der Einverleibung weniger schwer empfand, weil sie selbst dieselbe herbeigefuehrt hatte. Auch soll nicht behauptet werden, dass die Einziehung des Landes fuer die Bewohner ohne Bedrueckung abging und dass sie keinen Grund hatten, sich zu beschweren; diese Einrichtungen sind nirgends ohne Schwierigkeiten und Ruhestoerungen durchgefuehrt worden. Ebenso wird die Anzahl der Unrechtfertigkeiten und Gewalttaetigkeiten, welche einzelne Statthalter begingen, in Judaea nicht geringer gewesen sein als anderswo. Schon im Anfang der Regierung des Tiberius klagten die Juden wie die Syrer ueber Steuerdruck; insbesondere der langjaehrigen Verwaltung des Pontius Pilatus werden von einem nicht unbilligen Beurteiler alle ueblichen Beamtenfrevel zur Last gelegt. Aber Tiberius hat, wie derselbe Jude sagt, in den dreiundzwanzig Jahren seiner Regierung die althergebrachten heiligen Gebraeuche aufrecht gehalten und in keinem Teil sie beseitigt oder verletzt. Es ist dies um so mehr anzuerkennen, als derselbe Kaiser im Okzident so nachdruecklich wie kein anderer gegen die Juden einschritt und also die in Judaea von ihm bewiesene Langmut und Zurueckhaltung nicht auf persoenliche Beguenstigung des Judentums zurueckgefuehrt werden kann.
————————————————————— ^14 An der Marmorschranke (dr?phaktos), welche den inneren Tempelraum abgrenzte, standen deswegen Warnungstafeln in lateinischer und griechischer Sprache (Ios. bel. Iud. 5, 5, 2; 6, 2, 4; ant. Iud. 15, 11, 5). Eine der letzteren, die kuerzlich wiedergefunden ist (Revue archeologique 23, 1872, S. 220) und jetzt in dem oeffentlichen Museum von Konstantinopel sich befindet, lautet: m/e/th? ena allogen/e/ eispore?esthai entos to? peri to ieron tryphaktoy kai periboloy. os d’an l/e/phd/e/, eayt/o/ aitios estai dia to exakoloythein thanaton. Das Iota im Dativ ist vorhanden, die Schrift gut und passend fuer fruehe Kaiserzeit. Diese Tafeln sind schwerlich von den juedischen Koenigen gesetzt, die kaum einen lateinischen Text hinzugefuegt haben wuerden und auch keine Ursache hatten, mit dieser sonderbaren Anonymitaet den Tod in Aussicht zu stellen. Wenn sie von der roemischen Regierung aufgestellt wurden, erklaert sich beides; auch sagt Titus bei Ios. bel. Iud. 6, 2, 4 in einer Ansprache an die Juden: oych /e/meis to?s yperbantas ymin anairein epetrepsamen, kan R/o/maios tis /e/; – Traegt die Tafel wirklich Spuren von Axthieben, so stammen diese von den Soldaten des Titus.
————————————————————— Trotz allem dem entwickelten sich gegen die roemische Regierung die prinzipielle Opposition wie die gewaltsame Selbsthilfe der Glaeubigen beide schon in dieser Zeit des Friedens. Die Steuerzahlung ward nicht etwa bloss, weil sie drueckte, sondern als gottlos angefochten. “Ist es erlaubt”, fragt der Rabbi im Evangelium, “dem Caesar den Zensus zu zahlen?” Die ironische Antwort, die er empfing, genuegte doch nicht allen; es gab Heilige, wenn auch wohl nicht in grosser Zahl, welche sich verunreinigt meinten, wenn sie eine Muenze mit dem Kaiserbild anruehrten. Dies war etwas Neues, ein Fortschritt der Oppositionstheologie; die Koenige Seleukos und Antiochos waren doch auch nicht beschnitten gewesen und hatten ebenfalls Tribut empfangen in Silberstuecken ihres Bildnisses. Also war die Theorie; die praktische Anwendung davon machte allerdings nicht der hohe Rat von Jerusalem, in welchem unter dem Einfluss der Reichsregierung die gefuegigeren Vornehmen des Landes stimmfuehrend waren, aber Judas der Galilaeer aus Gamala am See von Genezareth, welcher, wie Gamaliel diesem hohen Rat spaeter in Erinnerung brachte, “in den Tagen der Schatzung aufstand, und hinter ihm erhob sich das Volk zum Abfall”. Er sprach es aus, was alle dachten, dass die sogenannte Schatzung die Knechtschaft und es eine Schande sei fuer den Juden, einen anderen Herrn ueber sich zu erkennen als den Herrn Zebaoth; dieser aber helfe nur denen, die sich selber huelfen. Wenn nicht viele seinem Ruf zu den Waffen folgten, und er nach wenigen Monaten auf dem Blutgeruest endigte, so war der heilige Tote den unheiligen Siegern gefaehrlicher als der Lebende. Er und die Seinigen gelten den spaeteren Juden neben den Sadduzaeern, Pharisaeern und Essaeern als die vierte “Schule”; damals hiessen sie die Eiferer, spaeter nennen sie sich die Sicarier, die Messermaenner. Ihre Lehre ist einfach: Gott allein ist Herr, der Tod gleichgueltig, die Freiheit eines und alles. Diese Lehre blieb, und des Judas Kinder und Enkel wurden die Fuehrer der spaeteren Insurrektionen. Wenn die roemische Regierung der Aufgabe, diese explosiven Elemente nach Moeglichkeit niederzuhalten, unter den ersten beiden Regenten im ganzen genommen geschickt und geduldig genuegt hatte, so fuehrte der zweite Thronwechsel hart an die Katastrophe. Derselbe ward wie im ganzen Reich, so auch von den Juden in Jerusalem wie in Alexandreia mit Jubel begruesst und nach dem menschenscheuen und unbeliebten Greise der neue jugendliche Herrscher Gaius dort wie hier in ueberschwenglicher Weise gefeiert. Aber rasch entwickelte sich aus nichtswuerdigen Anlaessen ein furchtbares Zerwuerfnis. Ein Enkel des ersten Herodes und der schoenen Mariamne, nach dem Beschuetzer und Freunde seines Grossvaters Herodes Agrippa genannt, unter den zahlreichen in Rom lebenden orientalischen Fuerstensoehnen ungefaehr der geringfuegigste und heruntergekommenste, aber dennoch oder eben darum der Guenstling und der Jugendfreund des neuen Kaisers, bis dahin lediglich bekannt durch seine Liederlichkeit und seine Schulden, hatte von seinem Beschuetzer, dem er zuerst die Nachricht von dem Tode des Tiberius hatte ueberbringen koennen, eines der vakanten juedischen Kleinfuerstentuemer zum Geschenk und dazu den Koenigstitel erhalten. Dieser kam im Jahre 38 auf der Reise in sein neues Reich nach der Stadt Alexandreia, wo er wenige Monate vorher als ausgerissener Wechselschuldner versucht hatte, bei den juedischen Bankiers zu borgen. Als er im Koenigsgewand mit seinen praechtig staffierten Trabanten sich dort oeffentlich zeigte, regte dies begreiflicherweise die nichtjuedische und den Juden nichts weniger als wohlwollende Bewohnerschaft der grossen spott- und skandallustigen Stadt zu einer entsprechenden Parodie an, und bei dieser blieb es nicht. Es kam zu einer grimmigen Judenhetze. Die zerstreut liegenden Judenhaeuser wurden ausgeraubt und verbrannt, die im Hafen liegenden juedischen Schiffe gepluendert, die in den nicht juedischen Quartieren betroffenen Juden misshandelt und erschlagen. Aber gegen die rein juedischen Quartiere vermochte man mit Gewalt nichts auszurichten. Da gerieten die Fuehrer auf den Einfall, die Synagogen, auf die es vor allem abgesehen war, soweit sie noch standen, saemtlich zu Tempeln des neuen Herrschers zu weihen und Bildsaeulen desselben in allen, in der Hauptsynagoge eine solche auf einem Viergespann, aufzustellen. Dass Kaiser Gaius so ernsthaft, wie sein verwirrter Geist es vermochte, sich fuer einen wirklichen und leibhaftigen Gott hielt, wusste alle Welt, und die Juden und der Statthalter auch. Dieser, Avillius Flaccus, ein tuechtiger Mann und unter Tiberius ein vortrefflicher Verwalter, aber jetzt gelaehmt durch die Ungnade, in welcher er bei dem neuen Kaiser stand und jeden Augenblick der Abberufung und der Anklage gewaertig, verschmaehte es nicht, die Gelegenheit zu seiner Rehabilitierung zu benutzen ^15. Er befahl nicht bloss durch Edikt, der Aufstellung der Statuen in den Synagogen kein Hindernis in den Weg zu legen, sondern er ging geradezu auf die Judenhetze ein. Er verordnete die Abschaffung des Sabbaths. Er erklaerte weiter in seinen Erlassen, dass diese geduldeten Fremden sich unerlaubter Weise des besten Teils der Stadt bemaechtigt haetten; sie wurden auf ein einziges der fuenf Quartiere beschraenkt und alle uebrigen Judenhaeuser dem Poebel preisgegeben, waehrend die ausgetriebenen Bewohner massenweise obdachlos am Strande lagen. Kein Widerspruch wurde auch nur angehoert; achtunddreissig Mitglieder des Rats der Aeltesten, welcher damals anstatt des Ethnarchen der Judenschaft vorstand ^16, wurden im offenen Circus vor allem Volke gestaeupt. Vierhundert Haeuser lagen in Truemmern; Handel und Wandel stockte; die Fabriken standen still. Es blieb keine Hilfe als bei dem Kaiser. Vor ihm erschienen die beiden alexandrinischen Deputationen, die der Juden gefuehrt von dem frueher erwaehnten Philon, einem Gelehrten der neujuedischen Richtung und mehr sanftmuetigen als tapferen Herzens, der aber doch fuer die Seinen in dieser Bedraengnis getreulich eintrat; die der Judenfeinde gefuehrt von Apion, auch einem alexandrinischen Gelehrten und Schriftsteller, der “Weltschelle”, wie Kaiser Tiberius ihn nannte, voll grosser Worte und noch groesserer Luegen, von dreistester Allwissenheit ^17 und unbedingtem Glauben an sich selbst, wenn nicht der Menschen, doch ihrer Nichtswuerdigkeit kundig, ein gefeierter Meister der Rede wie der Volksverfuehrung, schlagfertig, witzig, unverschaemt und unbedingt loyal. Das Ergebnis der Verhandlung stand von vornherein fest; der Kaiser liess die Parteien vor, waehrend er die Anlagen in seinen Gaerten besichtigte, aber statt den Flehenden Gehoer zu geben, legte er ihnen spoettische Fragen vor, die die Judenfeinde, aller Etikette zum Trotz, mit lautem Gelaechter begleiteten, und da er bei guter Laune war, beschraenkte er sich darauf, sein Bedauern auszusprechen, dass diese im uebrigen guten Leute so ungluecklich organisiert seien, seine angeborene Gottesnatur nicht begreifen zu koennen, womit es ihm ohne Zweifel ernst war. Apion also bekam Recht, und ueberall, wo es den Judenfeinden beliebte, wandelten die Synagogen sich um in Tempel des Gaius. —————————————————— ^15 Der besondere Hass des Gaius gegen die Juden (Philo leg. 20) ist nicht die Ursache, sondern die Folge der alexandrinischen Judenhetze gewesen. Da also auch das Einverstaendnis der Fuehrer der Judenhetze mit dem Statthalter (Philo in Flacc. 4) so, wie die Juden meinten, nicht bestanden haben kann, weil der Statthalter nicht fueglich glauben konnte, durch Preisgebung der Juden sich dem neuen Kaiser zu empfehlen, so entsteht allerdings die Frage, warum die Fuehrer der Judenfeinde eben diesen Moment fuer die Judenhetze waehlten und vor allem, warum der Statthalter, dessen Trefflichkeit Philo so nachdruecklich anerkennt, dieselbe zuliess und wenigstens in ihrem weiteren Verlauf sich an ihr beteiligte. Wahrscheinlich sind die Dinge so hergegangen, wie sie oben erzaehlt sind: der Judenhass und Judenneid gaerten seit langem in Alexandreia (Ios. bel. Iud. 2, 18, 9; Philo leg. 18); der Wegfall des alten strengen Regiments und die augenscheinliche Ungnade, in welcher der Praefekt bei Gaius stand, gaben Raum fuer den Krawall; die Ankunft Agrippas gab den Anlass; die geschickte Verwandlung der Synagogen in Tempel des Gaius stempelte die Juden zu Kaiserfeinden, und nachdem dies geschehen war, wird Flaccus allerdings die Verfolgung aufgegriffen haben, um sich dadurch bei dem Kaiser zu rehabilitieren. ^16 Als Strabon in Aegypten war in der frueheren augusteischen Zeit, standen die Juden in Alexandreia unter einem Ethnarchen (geogr. 17, 1, 13 p. 798 und bei Ios. ant. Iud. 14, 7, 2). Als dann unter Augustus der Ethnarchos oder Genarchos, wie er auch heisst, starb, trat an seine Stelle ein Rat der Aeltesten (Philo leg. 10); doch “untersagte Augustus”, wie Claudius angibt (Ios. ant. Iud. 19, S, 2), “den Juden nicht die Bestellung von Ethnarchen”, was wohl heissen soll, dass die Wahl eines Einzelvorstehers nur fuer diesmal unterlassen, nicht ein fuer allemal abgeschafft ward. Unter Gaius gab es offenbar nur Aelteste der Judenschaft; und auch unter Vespasian begegnen diese (Ios. bel. Iud. 7, 10, 1). Ein Archon der Juden in Antiocheia wird genannt bei Ios. bel. Iud. 7, 3, 3. ^17 Apion redete und schrieb ueber alles und jedes, ueber die Metalle und die roemischen Buchstaben, ueber die Magie und von den Hetaeren, ueber aegyptische Urgeschichte und Apicius’ Kochrezepte, vor allem aber machte er Glueck mit seinen Vortraegen ueber Homer, die ihm das Ehrenbuergerrecht in zahlreichen griechischen Staedten erwarben. Er hatte entdeckt, dass Homeros darum mit dem unpassenden Worte m/e/nis seine Ilias begonnen habe, weil die ersten beiden Buchstaben als Ziffern die Buecherzahl der beiden von ihm zu schreibenden Epen darstellen; er nannte den Gastfreund in Ithaka, bei dem er das Brettspiel der Freier erkundet habe; ja er hatte Homeros selbst aus der Unterwelt beschworen, um ihn um seine Heimat zu befragen, derselbe sei auch gekommen und habe sie ihm gesagt, aber ihn verpflichtet, sie anderen nicht zu verraten.
—————————————————— Aber es blieb nicht bei diesen durch die alexandrinische Strassenjugend eingeleiteten Dedikationen. Im Jahre 39 bekam der Statthalter von Syrien, Publius Petronius, vom Kaiser den Befehl, mit seinen Legionen in Jerusalem einzuruecken und in dem Tempel die Bildsaeule des Kaisers aufzurichten. Der Statthalter, ein ehrbarer Beamter aus der Schule des Tiberius, erschrak; die Juden aus dem ganzen Lande, Maenner und Frauen, Greise und Kinder, stroemten zu ihm, erst nach Ptolemais in Syrien, dann nach Tiberias in Galilaea, ihn um seine Vermittlung anzuflehen, dass das Entsetzliche unterbleiben moege; die Aecker im ganzen Lande wurden nicht bestellt, und die verzweifelten Massen erklaerten, lieber den Tod durch das Schwert oder den Hunger dulden, als diesen Greuel mit Augen sehen zu wollen. In der Tat wagte der Statthalter die Ausfuehrung zu verzoegern und Gegenvorstellungen zu machen, obwohl er wusste, dass es dabei um seinen Kopf ging. Zugleich ging jener Koenig Agrippa persoenlich nach Rom, um von seinem Freunde die Ruecknahme des Befehls zu erwirken. In der Tat stand der Kaiser von seinem Begehren ab, man sagt infolge einer von dem juedischen Fuersten geschickt benutzten Weinlaune. Aber er beschraenkte zugleich die Konzession auf den einzigen Tempel von Jerusalem und sandte nichtsdestoweniger dem Statthalter wegen seines Ungehorsams das Todesurteil zu, das allerdings, zufaellig verspaetet, nicht mehr zur Ausfuehrung kam. Gaius war entschlossen, die Renitenz der Juden zu brechen; das angeordnete Einruecken der Legionen zeigt, dass er diesmal die Folgen seines Befehls im Voraus erwogen hatte. Seit jenen Vorgaengen hatten die bereitwillig gottglaeubigen Aegypter seine volle Liebe, so wie die stoerrigen und einfaeltigen Juden den entsprechenden Hass; hinterhaeltig wie er war und gewohnt zu begnadigen, um spaeter zu widerrufen, musste das Aergste nur verschoben erscheinen. Er war im Begriff, nach Alexandreia abzugehen, um dort persoenlich den Weihrauch seiner Altaere entgegenzunehmen, und an der Statue, die er in Jerusalem sich aufzustellen gedachte, wurde, so sagt man, in aller Stille gearbeitet, als im Januar 41 der Dolch des Chaerea unter anderem auch den Tempel des Jehova von dem Unhold befreite.
Aeussere Folgen hinterliess die kurze Leidenszeit nicht; mit dem Gott sanken seine Altaere. Aber dennoch sind die Spuren davon nach beiden Seiten hin geblieben. Die Geschichte, die hier erzaehlt wird, ist die des steigenden Hasses zwischen Juden und Nichtjuden, und darin bezeichnet die dreijaehrige Judenverfolgung unter Gaius einen Abschnitt und einen Fortschritt. Der Judenhass und die Judenhetzen sind so alt wie die Diaspora selbst; diese privilegierten und autonomen orientalischen Gemeinden innerhalb der hellenischen mussten sie so notwendig entwickeln wie der Sumpf die boese Luft. Aber eine Judenhetze wie die alexandrinische des Jahres 38, motiviert durch das mangelhafte Hellenentum und dirigiert zugleich von der hoechsten Behoerde und dem niedrigen Poebel, hat die aeltere griechische wie roemische Geschichte nicht aufzuweisen. Der weite Weg vom boesen Wollen des Einzelnen zur boesen Tat der Gesamtheit war hiermit durchschritten, und es war gezeigt, was die also Gesinnten zu wollen und zu tun hatten und unter Umstaenden auch zu tun vermochten. Dass diese Offenbarung auch auf juedischer Seite empfunden ward, ist nicht zu bezweifeln, obwohl wir dies mit Dokumenten nicht zu belegen vermoegen ^18. Aber weit tiefer als die alexandrinische Judenhetze haftete in den Gemuetern der Juden die Bildsaeule des Gottes Gaius im Allerheiligsten. Es war das schon einmal dagewesen: auf das gleiche Unterfangen des Koenigs von Syrien, Antiochos Epiphanes, war die Makkabaeererhebung gefolgt und die siegreiche Wiederherstellung des freien nationalen Staats. Jener Epiphanes, der Antimessias, welcher den Messias herbeifuehrt, wie der Prophet Daniel ihn, allerdings nachtraeglich, gezeichnet hatte, war seitdem jedem Juden das Urbild der Greuel; es war nicht gleichgueltig, dass die gleiche Vorstellung mit gleichem Recht sich an einen roemischen Kaiser knuepfte oder vielmehr an das Bild des roemischen Herrschers ueberhaupt. Seit jenem verhaengnisvollen Erlass kam die Sorge nicht zur Ruhe, dass ein anderer Kaiser das Gleiche befehlen koenne, und insofern allerdings mit Recht, als nach der Ordnung des roemischen Staatswesens diese Verfuegung lediglich von dem augenblicklichen Gutfinden des augenblicklich Regierenden abhing. Mit gluehenden Farben zeichnet sich dieser juedische Hass des Kaiserkultus und des Kaisertums selbst in der Apokalypse Johannis, fuer die hauptsaechlich deswegen Rom das feile Weib von Babylon und der gemeine Feind der Menschheit ist ^19. Noch minder gleichgueltig war die naheliegende Parallele der Konsequenzen. Mattathias von Modein war auch nicht mehr gewesen als Judas der Galilaeer, die Erhebung der Patrioten gegen den Syrerkoenig ungefaehr ebenso hoffnungslos wie die Insurrektion gegen das Untier jenseits des Meeres. Historische Parallelen in praktischer Anwendung sind gefaehrliche Elemente der Opposition; nur zu rasch geriet der Bau langjaehriger Regierungsweisheit ins Schwanken.
———————————————————– ^18 Die Schriften Philons, welche diese ganze Katastrophe uns mit unvergleichlicher Aktualitaet vorfuehren, schlagen diesen Ton nirgends an; aber auch abgesehen davon, dass dieser reiche und bejahrte Mann mehr ein guter Mensch als ein guter Hasser war, versteht es sich von selbst, dass diese Konsequenzen der Vorgaenge von juedischer Seite nicht oeffentlich dargelegt wurden. Was die Juden dachten und fuehlten, wird man nicht nach dem beurteilen duerfen, was sie namentlich in ihren griechisch geschriebenen Schriften zu sagen zweckmaessig fanden. Wenn das Buch der Weisheit und das dritte Makkabaeerbuch in der Tat gegen die alexandrinische Judenverfolgung gerichtet sind (Hausrath, Neutestamentliche Zeitgeschichte. Bd. 2, S. 259 f.), was uebrigens nichts weniger als gewiss ist, so sind sie womoeglich noch zahmer gehalten als die Schriften Philons.
^19 Dies duerfte die richtige Auffassung der juedischen Vorstellungen sein, in denen ueberhaupt die positiven Tatsachen regelmaessig ins Allgemeine verfliessen. In den Erzaehlungen vom Antimessias und vom Antichrist finden sich keine positiven Momente, die auf Kaiser Gaius passten; den Namen Armillus, den der Targum jenem beilegt, darauf zurueckzufuehren, dass Kaiser Gaius zuweilen Frauenarmbaender (armillae) trug (Suet. Gai. 52), kann ernsthaft nicht vertreten werden. In der Johanneischen Apokalypse, der klassischen Offenbarung juedischen Selbstgefuehls und Roemerhasses, knuepft sich das Bild des Antimessias vielmehr an Nero, der sein Bild nicht ins Allerheiligste hat stellen lassen. Diese Schrift gehoert bekanntlich einer Zeit und einer Richtung an, fuer die das Christentum noch wesentlich eine juedische Sekte war; die Auserwaehlten und vom Engel Gezeichneten sind alle Juden, je 12000 aus jedem der zwoelf Staemme, und haben den Vortritt vor der “grossen Menge der sonstigen Gerechten”, das heisst der Judengenossen (Offbg. 7; vgl. 12, 1). Geschrieben ist sie erwiesenermassen nach Neros Sturz, und als dessen Rueckkehr aus dem Orient erwartet wurde. Nun trat freilich ein falscher Nero unmittelbar nach dem Tode des wirklichen auf und wurde im Anfang des folgenden Jahres hingerichtet (Tac. hist. 2, 8. 9); aber an diesen denkt Johannes nicht, da der recht genaue Bericht nicht, wie Johannes, dabei der Parther erwaehnt, und fuer Johannes zwischen dem Sturze Neros und seiner Rueckkehr ein betraechtlicher Zeitraum, auch die letztere noch in der Zukunft liegt. Sein Nero ist derjenige, der unter Vespasian im Euphratgebiet Anhang fand, den Koenig Artabanos unter Titus anerkannte und sich anschickte, mit Heeresmacht in Rom wieder einzusetzen, und den endlich die Parther um das Jahr 88 nach laengeren Verhandlungen an Domitian auslieferten. Auf diese Vorgaenge passt die Apokalypse mit voelliger Genauigkeit. Andererseits kann in einer Schrift dieses Schlages daraus, dass nach 11, 1, 2 nur der Vorhof, nicht aber das Allerheiligste des Tempels von Jerusalem in die Gewalt der Heiden gegeben ist, unmoeglich auf den damaligen Stand der Belagerung geschlossen werden; hier ist im einzelnen alles Phantasmagorie und dies gewiss entweder beliebig gegriffen oder, wenn man das vorzieht, angesponnen etwa an eine den roemischen Soldaten, die nach der Zerstoerung in Jerusalem lagerten, gegebene Order, das ehemalige Allerheiligste nicht zu betreten. Die Grundlage der Apokalypse ist unbestritten die Zerstoerung des irdischen Jerusalem und die dadurch erst gegebene Aussicht auf dessen dereinstige ideale Wiederherstellung; unmoeglich laesst sich an die Stelle der erfolgten Schleifung der Stadt die blosse Erwartung der Einnahme setzen. Wenn also es von den sieben Koepfen des Drachen heisst: basileis epta eisin. oi pente epesan, o eis estin, o allos o?p/o/ /e/lthen, kai otan elth/e/ oligon dei meinai (17, 10), so sind vermutlich die fuenf Augustus, Tiberius, Gaius, Claudius, Nero, der sechste Vespasian, der siebente unbestimmt; “das Tier, welches war und nicht ist, und selber der achte, aber aus den sieben ist”, ist natuerlich Nero. Der unbestimmte Siebente ist ungeschickt, wie so vieles in dieser grandiosen, aber widerspruchsvollen und oft sich uebel verwickelnden Phantasmagorie, ist aber hingesetzt, nicht, weil die Siebenzahl gebraucht ward, die ja leicht durch Caesar zu gewinnen war, sondern weil der Schreiber Bedenken trug, das kurze Regiment des letzten Herrschers und dessen Sturz durch den rueckkehrenden Nero unmittelbar von dem regierenden Kaiser auszusagen. Unmoeglich aber kann man, wie es nach anderen Renan tut, mit Einrechnung Caesars in dem sechsten Kaiser, “welcher ist”, Nero erkennen, der gleich nachher bezeichnet wird als der, welcher “war und nicht ist”, und in dem siebenten, welcher “noch nicht gekommen ist und nicht lange herrschen wird”, sogar den nach Renans Ansicht zur Zeit herrschenden hochbejahrten Galba. Dass dieser ueberhaupt so wenig, wie Otho und Vitellius, in eine solche Reihe gehoert, leuchtet ein.
Aber wichtiger ist es, der gangbaren Auffassung entgegenzutreten, als richte sich die Polemik gegen die Neronische Christenverfolgung und die Belagerung oder die Zerstoerung Jerusalems, waehrend sie doch durchaus ihre Spitze kehrt gegen das roemische Provinzialregiment ueberhaupt und insbesondere den Kaiserkultus. Wenn von den sieben Kaisern Nero allein (mit seinem Zahlenausdruck) genannt wird, so geschieht dies nicht, weil er der schlimmste der sieben war, sondern weil die Nennung des regierenden Kaisers unter Prophezeihung eines baldigen Endes seiner Regierung in einer publizierten Schrift ihr Bedenkliches hatte und einige Ruecksicht gegen den einen “der ist” sich auch fuer einen Propheten ziemt. Neros Name war preisgegeben, ueberdies die Legende seiner Heilung und seiner Wiederkehr in aller Munde; dadurch ist er fuer die Apokalypse der Repraesentant der roemischen Kaiserherrschaft und der Antichrist geworden. Was das Untier des Meeres und sein Ebenbild und Werkzeug, das Untier des Landes, verschulden, ist nicht die Vergewaltigung der Stadt Jerusalem (11, 2), welche nicht als ihre Missetat erscheint, sondern vielmehr als ein Stueck des Weltgerichts (wobei auch die Ruecksicht auf den regierenden Kaiser im Spiel gewesen sein kann), sondern die goettliche Verehrung, welche die Heiden dem Untier des Meeres zollen (13, 8: proskyn/e/soysin ayton pantes oi katoiko?ntes epi t/e/s g/e/s) und welche das Untier des Landes – das darum auch der Pseudoprophet heisst – fuer das des Meeres fordert und erzwingt (13, 12: :poiei t/e/n g/e/n kai to?s kateyko?ntas en ayt/e/ ina proskyn/e/soysin to th/e/rion to pr/o/ton, o? etherape?th/e/ /e/ pl/e/g/e/ t/e/s machair/e/s epi t/e/s g/e/s); vor allem wird ihm vorgerueckt das Begehren, jenem ein Bild zu machen (13, 14: leg/o/n tois katoiko?sin epi t/e/s g/e/s poi/e/sai ekonan t/o/ th/e/ri/o/ os echei t/e/n pl/e/g/e/n t/e/s machair/e/s kai ez/e/sen, vgl. 14, 9; 16, 2; 19, 20). Das ist deutlich teils das Kaiserregiment jenseits des Meeres, teils die Statthalterschaft auf dem asiatischen Kontinent, nicht dieser oder jener Provinz oder gar dieser oder jener Person, sondern die Kaiservertretung ueberhaupt, wie die Provinzialen Asiens und Syriens sie kannten. Wenn Handel und Wandel geknuepft erscheint an den Gebrauch des charagma des Untiers des Meeres (13, 16, 17), so liegt der Abscheu gegen Bild und Schrift des Kaisergeldes deutlich zugrunde, allerdings phantastisch umgestaltet, wie ja auch der Satanas das Kaiserbildnis reden macht. Eben diese Statthalter erschienen nachher (17) als die zehn Hoerner, welche dem Untier an seinem Abbild beigelegt werden, und heissen hier ganz richtig die “zehn Koenige, welche die Koenigswuerde nicht haben, aber Macht wie die Koenige”; mit der Zahl, die aus der Vision Daniels uebernommen ist, darf man es freilich nicht genau nehmen. Bei den Blutgerichten, die ueber die Gerechten ergangen sind, denkt Johannes an die regulaere Justiz wegen verweigerter Anbetung des Kaiserbildes, wie die Briefe des Plinius sie schildern (13, 15: poi/e/s/e/ ina osoi ean m/e/ proskyn/e/s/o/sin t/e/n eikona to? th/e/rioy apoktanth/o/sin; vgl. 6, 9; 20, 4). Wenn hervorgehoben wird, dass diese Blutgerichte besonders haeufig in Rom vollzogen wurden (17, 6; 18, 24), so ist damit die Vollstreckung der Verurteilung zum Fecht- oder zum Tierkampf gemeint, welche am Gerichtsort oft nicht stattfinden konnte und bekanntlich vorzugsweise eben in Rom erfolgte (Mod. dig. 48, 19, 31); die Neronischen Hinrichtungen wegen angeblicher Brandstiftung gehoeren formell nicht einmal zu den Religionsprozessen, und nur Voreingenommenheit kann das in Rom vergossene Maertyrerblut, von dem Johannes spricht, auf diese Vorgaenge ausschliesslich oder vorzugsweise beziehen. Die gangbaren Vorstellungen von den sogenannten Christenverfolgungen leiden unter der mangelhaften Anschauung der im Roemischen Reich bestehenden Rechtsnorm und Rechtspraxis; in der Tat war die Verfolgung der Christen stehend wie die der Raeuber, und kamen nur diese Bestimmungen bald milder oder auch nachlaessiger, bald schaerfer zur Anwendung, wurden auch wohl einmal von oben herab besonders eingeschaerft. Den “Krieg gegen die Heiligen” haben erst die Spaeteren, denen Johannes’ Worte nicht genuegten, hineininterpoliert (13, 7). Die Apokalypse ist ein merkwuerdiges Zeugnis des nationalen und religioesen Hasses der Juden gegen das okzidentalische Regiment; aber man verschiebt und verflacht die Tatsachen, wenn man, wie dies namentlich Renan tut, den Neronischen Schauerroman mit diesen Farben illustriert. Der juedische Volkshass wartete, um zu entstehen, nicht auf die Eroberung von Jerusalem und machte, wie billig, keinen Unterschied zwischen dem guten und dem schlechten Caesar; sein Antimessias heisst wohl Nero, aber nicht minder Vespasianus oder Marcus.
———————————————————– Die Regierung des Claudius lenkte nach beiden Seiten hin in die Bahnen des Tiberius ein. In Italien wiederholte sich zwar nicht gerade die Ausweisung der Juden, da man von der Undurchfuehrbarkeit dieser Massregel sich ueberzeugen musste, aber doch das Verbot der gemeinschaftlichen Ausuebung ihres Kultus ^20, was freilich ungefaehr auf dasselbe hinaus und wohl ebensowenig zur Durchfuehrung kam. Neben diesem Intoleranzedikt wurden im entgegengesetzten Sinn durch eine das ganze Reich umfassende Verfuegung die Juden von denjenigen oeffentlichen Verpflichtungen befreit, welche mit ihren religioesen Ueberzeugungen sich nicht vertrugen, womit namentlich hinsichtlich des Kriegsdienstes wohl nur nachgegeben ward, was auch bisher schon nicht hatte erzwungen werden koennen. Die in diesem Erlass am Schluss ausgesprochene Mahnung an die Juden, nun auch ihrerseits groessere Maessigung zu beobachten und sich der Beschimpfung Andersglaeubiger zu enthalten, zeigt, dass es auch von juedischer Seite an Ausschreitungen nicht gefehlt hatte. In Aegypten wie in Palaestina wurden die religioesen Ordnungen wenigstens im ganzen so, wie sie vor Gaius bestanden hatten, wiederum hergestellt, wenn auch in Alexandreia die Juden schwerlich alles, was sie besessen hatten, zurueck erhielten ^21; die aufstaendischen Bewegungen, die dort wie hier ausgebrochen oder doch im Ausbrechen waren, verschwanden damit von selbst. In Palaestina ging Claudius sogar ueber das System des Tiberius hinaus und ueberwies wieder das ganze ehemalige Gebiet des Herodes einem einheimischen Fuersten, eben jenem Agrippa, der zufaellig auch mit Claudius befreundet und bei den Krisen seines Antritts ihm nuetzlich geworden war. Es war sicher Claudius’ Absicht, das zur Zeit des Herodes befolgte System wieder aufzunehmen und die Gefahren der unmittelbaren Beruehrung zwischen Roemern und Juden zu beseitigen. Aber Agrippa, leichtlebig und auch als Fuerst in steter Finanzbedraengnis, uebrigens gutmuetig und mehr darauf bedacht, es seinen Untertanen als dem fernen Schutzherrn recht zu machen, gab mehrfach bei der Regierung Anstoss, zum Beispiel durch die Verstaerkung der Mauern von Jerusalem, deren Weiterfuehrung ihm untersagt ward; und die mit den Roemern haltenden Staedte Caesarea und Sebaste sowie die roemisch organisierten Truppen waren ihm abgeneigt. Als er frueh und ploetzlich im Jahre 44 starb, erschien es bedenklich, die politisch wie militaerisch wichtige Stellung seinem einzigen, siebzehnjaehrigen Sohn zu uebertragen, und die eintraeglichen Prokurationen aus der Hand zu geben, entschlossen die Maechtigen des Kabinetts sich auch nicht gern. Die Claudische Regierung hatte hier, wie anderswo, das Richtige gefunden, aber nicht die Energie, dasselbe von Nebenruecksichten absehend durchzufuehren. Ein juedischer Fuerst mit juedischen Soldaten konnte das Regiment in Judaea fuer die Roemer handhaben; der roemische Beamte und die roemischen Soldaten verletzten wahrscheinlich noch oefter durch Unkunde der juedischen Anschauungen als durch absichtliches Zuwiderhandeln, und was sie immer beginnen mochten, von ihnen war es den Glaeubigen ein Aergernis und der gleichgueltigste Vorgang ein Religionsfrevel. Die Forderung, sich gegenseitig zu verstehen und zu vertragen, war nach beiden Seiten hin ebenso gerechtfertigt an sich wie die Ausfuehrung unmoeglich. Vor allen Dingen aber war ein Konflikt zwischen dem juedischen Landesherrn und seinen Untertanen fuer das Reich ziemlich indifferent; jeder Konflikt zwischen den Roemern und den Juden in Jerusalem erweiterte den Abgrund, der sich zwischen den Voelkern des Okzidents und den mit ihnen zusammenlebenden Hebraeern auftat; und nicht in den Haendeln Palaestinas, sondern in der Unvertraeglichkeit der vom Schicksal nun doch einmal zusammengekoppelten Reichsgenossen verschiedener Nationalitaet lag die Gefahr. —————————————————- ^20 Dass Suetonius (Claud. 25) als Anstifter der bestaendigen Unruhen in Rom, die diese Massregel (nach ihm die Ausweisung aus Rom; im Gegensatz zu Dio 60, 6) zunaechst hervorgerufen haetten, einen gewissen Chrestus nennt, ist aufgefasst worden als Missverstaendnis der durch Christus unter Juden und Judengenossen hervorgerufenen Bewegung, ohne zureichenden Grund. Die Apostelgeschichte (18, 2) spricht nur von Ausweisung der Juden. Allerdings ist es nicht zu bezweifeln dass bei der damaligen Stellung der Christen zum Judentum auch sie unter das Edikt fielen.
^21 Wenigstens scheinen die Juden daselbst spaeter nur das vierte der fuenf Stadtquartiere in Besitz gehabt zu haben (Ios. bel. Iud. 2, 18, 8). Auch wuerden wohl, wenn die geschleiften 400 Haeuser ihnen in so eklatanter Weise wieder zurueckgegeben worden waeren, die alle den Juden erwiesenen kaiserlichen Beguenstigungen betonenden juedischen Schriftsteller Philon und Josephus darueber nicht schweigen.
—————————————————- So trieb das Schiff unaufhaltsam in den Strudel hinein. Bei dieser unseligen Fahrt halfen alle Beteiligten, die roemische Regierung und ihre Verwalter, die juedischen Behoerden und das juedische Volk. Die erstere bewies freilich fortwaehrend den Willen, allen billigen und unbilligen Anspruechen der Juden so weit wie moeglich entgegenzukommen. Als im Jahre 44 der Prokurator wieder in Jerusalem eintraf, wurde die Ernennung des Hohenpriesters und die Verwaltung des Tempelschatzes, die mit dem Koenigtum und insofern auch mit der Prokuratur verbunden waren, ihm abgenommen und einem Bruder des verstorbenen Koenigs Agrippa, dem Koenig Herodes von Chalkis, sowie nach dessen Tode im Jahre 48 seinem Nachfolger, dem schon genannten juengeren Agrippa, uebertragen. Einen roemischen Soldaten, der bei der befohlenen Pluenderung eines juedischen Dorfes eine Thorarolle zerrissen hatte, liess der roemische Oberbeamte auf die Klage der Juden hin hinrichten. Selbst die hoeheren Beamten traf nach Umstaenden die ganze Schwere der roemischen Kaiserjustiz; als zwei nebeneinander fungierende Prokuratoren bei dem Hader der Samariter und der Galilaeer sich fuer und wider beteiligt und ihre Soldaten gegeneinander gefochten hatten, wurde der kaiserliche Statthalter von Syrien, Ummidius Quadratus, mit ausserordentlicher Vollmacht nach Palaestina geschickt, um zu strafen und zu richten, und in der Tat der eine der Schuldigen in die Verbannung gesandt, ein roemischer Kriegstribun namens Celer in Jerusalem selbst oeffentlich enthauptet. Aber neben diesen Exempeln der Strenge stehen andere der mitschuldigen Schwaeche; in eben diesem Prozess entging der zweite mindestens ebenso schuldige Prokurator Antonius Felix der Bestrafung, weil er der Bruder des maechtigen Bedienten Pallas war und der Gemahl der Schwester des Koenigs Agrippa. Mehr noch als die Amtsmissbraeuche einzelner Verwalter muss es der Regierung zur Last gelegt werden, dass sie die Beamtenmacht und die Truppenzahl in einer so beschaffenen Provinz nicht verstaerkte und fortfuhr, die Besatzung fast ausschliesslich aus der Provinz zu rekrutieren. Unbedeutend wie die Provinz war, war es eine arge Kopflosigkeit und eine uebel angebrachte Sparsamkeit, sie nach der hergebrachten Schablone zu behandeln; rechtzeitige Entfaltung einer erdrueckenden Uebermacht und unnachsichtige Strenge, ein Statthalter hoeheren Ranges und ein Legionslager haetten der Provinz wie dem Reiche grosse Opfer an Geld und Blut und Ehre erspart.
Aber mindestens nicht geringer ist die Schuld der Juden. Das Hohenpriesterregiment, so weit es reichte – und die Regierung war nur zu geneigt, in allen inneren Angelegenheiten ihm freie Hand zu lassen -, ist, auch nach den juedischen Berichten, zu keiner Zeit so gewalttaetig und nichtswuerdig gefuehrt worden wie in der von Agrippas Tod bis zum Ausbruch des Krieges. Der bekannteste und einflussreichste dieser Priesterherrscher ist Ananias, des Nebedaeus Sohn, die “uebertuenchte Wand”, wie Paulus ihn nannte, als dieser geistliche Richter seine Schergen ihn auf den Mund schlagen hiess, weil er sich vor dem Gericht zu verteidigen wagte. Es wird ihm zur Last gelegt, dass er den Statthalter bestach und dass er durch entsprechende Interpretation der Schrift den niedrigen Geistlichen die Zehntgarben entfremdete ^22. Als einer der Hauptanstifter des Krieges zwischen den Samaritern und den Galilaeern hat er vor dem roemischen Richter gestanden. Nicht weil die ruecksichtslosen Fanatiker in den herrschenden Kreisen ueberwogen, sondern weil diesen Anzettlern der Volksauflaeufe und Anordnern der Ketzergerichte die moralische und religioese Autoritaet abging, wodurch die Gemaessigten in besseren Zeiten die Menge gelenkt hatten, und weil sie die Nachgiebigkeit der roemischen Behoerden in den inneren Angelegenheiten missverstanden und missbrauchten, vermochten sie es nicht, zwischen der Fremdherrschaft und der Nation in friedlichem Sinn zu vermitteln. Eben unter ihrem Schalten wurden die roemischen Behoerden mit den wildesten und unvernuenftigsten Forderungen bestuermt und kam es zu Volksbewegungen von grausiger Laecherlichkeit. Der Art ist jene Sturmpetition, welche das Blut eines roemischen Soldaten wegen einer zerrissenen Gesetzrolle verlangte und erhielt. Ein anderes Mal entstand ein Volksauflauf, der vielen Menschen das Leben kostete, weil ein roemischer Soldat dem Tempel einen Koerperteil in unschicklicher Entbloessung gezeigt hatte. Auch der beste der Koenige haette dergleichen Wahnwitz nicht unbedingt abwenden koennen; aber selbst der geringste Fuerst wuerde der fanatischen Menge nicht so voellig steuerlos gegenuebergestanden haben, wie diese Priester. —————————————————- ^22 Es handelte sich, wie es scheint, darum, ob die Gabe der zehnten Garbe an Aaron den Priester (Num. 18, 28), dem Priester ueberhaupt oder dem Hohenpriester zukomme (H. Ewald; Geschichte des Volkes Israel. 3. Aufl. Goettingen 1864-68. Bd. 6, S. 635).
—————————————————- Das eigentliche Ergebnis war das stetige Anschwellen der neuen Makkabaeer. Man hat sich gewoehnt, den Ausbruch des Krieges in das Jahr 66 zu setzen; mit gleichem und vielleicht besserem Recht koennte man dafuer das Jahr 44 nennen. Seit dem Tode Agrippas haben die Waffen in Judaea nicht geruht, und neben den oertlichen Fehden, die Juden und Juden miteinander ausfechten, geht bestaendig der Krieg her der roemischen Truppen gegen die ausgetretenen Leute in den Gebirgen, die Eifrigen, wie die Juden sie nannten, nach roemischer Bezeichnung die Raeuber. Die Benennungen trafen beide zu; auch hier spielten neben den Fanatikern die verkommenen oder verkommenden Elemente der Gesellschaft ihre Rolle – war es doch nach dem Sieg einer der ersten Schritte der Zeloten, die im Tempel bewahrten Schuldbriefe zu verbrennen. Jeder der tuechtigeren Prokuratoren, von dem ersten Cuspius Fadus an, saeubert von ihnen das Land, und immer ist die Hydra gewaltiger wieder da. Fadus’ Nachfolger Tiberius Julius Alexander, selbst einer juedischen Familie entsprossen, ein Neffe des oben genannten alexandrinischen Gelehrten Philon, liess zwei Soehne Judas’ des Galilaeers, Jakob und Simon, an das Kreuz schlagen; das war der Same des neuen Mattathias. Auf den Gassen der Staedte predigten die Patrioten laut den Krieg, und nicht wenige folgten in die Wueste; den Friedfertigen aber und Verstaendigen, die sich weigerten mitzutun, zuendeten diese Banden die Haeuser an. Griffen die Soldaten dergleichen Banditen auf, so fuehrten sie wieder angesehene Leute als Geiseln in die Berge; und sehr oft verstand die Behoerde sich dazu, jene zu entlassen, um diese zu befreien. Gleichzeitig begannen in der Hauptstadt die “Messermaenner” ihr unheimliches Handwerk; sie mordeten wohl auch um Geld – als ihr erstes Opfer wird der Priester Jonathan genannt, als ihr Auftraggeber dabei der roemische Prokurator Felix -, aber womoeglich zugleich als Patrioten roemische Soldaten oder roemisch gesinnte Landsleute. Wie haetten bei diesen Stimmungen die Wunder und Zeichen ausbleiben sollen und diejenigen, die betrogen oder betruegend die Massen damit fanatisierten? Unter Cuspius Fadus fuehrte der Wundermann Theudas seine Getreuen dem Jordan zu, versichernd, dass die Wasser vor ihnen sich spalten wuerden und die nachsetzenden roemischen Reiter verschlingen, wie zu den Zeiten des Koenigs Pharao. Unter Felix verhiess ein anderer Wundertaeter, nach seiner Heimat der Aegypter genannt, dass die Mauern Jerusalems einstuerzen wuerden, wie auf Josuas Posaunenstoss die von Jericho; und daraufhin folgten ihm 4000 Messermaenner bis auf den Oelberg. Eben in der Unvernunft lag die Gefahr. Die grosse Masse der juedischen Bevoelkerung waren kleine Bauern, die im Schweisse ihres Angesichts ihre Felder pfluegten und ihr Oel pressten, mehr Dorfleute als Staedter, von geringer Bildung und gewaltigem Glauben, eng verwachsen mit den Freischaren in den Gebirgen und voll Ehrfurcht vor Jehova und seinen Priestern in Jerusalem wie voll Abscheu gegen die unreinen Fremden. Der Krieg war da, nicht ein Krieg zwischen Macht und Macht um die Uebergewalt, nicht einmal eigentlich ein Krieg der Unterdrueckten gegen die Unterdruecker um Wiedergewinnung der Freiheit; nicht verwegene Staatsmaenner ^23, fanatische Bauern haben ihn begonnen und gefuehrt und mit ihrem Blute bezahlt. Es ist eine weitere Etappe in der Geschichte des nationalen Hasses; auf beiden Seiten schien das fernere Zusammenleben unmoeglich und begegnete man sich in dem Gedanken der gegenseitigen Ausrottung. —————————————————- ^23 Es ist nichts als eitel Schwindel, wenn der Staatsmann Josephus in der Vorrede zu seiner Geschichte des Krieges so tut, als haetten die Juden Palaestinas einerseits auf die Erhebung der Euphratlaender, andererseits auf die Unruhen in Gallien und die drohende Haltung der Germanen und auf die Krisen des Vierkaiserjahres gerechnet. Der Juedische Krieg war laengst in vollem Gange, als Vindex gegen Nero auftrat und die Druiden wirklich taten, was hier den Rabbis beigelegt wird; und wieviel auch die juedische Diaspora in den Euphratlaendern bedeutete, eine juedische Expedition von dort gegen die Roemer des Ostens war ungefaehr ebenso undenkbar wie aus Aegypten und Kleinasien. Es sind wohl einige Freischaerler von da gekommen, wie zum Beispiel einige Fuerstensoehne des eifrig juedischen Koenigshauses von Adiabene (Ios. bel. Iud. 2, 19, 2; 6, 6, 4) und von den Insurgenten Bittgesandtschaften dorthin gegangen (das. 6, 6, 2); aber selbst Geld ist von daher den Juden schwerlich in bedeutendem Umfang zugeflossen. Dies charakterisiert den Verfasser mehr als den Krieg. Wenn es begreiflich ist, dass der juedische Insurgentenfuehrer und spaetere Hofmann der Flavier sich gern den in Rom internierten Parthern gleichstellte so ist es weniger zu entschuldigen, dass die neuere Geschichtschreibung aehnliche Wege wandelt und, indem sie diese Vorgaenge als Bestandteile der roemischen Hof- und Stadtgeschichte oder auch der roemisch-parthischen Haendel aufzufassen bemueht ist, durch dieses stumpfe Hineinziehen der sogenannten grossen Politik die furchtbare Notwendigkeit dieser tragischen Entwicklung verdunkelt.
—————————————————- Die Bewegung, durch welche die Auflaeufe zum Krieg wurden, ging von Caesarea aus. In dieser urspruenglich griechischen, dann von Herodes nach dem Muster der Alexanderkolonien umgeschaffenen und zur ersten Hafenstadt Palaestinas entwickelten Stadtgemeinde wohnten Griechen und Juden, ohne Unterschied der Nation und der Konfession buergerlich gleichberechtigt, die letzteren an Zahl und Besitz ueberlegen. Aber die Hellenen daselbst, nach dem Muster der Alexandriner und ohne Zweifel unter dem unmittelbaren Eindruck der Vorgaenge des Jahres 38, bestritten im Wege der Beschwerde bei der obersten Stelle den juedischen Gemeindegenossen das Buergerrecht. Der Minister Neros ^24, Burrus (+ 62), gab ihnen Recht. Es war arg, in einer auf juedischem Boden und von einer juedischen Regierung geschaffenen Stadt das Buergerrecht zum Privilegium der Hellenen zu machen; aber es darf nicht vergessen werden, wie sich die Juden gegen die Roemer eben damals verhielten, und wie nahe sie es den Roemern legten, die roemische Hauptstadt und das roemische Hauptquartier der Provinz in eine rein hellenische Stadtgemeinde umzuwandeln. Die Entscheidung fuehrte, wie begreiflich, zu heftigen Strassentumulten, wobei hellenischer Hohn und juedischer Uebermut namentlich in dem Kampf um den Zugang zur Synagoge sich ungefaehr die Waage gehalten zu haben scheinen; die roemischen Behoerden griffen ein, selbstverstaendlich zu Ungunsten der Juden. Diese verliessen die Stadt, wurden aber von dem Statthalter genoetigt zurueckzukehren und dann in einem Strassenauflauf saemtlich erschlagen (6. August 66). Dies hatte die Regierung allerdings nicht befohlen und sicher auch nicht gewollt; es waren Maechte entfesselt, denen sie selbst nicht mehr zu gebieten vermochte. ———————————————————— ^24 Josephus (ant. Iud. 20, 8, 9) macht ihn freilich zum Sekretaer Neros fuer die griechische Korrespondenz, obwohl er ihn, wo er roemischen Quellen folgt (20, 8, 2), richtig als Praefekten bezeichnet; aber sicher ist derselbe gemeint. Paidag/o/gos heisst er bei ihm wie bei Tac. ann. 13, 2 rector imperatoriae iuventae.
———————————————————— Wenn hier die Judenfeinde die Angreifenden waren, so waren dies in Jerusalem die Juden. Allerdings versichern deren Vertreter in der Erzaehlung dieser Vorgaenge, dass der derzeitige Prokurator von Palaestina, Gessius Florus, um der Anklage wegen seiner Missverwaltung zu entgehen, durch das Uebermass der Peinigung eine Insurrektion habe hervorrufen wollen; und es ist kein Zweifel, dass die damaligen Statthalter in Nichtswuerdigkeit und Bedrueckung das uebliche Mass betraechtlich ueberschritten. Aber wenn Florus einen solchen Plan in der Tat verfolgt hat, so misslang er. Denn nach eben diesen Berichten beschwichtigten die Besonnenen und Besitzenden unter den Juden und mit ihnen der mit dem Tempelregiment betraute und eben damals in Jerusalem anwesende Koenig Agrippa II. – er hatte inzwischen die Herrschaft von Chalkis mit derjenigen von Batanaea vertauscht -, die Massen insoweit, dass die Zusammenrottungen und das Einschreiten dagegen sich innerhalb des seit Jahren landesueblichen Masses hielten. Aber gefaehrlicher als der Strassenunfug und die Raeuberpatrioten der Gebirge waren die Fortschritte der juedischen Theologie. Das fruehere Judentum hatte in liberaler Weise den Fremden die Pforten seines Glaubens geoeffnet; es wurden zwar in den inneren Tempel nur die eigentlichen Religionsgenossen, aber als Proselyten des Tores in die aeusseren Hallen jeder ohne weiteres zugelassen und auch dem Nichtjuden gestattet, hier zum Herrn Jehova seinerseits zu beten und Opfer darzubringen. So wurde, wie schon erwaehnt ward, auf Grund einer Stiftung des Augustus taeglich daselbst fuer den roemischen Kaiser geopfert. Diese Opfer von Nichtjuden untersagte der derzeitige Tempelmeister, des oben genannten Erzpriesters Ananias Sohn Eleazar, ein junger, vornehmer, leidenschaftlicher Mann, persoenlich unbescholten und brav und insofern der volle Gegensatz seines Vaters, aber durch seine Tugenden gefaehrlicher als dieser durch seine Laster. Vergeblich wies man ihm nach, dass dies ebenso beleidigend fuer die Roemer wie gefaehrlich fuer das Land und dem Herkommen schlechterdings zuwider sei; es blieb bei der verbesserten Froemmigkeit und der Ausschliessung des Landesherrn vom Gottesdienst. Seit langem hatte das glaeubige Judentum sich gespalten in diejenigen, die ihr Vertrauen auf den Herrn Zebaoth allein setzten und die Roemerherrschaft ertrugen, bis es ihm gefallen werde, das Himmelreich auf Erden zu verwirklichen, und in die praktischeren Maenner, welche dieses Himmelreich mit eigener Hand zu begruenden entschlossen waren und des Beistandes des Herrn der Heerscharen bei dem frommen Werke sich versichert hielten, oder, mit den Schlagwoertern, in die Pharisaeer und die Zeloten. Die Zahl und das Ansehen der letzteren war in bestaendigem Steigen. Es wurde ein alter Spruch entdeckt, dass um diese Zeit ein Mann von Judaea ausgehen werde und die Weltherrschaft gewinnen; man glaubte das um so eher, weil es so sehr absurd war und das Orakel trug nicht wenig dazu bei, die Massen weiter zu fanatisieren. Die gemaessigte Partei erkannte die Gefahr und entschloss sich, die Fanatiker mit Gewalt niederzuschlagen; sie bat um Truppen bei den Roemern in Caesarea und bei Koenig Agrippa. Von dort kam keine Unterstuetzung; Agrippa sandte eine Anzahl Reiter. Dagegen stroemten die Patrioten und die Messermaenner in die Stadt, unter ihnen der wildeste, Manahem, auch einer der Soehne des oft genannten Judas von Galilaea. Sie waren die Staerkeren und bald Herren in der Stadt. Auch die Handvoll roemischer Soldaten, welche die an den Tempel anstossende Burg besetzt hielten, wurde rasch ueberwaeltigt und niedergemacht. Der benachbarte Koenigspalast, mit den dazugehoerigen gewaltigen Tuermen, wo der Anhang der Gemaessigten, eine Anzahl Roemer unter dem Tribunen Metilius und die Soldaten des Agrippa lagen, hielt ebensowenig stand. Den letzteren wurde auf ihr Verlangen zu kapitulieren der freie Abzug bewilligt, den Roemern aber verweigert; als sie sich endlich gegen Zusicherung des Lebens ergaben, wurden sie erst entwaffnet und dann niedergemacht mit einziger Ausnahme des Offiziers, der sich beschneiden zu lassen versprach und so als Jude begnadigt ward. Auch die Fuehrer der Gemaessigten, unter ihnen der Vater und der Bruder Eleazars, wurden die Opfer der Volkswut, die den Roemergenossen noch grimmiger grollte als den Roemern. Eleazar selbst erschrak vor seinem Siege; zwischen den beiden Fuehrern der Fanatiker, ihm und Manahem, kam es nach dem Sieg, vielleicht wegen der gebrochenen Kapitulation, zum blutigen Handgemenge; Manahem wurde gefangen und hingerichtet. Aber die heilige Stadt war frei und das in Jerusalem lagernde roemische Detachement vernichtet; die neuen Makkabaeer hatten gesiegt wie die alten.
So hatten, angeblich am selben Tag, dem 6. August 66, die Nichtjuden in Caesarea die Juden, die Juden in Jerusalem die Nichtjuden niedergemetzelt; und damit war nach beiden Seiten hin das Signal gegeben, in diesem patriotischen und gottgefaelligen Werke fortzufahren. In den benachbarten griechischen Staedten entledigten sich die Hellenen der Judenschaften nach dem Muster von Caesarea. Beispielsweise wurden in Damaskos saemtliche Juden zunaechst ins Gymnasium gesperrt und auf die Kunde von einem Misserfolg der roemischen Waffen vorsichtigerweise saemtlich umgebracht. Gleiches oder aehnliches geschah in Askalon, in Skytopolis, Hippos, Gadara, ueberall, wo die Hellenen die Staerkeren waren. In dem ueberwiegend von Syrern bewohnten Gebiet des Koenigs Agrippa rettete dessen energisches Dazwischentreten den Juden von Caesarea Paneas und sonst das Leben. In Syrien folgten Ptolemais, Tyros und mehr oder minder die uebrigen griechischen Gemeinden; nur die beiden groessten und zivilisiertesten Staedte Antiocheia und Apameia sowie Sidon schlossen sich aus. Dem ist es wohl zu verdanken, dass diese Bewegung sich nicht nach Vorderasien fortpflanzte. In Aegypten kam es nicht bloss zu einem Volksauflauf, der zahlreiche Opfer forderte, sondern die alexandrinischen Legionen selbst mussten auf die Juden einhauen. Im notwendigen Rueckschlag dieser Judenvesper ergriff die in Jerusalem siegreiche Insurrektion sofort ganz Judaea und organisierte sich ueberall unter aehnlicher Misshandlung der Minoritaeten, uebrigens aber mit Raschheit und Energie.
Es war notwendig, schleunigst einzuschreiten und die weitere Ausbreitung des Brandes zu verhindern; auf die erste Kunde marschierte der roemische Statthalter von Syrien, Gaius Cestius Gallus, mit seinen Truppen gegen die Insurgenten. Er fuehrte etwa 20000 Mann roemischer Soldaten und 13000 der Klientelstaaten heran, ungerechnet die zahlreichen syrischen Milizen, nahm Joppe ein, dessen ganze Buergerschaft niedergemacht ward, und stand schon im September vor, ja in Jerusalem selbst. Aber die gewaltigen Mauern des Koenigspalastes und des Tempels vermochte er nicht zu brechen und nutzte ebensowenig die mehrfach gebotene Gelegenheit, durch die gemaessigte Partei in den Besitz der Stadt zu gelangen. Ob nun die Aufgabe unloesbar oder er ihr nicht gewachsen war, er gab bald die Belagerung auf und erkaufte sogar den beschleunigten Rueckzug mit der Aufopferung seines Gepaecks und seiner Nachhut. Zunaechst blieb also oder kam Judaea mit Einschluss von Idumaea und Galilaea in die Hand der erbitterten Juden; auch die samaritanische Landschaft ward zum Anschluss genoetigt. Die ueberwiegend hellenischen Kuestenstaedte Anthedon und Gaza wurden zerstoert, Caesarea und die anderen Griechenstaedte mit Muehe behauptet. Wenn der Aufstand nicht ueber die Grenzen Palaestinas hinausging, so war daran nicht bloss die Regierung Schuld, sondern die nationale Abneigung der Syrohellenen gegen die Juden.
Die Regierung in Rom nahm die Dinge ernst, wie sie es waren. Anstatt des Prokurators wurde ein kaiserlicher Legat nach Palaestina gesandt, Titus Flavius Vespasianus, ein besonnener Mann und ein erprobter Soldat. Er erhielt fuer die Kriegfuehrung zwei Legionen des Westens, welche infolge des Parthischen Krieges sich zufaellig noch in Asien befanden, und diejenige syrische, die bei der ungluecklichen Expedition des Cestius am wenigsten gelitten hatte, waehrend die syrische Armee unter dem neuen Statthalter Gaius Licinius Mucianus – Gallus war rechtzeitig gestorben – durch Zuteilung einer anderen Legion auf dem Stande blieb, den sie vorher hatte ^25. Zu diesen Buergertruppen und deren Auxilien kam die bisherige Besatzung von Palaestina, endlich die Mannschaften der vier Klientelkoenige der Kommagener, der Hemesener, der Juden und der Nabataeer, zusammen etwa 50000 Mann, darunter 15000 Koenigssoldaten ^26. Im Fruehling des Jahres 67 wurde dieses Heer bei Ptolemais zusammengezogen und rueckte in Palaestina ein. Nachdem die Insurgenten von der schwachen roemischen Besatzung der Stadt Askalon nachdruecklich abgewiesen waren, hatten sie nicht weiter die Staedte angegriffen, die es mit den Roemern hielten; die Hoffnungslosigkeit, welche die ganze Bewegung durchdringt, drueckt sich aus in dem sofortigen Verzicht auf jede Offensive. Als dann die Roemer zum Angriff uebergingen, traten sie ihnen gleichfalls nirgends im offenen Felde entgegen, ja sie machten nicht einmal Versuche, den einzelnen angegriffenen Plaetzen Entsatz zu bringen. Allerdings teilte auch der vorsichtige Feldherr der Roemer seine Truppen nicht, sondern hielt wenigstens die drei Legionen durchaus zusammen. Dennoch war, da in den meisten einzelnen Ortschaften die oft wohl nur kleine Zahl der Fanatiker die Buergerschaften terrorisierte, der Widerstand hartnaeckig und die roemische Kriegfuehrung weder glaenzend noch rasch. Vespasian verwendete den ganzen ersten Feldzug (67) darauf, die Festungen der kleinen Landschaft Galilaea und die Kueste bis nach Askalon in seine Gewalt zu bringen; allein vor dem Staedtchen Jotapata lagerten die drei Legionen fuenfundvierzig Tage. Den Winter 67/68 lag eine Legion in Skytopolis an der Suedgrenze von Galilaea, die beiden anderen in Caesarea. Inzwischen waren in Jerusalem die verschiedenen Faktionen aneinandergeraten und lagen im heftigsten Kampf; die guten Patrioten, die zugleich fuer buergerliche Ordnung waren, und die noch besseren, welche das Schreckensregiment teils in fanatischer Spannung, teils in Gesindellust herbeifuehren und ausnutzen wollten, schlugen sich in den Gassen der Stadt und waren nur darin einig, dass jeder Versuch der Versoehnung mit den Roemern ein todeswuerdiges Verbrechen sei. Der roemische Feldherr, vielfach aufgefordert, diese Zerruettung zu benutzen, blieb dabei, nur schrittweise vorzugehen. Im zweiten Kriegsjahr liess er zunaechst das transjordanische Gebiet, namentlich die wichtigen Staedte Gadara und Gerasa besetzen und setzte sich dann bei Emmaus und Jericho, von wo aus er im Sueden Idumaea, im Norden Samaria okkupieren liess, so dass Jerusalem im Sommer des Jahres 68 von allen Seiten umstellt war. Die Belagerung sollte eben beginnen, als die Nachricht von dem Tode Neros eintraf. Damit war von Rechts wegen das dem Legaten erteilte Mandat erloschen und Vespasian stellte in der Tat, politisch nicht minder vorsichtig wie militaerisch, bis auf neue Verhaltungsbefehle die Operationen ein. Bevor diese von Galba eintrafen, war die gute Jahreszeit zu Ende. Als das Fruehjahr 69 herankam, war Galba gestuerzt und schwebte die Entscheidung zwischen dem Kaiser der roemischen Leibgarde und dem der Rheinarmee. Erst nach Vitellius’ Sieg, im Juni 69, nahm Vespasian die Operationen wieder auf und besetzte Hebron; aber sehr bald kuendigten die saemtlichen Heere des Ostens jenem die Treue auf und riefen den bisherigen Legaten von Judaea zum Kaiser aus. Den Juden gegenueber wurden zwar die Stellungen bei Emmaus und Jericho behauptet, allein wie die germanischen Legionen den Rhein entbloesst hatten, um ihren Feldherrn zum Kaiser zu machen, so ging auch der Kern der Armee von Palaestina teils mit dem Legaten von Syrien, Mucianus, nach Italien ab, teils mit dem neuen Kaiser und dessen Sohn Titus nach Syrien und weiter nach Aegypten, und erst, nachdem Ende 69 der Sukzessionskrieg beendigt und Vespasians Herrschaft im ganzen Reiche anerkannt war, beauftragte dieser seinen Sohn mit der Beendigung des Juedischen Krieges. —————————————————- ^25 Wie die Besatzungsverhaeltnisse in Syrien geordnet worden sind, nachdem im Jahre 63 der Parthische Krieg beendigt war, ist nicht voellig klar. Am Ende desselben standen sieben Legionen im Orient, die vier urspruenglich syrischen 3. Gallica, 6. Ferrata, 10. Fretensis, 12. Fulminata und drei aus dem Okzident herangefuehrte, die 4. Scythica aus Moesien, die 5. Macedonica wahrscheinlich ebendaher (wofuer wohl eine obergermanische Legion nach Moesien ging, die 15. Apollinaris aus Pannonien. Da ausser Syrien damals keine asiatische Provinz mit Legionen belegt war und der Statthalter von Syrien gewiss in Friedenszeiten nie mehr als vier Legionen gehabt hat, so ist das syrische Heer ohne Zweifel damals auch auf diesen Stand zurueckgefuehrt worden oder hat doch darauf zurueckgefuehrt werden sollen. Die vier Legionen, die danach in Syrien bleiben sollten, waren, wie dies ja auch am naechsten liegt, die vier alten syrischen; denn die 3. war im Jahre 70 eben von Syrien nach Moesien marschiert (Suet. Vesp. 6; Tac. hist. 2, 74) und dass die 6., 10., 12. zum Heere des Cestius gehoerten, folgt aus Ios. bel. Iud. 2, 18, 9; 19, 7; 7, 1, 3. Als dann der Juedische Krieg ausbrach, wurden wieder sieben Legionen fuer Asien bestimmt und zwar vier fuer Syrien (Tac. hist. 1, 10), drei fuer Palaestina; die drei hinzutretenden Legionen sind eben die fuer den Parthischen Krieg verwendeten, die 4., 5., 15., welche vielleicht damals noch auf dem Rueckmarsch in ihre alten Quartiere begriffen waren. Die 4. ist wahrscheinlich damals definitiv nach Syrien gekommen wo sie fortan geblieben ist; dagegen gab das syrische Heer die 10. an Vespasian ab, vermutlich, weil diese bei dem Feldzuge des Cestius am wenigsten gelitten hatte. Dazu bekam er die 5. und die 15. Die 5. und die 10. Legion kamen von Alexandreia (Ios. bel. Iud. 3, 1, 3; 4, 2); aber dass sie aus Aegypten herangefuehrt seien, ist nicht gut denkbar, nicht bloss weil die 10. eine der syrischen war, sondern vor allem, weil der Landmarsch von Alexandreia am Nil nach Ptolemais mitten durch das insurgierte Gebiet am Anfang des Juedischen Krieges so von Josephus nicht haette erzaehlt werden koennen. Vielmehr ging Titus zu Schiff von Achaia nach Alexandreia am Issischen Meerbusen, dem heutigen Alexandrette, und fuehrte die beiden Legionen von da nach Ptolemais. Die 15. mag der Marschbefehl irgendwo in Kleinasien getroffen haben, da Vespasian, doch wohl, um sie zu uebernehmen, nach Syrien zu Lande ging (Ios. bel. Iud. 3, 1 u. 3). Zu diesen drei Legionen, mit denen Vespasian den Krieg begann, kam unter Titus noch eine weitere der syrischen, die 12. Von den vier Legionen, die Jerusalem einnahmen, blieben die beiden bisher syrischen im Orient, die 10. in Judaea, die 12. in Kappadokien, waehrend die 5. nach Moesien, die 15. nach Pannonien zurueckkehrte (Ios. bel. Iud. 7, 1, 3; 5, 3). ^26 Zu den drei Legionen gehoerten fuenf Alen und achtzehn Kohorten und das aus einer Ala und fuenf Kohorten bestehende Heer von Palaestina. Diese Auxilien zaehlten demnach 3000 Alarier und (da unter den 23 Kohorten zehn 1000 Mann stark waren, dreizehn 720 Mann oder wohl eher nur 480 Mann; denn statt des befremdenden exakosioys erwartet man vielmehr triakosioys exakonta) 16240 (oder, wenn 720 festgehalten wird, 19360) Kohortalen. Dazu kamen je 1000 Reiter der vier Koenige und 5000 arabische, je 2000 Bogenschuetzen der uebrigen drei Koenige. Dies gibt zusammen, die Legion zu 6000 Mann gerechnet, 52240 Mann, also gegen 60000, wie Josephus (bel. Iud. 3, 4, 2) sagt. Da die Abteilungen aber also alle nach der hoechstmoeglichen Normalstaerke berechnet sind, wird die effektive Gesamtzahl kaum auf 50000 angesetzt werden duerfen. Diese Zahlen des Josephus erscheinen im wesentlichen zuverlaessig ebenso wie die analogen fuer das Heer des Cestius (bel. Iud. 2, 18, 9); dagegen sind seine auf Schaetzung beruhenden Ziffern durchgaengig nach dem Stil bemessen, dass das kleinste Dorf in Galilaea 15000 Einwohner zaehlt (bel. Iud. 3, 3, 2) und geschichtlich so unbrauchbar wie die Ziffern Falstaffs. Nur selten, zum Beispiel bei der Belagerung Jotapatas, erkennt man Rapportzahlen.
—————————————————- So hatten die Insurgenten in Jerusalem vom Sommer 66 bis zum Fruehling 70 voellig freies Schalten. Was die Vereinigung von religioesem und nationalem Fanatismus, das edle Verlangen, den Sturz des Vaterlandes nicht zu ueberleben und das Bewusstsein begangener Verbrechen und unausbleiblicher Strafe, das wilde Durcheinanderwogen aller edelsten und aller gemeinsten Leidenschaften in diesen vier Jahren des Schreckens ueber die Nation gebracht hat, wird dadurch vor allem entsetzlich, dass die Fremden dabei nur die Zuschauer gewesen sind, unmittelbar alles Unheil durch Juden ueber Juden gekommen ist. Die gemaessigten Patrioten wurden von den Eiferern mit Hilfe des Aufgebotes der rohen und fanatischen Bewohner der idumaeischen Doerfer bald (Ende 68) ueberwaeltigt und ihre Fuehrer erschlagen. Die Eiferer herrschten seitdem und es loesten sich alle Bande buergerlicher, religioeser und sittlicher Ordnung. Den Sklaven wurde die Freiheit gewaehrt, die Hohenpriester durch das Los bestellt, die Ritualgesetze eben von diesen Fanatikern, deren Kastell der Tempel war, mit Fuessen getreten und verhoehnt, die Gefangenen in den Kerkern niedergemacht und bei Todesstrafe untersagt, die Umgebrachten zu bestatten. Die verschiedenen Fuehrer fochten mit ihren Sonderhaufen gegeneinander: Johannes von Giskala mit seiner aus Galilaea herangefuehrten Schar; Simon, des Gioras Sohn, aus Gerasa, der Fuehrer einer in dem Sueden gebildeten Patriotenschar und zugleich der gegen Johannes sich auflehnenden Idumaeer; Eleazar, Simons Sohn, einer der Vorkaempfer gegen Cestius Gallus. Der erste behauptete sich in der Tempelhalle, der zweite in der Stadt, der dritte im Allerheiligsten des Tempels, und taeglich ward in den Strassen der Stadt zwischen Juden und Juden gefochten. Die Eintracht kam einzig durch den gemeinsamen Feind; als der Angriff begann, stellte sich Eleazars kleine Schar unter die Befehle des Johannes, und obwohl Johannes im Tempel, Simon in der Stadt fortfuhren, die Herren zu spielen, stritten sie, unter sich hadernd, Schulter an Schulter gegen die Roemer. Die Aufgabe auch fuer die Angreifer war nicht leicht. Zwar genuegte das Heer, das anstatt der nach Italien entsendeten Detachements bedeutenden Zuzug aus den aegyptischen und den syrischen Truppen erhalten hatte, fuer die Einschliessung vollauf; und trotz der langen Frist, welche den Juden gewaehrt worden war, um sich auf die Belagerung vorzubereiten, waren die Vorraete unzureichend, um so mehr, als ein Teil derselben in den Strassenkaempfen zugrunde gegangen war und, da die Belagerung um das Passahfest begann, zahlreiche deswegen nach Jerusalem gekommene Auswaertige mit eingeschlossen waren. Indes wenn auch die Masse der Bevoelkerung bald Not litt, was die Wehrmannschaften brauchten, nahmen sie, wo sie es fanden, und wohl versehen, wie sie waren, fuehrten sie den Kampf ohne Ruecksicht auf die hungernden und bald verhungernden Massen. Zu blosser Blockade konnte der junge Feldherr sich nicht entschliessen; eine mit vier Legionen in dieser Weise zu Ende gefuehrte Belagerung brachte ihm persoenlich keinen Ruhm, und auch das neue Regiment brauchte eine glaenzende Waffentat. Die Stadt, sonst ueberall durch unzugaengliche Felsenhaenge verteidigt, war allein an der Nordseite angreifbar; auch hier war es keine leichte Arbeit, die dreifache, aus den reichen Tempelschaetzen ohne Ruecksicht auf die Kosten hergestellte Wallmauer zu bezwingen und weiter innerhalb der Stadt die Burg, den Tempel und die gewaltigen drei Herodestuerme einer starken, fanatisierten und verzweifelten Besatzung abzuringen. Johannes und Simon schlugen nicht bloss die Stuerme entschlossen ab, sondern griffen oft die schanzenden Mannschaften mit gutem Erfolg an und zerstoerten oder verbrannten die Belagerungsmaschinen. Aber die Ueberzahl und die Kriegskunst entschieden fuer die Roemer. Die Mauern wurden erstuermt, darauf die Burg Antonia; sodann gingen nach langem Widerstand erst die Tempelhallen in Flammen auf und weiter am 10. Ab (August) der Tempel selbst mit allen darin seit sechs Jahrhunderten aufgehaeuften Schaetzen. Endlich wurde nach monatelangem Strassenkampf am 8. Elul (September) auch in der Stadt der letzte Widerstand gebrochen und das heilige Salem geschleift. Fuenf Monate hatte die Blutarbeit gewaehrt. Das Schwert und der Pfeil und mehr noch der Hunger hatten zahllose Opfer gefordert; die Juden erschlugen jeden des Ueberlaufens auch nur Verdaechtigen und zwangen Weiber und Kinder, in der Stadt zu verhungern; ebenso erbarmungslos liessen auch die Roemer die Gefangenen ueber die Klinge springen oder kreuzigten sie. Die uebriggebliebenen Kaempfer und namentlich die beiden Fuehrer wurden einzeln aus den Kloaken, in die sie sich gerettet hatten, hervorgezogen. Am Toten Meer, eben da, wo einstmals Koenig David und die Makkabaeer in hoechster Bedraengnis eine Zuflucht gefunden hatten, hielten sich die Reste der Insurgenten noch auf Jahre hinaus in den Felsenschloessern Machaerus und Massada, bis endlich als die letzten der freien Juden Judas, des Galilaeers Enkel, Eleazar und die Seinigen erst ihren Frauen und Kindern und dann sich selbst den Tod gaben. Das Werk war getan. Dass Kaiser Vespasianus, ein tuechtiger Soldat, es nicht verschmaeht hat, wegen eines solchen unvermeidlichen Erfolgs ueber ein kleines, laengst untertaeniges Volk als Sieger auf das Kapitol zu ziehen und dass der aus dem Allerheiligsten des Tempels heimgebrachte siebenarmige Kandelaber auf dem Ehrenbogen, den der Reichssenat dem Titus auf dem Markte der Kampfstadt errichtete, noch heute zu schauen ist ^27, gibt keine hohe Vorstellung von dem kriegerischen Sinn dieser Zeit. Freilich ersetzte der tiefe Widerwille, den die Okzidentalen gegen das Judenvolk hegten, einigermassen, was der kriegerischen Glorie mangelte, und wenn den Kaisern der Judenname zu schlecht war, um ihn so sich beizulegen wie die der Germanen und der Parther, so hielten sie es nicht unter ihrer Wuerde, dem Poebel der Hauptstadt die Siegesschadenfreude dieses Triumphes zu bereiten. ——————————————— ^27 Dieser Bogen ist dem Titus nach seinem Tode vom Reichssenat gesetzt. Ein anderer, ihm waehrend seiner kurzen Regierung von demselben Senat im Circus gewidmeter (CIL VI, 944) gibt sogar mit ausdruecklichen Worten als Grund der Denkmalerrichtung an: “weil er nach Vorschrift und Anweisung und unter der Oberleitung des Vaters das Volk der Juden bezwang und die bis auf ihn von allen Feldherren, Koenigen und Voelkern entweder vergeblich belagerte oder gar nicht angegriffene Stadt Hierusolyma zerstoert hat.” Die historische Kunde dieses seltsamen Schriftstueckes, welches nicht bloss Nebukadnezar und Antiochos Epiphanes, sondern den eigenen Pompeius ignoriert, steht auf gleicher Hoehe mit der Ueberschwenglichkeit des Preises einer recht gewoehnlichen Waffentat. ——————————————— Dem Werk des Schwertes folgte die politische Wendung. Die von den frueheren hellenischen Staaten eingehaltene und von den Roemern uebernommene, in der Tat ueber die blosse Toleranz gegen fremde Art und fremden Glauben weit hinausgehende Politik, die Judenschaft insgemein als nationale und religioese Samtgemeinschaft anzuerkennen, war unmoeglich geworden. Zu deutlich waren in der juedischen Insurrektion die Gefahren zu Tage getreten, welche diese national- religioese, einerseits streng konzentrierte, andererseits ueber den ganzen Osten sich verbreitende und selbst in den Westen verzweigte Vergesellschaftung in sich trug. Der zentrale Kultus wurde demzufolge ein fuer allemal beseitigt. Dieser Entschluss der Regierung steht zweifellos fest und hat nichts gemein mit der nicht mit Sicherheit zu beantwortenden Frage, ob die Zerstoerung des Tempels absichtlich oder zufaellig erfolgt ist; wenn auf der einen Seite die Unterdrueckung des Kultus nur die Schliessung des Tempels erforderte und das praechtige Bauwerk verschont werden konnte, so haette andererseits, waere der Tempel zufaellig zugrunde gegangen, der Kultus auch in einem wieder erbauten fortgefuehrt werden koennen. Freilich wird es immer wahrscheinlich bleiben, dass hier nicht der Zufall des Krieges gewaltet hat, sondern fuer die veraenderte Politik der roemischen Regierung gegenueber dem Judentum die Flammen des Tempels das Programm waren ^28. Deutlicher noch als in den Vorgaengen in Jerusalem zeichnet sich dieselbe in der gleichzeitig auf Anordnung Vespasians erfolgten Schliessung des Zentralheiligtums der aegyptischen Judenschaft, des Oniastempels unweit Memphis im heliopolitanischen Distrikt, welcher seit Jahrhunderten neben dem von Jerusalem stand etwa wie neben dem Alten Testament die Uebersetzung durch die alexandrinischen Siebzig; auch er wurde seiner Weihgeschenke entkleidet und die Gottesverehrung in demselben untersagt. ——————————————— ^28 Die Erzaehlung des Josephus, dass Titus mit seinem Kriegsrat beschloss, den Tempel nicht zu zerstoeren, erregt durch ihre offenbare Absichtlichkeit Bedenken, und da die Benutzung des Tacitus in Sulpicius Severus’ Chronik von Bernays vollstaendig erwiesen ist, so kann allerdings wohl in Frage kommen, ob nicht dessen gerade entgegengesetzter Bericht (chron. 2, 30, 6), dass der Kriegsrat beschlossen habe, den Tempel zu zerstoeren, aus Tacitus herruehrt und ihm, obwohl er Spuren christlicher Ueberarbeitung zeigt, der Vorzug zu geben ist. Dies empfiehlt sich weiter dadurch, dass die an Vespasian gerichtete Dedikation der Argonautica des Dichters Valerius Flaccus den Sieger von Solyma feiert, der die Brandfackeln schleudert. ——————————————— In weiterer Ausfuehrung der neuen Ordnung der Dinge verschwanden das Hohepriestertum und das Synhedrion von Jerusalem und verlor damit die Judenschaft des Reiches ihr aeusserliches Oberhaupt und ihre bis dahin in religioesen Fragen allgemein kompetente Oberbehoerde. Die bisher wenigstens tolerierte Jahressteuer eines jeden Juden ohne Unterschied des Wohnorts an den Tempel fiel allerdings nicht weg, wurde aber mit bitterer Parodie auf den kapitolinischen Jupiter und dessen Vertreter auf Erden, den roemischen Kaiser, uebertragen. Bei der Beschaffenheit der juedischen Einrichtungen schloss die Unterdrueckung des zentralen Kultus die Aufloesung der Gemeinde Jerusalem in sich. Die Stadt ward nicht bloss zerstoert und niedergebrannt, sondern blieb auch in Truemmern liegen, wie einst Karthago und Korinth; ihre Feldmark, Gemeinde- wie Privatland, wurde kaiserliche Domaene ^29. Was von der Buergerschaft der volkreichen Stadt dem Hunger oder dem Schwert entgangen war, kam unter den Hammer des Sklavenmarktes. In den Truemmern der zerstoerten Stadt schlug die Legion ihr Lager auf, welche mit ihren spanischen und thrakischen Auxilien fortan im juedischen Lande garnisonieren sollte. Die bisherigen in Palaestina selbst rekrutierten Provinzialtruppen wurden anderswohin verlegt. In Emmaus, in der naechsten Naehe von Jerusalem, wurde eine Anzahl roemischer Veteranen angesiedelt, Stadtrecht aber auch dieser Ortschaft nicht verliehen. Dagegen wurde das alte Sichem, der religioese Mittelpunkt der samaritanischen Gemeinde, vielleicht schon seit Alexander dem Grossen eine griechische Stadt, jetzt in den Formen der hellenischen Politie unter dem Namen Flavia Neapolis reorganisiert. Die Landeshauptstadt Caesarea, bis dahin griechische Stadtgemeinde, erhielt als “erste Flavische Kolonie” roemische Ordnung und lateinische Geschaeftssprache. Es waren dies Ansaetze zur okzidentalischen Munizipalisierung des juedischen Landes. Nichtsdestoweniger blieb das eigentliche Judaea, wenn auch entvoelkert und verarmt, nach wie vor juedisch; wessen die Regierung sich zu dem Lande versah, zeigt schon die durchaus anomal dauernde militaerische Belegung, die, da Judaea nicht an der Reichsgrenze lag, nur zur Niederhaltung der Einwohner bestimmt gewesen sein kann. —————————————————— ^29 Dass der Kaiser dies Land fuer sich nahm (idian ayt/o/ t/e/n ch/o/ran phylatt/o/n) sagt Josephus (bel. Iud. 7, 6, 6); dazu stimmt nicht sein Befehl pasan g/e/n apothosthai t/o/n Ioydai/o/n (a. a. O.), worin wohl ein Irrtum oder ein Schreibfehler steckt. Zu der Expropriierung passt es, dass im Gnadenweg einzelnen juedischen Grundbesitzern anderswo Land angewiesen ward (Ios. vit. 16). uebrigens ist das Gebiet wohl als Ausstattung fuer die dort stationierende Legion verwendet worden (Eph. epigr. II, n. 696; Tac. ann. 13, 54). —————————————————— Auch die Herodeer ueberdauerten nicht lange den Untergang Jerusalems. Koenig Agrippa II., der Herr von Caesarea Paneas und von Tiberias, hatte den Roemern in dem Krieg gegen seine Landsleute getreue Heerfolge geleistet und selbst aus demselben wenigstens militaerisch ehrenvolle Narben aufzuweisen; ueberdies hielt seine Schwester Berenike, eine Kleopatra im Kleinen, mit dem Rest ihrer viel in Anspruch genommenen Reize das Herz des Bezwingers von Jerusalem gefangen. So blieb er persoenlich im Besitz der Herrschaft; aber nach seinem Tode, etwa dreissig Jahre spaeter, ging auch diese letzte Erinnerung an den juedischen Staat in die roemische Provinz Syrien auf. In der Ausuebung ihrer Religionsgebraeuche wurden den Juden weder in Palaestina noch anderswo Hindernisse in den Weg gelegt. Selbst ihren religioesen Unterricht und die daran sich anknuepfenden Versammlungen ihrer Gesetzlehrer und Gesetzkundigen liess man in Palaestina wenigstens gewaehren und hinderte nicht, dass diese Rabbinervereinigungen versuchten, sich einigermassen an die Stelle des ehemaligen Synhedrion von Jerusalem zu setzen und in den Anfaengen des Talmud ihre Lehre und ihre Gesetze zu fixieren. Obwohl einzelne nach Aegypten und Kyrene gefluechtete Teilnehmer an dem juedischen Aufstand dort Unruhen hervorriefen, wurden die Judenschaften ausserhalb Palaestina, so viel wir sehen, in ihrer bisherigen Stellung belassen. Gegen die Judenhetze, welche eben um die Zeit der Zerstoerung Jerusalems in Antiocheia dadurch hervorgerufen ward, dass die dortigen Juden von einem ihrer abgefallenen Glaubensgenossen oeffentlich der Absicht geziehen worden waren, die Stadt anzuzuenden, schritt der Vertreter des Statthalters von Syrien energisch ein und gestattete nicht, wie es im Werke war, dass man die Juden noetigte, den Landesgoettern zu opfern und den Sabbath nicht zu halten. Titus selbst, als er nach Antiocheia kam, wies die dortigen Fuehrer der Bewegung mit ihrer Bitte, die Juden auszuweisen oder mindestens ihre Privilegien zu kassieren, auf das bestimmteste ab. Man scheute davor zurueck, dem juedischen Glauben als solchem den Krieg zu erklaeren und die weitverzweigte Diaspora auf das aeusserste zu treiben; es war genug, dass das Judentum in seiner politischen Repraesentation aus dem Staatswesen getilgt war. Die Wendung in der seit Alexander gegen das Judentum eingehaltenen Politik lief im wesentlichen darauf hinaus, dieser religioesen Gemeinschaft die einheitliche Leitung und die aeusserliche Geschlossenheit zu entziehen und ihren Leitern eine Macht aus der Hand zu winden, welche sich nicht bloss ueber das Heimatland der Juden, sondern ueber die Judenschaften insgemein innerhalb und ausserhalb des Roemischen Reiches erstreckte und allerdings im Orient dem einheitlichen Reichsregiment Eintrag tat. Die Lagiden wie die Seleukiden und nicht minder die roemischen Kaiser der Julisch-Claudischen Dynastie hatten sich dies gefallen lassen; aber die unmittelbare Herrschaft der Okzidentalen ueber Judaea hatte den Gegensatz der Reichs- und dieser Priestergewalt in dem Grade verschaerft, dass die Katastrophe mit unausbleiblicher Notwendigkeit eintrat und ihre Konsequenzen zog. Vom politischen Standpunkt aus kann wohl die Schonungslosigkeit der Kriegfuehrung getadelt werden, welche uebrigens diesem Krieg ziemlich mit allen aehnlichen der roemischen Geschichte gemein ist, aber schwerlich die infolge desselben verfuegte religioes-politische Aufloesung der Nation. Wenn den Institutionen, welche zur Bildung einer Partei, wie die der Zeloten war, gefuehrt hatten und mit einer gewissen Notwendigkeit fuehren mussten, die Axt an die Wurzel gelegt ward, so geschah nur, was richtig und notwendig war, wie schwer und individuell ungerecht auch der einzelne davon getroffen werden mochte. Vespasianus, der die Entscheidung gab, war ein verstaendiger und masshaltender Regent. Es handelte sich nicht um eine Glaubens- , sondern um eine Machtfrage; der juedische Kirchenstaat als Haupt der Diaspora vertrug sich nicht mit der Unbedingtheit des weltlichen Grossstaates. Von der allgemeinen Norm der Toleranz hat die Regierung sich auch in diesem Fall nicht entfernt, nicht gegen das Judentum, sondern gegen den Hohenpriester und das Synhedrion den Krieg gefuehrt.
Ganz hat auch die Tempelzerstoerung diesen ihren Zweck nicht verfehlt. Es gab nicht wenige Juden und noch mehr Judengenossen, namentlich in der Diaspora, welche mehr an dem juedischen Sittengesetz und an dem juedischen Monotheismus hielten als an der streng nationalen Glaubensform; die ganze ansehnliche Sekte der Christen hatte sich innerlich vom Judentum geloest und stand zum Teil in offener Opposition zu dem juedischen Ritus. Fuer diese war der Fall Jerusalems keineswegs das Ende der Dinge, und innerhalb dieser ausgedehnten und einflussreichen Kreise erreichte die Regierung einigermassen, was sie mit der Aufloesung der Zentralstelle der juedischen Gottesverehrung beabsichtigte. Die Scheidung des den Nationen gemeinen Christenglaubens von dem national- juedischen, der Sieg der Anhaenger des Paulus ueber diejenigen des Petrus, wurde durch den Wegfall des juedischen Zentralkults wesentlich gefoerdert. Aber bei den Juden von Palaestina, da, wo man zwar nicht hebraeisch, aber doch aramaeisch sprach, und bei dem Teil der Diaspora, der fest an Jerusalem hing, wurde durch die Zerstoerung des Tempels der Riss zwischen dem Judentum und der uebrigen Welt vertieft. Die national-religioese Geschlossenheit, die die Regierung beseitigen wollte, wurde in diesem verengten Kreis durch den gewaltsamen Versuch, sie zu zerschlagen, vielmehr neu gefestigt und zunaechst zu weiteren verzweifelten Kaempfen getrieben. Nicht volle fuenfzig Jahre nach der Zerstoerung Jerusalems, im Jahre 116 ^30, erhob sich die Judenschaft am oestlichen Mittelmeer gegen die Reichsregierung. Der Aufstand, obwohl von der Diaspora unternommen, war rein nationaler Art, in seinen Hauptsitzen Kyrene, Kypros, Aegypten, gerichtet auf die Austreibung der Roemer wie der Hellenen und, wie es scheint, die Begruendung eines juedischen Sonderstaats. Er verzweigte sich bis in das asiatische Gebiet und ergriff Mesopotamien und Palaestina selbst. Wo die Aufstaendischen siegreich waren, fuehrten sie den Krieg mit derselben Erbitterung wie die Sicarier in Jerusalem; sie erschlugen, wen sie ergriffen – der Geschichtschreiber Appian, ein geborener Alexandriner, erzaehlt, wie er vor ihnen um sein Leben laufend mit genauer Not nach Pelusion entkam -, und oftmals toeteten sie die Gefangenen unter qualvollen Martern oder zwangen sie, gleich wie einst Titus die in Jerusalem gefangenen Juden, als Fechter im Kampfspiel zur Augenweide der Sieger zu fallen. In Kyrene sollen also 220000, auf Kypros gar 240000 Menschen von ihnen umgebracht worden sein. Andererseits erschlugen in Alexandreia, das selbst nicht in die Haende der Juden gefallen zu sein scheint ^31, die belagerten Hellenen, was von Juden damals in der Stadt war. Die naechste Ursache der Erhebung ist nicht klar. Das Blut der Zeloten, die nach Alexandreia und Kyrene sich gefluechtet und dort ihre Glaubenstreue mit dem Tode unter dem roemischen Henkersbeil besiegelt hatten, mag nicht umsonst geflossen sein; der Parthische Krieg, waehrenddessen der Aufstand begann, hat ihn insofern gefoerdert, als die in Aegypten stehenden Truppen wahrscheinlich auf den Kriegsschauplatz berufen wurden. Allem Anschein nach war es ein Ausbruch der seit der Tempelzerstoerung gleich dem Vulkan im Verborgenen gluehenden und in unberechenbarer Weise in Flammen aufschlagenden religioesen Erbitterung der Judenschaft, von der Art, wie der Orient sie zu allen Zeiten erzeugt hat und erzeugt; wenn wirklich die Insurgenten einen Juden zum Koenig ausriefen, so hat diese Erhebung sicher, wie die in der Heimat, in der grossen Masse der geringen Leute ihren Herd gehabt. Dass diese Judenerhebung zum Teil zusammenfiel mit dem frueher erzaehlten Befreiungsversuch der kurz vorher von Kaiser Traianus unterworfenen Voelkerschaften, waehrend dieser im fernen Osten an der Euphratmuendung stand, gab ihr sogar eine politische Bedeutung; wenn die Erfolge dieses Herrschers ihm am Schluss seiner Laufbahn unter den Haenden zerrannen, so hat die juedische Insurrektion namentlich in Palaestina und Mesopotamien dazu das ihrige beigetragen. Um den Aufstand niederzuschlagen, mussten ueberall die Truppen marschieren; gegen den “Koenig” der kyrenaeischen Juden Andreas oder Lukuas und die Insurgenten in Aegypten sandte Traianus den Quintus Marcius Turbo mit Heer und Flotte, gegen die Aufstaendischen in Mesopotamien, wie schon gesagt ward, den Lusius Quietus, zwei seiner erprobtesten Feldherrn. Den geschlossenen Truppen Widerstand zu leisten, vermochten die Aufstaendischen nirgends, wenngleich der Kampf in Afrika wie in Palaestina sich bis in die erste Zeit Hadrians fortspann, und es ergingen ueber diese Diaspora aehnliche Strafgerichte wie frueher ueber die Juden Palaestinas. Dass Traianus die Juden in Alexandreia vernichtet hat, wie Appian sagt, ist schwerlich ein unrichtiger, wenn auch vielleicht ein allzu schroffer Ausdruck dessen, was dort geschah; fuer Kypros ist es bezeugt, dass seitdem kein Jude die Insel auch nur betreten durfte und selbst den schiffbruechigen Israeliten dort der Tod erwartete. Waere ueber diese Katastrophe unsere Ueberlieferung so ausgiebig wie ueber die jerusalemische, so wuerde sie wohl als deren Fortsetzung und Vollendung erscheinen und gewissermassen auch als ihre Erklaerung; dieser Aufstand zeigt das Verhaeltnis der Diaspora zu dem Heimatland und den Staat im Staate, zu dem das Judentum sich entwickelt hatte.
———————————————————- ^30 Eusebius (hist. eccl. 4, 2) setzt den Ausbruch in das 18., also nach seiner Rechnung (in der Chronik) das vorletzte Jahr Traians, und damit stimmt auch Dio 68, 32.
^31 Eusebius selbst (bei Synkellos) sagt nur: Adrianos Ioydaioyskata Alexandre/o/n stasiazontas ekolasen. Die armenische und die lateinische Uebersetzung scheinen daraus irrig eine Wiederherstellung des von den Juden zerstoerten Alexandreia gemacht zu haben, von welcher auch Eusebius in der Kirchengeschichte 4, 2 und Dio 68. 32 nichts wissen. ———————————————————- Zu Ende war auch mit dieser zweiten Niederwerfung die Auflehnung des Judentums gegen die Reichsgewalt nicht. Man kann nicht sagen, dass diese dasselbe weiter provoziert hat; gewoehnliche Verwaltungsakte, wie sie im ganzen Reiche unweigerlich hingenommen wurden, trafen die Hebraeer da, wo die volle Widerstandskraft des nationalen Glaubens ihren Sitz hatte, und riefen dadurch, wahrscheinlich zur Ueberraschung der Regieren den selbst, eine Insurrektion hervor, die in der Tat ein Krieg war. Wenn Kaiser Hadrianus, als seine Rundreise durch das Reich ihn auch nach Palaestina fuehrte, im Jahre 130 die zerstoerte heilige Stadt der Juden als roemische Kolonie wieder aufzurichten beschloss, tat er sicher diesen nicht die Ehre an, sie zu fuerchten, und dachte nicht an religioese-politische Propaganda, sondern er verfuegte fuer dies Legionslager, was kurz vorher oder bald nachher auch am Rhein, an der Donau, in Afrika geschah, die Verknuepfung desselben mit einer zunaechst aus den Veteranen sich rekrutierenden Stadtgemeinde, welche ihren Namen Aelia Capitolina teils von ihrem Stifter, teils von dem Gott empfing, welchem damals statt des Jehova die Juden zinsten. Aehnlich verhaelt es sich mit dem Verbot der Beschneidung; es erging, wie spaeter bemerkt werden wird, wahrscheinlich gar nicht in der Absicht, damit dem Judentum als solchem den Krieg zu machen. Begreiflicherweise fragten die Juden nicht nach den Motiven jener Stadtgruendung und dieses Verbots, sondern empfanden beides als einen Angriff auf ihren Glauben und ihr Volktum, und antworteten darauf mit einem Aufstand, der, anfangs von den Roemern vernachlaessigt, dann durch Intensitaet und Dauer in der Geschichte der roemischen Kaiserzeit seinesgleichen nicht hat. Die gesamte Judenschaft des In- und des Auslandes geriet in Bewegung und unter stuetzte mehr oder minder offen die Insurgenten am Jordan ^32, sogar Jerusalem fiel ihnen in die Haende ^33 und der Statthalter Syriens, ja Kaiser Hadrianus selbst erschienen auf dem Kampfplatz. Den Krieg leiteten, bezeichnend genug, der Priester Eleazar ^34 und der Raeuberhauptmann Simon, zugenannt Bar-Kokheba, das ist der Sternensohn, als der Bringer himmlischer Hilfe, vielleicht als Messias. Von der finanziellen Macht und der Organisation der Insurgenten zeugen die durch mehrere Jahre auf den Namen dieser beiden geschlagenen Silber- und Kupfermuenzen. Nachdem eine genuegende Truppenzahl zusammengezogen war, gewann der erprobte Feldherr Sextus Iulius Severus die Oberhand, aber nur in allmaehlichem und langsamem Vorschreiten; ganz wie in dem Vespasianischen Krieg kam es zu keiner Feldschlacht, aber ein Platz nach dem andern kostete Zeit und Blut, bis endlich nach dreijaehriger Kriegfuehrung ^35 die letzte Burg der Insurgenten, das feste Bether unweit Jerusalem, von den Roemern erstuermt ward. Die in guten Berichten ueberlieferten Zahlen von 50 genommenen Festungen, 985 besetzten Doerfern, 580000 Gefallenen sind nicht unglaublich, da der Krieg mit unerbittlicher Grausamkeit gefuehrt und die maennliche Bevoelkerung wohl ueberall niedergemacht ward.
———————————————————- ^32 Dies zeigen die Ausdruecke Dios 69, 13: oi apantachoy g/e/s Ioydaioi und pas/e/s /o/s eipein kinoymen/e/s epi to?t/o/ t/e/s oikoymen/e/s. ^33 Wenn nach dem Zeitgenossen Appian (Syr. 50) Hadrian abermals die Stadt zerstoerte (kateskapse), so beweist das sowohl die vorhergehende wenigstens einigermassen vollendete Anlage der Kolonie wie auch deren Einnahme durch die Insurgenten. Nur dadurch auch erklaert sich der grosse Verlust, den die Roemer erlitten (Fronto Parth. p. 218 Nab.: Hadriano Imperium obtinente quantum militum a Iudaeis . . . caesum; Dio 69, 14); und es passt wenigstens gut dazu, dass der Statthalter von Syrien, Publicius Marcellus, seine Provinz verliess, um seinem Kollegen Tineius Rufus (Eus. hist. eccl. 4, 6; B. Borghesi, Oeuvres completes. Bd. 3, S. 64) in Palaestina Hilfe zu bringen (CIG 4033, 4C34). ^34 Dass die Muenzen mit diesem Namen dem hadrianischen Aufstand angehoeren, ist jetzt erwiesen (v. Sallet, Zeitschrift fuer Numismatik 5, 1878, S. 110); dies ist also der Rabbi Eleazar aus Modein der juedischen Berichte (Ewald, Geschichte des Volkes Israel, Bd. 7, S. 418; E. Schuerer, Lehrbuch der neutestamentlichen Zeitgeschichte. Jena 1874, S. 357). Dass der Simon, den dieselben Muenzen teils mit Eleazar zusammen, teils allein nennen, der Bar- Kokheba des Justinus Martyr und des Eusebius sei ist mindestens sehr wahrscheinlich.
^35 Dio (69, 12) nennt den Krieg langwierig (o?t’ oligochronios); Eusebius setzt in der Chronik den Anfang auf das 16., das Ende auf das 18. oder 19. Jahr Hadrians; die Insurgentenmuenzen sind datiert vom ersten oder vom zweiten Jahr “der Befreiung Israels”. Zuverlaessige Daten haben wir nicht; die rabbinische Tradition (Schaerer, Lehrbuch, S. 361) ist dafuer nicht brauchbar. ———————————————————- Infolge dieses Aufstandes ward selbst der Name des besiegten Volkes beseitigt: die Provinz hiess fortan nicht mehr wie frueher Judaea, sondern mit dem alten Herodotischen Namen das Syrien der Philistaeer oder Syria Palaestina. Das Land blieb veroedet; die neue Hadriansstadt bestand, aber gedieh nicht. Den Juden wurde bei Todesstrafe untersagt, Jerusalem auch nur zu betreten, die Besatzung verdoppelt; das beschraenkte Gebiet zwischen Aegypten und Syrien, zu dem von dem transjordanischen nur ein kleiner Streifen am Toten Meer gehoerte und das nirgends die Reichsgrenze beruehrte, war seitdem mit zwei Legionen belegt. Trotz aller dieser Gewaltmassregeln blieb die Landschaft unruhig, zunaechst wohl infolge des mit der Nationalsache laengst verflochtenen Raeuberwesens; Pius liess gegen die Juden marschieren und auch unter Severus ist die Rede von einem Krieg gegen Juden und Samariter. Aber zu groesseren Bewegungen unter den Juden ist es nach dem Hadrianischen Krieg nicht wieder gekommen.
Es muss anerkannt werden, dass diese wiederholten Ausbrueche des in den Gemuetern der Juden gaerenden Grolls gegen die gesamte nicht juedische Mitbuergerschaft die allgemeine Politik der Regierung nicht aenderten. Wie Vespasian so hielten auch die folgenden Kaiser den Juden gegenueber nicht bloss im wesentlichen den allgemeinen Standpunkt der politischen und religioesen Toleranz fest, sondern die fuer die Juden erlassenen Ausnahmegesetze waren und blieben hauptsaechlich darauf gerichtet, sie von denjenigen allgemeinen Buergerpflichten, welche mit ihrer Sitte und ihrem Glauben sich nicht vertrugen, zu entbinden und werden darum auch geradezu als Privilegien bezeichnet ^36. —————————————
^36 Biographie Alexanders c. 22: Iudaeis privilegia reservavit, Christianos esse passus est. Deutlich tritt hier die bevorzugte Stellung der Juden vor den Christen zutage, welche allerdings wieder darauf beruht, dass jene eine Nation darstellen, diese nicht.
————————————— Rechtlich scheint seit Claudius’ Zeit, dessen Unterdrueckung des juedischen Kultus in Italien wenigstens die letzte derartige Massregel ist, von der wir wissen, den Juden der Aufenthalt und die freie Religionsuebung in dem gesamten Reich zugestanden zu haben. Es waere kein Wunder gewesen, wenn jene Aufstaende in den afrikanischen und syrischen Landschaften zur Austreibung der dort ansaessigen Juden ueberhaupt gefuehrt haetten; aber dergleichen Beschraenkungen sind, wie wir sahen, nur lokal, zum Beispiel fuer Kypros verfuegt worden. Der Hauptsitz der Juden blieben immer die griechischen Provinzen; auch in der einigermassen zweisprachigen Hauptstadt, deren zahlreiche Judenschaft eine Reihe von Synagogen umfasste, bildete diese einen Teil der griechischen Bevoelkerung Roms. Ihre Grabschriften in Rom sind ausschliesslich griechisch; in der aus dieser Judenschaft entwickelten roemischen Christengemeinde ist das Taufbekenntnis bis in spaete Zeit hinab griechisch gesprochen worden und die ersten drei Jahrhunderte hindurch die Schriftstellerei ausschliesslich griechisch gewesen. Aber restriktive Massregeln gegen die Juden scheinen auch in den lateinischen Provinzen nicht getroffen worden zu sein; durch und mit dem Hellenismus ist das juedische Wesen in den Okzident eingedrungen, und es fanden auch in diesem sich Judengemeinden, obwohl sie an Zahl und Bedeutung selbst jetzt noch, wo die gegen die Diaspora gerichteten Schlaege die Judengemeinden des Ostens schwer beschaedigt hatten, weit hinter diesen zurueckstanden. Politische Privilegien folgten aus der Tolerierung des Kultus an sich nicht. An der Anlegung ihrer Synagogen und Proseuchen wurden die Juden nicht gehindert, ebensowenig an der Bestellung eines Vorstehers fuer dieselbe (archisynag/o/gos) sowie eines Kollegiums der Aeltesten (archontes) mit einem Oberaeltesten (geroysiarch/e/s) an der Spitze. Obrigkeitliche Befugnisse sollten mit diesen Stellungen nicht verknuepft sein; aber bei der Untrennbarkeit der juedischen Kirchenordnung und der juedischen Rechtspflege uebten die Vorsteher, wie im Mittelalter die Bischoefe, wohl ueberall eine wenn auch nur faktische Jurisdiktion. Auch waren die Judenschaften der einzelnen Staedte nicht allgemein als Koerperschaften anerkannt, sicher zum Beispiel die roemische nicht; doch bestanden an vielen Orten auf Grund lokaler Privilegien dergleichen korporative Verbaende mit Ethnarchen oder, wie sie jetzt meistens heissen, Patriarchen an der Spitze. Ja in Palaestina finden wir im Anfang des dritten Jahrhunderts wiederum einen Vorsteher der gesamten Judenschaft, der kraft erblichen Priesterrechts ueber seine Glaubensgenossen fast wie ein Herrscher schaltet und selbst ueber Leib und Leben Gewalt hat und welchen die Regierung wenigstens toleriert ^37. Ohne Frage war dieser Patriarch fuer die Juden der alte Hohepriester, und es hatte also unter den Augen und unter dem Druck der Fremdherrschaft das hartnaeckige Volk Gottes sich abermals rekonstituiert und insoweit Vespasians Werk zuschanden gemacht. ———————————————————– ^37 Um zu erklaeren, dass auch in der Knechtschaft die Juden eine gewisse Selbstverwaltung haben fuehren koennen, schreibt Origenes (um das Jahr 226) an Africanus c. 14: “Wieviel vermag auch jetzt, wo die Roemer herrschen und die Juden ihnen den Zins (to didrachmon) zahlen, der Volksvorsteher (o ethnarch/e/s) bei ihnen mit Zulassung des Kaisers (sthgch/o/ro?ntos Kaisaros). Auch Gerichte finden heimlich statt nach dem Gesetze, und es wird sogar manchmal auf den Tod erkannt. Das habe ich, der ich lange im Lande dieses Volkes gelebt, selber erfahren und erkundet.” Der Patriarch von Judaea tritt schon in dem auf Hadrians Namen gefaelschten Briefe in der Biographie des Tyrannen Saturninus auf (c. 8), in den Verordnungen zuerst im Jahre 392 (Cod. Theod. 16, 8, 8). Patriarchen als Vorsteher einzelner juedischer Gemeinden, wofuer das Wort seiner Bedeutung nach besser passt, begegnen schon in den Verordnungen Konstantins des Ersten (Cod. Theod. 16, 8, 1 u. 2).
———————————————————– In Betreff der Heranziehung der Juden zu den oeffentlichen Leistungen war die Befreiung vom Kriegsdienst als unvereinbar mit ihren religioesen Grundsaetzen laengst anerkannt und blieb es. Die besondere Kopfsteuer, welcher sie unterlagen, die alte Tempelabgabe, konnte als Kompensation fuer diese Befreiung angesehen werden, wenn sie auch nicht in diesem Sinn auferlegt worden war. Fuer andere Leistungen, wie zum Beispiel fuer Uebernahme von Vormundschaften und Gemeindeaemtern, werden sie wenigstens seit Severus’ Zeit im allgemeinen als faehig und pflichtig betrachtet, diejenigen aber, welche ihrem “Aberglauben” zuwiderlaufen, ihnen erlassen ^38, wobei in Betracht kommt, dass der Ausschluss von den Gemeindeaemtern mehr und mehr aus einer Zuruecksetzung zu einem Privilegium ward. Selbst bei Staatsaemtern mag in spaeterer Zeit aehnlich verfahren worden sein.
—————————————————- ^38 Diese Regel stellen mit Berufung auf einen Erlass des Severus die Juristen des dritten Jahrhunderts auf (Dig. 27, 1, 15, 6; 50, 2, 3, 3). Nach der Verordnung vom Jahre 321 (Cod. Theod. 16, 8, 3) erscheint dies sogar als ein Recht, nicht als eine Pflicht der Juden, so dass es von ihnen abhing, das Amt zu uebernehmen oder abzulehnen.
—————————————————- Der einzige ernstliche Eingriff der Staatsgewalt in die juedischen Gebraeuche betrifft die Zeremonie der Beschneidung; indes ist gegen diese wahrscheinlich nicht vom religioes-politischen Standpunkt aus eingeschritten worden, sondern es sind diese Massnahmen mit dem Verbot der Kastrierung verknuepft gewesen und zum Teil wohl aus Missverstaendnis der juedischen Weise hervorgegangen. Die immer mehr um sich greifende Unsitte der Verstuemmelung zog zuerst Domitian in den Kreis der strafbaren Verbrechen; als Hadrian die Vorschrift schaerfend die Kastrierung unter das Mordgesetz stellte, scheint auch die Beschneidung als Kastrierung aufgefasst worden zu sein ^39, was allerdings von den Juden als ein Angriff auf ihre Existenz empfunden werden musste und empfunden ward, obwohl dies vielleicht nicht damit beabsichtigt war. Bald nachher, wahrscheinlich infolge des dadurch mitveranlassten Aufstandes, gestattete Pius die Beschneidung fuer Kinder juedischer Herkunft, waehrend uebrigens selbst die des unfreien Nichtjuden und des Proselyten nach wie vor fuer alle dabei Beteiligten die Strafe der Kastration nach sich ziehen sollte. Dies war insofern auch von politischer Wichtigkeit, als dadurch der foermliche Uebertritt zum Judentum ein strafbares Verbrechen wurde; und wahrscheinlich ist das Verbot eben in diesem Sinne nicht erlassen, aber aufrecht erhalten worden ^40. Zu dem schroffen Abschliessen der Judenschaft gegen die Nichtjuden wird dasselbe das seinige beigetragen haben.
—————————————————- ^39 Die analoge Behandlung der Kastration in dem Hadrianischen Erlass Dig. 48, 8, 4, 2 und der Beschneidung bei Paulus sent. 5, 22, 3; 4 und Mod. dig. 48, 8, 11 pr. legen diese Auffassung nahe. Auch dass Severus ludaeos fieri sub gravi poena vetuit (vita 17), wird wohl nichts sein als die Einschaerfung dieses Verbots.
^40 Die merkwuerdige Nachricht bei Origenes (c. Cels. 2, 13; geschrieben um 250) zeigt, dass die Beschneidung des Nichtjuden von Rechts wegen die Todesstrafe nach sich zog, obwohl es nicht klar ist, inwiefern dies auf Samariter oder Sicarier Anwendung fand.
—————————————————- Blicken wir zurueck auf die Geschichte des Judentums in der Epoche von Augustus bis auf Diocletian, so erkennen wir eine durchgreifende Umgestaltung seines Wesens wie seiner Stellung. Dasselbe tritt in diese Epoche ein als eine um das beschraenkte Heimatland fest geschlossene nationale und religioese Macht, welche selbst dem Reichsregiment in und ausserhalb Judaea mit der Waffe in der Hand sich entgegenstellt und auf dem Gebiet des Glaubens eine gewaltige propagandistische Macht entwickelt. Man kann es verstehen, dass die roemische Regierung die Verehrung des Jahve und den Glauben des Moses nicht anders dulden wollte, als wie auch der Kultus des Mithra und der Glaube des Zornaster Duldung fand. Die Reaktion gegen dies geschlossene und auf sich selbst stehende Judentum waren die von Vespasian und Hadrian gegen das juedische Land, von Traianus gegen die Juden der Diaspora gefuehrten zerschmetternden Schlaege, deren Wirkung weit hinaus reicht ueber die unmittelbare Zerstoerung der bestehenden Gemeinschaft und die Herabdrueckung des Ansehens und der Macht der Judenschaft. In der Tat sind das spaetere Christentum wie das spaetere Judentum die Konsequenzen dieser Reaktion des Westens gegen den Osten. Die grosse propagandistische Bewegung, welche die tiefere religioese Anschauung vom Osten in den Westen trug, ward auf diese Weise, wie schon gesagt ward, aus den engen Schranken der juedischen Nationalitaet befreit; wenn sie die Anlehnung an Moses und die Propheten keineswegs aufgab, loeste sie sich doch notwendig von dem in Scherben gegangenen Regiment der Pharisaeer. Die christlichen Zukunftsideale wurden universell, seit es ein Jerusalem auf Erden nicht mehr gab. Aber wie der erweiterte und vertiefte neue Glaube, der mit seinem Wesen auch den Namen wechselte, aus diesen Katastrophen hervorging, so nicht minder die verengte und verstockte Altglaeubigkeit, die sich, wenn nicht mehr in Jerusalem, so in dem Hass gegen diejenigen zusammenfand, die dasselbe zerstoert hatten, und mehr noch in dem gegen die freiere und hoehere aus dem Judentum das Christentum entwickelnde geistige Bewegung. Die aeussere Macht der Judenschaft war gebrochen und Erhebungen, wie sie in der mittleren Kaiserzeit stattgefunden haben, begegnen spaeterhin nicht wieder; mit dem Staat im Staate waren die roemischen Kaiser fertiggeworden, und indem das eigentlich gefaehrliche Moment, die propagandistische Ausbreitung, auf das Christentum ueberging, waren die Bekenner des alten Glaubens, die dem neuen Bunde sich verschlossen, fuer die weitere allgemeine Entwicklung beseitigt. Aber wenn die Legionen Jerusalem zerstoeren konnten, das Judentum selbst konnten sie nicht schleifen; und was nach der einen Seite Heilmittel war, uebte nach der andern die Wirkung des Giftes. Das Judentum blieb nicht bloss, sondern es ward auch ein anderes. Es liegt eine tiefe Kluft zwischen dem Judentum der aelteren Zeit, das fuer seinen Glauben Propaganda macht, dessen Tempelvorhof die Heiden erfuellen, dessen Priester taeglich fuer Kaiser Augustus opfern, und dem starren Rabbinismus, der ausser Abrahams Schoss und dem mosaischen Gesetz von der Welt nichts weiss noch wissen will. Fremde waren die Juden immer gewesen und hatten es sein wollen; aber das Gefuehl der Entfremdung steigerte sich jetzt in ihnen selbst wie gegen sie in entsetzlicher Weise, und schroff zog man nach beiden Seiten hin dessen gehaessige und schaedliche Konsequenzen. Von dem geringschaetzigen Spott des Horatius gegen den aufdringlichen Juden aus dem roemischen Ghetto ist ein weiter Schritt zu dem feierlichen Groll, welchen Tacitus hegt gegen diesen Abschaum des Menschengeschlechts, dem alles Reine unrein und alles Unreine rein ist; dazwischen liegen jene Aufstaende des verachteten Volkes und die Notwendigkeit dasselbe zu besiegen und fuer seine Niederhaltung fortwaehrend Geld und Menschen aufzuwenden. Die in den kaiserlichen Verordnungen stets wiederkehrenden Verbote der Misshandlung des Juden zeigen, dass jene Worte der Gebildeten, wie billig, von den Niederen in Taten uebersetzt wurden. Die Juden ihrerseits machten es nicht besser. Sie wendeten sich ab von der hellenischen Literatur, die jetzt als befleckend galt, und lehnten sogar sich auf gegen den Gebrauch der griechischen Bibeluebersetzung; die immer steigende Glaubensreinigung wandte sich nicht bloss gegen die Griechen und die Roemer, sondern ebensosehr gegen die “halben Juden” von Samaria und gegen die christlichen Ketzer; die Buchstabenglaeubigkeit gegenueber den heiligen Schriften stieg bis in die schwindelnde Hoehe der Absurditaet, und vor allem stellte ein womoeglich noch heiligeres Herkommen sich fest, in dessen Fesseln alles Leben und Denken erstarrte. Die Kluft zwischen jener Schrift vom Erhabenen, die den Land und Meer erschuetternden Poseidon Homers und den die leuchtende Sonne erschaffenden Jehova nebeneinander zu stellen wagt, und den Anfaengen des Talmud, welche dieser Epoche angehoeren, bezeichnet den Gegensatz zwischen dem Judentum des ersten und dem des dritten Jahrhunderts. Das Zusammenleben der Juden und Nichtjuden erwies sich mehr und mehr als ebenso unvermeidlich wie unter den gegebenen Verhaeltnissen unertraeglich; der Gegensatz in Glaube, Recht und Sitte verschaerfte sich, und die gegenseitige Hoffart wie der gegenseitige Hass wirkten nach beiden Seiten hin sittlich zerruettend. Die Ausgleichung wurde in diesen Jahrhunderten nicht bloss nicht gefoerdert, sondern ihre Verwirklichung immer weiter in die Ferne gerueckt, je mehr ihre Notwendigkeit sich herausstellte. Diese Erbitterung, diese Hoffart, diese Verachtung, wie sie damals sich festsetzten, sind freilich nur das unvermeidliche Aufgehen einer vielleicht nicht minder unvermeidlichen Saat; aber die Erbschaft dieser Zeiten lastet auf der Menschheit noch heute. 12. Kapitel
Aegypten
Die beiden Reiche von Aegypten und Syrien, die so lange in jeder Hinsicht miteinander gerungen und rivalisiert hatten, fielen ungefaehr um die gleiche Zeit widerstandslos in die Gewalt der Roemer. Wenn dieselben auch von dem angeblichen oder wirklichen Testament Alexanders II. (+ 673 81) keinen Gebrauch machten und das Land damals nicht einzogen, so standen doch die letzten Herrscher des Lagidenhauses anerkanntermassen in roemischer Klientel; bei Thronstreitigkeiten entschied der Senat, und seit der roemische Statthalter von Syrien, Aulus Gabinius, den Koenig Ptolemaeos Auletes mit seinen Truppen nach Aegypten zurueckgefuehrt hatte (699 55; vgl. 4, 160), haben die roemischen Legionen das Land nicht wieder verlassen. Wie die uebrigen Klientelkoenige nahmen auch die Herrscher Aegyptens an den Buergerkriegen auf Mahnung der von ihnen anerkannten oder ihnen mehr imponierenden Regierung teil; und wenn es unentschieden bleiben muss, welche Rolle Antonius in dem phantastischen Ostreich seiner Traeume dem Heimatland des allzu sehr von ihm geliebten Weibes zugedacht hat, so gehoert doch Antonius’ Regiment in Alexandreia sowohl wie der letzte Kampf in dem letzten Buergerkrieg vor den Toren dieser Stadt ebensowenig zu der Spezialgeschichte Aegyptens wie die Schlacht von Aktion zu der von Epirus. Wohl aber gab diese Katastrophe und der damit verknuepfte Tod der letzten Fuerstin der Lagidendynastie den Anlass dazu, dass Augustus den erledigten Thron nicht wieder besetzte, sondern das Koenigreich Aegypten in eigene Verwaltung nahm. Diese Einziehung des letzten Stueckes der Kueste des Mittelmeeres in die unmittelbare roemische Administration und der zeitlich und pragmatisch damit zusammenfallende Abschluss der neuen Monarchie bezeichnen dieser fuer die Verfassung, jene fuer die Verwaltung des ungeheuren Reiches den Wendepunkt, das Ende der alten und den Anfang einer neuen Epoche. Die Einverleibung Aegyptens in das Roemische Reich vollzog sich insofern in abweichender Weise, als das sonst den Staat beherrschende Prinzip der Dyarchie, das heisst des gemeinschaftlichen Regiments der beiden hoechsten Reichsgewalten, des Prinzeps und des Senats, von einigen untergeordneten Bezirken abgesehen, allein auf Aegypten keine Anwendung fand, sondern in diesem Lande ^1 dem Senat als solchem sowie jedem einzelnen seiner Mitglieder jede Beteiligung bei dem Regiment abgeschnitten, ja sogar den Senatoren und den Personen senatorischen Ranges das Betreten dieser Provinz untersagt ward ^2. Man darf dies nicht etwa in der Art auffassen, als waere Aegypten mit dem uebrigen Reich nur durch eine Personalunion verknuepft; der Prinzeps ist nach dem Sinn und Geist der Augustischen Ordnung ein integrierendes und dauernd funktionierendes Element des roemischen Staatswesens ebenso wie der Senat, und seine Herrschaft ueber Aegypten geradeso ein Teil der Reichsherrschaft wie die Herrschaft des Prokonsuls von Afrika ^3. Eher mag man sich das staatsrechtliche Verhaeltnis in der Weise verdeutlichen, dass das britische Reich in derselben Verfassung sich befinden wuerde, wenn Ministerium und Parlament nur fuer das Mutterland in Betracht kaemen, die Kolonien dagegen dem absoluten Regiment der Kaiserin von Indien zu gehorchen haetten. Welche Motive den neuen Monarchen dazu bestimmten, gleich im Beginn seiner Alleinherrschaft diese tief einschneidende und zu keiner Zeit angefochtene Einrichtung zu treffen und wie dieselbe in die allgemeinen politischen Verhaeltnisse eingegriffen hat, gehoert der allgemeinen Geschichte des Reiches an; hier haben wir darzulegen, wie unter der Kaiserherrschaft die inneren Verhaeltnisse Aegyptens sich gestalteten. ——————————————————– ^1 Diesen Ausschluss des Mitregiments des Senats wie der Senatoren bezeichnet Tacitus (hist. 1, 11) mit den Worten, dass Augustus Aegypten ausschliesslich durch seine persoenlichen Diener verwalten lassen wollte (domi retinere; vgl. Roemisches Staatsrecht, Bd. 2, S. 963). Prinzipiell gilt diese abweichende Gestaltung des Regiments fuer die saemtlichen nicht von Senatoren verwalteten Provinzen, deren Vorsteher auch anfaenglich vorzugsweise praefecti hiessen (CIL V, p. 809, 902). Aber bei der ersten Teilung der Provinzen zwischen Kaiser und Senat gab es deren wahrscheinlich keine andere als eben Aegypten; und auch nachher trat der Unterschied hier insofern schaerfer hervor, als die saemtlichen uebrigen Provinzen dieser Kategorie keine Legionen erhielten. Denn in dem Eintreten der ritterlichen Legionskommandanten statt der senatorischen, wie es in Aegypten Regel war, findet der Ausschluss des Senatorenregiments den greifbarsten Ausdruck.
^2 Diese Bestimmung gilt nur fuer Aegypten, nicht fuer die uebrigen von Nichtsenatoren verwalteten Gebiete. Wie wesentlich sie der Regierung erschien, erkennt man aus dem zu ihrer Sicherung aufgebotenen konstitutionellen und religioesen Apparat (vit. trig. tyr. c. 22). ^3 Die gangbare Behauptung, dass provincia fuer die nicht von Senatoren verwalteten Distrikte nur abusiv gesetzt werde, ist nicht begruendet. Privateigentum des Kaisers war Aegypten ebensosehr oder ebensowenig wie Gallien und Syrien – sagt doch Augustus selber (Mon. Ancyr. 5, 24): Aegyptum imperio populi Romani adieci und legte dem Statthalter, da er als Ritter nicht pro praetore sein konnte, durch besonderes Gesetz die gleiche prozessualische Kompetenz bei, wie sie die roemischen Praetoren hatten (Tac. ann. 12, 60). ——————————————————– Was im allgemeinen von allen hellenischen oder hellenisierten Gebieten gilt, dass die Roemer, indem sie sie zum Reiche zogen, die einmal bestehenden Einrichtungen konservierten und nur, wo es schlechterdings notwendig erschien, Modifikationen eintreten liessen, das findet in vollem Umfang Anwendung auf Aegypten.
Wie Syrien so war Aegypten, als es roemisch ward, ein Land zwiefacher Nationalitaet; auch hier stand neben und ueber dem Einheimischen der Grieche, jener der Knecht, dieser der Herr. Aber rechtlich und tatsaechlich waren die Verhaeltnisse der beiden Nationen in Aegypten von denen Syriens voellig verschieden.
Syrien stand wesentlich schon in der vorroemischen und durchaus in der roemischen Epoche nur mittelbar unter der Landesregierung; es zerfiel teils in Fuerstentuemer, teils in autonome Stadtbezirke und wurde zunaechst von den Landesherren oder Gemeindebehoerden verwaltet. In Aegypten ^4 dagegen gibt es weder Landesfuersten noch Reichsstaedte nach griechischer Art. Die beiden Verwaltungskreise, in welche Aegypten zerfaellt, das “Land” (/e/ ch/o/ra) der Aegypter mit seinen urspruenglich sechsunddreissig Bezirken (nomoi) und die beiden griechischen Staedte Alexandreia in Unter- und Ptolemais in Oberaegypten ^5 sind streng gesondert und scharf sich entgegengesetzt und doch eigentlich kaum verschieden. Der Land- wie der Stadtbezirk ist nicht bloss territorial abgegrenzt, sondern jener wie dieser auch Heimatbezirk; die Zugehoerigkeit zu einem jeden ist unabhaengig vom Wohnort und erblich. Der Aegypter aus dem chemmitischen Nomos gehoert demselben mit den Seinigen ebenso an, wenn er seinen Wohnsitz in Alexandreia hat, wie der in Chemmis wohnende Alexandriner der Buergerschaft von Alexandreia. Der Landbezirk hat zu seinem Mittelpunkt immer eine staedtische Ansiedlung, der chemmitische zum Beispiel die um den Tempel des Chemmis oder des Pan erwachsene Stadt Panopolis, oder, wie dies in griechischer Auffassung ausgedrueckt wird, es hat jeder Nomos seine Metropolis; insofern kann jeder Landbezirk auch als Stadtbezirk gelten. Wie die Staedte sind auch die Nomen in der christlichen Epoche die Grundlage der episkopalen Sprengel geworden. Die Landbezirke ruhen auf den in Aegypten alles beherrschenden Kultusordnungen; Mittelpunkt fuer einen jeden ist das Heiligtum einer bestimmten Gottheit und gewoehnlich fuehrt er von dieser oder von dem heiligen Tier derselben den Namen; so heisst der chemmitische Bezirk nach dem Gott Chemmis oder nach griechischer Gleichung dem Pan, andere Bezirke nach dem Hund, dem Loewen, dem Krokodil. Aber auch umgekehrt fehlt den Stadtbezirken der religioese Mittelpunkt nicht; Alexandreias Schutzgott ist Alexander, der Schutzgott von Ptolemais der erste Ptolemaeos, und die Priester, die dort wie hier fuer diesen Kult und den ihrer Nachfolger eingesetzt sind, sind fuer beide Staedte die Eponymen. Dem Landbezirk fehlt voellig die Autonomie: die Verwaltung, die Besteuerung, die Rechtspflege liegen in der Hand der koeniglichen Beamten ^6 und die Kollegialitaet, das Palladium des griechischen wie des roemischen Gemeinwesens, ist hier in allen Stufen schlechthin ausgeschlossen. Aber in den beiden griechischen Staedten ist es auch nicht viel anders. Es gibt wohl eine in Phylen und Demen eingeteilte Buergerschaft, aber keinen Gemeinderat ^7; die Beamten sind wohl andere und anders benannte als die der Nomen, aber auch durchaus Beamte koeniglicher Ernennung und ebenfalls ohne kollegialische Einrichtung. Erst Hadrian hat einer aegyptischen Ortschaft, dem von ihm zum Andenken an seinen im Nil ertrunkenen Liebling angelegten Antinoopolis, Stadtrecht nach griechischer Art gegeben und spaeterhin Severus, vielleicht ebensosehr den Antiochenern zum Trutz als zu Nutz der Aegypter, der Hauptstadt Aegyptens und der Stadt Ptolemais und noch mehreren anderen aegyptischen Gemeinden zwar keine staedtischen Magistrate, aber doch einen staedtischen Rat bewilligt. Bis dahin nennt sich zwar im offiziellen Sprachgebrauch die aegyptische Stadt Nomos, die griechische Polis, aber eine Polis ohne Archonten und Buleuten ist ein inhaltloser Name. So ist es auch in der Praegung. Die aegyptischen Nomen haben das Praegerecht nicht gehabt; aber noch weniger hat Alexandreia jemals Muenzen geschlagen. Aegypten ist unter allen Provinzen der griechischen Reichshaelfte die einzige, welche keine andere Muenze als Koenigsmuenze kennt. Auch in roemischer Zeit war dies nicht anders. Die Kaiser stellten die unter den letzten Lagiden eingerissenen Missbraeuche ab: Augustus beseitigte die unreelle Kupferpraegung derselben, und als Tiberius die Silberpraegung wieder aufnahm, gab er dem aegyptischen Silbergeld ebenso reellen Wert wie dem uebrigen Provinzialcourant des Reiches ^8. Aber der Charakter der Praegung blieb im wesentlichen der gleiche ^9. Es ist ein Unterschied zwischen Nomos und Polis wie zwischen dem Gott Chemmis und dem Gott Alexander; in administrativer Hinsicht ist eine Verschiedenheit nicht da. Aegypten bestand aus einer Mehrzahl aegyptischer und einer Minderzahl griechischer Ortschaften, welche saemtlich der Autonomie entbehrten und saemtlich unter unmittelbarer und absoluter Verwaltung des Koenigs und der von diesem ernannten Beamten standen. ————————————————————- ^4 Selbstverstaendlich ist hier das Land Aegypten gemeint, nicht die den Lagiden unterworfenen Besitzungen. Kyrene war aehnlich geordnet. Aber auf das suedliche Syrien und die uebrigen, laengere oder kuerzere Zeit in aegyptischer Gewalt stehenden Territorien ist das eigentlich aegyptische Regiment niemals angewandt worden.
^5 Dazu kommt weiter Naukratis, die aelteste schon vor den Ptolemaeern in Aegypten gegruendete Griechenstadt; ferner Paraetonion, das freilich gewissermassen schon ausserhalb der Grenzen Aegyptens liegt. ^6 Eine gewisse gemeinschaftliche Aktion, aehnlich derjenigen; wie sie auch von den Regionen und den vici der sich selbst verwaltenden Stadtgemeinden geuebt wird hat natuerlich nicht gefehlt: dahin gehoert, was von Agoranomie und Gymnasiarchie in den Nomen begegnet, ebenso die Setzung von Ehrendenkmaelern und dergleichen mehr, was uebrigens alles nur in geringem Umfang und meist erst spaet sich zeigt. Nach dem Edikt des Alexander (CIG 4957, Z. 34) scheinen die Strategen von dem Statthalter nicht eigentlich ernannt, sondern nur nach angestellter Pruefung bestaetigt worden zu sein; wer den Vorschlag gehabt hat, wissen wir nicht.
^7 Deutlich treten die Verhaeltnisse hervor in der im Anfang der Regierung des Pius dem bekannten Redner Aristeides von den aegyptischen Griechen gesetzten Inschrift (CIG 4679); als Dedikanten werden genannt /e/ polis t/o/n Alexandre/o/n kai Ermo?polis /e/ megal/e/ kai /e/ boyl/e/ /e/ Antinoe/o/n ne/o/n Ell/e/n/o/n kai oi en t/o/ Delta t/e/s Aig?ptoy kai oi ton TH/e/baikon nomon oiko?ntes Ell/e/nes.. Also nur Antinoopolis, die Stadt der “neuen Hellenen”, hat eine Bule; Alexandreia erscheint ohne diese, aber als griechische Stadt in der Gesamtheit. Ausserdem beteiligten sich bei dieser Widmung die im Delta und die in Thebae lebenden Griechen, von den aegyptischen Staedten einzig Gross- Hermopolis, wobei wahrscheinlich die unmittelbare Nachbarschaft von Antinoopolis eingewirkt hat. Ptolemais legt Strabon (17, 1, 42 p. 813) ein s?st/e/ma politikon en t/o/ Ell/e/nik/o/ trop/o/ bei; aber schwerlich darf man dabei an mehr denken, als was der Hauptstadt nach ihrer uns genauer bekannten Verfassung zustand, also namentlich an die Teilung der Buergerschaft in Phylen. Dass die vorptolemaeische Griechenstadt Naukratis die Bule, die sie ohne Zweifel gehabt hat, in ptolemaeischer Zeit behalten hat, ist moeglich, kann aber fuer die Ptolemaeischen Ordnungen nicht entscheiden. Dios Angabe (51, 17), dass Augustus die uebrigen aegyptischen Staedte bei ihrer Ordnung beliess, den Alexandrinern aber wegen ihrer Unzuverlaessigkeit den Gemeinderat nahm, beruht wohl auf Missverstaendnis, um so mehr, als danach Alexandreia zurueckgesetzt erscheint gegen die sonstigen aegyptischen Gemeinden, was durchaus nicht zutrifft.
^8 Die aegyptische Goldpraegung hoerte natuerlich mit der Einziehung des Landes auf, da es im Roemischen Reiche nur Reichsgold gibt. Auch mit dem Silber hat Augustus es ebenso gehalten und als Herr von Aegypten lediglich Kupfer und auch dies nur in maessigen Quantitaeten schlagen lassen. Zuerst Tiberius praegte seit 27/28 n. Chr. Silbermuenze fuer die aegyptische Zirkulation, dem Anschein nach als Zeichengeld, da die Stuecke ungefaehr dem Gewicht nach 4, dem Silbergehalt nach 1 roemischen Denar entsprechen (Feuardent, Numismatique de la Egypte ancienne. Bd. 2, S. XI). Aber da im legalen Kurs die alexandrinische Drachme als Obolus (also als Sechstel, nicht als Viertel; vergleiche Roemisches Muenzwesen, S. 43, 723) des roemischen Denars angesetzt wurde (Hermes 5, 1870, S. 136) und das provinziale Silber gegenueber dem Reichssilber immer verlor, ist vielmehr das alexandrinische Tetradrachmon vom Silberwert eines Denars zum Kurswert von 2s Denar angesetzt worden. Demnach ist bis auf Commodus, von wo ab das alexandrinische Tetradrachmon wesentlich Kupfermuenze ist, dasselbe gerade ebenso Wertmuenze gewesen wie das syrische Tetradrachmon und die kappadokische Drachme; man hat nur jenem den alten Namen und das alte Gewicht gelassen. ^9 Dass Kaiser Hadrianus unter anderen seiner aegyptisierenden Launen auch den Nomen so wie seiner neuen Antinoopolis fuer einmal das Praegerecht gab, was dann nachher noch ein paar Mal geschehen ist, aendert an der Regel nichts. ————————————————————- Es war hiervon eine Folge, dass Aegypten allein unter allen roemischen Provinzen keine allgemeine Vertretung gehabt hat. Der Landtag ist die Gesamtrepraesentation der sich selber verwaltenden Gemeinden der Provinz. In Aegypten aber gab es solche nicht; die Nomen waren lediglich kaiserliche oder vielmehr koenigliche Verwaltungsbezirke, und Alexandreia stand nicht bloss so gut wie allein, sondern war ebenfalls ohne eigentliche munizipale Organisation. Der an der Spitze der Landeshauptstadt stehende Priester konnte wohl sich “Oberpriester von Alexandreia und ganz Aegypten” nennen und hat eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Asiarchen und dem Bithyniarchen Kleinasiens; aber die tiefe Verschiedenheit der Organisationen wird dadurch doch nur verdeckt. Die Herrschaft traegt dementsprechend in Aegypten einen ganz anderen Charakter als in dem uebrigen schliesslich unter dem Kaiserregiment zusammengefassten Gebiet der griechischen und der roemischen Zivilisation. In diesem verwaltet durchgaengig die Gemeinde; der Herrscher des Reiches ist genau genommen nur der gemeinsame Vorsteher der zahlreichen mehr oder minder autonomen Buergerschaften, und neben den Vorzuegen der Selbstverwaltung treten ihre Nachteile und Gefahren ueberall hervor. In Aegypten ist der Herrscher Koenig, der Landesbewohner sein Untertan, die Verwaltung die der Domaene. Diese prinzipiell ebenso von oben herab absolut gefuehrte wie auf das gleiche Wohlergehen aller Untertanen ohne Unterschied des Ranges und des Vermoegens gerichtete Verwaltung ist die Eigenart des Lagidenregiments, entwickelt wahrscheinlich mehr aus der Hellenisierung der alten Pharaonenherrschaft als aus der staedtisch geordneten Weltherrschaft, wie der grosse Makedonier sie gedacht hatte und wie sie am vollkommensten in dem syrischen Neu-Makedonien zur Durchfuehrung gelangte. Das System forderte einen in eigener Person nicht bloss heerfuehrenden, sondern in taeglicher Arbeit verwaltenden Koenig, eine entwickelte und streng disziplinierte Beamtenhierarchie, ruecksichtslose Gerechtigkeit gegen Hohe und Niedere; und wie diese Herrscher, nicht durchaus ohne Grund, sich wohl den Namen des Wohltaeters (eyerget/e/s) beilegten, so darf die Monarchie der Lagiden zusammengestellt werden mit der friderizianischen, von der sie in den Grundzuegen sich nicht entfernte. Allerdings hatte die Kehrseite, das unvermeidliche Zusammenbrechen des Systems in unfaehiger Hand, auch Aegypten erfahren. Aber die Norm blieb; und der augustische Prinzipat neben der Senatsherrschaft ist nichts als die Vermaehlung des Lagidenregiments mit der alten staedtischen und buendischen Entwicklung. Eine weitere Folge dieser Regierungsform ist die namentlich vom finanziellen Standpunkt aus unzweifelhafte Ueberlegenheit der aegyptischen Verwaltung ueber diejenige der uebrigen Provinzen. Man kann die vorroemische Epoche bezeichnen als das Ringen der finanziell dominierenden Macht Aegyptens mit dem raeumlich den uebrigen Osten erfuellenden asiatischen Reich; in der roemischen setzt sich dies in gewissem Sinn darin fort, dass die kaiserlichen Finanzen insbesondere durch den ausschliesslichen Besitz Aegyptens denen des Senats ueberlegen gegenueberstehen. Wenn es der Zweck des Staates ist, den moeglichst grossen Betrag aus dem Gebiet herauszuwirtschaften, so sind in der alten Welt die Lagiden die Meister der Staatskunst schlechthin gewesen. Insonderheit waren sie auf diesem Gebiet die Lehrmeister und die Vorbilder der Caesaren. Wie viel die Roemer aus Aegypten zogen, vermoegen wir nicht mit Bestimmtheit zu sagen. In der persischen Zeit hatte Aegypten einen Jahrestribut von 700 babylonischen Talenten Silbers, etwa 4 Mill. Mark entrichtet; die Jahreseinnahme der Ptolemaeer aus Aegypten oder vielmehr aus ihren Besitzungen ueberhaupt betrug in ihrer glaenzendsten Periode 12800 aegyptische Silbertalente oder 57 Mill. Mark und ausserdem 1´ Mill. Artaben = 591000 Hektoliter Weizen; am Ende ihrer Herrschaft reichlich 6000 Talente oder 23 Mill. Mark. Die Roemer bezogen aus Aegypten jaehrlich den dritten Teil des fuer den Konsum von Rom erforderlichen Korns, 20 Mill. roemische Scheffel ^10 = 1740000 Hektoliter; indes ist ein Teil davon sicher aus den eigentlichen Domaenen geflossen, ein anderer vielleicht gegen Entschaedigung geliefert worden, waehrend andererseits die aegyptischen Steuern wenigstens zu einem grossen Teil in Geld angesetzt waren, so dass wir nicht imstande sind, die aegyptische Einnahme der roemischen Reichskasse auch nur annaehernd zu bestimmen. Aber nicht bloss durch ihre Hoehe ist sie fuer die roemische Staatswirtschaft von entscheidender Bedeutung gewesen, sondern weil sie als Vorbild diente zunaechst fuer den kaiserlichen Domanialbesitz in den uebrigen Provinzen, ueberhaupt aber fuer die gesamte Reichsverwaltung, wie dies bei deren Darlegung auseinanderzusetzen ist. ——————————————— ^10 Diese Ziffer gibt die sogenannte Epitome Victors c. 1 fuer die Zeit Augusts. Nachdem diese Abgabe auf Konstantinopel uebergegangen war, gingen dahin unter Justinian (ed. 13 c. 8) jaehrlich 8 Mill. Artaben (denn diese sind nach c. 6 zu verstehen) oder 26 2/3 Mill. roemischer Scheffel (Hultsch, Metrologie, S. 628), wozu dann noch die von Diocletian eingefuehrte gleichartige Abgabe an die Stadt Alexandreia hinzutritt. Den Schiffern wurden fuer den Transport nach Konstantinopel jaehrlich 8000 Solidi = 100000 Mark aus der Staatskasse gezahlt. ——————————————— Aber wenn die kommunale Selbstverwaltung in Aegypten keine Staette hat und in dieser Hinsicht zwischen den beiden Nationen, aus welchen dieser Staat ebenso wie der syrische sich zusammensetzt, eine reale Verschiedenheit nicht besteht, so ist zwischen ihnen in anderer Beziehung eine Schranke aufgerichtet, wozu Syrien keine Parallele bietet. Nach der Ordnung der makedonischen Eroberer disqualifizierte die aegyptische Ortsangehoerigkeit fuer saemtliche oeffentliche Aemter und fuer den besseren Kriegsdienst. Wo der Staat seinen Buergern Zuwendungen machte, beschraenkten sich diese auf die der griechischen Gemeinden ^11; die Kopfsteuer dagegen zahlten lediglich die Aegypter, und auch von den Gemeindelasten, die die Eingesessenen des einzelnen aegyptischen Bezirkes treffen, sind die daselbst ansaessigen Alexandriner befreit ^12. Obwohl im Fall des Vergehens der Ruecken des Aegypters wie des Alexandriners buesste, so durfte doch dieser sich ruehmen, und tat es auch, dass ihn der Stock treffe und nicht wie jenen die Peitsche ^13. Sogar die Gewinnung des besseren Buergerrechts war den Aegyptern untersagt ^14. Die Buergerverzeichnisse der zwei grossen von den beiden Reichsgruendern geordneten und benannten Griechenstaedte in Unter- und Oberaegypten fassten die herrschende Bevoelkerung in sich, und der Besitz des Buergerrechts einer dieser Staedte war in dem Aegypten der Ptolemaeer dasselbe, was der Besitz des roemischen Buergerrechts im Roemischen Reich. Was Aristoteles dem Alexander empfahl, den Hellenen ein Herrscher (/e/gem/o/n), den Barbaren ein Herr zu sein, jene als Freunde und Genossen zu versorgen, diese wie die Tiere und die Pflanzen zu nutzen, das haben die Ptolemaeer in vollem Umfang praktisch durchgefuehrt. Der Koenig, groesser und freier als sein Lehrmeister, trug den hoeheren Gedanken im Sinne der Umwandlung der Barbaren in Hellenen oder wenigstens der Ersetzung der barbarischen Ansiedlungen durch hellenische, und diesem gewaehrten die Nachfolger fast ueberall und namentlich in Syrien breiten Spielraum ^15. In Aegypten geschah das gleiche nicht. Wohl suchten dessen Herrscher mit den Eingeborenen namentlich auf dem religioesen Gebiet Fuehlung zu halten und wollten nicht als Griechen ueber die Aegypter, viel eher als irdische Goetter ueber die Untertanen insgemein herrschen; aber damit vertrug sich die ungleiche Berechtigung der Untertanen durchaus, eben wie die rechtliche und faktische Bevorzugung des Adels ein ebenso wesentlicher Teil des friderizianischen Regiments war wie die gleiche Gerechtigkeit gegen Vornehme und Geringe.
—————————————— ^11 Wenigstens schloss Kleopatra bei einer Getreideverteilung in Alexandreia die Juden aus (Ios. c. Ap. 2, 5), um so viel mehr also die Aegypter. ^12 Das Edikt des Alexander (CIG 4957) Z. 33 f. befreit die en t/e/ ch/o/ra (nicht en t/e/ polei) ihrer Geschaefte wegen wohnhaften eggeneis Alexandreis von den leitoyrgiai ch/o/rikai.
^13 “Es bestehen”, sagt der alexandrinische Jude Philon (in Flacc. 10), “hinsichtlich der koerperlichen Zuechtigung (t/o/n mastig/o/n) Unterschiede in unserer Stadt nach dem Stande der zu Zuechtigenden: die Aegypter werden mit anderer Geissel gezuechtigt und von anderen, die Alexandriner aber mit Stoecken (spathais; spath/e/ ist die Rispe des Palmblatts) und von den alexandrinischen Stocktraegern” (spath/e/phoroi, etwa bacillarius). Er beklagt sich nachher bitter, dass die Aeltesten seiner Gemeinde, wenn sie einmal gehauen werden sollten, nicht wenigstens mit den anstaendigen Buergerpruegeln (tais eleytheri/o/terais kai politik/o/terais mastixin) bedacht worden seien. ^14 Ios. c. Ap. 2, 4: monois Aigyptiois oi k?rioi n?n R/o/maioi t/e/s oikoymen/e/s metalambanein /e/stinoso?n politeias apeir/e/kasin. 6: Aegyptiis neque regum quisquam videtur ius civitatis fuisse largitus neque nunc quilibet imperatorum (vgl. Eph. epigr. V, p. 13). Derselbe rueckt seinem Widersacher vor (2, 3, 4), dass er, ein geborener Aegypter, seine Heimat verleugnet und sich fuer einen Alexandriner ausgegeben habe. Einzelausnahmen werden dadurch nicht ausgeschlossen.
^15 Auch die alexandrinische Wissenschaft hat im Sinne des Koenigs gegen diesen Satz (Plut. de fort. Alex. 1, 6) protestiert; Eratosthenes bezeichnete die Zivilisation als nicht den Hellenen allein eigen und nicht allen Barbaren abzusprechen, zum Beispiel nicht den Indern, den Arianern, den Roemern, den Karthagern; die Menschen seien vielmehr zu teilen in “gute” und “schlechte” (Strabon 1. fin. p. 66). Aber von dieser Theorie ist auf die aegyptische Rasse auch unter den Lagiden keine praktische Anwendung gemacht worden. —————————————— Wie die Roemer im Orient ueberhaupt das Werk der Griechen fortsetzten, so blieb auch die Ausschliessung der einheimischen Aegypter von der Gewinnung des griechischen Buergerrechts nicht bloss bestehen, sondern wurde auf das roemische Buergerrecht ausgedehnt. Der aegyptische Grieche dagegen konnte das letztere ebenso wie jeder andere Nichtbuerger gewinnen. Der Eintritt freilich in den Senat wurde ihm so wenig gestattet wie dem roemischen Buerger aus Gallien, und diese Beschraenkung ist viel laenger fuer Aegypten als fuer Gallien in Kraft geblieben ^16; erst im Anfang des dritten Jahrhunderts wurde in einzelnen Faellen davon abgesehen, und als Regel hat sie noch im fuenften gegolten. In Aegypten selbst wurden die Stellungen der Oberbeamten, das heisst der fuer die ganze Provinz fungierenden, und ebenso die Offizierstellen den roemischen Buergern in der Form vorbehalten, dass als Qualifikation dafuer das Ritterpferd verlangt ward; es war dies durch die allgemeine Reichsordnung gegeben, und aehnliche Privilegien hatten ja in Aegypten unter den frueheren Lagiden die Makedonier gegenueber den sonstigen Griechen besessen. Die Aemter zweiten Ranges blieben unter roemischer Herrschaft wie bisher den aegyptischen Aegyptern verschlossen und wurden mit Griechen besetzt, zunaechst den Buergern von Alexandreia und Ptolemais. Wenn im Reichskriegsdienst fuer die erste Klasse das roemische Buergerrecht gefordert wurde, so liess man doch bei den in Aegypten selbst stationierten Legionen auch den aegyptischen Griechen nicht selten in der Weise zu, dass ihm bei der Aushebung das roemische Buergerrecht verliehen ward. Fuer die Kategorie der Auxiliartruppen unterlag die Zulassung der Griechen keiner Beschraenkung; die Aegypter aber sind auch hierfuer wenig oder gar nicht, dagegen fuer die unterste Klasse, die in der ersten Kaiserzeit noch aus Sklaven gebildete Flottenmannschaft, spaeterhin in betraechtlicher Zahl verwendet worden. Im Lauf der Zeit hat die Zuruecksetzung der eingeborenen Aegypter wohl in ihrer Strenge nachgelassen und sind dieselben oefter zum griechischen und mittels dessen auch zum roemischen Buergerrecht gelangt; im ganzen aber ist das roemische Regiment einfach die Fortsetzung wie der griechischen Herrschaft so auch der griechischen Exklusivitaet gewesen. Wie das makedonische Regiment sich mit Alexandreia und Ptolemais begnuegt hatte, so hat auch das roemische einzig in dieser Provinz nicht eine einzige Kolonie gegruendet ^17. ——————————————— ^16 Auch die Zulassung zu den ritterlichen Stellungen war wenigstens erschwert: non est ex albo iudex patre Aegyptio (CIL IV, 1943; vgl. Roemisches Staatsrecht, Bd. 2, S. 919, A. 2; Eph. epigr. V, p. 13 n. 2). Doch begegnen frueh einzelne Alexandriner in ritterlichen Aemtern wie Tiberius Julius Alexander (Anm. 21).
^17 Wenn die Worte des Plinius (nat. 5, 31, 128) genau sind, dass die Pharos-Insel vor dem Hafen von Alexandreia eine colonia Caesaris dictatoris sei (vgl. 5, 221), so hat der Diktator auch hier ueber Aristoteles hinaus wie Alexander gedacht. Darueber aber kann kein Zweifel sein, dass nach der Einziehung Aegyptens es dort nie eine roemische Kolonie gegeben hat. ——————————————— Auch die Sprachordnung ist in Aegypten wesentlich unter den Roemern geblieben, wie die Ptolemaeer sie festgestellt hatten. Abgesehen von dem Militaer, bei dem das Lateinische allein herrschte, ist fuer den Verkehr der oberen Stellen die Geschaeftssprache die griechische. Der einheimischen Sprache, die von den semitischen wie von den arischen Sprachen radikal verschieden, am naechsten vielleicht derjenigen der Berber in Nordafrika verwandt ist, und der einheimischen Schrift haben die roemischen Herrscher und ihre Statthalter sich nie bedient, und wenn schon unter den Ptolemaeern den aegyptisch geschriebenen Aktenstuecken griechische Uebersetzung beigefuegt werden musste, so gilt fuer diese ihre Nachfolger mindestens dasselbe. Allerdings blieb es den Aegyptern unverwehrt, soweit es ihnen nach dem Ritual erforderlich oder sonst zweckmaessig erschien, sich der Landessprache und ihrer altgeheiligten Schriftzeichen zu bedienen; es musste auch in diesem alten Heim des Schriftgebrauchs im gewoehnlichen Verkehr nicht bloss bei Privatkontrakten, sondern selbst bei Steuerquittungen und aehnlichen Schriftstuecken die dem grossen Publikum allein gelaeufige Landessprache und die uebliche Schrift zugelassen werden. Aber es war dies eine Konzession und der herrschende Hellenismus bemueht, sein Reich zu erweitern. Das Bestreben, den im Lande herrschenden Anschauungen und Ueberlieferungen auch im Griechischen einen allgemein gueltigen Ausdruck zu schaffen, hat der Doppelnamigkeit in Aegypten eine Ausdehnung gegeben wie nirgend sonst. Alle aegyptischen Goetter, deren Namen nicht selbst den Griechen gelaeufig wurden, wie der der Isis, wurden mit entsprechenden oder auch nicht entsprechenden griechischen geglichen; vielleicht die Haelfte der Ortschaften, eine Menge von Personen fuehren sowohl eine einheimische wie eine griechische Benennung. Allmaehlich drang hierin die Hellenisierung durch. Die alte heilige Schrift begegnet auf den erhaltenen Denkmaelern zuletzt unter Kaiser Decius um die Mitte des 3., ihre gelaeufigere Abart zuletzt um die Mitte des 5. Jahrhunderts; aus dem gemeinen Gebrauch sind beide betraechtlich frueher verschwunden. Die Vernachlaessigung und der Verfall der einheimischen Elemente der Zivilisation drueckt sich darin aus. Die Landessprache selbst behauptete sich noch lange nachher in den abgelegenen Orten und den niederen Schichten und ist erst im 17. Jahrhundert voellig erloschen, nachdem sie, die Sprache der Kopten, gleich wie die syrische, infolge der Einfuehrung des Christentums und der auf die Hervorrufung einer volkstuemlich-christlichen Literatur gerichteten Bemuehungen, in der spaeteren Kaiserzeit eine beschraenkte Regeneration erfahren hatte.
In dem Regiment kommt vor allem in Betracht die Unterdrueckung des Hofes und der Residenz, die notwendige Folge der Einziehung des Landes durch Augustus. Es blieb wohl, was bleiben konnte. Auf den in der Landessprache, also bloss fuer Aegypter geschriebenen Inschriften heissen die Kaiser wie die Ptolemaeer Koenige von Ober- und Unteraegypten und die Auserwaehlten der aegyptischen Landesgoetter, daneben freilich auch, was bei den Ptolemaeern nicht geschehen war, Grosskoenige ^18. Die Zeiten zaehlte man in Aegypten wie bisher nach dem landueblichen Kalender und seinem auf die roemischen Herrscher uebergehenden Koenigsjahr; den goldenen Becher, den in jedem Juni der Koenig in den schwellenden Nil warf, warf jetzt der roemische Vizekoenig. Aber damit reichte man nicht weit. Der roemische Herrscher konnte die mit seiner Reichsstellung unvereinbare Rolle des aegyptischen Koenigs nicht durchfuehren. Mit der Vertretung durch einen Untergebenen machte der neue Landesherr gleich bei dem ersten nach Aegypten gesandten Statthalter unbequeme Erfahrungen; der tuechtige Offizier und talentvolle Poet, der es nicht hatte lassen koennen, auch seinen Namen den Pyramiden einzuschreiben, wurde deswegen abgesetzt und ging daran zugrunde. Es war unvermeidlich, hier Schranken zu setzen. Die Geschaefte, deren Erledigung nach dem Alexandersystem nicht minder dem Fuersten persoenlich oblag ^19 wie nach der Ordnung des roemischen Prinzipats, mochte der roemische Statthalter fuehren wie der einheimische Koenig; Koenig durfte er weder sein noch scheinen ^20. Es ward das in der zweiten Stadt der Welt sicher tief und schwer empfunden. Der blosse Wechsel der Dynastie waere nicht allzu sehr ins Gewicht gefallen. Aber ein Hof wie der der Ptolemaeer, geordnet nach dem Zeremoniell der Pharaonen, Koenig und Koenigin in ihrer Goettertracht, der Pomp der Festzuege, der Empfang der Priesterschaften und der Gesandten, die Hofbankette, die grossen Zeremonien der Kroenung, der Eidesleistung, der Vermaehlung, der Bestattung, die Hofaemter der Leibwaechter und des Oberleibwaechters (archis/o/matoph?lax), des einfuehrenden Kammerherrn (eisanggele?s), des Obertafelmeisters (archedeatros), des Oberjaegermeisters (archikyn/e/gos), die Vettern und Freunde des Koenigs, die Dekorierten – das alles ging fuer die Alexandriner ein fuer alle Mal unter mit der Verlegung des Herrschersitzes vom Nil an den Tiber. Nur die beiden beruehmten alexandrinischen Bibliotheken blieben dort mit allem ihrem Zubehoer und Personal als Rest der alten koeniglichen Herrlichkeit. Ohne Frage buesste Aegypten bei der Depossedierung seiner Regenten sehr viel mehr ein als Syrien; freilich waren beide Voelkerschaften in der machtlosen Lage, dass sie hinnehmen mussten, was ihnen angesonnen ward, und an eine Auflehnung fuer die verlorene Weltmachtstellung ist hier so wenig wie dort auch nur gedacht worden. —————————————— ^18 Augustus’ Titulatur lautet bei den aegyptischen Priestern folgendermassen: “Der schoene Knabe, lieblich durch Liebenswuerdigkeit, der Fuerst der Fuersten, auserwaehlt von Ptah und Nun dem Vater der Goetter, Koenig von Oberaegypten und Koenig von Unteraegypten, Herr der beiden Laender, Autokrator, Sohn der Sonne, Herr der Diademe, Kaisar, ewig lebend, geliebt von Ptah und Isis”; wobei die beiden Eigennamen Autokrator Kaisar aus dem Griechischen beibehalten sind. Der Augustustitel kommt zuerst bei Tiberius in aegyptischer Uebersetzung (ntixu), mit beibehaltenem griechischem Sebastos zuerst unter Domitian vor. Die Titulatur des schoenen lieblichen Knaben, welche in besserer Zeit nur den zu Mitregenten erklaerten Kindern gegeben zu werden pflegt, ist spaeterhin stereotyp geworden und findet sich wie fuer Caesarion und Augustus, so auch fuer Tiberius, Claudius, Titus, Domitian verwendet. Wichtiger ist es, dass abweichend von der aelteren Titulatur, wie sie zum Beispiel griechisch auf der Inschrift von Rosette sich findet (CIG 4697), bei den Caesaren von Augustus an der Titel hinzutritt “Fuerst der Fuersten”, womit ohne Zweifel deren, den frueheren Koenigen fehlende Grosskoenigstellung ausgedrueckt werden soll.
^19 Wenn die Leute wuessten, pflegte Koenig Seleukos zu sagen (Plus. an seni 11), was es fuer eine Last ist, so viele Briefe zu schreiben und zu lesen, so wuerden sie das Diadem, wenn es zu ihren Fuessen laege, nicht aufheben. ^20 Dass derselbe andere Abzeichen trug als die Offiziere ueberhaupt (Hirschfeld, Verwaltungsgeschichte, S. 271), wird aus vita Hadr. 4 schwerlich gefolgert werden duerfen.
—————————————— Die Verwaltung des Landes liegt, wie schon gesagt ward, in den Haenden des “Stellvertreters”, das heisst des Vizekoenigs; denn obwohl der neue Landesherr, mit Ruecksicht auf seine Stellung im Reiche, sowohl fuer sich wie fuer seine hoeher gestellten Vertreter der koeniglichen Benennungen auch in Aegypten sich enthielt, so hat er doch der Sache nach durchaus als Nachfolger der Ptolemaeer die Herrschaft gefuehrt, und die gesamte zivile wie militaerische Obergewalt ist in seiner und seines Vertreters Hand vereinigt. Dass weder Nichtbuerger noch Senatoren diese Stellung bekleiden durften, ist schon bemerkt worden; Alexandrinern, wenn sie zum Buergerrecht und ausnahmsweise zum Ritterpferd gelangt waren, ist sie zuweilen uebertragen worden ^21. Im uebrigen stand dieses Amt unter den nicht senatorischen an Rang und Einfluss anfaenglich allen uebrigen voran und spaeterhin einzig der Kommandantur der kaiserlichen Garde nach. Ausser den eigentlichen Offizieren, wobei nur der Ausschluss des Senators und die dadurch bedingte niedrigere Titulatur des Legionskommandanten (praefectus statt legatus) von der allgemeinen Ordnung sich entfernt, fungieren neben und unter dem Statthalter und gleichfalls fuer ganz Aegypten ein oberster Beamter fuer die Justiz und ein oberster Finanzverwalter, beide ebenfalls roemische Buerger vom Ritterrang und, wie es scheint, nicht dem Verwaltungsschema der Ptolemaeer entlehnt, sondern nach einem auch in anderen kaiserlichen Provinzen angewandten Verfahren dem Statthalter zu- und untergeordnet ^22.
————————————————- ^21 So hat Tiberius Julius Alexander, ein alexandrinischer Jude, in den letzten Jahren Neros diese Statthalterschaft gefuehrt; allerdings gehoerte er einer sehr reichen und vornehmen, selbst mit dem kaiserlichen Hause verschwaegerten Familie an und hatte im Partherkrieg sich als Generalstabschef Corbulos ausgezeichnet, welche Stellung er bald nachher in dem Juedischen Krieg des Titus abermals uebernahm. Er muss einer der tuechtigsten Offiziere dieser Epoche gewesen sein. Ihm ist die pseudo-aristotelische, offenbar von einem andern alexandrinischen Juden verfasste Schrift peri kosmo? gewidmet (J. Bernays, Gesammelte Abhandlungen. Bd. 2, S. 278). ^22 Unverkennbar sind der iuridicus Aegypti (CIL X, 6976; auch missus in Aegyptum ad iurisdictionem Bull. dell’ Inst. 1856, S. 142; iuridicus Alexandreae CIL VI, 1564; VIII, 8925, 8934; Dig. 1, 20, 2) und der idiologus ad Aegyptum (CIL X, 4862; procurator ducenarius Alexandriae idiulogu Eph. epigr. V, p. 30 und CIG 3751; o gn/o/m/o/n to? idioy logoy CIG 4957 v. 44 vgl. v. 39) den neben den Legaten der kaiserlichen Provinzen stehenden Hilfsbeamten fuer die Rechtspflege (legati iuridici) und die Finanzen (procuratores provinciae) nachgebildet (Roemisches Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., S. 223, A. 5). Dass sie fuer das ganze Land bestellt und dem praefectus Aegypti untergeordnet waren, sagt Strabon (17, 1, 12 p. 797) ausdruecklich und fordert auch die oeftere Erwaehnung Aegyptens in der Titulatur sowie die Wendung in dem Edikt CIG 4957 v. 39. Ausschliesslich aber war ihre Kompetenz nicht; “viele Prozesse”, sagt Strabon, “entscheidet der rechtsprechende Beamte” (dass es Vormuender gab, lehrt Dig. 1, 20, 2), und nach demselben liegt es dem Idiologos namentlich ob, die bona vacantia et caduca fuer den Fiskus einzuziehen. Dies schliesst nicht aus, dass der roemische iuridicus an die Stelle des aelteren Dreissigergerichts mit dem archidikast/e/s an der Spitze (Diodor 1, 75) getreten ist, welcher aegyptisch ist und nicht mit dem alexandrinischen archidikast/e/s verwechselt werden darf, uebrigens vielleicht schon vor der roemischen Zeit beseitigt worden ist, und dass der Idiologos hervorgegangen ist aus einem in Aegypten bestehenden Anrecht des Koenigs auf die Erbschaften, wie es im uebrigen Reiche in gleicher Ausdehnung nicht vorkam; welches letztere Lumbroso (Recherchen, S. 285) sehr wahrscheinlich gemacht hat. ————————————————- Alle uebrigen Beamten fungieren nur fuer einzelne Bezirke und sind in der Hauptsache aus der ptolemaeischen Ordnung uebernommen. Dass die Vorsteher der drei Provinzen Unter-, Mittel- und Oberaegypten, abgesehen vom Kommando mit dem gleichen Geschaeftskreis, wie der Statthalter ausgestattet, in augustischer Zeit aus den aegyptischen Griechen, spaeterhin wie die eigentlichen Oberbeamten aus der roemischen Ritterschaft genommen wurden, ist bemerkenswert als ein Symptom der im Verlauf der Kaiserzeit sich steigernden Zurueckdraengung des einheimischen Elements in der Magistratur. Unter diesen oberen und mittleren Behoerden stehen die Lokalbeamten, die Vorsteher der aegyptischen wie der griechischen Staedte nebst den sehr zahlreichen, bei dem Hebungswesen und den mannigfaltigen, auf den Geschaeftsverkehr gelegten Abgaben beschaeftigten Subalternen und wieder in dem einzelnen Bezirk die Vorsteher der Unterbezirke und der Doerfer, welche Stellungen mehr als Lasten denn als Ehren angesehen und den Ortsangehoerigen oder Ortsansaessigen, jedoch mit Ausschluss der Alexandriner, durch den Oberbeamten auferlegt werden; die wichtigste darunter, die Vorstandschaft des Nomos, wird auf je drei Jahre von dem Statthalter besetzt. Die oertlichen Behoerden der griechischen Staedte waren der Anzahl wie der Titulatur nach andere; in Alexandreia namentlich fungierten vier Oberbeamten, der Priester Alexanders 23, der Stadtschreiber (thpomn/e/matographos) ^24, der Oberrichter (archidikast/e/s) und der Nachtwaechtermeister (nykterinos strat/e/gos). Dass sie angesehener waren als die Strategen der Nomen, versteht sich von selbst und zeigt deutlich das dem ersten alexandrinischen Beamten zustehende Purpurgewand. uebrigens ruehren sie ebenfalls aus der Ptolemaeerzeit her und werden wie die Nomenvorsteher aus den Eingesessenen von der roemischen Regierung auf Zeit ernannt. Roemische Beamte kaiserlicher Ernennung finden sich unter diesen staedtischen Vorstehern nicht. Aber der Priester des Museion, der zugleich der Praesident der alexandrinischen Akademie der Wissenschaften ist und auch ueber die bedeutenden Geldmittel dieser Anstalt verfuegt, wird vom Kaiser ernannt; ebenso werden die Aufsicht ueber das Alexandergrab und die damit verbundenen Baulichkeiten und einige andere wichtige Stellungen in der Hauptstadt Aegyptens von der Regierung in Rom mit Beamten von Ritterrang besetzt ^25. ————————————————— ^23 Der ek/e/g/e/t/e/s, nach Strabon (17, 1, 12 p. 797) der erste staedtische Beamte in Alexandreia unter den Ptolemaeern wie unter den Roemern und berechtigt, den Purpur zu tragen, ist sicher identisch mit dem Jahrpriester in dem Testament Alexanders des in solchen Dingen sehr wohl unterrichteten Alexanderromans (3, 33 p. 149 Mueller). Wie der Exegetes neben seiner wohl im religioesen Sinn zu fassenden Titulatur die epimeleia t/o/n t/e/ polei chr/e/sim/o/n hat, so ist jener Priester des Romans epimelist/e/s t/e/s pole/o/s. So wenig wie den Purpur und den goldenen Kranz wird der Romanschreiber auch die Besoldung von einem Talent und die Erblichkeit erfunden haben; die letztere, bei welcher auch Lumbroso (L’Egitto al tempo dei Greci e Romani. 1882, S. 152) an den ex/e/g/e/t/e/s enarchos der alexandrinischen Inschriften (CIG 4688, 4976 c) erinnert, ist vermutlich in der Weise zu denken, dass ein gewisser Kreis von Personen durch Erbrecht berufen war und der Statthalter aus diesen den Jahrpriester bestellte. Dieser Priester Alexanders (sowie der folgenden aegyptischen Koenige, nach dem Stein von Kanopos und dem von Rosette CIG 4697) war unter den frueheren Lagiden fuer die alexandrinischen Akte eponym, waehrend spaeter wie unter den Roemern dafuer die Koenigsnamen eintreten. Nicht verschieden von ihm ist wohl auch der “Oberpriester von Alexandreia und ganz Aegypten” einer stadtroemischen Inschrift aus hadrianischer Zeit (CIG 5900: archierei Alexandreias kai Aig?ptoy pas/e/s Deyki/o/ Ioyli/o/ Oy/e/stin/o/ kai epistatei to? moyseioy kai epi t/o/n en R/o/m/e/ bibliosth/e/k/o/n R/o/maik/o/n te kai Ell/e/nik/o/n kai epi t/e/s paideias Adriano?, epistolei toi ayto? aytokratoros); die eigentliche Titulatur ex/e/g/e/t/e/s wurde, da sie gewoehnlich den Kuester bezeichnet, ausserhalb Aegyptens vermieden. Sollte, was die Fassung der Inschrift nahe legt, das Oberpriestertum damals dauernd gewesen sein, so wiederholt sich bekanntlich der Uebergang von der Jaehrigkeit zu der wenigstens titularen, nicht selten auch reellen Lebenslaenglichkeit ueberhaupt bei den Sacerdotien der Provinzen, zu denen dieses alexandrinische zwar nicht gehoert, aber deren Stelle es in Aegypten vertritt. Dass das Priestertum und die
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