kanals, der in der Naehe von Kairo vom Nil abzweigend eine Wasserverbindung mit den Bitterseen bei Ismailia und durch diese mit dem Roten Meer herstellen sollte, ohne indes das Werk vollenden zu koennen. Dass er dabei nicht bloss die Beherrschung des Arabischen Golfs und den Handelsverkehr mit den Arabern in das Auge fasste, sondern das Persische und das Indische Meer und der entlegenere Osten bereits in den Horizont dieses Aegypterkoenigs getreten waren, ist deswegen wahrscheinlich, weil derselbe Herrscher die einzige im Altertum ausgefuehrte Umschiffung Afrikas veranlasst hat. Ausser Zweifel ist dies fuer Koenig Dareios I., den Herrn sowohl Persiens wie Aegyptens; er vollendete den Kanal, aber, wie seine an Ort und Stelle aufgefundenen Denksteine melden, liess er ihn selbst wieder verschuetten, wahrscheinlich weil seine Ingenieure befuerchteten, dass das Meerwasser, eingelassen in den Kanal, die Gefilde Aegyptens ueberschwemmen werde. —————————————————– ^52 Nach der Art, wie Ptolemaeos 4, 5, 14 u. 15 diese Kueste behandelt, scheint sie, eben wie das Zwoelfmeilenland, ausserhalb der Nomeneinteilung gestanden zu haben.
—————————————————– Der Wettkampf der Lagiden und der Seleukiden, welcher die Politik der nachalexandrischen Zeit ueberhaupt beherrscht, war zugleich ein Kampf zwischen dem Euphrat und dem Nil. Jener war im Besitz, dieser der Praetendent; und in der besseren Zeit der Lagiden ist die friedliche Offensive mit grosser Energie gefuehrt worden. Nicht bloss wurde jener von Necho und Dareios unternommene Kanal, jetzt der “Fluss Ptolemaeos” genannt, durch den zweiten Ptolemaeer Philadelphos (+ 247 v. Chr.) zum ersten Mal der Schiffahrt eroeffnet, sondern es wurden auch an den fuer die Sicherheit der Schiffe und fuer die Verbindung mit dem Nil am besten geeigneten Punkten der schwierigen Ostkueste umfassende Hafenbauten ausgefuehrt. Vor allem geschah dies an der Muendung des zum Nil fuehrenden Kanals, bei den Ortschaften Arsinoe, Kleopatris, Klysma, alle drei in der Gegend des heutigen Suez. Weiter abwaerts entstanden ausser manchen kleineren Anlagen die beiden bedeutenden Emporien Myos Hormos, etwas oberhalb des heutigen Koser, und Berenike im Trogodytenland, ungefaehr in gleicher Breite mit Syene am Nil sowie mit dem arabischen Hafen Leuke Kome, von der Stadt Koptos, bei der der Nil am weitesten oestlich vorspringt, jenes sechs bis sieben, dieses elf Tagemaersche entfernt und durch quer durch die Wueste angelegte, mit grossen Zisternen versehene Strassen mit diesem Hauptemporium am Nil verbunden. Der Warenverkehr der Ptolemaeerzeit ist wahrscheinlich weniger durch den Kanal gegangen als ueber diese Landwege nach Koptos. Ueber jenes Berenike im Trogodytenland hinaus hat sich das eigentliche Aegypten der Lagiden nicht erstreckt. Die weiter gegen Sueden liegenden Ansiedlungen Ptolemais “fuer die Jagd” unterhalb Suakin und die suedlichste Ortschaft des Lagidenreichs, das spaetere Adulis, damals vielleicht “Berenike die goldene” oder “bei Saba” genannt, Zula unweit des heutigen Massaua, bei weitem der beste Hafen an dieser ganzen Kueste, sind nicht mehr gewesen als Kuestenforts und haben mit Aegypten nicht in Landverbindung gestanden. Auch sind diese entlegenen Ansiedlungen ohne Zweifel unter den spaeteren Lagiden entweder verlorengegangen oder freiwillig aufgegeben worden, und war in der Epoche, wo die roemische Herrschaft eintritt, wie im Binnenland Syene, so an der Kueste das trogodytische Berenike die Reichsgrenze. In diesem von den Aegyptern nie besetzten oder frueh geraeumten Gebiet bildete sich, sei es am Ausgang der Lagidenepoche, sei es in der ersten Kaiserzeit, ein unabhaengiger Staat von Ausdehnung und Bedeutung, derjenige der Axomiten ^54, entsprechend dem heutigen Habesch. Er fuehrt seinen Namen von der im Herzen dieses Alpenlandes, acht Tagereisen vom Meer in der heutigen Landschaft Tigre gelegenen Stadt Axomis, dem heutigen Aksum; als Hafen dient ihm das schon erwaehnte beste Emporium an dieser Kueste, Adulis in der Bucht von Massaua. Die urspruengliche Bevoelkerung dieser Landschaft mag wohl das Agau gesprochen haben, von welcher Sprache sich noch heute in einzelnen Strichen des Suedens reine Ueberreste behaupten und die dem gleichen hamitischen Kreise mit den heutigen Bedscha, Dankali, Somali, Galla angehoert; der aegyptischen Bevoelkerung scheint dieser Sprachkreis in aehnlicher Weise verwandt wie die Griechen mit den Kelten und den Slaven, so dass hier wohl fuer die Forschung eine Verwandtschaft, fuer das geschichtliche Dasein aber vielmehr allein der Gegensatz besteht. Aber bevor unsere Kunde von diesem Lande auch nur beginnt, muessen ueberlegene Semitische, zu den himjaritischen Staemmen des suedlichen Arabiens gehoerige Einwanderer den schmalen Meerbusen ueberschritten und ihre Sprache wie ihre Schrift dort einheimisch gemacht haben. Die alte, erst lange nach roemischer Zeit im Volksgebrauch erloschene Schriftsprache von Habesch, das Ge’ez oder, wie sie faelschlich meist genannt wird, die aethiopische ^55, ist rein semitisch ^56, und die jetzt noch lebenden Dialekte, namentlich das Tigrina, sind es im wesentlichen auch, nur durch die Einwirkung des aelteren Agau getruebt.
——————————————- ^54 Das Beste, was wir ueber das Reich von Axomis wissen, lehrt der von einem ihrer Koenige ohne Zweifel in der besseren Kaiserzeit in Adulis gesetzte Stein (CIG 5127b), eine Art von Denkschrift ueber die Taten dieses anscheinenden Reichsgruenders im Stil der persepolitanischen des Dareios oder der ancyranischen des Augustus und angebracht an dem Koenigsthron, vor welchem bis in das 6. Jahrhundert hinein die Verbrecher hingerichtet wurden. Die sachkundige Eroerterung Dillmanns (Abhandlungen der Berliner Akademie, 1877, S. 195 f.) erklaert, was davon erklaerbar ist. Vom roemischen Standpunkt aus ist hervorzuheben, dass der Koenig zwar die Roemer nicht nennt, aber deutlich auf ihre Reichsgrenzen Ruecksicht nimmt, indem er die Tangaiten unterwirft mechri t/o/n t/e/s Aig?ptoy ori/o/n und eine Strasse anlegt apo t/o/n t/e/s em/e/s basileias top/o/n mechri Aig?ptoy, ferner als Nordgrenze seiner arabischen Expedition Leuke Kome nennt, die letzte roemische Station an der arabischen Westkueste. Daraus folgt weiter, dass diese Inschrift juenger ist als der unter Vespasian geschriebene Periplus des Roten Meeres; denn nach diesem (c. 5) herrscht der Koenig von Axomis apo t/o/n Moschophag/o/n mechri t/e/s all/e/s barbarias, und zwar ist dies ausschliesslich zu verstehen, da er c. 2 die t?rannoi der Moschophagen nennt und ebenso c. 14 bemerkt, dass jenseits der Strasse Bab el Mandeb kein “Koenig” sei, sondern nur “Tyrannen”. Also reichte damals das Axomitanische Reich noch nicht bis zur roemischen Grenze, sondern nur bis etwa nach Ptolemais “der Jagd”, ebenso nach der anderen Richtung nicht bis zum Kap Guardafui, sondern nur bis zur Strasse Bab el Mandeb. Auch an der arabischen Kueste spricht der Periplus von Besitzungen des Koenigs von Axomis nicht, obwohl er mehrfach der Dynasten daselbst gedenkt. ^55 Der Name der Aethiopen haftet in besserer Zeit an dem Land am oberen Nil, insbesondere den Reichen von Meroâ und Nabata, also an dem Gebiet, das wir jetzt Nubien nennen. Im spaeteren Altertum, zum Beispiel von Prokopios, wird die Benennung auf den Staat von Axomis bezogen, und daher bezeichnen die Abessinier seit langem ihr Reich mit diesem Namen.
^56 Daher die Legende, dass die Axomiten von Alexander in Afrika angesiedelte Syrer seien und noch syrisch spraechen (Philostorgius hist. eccl. 3, 6).
——————————————- Ueber die Anfaenge dieses Gemeinwesens hat sich keine Ueberlieferung erhalten. Am Ausgang der neronischen Zeit und vielleicht schon lange vorher herrschte der Koenig der Axomiten an der afrikanischen Kueste etwa von Suakin bis zur Strasse Bab el Mandeb. Einige Zeit darauf – naeher laesst sich die Epoche nicht bestimmen – finden wir ihn als Grenznachbarn der Roemer an der Suedgrenze Aegyptens, auch an der anderen Kueste des Arabischen Meerbusens in dem Zwischengebiet zwischen dem roemischen Besitz und dem der Sabaeer in kriegerischer Taetigkeit, also nach Norden mit dem roemischen Gebiet auch in Arabien sich unmittelbar beruehrend, ueberdies die afrikanische Kueste ausserhalb des Busens vielleicht bis zum Kap Guardafui beherrschend. Wie weit sich sein Gebiet von Axomis landeinwaerts erstreckt hat, erhellt nicht; Aethiopien, das heisst Sennaar und Dongola, haben wenigstens in der frueheren Kaiserzeit schwerlich dazu gehoert; vielmehr mag zu der Zeit das Reich von Nabata neben dem axomitischen bestanden haben. Wo uns die Axomiten entgegentreten, finden wir sie auf einer verhaeltnismaessig vorgeschrittenen Stufe der Entwicklung. Unter Augustus hob sich der aegyptische Handelsverkehr nicht minder wie mit Indien so mit diesen afrikanischen Haefen. Der Koenig gebot nicht bloss ueber ein Heer, sondern, wie dies schon seine Beziehungen zu Arabien voraussetzen, auch ueber eine Flotte. Den Koenig Zoskales, der in Vespasians Zeit in Axomis regierte, nennt ein griechischer Kaufmann, der in Adulis gewesen war, einen rechtschaffenen und der griechischen Schrift kundigen Mann; einer seiner Nachfolger hat an Ort und Stelle eine in gelaeufigem Griechisch verfasste Denkschrift aufgestellt, die seine Taten den Fremden erzaehlte; er selbst nennt sich in derselben einen Sohn des Ares, welchen Titel die Koenige der Axomiten bis in das vierte Jahrhundert hinab beibehielten, und widmet den Thron, der jene Denkschrift traegt, dem Zeus, dem Ares und dem Poseidon. Schon zu Zoskales’ Zeit nennt jener Fremde Adulis einen wohlgeordneten Handelsplatz; seine Nachfolger noetigten die schweifenden Staemme der arabischen Kueste, zu Lande wie zur See Frieden zu halten, und stellten eine Landverbindung her von ihrer Hauptstadt bis an die roemische Grenze, was bei der Beschaffenheit dieser zunaechst auf Seeverbindung angewiesenen Landschaft nicht gering anzuschlagen ist. Unter Vespasian dienten Messingstuecke, die nach Beduerfnis geteilt wurden, den Eingeborenen statt des Geldes und zirkulierte die roemische Muenze nur bei den Adulis ansaessigen Fremden; in der spaeteren Kaiserzeit haben die Koenige selber gepraegt. Daneben nennt der axomitische Herrscher sich Koenig der Koenige, und keine Spur deutet auf roemische Klientel; er uebt die Praegung in Gold, was die Roemer nicht bloss in ihrem Gebiet, sondern auch in ihrem Machtbereich nicht zuliessen. Es gibt in der Kaiserzeit ausserhalb der roemisch-hellenischen Grenzen kaum ein anderes Land, welches in gleicher Selbstaendigkeit dem hellenischen Wesen bei sich eine Staette bereitet haette wie der Staat von Habesch. Dass im Lauf der Zeit die einheimische oder vielmehr aus Arabien eingebuergerte Volkssprache die Alleinherrschaft zurueckgewann und das Griechische verdraengte, ist wahrscheinlich teils auf arabischen Einfluss zurueckzufuehren, teils auf den des Christentums und die damit zusammenhaengende Wiederbelebung der Volksdialekte, wie wir sie auch in Syrien und in Aegypten fanden, und schliesst nicht aus, dass die griechische Sprache in Axomis und Adulis im 1. und 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung eine aehnliche Stellung gehabt hat wie in Syrien und in Aegypten, soweit es eben gestattet ist, Kleines mit Grossem zu vergleichen.
Von politischen Beziehungen der Roemer zu dem Staat von Axomis wird aus den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, auf welche unsere Erzaehlung sich beschraenkt, kaum etwas gemeldet. Mit dem uebrigen Aegypten nahmen sie auch die Haefen der Ostkueste in Besitz bis hinab zu dem abgelegenen und darum in roemischer Zeit unter einen eigenen Kommandanten gestellten trogodytischen Berenike ^57. An Gebietserweiterung in die unwirtlichen und wertlosen Kuestengebirge hinein ist hier nie gedacht worden; auch kann die duenne und auf der niedrigsten Stufe der Entwicklung stehende Bevoelkerung des naechst angrenzenden Gebiets den Roemern niemals ernsthaft zu schaffen gemacht haben. Ebensowenig haben die Caesaren so, wie es die frueheren Lagiden getan hatten, sich der Emporien der axomitanischen Kueste zu bemaechtigen versucht. Ausdruecklich gemeldet wird nur, dass Gesandte des Axomitenkoenigs mit Kaiser Aurelian verhandelten. Aber eben dieses Stillschweigen sowie die frueher bezeichnete unabhaengige Stellung des Herrschers ^58 fuehren darauf, dass hier die geltenden Grenzen beiderseits dauernd respektiert wurden und ein gutes nachbarliches Verhaeltnis bestand, welches den Interessen des Friedens und vornehmlich dem aegyptischen Handelsverkehr zugute kam. Dass dieser, insbesondere der wichtige Elfenbeinhandel, in welchem Adulis fuer das innere Afrika das hauptsaechliche Entrepot war, ueberwiegend von Aegypten aus und auf aegyptischen Schiffen gefuehrt worden ist, kann bei der ueberlegenen Zivilisation Aegyptens schon fuer die Lagidenzeit keinem Zweifel unterliegen, und auch in roemischer Zeit hat dieser Verkehr sich wohl nur gesteigert, nicht weiter geaendert.
———————————————————– ^57 Dies ist der praefectus praesidiorum et montis Beronices (CIL IX, 3083), praefectus montis Berenicidis (Orelli 3881), praefectus Bernicidis (CIL X, 1129), ein Offizier von Ritterrang, analog den oben angefuehrten, in Alexandreia stationierten.
^58 Auch das Schreiben, das Kaiser Constantius im Jahre 356 an den damaligen Koenig von Axomis, Aeizanas, richtet, ist das eines Herrschers an einen anderen gleichgestellten: er ersucht ihn um freundnachbarlichen Beistand gegen die Ausbreitung der athanasischen Ketzerei und um Absetzung und Auslieferung eines derselben verdaechtigen axomitischen Geistlichen. Die Kulturgemeinschaft tritt hier nur um so bestimmter hervor, als der Christ gegen den Christen den Arm des Heiden anruft.
———————————————————– Bei weitem wichtiger als der Verkehr mit dem afrikanischen Sueden war fuer Aegypten und das Roemische Reich ueberhaupt der Verkehr mit Arabien und den weiter oestlich gelegenen Kuesten. Die arabische Halbinsel ist dem hellenischen Kulturkreise ferngeblieben. Es waere wohl anders gekommen, wenn Koenig Alexander ein Jahr laenger gelebt haette; der Tod raffte ihn weg mitten in den Vorbereitungen, die bereits erkundete arabische Suedkueste vom Persischen Meerbusen aus zu umfahren und zu besetzen. Aber die Fahrt, die der grosse Koenig nicht hatte antreten koennen, hat nach ihm nie ein Grieche unternommen. Seit fernster Zeit hat dagegen zwischen den beiden Kuesten des Arabischen Meerbusens ein lebhafter Verkehr ueber das maessig breite Wasser hinueber stattgefunden. In den aegyptischen Berichten aus der Pharaonenzeit spielen die Seefahrten nach dem Land Punt, die von dort heimgebrachte Beute an Weihrauch, Ebenholz, Smaragden, Leopardenfellen eine bedeutende Rolle. Dass spaeterhin der noerdliche Teil der arabischen Westkueste zu dem Gebiet der Nabataeer gehoerte und mit diesem in die Gewalt der Roemer kam, ist schon angegeben worden. Es war dies ein oedes Gestade ^59; nur das Emporium Leuke Kome, die letzte Stadt der Nabataeer und insofern auch des Roemischen Reiches, stand nicht bloss mit dem gegenueberliegenden Berenike in Seeverkehr, sondern war auch der Ausgangspunkt der nach Petra und von da zu den Haefen des suedlichen Syriens fuehrenden Karawanenstrasse und insofern einer der Knotenpunkte des orientalisch-okzidentalischen Handels. Die suedlich angrenzenden Gebiete, nord- und suedwaerts von dem heutigen Mekka, entsprachen in ihrer Naturbeschaffenheit dem gegenueberliegenden Trogodytenland und sind gleich diesem im Altertum weder politisch noch kommerziell von Bedeutung, auch dem Anschein nach nicht unter einem Szepter geeinigt, sondern von schweifenden Staemmen besetzt gewesen. Aber am Suedende des Busens ist der einzige arabische Stamm zu Hause, welcher in der vorislamischen Zeit zu groesserer Bedeutung gelangt ist. Die Griechen und die Roemer nennen diese Araber in aelterer Zeit nach der damals am meisten hervortretenden Voelkerschaft Sabaeer, in spaeterer nach einer anderen gewoehnlich Homeriten, wir nach der neu-arabischen Form des letzteren Namens jetzt meistens Himjariten. Die Entwicklung dieses merkwuerdigen Volkes hatte lange vor dem Beginn der roemischen Herrschaft ueber Aegypten eine bedeutende Stufe erreicht ^60. Seine Heimstatt, das “glueckliche Arabien” der Alten, die Gegend von Mocha und Aden, ist von einer schmalen, gluehend heissen und oeden Strandebene umsaeumt, aber das gesunde und temperierte Innere von Jemen und Hadramaut erzeugt an den Gebirgshaengen und in den Taelern eine ueppige Vegetation, und die zahlreichen Bergwaesser gestatten bei sorgfaeltiger Wirtschaft vielfach eine gartenartige Kultur. Von der reichen und eigenartigen Zivilisation dieser Landschaft geben noch heute ein redendes Zeugnis die Reste von Stadtmauern und Tuermen, von Nutz- , namentlich Wasserbauten und mit Inschriften bedeckten Tempeln, welche die Schilderung der alten Schriftsteller von der Pracht und dem Luxus dieser Landschaft vollkommen bestaetigen; ueber die Burgen und Schloesser der zahlreichen Kleinfuersten Jemens haben die arabischen Geographen Buecher geschrieben. Beruehmt sind die Truemmer des maechtigen Dammes, welcher einst in dem Tal bei Mariaba den Danafluss staute und es moeglich machte, die Fluren aufwaerts zu bewaessern ^61, und von dessen Durchbruch und der dadurch angeblich veranlassten Auswanderung der Bewohner von Jemen nach Norden die Araber lange Zeit ihre Jahre gezaehlt haben. Vor allem aber ist dieser Bezirk einer der Ursitze des Grosshandels zu Lande wie zur See, nicht bloss weil seine Produkte, der Weihrauch, die Edelsteine, das Gummi, die Kassia, Aloe, Senna, Myrrhe und zahlreiche andere Drogen den Export hervorrufen, sondern auch weil dieser semitische Stamm, aehnlich wie der der Phoeniker, seiner ganzen Art nach fuer den Handel geschaffen ist; eben wie die neueren Reisenden sagt auch Strabon, dass die Araber alle Haendler und Kaufleute sind. Die Silberpraegung ist hier alt und eigenartig; die Muenzen sind anfaenglich athenischen Stempeln, spaeter roemischen des Augustus nachgepraegt, aber auf einen selbstaendigen, wahrscheinlich babylonischen Fuss ^62. Aus dem Land dieser Araber fuehrten die uralten Weihrauchstrassen quer durch die Wueste nach den Stapelplaetzen am Arabischen Meerbusen Aelana und dem schon genannten Leuke Kome und den Emporien Syriens, Petra und Gaza ^63; diese Wege des Landhandels, welche neben denen des Euphrat und des Nil den Verkehr zwischen Orient und Okzident seit aeltester Zeit vermitteln, sind vermutlich die eigentliche Grundlage des Aufbluehens von Jemen. Aber der Seeverkehr gesellte ebenfalls bald sich dazu; der grosse Stapelplatz dafuer ward Adane, das heutige Aden. Von hier aus gingen die Waren zu Wasser, sicher ueberwiegend auf arabischen Schiffen, entweder nach eben jenen Stapelplaetzen am Arabischen Meerbusen und also nach den syrischen Haefen oder nach Berenike und Myos Hormos und von da nach Koptos und Alexandreia. Dass dieselben Araber ebenfalls in sehr frueher Zeit sich der gegenueberliegenden Kueste bemaechtigten und ihre Sprache und Schrift und ihre Zivilisation nach Habesch verpflanzten, wurde schon gesagt. Wenn Koptos, das Nil-Emporium fuer den oestlichen Handel, ebenso viel Araber wie Aegypter zu Bewohnern hatte, wenn sogar die Smaragdgruben oberhalb Berenike (bei Djebel Zebara) von den Arabern ausgebeutet wurden, so zeigt dies, dass sie im Lagidenstaat selbst den Handel bis zu einem gewissen Grad in der Hand hatten; und dessen passives Verhalten in Betreff des Verkehrs auf dem Arabischen Meer, wohin hoechstens einmal ein Zug gegen die Piraten unternommen wurde ^64, wird eher begreiflich, wenn ein seemaechtiger und geordneter Staat diese Gewaesser beherrschte. Auch ausserhalb ihres eigenen Meeres begegnen wir den Arabern des Jemen. Adane blieb bis in die roemische Kaiserzeit hinein Stapelplatz des Verkehrs einerseits mit Indien, andererseits mit Aegypten und gedieh trotz seiner eigenen unguenstigen Lage an dem baumlosen Strand zu solcher Bluete, dass die Benennung des “gluecklichen Arabien” zunaechst auf diese Stadt sich bezieht. Die Herrschaft, die in unseren Tagen der Imam von Maskat im Suedosten der Halbinsel ueber die Inseln Sokotra und Sansibar und die afrikanische Ostkueste vom Kap Guardafui suedlich ausgeuebt hat, stand in vespasianischer Zeit “von alters her” den Fuersten Arabiens zu: die Dioskorides-Insel, eben jenes Sokotra, gehorchte damals dem Koenig von Hadramaut, Azania, das heisst die Kueste Somal und weiter suedlich einem der Unterkoenige seines westlichen Nachbarn, des Koenigs der Homeriten. Die suedlichste Station an der ostafrikanischen Kueste, von welcher die aegyptischen Kaufleute wussten, Rhapta in der Gegend von Sansibar, pachteten von diesem Scheich die Kaufleute von Muza, das ist ungefaehr das heutige Mocha, “und senden dorthin ihre Handelsschiffe, meistens bemannt mit arabischen Kapitaenen und Matrosen, welche mit den Eingeborenen zu verkehren gewohnt und oft durch Heirat verknuepft und der Oertlichkeiten und der Landessprachen kundig sind”. Die Bodenkultur und die Industrie reichten dem Handel die Hand: in den vornehmen Haeusern Indiens trank man neben dem italischen Falerner und dem syrischen Laodikener auch arabischen Wein; und die Lanzen und die Schusterpfriemen, welche die Eingeborenen der Kueste von Sansibar von den fremden Haendlern kauften, waren Fabrikat von Muza. So ward diese Landschaft, die zudem viel verkaufte und wenig kaufte, eine der reichsten der Welt. —————————————————– ^59 Landeinwaerts liegt das uralte Teima, der Sohn Ismaels der Genesis, von dem assyrischen Koenig Tiglatpilesar im achten Jahrhundert vor Chr. unter seinen Eroberungen aufgezaehlt, von dem Propheten Jeremias zusammen mit Sidon genannt, ein merkwuerdiger Knotenpunkt assyrischer, aegyptischer, arabischer Beziehungen, dessen weitere Entfaltung, nachdem kuehne Reisende ihn erschlossen haben, wir von der orientalischen Forschung erwarten duerfen. In Teima selbst fand kuerzlich Euting aramaeische Inschriften aeltester Epoche (Noeldeke, SB Berlin 1884, S. 813 f.) Aus dem nicht weit entfernten Orte Medain-Salih (Hidjr) stammen gewisse, den attischen nachgepraegte Muenzen, welche zum Teil die Eule der Pallas durch dasjenige Goetterbild ersetzen, das die Aegypter bezeichnen als Besa, den Herrn von Punt, das heisst von Arabien (Erman, Zeitschrift fuer Numismatik 9, 1880, S. 296f.). Der ebendaselbst gefundenen nabataeischen Inschriften wurde schon gedacht Nicht weit von da bei ‘Ola (el-Ally) haben sich Inschriften gefunden, die in der Schrift und in den Goetter- und Koenigsnamen denen der suedarabischen Minaeer entsprechen und zeigen, dass diese hier, sechzig Tagereisen von ihrer Heimat, aber auf der von Eratosthenes erwaehnten Weihrauchstrasse von Minaea nach Aelana, eine bedeutende Station gehabt haben; daneben andere eines verwandten, aber nicht identischen suedarabischen Stammes (D. H. Mueller in den Berichten der Wiener Akademie vom 17. Dezember 1884). Die minaeischen Inschriften gehoeren ohne Zweifel der vorroemischen Zeit an. Da bei der Einziehung des nabataeischen Koenigreichs durch Traian diese Landstriche aufgegeben wurden, so mag von da an ein anderer suedarabischer Stamm dort geherrscht haben.
^60 Die an den Weihrauchhandel anknuepfenden Nachrichten bei Theophrastos (+ 287 vor Chr.; hist. plant. 9, 4) und vollstaendiger bei Eratosthenes (t 194 vor Chr.; bei Strabon 16, 4, 2 p. 768) von den vier grossen Voelkerschaften der Minaeer (Mamali Theophr.?) mit der Hauptstadt Karna; der Sabaeer (Saba Theophr.) mit der Hauptstadt Mariaba; der Kattabanen (Kitibaena Theophr.) mit der Hauptstadt Tamna; der Chatramotiten (Hadramyta Theophr.) mit der Hauptstadt Sabata umschreiben eben den Kreis, aus dem das Homeritenreich sich entwickelt hat, und bezeichnen seine Anfaenge. Die viel gesuchten Minaeer sind jetzt mit Sicherheit nachgewiesen in Ma’in im Binnenland oberhalb Marib und Hadramaut, wo Hunderte von Inschriften sich gefunden und schon nicht weniger als 26 Koenigsnamen ergeben haben. Mariaba heisst heute noch Marib. Die Landschaft Chatramotitis oder Chatramitis ist Hadramaut. ^61 Die merkwuerdigen Reste dieses mit groesster Praezision und Geschicklichkeit ausgefuehrten Bauwerks sind beschrieben von Arnaud (Journal Asiatique, 7. serie, tome 3 a. 1874, S. 3 f. mit Plaenen; vgl. Ritter, Erdkunde, Bd. 12, S. 861). Zu beiden Seiten des jetzt fast ganz verschwundenen Dammes stehen je zwei aus Quadern aufgefuehrte Steinbauten von konischer, fast zylindrischer Form, zwischen denen eine schmale Oeffnung fuer das aus dem Bassin ausfliessende Wasser sich befindet; wenigstens auf der einen Seite fuehrt ein mit Kieseln ausgelegter Kanal dasselbe an diese Pforte. Dieselbe war einstmals mit uebereinander gesetzten Bohlen geschlossen, welche einzeln entfernt werden konnten, um das Wasser nach Beduerfnis abzufuehren. Der eine dieser Steinzylinder traegt die folgende Inschrift (nach der allerdings nicht in allen Einzelheiten gesicherten Uebersetzung von D. H. Mueller, SB Wien 97, 1880, S. 965): “Jata’amar der Herrliche, Sohn des Samah’ali des Erhabenen, Fuerst von Saba, liess den Balap[berg] durchstechen [und errichtete] den Schleusenbau, genannt Rahab, zur leichteren Bewaesserung.” Fuer die chronologische Fixierung dieses und zahlreicher anderer Koenigsnamen der sabaeischen Inschriften fehlt es an sicheren Anhaltspunkten. Der assyrische Koenig Sargon sagt in der Khorsabad- Inschrift, nachdem er die Ueberwindung des Koenigs von Gaza, Hanno, im Jahre 716 vor Chr. erzaehlt hat: “ich empfing den Tribut des Pharao, des Koenigs von Aegypten, der Schamsijja, der Koenigin von Arabien, und des Ithamara, des Sabaeers: Gold, Kraeuter des Ostlandes, Sklaven, Pferde und Kamele” (Mueller, a. a. O., S. 988; M. Duncker, Geschichte des Altertums. 5. Aufl. Berlin 1878-83. Bd. 2, S. 327.
^62 Sallet in der Berliner Zeitschrift fuer Numismatik 8, 1881, S. 243. J. H. Mordtmann in der Wiener numismatischen Zeitschrift 12, S. 289. ^63 Plinius (nat. 12, 14, 65) berechnet die Kosten einer Kamellast Weihrauch auf dem Landweg von der arabischen Kueste bis nach Gaza auf 688 Denare (= 600 Mark). “Auf der ganzen Strecke”, sagt er, “ist zu zahlen fuer Futter und Wasser und Unterkunft und fuer verschiedene Zoelle; dann fordern die Priester gewisse Anteile und die Schreiber der Koenige; ausserdem erpressen die Wachen und die Trabanten und die Leibwaechter und Diener; dazu kommen dann unsere Reichszoelle.” Bei dem Wassertransport fielen diese Zwischenkosten weg. ^64 Die Zuechtigung der Piraten berichtet Agatharchides bei Diod. 3, 43 und Strab. 16, 4, 18 p. 777. Ezion Geber aber in Palaestina am aelanitischen Meerbusen, /e/ n?n Berenik/e/ kaleitai (Ios. ant. Iud. 8, 6, 4), heisst sicher so nicht von einer Aegypterin (J. G. Droysen, Geschichte des Hellenismus, Bd. 3, 2, S. 349), sondern von der Juedin des Tims. —————————————————– Wie weit die politische Entwicklung derselben mit der wirtschaftlichen Schritt gehalten hatte, laesst sich fuer die vorroemische und die fruehere Kaiserzeit nicht bestimmen; nur so viel scheint sowohl aus den Berichten der Okzidentalen wie aus den einheimischen Inschriften sich zu ergeben, dass diese Suedwestspitze Arabiens unter mehrere selbstaendige Herrscher mit Gebieten von maessiger Groesse geteilt war. Es standen dort neben den am meisten hervortretenden Sabaeern und Homeriten die schon genannten Chatramotiten in Hadramaut und noerdlich im Binnenland die Minaeer, alle unter eigenen Fuersten. Den Arabern Jemens gegenueber haben die Roemer die gerade entgegengesetzte Politik befolgt wie gegenueber den Axomiten. Augustus, fuer den die Nichterweiterung der Grenzen der Ausgangspunkt des Reichsregiments war, und der die Eroberungsplaene seines Vaters und Meisters beinahe alle fallenliess, hat eine Ausnahme mit der arabischen Suedwestkueste gemacht und ist hier nach freiem Entschluss angreifend vorgegangen. Es geschah dies wegen der Stellung, welche diese Voelkergruppe in dem indisch-aegyptischen Handelsverkehr damals einnahm. Um die politisch und finanziell wichtigste Landschaft seines Herrschaftsgebiets wirtschaftlich auf die Hoehe zu bringen, welche seine Vorherrschen herzustellen versaeumt hatten oder hatten verfallen lassen, bedurfte er vor allem der Gewinnung des Zwischenverkehrs zwischen Arabien und Indien einer- und Europa andererseits. Der Nilweg konkurrierte seit langem erfolgreich mit den arabischen und den Euphratstrassen; aber Aegypten spielte dabei, wie wir sahen, wenigstens unter den spaeteren Lagiden eine untergeordnete Rolle. Nicht mit den Axomiten, aber wohl mit den Arabern bestand Handelskonkurrenz; sollte der aegyptische Verkehr aus einem passiven ein aktiver, aus einem indirekten ein direkter werden, so mussten die Araber niedergeworfen werden; und dies ist es, was Augustus gewollt und das roemische Regiment einigermassen auch erreicht hat. Im sechsten Jahre seiner Regierung in Aegypten (Ende 729 25) entsandte Augustus eine eigens fuer diese Expedition hergestellte Flotte von 80 Kriegs- und 130 Transportschiffen und die Haelfte der aegyptischen Armee, ein Korps von 10000 Mann, ungerechnet die Zuzuege der beiden naechsten Klientelkoenige, des Nabataeers Obodas und des Juden Herodes, gegen die Staaten der Jemen, um dieselben entweder zu unterwerfen oder wenigstens zugrunde zu richten ^65, woneben die dort aufgehaeuften Schaetze sicher auch in Rechnung kamen. Aber das Unternehmen schlug vollstaendig fehl, und zwar durch die Unfaehigkeit des Fuehrers, des damaligen Statthalters von Aegypten, Gaius Aelius Gallus ^66. Da auf die Besetzung und den Besitz der oeden Kueste von Leuke Kome abwaerts bis an die Grenze des feindlichen Gebiets gar nichts ankam, so musste die Expedition unmittelbar gegen dieses gerichtet und aus dem suedlichsten aegyptischen Hafen die Armee sofort in das glueckliche Arabien gefuehrt werden ^67. Stattdessen wurde die Flotte in dem noerdlichsten, dem von Arsinoe (Suez) fertiggestellt und das Heer in Leuke Kome ans Land gesetzt, gleich als waere es darauf angekommen, die Fahrt der Flotte und den Marsch der Truppen moeglichst zu verlaengern. Ueberdies waren die Kriegsschiffe ueberfluessig, da die Araber keine Kriegsflotte besassen, die roemischen Seeleute mit der Fahrt an der arabischen Kueste unbekannt und die Fahrzeuge, obwohl besonders fuer diese Expedition gebaut, fuer ihre Bestimmung ungeeignet. Die Piloten fanden sich nicht zurecht zwischen den Untiefen und Klippen, und schon die Fahrt auf den roemischen Gewaessern von Arsinoe nach Leuke Kome kostete viele Schiffe und Leute. Hier wurde ueberwintert; im Fruehjahr 730 (24) begann der Zug in Feindesland. Die Araber hinderten ihn nicht, aber wohl Arabien. Wo einmal die Doppelaexte und die Schleudern und Bogen mit dem Pilum und dem Schwert zusammenstiessen, stoben die Eingeborenen auseinander wie die Spreu vor dem Winde; aber die Krankheiten, die im Lande endemisch sind, der Skorbut, der Aussatz, die Gliederlaehmung dezimierten die Soldaten aerger als die blutigste Schlacht, und um so mehr, als der Feldherr es nicht verstand, die schwerfaellige Heermasse rasch vorwaerts zu bringen. Dennoch gelangte die roemische Armee bis vor die Mauern der Hauptstadt der zunaechst von dem Angriff betroffenen Sabaeer, Mariaba. Aber da die Einwohner die Tore ihrer maechtigen, heute noch stehenden Mauern ^68 schlossen und energische Gegenwehr leisteten, verzweifelte der roemische Feldherr an der Loesung der ihm gestellten Aufgabe und trat, nachdem er sechs Tage vor der Stadt gelegen hatte, den Rueckzug an, den die Araber kaum ernstlich stoerten und der im Drang der Not, freilich unter schlimmer Einbusse an Mannschaften, verhaeltnismaessig schnell gelang.
—————————————————————- ^65 Dies (prosoikeio?sthai to?toys – to?s Arabas – /e/ katastrephesthai: Strab. 16, 4, 22 p. 780; ei m/e/ o Syllaios ayton – ton Gallon – proydidoy, kan katestrepsato t/e/n Eydaimona pasan: ders. 17, 1, 53 p. 819) war der eigentliche Zweck der Expedition, obwohl auch die Hoffnung auf die fuer das Aerarium eben damals sehr willkommene Beute ausdruecklich erwaehnt wird. ^66 Der Bericht Strabons (16, 4, 22 f. p. 780) ueber die arabische Expedition seines “Freundes” Gallus (philos amin kai etairos Strab. 2, 5, 12 p. 118), in dessen Gefolge er Aegypten bereiste, ist zwar zuverlaessig und ehrlich wie alle seine Meldungen, aber augenscheinlich von diesem Freunde ohne jede Kritik uebernommen. Die Schlacht, in der 10000 Feinde und zwei Roemer fielen, und die Gesamtzahl der in diesem Feldzug Gefallenen, welche sieben ist, richten sich selbst; aber nicht besser ist der Versuch, den Misserfolg auf den nabataeischen Wesir Syllaeos abzuwaelzen durch einen “Verrat”, wie er geschlagenen Generalen gelaeufig ist. Allerdings eignete sich dieser insofern zum Suendenbock, als er einige Jahre nachher auf Betreiben des Herodes von Augustus in Untersuchung gezogen und verurteilt und hingerichtet ward (Ios. ant. Iud. 16, 10); aber obwohl wir den Bericht des Agenten besitzen, der diese Sache fuer Herodes in Rom gefuehrt hat, ist darin von diesem Verrat kein Wort zu finden. Dass Syllaeos die Absicht gehabt haben soll, erst die Araber durch die Roemer und dann diese selbst zugrunde zu richten, wie Strabo “meint”, ist bei der Stellung der Klientelstaaten Roms geradezu unvernuenftig. Eher liesse sich denken, dass Syllaeos der Expedition deshalb abgeneigt war, weil der Handelsverkehr durch das Nabataeerland durch sie beeintraechtigt werden konnte. Aber den arabischen Minister deswegen des Verrats zu beschuldigen, weil die roemischen Fahrzeuge fuer die arabische Kuestenfahrt ungeeignet waren oder weil das roemische Heer genoetigt war, das Wasser auf Kamelen mitzufuehren, Durra und Datteln statt Brot und Fleisch, Butter statt oel zu essen; als Entschuldigung dafuer, dass auf die bei dem Rueckmarsch in 60 Tagen zurueckgelegte Strecke fuer den Hinmarsch 180 verwendet wurden, die betruegerische Wegweisung vorzufuehren; endlich die vollkommen richtige Bemerkung des Syllaeos, dass ein Landmarsch von Arsinoe nach Leuke Kome untunlich sei, damit zu kritisieren, dass von da nach Petra eine Karawanenstrasse gehe, zeigt nur, was ein vornehmer Roemer einem griechischen Literaten aufzubinden vermochte. ^67 Die schaerfste Kritik des Feldzugs gibt die Auseinandersetzung des aegyptischen Kaufmanns ueber die Zustaende auf der arabischen Kueste von Leuke Kome (el-Haura, noerdlich von Janbo, der Hafenstadt von Medina) bis zur Katakekaumene-Insel (Djebel Tair bei Lohaia). “Verschiedene Voelker bewohnen sie, die teils etwas, teils voellig verschiedene Sprachen reden. Die Bewohner der Kueste leben in Huerden wie die ‘Fischesser’ auf dem entgegengesetzten Ufer” (diese Huerden beschreibt er c. 2 als vereinzelt liegend und in die Felsspalten, eingebaut), “die des Binnenlandes in Doerfern und Weidegemeinschaften; es sind boesartige zwiesprachige Menschen, welche die aus der Fahrstrasse verschlagenen Seefahrer pluendern und die Schiffbruechigen in die Sklaverei schleppen. Deshalb wird von den Unter- und den Oberkoenigen Arabiens bestaendig auf sie Jagd gemacht; sie heissen Kanraiten (oder Kassaviten). ueberhaupt ist die Schiffahrt an dieser ganzen Kueste gefaehrlich, der Strand hafenlos und unzugaenglich, von boeser Brandung, klippig und ueberhaupt sehr schlimm. Darum halten wir, wenn wir in diese Gewaesser einfahren, uns in der Mitte und eilen, in das arabische Gebiet zu kommen zur Insel Katakekaumene; von da an sind die Bewohner gastlich und begegnen zahlreiche Herden von Schafen und Kamelen.” Dieselbe Gegend zwischen der roemischen und der homeritischen Grenze und dieselben Zustaende hat auch der axomitische Koenig im Sinn, wenn er schreibt: peran de t/e/s erythras thalass/e/s oiko?ntas Arrabitas kai Kinaidokolpitas (vgl. Ptol. geogr. 6, 7, 20), srateyma naytikon kai pezikon diapempsamenos kai ypotaxas ayt/o/n to?s basileias, phoroys t/e/s g/e/s telein ekelysa kai ode?esthai met’ eir/e/n/e/s kai pleesthai, apo te Deyk/e/s k/o/m/e/s e/o/s t/o/n Sabai/o/n ch/o/ras epolem/e/sa.
^68 Diese Mauern, von Bruchstein erbaut, bilden einen Kreis von einer Viertelstunde im Durchmesser. Sie sind beschrieben von Arnaud, a. a. O. (vgl. Anm. 61).
—————————————————————- Es war ein uebler Misserfolg; aber Augustus gab die Eroberung Arabiens nicht auf. Es ist schon erzaehlt worden, dass die Orientfahrt, die der Kronprinz Gaius im Jahre 753 antrat, in Arabien endigen sollte; es war diesmal im Plan, nach der Unterwerfung Armeniens im Einverstaendnis mit der parthischen Regierung, oder noetigenfalls nach Niederwerfung ihrer Armeen, an die Euphratmuendung zu gelangen und von da aus den Seeweg, den einst der Admiral Nearchos fuer Alexander erkundet hatte, nach dem gluecklichen Arabien zu nehmen ^69. In anderer, aber nicht minder ungluecklicher Weise endigten diese Hoffnungen durch den parthischen Pfeil, der den Kronprinzen vor den Mauern von Artageira traf. Mit ihm ward der arabische Eroberungsplan fuer alle Zukunft begraben. Die grosse Halbinsel ist in der ganzen Kaiserzeit, abgesehen von dem noerdlichen und nordwestlichen Kuestenstriche, in derjenigen Freiheit verblieben, aus welcher seinerzeit der Henker des Hellenentums, der Islam hervorgehen sollte.
——————————————- ^69 Dass die orientalische Expedition des Gaius zum Endziel Arabien hatte, sagt Plinius (namentlich nat. 12, 14, 55, 56; vgl. 2, 67, 168; 6, 27, 141; c. 28, 160; 32, 1, 10) ausdruecklich. Dass sie von der Euphratmuendung ausgehen sollte, folgt daraus, dass die Expedition nach Armenien und Verhandlungen mit der parthischen Regierung ihr vorausgingen. Darum lagen auch den Kollektaneen Jubas ueber die bevorstehende Expedition die Berichte der Feldherren Alexanders ueber ihre Erkundung Arabiens zu Grunde. ——————————————- Aber gebrochen ward der arabische Handel allerdings, teils durch die weiterhin zu eroerternden Massregeln der roemischen Regierung zum Schutz der aegyptischen Schiffahrt, teils durch einen gegen den Hauptstapelplatz des indisch-arabischen Verkehrs von den Roemern gefuehrten Schlag. Sei es unter Augustus selbst, moeglicherweise bei den Vorbereitungen zu der von Gaius auszufuehrenden Invasion, sei es unter einem seiner naechsten Nachfolger, es erschien eine roemische Flotte vor Adane und zerstoerte den Platz; in Vespasians Zeit war er ein Dorf und seine Bluete vorueber. Wir kennen nur die nackte Tatsache ^70, aber sie spricht fuer sich selber. Ein Seitenstueck zu der Zerstoerung Korinths und Karthagos durch die Republik, hat sie wie diese ihren Zweck erreicht und dem roemisch-aegyptischen Handel die Suprematie im Arabischen Meerbusen und im Indischen Meere gesichert. ——————————————- ^70 Die einzige Kunde von dieser merkwuerdigen Expedition hat der aegyptische Kapitaen aufbewahrt der um das Jahr 75 die Fahrt an den Kuesten des Roten Meeres beschrieben hat. Er kennt (c. 26) das Adane der Spaeteren, das heutige Aden, als ein Dorf an der Kueste (k/o/m/e/ parathalassios), das zum Reiche des Koenigs der Homeriten Charibael gehoert, aber frueher eine bluehende Stadt war und davon heisst (eydaim/o/n d’ epekl/e/th/e/ proteron o?sa polis), weil vor der Einrichtung des unmittelbaren indisch-aegyptischen Verkehrs dieser Ort als Stapelplatz diente: n?n de oy pro pollo? t/o/n /e/meter/o/n chron/o/n Kaisar ayt/e/n katestrepsato. Das letzte Wort kann hier nur “zerstoeren” heissen, nicht, wie haeufiger, “unterwerfen”, weil die Umwandlung der Stadt in ein Dorf motiviert werden soll. Fuer Kaisar hat Schwanbeck (Rheinisches Museum N. F. 7, 1848, S. 353) CHariba/e/l, C. Moeller Ilasar (wegen Strab. 16, 4, 21 p. 782) vorgeschlagen; beides ist nicht moeglich, dieses nicht, weil dieser arabische Dynast in einem weit entlegenen Distrikt herrschte, auch unmoeglich als bekannt vorausgesetzt werden konnte, jenes nicht, weil Charibael Zeitgenosse des Schreibers war und hier ein vor der Zeit desselben vorgefallenes Ereignis berichtet wird. An der Ueberlieferung wird man nicht Anstoss nehmen, wenn man ueberlegt, welches Interesse die Roemer daran haben mussten, den arabischen Stapelplatz zwischen Indien und Aegypten zu beseitigen und den direkten Verkehr herbeizufuehren. Dass die roemischen Berichte von diesem Vorgang schweigen, ist ihrem Wesen angemessen; die Expedition, welche ohne Zweifel durch eine aegyptische Flotte ausgefuehrt ward und lediglich in der Zerstoerung eines vermutlich wehrlosen Kuestenplatzes bestand, wird vermutlich von keinem Belang gewesen sein; um den grossen Handelsverkehr haben die Annalisten sich nie gekuemmert, und ueberhaupt sind die Vorgaenge in Aegypten noch weniger als die in den andern kaiserlichen Provinzen zur Kenntnis des Senats und damit der Annalisten gekommen. Die nackte Bezeichnung Kaisar, wobei nach Lage der Sache der damals regierende ausgeschlossen ist, erklaert sich wohl daraus, dass der berichtende Kapitaen wohl die Tatsache der Zerstoerung durch die Roemer, aber Zeit und Urheber nicht kannte.
Moeglich ist es, dass hierauf die Notiz bei Plinius (nat. 2, 67, 168) zu beziehen ist: maiorem (oceana) partem et orientis victoriae magni Alexandri lustravere usque in Arabicum sinum, in quo res gerente C. Caesare Aug. f. signa navium ex Hispaniensibus naufragiis feruntur agnita. Gaius kam nicht nach Arabien (Plin. nat. 6, 28, 160); aber recht wohl kann waehrend der armenischen Expedition von Aegypten aus ein roemisches Geschwader von einem seiner Unterbefehlshaber an diese Kueste gefuehrt worden sein, um die Hauptexpedition vorzubereiten. Dass darueber sonst Stillschweigen herrscht, kann auch nicht befremden. Die arabische Expedition des Gaius war so feierlich angekuendigt und dann in so uebler Weise aufgegeben worden, dass loyale Berichterstatter alle Ursache hatten, eine Tatsache zu verwischen, die nicht wohl erwaehnt werden konnte, ohne auch das Scheitern des groesseren Planes zu berichten. ——————————————- Indes die Bluete des gesegneten Landes von Jemen war zu fest begruendet, um diesem Schlag zu erliegen; politisch hat es sogar vielleicht erst in dieser Epoche sich straffer zusammengefasst. Mariaba war, als die Waffen des Gallus an seinen Mauern scheiterten, vielleicht nicht mehr als die Hauptstadt der Sabaeer; aber schon damals war die Voelkerschaft der Homeriten, deren Hauptstadt Sapphar etwas suedlich von Mariaba auch im Binnenland liegt, die staerkste des gluecklichen Arabiens. Ein Jahrhundert spaeter finden wir beide vereinigt unter einem in Sapphar regierenden Koenig der Homeriten und der Sabaeer, dessen Herrschaft bis Mocha und Aden und, wie schon gesagt ward, ueber die Insel Sokotra und die Kueste von Somal und Sansibar sich erstreckt; und wenigstens von dieser Zeit an kann von einem Reich der Homeriten die Rede sein. Die Wuestenei noerdlich von Mariaba bis zur roemischen Grenze gehoerte damals nicht dazu und stand ueberhaupt unter keiner geordneten Gewalt ^71; die Fuerstentuemer der Minaeer und der Chatramotiten blieben auch ferner unter eigenen Landesherren. Die oestliche Haelfte Arabiens hat bestaendig einen Teil des Persischen Reiches gebildet und niemals unter dem Szepter der Beherrscher des gluecklichen Arabien gestanden. Auch jetzt also waren die Grenzen enge und sind es wohl geblieben; es ist wenig ueber die weitere Entwicklung der Verhaeltnisse bekannt ^72. In der Mitte des 4. Jahrhunderts war das Reich der Homeriten mit dem der Axomiten vereinigt und wurde von Axomis aus beherrscht ^73, welche Untertaenigkeit indes spaeterhin sich wieder geloest hat. Sowohl das Reich der Homeriten wie das vereinigte axomitisch-homeritische stand als unabhaengiger Staat in der spaeteren Kaiserzeit mit Rom in Verkehr und Vertrag. ——————————————————– ^71 Der aegyptische Kaufmann unterscheidet den enthesmos basile?s der Homeriten (c. 23) scharf von den t?rannoi, den bald unter ihm stehenden, bald unabhaengigen (c. 14) Stammhaeuptern, und ebenso scharf diese geordneten Zustaende von der Rechtlosigkeit der Wuestenbewohner (c. 2). Wenn Strabon und Tacitus fuer diese Dinge so offene Augen gehabt haetten wie jener praktische Mann, so wuessten wir etwas mehr vom Altertum. ^72 Der Krieg des Macrinus gegen die Arabes eudaemones (vita 12) und die an Aurelian geschickten Boten derselben (vita 33), die neben denen der Axomiten genannt werden, wuerden deren damals fortdauernde Selbstaendigkeit beweisen, wenn auf diese Angaben Verlass waere.
^73 Der Koenig nennt sich um das Jahr 356 (Anm. 58) in einer Urkunde (CIG 5128) basile?s Ax/o/mit/o/n kai Om/e/rit/o/n kai to? Raeidan (Schloss in Sapphar, der Hauptstadt der Homeriten: Dillmann, Abhandlungen der Berliner Akademie, 1878, S. 207) . . . kai Sabaeit/o/n kai to? Sile/e/ (Schloss in Mariaba, der Hauptstadt der Sabaeer: Dillmann a. a. O.). Dazu stimmt die gleichzeitige Sendung von Gesandten ad gentem Axumitarum et Homerita[rum] (Cod. Theod. 12, 12, 2). Ueber die spaeteren Verhaeltnisse vgl. besonders Nonnosus (FEIG 4 p. 179 Mueller) und Prok. Pers. 1, 20. ——————————————————– In dem Handel und der Schiffahrt haben die Araber des Suedwestens der Halbinsel auch spaeter noch, wenn nicht mehr den Platz der Vormacht, doch die ganze Kaiserzeit hindurch eine hervorragende Stelle eingenommen. Nach der Zerstoerung von Adane ist Muza die Handelsmetropole dieser Landschaft geworden. Noch fuer die vespasianische Zeit trifft die frueher gegebene Darstellung im wesentlichen zu. Der Ort wird uns in dieser Zeit geschildert als ausschliesslich arabisch, bewohnt von Reedern und Seeleuten und voll ruehrigen kaufmaennischen Treibens; mit ihren eigenen Schiffen befahren die Muzaiten die ganze afrikanische Ost- und die indische Westkueste und verfrachten nicht bloss die Waren des eigenen Landes, sondern bringen auch die nach orientalischem Geschmack in den Fabriken des Okzidents gefertigten Purpurstoffe und Goldstickereien und die feinen Weine Syriens und Italiens den Orientalen, hinwiederum den Westlaendern die edlen Waren des Ostens. In dem Weihrauch und den sonstigen Aromen muessen Muza und das Emporium des benachbarten Reiches von Hadramaut, Kane, oestlich von Aden, eine Art tatsaechlichen Monopols immer behalten haben; erzeugt wurde diese im Altertum sehr viel mehr als heute gebrauchte Ware wie auf der suedlichen arabischen, so auch auf der afrikanischen Kueste von Adulis bis zum “Vorgebirge der Arome”, dem Kap Guardafui, aber von hier holten sie die Kaufleute von Muza, und sie brachten sie in den Welthandel. Auf der schon erwaehnten Dioskorides-Insel war eine gemeinschaftliche Handelsniederlassung der drei grossen seefahrenden Nationen dieser Meere, der Hellenen, das heisst der Aegypter, der Araber und der Inder. Von Beziehungen aber zum Hellenismus, wie wir sie auf der gegenueberliegenden Kueste bei den Axomiten fanden, begegnet im Lande Jemen keine Spur; wenn die Muenzpraegung durch okzidentalische Stempel bestimmt ist, so waren diese eben im ganzen Orient gangbar. Sonst haben sich Schrift und Sprache und Kunstuebung, soweit wir zu urteilen vermoegen, hier ebenso selbstaendig entwickelt wie Handel und Schiffahrt, und sicher ist es dadurch mit bewirkt worden, dass die Axomiten, waehrend sie politisch die Homeriten sich unterwarfen, spaeter aus der hellenischen Bahn in die arabische zuruecklenkten.
In dem gleichen Sinn wie fuer die Beziehungen zu dem suedlichen Afrika und zu den arabischen Staaten und in erfreulicherer Weise ist in Aegypten selbst fuer die Wege des Handelsverkehrs zunaechst von Augustus und ohne Zweifel von allen verstaendigen Regenten gesorgt worden. Das von den frueheren Ptolemaeern auf den Spuren der Pharaonen eingerichtete Strassen- und Hafensystem war, wie die gesamte Verwaltung, in den Wirren der letzten Lagidenzeit arg heruntergekommen. Es wird nicht ausdruecklich gemeldet, dass Augustus die Land- und die Wasserwege und die Haefen Aegyptens wieder instand gesetzt hat; aber dass es geschehen, ist darum nicht minder gewiss. Koptos ist die ganze Kaiserzeit hindurch der Knotenpunkt dieses Verkehrs geblieben ^74. Aus einer kuerzlich aufgefundenen Urkunde hat sich ergeben, dass in der ersten Kaiserzeit die beiden von danach den Haefen von Myos Hormos und von Berenike fuehrenden Strassen durch die roemischen Soldaten repariert und an den geeigneten Stellen mit den erforderlichen Zisternen versehen worden sind ^75. Der Kanal, der das Rote Meer mit dem Nil und also mit dem Mittellaendischen Meer verband, ist auch in roemischer Zeit nur in zweiter Reihe, hauptsaechlich vielleicht fuer den Transport der Marmor- und Porphyrbloecke von der aegyptischen Ostkueste an das Mittelmeer benutzt worden; aber fahrbar blieb er durch die ganze Kaiserzeit. Kaiser Traianus hat ihn erneuert und wohl auch erweitert – vielleicht ist er es gewesen, der ihn mit dem noch ungeteilten Nil bei Babylon (unweit Kairo) in Verbindung gesetzt und dadurch seine Wassermenge verstaerkt hat – und ihm den Namen des Traianus- oder des Kaiserflusses (Augustus amnis) beigelegt, von welchem in spaeterer Zeit dieser Teil Aegyptens benannt wurde (Augustamnica). ———————————————- ^74 Aristeides (or. 48 p. 485 Dind.) nennt Koptos den indischen und arabischen Stapelplatz. In dem Roman des Ephesiers Xenophon (4, 1) begeben sich die syrischen Raeuber nach Koptos; “denn dort passieren eine Menge von Kaufleuten durch, die nach Aethiopien und Indien reisen.” ^75 Spaeter legte Hadrian die “neue Hadriansstrasse” an, welche von seiner Antinoosstadt bei Hermopolis, wahrscheinlich durch die Wueste nach Myos Hormos und von Myos Hormos am Meer hin, nach Berenike fuehrte, und versah sie mit Zisternen, Quartieren (stathmoi) und Kastellen (Inschrift: Revue archiologique N. S. 21, 1870, S. 314). Indes ist von dieser Strasse nachher nicht die Rede, und es fragt sich, ob sie Bestand gehabt hat. ———————————————- Auch fuer die Unterdrueckung der Piraterie auf dem Roten und dem Indischen Meer ist Augustus ernstlich taetig gewesen; die Aegypter dankten es ihm noch lange nach seinem Tode, dass durch ihn die Piratensegel vom Meer verschwanden und den Handelsschiffen wichen. Freilich geschah dafuer bei weitem nicht genug. Dass die Regierung in diesen Gewaessern wohl von Zeit zu Zeit Schiffsgeschwader in Taetigkeit setzte, aber eine staendige Kriegsflotte nicht daselbst stationierte; dass die roemischen Kauffahrer regelmaessig im Indischen Meer Schuetzen an Bord nahmen, um die Angriffe der Piraten abzuweisen, wuerde befremden, wenn nicht die relative Gleichgueltigkeit gegen die Unsicherheit der Meere ueberall, hier so gut wie an der belgischen Kueste und an denen des Schwarzen Meeres, wie eine Erbsuende dem roemischen Kaiserregiment oder vielmehr dem roemischen Regiment ueberhaupt anhaftete. Freilich waren die Regierungen von Axomis und von Sapphar durch ihre geographische Lage noch mehr als die Roemer in Berenike und Leuke Kome dazu berufen, der Piraterie zu steuern, und es mag diesem Umstand mit zuzuschreiben sein, dass die Roemer mit diesen teils schwaecheren, teils unentbehrlichen Nachbarn im ganzen in gutem Einvernehmen geblieben sind.
Dass der Seeverkehr Aegyptens, wenn nicht mit Adulis, so doch mit Arabien und Indien in derjenigen Epoche, welche der Roemerherrschaft unmittelbar vorherging, in der Hauptsache nicht durch die Aegypter vermittelt ward, ist frueher gezeigt worden. Den grossen Seeverkehr nach Osten erhielt Aegypten erst durch die Roemer. “Nicht zwanzig aegyptische Schiffe im Jahr”, sagt ein Zeitgenosse des Augustus, “wagten unter den Ptolemaeern sich aus dem Arabischen Golf hinaus; jetzt fahren jaehrlich 120 Kauffahrer allein aus dem Hafen von Myos Hormos nach Indien.” Der Handelsgewinn, den der roemische Kaufmann bis dahin mit dem persischen oder arabischen Zwischenhaendler hatte teilen muessen, floss seit der Eroeffnung der direkten Verbindung mit dem ferneren Osten ihm in seinem ganzen Umfang zu. Dies ist wahrscheinlich zunaechst dadurch erreicht worden, dass den arabischen und indischen Fahrzeugen die aegyptischen Haefen wenn nicht geradezu gesperrt, so doch durch Differenzialzoelle tatsaechlich geschlossen wurden ^76; nur durch die Voraussetzung einer solchen Navigationsakte zu Gunsten der eigenen Schiffahrt konnte diese ploetzliche Umgestaltung der Handelsverhaeltnisse herbeigefuehrt werden. Aber der Verkehr wurde nicht bloss gewaltsam aus einem passiven in einen aktiven umgewandelt; er wurde auch absolut gesteigert, teils infolge der vermehrten Nachfrage im Okzident nach den Waren des Ostens, teils auf Kosten der uebrigen Verkehrsstrassen durch Arabien und Syrien. Fuer den arabischen und den indischen Handel mit dem Okzident erwies sich der Weg ueber Aegypten mehr und mehr als der kuerzeste und der billigste. Der Weihrauch, der in aelterer Zeit grossenteils auf dem Landweg durch das innere Arabien nach Gaza ging, kam spaeterhin meistens zu Wasser ueber Aegypten. Einen neuen Aufschwung nahm um die Zeit Neros der indische Verkehr, indem ein kundiger und mutiger aegyptischer Kapitaen, Hippalos, es wagte, statt an der langgestreckten Kueste hin vielmehr vom Ausgang des Arabischen Golfs durch das offene Meer geradewegs nach Indien zu steuern; er kannte den Monsun, den seitdem die Schiffer, die nach ihm diese Strasse befuhren, den Hippalos nannten. Seitdem war die Fahrt nicht bloss wesentlich kuerzer, sondern auch den Land- und den Seepiraten weniger ausgesetzt. In welchem Umfang der sichere Friedensstand und der zunehmende Luxus den Verbrauch orientalischer Waren im Okzident steigerte, lassen einigermassen die Klagen erkennen, welche in der Zeit Vespasians laut wurden ueber die ungeheuren Summen, welche dafuer aus dem Reiche hinausgingen. Den Gesamtbetrag der jaehrlich den Arabern und den Indern gezahlten Kaufgelder schlaegt Plinius auf 100 (= 22 Mill. Mark), fuer Arabien allein auf 55 Mill. Sesterzen (= 12 Mill. Mark) an, wovon freilich ein Teil durch Warenexport gedeckt ward. Die Araber und die Inder kauften wohl die Metalle des Okzidents, Eisen, Kupfer, Blei, Zinn, Arsenik, die frueher erwaehnten aegyptischen Artikel, den Wein, den Purpur, das Gold- und Silbergeraet, auch Edelsteine, Korallen, Krokusbalsam; aber sie hatten dem fremden Luxus immer weit mehr zu bieten, als fuer ihren eigenen zu empfangen. Daher ging nach den grossen arabischen und indischen Emporien das roemische Gold- und Silbergeld in ansehnlichen Quantitaeten. In Indien hatte dasselbe schon unter Vespasian sich so eingebuergert, dass man es mit Vorteil dort ausgab. Von diesem orientalischen Verkehr kam der groesste Teil auf Aegypten; und wenn die Steigerung des Verkehrs durch die vermehrten Zolleinnahmen der Regierungskasse zugute kam, so hob die Noetigung zu eigenem Schiffbau und eigener Kauffahrt den Wohlstand der Privaten. —————————————— ^76 Ausdruecklich gesagt wird dies nirgends, aber es geht deutlich aus dem Periplus des Aegypters hervor. Er spricht an zahlreichen Stellen von dem Verkehr des nicht roemischen Afrika mit Arabien (c. 7. 8) und umgekehrt der Araber mit dem nicht roemischen Afrika (c. 17. 21. 31; danach Ptol. geogr. 1, 17, 6) und mit Persien (c. 27. 33) und Indien (c. 21. 27. 49); ebenso von dem der Perser mit Indien (c. 36) so wie der indischen Kauffahrer mit dem nicht roemischen Afrika (c. 14. 31. 32) und mit Persien (c. 36) und Arabien (c. 32). Aber mit keinem Worte deutet er an, dass diese fremden Kaufleute auch nach Berenike, Myos Hormos, Leuke Kome kaemen; ja wenn er bei dem wichtigsten Handelsplatz dieses ganzen Kreises, bei Muza bemerkt, dass diese Kaufleute mit ihren eigenen Schiffen nach der afrikanischen Kueste ausserhalb der Strasse Bab el Mandeb (denn das ist ihm to peran) und nach Indien fahren, so kann Aegypten unmoeglich zufaellig fehlen.
—————————————— Waehrend also die roemische Regierung ihre Herrschaft in Aegypten auf den engen Raum beschraenkte, den die Schiffbarkeit des Nils abgrenzt, und sei es nun in Kleinmut oder in Weisheit, auf jeden Fall mit folgerichtiger Energie weder Nubien noch Arabien jemals zu erobern versuchte, erstrebte sie mit gleicher Energie den Besitz des arabischen und des indischen Grossverkehrs und erreichte wenigstens eine bedeutende Beschraenkung der Konkurrenten. Die ruecksichtslose Verfolgung der Handelsinteressen bezeichnet wie die Politik der Republik so nicht minder, und vor allem in Aegypten, die des Prinzipats. Wie weit ueberhaupt gegen Osten der direkte roemische Seeverkehr gegangen ist, laesst sich nur annaehernd bestimmen. Zunaechst nahm er die Richtung auf Barygaza (Barotsch am Meerbusen von Cambay, oberhalb Bombay), welcher grosse Handelsplatz durch die ganze Kaiserzeit der Mittelpunkt des aegyptisch-indischen Verkehrs geblieben sein wird; mehrere Orte auf der Halbinsel Gudjarat fuehren bei den Griechen griechische Benennungen, wie Naustathmos und Theophila. In der flavischen Zeit, in welcher die Monsunfahrten schon stehend geworden waren, ist die ganze Westkueste Vorderindiens den roemischen Kaufleuten erschlossen bis hinab zu der Kueste von Malabar, der Heimat des hoch geschaetzten und teuer bezahlten Pfeffers, dessen wegen sie die Haefen von Muziris (wahrscheinlich Mangaluru) und Nelkynda (indisch wohl Nilakantha, von einem der Beinamen des Gottes Schiwa; wahrscheinlich das heutige Nileswara) besuchten; etwas weiter suedlich bei Kananor haben sich zahlreiche roemische Goldmuenzen der julisch- claudischen Epoche gefunden, einst eingetauscht gegen die fuer die roemischen Kuechen bestimmten Gewuerze. Auf der Insel Salike, der Taprobane der aelteren griechischen Schiffer, dem heutigen Ceylon, hatte in Claudius’ Zeit ein roemischer Angestellter, der von der arabischen Kueste durch Stuerme dorthin verschlagen worden war, freundliche Aufnahme bei dem Landesherrn gefunden, und es hatte dieser, verwundert, wie der Bericht sagt, ueber das gleichmaessige Gewicht der roemischen Muenzstuecke trotz der Verschiedenheit der Kaiserkoepfe, mit dem Schiffbruechigen zugleich Gesandte an seinen roemischen Kollegen geschickt. Dadurch erweiterte sich zunaechst nur der Kreis der geographischen Kunde; erst spaeter, wie es scheint, wurde die Schiffahrt bis nach jener grossen und produktenreichen Insel ausgedehnt, auf der auch mehrfach roemische Muenzen zum Vorschein gekommen sind. Aber ueber das Kap Komorin und Ceylon gehen die Muenzfunde nur ausnahmsweise hinaus ^77, und schwerlich hat auch nur die Kueste von Kornmandel und die Gangesmuendung, geschweige denn die hinterindische Halbinsel und China staendigen Handelsverkehr mit den Okzidentalen unterhalten. Die chinesische Seide ist allerdings schon frueh regelmaessig nach dem Westen vertrieben worden, aber, wie es scheint, ausschliesslich auf dem Landweg und durch Vermittlung teils der Inder von Barygaza, teils und vornehmlich der Parther: die Seidenleute oder die Serer (von dem chinesischen Namen der Seide, Ser) der Okzidentalen sind die Bewohner des Tarim-Beckens, nordwestlich von Tibet, wohin die Chinesen ihre Seide brachten, und auch den Verkehr dorthin hueteten eifersuechtig die parthischen Zwischenhaendler. Zur See sind allerdings einzelne Schiffer zufaellig oder erkundend wenigstens an die hinterindische Ostkueste und vielleicht noch weiter gelangt; der im Anfang des zweiten Jahrhunderts n. Chr. den Roemern bekannte Hafenplatz Kattigara ist eine der chinesischen Kuestenstaedte, vielleicht Hang-tschau-fu an der Muendung des Yang- tse-kiang. Der Bericht der chinesischen Annalen, dass im Jahre 166 n. Chr. eine Gesandtschaft des Kaisers An-tun von Ta- (das ist Gross) Tsin (Rom) in Ji-Nan (Tongking) gelandet und von da auf dem Landweg in die Hauptstadt Lo-yang (oder Ho-nan-fu am mittleren Hoang-ho) zum Kaiser Hwan-ti gelangt sei, mag mit Recht auf Rom und den Kaiser Marcus Antoninus bezogen werden. Indes dieser Vorfall und was die chinesischen Quellen von aehnlichem Auftreten der Roemer in ihrem Lande im Lauf des 3. Jahrhunderts melden, wird kaum von oeffentlichen Sendungen verstanden werden koennen, da hierueber roemische Angaben schwerlich fehlen wuerden; wohl aber moegen einzelne Kapitaene dem chinesischen Hof als Boten ihrer Regierung gegolten haben. Bemerkbare Folgen haben diese Verbindungen nur insofern gehabt, als ueber die Gewinnung der Seide die frueheren Maerchen allmaehlich besserer Kunde wichen.
———————————————- ^77 In Bamanghati (Distrikt Singhbhum) westlich von Kalkutta soll ein grosser Schatz Goldmuenzen roemischer Kaiser (genannt werden Gordian und Konstantin) zum Vorschein gekommen sein (Beglar bei A. Cunningham, Archaeological survey of India, Bd. 13, S. 72); aber ein solcher vereinzelter Fund beweist nicht, dass der staendige Verkehr sich so weit erstreckt hat. Im noerdlichen China in der Provinz Schensi westlich von Peking sollen neuerlichst roemische Muenzen von Nero an bis hinab auf Aurelian zum Vorschein gekommen sein, sonst sind weder aus Hinterindien noch aus China dergleichen Funde bekannt.
———————————————- Boden- und Geldwirtschaft der roemischen Kaiserzeit Die oekonomische Herrschaftsstellung Italiens, wie sie in den letzten Jahrhunderten der Republik sich festgestellt hatte, zeigt sich in dieser Epoche und ueber dieselbe hinaus im Stande des Beharrens und fester noch gegruendet als die politische Praerogative. Wenn der reichste Mann der caesarischen Zeit, Marcus Crassus, auf 170 Millionen Sesterzen geschaetzt worden war, so sahen die folgenden Generationen darauf zurueck wie auf eine Zeit der Armut ^1. Mit dem Frieden, der auf die Buergerkriege folgte, kam eine Epoche der Fuelle und des Reichtums, wie die Republik sie nicht gekannt hatte. Als der Reichste unter Augustus wird genannt Gnaeus Lentulus der Augur (Konsul 740 14) mit einem Vermoegen von 400 Mill. Sesterzen ^2. Das gleiche wird dem maechtigen Freigelassenen des Claudius, Narcissus, zugeschrieben ^3. Das Vermoegen des Ministers Neros, Seneca, wird, allerdings von seinen Feinden, auf 300 Mill. geschaetzt ^4, ebenso hoch das des gefeierten Sachwalters unter Nero und Vespasian, Vibius Crispus, dessen Reichtum lange sprichwoertlich blieb ^5. Am Ende des 3. Jahrhunderts warf Kaiser Tacitus bei seiner Thronbesteigung sein fundiertes Privatvermoegen von 280 Mill. Sesterzen in den Staatsschatz ein ^6. Noch am Anfang des 5. Jahrhunderts bezogen die ersten senatorischen Haeuser in der alten Reichshauptstadt eine Jahresrente, die einem Kapital von mindestens 400 Mill. Sesterzen nach der aelteren Rechnung gleichkam ^7. Wichtiger als diese Angaben ueber ausnahmsweise grosse Vermoegen sind einige andere, welche die Mittelklasse der Aristokratie betreffen: ein Vermoegen von 20 Mill. Sesterzen gilt unter Marcus als maessiger Reichtum ^8; Familien mit einem Vermoegen von 100 Mill. Sesterzen werden im 5. Jahrhundert als reiche zweiten Ranges betrachtet. Der senatorische Zensus von einer Mill. Sesterzen ist also offenbar eine aeusserste Grenze, welche bei der Mehrzahl sicher ansehnlich ueberschritten ward. In den Angaben ueber das im Jahre 746 (8) errichtete Testament eines begueterten Freigelassenen, welcher ausser seinen Liegenschaften ueber 4116 Sklaven, 3600 Paar Ochsen, 257000 Schafe und 60 Mill. Sesterzen bar verfuegt, treten die einzelnen Bestandteile eines solchen Grossvermoegens an Ackerland, Weide und Kapitaliengeschaeft deutlich hervor ^9. Dass bei solchen Vermoegensbestaenden die Reichen der oberen Klassen eine Herrenstellung in den Ortschaften einnahmen, aus denen sie hervorgingen, und eine Art von Hof und Gefolge sich um jeden von ihnen sammelte, ist erklaerlich. Sie stellen zum guten Teil durch ihre Freigebigkeit die oeffentlichen Gebaeude, namentlich die Luxusanlagen, wie Theater, Baeder, Hallen her; auf ihre Kosten schmausen die Buergerschaften und leben die Klienten, und auch in die besseren Kreise hinein reichen dergleichen Spenden. Der juengere Plinius unter Traianus, ein vermoegender Senator, aber keineswegs in dieser Hinsicht hervorragend, hat seiner Vaterstadt Comum fuer die Gruendung und Vermehrung einer oeffentlichen Bibliothek, fuer die Anlage und die Ausstattung eines Warmbades, zur Alimentation von Kindern und zu oeffentlichen Schmaeusen teils bei Lebzeiten, teils im Testament Zuwendungen im Gesamtbetrag von mindestens 5 Mill. Sesterzen gemacht, ausserdem in anderen Staedten, zu denen er Beziehungen hatte, Tempel und Hallen auf seine. Kosten gebaut und seinen Freunden, dem einen zur Ausstattung der Tochter, dem andern zur Equipierung fuer den Unteroffiziersdienst, dem dritten, um ihm den Eintritt in den Ritterstand moeglich zu machen, persoenliche Geschenke bis zu 300000 Sesterzen gemacht. Diese durch die Individualitaet des Charakters und der Beziehungen vielfach bedingte, aber im Wesen nicht persoenliche, sondern standesmaessig geforderte Liberalitaet ist fuer alle Zeiten von dem vornehmen Roemer und vor allem von dem Senator des Reiches geuebt worden, aber keineswegs zu allen Zeiten in gleicher Weise. Mit Sehnsucht gedachten die Klienten der domitianischen Epoche der bessern Zeiten, wo unter den Spenden dieser Art der Ritterring nichts Seltenes war ^10; Gaius Piso, der Rivale Neros, dessen koenigliche Freigebigkeit seinesgleichen nicht hatte, war gewohnt, jaehrlich einer gewissen Zahl seiner Freunde den Ritterzensus zu schenken, so wie die Kaiser in gleicher Weise senatorische Vermoegen zu schenken pflegten ^11. “Es war frueher Sitte”, schreibt Plinius ^12 unter Traian, “dass wem ein Poet ein Carmen widmete, ihm dafuer eine Verehrung machte; jetzt aber ist mit anderen stattlichen Dingen vor allem auch dies abgekommen, und es kommt uns albern vor, uns feiern zu lassen.” Dies ist nur eine einzelne Konsequenz einer tiefgreifenden sozialen Revolution ^13. Die Diarchie, die Augustus begruendet, die Samtherrschaft des Kaisers und des Senats, offenbart sich auf diesem Gebiet noch energischer als in der eigentlichen Politik. Die Epoche von der Actischen Schlacht bis zum Vierkaiserjahr, das julisch-claudische Saeculum, bezeichnet Tacitus als die Glanzzeit der roemischen Aristokratie. Die alten reichen oder erlauchten Haeuser wetteiferten in grossartigem Prunk; man warb noch um die Stimmen der Buergerschaft, um die Ehrenbezeugungen der Provinzen und der abhaengigen Koenige, um eine stattliche Klientel. Das Rom der augustischen und der claudischen Zeit erinnert vielfach an das der Paepste und der Kardinaele des sechzehnten Jahrhunderts; das Kaiserhaus war in der Tat nur das erste unter vielen strahlenden Gestirnen. Aber dieser Wetteifer hatte vielfach den oekonomischen Ruin im Gefolge; die Dezimierung der Aristokratie unter den naechsten Nachfolgern des Augustus traf vorzugsweise die grossen Vermoegen und fuehrte zu deren Zertruemmerung; die neuen durch Vespasian aus den Landstaedten nach Rom verpflanzten Senatoren brachten die buergerliche Sparsamkeit mit sich, und die alten glaenzenden Traditionen der Lentuler und der Pisonen ersetzten sich nicht. Der Senat, dem Plinius und Tacitus angehoerten, ist wohl nicht minder reich gewesen wie derjenige, in dem Piso und Seneca sassen; aber wie das Bewusstsein oder, wenn man will, die Illusion des Mitregiments allmaehlich schwand und die Monarchie in allen ihren Konsequenzen sich geltend machte, so kam auch die Vermoegensverwaltung der vornehmen Welt von fuerstlicher Freigebigkeit und fuerstlicher Verschuldung zu dem gewoehnlichen bequemen und soliden Lebensgenuss des festbegruendeten Reichtums. ——————————————————– ^1 Plin. 13, 92.
^2 Sen. benef. 2, 27.
^3 Dio 60, 34.
^4 Tac. ann. 13, 42; Dio 61, 10.
^5 Mart. epigr. 4, 54, 7.
^6 vita 10.
^7 Die Angabe Olympiodors (p. 44 Mueller), dass zahlreiche Haeuser Roms je 4000 Pfund Gold (ana tessarakonta chryso? kent/e/naria), ungerechnet die etwa ein Drittel der Summe erreichenden Naturallieferungen, die Haeuser zweiten Ranges 1500 bis 1000 Pfund Gold an Einkuenften bezogen haetten, kann nur in der oben angegebenen Beschraenkung richtig sein, da die Einkuenfte doch nicht von 1500 auf 4000 gesprungen sein werden. 4000 Pfund Gold Einkuenfte geben nach alter Rechnung, das Goldpfund zu 4000 Sesterzen gerechnet und mit 5 Prozent kapitalisiert, ein Vermoegen von 320 Mill. Sesterzen, wozu dann die Naturalabgaben kommen.
^8 In der lustigen Geschichte, die der Arzt Galenus (13 p. 636 Kuehn) “ohne Namen zu nennen” erzaehlt, von dem Roemer, “der nicht mehr als 5 Mill. Denare Vermoegen hat”, wird dieser medizinische Amateur, der es unter seiner Wuerde haelt, sich billiger Rezepte zu bedienen, keineswegs als ein armer Mann bezeichnet, sondern vielmehr immer “der Reiche” genannt, aber wohl entgegengesetzt den “noch viel Reicheren oder den Koenigen”, welche mit recht teuren Rezepten zu versehen hier Galenus seine Kollegen instandsetzt. Noch weniger duerfte aus der Anekdote bei Epiktetos (diss. 1, 26, 11) gefolgert werden, dass ein Vermoegen von 1´ Mill. Denaren jemals ernsthaft als Armut betrachtet worden ist. Ebenso wird, wenn der juengere Plinius (epist. 2, 4) von seinen modicae facultates spricht, in Anschlag zu bringen sein, dass der gebildete Reiche sich nicht gern selbst so nennt. ^9 Plin. epist. 33, 135. Aehnlich laesst Martialis (epigr. 4, 37) den reichen Mann, der seine Gaeste mit der Aufzaehlung seiner Reichtuemer langweilt, erst die an verschiedene Leute ausgeliehenen Summen, zusammen etwa 3 Mill., auffuehren, dann die Renten aus Haeusern und Grundstuecken mit 3 Mill., dann die der Weiden von Parma mit 600000 Sesterzen. In einem anderen Epigramm 5, 13 vergleicht er sein bescheidenes Dichterlos mit dem eines Reichen, dem die Kasten der Freigelassenen, das heisst der staedtischen Geschaeftsleute, der Boden Aegyptens und die Weiden von Parma zinsen. ^10 Mart. 14, 122.
^11 schol. Iuv. zu V, 109.
^12 epist. 3, 21.
^13 Tac. ann. 3, 55.
——————————————————– Wenngleich bei der Ausdehnung des roemischen Staates unter den Kaisern und bei der Mannigfaltigkeit seiner Bestandteile die wirtschaftlichen Fragen im besonderen nur nach diesen Bestandteilen einigermassen genuegend gewuerdigt werden koennen, so bleibt doch einmal auch noch in dieser Periode Italien so sehr das herrschende Gebiet, dass dessen wirtschaftliche Verhaeltnisse in gewissem Sinne immer noch die des Reiches sind; andererseits aber sind doch als Ursache wie als Ergebnis eine Reihe von Momenten hier zu verzeichnen, welche nur in einer allgemeinen, Italien vorzugsweise, aber daneben das Reich ueberhaupt beruecksichtigenden Eroerterung zu ihrem Rechte gelangen. In erster Reihe steht hier der Gegensatz des grossen und des kleinen Bodeneigentums, wobei zunaechst abzusehen ist von der wirtschaftlichen Form der Nutzung. Die wirtschaftlichen Verhaeltnisse der griechischen wie der roemischen Welt gehen vom Kleinbesitz aus und streben zum Grossbesitz; ausser den allgemeinen, noch heute in gleicher Richtung wirkenden Ursachen kommen hier noch besonders in Betracht die der Bildung des Grosskapitals foerderliche Sklaveninstitution und die die ganze alte Welt beherrschende Tendenz, die Rentenziehung durch Grundbesitz als die sicherste und anstaendigste, der freien Entwicklung des Mannes buergerlich wie intellektuell guenstigste zu betrachten. Diese Richtung auf Steigerung des Grossbesitzes waltet wie in der Gemeinde der Stadt Rom so auch in der Reichsbuergerschaft der Kaiserzeit ohne Unterschied der Provinzen; die Latifundien, wie die Grossbesitzungen in der Kaiserzeit genannt zu werden pflegen, bilden sich in Italien wie in Gallien, Afrika, Syrien mit einer Notwendigkeit, die von dem Naturgesetz sich kaum wesentlich unterscheidet. Dass die hierfuer massgebenden Ursachen in der Kaiserzeit staerker wirkten als frueher, wird im allgemeinen nicht behauptet werden koennen. Der Konzentrierung der Kapitalien in wenigen Haenden war die spaetere Epoche der Republik und die augustische Zeit wahrscheinlich guenstiger als die folgenden Epochen, und der schnelle Wechsel der grossen Haeuser, den im Gegensatz zu jener Periode die spaetere Kaiserzeit aufweist, muss notwendig eine, man moechte sagen periodische Zerschlagung der grossen Vermoegen herbeigefuehrt und eine gewisse, allerdings in hohem Grade bedenkliche Schranke gegen die Akkumulation des Grossvermoegens und insbesondere des Grosseigentums gebildet haben.
Sehr verstaendig hielt die Regierung daran fest, der faktischen Konzentrierung des Grundbesitzes die rechtliche Geschlossenheit nicht zu gewaehren; die Gesetzgebung hielt unentwegt durch alle Krisen und allen Verfall an dem Grundsatze fest, dass der Grundbesitz dem Verkehr nicht auf die Dauer entzogen werden kann, und gibt sich nicht dazu her, der Deszendenz den Grundbesitz des Aszendenten fuer die Zukunft zu sichern. Dass dieser bei weitem