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  • 1854-1856
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Tagfahrt in Korinth den Krieg erklaeren zu lassen und mit der Flotte und dem roemisch-bundesgenoessischen Heere, darunter auch einem von Philippos gesandten Kontingent und einer Abteilung lakedaemonischer Emigranten unter dem legitimen Koenig von Sparta, Agesipolis, in den Peloponnes einzuruecken (559 195). Um den Gegner durch die ueberwaeltigende Uebermacht sogleich zu erdruecken, wurden nicht weniger als 50000 Mann auf die Beine gebracht und mit Vernachlaessigung der uebrigen Staedte sogleich die Hauptstadt selbst umstellt; allein der gewuenschte Erfolg ward dennoch nicht erreicht. Nabis hatte eine betraechtliche Armee, bis 15000 Mann, darunter 5000 Soeldner, ins Feld gestellt und seine Herrschaft durch ein vollstaendiges Schreckensregiment, die Hinrichtung in Masse der ihm verdaechtigen Offiziere und Bewohner der Landschaft, aufs neue befestigt. Sogar als er selber nach den ersten Erfolgen der roemischen Armee und Flotte sich entschloss, nachzugeben und die von Flamininus ihm gestellten verhaeltnismaessig sehr guenstigen Bedingungen anzunehmen, verwarf “das Volk”, das heisst das von Nabis in Sparta angesiedelte Raubgesindel, nicht mit Unrecht die Rechenschaft nach dem Siege fuerchtend und getaeuscht durch obligate Luegen ueber die Beschaffenheit der Friedensbedingungen und das Heranruecken der Aetoler und der Asiaten, den von dem roemischen Feldherrn gebotenen Frieden, und der Kampf begann aufs neue. Es kam zu einer Schlacht vor den Mauern und zu einem Sturm auf dieselben; schon waren sie von den Roemern erstiegen, als das Anzuenden der genommenen Strassen die Stuermenden wieder zur Umkehr zwang. Endlich nahm denn doch der eigensinnige Widerstand ein Ende. Sparta behielt seine Selbstaendigkeit und ward weder gezwungen, die Emigranten wieder aufzunehmen, noch dem Achaeischen Bunde beizutreten; sogar die bestehende monarchische Verfassung und Nabis selbst blieben unangetastet. Dagegen musste Nabis seine auswaertigen Besitzungen, Argos, Messene, die kretischen Staedte und ueberdies noch die ganze Kueste, abtreten, sich verpflichten, weder auswaertige Buendnisse zu schliessen noch Krieg zu fuehren und keine anderen Schiffe zu halten als zwei offene Kaehne, endlich alles Raubgut wieder abzuliefern, den Roemern Geiseln zu stellen und eine Kriegskontribution zu zahlen. Den spartanischen Emigranten wurden die Staedte an der lakonischen Kueste gegeben und diese neue Volksgemeinde, die im Gegensatz zu den monarchisch regierten Spartanern sich die der “freien Lakonen” nannte, angewiesen, in den Achaeischen Bund einzutreten. Ihr Vermoegen erhielten die Emigrierten nicht zurueck, indem die ihnen angewiesene Landschaft dafuer als Ersatz angesehen ward; wogegen verfuegt wurde, dass ihre Weiber und Kinder nicht wider deren Willen in Sparta zurueckgehalten werden sollten. Die Achaeer, obwohl sie durch diese Verfuegung ausser Argos noch die freien Lakonen erhielten, waren dennoch wenig zufrieden; sie hatten die Beseitigung des gefuerchteten und gehassten Nabis, die Rueckfuehrung der Emigrierten und die Ausdehnung der achaeischen Symmachie auf den ganzen Peloponnes erwartet. Der Unbefangene wird indes nicht verkennen, dass Flamininus diese schwierigen Angelegenheiten so billig und gerecht regelte, wie es moeglich ist, wo zwei beiderseits unbillige und ungerechte politische Parteien sich gegenueberstehen. Bei der alten und tiefen Verfeindung zwischen den Spartanern und Achaeern waere die Einverleibung Spartas in den Achaeischen Bund einer Unterwerfung Spartas unter die Achaeer gleichgekommen, was der Billigkeit nicht minder zuwiderlief als der Klugheit. Die Rueckfuehrung der Emigranten und die vollstaendige Restauration eines seit zwanzig Jahren beseitigten Regiments wuerde nur ein Schreckensregiment an die Stelle eines anderen gesetzt haben; der Ausweg, den Flamininus ergriff, war eben darum der rechte, weil er beide extreme Parteien nicht befriedigte. Endlich schien dafuer gruendlich gesorgt, dass es mit dem spartanischen See- und Landraub ein Ende hatte und das Regiment daselbst, wie es nun eben war, nur der eigenen Gemeinde unbequem fallen konnte. Es ist moeglich, dass Flamininus, der den Nabis kannte und wissen musste, wie wuenschenswert dessen persoenliche Beseitigung war, davon abstand, um nur einmal zu Ende zu kommen und nicht durch unabsehbar sich fortspinnende Verwicklungen den reinen Eindruck seiner Erfolge zu trueben; moeglich auch, dass er ueberdies an Sparta ein Gegengewicht gegen die Macht der Achaeischen Eidgenossenschaft im Peloponnes zu konservieren suchte. Indes der erste Vorwurf trifft einen Nebenpunkt und in letzterer Hinsicht ist es wenig wahrscheinlich, dass die Roemer sich herabliessen, die Achaeer zu fuerchten. Aeusserlich wenigstens war somit zwischen den kleinen griechischen Staaten Friede gestiftet. Aber auch die inneren Verhaeltnisse der einzelnen Gemeinden gaben dem roemischen Schiedsrichter zu tun. Die Boeoter trugen ihre makedonische Gesinnung selbst noch nach der Verdraengung der Makedonier aus Griechenland offen zur Schau; nachdem Flamininus auf ihre Bitten ihren in Philippos’ Diensten gestandenen Landsleuten die Rueckkehr verstattet hatte, ward der entschiedenste der makedonischen Parteigaenger, Brachyllas, zum Vorstand der Boeotischen Genossenschaft erwaehlt und auch sonst Flamininus auf alle Weise gereizt. Er ertrug es mit beispielloser Geduld: indes die roemisch gesinnten Boeoter, die wussten, was nach dem Abzug der Roemer ihrer warte, beschlossen den Tod des Brachyllas, und Flamininus, dessen Erlaubnis sie sich dazu erbitten zu muessen glaubten, sagte wenigstens nicht nein. Brachyllas ward demnach ermordet; worauf die Boeoter sich nicht begnuegten, die Moerder zu verfolgen, sondern auch den einzeln durch ihr Gebiet passierenden roemischen Soldaten auflauerten und deren an 500 erschlugen. Dies war denn doch zu arg; Flamininus legte ihnen eine Busse von einem Talent fuer jeden Soldaten auf, und da sie diese nicht zahlten, nahm er die naechstliegenden Truppen zusammen und belagerte Koroneia (558 196). Nun verlegte man sich auf Bitten; in der Tat liess Flamininus auf die Verwendung der Achaeer und Athener gegen eine sehr maessige Busse von den Schuldigen ab, und obwohl die makedonische Partei fortwaehrend in der kleinen Landschaft am Ruder blieb, setzten die Roemer ihrer knabenhaften Opposition nichts entgegen als die Langmut der Uebermacht. Auch im uebrigen Griechenland begnuegte sich Flamininus, soweit es ohne Gewalttaetigkeit anging, auf die inneren Verhaeltnisse namentlich der neubefreiten Gemeinden einzuwirken, den Rat und die Gerichte in die Haende der Reicheren und die antimakedonisch gesinnte Partei ans Ruder zu bringen und die staedtischen Gemeinwesen dadurch, dass er das, was in jeder Gemeinde nach Kriegsrecht an die Roemer gefallen war, zu dem Gemeindegut der betreffenden Stadt schlug, moeglichst an das roemische Interesse zu knuepfen. Im Fruehjahr 560 (194) war die Arbeit beendigt: Flamininus versammelte noch einmal in Korinth die Abgeordneten der saemtlichen griechischen Gemeinden, ermahnte sie zu verstaendigem und maessigem Gebrauch der ihnen verliehenen Freiheit und erbat sich als einzige Gegengabe fuer die Roemer, dass man die italischen Gefangenen, die waehrend des Hannibalischen Krieges nach Griechenland verkauft worden waren, binnen dreissig Tagen ihm zusende. Darauf raeumte er die letzten Festungen, in denen noch roemische Besatzung stand, Demetrias, Chalkis nebst den davon abhaengigen kleineren Forts auf Euboea, und Akrokorinth, also die Rede der Aetoler, dass Rom die Fesseln Griechenlands von Philippos geerbt, tatsaechlich Luege strafend, und zog mit den saemtlichen roemischen Truppen und den befreiten Gefangenen in die Heimat.
Nur von der veraechtlichen Unredlichkeit oder der schwaechlichen Sentimentalitaet kann es verkannt werden, dass es mit der Befreiung Griechenlands den Roemern vollkommen ernst war, und die Ursache, weshalb der grossartig angelegte Plan ein so kuemmerliches Gebaeude lieferte, einzig zu suchen ist in der vollstaendigen sittlichen und staatlichen Aufloesung der hellenischen Nation. Es war nichts Geringes, dass eine maechtige Nation das Land, welches sie sich gewoehnt hatte, als ihre Urheimat und als das Heiligtum ihrer geistigen und hoeheren Interessen zu betrachten, mit ihrem maechtigen Arm ploetzlich zur vollen Freiheit fuehrte und jeder Gemeinde desselben die Befreiung von fremder Schatzung und fremder Besatzung und die unbeschraenkte Selbstregierung verlieh; bloss die Jaemmerlichkeit sieht hierin nichts als politische Berechnung. Der politische Kalkuel machte den Roemern die Befreiung Griechenlands moeglich, zur Wirklichkeit wurde sie durch die eben damals in Rom und vor allem in Flamininus selbst unbeschreiblich maechtigen hellenischen Sympathien. Wenn ein Vorwurf die Roemer trifft, so ist es der, dass sie alle und vor allem den Flamininus, der die wohlbegruendeten Bedenken des Senats ueberwand, der Zauber des hellenischen Namens hinderte, die Erbaermlichkeit des damaligen griechischen Staatenwesens in ihrem ganzen Umfang zu erkennen, und dass sie all den Gemeinden, die mit ihren in sich und gegeneinander gaerenden ohnmaechtigen Antipathien weder zu handeln noch sich ruhig zu halten verstanden, ihr Treiben auch ferner gestatteten. Wie die Dinge einmal standen, war es vielmehr noetig, dieser ebenso kuemmerlichen als schaedlichen Freiheit durch eine an Ort und Stelle dauernd anwesende Uebermacht ein- fuer allemal ein Ende zu machen; die schwaechliche Gefuehlspolitik war bei all ihrer scheinbaren Humanitaet weit grausamer, als die strengste Okkupation gewesen sein wuerde. In Boeotien zum Beispiel musste Rom einen politischen Mord, wenn nicht veranlassen, doch zulassen, weil man sich einmal entschlossen hatte, die roemischen Truppen aus Griechenland wegzuziehen und somit den roemisch gesinnten Griechen nicht wehren konnte, dass sie landueblicher Weise sich selber halfen. Aber auch Rom selbst litt unter den Folgen dieser Halbheit. Der Krieg mit Antiochos waere nicht entstanden ohne den politischen Fehler der Befreiung Griechenlands, und er waere ungefaehrlich geblieben ohne den militaerischen Fehler, aus den Hauptfestungen an der europaeischen Grenze die Besatzungen wegzuziehen. Die Geschichte hat eine Nemesis fuer jede Suende, fuer den impotenten Freiheitsdrang wie fuer den unverstaendigen Edelmut.
9. Kapitel
Der Krieg gegen Antiochos von Asien In dem Reiche Asien trug das Diadem der Seleukiden seit dem Jahre 531 (223) der Koenig Antiochos der Dritte, der Urenkel des Begruenders der Dynastie. Auch er war gleich Philippos mit neunzehn Jahren zur Regierung gekommen und hatte Taetigkeit und Unternehmungsgeist genug namentlich in seinen ersten Feldzuegen im Osten entwickelt, um ohne allzu arge Laecherlichkeit im Hofstil der Grosse zu heissen. Mehr indes durch die Schlaffheit seiner Gegner, namentlich des aegyptischen Philopator, als durch seine eigene Tuechtigkeit war es ihm gelungen, die Integritaet der Monarchie einigermassen wiederherzustellen und zuerst die oestlichen Satrapien Medien und Parthyene, dann auch den von Achaeos diesseits des Tauros in Kleinasien begruendeten Sonderstaat wieder mit der Krone zu vereinigen. Ein erster Versuch, das schmerzlich entbehrte syrische Kuestenland den Aegyptern zu entreissen, war im Jahre der Trasimenischen Schlacht von Philopator bei Raphia blutig zurueckgewiesen worden, und Antiochos hatte sich wohl gehuetet, mit Aegypten den Streit wieder aufzunehmen, solange dort ein Mann, wenn auch ein schlaffer, auf dem Thron sass. Aber nach Philopators Tode (549 205) schien der rechte Augenblick gekommen, mit Aegypten ein Ende zu machen; Antiochos verband sich zu diesem Zweck mit Philippos und hatte sich auf Koilesyrien geworfen, waehrend dieser die kleinasiatischen Staedte angriff. Als die Roemer hier intervenierten, schien es einen Augenblick, als werde Antiochos gegen sie mit Philippos gemeinschaftliche Sache machen, wie die Lage der Dinge und der Buendnisvertrag es mit sich brachten. Allein nicht weitsichtig genug, um ueberhaupt die Einmischung der Roemer in die Angelegenheiten des Ostens sofort mit aller Energie zurueckzuweisen, glaubte Antiochos seinen Vorteil am besten zu wahren, wenn er Philippos’ leicht vorauszusehende Ueberwaeltigung durch die Roemer dazu nutzte, um das Aegyptische Reich, das er mit Philippos hatte teilen wollen, nun fuer sich allein zu gewinnen. Trotz der engen Beziehungen Roms zu dem alexandrinischen Hof und dem koeniglichen Muendel hatte doch der Senat keineswegs die Absicht, wirklich, wie er sich nannte, dessen “Beschuetzer” zu sein; fest entschlossen, sich um die asiatischen Angelegenheiten nicht anders als im aeussersten Notfall zu bekuemmern und den Kreis der roemischen Macht mit den Saeulen des Herakles und dem Hellespont zu begrenzen, liess er den Grosskoenig machen. Mit der Eroberung des eigentlichen Aegypten, die leichter gesagt als getan war, mochte es freilich diesem selbst nicht recht ernst sein; dagegen ging er daran, die auswaertigen Besitzungen Aegyptens eine nach der andern zu unterwerfen und griff zunaechst die kilikischen sowie die syrischen und palaestinensischen an. Der grosse Sieg, den er im Jahre 556 (198) am Berge Panion bei den Jordanquellen ueber den aegyptischen Feldherrn Skopas erfocht, gab ihm nicht bloss den vollstaendigen Besitz dieses Gebiets bis an die Grenze des eigentlichen Aegypten, sondern schreckte die aegyptischen Vormuender des jungen Koenigs so sehr, dass dieselben, um Antiochos vom Einruecken in Aegypten abzuhalten, sich zum Frieden bequemten und durch das Verloebnis ihres Muendels mit der Tochter des Antiochos, Kleopatra, den Frieden besiegelten. Nachdem also das naechste Ziel erreicht war, ging Antiochos in dem folgenden Jahr, dem der Schlacht von Kynoskephalae, mit einer starken Flotte von 100 Deck- und 100 offenen Schiffen nach Kleinasien, um die ehemals aegyptischen Besitzungen an der Sued- und Westkueste Kleinasiens in Besitz zu nehmen – wahrscheinlich hatte die aegyptische Regierung diese Distrikte, die faktisch in Philippos’ Haenden waren, im Frieden an Antiochos abgetreten und ueberhaupt auf die saemtlichen auswaertigen Besitzungen zu dessen Gunsten verzichtet – und um ueberhaupt die kleinasiatischen Griechen wieder zum Reiche zu bringen. Zugleich sammelte sich ein starkes syrisches Landheer in Sardes.
Dieses Beginnen war mittelbar gegen die Roemer gerichtet, welche von Anfang an Philippos die Bedingung gestellt hatten, seine Besatzungen aus Kleinasien wegzuziehen und den Rhodiern und Pergamenern ihr Gebiet, den Freistaedten die bisherige Verfassung ungekraenkt zu lassen, und nun an Philippos’ Stelle sich Antiochos derselben bemaechtigen sehen mussten. Unmittelbar aber sahen sich Attalos und die Rhodier jetzt von Antiochos durchaus mit derselben Gefahr bedroht, die sie wenige Jahre zuvor zum Kriege gegen Philippos getrieben hatte; und natuerlich suchten sie die Roemer in diesen Krieg ebenso wie in den eben beendigten zu verwickeln. Schon 555/56 (199/98) hatte Attalos von den Roemern militaerische Hilfe begehrt gegen Antiochos, der sein Gebiet besetzt habe, waehrend Attalos’ Truppen in dem roemischen Kriege beschaeftigt seien. Die energischeren Rhodier erklaerten sogar dem Koenig Antiochos, als im Fruehjahr 557 (197) dessen Flotte an der kleinasiatischen Kueste hinauf segelte, dass sie die Ueberschreitung der Chelidonischen Inseln (an der lykischen Kueste) als Kriegserklaerung betrachten wuerden, und als Antiochos sich hieran nicht kehrte, hatten sie, ermutigt durch die eben eintreffende Kunde von der Schlacht bei Kynoskephalae, sofort den Krieg begonnen und die wichtigsten karischen Staedte Kaunos, Halikarnassos, Myndos, ferner die Insel Samos in der Tat vor dem Koenig geschuetzt. Auch von den halbfreien Staedten hatten zwar die meisten sich demselben gefuegt, allein einige derselben, namentlich die wichtigen Staedte Smyrna, Alexandreia, Trogs und Lampsakos hatten auf die Kunde von der Ueberwaeltigung Philipps gleichfalls Mut bekommen, sich dem Syrer zu widersetzen, und ihre dringenden Bitten vereinigten sich mit denen der Rhodier. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Antiochos, soweit er ueberhaupt faehig war, einen Entschluss zu fassen und festzuhalten, schon jetzt es bei sich festgestellt hatte, nicht bloss die aegyptischen Besitzungen in Asien an sich zu bringen, sondern auch in Europa fuer sich zu erobern und einen Krieg deswegen mit Rom wo nicht zu suchen, doch es darauf ankommen zu lassen. Die Roemer hatten insofern alle Ursache, jenem Ansuchen ihrer Bundesgenossen zu willfahren und in Asien unmittelbar zu intervenieren; aber sie bezeigten sich dazu wenig geneigt. Nicht bloss zauderte man, solange der Makedonische Krieg waehrte, und gab dem Attalos nichts als den Schutz diplomatischer Verwendung, die uebrigens zunaechst sich wirksam erwies; sondern auch nach dem Siege sprach man wohl es aus, dass die Staedte, die Ptolemaeos und Philippos in Haenden gehabt, nicht von Antiochos sollten in Besitz genommen werden, und die Freiheit der asiatischen Staedte Myrina, Abydos, Lampsakos ^1, Kios figurierte in den roemischen Aktenstuecken, allein man tat nicht das Geringste, um sie durchzusetzen und liess es geschehen, dass Koenig Antiochos die gute Gelegenheit des Abzugs der makedonischen Besatzungen aus denselben benutzte, um die seinigen hineinzulegen. Ja man ging so weit, sich selbst dessen Landung in Europa im Fruehjahr 557 (197) und sein Einruecken in den Thrakischen Chersonesos gefallen zu lassen, wo er Sestos und Madytos in Besitz nahm und laengere Zeit verwandte auf die Zuechtigung der thrakischen Barbaren und die Wiederherstellung des zerstoerten Lysimacheia, das er zu seinem Hauptwaffenplatz und zur Hauptstadt der neugegruendeten Satrapie Thrakien ausersehen hatte. Flamininus, in dessen Haenden die Leitung dieser Angelegenheiten sich befand, schickte wohl nach Lysimacheia an den Koenig Gesandte, die von der Integritaet des aegyptischen Gebiets und von der Freiheit der saemtlichen Hellenen redeten; allein es kam dabei nichts heraus. Der Koenig redete wiederum von seinen unzweifelhaften Rechtstiteln auf das alte, von seinem Ahnherrn Seleukos eroberte Reich des Lysimachos, setzte auseinander, dass er nicht beschaeftigt sei, Land zu erobern, sondern einzig die Integritaet seines angestammten Gebiets zu wahren, und lehnte die roemische Vermittlung in seinen Streitigkeiten mit den ihm untertaenigen Staedten in Kleinasien ab. Mit Recht konnte er hinzufuegen, dass mit Aegypten bereits Friede geschlossen sei und es den Roemern insofern an einem formellen Grund fehle zu intervenieren ^2. Die ploetzliche Heimkehr des Koenigs nach Asien, veranlasst durch die falsche Nachricht von dem Tode des jungen Koenigs von Aegypten und die dadurch hervorgerufenen Projekte einer Landung auf Kypros oder gar in Alexandreia, beendigte die Konferenzen, ohne dass man auch nur zu einem Abschluss, geschweige denn zu einem Resultat gekommen waere. Das folgende Jahr 559 (195) kam Antiochos wieder nach Lysimacheia mit verstaerkter Flotte und Armee und beschaeftigte sich mit der Einrichtung der neuen Satrapie, die er seinem Sohne Seleukos bestimmte; in Ephesos kam Hannibal zu ihm, der von Karthago hatte landfluechtig werden muessen, und der ungemein ehrenvolle Empfang, der ihm zuteil ward, war so gut wie eine Kriegserklaerung gegen Rom. Nichtsdestoweniger zog noch im Fruehjahr 560 (194) Flamininus saemtliche roemische Besatzungen aus Griechenland heraus. Es war dies unter den obwaltenden Verhaeltnissen wenigstens eine arge Verkehrtheit, wenn nicht ein straefliches Handeln wider das eigene bessere Wissen; denn der Gedanke laesst sich nicht abweisen, dass Flamininus, um nur den Ruhm des gaenzlich beendigten Krieges und des befreiten Hellas ungeschmaelert heimzubringen, sich begnuegte, das glimmende Feuer des Aufstandes und des Krieges vorlaeufig oberflaechlich zu verschuetten. Der roemische Staatsmann mochte vielleicht recht haben, wenn er jeden Versuch, Griechenland unmittelbar in roemische Botmaessigkeit zu bringen und jede Intervention der Roemer in die asiatischen Angelegenheiten fuer einen politischen Fehler erklaerte; aber die gaerende Opposition in Griechenland, der schwaechliche Uebermut des Asiaten, das Verweilen des erbitterten Roemerfeindes, der schon den Westen gegen Rom in Waffen gebracht hatte, im syrischen Hauptquartier, alles dies waren deutliche Anzeichen des Herannahens einer neuen Schilderhebung des hellenischen Ostens, deren Ziel mindestens sein musste, Griechenland aus der roemischen Klientel in die der antiroemisch gesinnten Staaten zu bringen und, wenn dies erreicht worden waere, sofort sich weiter gesteckt haben wuerde. Es ist einleuchtend, dass Rom dies nicht geschehen lassen konnte. Indem Flamininus, all jene sicheren Kriegsanzeichen ignorierend, aus Griechenland die Besatzungen wegzog und gleichzeitig dennoch an den Koenig von Asien Forderungen stellte, fuer die marschieren zu lassen er nicht gesonnen war, tat er in Worten zu viel, was in Taten zu wenig und vergass seiner Feldherrn- und Buergerpflicht ueber der eigenen Eitelkeit, die Rom den Frieden und den Griechen in beiden Weltteilen die Freiheit geschenkt zu haben wuenschte und waehnte. —————————————————— ^1 Nach einem kuerzlich aufgefundenen Dekret der Stadt Lampsakos (AM 6, 1891, S. 95) schickten die Lampsakener nach der Niederlage Philipps Gesandte an den roemischen Senat mit der Bitte, dass die Stadt in den zwischen Rom und dem Koenig (Philippos) abgeschlossenen Vertrag mit einbezogen werden moege (op/o/s symperil/e/phth/o/men [en tais synth/e/kais] tais genomenais R/o/maiois pros ton [basilea]), welche der Senat, wenigstens nach der Auffassung der Bittsteller, denselben gewaehrte und sie im uebrigen an Flamininus und die zehn Gesandten wies. Von diesem erbitten dann dieselben in Korinth Garantie ihrer Verfassung und Briefe an die Koenige. Flamininus gibt ihnen auch dergleichen Schreiben; ueber den Inhalt erfahren wir nichts Genaueres, als dass in dem Dekret die Gesandtschaft als erfolgreich bezeichnet wird. Aber wenn der Senat und Flamininus die Autonomie und Demokratie der Lampsakener formell und positiv garantiert haetten, wuerde das Dekret schwerlich so ausfuehrlich bei den hoeflichen Antworten verweilen, welche die unterwegs um Verwendung bei dem Senat angesprochenen roemischen Befehlshaber den Gesandten erteilten. Bemerkenswert ist in dieser Urkunde noch die gewiss auf die troische Legende zurueckgehende “Bruederschaft” der Lampsakener und der Roemer und die von jenen mit Erfolg angerufene Vermittlung der Bundesgenossen und Freunde Roms, der Massalioten, welche mit den Lampsakenern durch die gemeinsame Mutterstadt Phokaea verbunden waren.
^2 Das bestimmte Zeugnis des Hieronymos, welcher das Verloebnis der syrischen Kleopatra mit Ptolemaeos Epiphanes in das Jahr 556 (198) setzt, in Verbindung mit den Andeutungen bei Livius (33, 40) und Appian (Syr. 3) und mit dem wirklichen Vollzug der Vermaehlung im Jahre 561 (193) setzen es ausser Zweifel dass die Einmischung der Roemer in die aegyptischen Angelegenheiten in diesem Fall eine formell unberufene war. —————————————————– Antiochos nuetzte die unerwartete Frist, um im Innern und mit seinen Nachbarn die Verhaeltnisse zu befestigen, bevor er den Krieg beginnen wuerde, zu dem er seinerseits entschlossen war und immer mehr es ward, je mehr der Feind zu zoegern schien. Er vermaehlte jetzt (561 193) dem jungen Koenig von Aegypten dessen Verlobte, seine Tochter Kleopatra; dass er zugleich seinem Schwiegersohn die Rueckgabe der ihm entrissenen Provinzen versprochen habe, ward zwar spaeter aegyptischerseits behauptet, allein wahrscheinlich mit Unrecht, und jedenfalls blieb faktisch das Land bei dem Syrischen Reiche ^3. Er bot dem Eumenes, der im Jahre 557 (197) seinem Vater Attalos auf dem Thron von Pergamon gefolgt war, die Zurueckgabe der ihm abgenommenen Staedte und gleichfalls eine seiner Toechter zur Gemahlin, wenn er von dem roemischen Buendnis lassen wolle. Ebenso vermaehlte er eine Tochter dem Koenig Ariarathes von Kappadokien und gewann die Galater durch Geschenke, waehrend er die stets aufruehrerischen Pisidier und andere kleine Voelkerschaften mit den Waffen bezwang. Den Byzantiern wurden ausgedehnte Privilegien bewilligt; in Hinsicht der kleinasiatischen Staedte erklaerte der Koenig, dass er die Unabhaengigkeit der alten Freistaedte wie Rhodos und Kyzikos, zugestehen und hinsichtlich der uebrigen sich begnuegen wolle mit einer bloss formellen Anerkennung seiner landesherrlichen Gewalt; er gab sogar zu verstehen, dass er bereit sei, sich dem Schiedsspruch der Rhodier zu unterwerfen. Im europaeischen Griechenland war er der Aetoler gewiss und hoffte auch Philippos wieder unter die Waffen zu bringen. Ja es erhielt ein Plan Hannibals die koenigliche Genehmigung, wonach dieser von Antiochos eine Flotte von 100 Segeln und ein Landheer von 10000 Mann zu Fuss und 1000 Reitern erhalten und damit zuerst in Karthago den Dritten Punischen und sodann in Italien den Zweiten Hannibalischen Krieg erwecken sollte; tyrische Emissaere gingen nach Karthago, um die Schilderhebung daselbst einzuleiten. Man hoffte endlich auf Erfolge der spanischen Insurrektion, die eben als Hannibal Karthago verliess auf ihrem Hoehepunkt stand.
—————————————— ^3 Wir haben dafuer das Zeugnis des Polybios (28, 1), das die weitere Geschichte Judaeas vollkommen bestaetigt; Eusebios (chron. p. 117 Mai) irrt, wenn er Philometor zum Herrn von Syrien macht. Allerdings finden wir, dass um 567 (187) syrische Steuerpaechter ihre Abgaben nach Alexandreia zahlen (Ios. ant. Iud. 12, 4, 7); allein ohne Zweifel geschah dies unbeschadet der Souveraenitaetsrechte nur deswegen, weil die Mitgift der Kleopatra auf diese Stadtgefaelle angewiesen war; und eben daher entsprang spaeter vermutlich der Streit.
——————————————- Waehrend also von langer Hand und im weitesten Umfang der Sturm gegen Rom vorbereitet ward, waren es wie immer die in diese Unternehmung verwickelten Hellenen, die am wenigsten bedeuteten und am wichtigsten und ungeduldigsten taten. Die erbitterten und uebermuetigen Aetoler fingen nachgerade selber an zu glauben, dass Philippos von ihnen und nicht von den Roemern ueberwunden worden sei, und konnten es gar nicht erwarten, dass Antiochos in Griechenland einruecke. Ihre Politik ist charakterisiert durch die Antwort, die ihr Strateg bald darauf dem Flamininus gab, da derselbe eine Abschrift der Kriegserklaerung gegen Rom begehrte: die werde er selber ihm ueberbringen, wenn das aetolische Heer am Tiber lagern werde. Die Aetoler machten die Geschaeftstraeger des syrischen Koenigs fuer Griechenland und taeuschten beide Teile, indem sie dem Koenig vorspiegelten, dass alle Hellenen die Arme nach ihm als ihrem rechten Erloeser, ausstreckten, und denen, die in Griechenland auf sie hoeren wollten, dass die Landung des Koenigs naeher sei, als sie wirklich war. So gelang es ihnen in der Tat, den einfaeltigen Eigensinn des Nabis zum Losschlagen zu bestimmen und damit in Griechenland das Kriegsfeuer zwei Jahre nach Flamininus’ Entfernung, im Fruehling 562 (192) wieder anzufachen; allein sie verfehlten damit ihren Zweck. Nabis warf sich auf Gythion, eine der durch den letzten Vertrag an die Achaeer gekommenen Staedte der freien Lakonen und nahm sie ein, allein der kriegserfahrene Strateg, der Achaeer Philopoemen, schlug ihn an den Barbosthenischen Bergen und kaum den vierten Teil seines Heeres brachte der Tyrann wieder in seine Hauptstadt zurueck, in der Philopoemen ihn einschloss. Da ein solcher Anfang freilich nicht genuegte, um Antiochos nach Europa zufuehren, beschlossen die Aetoler, sich selber in den Besitz von Sparta, Chalkis und Demetrias zu setzen und durch den Gewinn dieser wichtigen Staedte den Koenig zur Einschiffung zu bestimmen. Zunaechst gedachte man sich Spartas dadurch zu bemaechtigen, dass der Aetoler Alexamenos, unter dem Vorgeben, bundesmaessigen Zuzug zu bringen, mit 1000 Mann in die Stadt einrueckend, bei dieser Gelegenheit den Nabis aus dem Wege raeume und die Stadt besetze. Es geschah so und Nabis ward bei einer Heerschau erschlagen; allein als die Aetoler darauf, um die Stadt zu pluendern, sich zerstreuten, fanden die Lakedaemonier Zeit sich zu sammeln und machten sie bis auf den letzten Mann nieder. Die Stadt liess darauf von Philopoemen sich bestimmen, in den Achaeischen Bund einzutreten. Nachdem den Aetolern dies loebliche Projekt also verdientermassen nicht bloss gescheitert war, sondern gerade den entgegengesetzten Erfolg gehabt hatte, fast den ganzen Peloponnes in den Haenden der Gegenpartei zu einigen, ging es ihnen auch in Chalkis wenig besser, indem die roemische Partei daselbst gegen die Aetoler und die chalkidischen Verbannten die roemisch gesinnten Buergerschaften von Eretria und Karystos auf Euboea rechtzeitig herbeirief. Dagegen glueckte die Besetzung von Demetrias, da die Magneten, denen die Stadt zugefallen war, nicht ohne Grund fuerchteten, dass sie von den Roemern dem Philippos als Preis fuer die Hilfe gegen Antiochos versprochen sei; es kam hinzu, dass mehrere Schwadronen aetolischer Reiter unter dem Vorwende, dem Eurylochos, dem zurueckgerufenen Haupt der Opposition gegen Rom, das Geleite zu geben, sich in die Stadt einzuschleichen wussten. So traten die Magneten halb freiwillig, halb gezwungen auf die Seite der Aetoler, und man saeumte nicht, dies bei dem Seleukiden geltend zu machen.
Antiochos entschloss sich. Der Bruch mit Rom, so sehr man auch bemueht war, ihn durch das diplomatische Palliativ der Gesandtschaften hinauszuschieben, liess sich nicht laenger vermeiden. Schon im Fruehling 561 (193) hatte Flamininus, der fortfuhr, im Senat in den oestlichen Angelegenheiten das entscheidende Wort zu haben, gegen die Boten des Koenigs Menippos und Hegesianax das roemische Ultimatum ausgesprochen: entweder aus Europa zu weichen und in Asien nach seinem Gutduenken zu schalten, oder Thrakien zu behalten und das Schutzrecht der Roemer ueber Smyrna, Lampsakos und Alexandreia Troas sich gefallen zu lassen. Dieselben Forderungen waren in Ephesos, dem Hauptwaffenplatz und Standquartier des Koenigs in Kleinasien, im Fruehling 562 (192) noch einmal zwischen Antiochos und den Gesandten des Senats Publius Sulpicius und Publius Villius, verhandelt worden, und von beiden Seiten hatte man sich getrennt mit der Ueberzeugung, dass eine friedliche Einigung nicht mehr moeglich sei. In Rom war seitdem der Krieg beschlossen. Schon im Sommer 562 (192) erschien eine roemische Flotte von 30 Segeln mit 3000 Soldaten an Bord unter Aulus Atilius Serranus vor Gythion, wo ihr Eintreffen den Abschluss des Vertrags zwischen den Achaeern und Spartanern beschleunigte; die sizilische und italische Ostkueste wurde stark besetzt, um gegen etwaige Landungsversuche gesichert zu sein; fuer den Herbst ward in Griechenland ein Landheer erwartet. Flamininus bereiste im Auftrag des Senats seit dem Fruehjahr 562 (192) Griechenland, um die Intrigen der Gegenpartei zu hintertreiben und soweit moeglich die unzeitige Raeumung Griechenlands wiedergutzumachen. Bei den Aetolern war es schon so weit gekommen, dass die Tagsatzung foermlich den Krieg gegen Rom beschloss. Dagegen gelang es dem Flamininus, Chalkis fuer die Roemer zu retten, indem er eine Besatzung von 500 Achaeern und 500 Pergamenern hineinwarf. Er machte ferner einen Versuch, Demetrias wieder zu gewinnen; und die Magneten schwankten. Wenn auch einige kleinasiatische Staedte, die Antiochos vor dem Beginn des grossen Krieges zu bezwingen sich vorgenommen, noch widerstanden, er durfte jetzt nicht laenger mit der Landung zoegern, wofern er nicht die Roemer all die Vorteile wiedergewinnen lassen wollte, die sie durch die Wegziehung ihrer Besatzungen aus Griechenland zwei Jahre zuvor aufgegeben hatten. Antiochos nahm die Schiffe und Truppen zusammen, die er eben unter der Hand hatte – es waren nur 40 Deckschiffe und 10000 Mann zu Fuss nebst 500 Pferden und sechs Elefanten – und brach vom thrakischen Chersonesos nach Griechenland auf, wo er im Herbst 562 (192) bei Pteleon am Pagasaeischen Meerbusen an das Land stieg und sofort das nahe Demetrias besetzte. Ungefaehr um dieselbe Zeit landete auch ein roemisches Heer von etwa 25000 Mann unter dem Praetor Marcus Baebius bei Apollonia. Also war von beiden Seiten der Krieg begonnen.
Es kam darauf an, wie weit jene umfassend angelegte Koalition gegen Rom, als deren Haupt Antiochos auftrat, sich realisieren werde. Was zunaechst den Plan betraf, in Karthago und Italien den Roemern Feinde zu erwecken, so traf Hannibal wie ueberall so auch am Hof zu Ephesos das Los, seine grossartigen und hochherzigen Plaene fuer kleinkraemerischer und niedriger Leute Rechnung entworfen zu haben. Zu ihrer Ausfuehrung geschah nichts, als dass man einige karthagische Patrioten kompromittierte; den Karthagern blieb keine andere Wahl, als sich den Roemern unbedingt botmaessig zu erweisen. Die Kamarilla wollte eben den Hannibal nicht – der Mann war der Hofkabale zu unbequem gross, und nachdem sie allerlei abgeschmackte Mittel versucht hatte, zum Beispiel den Feldherrn, mit dessen Namen die Roemer ihre Kinder schreckten, des Einverstaendnisses mit den roemischen Gesandten zu bezichtigen, gelang es ihr, den grossen Antiochos, der wie alle unbedeutenden Monarchen auf seine Selbstaendigkeit sich viel zugute tat und mit nichts so leicht zu beherrschen war wie mit der Furcht, beherrscht zu werden, auf den weisen Gedanken zu bringen, dass er sich nicht durch den vielgenannten Mann duerfe verdunkeln lassen; worauf denn im hohen Rat beschlossen ward, den Phoeniker kuenftig nur fuer untergeordnete Aufgaben und zum Ratgeben zu verwenden, vorbehaltlich natuerlich den Rat nie zu befolgen. Hannibal raechte sich an dem Gesindel, indem er jeden Auftrag annahm und jeden glaenzend ausfuehrte.
In Asien hielt Kappadokien zu dem Grosskoenig; dagegen trat Prusias von Bithynien wie immer auf die Seite des Maechtigeren. Koenig Eumenes blieb der alten Politik seines Hauses getreu, die ihm erst jetzt die rechte Frucht tragen sollte. Er hatte Antiochos’ Anerbietungen nicht bloss beharrlich zurueckgewiesen, sondern auch die Roemer bestaendig zu einem Kriege gedraengt, von dem er die Vergroesserung seines Reiches erwartete. Ebenso schlossen die Rhodier und die Byzantier sich ihren alten Bundesgenossen an. Auch Aegypten trat auf die Seite Roms und bot Unterstuetzung an Zufuhr und Mannschaft an, welche man indes roemischerseits nicht annahm.
In Europa kam es vor allem an auf die Stellung, die Philippos von Makedonien einnehmen wuerde. Vielleicht waere es die richtige Politik fuer ihn gewesen, sich, alles Geschehenen und nicht Geschehenen ungeachtet, mit Antiochos zu vereinigen; allein Philippos ward in der Regel nicht durch solche Ruecksichten bestimmt, sondern durch Neigung und Abneigung, und begreiflicherweise traf sein Hass viel mehr den treulosen Bundesgenossen, der ihn gegen den gemeinschaftlichen Feind im Stich gelassen hatte, um dafuer auch seinen Anteil an der Beute einzuziehen und ihm in Thrakien ein laestiger Nachbar zu werden, als seinen Besieger, der ihn ruecksichts- und ehrenvoll behandelt hatte. Es kam hinzu, dass Antiochos durch Aufstellung abgeschmackter Praetendenten auf die makedonische Krone und durch die prunkvolle Bestattung der bei Kynoskephalae bleichenden makedonischen Gebeine den leidenschaftlichen Mann tief verletzte. Er stellte seine ganze Streitmacht mit aufrichtigem Eifer den Roemern zur Verfuegung. Ebenso entschieden wie die erste Macht Griechenlands hielt die zweite, die Achaeische Eidgenossenschaft fest am roemischen Buendnis; von den kleineren Gemeinden blieben ausserdem dabei die Thessaler und die Athener, bei welchen letzteren eine von Flamininus in die Burg gelegte achaeische Besatzung die ziemlich starke Patriotenpartei zur Vernunft brachte. Die Epeiroten gaben sich Muehe, es womoeglich beiden Teilen recht zu machen. Sonach traten auf Antiochos’ Seite ausser den Aetolern und den Magneten, denen ein Teil der benachbarten Perrhaeber sich anschloss, nur der schwache Koenig der Athamanen, Amynander, der sich durch toerichte Aussichten auf die makedonische Koenigskrone blenden liess, die Boeoter, bei denen die Opposition gegen Rom noch immer am Ruder war, und im Peloponnes die Eleer und Messenier, gewohnt, mit den Aetolern gegen die Achaeer zu stehen. Das war denn freilich ein erbaulicher Anfang; und der Oberfeldherrntitel mit unumschraenkter Gewalt, den die Aetoler dem Grosskoenig dekretierten, schien zu dem Schaden der Spott. Man hatte sich eben wie gewoehnlich beiderseits belogen: statt der unzaehlbaren Scharen Asiens fuehrte der Koenig eine Armee heran, kaum halb so stark wie ein gewoehnliches konsularisches Heer, und statt der offenen Arme, die saemtliche Hellenen ihrem Befreier vom roemischen Joch entgegenstrecken sollten, trugen ein paar Klephtenhaufen und einige verliederlichte Buergerschaften dem Koenig Waffenbruederschaft an.
Fuer den Augenblick freilich war Antiochos den Roemern im eigentlichen Griechenland zuvorgekommen. Chalkis hatte Besatzung von den griechischen Verbuendeten der Roemer und wies die erste Aufforderung zurueck; allein die Festung ergab sich, als Antiochos mit seiner ganzen Macht davorrueckte, und eine roemische Abteilung, die zu spaet kam, um sie zu besetzen, wurde beim Delion von Antiochos vernichtet. Euboea also war fuer die Roemer verloren. Noch machte schon im Winter Antiochos in Verbindung mit den Aetolern und Athamanen einen Versuch, Thessalien zu gewinnen; die Thermopylen wurden auch besetzt, Pherae und andere Staedte genommen, aber Appius Claudius kam mit 2000 Mann von Apollonia heran, entsetzte Larisa und nahm hier Stellung. Antiochos, des Winterfeldzugs muede, zog es vor, in sein lustiges Quartier nach Chalkis zurueckzugehen, wo es hoch herging und der Koenig sogar trotz seiner fuenfzig Jahre und seiner kriegerischen Plaene mit einer huebschen Chalkidierin Hochzeit machte. So verstrich der Winter 562/63 (192/91), ohne dass Antiochos viel mehr getan haette als in Griechenland hin- und herschreiben – er fuehre den Krieg mit Tinte und Feder, sagte ein roemischer Offizier. Mit dem ersten Fruehjahr 563 (191) traf der roemische Stab bei Apollonia ein, der Oberfeldherr Manius Acilius Glabrio, ein Mann von geringer Herkunft, aber ein tuechtiger, von den Feinden wie von seinen Soldaten gefuerchteter Feldherr, der Admiral Gaius Livius, unter den Kriegstribunen Marcus Porcius Cato, der Ueberwinder Spaniens, und Lucius Valerius Flaccus, die nach altroemischer Weise es nicht verschmaehten, obwohl gewesene Konsuln, wieder als einfache Kriegstribune in das Heer einzutreten. Mit sich brachten sie Verstaerkungen an Schiffen und Mannschaft, darunter numidische Reiter und libysche Elefanten, von Massinissa gesendet, und die Erlaubnis des Senats, von den ausseritalischen Verbuendeten bis zu 5000 Mann Hilfstruppen anzunehmen, wodurch die Gesamtzahl der roemischen Streitkraefte auf etwa 40000 Mann stieg. Der Koenig, der im Anfang des Fruehjahrs sich zu den Aetolern begeben und von da aus eine zwecklose Expedition nach Akarnanien gemacht hatte, kehrte auf die Nachricht von Glabrios Landung in sein Hauptquartier zurueck, um nun in allem Ernst den Feldzug zu beginnen. Allein durch seine und seiner Stellvertreter in Asien Saumseligkeit waren unbegreiflicherweise ihm alle Verstaerkungen ausgeblieben, so dass er nichts hatte als das schwache und nun noch durch Krankheit und Desertion in den liederlichen Winterquartieren dezimierte Heer, womit er im Herbst des vorigen Jahres bei Pteleon gelandet war. Auch die Aetoler, die so ungeheure Massen hatten ins Feld stellen wollen, fuehrten jetzt, da es galt, ihrem Oberfeldherrn nicht mehr als 4000 Mann zu. Die roemischen Truppen hatten bereits die Operationen in Thessalien begonnen, wo die Vorhut in Verbindung mit dem makedonischen Heer die Besatzungen des Antiochos aus den thessalischen Staedten hinausschlug und das Gebiet der Athamanen besetzte. Der Konsul mit der Hauptarmee folgte nach; die Gesamtmacht der Roemer sammelte sich in Larisa. Statt eilig nach Asien zurueckzukehren und vor dem in jeder Hinsicht ueberlegenen Feind das Feld zu raeumen, beschloss Antiochos, sich in den von ihm besetzten Thermopylen zu verschanzen und dort die Ankunft des grossen Heeres aus Asien abzuwarten. Er selbst stellte in dem Hauptpass sich auf und befahl den Aetolern, den Hochpfad zu besetzen, auf welchem es einst Xerxes gelungen war, die Spartaner zu umgehen. Allein nur der Haelfte des aetolischen Zuzugs gefiel es, diesem Befehl des Oberfeldherrn nachzukommen; die uebrigen 2000 Mann warfen sich in die nahe Stadt Herakleia, wo sie an der Schlacht keinen andern Teil nahmen, als dass sie versuchten, waehrend derselben das roemische Lager zu ueberfallen und auszurauben. Auch die auf dem Gebirg postierten Aetoler betrieben den Wachdienst laessig und widerwillig; ihr Posten auf dem Kallidromos liess sich von Cato ueberrumpeln, und die asiatische Phalanx, die der Konsul mittlerweile von vorn angegriffen hatte, stob auseinander, als ihr die Roemer den Berg hinabeilend in die Flanke fielen. Da Antiochos fuer nichts gesorgt und an den Rueckzug nicht gedacht hatte, so ward das Heer teils auf dem Schlachtfeld, teils auf der Flucht vernichtet; kaum dass ein kleiner Haufen Demetrias, und der Koenig selbst mit 500 Mann Chalkis erreichte. Eilig schiffte er sich nach Ephesos ein; Europa war bis auf die thrakischen Besitzungen ihm verloren und nicht einmal die Festungen laenger zu verteidigen. Chalkis ergab sich an die Roemer, Demetrias an Philippos, dem als Entschaedigung fuer die fast schon von ihm vollendete und dann auf Befehl des Konsuls aufgegebene Eroberung der Stadt Lamia in Achaia Phthiotis die Erlaubnis ward, sich der saemtlichen zu Antiochos uebergetretenen Gemeinden im eigentlichen Thessalien und selbst des aetolischen Grenzgebiets, der dolopischen und aperantischen Landschaften, zu bemaechtigen. Was sich in Griechenland fuer Antiochos ausgesprochen hatte, eilte, seinen Frieden zu machen: die Epeiroten baten demuetig um Verzeihung fuer ihr zweideutiges Benehmen, die Boeoter ergaben sich auf Gnade und Ungnade, die Eleer und Messenier fuegten, die letzteren nach einigem Straeuben, sich den Achaeern. Es erfuellte sich, was Hannibal dem Koenig vorhergesagt hatte, dass auf die Griechen, die jedem Sieger sich unterwerfen wuerden, schlechterdings gar nichts ankomme. Selbst die Aetoler versuchten, nachdem ihr in Herakleia eingeschlossenes Korps nach hartnaeckiger Gegenwehr zur Kapitulation gezwungen worden war, mit den schwer gereizten Roemern ihren Frieden zu machen; indes die strengen Forderungen des roemischen Konsuls und eine rechtzeitig von Antiochos einlaufende Geldsendung gaben ihnen den Mut, die Verhandlungen noch einmal abzubrechen und waehrend zwei ganzer Monate die Belagerung in Naupaktos auszuhalten. Schon war die Stadt aufs Aeusserste gebracht und die Erstuermung oder die Kapitulation nicht mehr fern, als Flamininus, fortwaehrend bemueht, jede hellenische Gemeinde vor den aergsten Folgen ihres eigenen Unverstandes und vor der Strenge seiner rauheren Kollegen zu bewahren, sich ins Mittel schlug und zunaechst einen leidlichen Waffenstillstand zustande brachte. Damit ruhten in ganz Griechenland, vorlaeufig wenigstens, die Waffen. Ein ernsterer Krieg stand in Asien bevor, den nicht so sehr der Feind, als die weite Entfernung und die unsichere Verbindung mit der Heimat in sehr bedenklichem Licht erscheinen liessen, waehrend doch bei Antiochos’ kurzsichtigem Eigensinn der Krieg nicht wohl anders als durch einen Angriff im eigenen Lande des Feindes beendet werden konnte. Es galt zunaechst, sich der See zu versichern. Die roemische Flotte, die waehrend des Feldzugs in Griechenland die Aufgabe gehabt hatte, die Verbindung zwischen Griechenland und Kleinasien zu unterbrechen, und der es auch gelungen war, um die Zeit der Schlacht bei den Thermopylen einen starken asiatischen Transport bei Andros aufzugreifen, war seitdem beschaeftigt, den Uebergang der Roemer nach Asien fuer das naechste Jahr vorzubereiten und zunaechst die feindliche Flotte aus dem Aegaeischen Meer zu vertreiben. Dieselbe lag im Hafen von Kyssus auf dem suedlichen Ufer der gegen Chios auslaufenden Landzunge Ioniens; dort suchte die roemische sie auf, bestehend aus 75 roemischen, 23 pergamenischen und sechs karthagischen Deckschiffen unter der Fuehrung des Gaius Livius. Der syrische Admiral Polyxenidas, ein rhodischer Emigrierter, hatte nur 70 Deckschiffe entgegenzustellen; allein da die roemische Flotte noch die rhodischen Schiffe erwartete und Polyxenidas auf die ueberlegene Seetuechtigkeit namentlich der tyrischen und sidonischen Schiffe vertraute, nahm er den Kampf sogleich an. Zu Anfang zwar gelang es den Asiaten, eines der karthagischen Schiffe zu versenken; allein sowie es zum Entern kam, siegte die roemische Tapferkeit und nur der Schnelligkeit ihrer Ruder und Segel verdankten es die Gegner, dass sie nicht mehr als 23 Schiffe verloren. Noch waehrend des Nachsetzens stiessen zu der roemischen Flotte 25 rhodische Schiffe und die Ueberlegenheit der Roemer in diesen Gewaessern war nun zwiefach entschieden. Die feindliche Flotte verhielt sich seitdem ruhig im Hafen von Ephesos, und da es nicht gelang, sie zu einer zweiten Schlacht zu bestimmen, loeste die roemisch-bundesgenoessische Flotte fuer den Winter sich auf; die roemischen Kriegsschiffe gingen nach dem Hafen von Kane in der Naehe von Pergamon. Beiderseits war man waehrend des Winters fuer den naechsten Feldzug Vorbereitungen zu treffen bemueht. Die Roemer suchten die kleinasiatischen Griechen auf ihre Seite zu bringen: Smyrna, das alle Versuche des Koenigs, der Stadt sich zu bemaechtigen, beharrlich zurueckgewiesen hatte, nahm die Roemer mit offenen Armen auf und auch in Samos, Chios, Erythrae, Klazomenae, Phokaea, Kyme und sonst gewann die roemische Partei die Oberhand. Antiochos war entschlossen, den Roemern womoeglich den Uebergang nach Asien zu wehren, weshalb er eifrig zur See ruestete und teils durch Polyxenidas die bei Ephesos stationierende Flotte herstellen und vermehren, teils durch Hannibal in Lykien, Syrien und Phoenikien eine neue Flotte ausruesten liess, ausserdem aber ein gewaltiges Landheer aus allen Gegenden seines weitlaeufigen Reiches in Kleinasien zusammentrieb. Frueh im naechsten Jahre (564 190) nahm die roemische Flotte ihre Operationen wieder auf. Gaius Livius liess durch die rhodische Flotte, die diesmal, 36 Segel stark, rechtzeitig erschienen war, die feindliche auf der Hoehe von Ephesos beobachten und ging mit dem groessten Teil der roemischen und den pergamenischen Schiffen nach dem Hellespont, um seinem Auftrag gemaess durch die Wegnahme der Festungen daselbst den Uebergang des Landheeres vorzubereiten. Schon war Sestos besetzt und Abydos aufs Aeusserste gebracht, als ihn die Kunde von der Niederlage der rhodischen Flotte zurueckrief. Der rhodische Admiral Pausistratos, eingeschlaefert durch die Vorspiegelungen seines Landsmannes, von Antiochos abfallen zu wollen, hatte sich im Hafen von Samos ueberrumpeln lassen, er selbst war gefallen, seine saemtlichen Schiffe bis auf fuenf rhodische und zwei troische Segel waren vernichtet, Samos, Phokaea, Kyme auf diese Botschaft zu Seleukos uebergetreten, der in diesen Gegenden fuer seinen Vater den Oberbefehl zu Lande fuehrte. Indes als die roemische Flotte teils von Kane, teils vom Hellespont herbeikam und nach einiger Zeit zwanzig neue Schiffe der Rhodier bei Samos sich mit ihr vereinigten, ward Polyxenidas abermals genoetigt, sich in den Hafen von Ephesos einzuschliessen. Da er die angebotene Seeschlacht verweigerte und bei der geringen Zahl der roemischen Mannschaften an einen Angriff von der Landseite nicht zu denken war, blieb auch der roemischen Flotte nichts uebrig, als gleichfalls sich bei Samos aufzustellen. Eine Abteilung ging inzwischen nach Patara an die lykische Kueste, um teils den Rhodiern gegen die sehr beschwerlichen, von dorther auf sie gerichteten Angriffe Ruhe zu verschaffen, teils und vornehmlich, um die feindliche Flotte, die Hannibal heranfuehren sollte, vom Aegaeischen Meer abzusperren. Als dieses Geschwader gegen Patara nichts ausrichtete, erzuernte der neue Admiral Lucius Aemilius Regillus, der mit 20 Kriegsschiffen von Rom angelangt war und bei Samos den Gaius Livius abgeloest hatte, sich darueber so sehr, dass er mit der ganzen Flotte dorthin aufbrach; kaum gelang es seinen Offizieren, ihm unterwegs begreiflich zu machen, dass es zunaechst nicht auf die Eroberung von Patara ankomme, sondern auf die Beherrschung des Aegaeischen Meeres, und ihn zur Umkehr nach Samos zu bestimmen. Auf dem kleinasiatischen Festland hatte mittlerweile Seleukos die Belagerung von Pergamon begonnen, waehrend Antiochos mit dem Hauptheer das pergamenische Gebiet und die Besitzungen der Mytilenaeer auf dem Festland verwuestete; man hoffte, mit den verhassten Attaliden fertig zu werden, bevor die roemische Hilfe erschien. Die roemische Flotte ging nach Elaea und dem Hafen von Adramyttion, um den Bundesgenossen zu helfen; allein da es dem Admiral an Truppen fehlte, richtete er nichts aus. Pergamon schien verloren; aber die schlaff und nachlaessig geleitete Belagerung gestattete dem Eumenes, achaeische Hilfstruppen unter Diophanes in die Stadt zu werfen, deren kuehne und glueckliche Ausfaelle die mit der Belagerung beauftragten gallischen Soeldner des Antiochos dieselbe aufzuheben zwangen. Auch in den suedlichen Gewaessern wurden die Entwuerfe des Antiochos vereitelt. Die von Hannibal geruestete und gefuehrte Flotte versuchte, nachdem sie lange durch die stehenden Westwinde zurueckgehalten worden war, endlich in das Aegaeische Meer zu gelangen; allein an der Muendung des Eurymedon vor Aspendos in Pamphylien traf sie auf ein rhodisches Geschwader unter Eudamos, und in der Schlacht, die die beiden Flotten sich hier lieferten, trug ueber Hannibals Taktik und ueber die numerische Ueberzahl die Vorzueglichkeit der rhodischen Schiffe und Seeoffiziere den Sieg davon – es war dies die erste Seeschlacht und die letzte Schlacht gegen Rom, die der grosse Karthager schlug. Die siegreiche rhodische Flotte stellte darauf sich bei Patara auf und hemmte hier die beabsichtigte Vereinigung der beiden asiatischen Flotten. Im Aegaeischen Meer ward die roemisch-rhodische Flotte bei Samos, nachdem sie durch die Entsendung der pergamenischen Schiffe in den Hellespont zur Unterstuetzung des dort eben anlangenden Landheers sich geschwaecht hatte, nun ihrerseits von der des Polyxenidas angegriffen, der jetzt neun Segel mehr zaehlte als der Gegner. Am 23. Dezember des unberichtigten Kalenders, nach dem berichtigten etwa Ende August 564 (190), kam es zur Schlacht am Vorgebirg Myonnesos zwischen Teos und Kolophon; die Roemer durchbrachen die feindliche Schlachtlinie und umzingelten den linken Fluegel gaenzlich, so dass 42 Schiffe von ihnen genommen wurden oder sanken. Viele Jahrhunderte nachher verkuendigte den Roemern die Inschrift in saturnischem Mass ueber dem Tempel der Seegeister, der zum Andenken dieses Sieges auf dem Marsfeld erbaut ward, wie vor den Augen des Koenigs Antiochos und seines ganzen Landheers die Flotte der Asiaten geschlagen worden und die Roemer also “den grossen Zwist schlichteten und die Koenige bezwangen”. Seitdem wagten die feindlichen Schiffe nicht mehr, sich auf der offenen See zu zeigen und versuchten nicht weiter, den Uebergang des roemischen Landheers zu erschweren.
Zur Fuehrung des Krieges auf dem asiatischen Kontinent war in Rom der Sieger von Zama ausersehen worden, der in der Tat den Oberbefehl fuehrte fuer den nominellen Hoechstkommandierenden, seinen geistig unbedeutenden und militaerisch unfaehigen Bruder Lucius Scipio. Die bisher in Unteritalien stehende Reserve ward nach Griechenland, das Heer des Glabrio nach Asien bestimmt; als es bekannt ward, wer dasselbe befehligen werde, meldeten sich freiwillig 5000 Veteranen aus dem Hannibalischen Krieg, um noch einmal unter ihrem geliebten Fuehrer zu fechten. Im roemischen Juli, nach der richtigen Zeit im Maerz fanden die Scipionen sich bei dem Heere ein, um den asiatischen Feldzug zu beginnen; allein man war unangenehm ueberrascht, als man statt dessen sich zunaechst in einen endlosen Kampf mit den verzweifelnden Aetolern verwickelt fand. Der Senat, der Flamininus’ grenzenlose Ruecksichten gegen die Hellenen uebertrieben fand, hatte den Aetolern die Wahl gelassen zwischen Zahlung einer voellig unerschwinglichen Kriegskontribution und unbedingter Ergebung, was sie aufs neue unter die Waffen getrieben hatte; es war nicht abzusehen, wann dieser Gebirgs- und Festungskrieg zu Ende gehen werde. Scipio beseitigte das unbequeme Hindernis durch Verabredung eines sechsmonatlichen Waffenstillstandes und trat darauf den Marsch nach Asien an. Da die eine feindliche Flotte in dem Aegaeischen Meere nur blockiert war und die zweite, die aus dem Suedmeer herankam, trotz des mit ihrer Fernhaltung beauftragten Geschwaders taeglich dort eintreffen konnte, schien es ratsam, den Landweg durch Makedonien und Thrakien einzuschlagen und ueber den Hellespont zu gehen; hier waren keine wesentlichen Hindernisse zu erwarten, da Koenig Philippos von Makedonien vollstaendig zuverlaessig, auch Koenig Prusias von Bithynien mit den Roemern in Buendnis war und die roemische Flotte leicht sich in der Meerenge festzusetzen vermochte. Der lange und muehselige Weg laengs der makedonischen und thrakischen Kueste ward ohne wesentlichen Verlust zurueckgelegt; Philippos sorgte teils fuer Zufuhr, teils fuer freundliche Aufnahme bei den thrakischen Wilden. Indes hatte man teils mit den Aetolern, teils auf dem Marsch soviel Zeit verloren, dass das Heer erst etwa um die Zeit der Schlacht von Myonnesos an dem Thrakischen Chersonesos anlangte. Aber Scipios wunderbares Glueck raeumte wie einst in Spanien und Afrika so jetzt in Asien alle Schwierigkeiten vor ihm aus dem Wege. Auf die Kunde von der Schlacht bei Myonnesos verlor Antiochos so vollstaendig den Kopf, dass er in Europa die starkbesetzte und verproviantierte Festung Lysimacheia von der Besatzung und der dem Wiederhersteller ihrer Stadt treu ergebenen Einwohnerschaft raeumen liess und dabei sogar vergass, die Besatzungen aus Aenos und Maroneia gleichfalls herauszuziehen, ja die reichen Magazine zu vernichten, am asiatischen Ufer aber der Landung der Roemer nicht den geringsten Widerstand entgegensetzte, sondern waehrend derselben sich in Sardes damit die Zeit vertrieb, auf das Schicksal zu schelten. Es ist kaum zweifelhaft, dass, wenn er nur bis zu dem nicht mehr fernen Ende des Sommers Lysimacheia haette verteidigen und sein grosses Heer an den Hellespont vorruecken lassen, Scipio genoetigt worden waere, auf dem europaeischen Ufer Winterquartier zu nehmen, in einer militaerisch wie politisch keineswegs gesicherten Lage. Waehrend die Roemer, am asiatischen Ufer ausgeschifft, einige Tage stillstanden, um sich zu erholen und ihren durch religioese Pflichten zurueckgehaltenen Fuehrer zu erwarten, trafen in ihrem Lager Gesandte des Grosskoenigs ein, um ueber den Frieden zu unterhandeln. Antiochos bot die Haelfte der Kriegskosten und die Abtretung seiner europaeischen Besitzungen sowie der saemtlichen in Kleinasien zu Rom uebergetretenen griechischen Staedte; allein Scipio forderte Kriegskosten und die Aufgebung von ganz Kleinasien. Jene Bedingungen, erklaerte er, waeren annehmbar gewesen, wenn das Heer noch vor Lysimacheia oder auch diesseits des Hellespont staende; jetzt aber reichten sie nicht, wo das Ross schon den Zaum, ja den Reiter fuehle. Die Versuche des Grosskoenigs, von dem feindlichen Feldherrn in morgenlaendischer Art den Frieden durch Geldsummen zu erkaufen – er bot die Haelfte seiner Jahreseinkuenfte! -, scheiterten wie billig; fuer die unentgeltliche Rueckgabe seines in Gefangenschaft geratenen Sohnes gab der stolze Buerger dem Grosskoenig als Lohn den Freundesrat, auf jede Bedingung Frieden zu schliessen. In der Tat stand es nicht so; haette der Koenig sich zu entschliessen vermocht, den Krieg in die Laenge und in das innere Asien zurueckweichend den Feind sich nachzuziehen, so war ein guenstiger Ausgang noch keineswegs unmoeglich. Allein Antiochos, gereizt durch den vermutlich berechneten Uebermut des Gegners und fuer jede dauernde und konsequente Kriegfuehrung zu schlaff, eilte, seine ungeheure, aber ungleiche und undisziplinierte Heermasse je eher desto lieber dem Stoss der roemischen Legionen darzubieten. Im Tale des Hermos bei Magnesia am Sipylos unweit Smyrna trafen im Spaetherbst 564 (190) die roemischen Truppen auf den Feind. Er zaehlte nahe an 80000 Mann, darunter 12000 Reiter; die Roemer, die von Achaeern, Pergamenern und makedonischen Freiwilligen etwa 5000 Mann bei sich hatten, bei weitem nicht die Haelfte; allein sie waren des Sieges so gewiss, dass sie nicht einmal die Genesung ihres krank in Elaea zurueckgebliebenen Feldherrn abwarteten, an dessen Stelle Gnaeus Domitius das Kommando uebernahm. Um nur seine ungeheure Truppenzahl aufstellen zu koennen, bildete Antiochos zwei Treffen; im ersten stand die Masse der leichten Truppen, die Peltasten, Bogentraeger, Schleuderer, die berittenen Schuetzen der Myser, Daher und Elymaeer, die Araber auf ihren Dromedaren und die Sichelwagen; im zweiten hielt auf den beiden Fluegeln die schwere Kavallerie (die Kataphrakten, eine Art Kuerassiere), neben ihnen im Mitteltreffen das gallische und kappadokische Fussvolk und im Zentrum die makedonisch bewaffnete Phalanx, 16000 Mann stark, der Kern des Heeres, die aber auf dem engen Raum nicht Platz fand und sich in Doppelgliedern 32 Mann tief aufstellen musste. In dem Zwischenraum der beiden Treffen standen 54 Elefanten, zwischen die Haufen der Phalanx und der schweren Reiterei verteilt. Die Roemer stellten auf den linken Fluegel, wo der Fluss Deckung gab, nur wenige Schwadronen, die Masse der Reiterei und die saemtlichen Leichtbewaffneten kamen auf den rechten, den Eumenes fuehrte; die Legionen standen im Mitteltreffen. Eumenes begann die Schlacht damit, dass er seine Schuetzen und Schleuderer gegen die Sichelwagen schickte mit dem Befehl, auf die Bespannung zu halten; in kurzer Zeit waren nicht bloss diese zersprengt, sondern auch die naechststehenden Kamelreiter mit fortgerissen; schon geriet sogar im zweiten Treffen der dahinterstehende linke Fluegel der schweren Reiterei in Verwirrung. Nun warf sich Eumenes mit der ganzen roemischen Reiterei, die 3000 Pferde zaehlte, auf die Soeldnerinfanterie, die im zweiten Treffen zwischen der Phalanx und dem linken Fluegel der schweren Reiterei stand, und da diese wich, flohen auch die schon in Unordnung geratenen Kuerassiere. Die Phalanx, die eben die leichten Truppen durchgelassen hatte und sich fertig machte, gegen die roemischen Legionen vorzugehen, wurde durch den Angriff der Reiterei in der Flanke gehemmt und genoetigt, stehenzubleiben und nach beiden Seiten Front zu machen, wobei die tiefe Aufstellung ihr wohl zustatten kam. Waere die schwere asiatische Reiterei zur Hand gewesen, so haette die Schlacht wiederhergestellt werden koennen, aber der linke Fluegel war zersprengt, und der rechte, den Antiochos selber anfuehrte, hatte, die kleine, ihm gegenueberstehende roemische Reiterabteilung vor sich hertreibend, das roemische Lager erreicht, wo man des Angriffs sich mit grosser Muehe erwehrte. Darueber fehlten auf der Walstatt jetzt im entscheidenden Augenblick die Reiter. Die Roemer hueteten sich wohl, die Phalanx mit den Legionen anzugreifen, sondern sandten gegen sie die Schuetzen und Schleuderer, denen in der dichtgedraengten Masse kein Geschoss fehlging. Die Phalanx zog sich nichtsdestoweniger langsam und geordnet zurueck, bis die in den Zwischenraeumen stehenden Elefanten scheu wurden und die Glieder zerrissen. Damit loeste das ganze Heer sich auf in wilder Flucht; ein Versuch, das Lager zu halten, misslang und mehrte nur die Zahl der Toten und Gefangenen. Die Schaetzung des Verlustes des Antiochos auf 50000 Mann ist bei der grenzenlosen Verwirrung nicht unglaublich; den Roemern, deren Legionen gar nicht zum Schlagen gekommen waren, kostete der Sieg, der ihnen den dritten Weltteil ueberlieferte, 24 Reiter und 300 Fusssoldaten. Kleinasien unterwarf sich, selbst Ephesos, von wo der Admiral die Flotte eilig fluechten musste, und die Residenzstadt Sardes. Der Koenig bat um Frieden und ging ein auf die von den Roemern gestellten Bedingungen, die, wie gewoehnlich, keine anderen waren als die vor der Schlacht gebotenen, als namentlich die Abtretung Kleinasiens enthielten. Bis zu deren Ratifikation blieb das Heer in Kleinasien auf Kosten des Koenigs, was ihm auf nicht weniger als 3000 Talente (5 Mill. Taler) zu stehen kam. Antiochos selber nach seiner liederlichen Art verschmerzte bald den Verlust der Haelfte seines Reiches; es sieht ihm gleich, dass er den Roemern fuer die Abnahme der Muehe, ein allzugrosses Reich zu regieren, dankbar zu sein behauptete. Aber Asien war mit dem Tage. von Magnesia aus der Reihe der Grossstaaten gestrichen; und wohl niemals ist eine Grossmacht so rasch, so voellig und so schmaehlich zugrunde gegangen wie das Seleukidenreich unter diesem Antiochos dem Grossen. Er selbst ward bald darauf (567 187) in Elymais oberhalb des Persischen Meerbusens bei der Pluenderung des Beltempels, mit dessen Schaetzen er seine leeren Kassen zu fuellen gekommen war, von den erbitterten Einwohnern erschlagen.
Die roemische Regierung hatte, nachdem der Sieg erfochten war, die Angelegenheiten Kleinasiens und Griechenlands zu ordnen. Sollte hier die roemische Herrschaft auf fester Grundlage errichtet werden, so genuegte dazu keineswegs, dass Antiochos der Oberherrschaft in Vorderasien entsagt hatte. Die politischen Verhaeltnisse daselbst sind oben dargelegt worden. Die griechischen Freistaedte an der ionischen und aeolischen Kueste sowie das ihnen wesentlich gleichartige pergamenische Koenigreich waren allerdings die natuerlichen Traeger der neuen roemischen Obergewalt, die auch hier wesentlich auftrat als Schirmherr der stammverwandten Hellenen. Aber die Dynasten im inneren Kleinasien und an der Nordkueste des Schwarzen Meeres hatten den Koenigen von Asien laengst kaum noch ernstlich gehorcht, und der Vertrag mit Antiochos allein gab den Roemern keine Gewalt ueber das Binnenland. Es war unabweislich eine gewisse Grenze zu ziehen, innerhalb deren der roemische Einfluss fortan massgebend sein sollte. Dabei fiel vor allem ins Gewicht das Verhaeltnis der asiatischen Hellenen zu den seit einem Jahrhundert daselbst angesiedelten Kelten. Diese hatten die kleinasiatischen Landschaften foermlich unter sich verteilt und ein jeder der drei Gaue erhob in seinem Brandschatzungsgebiet die festgesetzten Tribute. Wohl hatte die Buergerschaft von Pergamon unter der kraeftigen Fuehrung ihrer dadurch zu erblichem Fuerstentum gelangten Vorsteher sich des unwuerdigen Joches entledigt, und die schoene Nachbluete der hellenischen Kunst, welche kuerzlich der Erde wieder entstiegen ist, ist erwachsen aus diesen letzten, von nationalem Buergersinn getragenen hellenischen Kriegen. Aber es war ein kraeftiger Gegenschlag, kein entscheidender Erfolg; wieder und wieder hatten die Pergamener ihren staedtischen Frieden gegen die Einfaelle der wilden Horden aus den oestlichen Gebirgen mit den Waffen zu vertreten gehabt, und die grosse Mehrzahl der uebrigen Griechenstaedte ist wahrscheinlich in der alten Abhaengigkeit verblieben ^4. Wenn Roms Schirmherrschaft ueber die Hellenen auch in Asien mehr als ein Name sein sollte, so musste dieser Tributpflichtigkeit ihrer neuen Klienten ein Ziel gesetzt werden; und da die roemische Politik den Eigenbesitz und die damit verknuepfte stehende Besetzung des Landes zur Zeit in Asien noch viel mehr als auf der griechisch-makedonischen Halbinsel ablehnte, so blieb in der Tat nichts anderes uebrig, als bis zu der Grenze, welche Roms Machtgebiet gesteckt werden sollte, auch Roms Waffen zu tragen und bei den Kleinasiaten ueberhaupt, vor allem aber in den Keltengauen die neue Oberherrlichkeit mit der Tat einzusetzen.
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^4 Aus dem erwaehnten Dekret von Lampsakos geht mit ziemlicher Sicherheit hervor, dass die Lampsakener bei den Massalioten nicht bloss Verwendung in Rom erbaten, sondern auch Verwendung bei den Tolistoagiern (so heissen die sonst Tolistoboger genannten Kelten in dieser Urkunde und in der pergamenischen Inschrift CIG 3536, den aeltesten Denkmaelern, die sie erwaehnen). Danach sind wahrscheinlich die Lampsakener noch um die Zeit des Philippischen Krieges diesem Gau zinsbar gewesen (vgl. Liv. 38, 16).
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Dies hat der neue roemische Oberfeldherr Gnaeus Manlius Volso getan, der den Lucius Scipio in Kleinasien abloeste. Es ist ihm dies zum schweren Vorwurf gemacht worden; die der neuen Wendung der Politik abgeneigten Maenner im Senat vermissten bei dem Kriege den Zweck wie den Grund. Den ersteren Tadel gegen diesen Zug insbesondere zu erheben, ist nicht gerechtfertigt; derselbe war vielmehr, nachdem der roemische Staat sich in die hellenischen Verhaeltnisse, so, wie es geschehen war, eingemischt hatte, eine notwendige Konsequenz dieser Politik. Ob das hellenische Gesamtpatronat fuer Rom das richtige war, kann gewiss in Zweifel gezogen werden; aber von dem Standpunkt aus betrachtet, den Flamininus und die von ihm gefuehrte Majoritaet nun einmal genommen hatten, war die Niederwerfung der Galater in der Tat eine Pflicht der Klugheit wie der Ehre. Besser begruendet ist der Vorwurf, dass es zur Zeit an einem rechten Kriegsgrund gegen dieselben fehlte; denn eigentlich im Bunde mit Antiochos hatten sie nicht gestanden, sondern ihn nur nach ihrem Brauch in ihrem Lande Mietstruppen anwerben lassen. Aber dagegen fiel entscheidend ins Gewicht, dass die Sendung einer roemischen Truppenmacht nach Asien der roemischen Buergerschaft nur unter ganz ausserordentlichen Verhaeltnissen angesonnen werden konnte und, wenn einmal eine derartige Expedition notwendig war, alles dafuer sprach, sie sogleich und mit dem einmal in Asien stehenden siegreichen Heere auszufuehren. So wurde, ohne Zweifel unter dem Einfluss des Flamininus und seiner Gesinnungsgenossen im Senat, im Fruehjahr 565 (189) der Feldzug in das innere Kleinasien unternommen. Der Konsul brach von Ephesos auf, brandschatzte die Staedte und Fuersten am oberen Maeander und in Pamphylien ohne Mass und wandte sich darauf nordwaerts gegen die Kelten. Der westliche Kanton derselben, die Tolistoager, hatte sich auf den Berg Olympos, der mittlere, die Tectosagen, auf den Berg Magaba mit Hab und Gut zurueckgezogen, in der Hoffnung, dass sie sich hier wuerden verteidigen koennen, bis der Winter die Fremden zum Abzug zwaenge. Allein die Geschosse der roemischen Schleuderer und Schuetzen, die gegen die damit unbekannten Kelten so oft den Ausschlag gaben, fast wie in neuerer Zeit das Feuergewehr gegen die wilden Voelker, erzwangen die Hoehen, und die Kelten unterlagen in einer jener Schlachten, wie sie gar oft frueher und spaeter am Po und an der Seine geliefert worden sind, die aber hier so seltsam erscheint wie das ganze Auftreten des nordischen Stammes unter den griechischen und phrygischen Nationen. Die Zahl der Erschlagenen und mehr noch die der Gefangenen war an beiden Stellen ungeheuer. Was uebrig blieb, rettete sich ueber den Halys zu dem dritten keltischen Gau der Trocmer, welche der Konsul nicht angriff. Dieser Fluss war die Grenze, an welcher die damaligen Leiter der roemischen Politik beschlossen hatten innezuhalten. Phrygien, Bithynien, Paphlagonien sollten von Rom abhaengig werden; die weiter oestlich gelegenen Landschaften ueberliess man sich selber. Die Regulierung der kleinasiatischen Verhaeltnisse erfolgte teils durch den Frieden mit Antiochos (565 189), teils durch die Festsetzungen einer roemischen Kommission, der der Konsul Volso vorstand. Ausser der Stellung von Geiseln, darunter seines juengeren gleichnamigen Sohnes, und einer nach dem Mass der Schaetze Asiens bemessenen Kriegskontribution von 15000 euboeischen Talenten (25´ Mill. Taler), davon der fuenfte Teil sogleich, der Rest in zwoelf Jahreszielern zu entrichten war, wurde Antiochos auferlegt die Abtretung seines gesamten europaeischen Laenderbesitzes und in Kleinasien aller seiner Besitzungen und Rechtsansprueche noerdlich vom Taurusgebirge und westlich von der Muendung des Kestros zwischen Aspendos und Perge in Pamphylien, so dass ihm in Vorderasien nichts blieb als das oestliche Pamphylien und Kilikien. Mit dem Patronat ueber die vorderasiatischen Koenigreiche und Herrschaften war es natuerlich vorbei. Asien oder, wie das Reich der Seleukiden von da an gewoehnlich und angemessener genannt wird, Syrien verlor das Recht, gegen die westlichen Staaten Angriffskriege zu fuehren und im Fall eines Verteidigungskrieges von ihnen beim Frieden Land zu gewinnen, das Recht, das Meer westlich von der Kalykadnosmuendung in Kilikien mit Kriegsschiffen zu befahren, ausser um Gesandte, Geiseln oder Tribut zu bringen, ueberhaupt Deckschiffe ueber zehn zu halten, ausser im Fall eines Verteidigungskrieges, und Kriegselefanten zu zaehmen, endlich das Recht, in den westlichen Staaten Werbungen zu veranstalten oder politische Fluechtlinge und Ausreisser daraus bei sich aufzunehmen. Die Kriegsschiffe, die er ueber die bestimmte Zahl besass, die Elefanten und die politischen Fluechtlinge, welche bei ihm sich befanden, lieferte er aus. Zur Entschaedigung erhielt der Grosskoenig den Titel eines Freundes der roemischen Buergergemeinde. Der Staat Syrien war hiermit zu Lande und auf dem Meer vollstaendig aus dem Westen verdraengt und fuer immer; es ist bezeichnend fuer die kraft- und zusammenhanglose Organisation des Seleukidenreichs, dass dasselbe allein unter allen von Rom ueberwundenen Grossstaaten nach der ersten Ueberwindung niemals eine zweite Entscheidung durch die Waffen begehrt hat.
Die beiden Armenien, bisher wenigstens dem Namen nach asiatische Satrapien, verwandelten sich, wenn nicht gerade in Gemaessheit des roemischen Friedensvertrages, doch unter dessen Einfluss in selbstaendige Koenigreiche und ihre Inhaber Artaxias und Zariadris wurden Gruender neuer Dynastien. Koenig Ariarathes von Kappadokien kam, da sein Land ausserhalb der von den Roemern bezeichneten Grenze ihrer Klientel lag, mit einer Geldbusse von 600 Talenten (1 Mill. Taler) davon, die dann noch auf die Fuerbitte seines Schwiegersohnes Eumenes auf die Haelfte herabgesetzt ward. Koenig Prusias von Bithynien behielt sein Gebiet, wie es war, ebenso die Kelten; doch mussten diese geloben, nicht ferner bewaffnete Haufen ueber die Grenze zu senden, und die schimpflichen Tribute der kleinasiatischen Staedte hatten ein Ende. Die asiatischen Griechen ermangelten nicht, diese allerdings allgemein und nachhaltig empfundene Wohltat mit goldenen Kraenzen und den transzendentalsten Lobreden zu vergelten. In Vorderasien war die Besitzregulierung nicht ohne Schwierigkeit, zumal da hier die dynastische Politik des Eumenes mit der der griechischen Hansa kollidierte; endlich gelang es, sich in folgender Art zu verstaendigen. Allen griechischen Staedten, die am Tage der Schlacht von Magnesia frei und den Roemern beigetreten waren, wurde ihre Freiheit bestaetigt und sie alle mit Ausnahme der bisher dem Eumenes zinspflichtigen der Tributzahlung an die verschiedenen Dynasten fuer die Zukunft enthoben. So wurden namentlich frei die Staedte Dardanos und Ilion, die alten Stammgenossen der Roemer von Aeneas’ Zeiten her, ferner Kyme, Smyrna, Klazomenae, Erythrae, Chios, Kolophon, Miletos und andere altberuehmte Namen. Phokaea, das gegen die Kapitulation von den roemischen Flottensoldaten gepluendert worden war, erhielt zum Ersatz dafuer, obwohl es nicht unter die im Vertrag bezeichnete Kategorie fiel, ausnahmsweise gleichfalls seine Mark zurueck und die Freiheit. Den meisten Staedten der griechisch-asiatischen Hansa wurden ueberdies Gebietserweiterungen und andere Vorteile zuteil. Am besten ward natuerlich Rhodos bedacht, das Lykien mit Ausschluss von Telmissos und den groesseren Teil von Karien suedlich vom Maeander empfing; ausserdem garantierte Antiochos in seinem Reiche den Rhodiern ihr Eigentum und ihre Forderungen sowie die bisher genossene Zollfreiheit. Alles uebrige, also bei weitem der groesste Teil der Beute, fiel an die Attaliden, deren alte Treue gegen Rom sowie die von Eumenes in diesem Kriege bestandene Drangsal und sein persoenliches Verdienst um den Ausfall der entscheidenden Schlacht von Rom so belohnt ward, wie nie ein Koenig seinen Verbuendeten gelohnt hat. Eumenes empfing in Europa den Chersonesos mit Lysimacheia; in Asien ausser Mysien, das er schon besass, die Provinzen Phrygien am Hellespont, Lydien mit Ephesos und Sardes, den noerdlichen Streif von Karien bis zum Maeander mit Tralles und Magnesia, Grossphrygien und Lykaonien nebst einem Stueck von Kilikien, die milysche Landschaft zwischen Phrygien und Lykien und als Hafenplatz am suedlichen Meer die lykische Stadt Telmissos; ueber Pamphylien ward spaeter zwischen Eumenes und Antiochos gestritten, inwieweit es dies- oder jenseits der gesteckten Grenze liege und also jenem oder diesem zukomme. Ausserdem erhielt er die Schutzherrschaft und das Zinsrecht ueber diejenigen griechischen Staedte, die nicht unbeschraenkt die Freiheit empfingen; doch wurde auch hier bestimmt, dass den Staedten ihre Freibriefe bleiben und die Abgabe nicht erhoeht werden solle. Ferner musste Antiochos sich anheischig machen, die 350 Talente (600000 Taler), die er dem Vater Attalos schuldig geworden war, dem Eumenes zu entrichten, ebenso ihn mit 127 Talenten (218000 Taler) fuer die rueckstaendigen Getreidelieferungen zu entschaedigen. Endlich erhielt Eumenes die koeniglichen Forsten und die von Antiochos abgelieferten Elefanten, nicht aber die Kriegsschiffe, die verbrannt wurden; eine Seemacht litten die Roemer nicht neben sich. Hierdurch war das Reich der Attaliden in Osteuropa und Asien das geworden, was Numidien in Afrika war, ein von Rom abhaengiger maechtiger Staat mit absoluter Verfassung, bestimmt und faehig, sowohl Makedonien als Syrien in Schranken zu halten, ohne anders als in ausserordentlichen Faellen roemischer Unterstuetzung zu beduerfen. Mit dieser durch die roemische Politik gebotenen Schoepfung hatte man die durch republikanische und nationale Sympathie und Eitelkeit gebotene Befreiung der asiatischen Griechen soweit moeglich vereinigt. Um die Angelegenheiten des ferneren Ostens jenseits des Tauros und Halys war man fest entschlossen, sich nicht zu bekuemmern; es zeigen dies sehr deutlich die Bedingungen des Friedens mit Antiochos und noch entschiedener die bestimmte Weigerung des Senats, der Stadt Soloi in Kilikien die von den Rhodiern fuer sie erbetene Freiheit zu gewaehren. Ebenso getreu blieb man dem festgestellten Grundsatz, keine unmittelbaren ueberseeischen Besitzungen zu erwerben. Nachdem die roemische Flotte noch eine Expedition nach Kreta gemacht und die Freigebung der dorthin in die Sklaverei verkauften Roemer durchgesetzt hatte, verliessen Flotte und Landheer im Nachsommer 566 (188) Asien, wobei das Landheer, das wieder durch Thrakien zog, durch die Nachlaessigkeit des Feldherrn unterwegs von den Ueberfaellen der Wilden viel zu leiden hatte. Die Roemer brachten nichts heim aus dem Osten als Ehre und Gold, die in dieser Zeit sich schon beide in der praktischen Form der Dankadresse, dem goldenen Kranze, zusammenzufinden pflegten.
Auch das europaeische Griechenland war von diesem asiatischen Krieg erschuettert worden und bedurfte neuer Ordnung. Die Aetoler, die immer noch nicht gelernt hatten, sich in ihre Nichtigkeit zu finden, hatten nach dem im Fruehling 564 (190) mit Scipio abgeschlossenen Waffenstillstand nicht bloss durch ihre kephallenischen Korsaren den Verkehr zwischen Italien und Griechenland schwierig und unsicher gemacht, sondern vielleicht noch waehrend des Waffenstillstandes, getaeuscht durch falsche Nachrichten ueber den Stand der Dinge in Asien, die Tollheit begangen, den Amynander wieder auf seinen athamanischen Thron zu setzen und mit Philippos in den von diesem besetzten aetolischen und thessalischen Grenzlandschaften sich herumzuschlagen, wobei der Koenig mehrere Nachteile erlitt. Es versteht sich, dass hiernach Rom ihre Bitte um Frieden mit der Landung des Konsuls Marcus Fulvius Nobilior beantwortete. Er traf im Fruehling 565 (189) bei den Legionen ein und nahm nach fuenfzehntaegiger Belagerung durch eine fuer die Besatzung ehrenvolle Kapitulation Ambrakia, waehrend zugleich die Makedonier, die Illyrier, die Epeiroten, die Akarnanen und Achaeer ueber die Aetoler herfielen. Von eigentlichem Widerstand konnte nicht die Rede sein; auf die wiederholten Friedensgesuche der Aetoler standen denn auch die Roemer vom Kriege ab und gewaehrten Bedingungen, welche solchen erbaermlichen und tueckischen Gegnern gegenueber billig genannt werden muessen. Die Aetoler verloren alle Staedte und Gebiete, die in den Haenden ihrer Gegner waren, namentlich Ambrakia, welches infolge einer gegen Marcus Fulvius in Rom gesponnenen Intrige spaeter frei und selbstaendig ward, ferner Oinia, das den Akarnanen gegeben wurde; ebenso traten sie Kephallenia ab. Sie verloren das Recht, Krieg und Frieden zu schliessen und wurden in dieser Hinsicht von den auswaertigen Beziehungen Roms abhaengig; endlich zahlten sie eine starke Geldsumme. Kephallenia setzte sich auf eigene Hand gegen diesen Vertrag und fuegte sich erst, als Marcus Fulvius auf der Insel landete; ja die Einwohner von Same, die befuerchteten, aus ihrer wohlgelegenen Stadt durch eine roemische Kolonie ausgetrieben zu werden, fielen nach der ersten Unterwerfung wieder ab und hielten eine viermonatliche Belagerung aus, worauf die Stadt endlich genommen und die Einwohner saemtlich in die Sklaverei verkauft wurden. Rom blieb auch hier dabei, sich grundsaetzlich auf Italien und die italischen Inseln zu beschraenken. Es nahm von der Beute nichts fuer sich als die beiden Inseln Kephallenia und Zakynthos, welche den Besitz von Kerkyra und anderen Seestationen am Adriatischen Meer wuenschenswert ergaenzten. Der uebrige Laendererwerb kam an die Verbuendeten Roms; indes die beiden bedeutendsten derselben, Philippos und die Achaeer, waren keineswegs befriedigt durch den ihnen an der Beute gegoennten Anteil. Philippos fuehlte sich nicht ohne Grund verletzt. Er durfte sagen, dass in dem letzten Krieg die eigentlichen Schwierigkeiten, die nicht in dem Feinde, sondern in der Entfernung und der Unsicherheit der Verbindungen lagen, wesentlich durch seinen loyalen Beistand ueberwunden waren. Der Senat erkannte dies auch an, indem er ihm den noch rueckstaendigen Tribut erliess und seine Geiseln ihm zuruecksandte; allein Gebietserweiterungen, wie er sie gehofft, empfing er nicht. Er erhielt das magnetische Gebiet mit Demetrias, das er den Aetolern abgenommen hatte; ausserdem blieben tatsaechlich in seinen Haenden die dolopische und athamanische Landschaft und ein Teil von Thessalien, aus denen gleichfalls die Aetoler von ihm vertrieben worden waren. In Thrakien blieb zwar das Binnenland in makedonischer Klientel, aber ueber die Kuestenstaedte und die Inseln Thasos und Lemnos, die faktisch in Philipps Haenden waren, ward nichts bestimmt, der Chersonesos sogar ausdruecklich an Eumenes gegeben; und es war nicht schwer zu erkennen, dass Eumenes nur deshalb auch Besitzungen in Europa empfing, um nicht bloss Asien, sondern auch Makedonien im Notfall niederzuhalten. Die Erbitterung des stolzen und in vieler Hinsicht ritterlichen Mannes ist natuerlich; allein es war nicht Schikane, was die Roemer bestimmte, sondern eine unabweisliche politische Notwendigkeit. Makedonien buesste dafuer, dass es einmal eine Macht ersten Ranges gewesen war und mit Rom auf gleichem Fuss Krieg gefuehrt hatte: man hatte hier, und hier mit viel besserem Grund als gegen Karthago, sich vorzusehen, dass die alte Machtstellung nicht wiederkehre. Anders stand es mit den Achaeern. Sie hatten im Laufe des Krieges gegen Antiochos ihren lange genaehrten Wunsch befriedigt, den Peloponnes ganz in ihre Eidgenossenschaft zu bringen, indem zuerst Sparta, dann, nach der Vertreibung der Asiaten aus Griechenland, auch Elis und Messene mehr oder weniger gezwungen beigetreten waren. Die Roemer hatten dies geschehen lassen und es sogar geduldet, dass man dabei mit absichtlicher Ruecksichtslosigkeit gegen Rom verfuhr. Flamininus hatte, als Messene erklaerte, sich den Roemern zu unterwerfen, aber nicht in die Eidgenossenschaft eintreten zu wollen und diese darauf Gewalt brauchte, zwar nicht unterlassen, den Achaeern zu Gemuete zu fuehren, dass solche Sonderverfuegungen ueber einen Teil der Beute an sich unrecht und in dem Verhaeltnis der Achaeer zu den Roemern mehr als unpassend seien, aber denn doch in seiner sehr unpolitischen Nachgiebigkeit gegen die Hellenen im wesentlichen den Achaeern ihren Willen getan. Allein damit hatte die Sache kein Ende. Die Achaeer, von ihrer zwerghaften Vergroesserungssucht gepeinigt, liessen die Stadt Pleuron in Aetolien, die sie waehrend des Krieges besetzt hatten, nicht fahren, machten sie vielmehr zum unfreiwilligen Mitgliede ihrer Eidgenossenschaft; sie kauften Zakynthos von dem Statthalter des letzten Besitzers Amynander und haetten gern noch Aegina dazu gehabt. Nur widerwillig gaben sie jene Insel an Rom heraus und hoerten sehr unmutig Flamininus’ guten Ratschlag, sich mit ihrem Peloponnes zu begnuegen. Sie glaubten es sich schuldig zu sein, die Unabhaengigkeit ihres Staates um so mehr zur Schau zu tragen, je weniger daran war; man sprach von Kriegsrecht, von der treuen Beihilfe der Achaeer in den Kriegen der Roemer; man fragte die roemischen Gesandten auf der achaeischen Tagsatzung, warum Rom sich um Messene bekuemmere, da Achaia ja nicht nach Capua frage, und der hochherzige Patriot, der also gesprochen, wurde beklatscht und war der Stimmen bei den Wahlen sicher. Das alles wuerde sehr recht und sehr erhaben gewesen sein, wenn es nicht noch viel laecherlicher gewesen waere. Es lag wohl eine tiefe Gerechtigkeit und ein noch tieferer Jammer darin, dass Rom, so ernstlich es die Freiheit der Hellenen zu gruenden und den Dank der Hellenen zu verdienen bemueht war, dennoch ihnen nichts gab als die Anarchie und nichts erntete als den Undank. Es lagen auch den hellenischen Antipathien gegen die Schutzmacht sicher sehr edle Gefuehle zugrunde, und die persoenliche Bravheit einzelner tonangebender Maenner ist ausser Zweifel. Aber darum bleibt dieser achaeische Patriotismus nicht minder eine Torheit und eine wahre historische Fratze. Bei all jenem Ehrgeiz und all jener nationalen Empfindlichkeit geht durch die ganze Nation vom ersten bis zum letzten Mann das gruendlichste Gefuehl der Ohnmacht. Stets horcht jeder nach Rom, der liberale Mann nicht weniger wie der servile; man dankt dem Himmel, wenn das gefuerchtete Dekret ausbleibt; man mault, wenn der Senat zu verstehen gibt, dass man wohl tun werde, freiwillig nachzugeben, um es nicht gezwungen zu tun; man tut, was man muss womoeglich in einer fuer die Roemer verletzenden Weise, “um die Formen zu retten”; man berichtet, erlaeutert, verschiebt, weicht aus, und wenn das endlich alles nicht mehr gehen will, so wird mit einem patriotischen Seufzer nachgegeben. Das Treiben haette Anspruch wo nicht auf Billigung doch auf Nachsicht, wenn die Fuehrer zum Kampf entschlossen gewesen waeren und den Untergang der Nation der Knechtschaft vorgezogen haetten; aber weder Philopoemen noch Lykortas dachten an einen solchen politischen Selbstmord – man wollte womoeglich frei sein, aber denn doch vor allem leben. Zu allem diesem aber sind es niemals die Roemer, die die gefuerchtete roemische Intervention in die inneren Angelegenheiten Griechenlands hervorrufen, sondern stets die Griechen selbst, die wie die Knaben den Stock, den sie fuerchten, selber einer ueber den andern bringen. Der von dem gelehrten Poebel hellenischer und nachhellenischer Zeit bis zum Ekel wiederholte Vorwurf, dass die Roemer bestrebt gewesen waeren, inneren Zwist in Griechenland zu stiften, ist eine der tollsten Abgeschmacktheiten, welche politisierende Philologen nur je ausgesonnen haben. Nicht die Roemer trugen den Hader nach Griechenland – wahrlich Eulen nach Athen -, sondern die Griechen ihre Zwistigkeiten nach Rom. Namentlich die Achaeer, die ueber ihren Arrondierungsgeluesten gaenzlich uebersahen, wie sehr zu ihrem eigenen Besten es gewesen, dass Flamininus die aetolisch gesinnten Staedte nicht der Eidgenossenschaft einverleibt hatte, erwarben in Lakedaemon und Messene sich eine wahre Hydra inneren Zwistes. Unaufhoerlich baten und flehten Mitglieder dieser Gemeinden in Rom, sie aus der verhassten Gemeinschaft zu loesen, darunter charakteristisch genug selbst diejenigen, die die Rueckkehr in die Heimat den Achaeern verdankten. Unaufhoerlich ward von dem Achaeischen Bunde in Sparta und Messene regeneriert und restauriert: die wuetendsten Emigrierten von dort bestimmten die Massregeln der Tagsatzung. Vier Jahre nach dem nominellen Eintritt Spartas in die Eidgenossenschaft kam es sogar zum offenen Kriege und zu einer bis zum Wahnsinn vollstaendigen Restauration, wobei die saemtlichen von Nabis mit dem Buergerrecht beschenkten Sklaven wieder in die Knechtschaft verkauft und aus dem Erloes ein Saeulengang in der Achaeerstadt Megalopolis gebaut, ferner die alten Gueterverhaeltnisse in Sparta wiederhergestellt, die Lykurgischen Gesetze durch die achaeischen ersetzt, die Mauern niedergerissen wurden (566 188). Ueber alle diese Wirtschaft ward dann zuletzt von allen Seiten der roemische Senat zum Schiedsspruch aufgefordert – eine Belaestigung, die die gerechte Strafe fuer die befolgte sentimentale Politik war. Weit entfernt, sich zu viel in diese Angelegenheiten zu mischen, ertrug der Senat nicht bloss die Nadelstiche der achaeischen Gesinnungstuechtigkeit mit musterhafter Indifferenz, sondern liess selbst die aergsten Dinge mit straeflicher Gleichgueltigkeit geschehen. Man freute sich herzlich in Achaia, als nach jener Restauration die Nachricht von Rom einlief, dass der Senat darueber zwar gescholten, aber nichts kassiert habe. Fuer die Lakedaemonier geschah von Rom aus nichts, als dass der Senat, empoert ueber den von den Achaeern verfuegten Justizmord von beilaeufig sechzig bis achtzig Spartanern, der Tagsatzung die Kriminaljustiz ueber die Spartaner nahm – freilich ein empoerender Eingriff in die inneren Angelegenheiten eines unabhaengigen Staates! Die roemischen Staatsmaenner kuemmerten sich so wenig wie moeglich um diese Suendflut in der Nussschale, wie am besten die vielfachen Klagen beweisen ueber die oberflaechlichen, widersprechenden und unklaren Entscheidungen des Senats; freilich, wie sollte er klar antworten, wenn auf einmal vier Parteien aus Sparta zugleich im Senat gegeneinander redeten! Dazu kam der persoenliche Eindruck, den die meisten dieser peloponnesischen Staatsmaenner in Rom machten; selbst Flamininus schuettelte den Kopf, als ihm einer derselben heute etwas vortanzte und den andern Tag ihn von Staatsgeschaeften unterhielt. Es kam so weit, dass dem Senat zuletzt die Geduld voellig ausging und er die Peloponnesier dahin beschied, dass er sie nicht mehr bescheiden werde und sie machen koennten, was sie wollten (572 182). Begreiflich ist dies, aber nicht recht; wie die Roemer einmal standen, hatten sie die sittliche und politische Verpflichtung, hier mit Ernst und Konsequenz einen leidlichen Zustand herzustellen. Jener Achaeer Kallikrates, der im Jahre 575 (179) an den Senat ging, um ihn ueber die Zustaende im Peloponnes aufzuklaeren und eine folgerechte und gehaltene Intervention zu fordern, mag als Mensch noch etwas weniger getaugt haben als sein Landsmann Philopoemen, der jene Patriotenpolitik wesentlich begruendet hat; aber er hatte recht. So umfasste die Klientel der roemischen Gemeinde jetzt die saemtlichen Staaten von dem oestlichen zu dem westlichen Ende des Mittelmeeres; nirgend bestand ein Staat, den man der Muehe wert gehalten haette zu fuerchten. Aber noch lebte ein Mann, dem Rom diese seltene Ehre erwies: der heimatlose Karthager, der erst den ganzen Westen, alsdann den ganzen Osten gegen Rom in Waffen gebracht hatte und der vielleicht nur gescheitert war, dort an der ehrlosen Aristokraten-, hier an der kopflosen Hofpolitik. Antiochos hatte sich im Frieden verpflichten muessen, den Hannibal auszuliefern; allein derselbe war zuerst nach Kreta, dann nach Bithynien entronnen ^5 und lebte jetzt am Hof des Koenigs Prusias, beschaeftigt, diesen in seinen Kriegen gegen Eumenes zu unterstuetzen und wie immer siegreich zu Wasser und zu Lande. Es wird behauptet, dass er auch den Prusias zum Kriege gegen Rom habe reizen wollen; eine Torheit, die so, wie sie erzaehlt wird, sehr wenig glaublich klingt. Gewisser ist es, dass zwar der roemische Senat es unter seiner Wuerde hielt, den Greis in seinem letzten Asyl aufjagen zu lassen – denn die Ueberlieferung, die auch den Senat beschuldigt, scheint keinen Glauben zu verdienen -, dass aber Flamininus, der in seiner unruhigen Eitelkeit nach neuen Zielen fuer grosse Taten suchte, auf seine eigene Hand es unternahm, wie die Griechen von ihren Ketten, so Rom von Hannibal zu befreien und gegen den groessten Mann seiner Zeit den Dolch zwar nicht zu fuehren, was nicht diplomatisch ist, aber ihn zu schleifen und zu richten. Prusias, der jaemmerlichste unter den Jammerprinzen Asiens, machte sich ein Vergnuegen daraus, dem roemischen Gesandten die kleine Gefaelligkeit zu erweisen, die derselbe mit halben Worten erbat, und da Hannibal sein Haus von Moerdern umstellt sah, nahm er Gift. Er war seit langem gefasst darauf, fuegt ein Roemer hinzu, denn er kannte die Roemer und das Wort der Koenige. Sein Todesjahr ist nicht gewiss; wahrscheinlich starb er in der zweiten Haelfte des Jahres 571 (183), siebenundsechzig Jahre alt. Als er geboren ward, stritt Rom mit zweifelhaftem Erfolg um den Besitz von Sizilien; er hatte gerade genug gelebt, um den Westen vollstaendig unterworfen zu sehen, um noch selber seine letzte Roemerschlacht gegen die Schiffe seiner roemisch gewordenen Vaterstadt zu schlagen, um dann zuschauen zu muessen, wie Rom auch den Osten ueberwand gleichwie der Sturm das fuehrerlose Schiff, und zu fuehlen, dass er allein imstande war, es zu lenken. Es konnte ihm keine Hoffnung weiter fehlschlagen, als er starb; aber redlich hatte er in fuenfzigjaehrigem Kampfe den Knabenschwur gehalten.
————————————————- ^5 Dass er auch nach Armenien gekommen sei und auf Bitten des Koenigs Artaxias die Stadt Artaxata am Araxes erbaut habe (Strab. 11 p. 528; Plut. Luc. 31), ist sicher Erfindung; aber es ist bezeichnend, wie Hannibal, fast wie Alexander, mit den orientalischen Fabeln verwachsen ist. ————————————————- Um dieselbe Zeit, wahrscheinlich in demselben Jahre, starb auch der Mann, den die Roemer seinen Ueberwinder zu nennen pflegten, Publius Scipio. Ihn hatte das Glueck mit allen den Erfolgen ueberschuettet, die seinem Gegner versagt blieben, mit Erfolgen, die ihm gehoerten und nicht gehoerten. Spanien, Afrika, Asien hatte er zum Reiche gebracht und Rom, das er als die erste Gemeinde Italiens gefunden, war bei seinem Tode die Gebieterin der zivilisierten Welt. Er selbst hatte der Siegestitel so viele, dass deren ueberblieben fuer seinen Bruder und seinen Vetter ^6. Und doch verzehrte auch ihn durch seine letzten Jahre bitterer Gram, und er starb, wenig ueber fuenfzig Jahre alt, in freiwilliger Verbannung, mit dem Befehl an die Seinigen, seine Leiche nicht in der Vaterstadt beizusetzen, fuer die er gelebt hatte und in der seine Ahnen ruhten. Es ist nicht genau bekannt, was ihn aus der Stadt trieb. Die Anschuldigungen wegen Bestechung und unterschlagener Gelder, die gegen ihn und mehr noch gegen seinen Bruder Lucius gerichtet wurden, waren ohne Zweifel nichtige Verleumdungen, die solche Verbitterung nicht hinreichend erklaeren; obwohl es charakteristisch fuer den Mann ist, dass er seine Rechnungsbuecher, statt sich einfach aus ihnen zu rechtfertigen, im Angesicht des Volks und der Anklaeger zerriss und die Roemer aufforderte, ihn zum Tempel des Jupiter zu begleiten und den Jahrestag seines Sieges bei Zama zu feiern. Das Volk liess den Anklaeger stehen und folgte dem Scipio auf das Kapitol; aber es war dies der letzte schoene Tag des hohen Mannes. Sein stolzer Sinn, seine Meinung, ein anderer und besserer zu sein als die uebrigen Menschen, seine sehr entschiedene Familienpolitik, die namentlich in seinem Bruder Lucius den widerwaertigen Strohmann eines Helden grosszog, verletzten viele und nicht ohne Grund. Wie der echte Stolz das Herz beschirmt, so legt es die Hoffart jedem Schlag und jedem Nadelstich bloss und zerfrisst auch den urspruenglichen Hochsinn. Ueberall aber gehoert es zur Eigentuemlichkeit solcher, aus echtem Gold und schimmerndem Flitter seltsam gemischter Naturen, wie Scipio eine war, dass sie des Glueckes und des Glanzes der Jugend beduerfen, um ihren Zauber zu ueben, und dass, wenn dieser Zauber zu schwinden anfaengt, unter allen am schmerzlichsten der Zauberer selbst erwacht.
————————————————— ^6 Africanus, Asiagenus, Hispallus.
————————————————— 10. Kapitel
Der Dritte Makedonische Krieg
Philippos von Makedonien war empfindlich gekraenkt durch die Behandlung, die er nach dem Frieden mit Antiochos von den Roemern erfahren hatte; und der weitere Verlauf der Dinge war nicht geeignet, seinen Groll zu beschwichtigen. Seine Nachbarn in Griechenland und Thrakien, grossenteils Gemeinden, die einst vor dem makedonischen Namen nicht minder gezittert hatten wie jetzt vor dem roemischen, machten es sich wie billig zum Geschaeft, der gefallenen Grossmacht all die Tritte zurueckzugeben, die sie seit Philippos’ des Zweiten Zeiten von Makedonien empfangen hatten; der nichtige Hochmut und der wohlfeile antimakedonische Patriotismus der Hellenen dieser Zeit machte sich Luft auf den Tagsatzungen der verschiedenen Eidgenossenschaften und in unaufhoerlichen Beschwerden bei dem roemischen Senat. Philippos war von den Roemern zugestanden worden, was er den Aetolern abgenommen habe; allein foermlich an die Aetoler angeschlossen hatte sich in Thessalien nur die Eidgenossenschaft der Magneten, wogegen diejenigen Staedte, die Philippos in zwei anderen der thessalischen Eidgenossenschaften, der thessalischen im engeren Sinn und der perrhaebischen, den Aetolern entrissen hatte, von ihren Buenden zurueckverlangt wurden aus dem Grunde, dass Philippos diese Staedte nur befreit, nicht erobert habe. Auch die Athamanen glaubten ihre Freiheit begehren zu koennen; auch Eumenes forderte die Seestaedte, die Antiochos im eigentlichen Thrakien besessen hatte, namentlich Aenos und Maroneia, obwohl ihm im Frieden mit Antiochos nur der Thrakische Chersonesos ausdruecklich zugesprochen war. All diese Beschwerden und zahllose geringere seiner saemtlichen Nachbarn, ueber Unterstuetzung des Koenigs Prusias gegen Eumenes, ueber Handelskonkurrenz, ueber verletzte Kontrakte und geraubtes Vieh stroemten nach Rom; vor dem roemischen Senat musste der Koenig von Makedonien von dem souveraenen Gesindel sich verklagen lassen und Recht nehmen oder Unrecht, wie es fiel; er musste sehen, dass das Urteil stets gegen ihn ausfiel, musste knirschend von der thrakischen Kueste, aus den thessalischen und perrhaebischen Staedten die Besatzungen wegziehen und die roemischen Kommissare hoeflich empfangen, welche nachzusehen kamen, ob auch alles vorschriftsmaessig ausgefuehrt sei. Man war in Rom nicht so erbittert gegen Philippos wie gegen Karthago, ja in vieler Hinsicht dem makedonischen Herrn sogar geneigt; man verletzte hier nicht so ruecksichtslos wie in Libyen die Formen, aber im Grunde war die Lage Makedoniens wesentlich dieselbe wie die von Karthago. Indes Philippos war keineswegs der Mann, diese Pein mit phoenikischer Geduld ueber sich ergehen zu lassen. Leidenschaftlich wie er war, hatte er nach seiner Niederlage mehr dem treulosen Bundesgenossen gezuernt als dem ehrenwerten Gegner, und seit langem gewohnt, nicht makedonische, sondern persoenliche Politik zu treiben, hatte er in dem Kriege mit Antiochos nichts gesehen als eine vortreffliche Gelegenheit, sich an dem Alliierten, der ihn schmaehlich im Stich gelassen und verraten hatte, augenblicklich zu raechen. Dies Ziel hatte er erreicht; allein die Roemer, die sehr gut begriffen, dass den Makedonier nicht die Freundschaft fuer Rom, sondern die Feindschaft gegen Antiochos bestimmte, und die ueberdies keineswegs nach solchen Stimmungen der Neigung und Abneigung ihre Politik zu regeln pflegten, hatten sich wohl gehuetet, irgend etwas Wesentliches zu Philippos’ Gunsten zu tun, und hatten vielmehr die Attaliden, die von ihrer ersten Erhebung an mit Makedonien in heftiger Fehde lagen und von dem Koenig Philippos politisch und persoenlich aufs bitterste gehasst wurden, die Attaliden, die unter allen oestlichen Maechten am meisten dazu beigetragen hatten, Makedonien und Syrien zu zertruemmern und die roemische Klientel auf den Osten auszudehnen, die Attaliden, die in dem letzten Krieg, wo Philippos es freiwillig und loyal mit Rom gehalten, um ihrer eigenen Existenz willen wohl mit Rom hatten halten muessen, hatten diese Attaliden dazu benutzt, um im wesentlichen das Reich des Lysimachos wieder aufzubauen, dessen Vernichtung der wichtigste Erfolg der makedonischen Herrscher nach Alexander gewesen war, und Makedonien einen Staat an die Seite zu stellen, der zugleich ihm an Macht ebenbuertig und Roms Klient war.
Dennoch haette vielleicht, wie die Verhaeltnisse einmal standen, ein weiser und sein Volk mit Hingebung beherrschender Regent sich entschlossen, den ungleichen Kampf gegen Rom nicht wieder aufzunehmen; allein Philippos, in dessen Charakter von allen edlen Motiven das Ehrgefuehl, von allen unedlen die Rachsucht am maechtigsten waren, war taub fuer die Stimme sei es der Feigheit, sei es der Resignation, und naehrte tief im Herzen den Entschluss, abermals die Wuerfel zu werfen. Als ihm wieder einmal Schmaehungen hinterbracht wurden, wie sie auf den thessalischen Tagsatzungen gegen Makedonien zu fallen pflegten, antwortete er mit der Theokritischen Zeile, dass noch die letzte Sonne nicht untergegangen sei ^1.
————————————————- ^1 /E/d/e/ gar phrasd/e/ panth’ alion ammi ded?kein. (1, 102). ————————————————- Philippos bewies bei der Vorbereitung und der Verbergung seiner Entschluesse eine Ruhe, einen Ernst und eine Konsequenz, die, wenn er in besseren Zeiten sie bewaehrt haette, vielleicht den Geschicken der Welt eine andere Richtung gegeben haben wuerden. Namentlich die Fuegsamkeit gegen die Roemer, mit der er sich die unentbehrliche Frist erkaufte, war fuer den harten und stolzen Mann eine schwere Pruefung, die er doch mutig ertrug – seine Untertanen freilich und die unschuldigen Gegenstaende des Haders, wie das unglueckliche Maroneia, buessten schwer den verhaltenen Groll. Schon im Jahre 571 (183) schien der Krieg ausbrechen zu muessen; aber auf Philippos’ Geheiss bewirkte sein juengerer Sohn Demetrios eine Ausgleichung des Vaters mit Rom, wo er einige Jahre als Geisel gelebt hatte und sehr beliebt war. Der Senat, namentlich Flamininus, der die griechischen Angelegenheiten leitete, suchte in Makedonien eine roemische Partei zu bilden, die Philippos’ natuerlich den Roemern nicht unbekannte Bestrebungen zu paralysieren imstande waere, und hatte zu deren Haupt, ja vielleicht zum kuenftigen Koenig Makedoniens, den juengeren, leidenschaftlich an Rom haengenden Prinzen ausersehen. Man gab mit absichtlicher Deutlichkeit zu verstehen, dass der Senat dem Vater um des Sohnes willen verzeihe; wovon natuerlich die Folge war, dass im koeniglichen Hause selbst Zwistigkeiten entstanden und namentlich des Koenigs aelterer und vom Vater zum Nachfolger bestimmter, aber in ungleicher Ehe erzeugter Sohn Perseus in seinem Bruder den kuenftigen Nebenbuhler zu verderben suchte. Es scheint nicht, dass Demetrios sich in die roemischen Intrigen einliess; erst der falsche Verdacht des Verbrechens zwang ihn, schuldig zu werden, und auch da beabsichtigte er, wie es scheint, nichts weiter als die Flucht nach Rom. Indes Perseus sorgte dafuer, dass der Vater diese Absicht auf die rechte Weise erfuhr; ein untergeschobener Brief von Flamininus an Demetrios tat das uebrige und lockte dem Vater den Befehl ab, den Sohn aus dem Wege zu raeumen. Zu spaet erfuhr Philippos die Raenke, die Perseus gesponnen hatte, und der Tod ereilte ihn ueber der Absicht, den Brudermoerder zu strafen und von der Thronfolge auszuschliessen. Er starb im Jahre 575 (179) in Demetrias, im neunundfuenfzigsten Lebensjahre. Das Reich hinterliess er zerschmettert, das Haus zerruettet, und gebrochenen Herzens gestand er sich ein, dass all seine Muehsal und all seine Frevel vergeblich gewesen waren.
Sein Sohn Perseus trat darauf die Regierung an, ohne in Makedonien oder bei dem roemischen Senat Widerspruch zu finden. Er war ein stattlicher Mann, in allen Leibesuebungen wohl erfahren, im Lager aufgewachsen und des Befehlens gewohnt, gleich seinem Vater herrisch und nicht bedenklich in der Wahl seiner Mittel. Ihn reizten nicht der Wein und die Frauen, ueber die Philippos seines Regiments nur zu oft vergass; er war stetig und beharrlich wie sein Vater leichtsinnig und leidenschaftlich. Philippos, schon als Knabe Koenig und in den ersten zwanzig Jahren seiner Herrschaft vom Glueck begleitet, war vom Schicksal verwoehnt und verdorben worden; Perseus bestieg den Thron in seinem einunddreissigsten Jahr, und wie er schon als Knabe mitgenommen worden war in den ungluecklichen roemischen Krieg, wie er aufgewachsen war im Druck der Erniedrigung und in dem Gedanken einer nahen Wiedergeburt des Staates, so erbte er von seinem Vater mit dem Reich seine Drangsale, seine Erbitterung und seine Hoffnungen. In der Tat griff er mit aller Entschlossenheit die Fortsetzung des vaeterlichen Werkes an und ruestete eifriger, als es vorher geschehen war, zum Kriege gegen Rom; kam doch fuer ihn noch hinzu, dass es wahrlich nicht die Schuld der Roemer war, wenn er das makedonische Diadem trug. Mit Stolz sah die stolze makedonische Nation auf den Prinzen, den sie an der Spitze ihrer Jugend stehen und fechten zu sehen gewohnt war; seine Landsleute und viele Hellenen aller Staemme meinten in ihm den rechten Feldherrn fuer den nahen Befreiungskrieg gefunden zu haben. Aber er war nicht, was er schien; ihm fehlte Philipps Genialitaet und Philipps Spannkraft, die wahrhaft koeniglichen Eigenschaften, die das Glueck verdunkelt und geschaendet, aber die reinigende Macht der Not wieder zu Ehren gebracht hatte. Philippos liess sich und die Dinge gehen; aber wenn es galt, fand er in sich die Kraft zu raschem und ernstlichem Handeln. Perseus spann weite und feine Plaene und verfolgte sie mit unermuedlicher Beharrlichkeit; aber wenn die Stunde schlug und das, was er angelegt und vorbereitet hatte, ihm in der lebendigen Wirklichkeit entgegentrat, erschrak er vor seinem eigenen Werke. Wie es beschraenkten Naturen eigen ist, ward ihm das Mittel zum Zweck; er haeufte Schaetze auf Schaetze fuer den Roemerkrieg und als die Roemer im Lande standen, vermochte er nicht von seinen Goldstuecken sich zu trennen. Es ist bezeichnend, dass nach der Niederlage der Vater zuerst eilte, die kompromittierenden Papiere in seinem Kabinett zu vernichten, der Sohn dagegen seine Kassen nahm und sich einschiffte. In gewoehnlichen Zeiten haette er einen Koenig vom Dutzendschlag so gut und besser wie mancher andere abgeben koennen; aber er war nicht geschaffen, ein Unternehmen zu leiten, das von Haus aus verloren war, wenn nicht ein ausserordentlicher Mann es beseelte.
Makedoniens Macht war nicht gering. Die Ergebenheit des Landes gegen das Haus der Antigoniden war ungebrochen, das Nationalgefuehl hier allein nicht durch den Hader politischer Parteien paralysiert. Den grossen Vorteil der monarchischen Verfassung, dass jeder Regierungswechsel den alten Groll und Zank beseitigt und eine neue Aera anderer Menschen und frischer Hoffnungen herauffuehrt, hatte der Koenig verstaendig benutzt und seine Regierung begonnen mit allgemeiner Amnestie, mit Zurueckberufung der fluechtigen Bankerottierer und Erlass der rueckstaendigen Steuern. Die gehaessige Haerte des Vaters brachte also dem Sohn nicht bloss Vorteil, sondern auch Liebe. Sechsundzwanzig Friedensjahre hatten die Luecken in der makedonischen Bevoelkerung teils von selbst ausgefuellt, teils der Regierung gestattet, hierfuer als fuer den eigentlichen wunden Fleck des Landes ernstliche Fuersorge zu treffen. Philippos hielt die Makedonier an zur Ehe und Kinderzeugung; er besetzte die Kuestenstaedte, aus denen er die Einwohner in das Innere zog, mit thrakischen Kolonisten von zuverlaessiger Wehrhaftigkeit und Treue; er zog, um die verheerenden Einfaelle der Dardaner ein fuer allemal abzuwehren, gegen Norden eine Scheidewand, indem er das Zwischenland jenseits der Landesgrenze bis an das barbarische Gebiet zu Einoede machte, und gruendete neue Staedte in den noerdlichen Provinzen. Kurz, er tat Zug fuer Zug dasselbe fuer Makedonien, wodurch spaeter Augustus das Roemische Reich zum zweitenmal gruendete. Die Armee war zahlreich – 30 000 Mann, ohne die Zuzuege und die Mietstruppen zu rechnen – und die junge Mannschaft geuebt durch den bestaendigen Grenzkrieg gegen die thrakischen Barbaren. Seltsam ist es, dass Philippos nicht wie Hannibal es versuchte, sein Heer roemisch zu organisieren; allein es begreift sich, wenn man sich erinnert, was den Makedoniern ihre zwar oft ueberwundene, aber doch noch immer unueberwindlich geglaubte Phalanx galt. Durch die neuen Finanzquellen, die Philippos in Bergwerken, Zoellen und Zehnten sich geschaffen hatte, und den aufbluehenden Ackerbau und Handel war es gelungen, den Schatz, die Speicher und die Arsenale zu fuellen; als der Krieg begann, lag im makedonischen Staatsschatz Geld genug, um fuer das dermalige Heer und fuer 10000 Mann Mietstruppen auf zehn Jahre den Sold zu zahlen und fanden sich in den oeffentlichen Magazinen Getreidevorraete auf ebenso lange Zeit (18 Mill. Medimnen oder preussische Scheffel) und Waffen fuer ein dreifach so starkes Heer, als das gegenwaertige war. In der Tat war Makedonien ein ganz anderer Staat geworden, als da es durch den Ausbruch des zweiten Krieges mit Rom ueberrascht ward; die Macht des Reiches war in allen Beziehungen mindestens verdoppelt – mit einer in jeder Hinsicht weit geringeren hatte Hannibal es vermocht, Rom bis in seine Grundfesten zu erschuettern.
Nicht so guenstig standen die aeusseren Verhaeltnisse. Es lag in der Natur der Sache, dass Makedonien jetzt die Plaene von Hannibal und von Antiochos wieder aufnehmen und versuchen musste, sich an die Spitze einer Koalition aller unterdrueckten Staaten gegen Roms Suprematie zu stellen; und allerdings gingen die Faeden vom Hofe zu Pydna nach allen Seiten. Indes der Erfolg war gering. Dass die Treue der Italiker schwankte, ward wohl behauptet; allein es konnte weder Freund noch Feind entgehen, dass zunaechst die Wiederaufnahme der Samnitenkriege nicht gerade wahrscheinlich sei. Die naechtlichen Konferenzen makedonischer Abgeordneter mit dem karthagischen Senat, die Massinissa in Rom denunzierte, konnten gleichfalls ernsthafte und einsichtige Maenner nicht erschrecken, selbst wenn sie nicht, wie es sehr moeglich ist, voellig erfunden waren. Die Koenige von Syrien und Bithynien suchte der makedonische Hof durch Zwischenheiraten in das makedonische Interesse zu ziehen; allein es kam dabei weiter nichts heraus, als dass die unsterbliche Naivitaet der Diplomatie, die Laender mit Liebschaften erobern zu wollen, sich einmal mehr prostituierte. Den Eumenes, den gewinnen zu wollen laecherlich gewesen waere, haetten Perseus’ Agenten gern beseitigt; er sollte auf der Rueckkehr von Rom, wo er gegen Makedonien gewirkt hatte, bei Delphi ermordet werden, allein der saubere Plan misslang.
Von groesserer Bedeutung waren die Bestrebungen, die noerdlichen Barbaren und die Hellenen gegen Rom aufzuwiegeln. Philippos hatte den Plan entworfen, die alten Feinde Makedoniens, die Dardaner in dem heutigen Serbien, zu erdruecken durch einen anderen, vom linken Ufer der Donau herbeigezogenen, noch wilderen Schwarm deutscher Abstammung, den der Bastarner, sodann mit diesen und der ganzen dadurch in Bewegung gesetzten Voelkerlawine selbst nach Italien auf dem Landweg zu ziehen und in die Lombardei einzufallen, wohin er die Alpenpaesse bereits erkunden liess – ein grossartiger, Hannibals wuerdiger Entwurf, welchen auch ohne Zweifel Hannibals Alpenuebergang unmittelbar angeregt hat. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass hiermit die Gruendung der roemischen Festung Aquileia zusammenhaengt, die eben in Philippos’ letzte Zeit faellt (573 181) und nicht passt zu dem sonst von den Roemern bei ihren italischen Festungsanlagen befolgten System. Der Plan scheiterte indes an dem verzweifelten Widerstand der Dardaner und der mitbetroffenen naechstwohnenden Voelkerschaften; die Bastarner mussten wieder abziehen und der ganze Haufen ertrank auf der Heimkehr unter dem einbrechenden Eise der Donau. Der Koenig suchte nun wenigstens unter den Haeuptlingen des illyrischen Landes, des heutigen Dalmatiens und des noerdlichen Albaniens, seine Klientel auszubreiten. Nicht ohne Perseus’ Vorwissen kam einer derselben, der treulich zu Rom hielt, Arthetauros, durch Moerderhand um. Der bedeutendste von allen, Genthios, der Sohn und Erbe des Pleuratos, stand zwar dem Namen nach gleich seinem Vater in Buendnis mit Rom, allein die Boten von Issa, einer griechischen Stadt auf einer der dalmatinischen Inseln, berichteten dem Senat, dass Koenig Perseus mit dem jungen, schwachen, trunkfaelligen Menschen in heimlichem Einverstaendnis stehe und Genthios’ Gesandte in Rom dem Perseus als Spione dienten.
In den Landschaften oestlich von Makedonien gegen die untere Donau zu stand der maechtigste unter den thrakischen Haeuptlingen, der Fuerst der Orysen und Herr des ganzen oestlichen Thrakiens von der makedonischen Grenze am Hebros (Maritza) bis an den mit griechischen Staedten bedeckten Kuestensaum, der kluge und tapfere Kotys, mit Perseus im engsten Buendnis; von den anderen kleineren Haeuptlingen, die es hier mit Rom hielten, ward einer, der Fuerst der Sagaeer, Abrupolis, infolge eines gegen Amphipolis am Strymon gerichteten Raubzugs von Perseus geschlagen und aus dem Lande getrieben. Von hierher hatte Philipp zahlreiche Kolonisten gezogen und standen Soeldner zu jeder Zeit in beliebiger Zahl zu Gebot.
Unter der ungluecklichen hellenischen Nation ward von Philippos und Perseus lange vor der Kriegserklaerung gegen Rom ein zwiefacher Propagandakrieg lebhaft gefuehrt, indem man teils die nationale, teils – man gestatte den Ausdruck – die kommunistische Partei auf die Seite Makedoniens zu bringen versuchte. Dass alle national Gesinnten unter den asiatischen wie unter den europaeischen Griechen jetzt im Herzen makedonisch waren, versteht sich von selbst; nicht wegen einzelner Ungerechtigkeiten der roemischen Befreier, sondern weil die Herstellung der hellenischen Nationalitaet durch eine fremde den Widerspruch in sich selbst trug, und jetzt, wo es freilich zu spaet war, jeder es begriff, dass die abscheulichste makedonische Regierung minder unheilvoll fuer Griechenland war als die aus den edelsten Absichten ehrenhafter Auslaender hervorgegangene freie Verfassung. Dass die tuechtigsten und rechtschaffensten Leute in ganz Griechenland gegen Rom Partei ergriffen, war in der Ordnung; roemisch gesinnt war nur die feile Aristokratie und hier und da ein einzelner ehrlicher Mann, der ausnahmsweise sich ueber den Zustand und die Zukunft der Nation nicht taeuschte. Am schmerzlichsten empfand dies Eumenes von Pergamon, der Traeger jener fremdlaendischen Freiheit unter den Griechen. Vergeblich behandelte er die ihm unterworfenen Staedte mit Ruecksichten aller Art; vergeblich buhlte er um die Gunst der Gemeinden und der Tagsatzungen mit wohlklingenden Worten und noch besser klingendem Golde – er musste vernehmen, dass man seine Geschenke zurueckgewiesen, ja dass man eines schoenen Tages im ganzen Peloponnes nach Tagsatzungsbeschluss alle frueher ihm errichteten Statuen zerschlagen und die Ehrentafeln eingeschmolzen habe (584 170), waehrend Perseus’ Name auf allen Lippen war; waehrend selbst die ehemals am entschiedensten antimakedonisch gesinnten Staaten, wie die Achaeer, ueber die Aufhebung der gegen Makedonien gerichteten Gesetze berieten; waehrend Byzantion, obwohl innerhalb des Pergamenischen Reiches gelegen, nicht von Eumenes, sondern von Perseus Schutz und Besatzung gegen die Thraker erbat und empfing, und ebenso Lampsakos am Hellespont sich dem Makedonier anschloss; waehrend die maechtigen und besonnenen Rhodier dem Koenig Perseus seine syrische Braut, da die syrischen Kriegsschiffe im Aegaeischen Meer sich nicht zeigen durften, mit ihrer ganzen praechtigen Kriegsflotte von Antiocheia her zufuehrten und hochgeehrt und reich beschenkt, namentlich mit Holz zum Schiffbau, wieder heimkehrten; waehrend Beauftragte der asiatischen Staedte, also der Untertanen des Eumenes, in Samothrake mit makedonischen Abgeordneten geheime Konferenzen hielten. Jene Sendung der rhodischen Kriegsflotte schien wenigstens eine Demonstration; und sicher war es eine, dass der Koenig Perseus unter dem Vorwand einer gottesdienstlichen Handlung bei Delphi den Hellenen sich und seine ganze Armee zur Schau stellte. Dass der Koenig sich auf diese nationale Propaganda bei dem bevorstehenden Kriege zu stuetzen gedachte, war in der Ordnung. Arg aber war es, dass er die fuerchterliche oekonomische Zerruettung Griechenlands benutzte, um alle diejenigen, die eine Umwaelzung der Eigentums- und Schuldverhaeltnisse wuenschten, an Makedonien zu ketten. Von der beispiellosen Ueberschuldung der Gemeinden wie der einzelnen im europaeischen Griechenland, mit Ausnahme des in dieser Hinsicht etwas besser geordneten Peloponnes, ist es schwer, sich einen hinreichenden Begriff zu machen; es kam vor, dass eine Stadt die andere ueberfiel und auspluenderte, bloss um Geld zu machen, so zum Beispiel die Athener Oropos, und bei den Aetolern, den Perrhaebern, den Thessalern lieferten die Besitzenden und die Nichtbesitzenden sich foermliche Schlachten. Die aergsten Greueltaten verstehen sich bei solchen Zustaenden von selbst; so wurde bei den Aetolern eine allgemeine Versoehnung verkuendet und ein neuer Landfriede gemacht, einzig zu dem Zweck, eine Anzahl von Emigranten ins Garn zu locken und zu ermorden. Die Roemer versuchten zu vermitteln; aber ihre Gesandten kehrten unverrichteter Sache zurueck und meldeten, dass beide Parteien gleich schlecht und die Erbitterung nicht zu bezaehmen sei. Hier half in der Tat nichts anderes mehr als der Offizier und der Scharfrichter; der sentimentale Hellenismus fing an, ebenso grauenvoll zu werden, wie er von Anfang an laecherlich gewesen war. Koenig Perseus aber bemaechtigte sich dieser Partei, wenn sie den Namen verdient, der Leute, die nichts, am wenigsten einen ehrlichen Namen zu verlieren hatten, und erliess nicht bloss Verfuegungen zu Gunsten der makedonischen Bankerottierer, sondern liess auch in Larisa, Delphi und Delos Plakate anschlagen, welche saemtliche wegen politischer oder anderer Verbrechen oder ihrer Schulden wegen landfluechtig gewordene Griechen aufforderten, nach Makedonien zu kommen und volle Einsetzung in ihre ehemaligen Ehren und Gueter zu gewaertigen. Dass sie kamen, kann man sich denken; ebenso dass in ganz Nordgriechenland die glimmende soziale Revolution nun in offene Flammen ausschlug und die national-soziale Partei daselbst um Hilfe zu Perseus sandte. Wenn die hellenische Nationalitaet nur mit solchen Mitteln zu retten war, so durfte bei aller Verehrung fuer Sophokles und Pheidias man sich die Frage erlauben, ob das Ziel des Preises wert sei. Der Senat begriff, dass er schon zu lange gezoegert habe und dass es Zeit sei, dem Treiben ein Ende zu machen. Die Vertreibung des thrakischen Haeuptlings Abrupolis, der mit den Roemern in Buendnis stand, die Buendnisse Makedoniens mit den Byzantiern, Aetolern und einem Teil der boeotischen Staedte waren ebensoviel Verletzungen des Friedens von 557 (197) und genuegten fuer das offizielle Kriegsmanifest; der wahre Grund des Krieges war, dass Makedonien im Begriff stand, seine formelle Souveraenitaet in eine reelle zu verwandeln und Rom aus dem Patronat ueber die Hellenen zu verdraengen. Schon 581 (173) sprachen die roemischen Gesandten auf der achaeischen Tagsatzung es ziemlich unumwunden aus, dass ein Buendnis mit Perseus mit dem Abfall von dem roemischen gleichbedeutend sei. Im Jahr 582 (172) kam Koenig Eumenes persoenlich nach Rom mit einem langen Beschwerdenregister und deckte die ganze Lage der Dinge im Senat auf, worauf dieser wider Erwarten in geheimer Sitzung sofort die Kriegserklaerung beschloss und die Landungsplaetze in Epeiros mit Besatzungen versah. Der Form wegen ging noch eine Gesandtschaft nach Makedonien, deren Botschaft aber derart war, dass Perseus, erkennend, dass er nicht zurueck koenne, die Antwort gab, er sei bereit, ein neues wirklich gleiches Buendnis mit Rom zu schliessen, allein den Vertrag von 557 (197) sehe er als aufgehoben an, und die Gesandten anwies, binnen drei Tagen das Reich zu verlassen. Damit war der Krieg tatsaechlich erklaert. Es war im Herbst 582 (172); wenn Perseus wollte, konnte er ganz Griechenland besetzen und die makedonische Partei ueberall ans Regiment bringen, ja vielleicht die bei Apollonia stehende roemische Division von 5000 Mann unter Gnaeus Sicinius erdruecken und den Roemern die Landung streitig machen. Allein der Koenig, dem schon vor dem Ernst der Dinge zu grauen begann, liess sich mit seinem Gastfreund, dem Konsular Quintus Marcius Philippus, ueber die Frivolitaet der roemischen Kriegserklaerung in Verhandlungen ein und sich durch diese bestimmen, den Angriff zu verschieben und noch einmal einen Friedensversuch in Rom zu machen, den, wie begreiflich, der Senat nur beantwortete mit der Ausweisung saemtlicher Makedonier aus Italien und der Einschiffung der Legionen. Zwar tadelten die Senatoren der aelteren Schule die “neue Weisheit” ihres Kollegen und die unroemische List; allein der Zweck war erreicht und der Winter verfloss, ohne dass Perseus sich ruehrte. Desto eifriger nutzten die roemischen Diplomaten die Zwischenzeit, um Perseus eines jeden Anhaltes in Griechenland zu berauben. Der Achaeer war man sicher. Nicht einmal die Patriotenpartei daselbst, die weder mit jenen sozialen Bewegungen einverstanden war noch ueberhaupt sich weiter verstieg als zu der Sehnsucht nach einer weisen Neutralitaet, dachte daran, sich Perseus in die Arme zu werfen; und ueberdies war dort jetzt durch roemischen Einfluss die Gegenpartei ans Ruder gekommen, die unbedingt sich an Rom anschloss. Der Aetolische Bund hatte zwar in seinen inneren Unruhen von Perseus Hilfe erbeten; aber der unter den Augen der roemischen Gesandten gewaehlte neue Strateg Lykiskos war roemischer gesinnt als die Roemer selbst. Auch bei den Thessalern behielt die roemische Partei die Oberhand. Sogar die von Alters her makedonisch gesinnten und oekonomisch aufs tiefste zerruetteten Boeoter hatten in ihrer Gesamtheit sich nicht offen fuer Perseus erklaert; doch liessen wenigstens drei ihrer Staedte, Thisbae, Haliartos und Koroneia auf eigene Hand sich mit Perseus ein. Da auf die Beschwerde des roemischen Gesandten die Regierung der boeotischen Eidgenossenschaft ihm den Stand der Dinge mitteilte, erklaerte jener, dass sich am besten zeigen werde, welche Stadt es mit Rom halte und welche nicht, wenn jede sich einzeln ihm gegenueber ausspreche; und daraufhin lief die Boeotische Eidgenossenschaft geradezu auseinander. Es ist nicht wahr, dass Epaminondas’ grosser Bau von den Roemern zerstoert worden ist; er fiel tatsaechlich zusammen, ehe sie daran ruehrten, und ward also freilich das Vorspiel fuer die Aufloesung der uebrigen, noch fester geschlossenen griechischen Staedtebuende ^2. Mit der Mannschaft der roemisch gesinnten boeotischen Staedte belagerte der roemische Gesandte Publius Lentulus Haliartos, noch ehe die roemische Flotte im Aegaeischen Meer erschien. —————————————
^2 Die rechtliche Aufloesung der Boeotischen Eidgenossenschaft erfolgte uebrigens wohl noch nicht jetzt, sondern erst nach der Zerstoerung Korinths (Paus. 7, 14, 4; 16, 6.)
————————————— Chalkis ward mit achaeischer, die orestische Landschaft mit epeirotischer Mannschaft, die dassaretischen und illyrischen Kastelle an der makedonischen Westgrenze von den Truppen des Gnaeus Sicinius besetzt, und sowie die Schiffahrt wieder begann, erhielt Larisa eine Besatzung von 2000 Mann. Perseus sah dem allem untaetig zu und hatte keinen Fussbreit Landes ausserhalb seines eigenen Gebietes inne, als im Fruehling oder nach dem offiziellen Kalender im Juni 583 (171) die roemischen Legionen an der Westkueste landeten. Es ist zweifelhaft, ob Perseus namhafte Bundesgenossen gefunden haben wuerde, auch wenn er soviel Energie gezeigt haette, als er Schlaffheit bewies; unter diesen Umstaenden blieb er natuerlich voellig allein, und jene weitlaeufigen Propagandaversuche fuehrten vorlaeufig wenigstens zu gar nichts. Karthago, Genthios von Illyrien, Rhodos und die kleinasiatischen Freistaedte, selbst das mit Perseus bisher so eng befreundete Byzanz, boten den Roemern Kriegsschiffe an, welche diese indes ablehnten. Eumenes machte sein Landheer und seine Schiffe mobil. Koenig Ariarathes von Kappadokien schickte ungeheissen Geiseln nach Rom. Perseus’ Schwager, Koenig Prusias II. von Bithynien, blieb neutral. In ganz Griechenland ruehrte sich niemand. Koenig Antiochos IV. von Syrien, im Kurialstil “der Gott, der glaenzende Siegbringer” genannt zur Unterscheidung von seinem Vater, dem “Grossen”, ruehrte sich zwar, aber nur um dem ganz ohnmaechtigen Aegypten waehrend dieses Krieges das syrische Kuestenland zu entreissen. Indes wenn Perseus auch fast allein stand, so war er doch ein nicht veraechtlicher Gegner. Sein Heer zaehlte 43000 Mann, darunter 21000 Phalangiten und 4000 makedonische und thrakische Reiter, der Rest groesstenteils Soeldner. Die Gesamtmacht der Roemer in Griechenland betrug zwischen 30- und 40000 Mann italischer Truppen, ausserdem ueber 10000 Mann numidischen, ligurischen, griechischen, kretischen und besonders pergamenischen Zuzugs. Dazu kam die Flotte, die nur 40 Deckschiffe zaehlte, da ihr keine feindliche gegenueberstand – Perseus, dem der Vertrag mit Rom Kriegsschiffe zu bauen verboten hatte, richtete erst jetzt Werften in Thessalonike ein -, die aber bis 10000 Mann Truppen an Bord hatte, da sie hauptsaechlich bei Belagerungen mitzuwirken bestimmt war. Die Flotte fuehrte Gaius Lucretius, das Landheer der Konsul Publius Licinius Crassus. Derselbe liess eine starke Abteilung in Illyrien, um von Westen aus Makedonien zu beunruhigen, waehrend er mit der Hauptmacht wie gewoehnlich von Apollonia nach Thessalien aufbrach. Perseus dachte nicht daran, den schwierigen Marsch zu stoeren, sondern begnuegte sich, in Perrhaebien einzuruecken und die naechsten Festungen zu besetzen. Am Ossa erwartete er den Feind und unweit Larisa erfolgte das erste Gefecht zwischen den beiderseitigen Reitern und leichten Truppen. Die Roemer wurden entschieden geschlagen. Kotys mit der thrakischen Reiterei hatte die italische, Perseus mit der makedonischen die griechische geworfen und zersprengt; die Roemer hatten 2000 Mann zu Fuss, 2000 Reiter an Toten, 600 Reiter an Gefangenen verloren und mussten sich gluecklich schaetzen, unbehindert den Peneios ueberschreiten zu koennen. Perseus benutzte den Sieg, um auf dieselben Bedingungen, die Philippos erhalten hatte, den Frieden zu erbitten; sogar dieselbe Summe zu zahlen war er bereit. Die Roemer schlugen die Forderung ab; sie schlossen nie Frieden nach einer Niederlage, und hier haette der Friedensschluss allerdings folgeweise den Verlust Griechenlands nach sich gezogen. Indes anzugreifen verstand der elende roemische Feldherr auch nicht; man zog hin und her in Thessalien, ohne dass etwas von Bedeutung geschah. Perseus konnte die Offensive ergreifen; er sah die Roemer schlecht gefuehrt und zaudernd; wie ein Lauffeuer war die Nachricht durch Griechenland gegangen, dass das griechische Heer im ersten Treffen glaenzend gesiegt habe – ein zweiter Sieg konnte zur allgemeinen Insurrektion der Patriotenpartei fuehren und durch die Eroeffnung eines Guerillakrieges unberechenbare Erfolge bewirken. Allein Perseus war ein guter Soldat, aber kein Feldherr wie sein Vater; er hatte sich auf einen Verteidigungskrieg gefasst gemacht, und wie die Dinge anders gingen, fand er sich wie gelaehmt. Einen unbedeutenden Erfolg, den die Roemer in einem zweiten Reitergefecht bei Phalanna davontrugen, nahm er zum Vorwand, um nun doch, wie es beschraenkten und eigensinnigen Naturen eigen ist, zu dem ersten Plan zurueckzukehren und Thessalien zu raeumen. Das hiess natuerlich soviel, als auf jeden Gedanken einer hellenischen Insurrektion verzichten; was sonst sich haette erreichen lassen, zeigt der dennoch erfolgte Parteiwechsel der Epeiroten. Von beiden Seiten geschah seitdem nichts Ernstliches mehr; Perseus ueberwand den Koenig Genthios, zuechtigte die Dardaner und liess durch Kotys die roemisch gesinnten Thraker und die pergamenischen Truppen aus Thrakien hinausschlagen. Dagegen nahm die roemische Westarmee einige illyrische Staedte, und der Konsul beschaeftigte sich damit, Thessalien von den makedonischen Besatzungen zu reinigen und sich der unruhigen Aetoler und Akarnanen durch Besetzung von Ambrakia zu versichern. Am schwersten aber empfanden den roemischen Heldenmut die ungluecklichen boeotischen Staedte, die mit Perseus hielten; die Einwohner sowohl von Thisbae, das sich ohne Widerstand ergab, sowie der roemische Admiral Gaius Lucretius vor der Stadt erschien, wie von Haliartos, das ihm die Tore schloss und erstuermt werden musste, wurden von ihm in die Sklaverei verkauft, Koroneia von dem Konsul Crassus gar der Kapitulation zuwider ebenso behandelt. Noch nie hatte ein roemisches Heer so schlechte Mannszucht gehalten wie unter diesen Befehlshabern. Sie hatten das Heer so zerruettet, dass auch im naechsten Feldzug 584 (170) der neue Konsul Aulus Hostilius an ernstliche Unternehmungen nicht denken konnte, zumal da der neue Admiral Lucius Hortensius sich ebenso unfaehig und gewissenlos erwies wie sein Vorgaenger. Die Flotte lief ohne allen Erfolg in den thrakischen Kuestenplaetzen an. Die Westarmee unter Appius Claudius, dessen Hauptquartier in Lychnidos im dassaretischen Gebiet war, erlitt eine Schlappe ueber die andere; nachdem eine Expedition nach Makedonien hinein voellig verunglueckt war, griff gegen Anfang des Winters der Koenig mit den an der Suedgrenze durch den tiefen, alle Paesse sperrenden Schnee entbehrlich gewordenen Truppen den Appius seinerseits an, nahm ihm zahlreiche Ortschaften und eine Menge Gefangene ab und knuepfte Verbindungen mit dem Koenig Genthios an; ja er konnte einen Versuch machen, in Aetolien einzufallen, waehrend Appius sich in Epeiros von der Besatzung einer Festung, die er vergeblich belagert hatte, noch einmal schlagen liess. Die roemische Hauptarmee machte ein paar Versuche, erst ueber die Kambunischen Berge, dann durch die thessalischen Paesse in Makedonien einzudringen, aber sie wurden schlaff angestellt und beide von Perseus zurueckgewiesen. Hauptsaechlich beschaeftigte der Konsul sich mit der Reorganisierung des Heeres, die freilich auch vor allen Dingen noetig war, aber einen strengeren Mann und einen namhafteren Offizier erforderte. Abschied und Urlaub waren kaeuflich geworden, die Abteilungen daher niemals vollzaehlig; die Mannschaft ward im Sommer einquartiert, und wie die Offiziere im grossen Stil, stahlen die Gemeinen im kleinen; die befreundeten Voelkerschaften wurden in schmaehlicher Weise beargwohnt – so waelzte man die Schuld der schimpflichen Niederlage bei Larisa auf die angebliche Verraeterei der aetolischen Reiterei und sandte unerhoerterweise deren Offiziere zur Kriminaluntersuchung nach Rom; so draengte man die Molotter in Epeiros. durch falschen Verdacht zum wirklichen Abfall; die verbuendeten Staedte wurden, als waeren sie erobert, mit Kriegskontributionen belegt, und wenn sie auf den roemischen Senat provozierten, die Buerger hingerichtet oder zu Sklaven verkauft – so in Abdera und aehnlich in Chalkis. Der Senat schritt sehr ernstlich ein ^3: er befahl die Befreiung der ungluecklichen Koroneier und Abderiten und verbot den roemischen Beamten, ohne Erlaubnis des Senats Leistungen von den Bundesgenossen zu verlangen. Gaius Lucretius ward von der Buergerschaft einstimmig verurteilt. Allein das konnte nicht aendern, dass das Ergebnis dieser beiden ersten Feldzuege militaerisch null, politisch ein Schandfleck fuer die Roemer war, deren ungemeine Erfolge im Osten nicht zum wenigsten darauf beruhten, dass sie der hellenischen Suendenwirtschaft gegenueber sittlich rein und tuechtig auftraten. Haette an Perseus’ Stelle Philippos kommandiert, so wuerde dieser Krieg vermutlich mit der Vernichtung des roemischen Heeres und dem Abfall der meisten Hellenen begonnen haben; allein Rom war so gluecklich, in den Fehlern stets von seinen Gegnern ueberboten zu werden. Perseus begnuegte sich in Makedonien, das nach Sueden und Westen eine wahre Bergfestung ist, gleichwie in einer belagerten Stadt sich zu verschanzen.
————————————————— ^3 Der kuerzlich aufgefundene Senatsbeschluss vom 9. Oktober 584 (170), der die Rechtsverhaeltnisse von Thisbae regelt (Eph. epigr. 1872, S. 278 f.; AM 4, 1889, S. 235f.), gibt einen deutlichen Einblick in diese Verhaeltnisse. —————————————————- Auch der dritte Oberfeldherr, den Rom 585 (169) nach Makedonien sandte, Quintus Marcius Philippus, jener schon erwaehnte ehrliche Gastfreund des Koenigs, war seiner keineswegs leichten Aufgabe durchaus nicht gewachsen. Er war ehrgeizig und unternehmend, aber ein schlechter Offizier. Sein Wagestueck, durch den Pass Lapathus westlich von Tempe den Uebergang ueber den Olympos in der Art zu gewinnen, dass er gegen die Besatzung des Passes eine Abteilung zurueckliess und mit der Hauptmacht durch unwegsame Abhaenge nach Herakleion zu den Weg sich bahnte, wird dadurch nicht entschuldigt, dass es gelang. Nicht bloss konnte eine Handvoll entschlossener Leute ihm den Weg verlegen, wo dann an keinen Rueckzug zu denken war, sondern noch nach dem Uebergang stand er mit der makedonischen Hauptmacht vor sich, hinter sich die stark befestigten Bergfestungen Tempe und Lapathus, eingekeilt in eine schmale Strandebene und ohne Zufuhr wie ohne Moeglichkeit zu fouragieren, in einer nicht minder verzweifelten Lage, als da er in seinem ersten Konsulat in den ligurischen Engpaessen, die seitdem seinen Namen behielten, sich gleichfalls hatte umzingeln lassen. Allein wie damals ihn ein Zufall rettete, so jetzt Perseus’ Unfaehigkeit. Als ob er den Gedanken nicht fassen koenne, gegen die Roemer anders als durch Sperrung der Paesse sich zu verteidigen, gab er sich seltsamerweise verloren, sowie er die Roemer diesseits derselben erblickte, fluechtete eiligst nach Pydna und befahl, seine Schiffe zu verbrennen und seine Schaetze zu versenken. Aber selbst dieser freiwillige Abzug der makedonischen Armee befreite den Konsul noch nicht aus seiner peinlichen Lage. Er ging zwar ungehindert vor, musste aber nach vier Tagemaerschen wegen Mangels an Lebensmitteln sich wieder rueckwaerts wenden; und da auch der Koenig zur Besinnung kam und schleunigst umkehrte, um in die verlassene Position wieder einzuruecken, so waere das roemische Heer in grosse Gefahr geraten, wenn nicht zur rechten Zeit das unueberwindliche Tempe kapituliert und seine reichen Vorraete dem Feind ueberliefert haette. Die Verbindung mit dem Sueden war nun zwar dadurch dem roemischen Heere gesichert; aber auch Perseus hatte sich in seiner frueheren wohlgewaehlten Stellung an dem Ufer des kleinen Flusses Elpios stark verbarrikadiert und hemmte hier den weiteren Vormarsch der Roemer. So verblieb das roemische Heer den Rest des Sommers und den Winter eingeklemmt in den aeussersten Winkel Thessaliens; und wenn die Ueberschreitung der Paesse allerdings ein Erfolg und der erste wesentliche in diesem Krieg war, so verdankte man ihn doch nicht der Tuechtigkeit des roemischen, sondern der Verkehrtheit des feindlichen Feldherrn. Die roemische Flotte versuchte vergebens Demetrias zu nehmen und richtete ueberhaupt gar nichts aus. Perseus’ leichte Schiffe streiften kuehn zwischen den Kykladen, beschuetzten die nach Makedonien bestimmten Kornschiffe und griffen die feindlichen Transporte auf. Bei der Westarmee stand es noch weniger gut; Appius Claudius konnte mit seiner geschwaechten Abteilung nichts ausrichten, und der von ihm begehrte Zuzug aus Achaia ward durch die Eifersucht des Konsuls abgehalten zu kommen. Dazu kam, dass Genthios sich von Perseus durch das Versprechen einer grossen Geldsumme hatte erkaufen lassen, mit Rom zu brechen, und die roemischen Gesandten einkerkern liess; worauf uebrigens der sparsame Koenig es ueberfluessig fand, die zugesicherten Gelder zu zahlen, da Genthios nun allerdings ohnehin gezwungen war, statt der bisherigen zweideutigen eine entschieden feindliche Stellung gegen Rom einzunehmen. So hatte man also einen kleinen Krieg mehr neben dem grossen, der nun schon drei Jahre sich hinzog. Ja haette Perseus sich von seinem Golde zu trennen vermocht, er haette den Roemern noch gefaehrlichere Feinde erwecken koennen. Ein Keltenschwarm unter Clondicus, 10000 Mann zu Pferde und ebenso viele zu Fuss, bot in Makedonien selbst sich an, bei ihm Dienste zu nehmen; allein man konnte sich ueber den Sold nicht einigen. Auch in Hellas gaerte es so, dass ein Guerillakrieg sich mit einiger Geschicklichkeit und einer vollen Kasse leicht haette entzuenden lassen; allein da Perseus nicht Lust hatte zu geben und die Griechen nichts umsonst taten, blieb das Land ruhig. Endlich entschloss man sich in Rom, den rechten Mann nach Griechenland zu senden. Es war Lucius Aemilius Paullus, der Sohn des gleichnamigen Konsuls, der bei Cannae fiel; ein Mann von altem Adel, aber geringem Vermoegen und deshalb auf dem Wahlplatz nicht so gluecklich wie auf dem Schlachtfeld, wo er in Spanien und mehr noch in Ligurien sich ungewoehnlich hervorgetan. Ihn waehlte das Volk fuer das Jahr 586 (168) zum zweitenmal zum Konsul seiner Verdienste wegen, was damals schon eine seltene Ausnahme war. Er war in jeder Beziehung der rechte: ein vorzueglicher Feldherr von der alten Schule, streng gegen sich und seine Leute und trotz seiner sechzig Jahre noch frisch und kraeftig, ein unbestechlicher Beamter – “einer der wenigen Roemer jener Zeit, denen man kein Geld bieten konnte”, sagt ein Zeitgenosse von ihm – und ein Mann von hellenischer Bildung, der noch als Oberfeldherr die Gelegenheit benutzte, um Griechenland der Kunstwerke wegen zu bereisen. Sowie der neue Feldherr im Lager bei Herakleion eingetroffen war, liess er, waehrend Vorpostengefechte im Flussbett des Elpios die Makedonier beschaeftigten, den schlecht bewachten Pass bei Pythion durch Publius Nasica ueberrumpeln; der Feind war dadurch umgangen und musste nach Pydna zurueckweichen. Hier, am roemischen 4. September 586 (168) oder am 22. Juni des Julianischen Kalenders – eine Mondfinsternis, die ein kundiger roemischer Offizier dem Heer voraussagte, damit kein boeses Anzeichen darin gefunden werde, gestattet hier die genaue Zeitbestimmung – wurden beim Traenken der Rosse nach Mittag zufaellig die Vorposten handgemein, und beide Teile entschlossen sich, die eigentlich erst auf den naechsten Tag angesetzte Schlacht sofort zu liefern. Ohne Helm und Panzer durch die Reihen schreitend ordnete der greise Feldherr der Roemer selber seine Leute. Kaum standen sie, so stuermte die furchtbare Phalanx auf sie ein; der Feldherr selber, der doch manchen harten Kampf gesehen hatte, gestand spaeter ein, dass er gezittert habe. Die roemische Vorhut zerstob, eine paelignische Kohorte ward niedergerannt und fast vernichtet, die Legionen selbst wichen eilig zurueck, bis sie einen Huegel erreicht hatten, bis hart an das roemische Lager. Hier wandte sich das Glueck. Das unebene Terrain und die eilige Verfolgung hatte die Glieder der Phalanx geloest; in einzelnen Kohorten drangen die Roemer in jede Luecke ein, griffen von der Seite und von hinten an, und da die makedonische Reiterei, die allein noch haette Hilfe bringen koennen, ruhig zusah und bald sich in Massen davonmachte, mit ihr unter den ersten der Koenig, so war in weniger als einer Stunde das Geschick Makedoniens entschieden. Die 3000 erlesenen Phalangiten liessen sich niederhauen bis auf den letzten Mann; es war, als wolle die Phalanx, die ihre letzte grosse Schlacht bei Pydna schlug, hier selber untergehen. Die Niederlage war furchtbar; 20000 Makedonier lagen auf dem Schlachtfeld, 11000 wurden gefangen. Der Krieg war zu Ende, am fuenfzehnten Tage nachdem Paullus den Oberbefehl uebernommen hatte; ganz Makedonien unterwarf sich in zwei Tagen. Der Koenig fluechtete mit seinem Golde – noch hatte er ueber 6000 Talente (10 Mill. Taler) in seiner Kasse – nach Samothrake, begleitet von wenigen Getreuen. Allein da er selbst von diesen noch einen ermordete, den Euandros von Kreta, der als Anstifter des gegen Eumenes versuchten Mordes zur Rechenschaft gezogen werden sollte, verliessen ihn auch die koeniglichen Pagen und die letzten Gefaehrten. Einen Augenblick hoffte er, dass das Asylrecht ihn schuetzen werde; allein selbst er begriff, dass er sich an einen Strohhalm halte. Ein Versuch, zu Kotys zu fluechten, misslang. So schrieb er an den Konsul; allein der Brief ward nicht angenommen, da er sich darin Koenig genannt hatte. Er erkannte sein Schicksal und lieferte auf Gnade und Ungnade den Roemern sich aus mit seinen Kindern und seinen Schaetzen, kleinmuetig und weinend, den Siegern selbst zum Ekel. Mit ernster Freude und mehr der Wandelbarkeit der Geschicke als dem gegenwaertigen Erfolg nachsinnend empfing der Konsul den vornehmsten Gefangenen, den je ein roemischer Feldherr heimgebracht hat. Perseus starb wenige Jahre darauf als Staatsgefangener in Alba am Fuciner See ^4; sein Sohn lebte in spaeteren Jahren in derselben italischen Landstadt als Schreiber. ———————————————— ^4 Dass die Roemer, um zugleich ihm das Wort zu halten, das ihm sein Leben verbuergte, und Rache an ihm zu nehmen, ihn durch Entziehung des Schlafs getoetet, ist sicher eine Fabel.
———————————————– So ging das Reich Alexanders des Grossen, das den Osten bezwungen und hellenisiert hatte, 144 Jahre nach seinem Tode zugrunde. Damit aber zu dem Trauerspiel die Posse nicht fehlte, ward gleichzeitig auch der Krieg gegen den “Koenig” Genthios von Illyrien von dem Praetor Lucius Anicius binnen dreissig Tagen begonnen und beendet, die Piratenflotte genommen, die Hauptstadt Skodra erobert, und die beiden Koenige, der Erbe des grossen Alexander und der des Pleuratos, zogen nebeneinander gefangen in Rom ein. Es war im Senat beschlossen worden, dass die Gefahr nicht wiederkehren duerfe, die Flamininus’ unzeitige Milde ueber Rom gebracht hatte. Makedonien ward vernichtet. Auf der Konferenz zu Amphipolis am Strymon verfuegte die roemische Kommission die Aufloesung des festgeschlossenen, durch und durch monarchischen Einheitsstaates in vier, nach dem Schema der griechischen Eidgenossenschaften zugeschnittene republikanisch-foederative Gemeindebuende, den von Amphipolis in den oestlichen Landschaften, den von Thessalonike mit der chalkidischen Halbinsel, den von Pella an der thessalischen Grenze und den von Pelagonia im Binnenland. Zwischenheiraten unter den Angehoerigen der verschiedenen Eidgenossenschaften waren ungueltig, und keiner durfte in mehr als einer derselben ansaessig sein. Alle koeniglichen Beamten sowie deren erwachsene Soehne mussten das Land verlassen und sich nach Italien begeben, bei Todesstrafe – man fuerchtete noch immer, und mit Recht, die Zuckungen der alten Loyalitaet. Das Landrecht und die bisherige Verfassung blieb uebrigens bestehen; die Beamten wurden natuerlich durch Gemeindewahlen ernannt und innerhalb der Gemeinden wie der Buende die Macht in die Haende der Vornehmen gelegt. Die koeniglichen Domaenen und die Regalien wurden den Eidgenossenschaften nicht zugestanden, namentlich die Gold- und Silbergruben, ein Hauptreichtum des Landes, zu bearbeiten untersagt; doch ward 596 (138) wenigstens die Ausbeutung der Silbergruben wieder gestattet ^5. Die Einfuhr von Salz, die Ausfuhr von Schiffbauholz wurden verboten. Die bisher an den Koenig gezahlte Grundsteuer fiel weg, und es blieb den Eidgenossenschaften und den Gemeinden ueberlassen, sich selber zu besteuern; doch hatten diese die Haelfte der bisherigen Grundsteuer nach einem ein fuer allemal festgestellten Satz, zusammen jaehrlich 100 Talente (170000 Taler), nach Rom zu entrichten ^6. Das ganze Land ward fuer ewige Zeiten entwaffnet, die Festung Demetrias geschleift; nur an der Nordgrenze sollte eine Postenkette gegen die Einfaelle der Barbaren bestehen bleiben. Von den abgelieferten Waffen wurden die kupfernen Schilde nach Rom gesandt, der Rest verbrannt.
—————————————— ^5 Die Angabe Cassiodors, dass im Jahre 596 (158) die makedonischen Bergwerke wieder eroeffnet wurden, erhaelt ihre naehere Bestimmung durch die Muenzen. Goldmuenzen der vier Makedonien sind nicht vorhanden; die Goldgruben also blieben entweder geschlossen oder es wurde das gewonnene Gold als Barren verwertet. Dagegen finden sich allerdings Silbermuenzen des ersten Makedoniens (Amphipolis), in welchem Bezirk die Silbergruben belegen sind; fuer die kurze Zeit in der sie geschlagen sein muessen (596-608 158-146) ist die Zahl derselben auffallend gross und zeugt entweder von einem sehr energischen Betrieb der Gruben oder von massenhafter Umpraegung des alten Koeniggeldes. ^6 Wenn das makedonische Gemeinwesen durch die Roemer der “herrschaftlichen Auflagen und Abgaben entlastet ward” (Polyb. 37, 4), so braucht deshalb noch nicht notwendig ein spaeterer Erlass dieser Steuer angenommen zu werden; es genuegt zur Erklaerung von Polybios’ Worten, dass die bisher herrschaftliche jetzt Gemeindesteuer ward. Der Fortbestand der der Provinz Makedonien von Paullus gegebenen Verfassung bis wenigstens in die augustische Zeit (Liv. 45, 32; Iust. 33, 2) wuerde freilich sich auch mit dem Erlass der Steuer vereinigen lassen.
—————————————- Man erreichte seinen Zweck. Das makedonische Land hat zweimal noch auf den Ruf von Prinzen aus dem alten Herrscherhause zu den Waffen gegriffen, und ist uebrigens von jener Zeit bis auf den heutigen Tag ohne Geschichte geblieben. Aehnlich ward Illyrien behandelt. Das Reich des Genthios ward in drei kleine Freistaaten zerschnitten; auch hier zahlten die Ansaessigen die Haelfte der bisherigen Grundsteuer an ihre neuen Herren, mit Ausnahme der Staedte, die es mit den Roemern gehalten hatten und dafuer Grundsteuerfreiheit erhielten – eine Ausnahme, die zu machen Makedonien keine Veranlassung bot. Die illyrische Piratenflotte ward konfisziert und den angeseheneren griechischen Gemeinden an dieser Kueste geschenkt. Die ewigen Quaelereien, welche die Illyrier den Nachbarn namentlich durch ihre Korsaren zufuegten, hatten hiermit wenigstens auf lange hinaus ein Ende.
Kotys in Thrakien, der schwer zu erreichen und gelegentlich gegen Eumenes zu brauchen war, erhielt Verzeihung und seinen gefangenen Sohn zurueck. So waren die noerdlichen Verhaeltnisse geordnet und auch Makedonien endlich von dem Joch der Monarchie erloest – in der Tat, Griechenland war freier als je, ein Koenig nirgend mehr vorhanden.
Aber man beschraenkte sich nicht darauf, Makedonien Sehnen und Nerven zu zerschneiden. Es war im Senat beschlossen, die saemtlichen hellenischen Staaten, Freund und Feind, ein fuer allemal unschaedlich zu machen und sie miteinander in dieselbe demuetige Klientel hinabzudruecken. Die Sache selbst mag sich rechtfertigen lassen; allein die Art der Ausfuehrung namentlich gegen die maechtigeren unter den griechischen Klientelstaaten ist einer Grossmacht nicht wuerdig und zeigt, dass die Epoche der Fabier und Scipionen zu Ende ist. Am schwersten traf dieser Rollenwechsel denjenigen Staat, der von Rom geschaffen und grossgezogen war, um Makedonien im Zaum zu halten, und dessen man jetzt nach Makedoniens Vernichtung freilich nicht mehr bedurfte, das Reich der Attaliden. Es war nicht leicht, gegen den klugen und besonnenen Eumenes einen ertraeglichen Vorwand zu finden, um ihn aus seiner bevorzugten Stellung zu verdraengen und ihn in Ungnade fallen zu lassen. Auf einmal kamen um die Zeit, da die Roemer im Lager bei Herakleion standen, seltsame Geruechte ueber ihn in Umlauf; er stehe mit Perseus im heimlichen Verkehr; ploetzlich sei seine Flotte wie weggeweht gewesen; fuer seine Nichtteilnahme am Feldzug seien ihm 500, fuer die Vermittlung des Friedens 1500 Talente geboten worden, und nur an Perseus’ Geiz habe sich der Vertrag zerschlagen. Was die pergamenische Flotte anlangt, so ging der Koenig mit ihr, als die roemische sich ins Winterquartier begab, gleichfalls heim, nachdem er dem Konsul seine Aufwartung gemacht hatte. Die Bestechungsgeschichte ist so sicher ein Maerchen wie nur irgendeine heutige Zeitungsente; denn dass der reiche, schlaue und konsequente Attalide, der den Bruch zwischen Rom und Makedonien durch seine Reise 582 (172) zunaechst veranlasst hatte, und fast deswegen von Perseus’ Banditen ermordet worden waere, in dem Augenblick, wo die wesentlichen Schwierigkeiten eines Krieges ueberwunden waren, an dessen endlichem Ausgang er ueberdies nie ernstlich gezweifelt haben konnte, dass er seinen Anteil an der Beute seinem Moerder um einige Talente verkauft und das Werk langer Jahre an eine solche Erbaermlichkeit gesetzt haben sollte, ist denn doch nicht bloss gelogen, sondern sehr albern gelogen. Dass kein Beweis weder in Perseus’ Papieren noch sonst sich vorfand, ist sicher genug; denn selbst die Roemer wagten nicht, jene Verdaechtigungen laut auszusprechen. Aber sie hatten ihren Zweck. Was man wollte, zeigt das Benehmen der roemischen Grossen gegen Attalos, Eumenes’ Bruder, der die pergamenischen Hilfstruppen in Griechenland befehligt hatte. Mit offenen Armen ward der wackere und treue Kamerad in Rom empfangen und aufgefordert, nicht fuer seinen Bruder, sondern fuer sich zu bitten – gern werde der Senat ihm ein eigenes Reich gewaehren, Attalos erbat nichts als Aenos und Maroneia. Der Senat meinte, dass dies nur eine vorlaeufige Bitte sei und gestand sie mit grosser Artigkeit zu. Als er aber abreiste, ohne weitere Forderungen gestellt zu haben, und der Senat zu der Einsicht kam, dass die pergamenische Regentenfamilie unter sich nicht so lebe, wie es in den fuerstlichen Haeusern hergebracht war, wurden Aenos und Maroneia zu Freistaedten erklaert. Nicht einen Fussbreit Landes erhielten die Pergamener von der makedonischen Beute; hatte man nach Antiochos’ Besiegung Philippos gegenueber noch die Formen geschont, so wollte man jetzt verletzen und demuetigen. Um diese Zeit scheint der Senat Pamphylien, ueber dessen Besitz Eumenes und Antiochos bisher gestritten, unabhaengig erklaert zu haben. Wichtiger war es, dass die Galater, bisher im wesentlichen in der Gewalt des Eumenes, nachdem derselbe den pontischen Koenig mit Waffengewalt aus Galatien vertrieben und im Frieden ihm die Zusage abgenoetigt hatte, mit den galatischen Fuersten keine Verbindung ferner unterhalten zu wollen, jetzt, ohne Zweifel rechnend auf die zwischen Eumenes und den Roemern eingetretene Spannung, wenn nicht geradezu von diesen veranlasst, sich gegen Eumenes erhoben, sein Reich ueberschwemmten und ihn in grosse Gefahr brachten. Eumenes erbat die roemische Vermittlung; der roemische Gesandte war dazu bereit, meinte aber, dass Attalos, der das pergamenische Heer befehligte, besser nicht mitgehe, um die Wilden nicht zu verstimmen, und merkwuerdigerweise richtete er gar nichts aus, ja er erzaehlte bei der Rueckkehr, dass seine Vermittlung die Wilden erst recht erbittert habe. Es waehrte nicht lange, so ward die Unabhaengigkeit der Galater von dem Senat ausdruecklich anerkannt und gewaehrleistet. Eumenes entschloss sich, persoenlich nach Rom zu gehen und im Senat seine Sache zu fuehren. Da beschloss dieser ploetzlich, wie vom boesen Gewissen geplagt, dass Koenige kuenftig nicht mehr nach Rom sollten kommen duerfen, und schickte ihm nach Brundisium einen Quaestor entgegen, ihm diesen Senatsbeschluss vorzulegen, ihn zu fragen, was er wolle, und ihm anzudeuten, dass man seine schleunige Abreise gern sehen werde. Der Koenig schwieg lange; er begehre, sagte er endlich, weiter nichts und schiffte sich wieder ein. Er sah, wie es stand: die Epoche der halbmaechtigen und halbfreien Bundesgenossenschaft war zu Ende; es begann die der ohnmaechtigen Untertaenigkeit.
Aehnlich erging es den Rhodiern. Ihre Stellung war ungemein bevorzugt; sie standen mit Rom nicht in eigentlicher Symmachie, sondern in einem gleichen Freundschaftsverhaeltnis, das sie nicht hinderte, Buendnisse jeder Art einzugehen und nicht noetigte, den Roemern auf Verlangen Zuzug zu leisten. Vermutlich war eben dies die letzte Ursache, weshalb ihr Einverstaendnis mit Rom schon seit einiger Zeit getruebt war. Die ersten Zerwuerfnisse mit Rom hatten stattgefunden infolge des Aufstandes der nach Antiochos’ Ueberwindung ihnen zugeteilten Lykier gegen ihre Zwingherren, die sie (576 178) als abtruennige Untertanen in grausamer Weise knechteten; diese aber behaupteten, nicht Untertanen, sondern Bundesgenossen der Rhodier zu sein und drangen damit im roemischen Senat durch, als derselbe aufgefordert war, den zweifelhaften Sinn des Friedensinstruments festzustellen. Hierbei hatte indes ein gerechtfertigtes Mitleid mit den, arg gedrueckten Leuten wohl das meiste getan; wenigstens geschah von Rom nichts weiter, und man liess diesen wie anderen hellenischen Hader gehen. Als der Krieg mit Perseus ausbrach, sahen ihn die Rhodier zwar wie alle uebrigen verstaendigen Griechen ungern, und namentlich Eumenes als Anstifter desselben war uebel berufen, so dass sogar seine Festgesandtschaft bei der Heliosfeier in Rhodos abgewiesen ward. Allein dies hinderte sie nicht, fest an Rom zu halten und die makedonische Partei, die es wie allerorts so auch in Rhodos gab, nicht an das Ruder zu lassen; die noch 585 (169) ihnen erteilte Erlaubnis, Getreide aus Sizilien auszufuehren, beweist die Fortdauer des guten Vernehmens mit Rom. Ploetzlich erschienen kurz vor der Schlacht bei Pydna