Polydeukes, Alexandros. Wie dumpf und rauh die Aussprache war, zeigt am deutlichsten, dass o und u, b und p, c und g, d und t den Etruskern schon in sehr frueher Zeit zusammenfielen. Zugleich wurde wie im Lateinischen und in den rauheren griechischen Dialekten der Akzent durchaus auf die Anfangssilbe zurueckgezogen. Aehnlich wurden die aspirierten Konsonanten behandelt; waehrend die Italiker sie wegwarfen mit Ausnahme des aspirierten b oder des f, und die Griechen umgekehrt mit Ausnahme dieses Lautes die uebrigen th ph ch beibehielten, liessen die Etrusker den weichsten und lieblichsten, das ph gaenzlich, ausser in Lehnwoertern fallen und bedienten sich dagegen der uebrigen drei in ungemeiner Ausdehnung, selbst wo sie nicht hingehoerten, wie zum Beispiel Thetis ihnen Thethis, Telephus Thelaphe, Odysseus Utuze oder Uthuze heisst. Von den wenigen Endungen und Woertern, deren Bedeutung ermittelt ist, entfernen die meisten sich weit von allen griechisch-italischen Analogien; so die Zahlwoerter alle; so die Endung al zur Bezeichnung der Abstammung, haeufig als Metronymikon, wie zum Beispiel Canial auf einer zwiesprachigen Inschrift von Chiusi uebersetzt wird durch Cainnia natus; die Endung sa bei Frauennamen zur Bezeichnung des Geschlechts, in das sie eingeheiratet haben, so dass zum Beispiel die Gattin eines Licinius Lecnesa heisst. So ist cela oder clan mit dem Kasus clensi Sohn; sech Tochter; ril Jahr; der Gott Hermes wird Turms, Aphrodite Turan, Hephaestos Sethlans, Bakchos Fufluns. Neben diesen fremdartigen Formen und Lauten finden sich allerdings einzelne Analogien zwischen dem Etruskischen und den italischen Sprachen. Die Eigennamen sind im wesentlichen nach dem allgemeinen italischen Schema gebildet: die haeufige gentilizische Endung enas oder ena ^4 kehrt wieder in der auch in italischen, besonders sabellischen Geschlechtsnamen haeufigen Endung enus, wie denn die etruskischen Namen Maecenas und Spurinna den roemischen Maecius und Spurius genau entsprechen. Eine Reihe von Goetternamen, die auf etruskischen Denkmaelern oder bei Schriftstellern als etruskische vorkommen, sind dem Stamme und zum Teil auch der Endung nach so durchaus lateinisch gebildet, dass, wenn diese Namen wirklich von Haus aus etruskisch sind, die beiden Sprachen eng verwandt gewesen sein muessen: so Usil (Sonne und Morgenroete, verwandt mit ausum, aurum, aurora, sol), Minerva (menervare), Lasa (lascivus), Neptunus, Voltumna. Indes da diese Analogien erst aus den spaeteren politischen und religioesen Beziehungen zwischen Etruskern und Latinern und den dadurch veranlassten Ausgleichungen und Entlehnungen herruehren koennen, so stossen sie noch nicht das Ergebnis um, zu dem die uebrigen Wahrnehmungen hinfuehren, dass die tuskische Sprache von den saemtlichen griechisch-italischen Idiomen mindestens so weit abstand wie die Sprache der Kelten und der Slaven. So wenigstens klang sie den Roemern; “tuskisch und gallisch” sind Barbarensprachen, “oskisch und volskisch” Bauernmundarten. Wenn aber die Etrusker dem griechisch-italischen Sprachstamm fernstanden, so ist es bis jetzt ebensowenig gelungen, sie einem andern bekannten Stamme anzuschliessen. Auf die Stammesverwandtschaft mit dem etruskischen sind die verschiedenartigsten Idiome, bald mit der einfachen, bald mit der peinlichen Frage, aber alle ohne Ausnahme vergeblich befragt worden; selbst mit dem baskischen, an das den geographischen Verhaeltnissen nach noch am ersten gedacht werden koennte, haben entscheidende Analogien sich nicht herausgestellt. Ebensowenig deuten die geringen Reste, die von der liturgischen Sprache in Orts- und Personennamen auf uns gekommen sind, auf Zusammenhang mit den Tuskern. Nicht einmal die verschollene Nation, die auf den Inseln des tuskischen Meeres, namentlich auf Sardinien, jene raetselhaften Grabtuerme, Nurhagen genannt, zu Tausenden aufgefuehrt hat, kann fueglich mit der etruskischen in Verbindung gebracht werden, da im etruskischen Gebiet kein einziges gleichartiges Gebaeude vorkommt. Hoechstens deuten einzelne, wie es scheint, ziemlich zuverlaessige Spuren darauf hin, dass die Etrusker im allgemeinen den Indogermanen beizuzaehlen sind. So ist namentlich mi im Anfang vieler aelterer Inschriften sicher emi, eimi und findet die Genetivform konsonantischer Staemme veneruf, rafuvuf im Altlateinischen genau sich wieder, entsprechend der alten sanskritischen Endung as. Ebenso haengt der Name des etruskischen Zeus Tina oder Tinia wohl mit dem sanskritischen dina = Tag zusammen wie Zan mit dem gleichbedeutenden diwan. Aber selbst dies zugegeben erscheint das etruskische Volk darum kaum weniger isoliert. “Die Etrusker”, sagt schon Dionysios, “stehen keinem Volke gleich an Sprache und Sitte”; und weiter haben auch wir nichts zu sagen.
————————————— ^1 Ras-ennae mit der 1, 131 erwaehnten gentilizischen Endung. ^2 Dahin gehoeren z. B. Inschriften caeritischer Tongefaesse wie: minice thumamimathumaramlisiaeipurenaietheeraisieepanaminethunastavhelefu oder: mi ramuthas kaiufinaia.
^3 Wie die Sprache jetzt klingen mochte, davon kann einen Begriff geben zum Beispiel der Anfang der grossen Perusiner Inschrift: eulat tanna larezu amevachr lautn velthinase stlaafunas slelethcaru. ^4 So Maecenas, Porsena, Vivenna, Caecina, Spurinna. Der Vokal in der vorletzten Silbe ist urspruenglich lang, wird aber infolge der Zurueckziehung des Akzents auf die Anfangssilbe haeufig verkuerzt und sogar ausgestossen. So finden wir neben Porsena, auch Porsena, neben Caecina Ceicne. —————————————- Ebensowenig laesst sich bestimmen, von wo die Etrusker nach Italien eingewandert sind; und hiermit ist nicht viel verloren, da diese Wanderung auf jeden Fall der Kinderzeit des Volkes angehoert und dessen geschichtliche Entwicklung in Italien beginnt und endet. Indes ist kaum eine Frage eifriger verhandelt worden als diese, nach jenem Grundsatz der Archaeologen, vorzugsweise nach dem zu forschen, was weder wissbar noch wissenswert ist, “nach der Mutter der Hekabe”, wie Kaiser Tiberius meinte. Da die aeltesten und bedeutendsten etruskischen Staedte tief im Binnenlande liegen, ja unmittelbar am Meer keine einzige namhafte etruskische Stadt begegnet ausser Populonia, von dem wir aber eben sicher wissen, dass es zu den alten Zwoelf Staedten nicht gehoert hat; da ferner in geschichtlicher Zeit die Etrusker von Norden nach Sueden sich bewegen, so sind sie wahrscheinlich zu Lande nach der Halbinsel gekommen; wie denn auch die niedere Kulturstufe, auf der wir sie zuerst finden, mit einer Einwanderung ueber das Meer sich schlecht vertragen wuerde. Eine Meerenge ueberschritten schon in fruehester Zeit die Voelker gleich einem Strom; aber eine Landung an der italischen Westkueste setzt ganz andere Bedingungen voraus. Danach muss die aeltere Heimat der Etrusker west- oder nordwaerts von Italien gesucht werden. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Etrusker ueber die raetischen Alpen nach Italien gekommen sind, da die aeltesten in Graubuenden und Tirol nachweisbaren Ansiedler, die Raeter, bis in die historische Zeit etruskisch redeten und auch ihr Name auf den der Rasen anklingt; sie koennen freilich Truemmer der etruskischen Ansiedlungen am Po, aber wenigstens ebenso gut auch ein in den aelteren Sitzen zurueckgebliebener Teil des Volks sein. Mit dieser einfachen und naturgemaessen Auffassung aber tritt in grellen Widerspruch die Erzaehlung, dass die Etrusker aus Asien ausgewanderte Lyder seien. Sie ist sehr alt: schon bei Herodot findet sie sich und kehrt dann in zahllosen Wandlungen und Steigerungen bei den Spaeteren wieder, wenngleich einzelne verstaendige Forscher, wie zum Beispiel Dionysios, sich nachdruecklich dagegen erklaerten und darauf hinwiesen, dass in Religion, Gesetz, Sitte und Sprache zwischen Lydern und Etruskern auch nicht die mindeste Aehnlichkeit sich zeige. Es ist moeglich, dass ein vereinzelter kleinasiatischer Piratenschwarm nach Etrurien gelangt ist und an dessen Abenteuer diese Maerchen anknuepfen; wahrscheinlicher aber beruht die ganze Erzaehlung auf einem blossen Quiproquo. Die italischen Etrusker oder die Turs-ennae – denn diese Form scheint die urspruengliche und der griechischen Tyr-s/e/noi, Tyrr/e/noi, der umbrischen Turs-ci, den beiden roemischen Tusci Etrusci zu Grunde zu liegen – begegneten sich in dem Namen ungefaehr mit dem lydischen Volke der Torr/e/boi oder auch wohl Tyrr-/e/noi, so genannt von der Stadt T?rra; und diese offenbar zufaellige Namensvetterschaft scheint in der Tat die einzige Grundlage jener durch ihr hohes Alter reicht besser gewordenen Hypothese und des ganzen babylonischen Turmes darauf aufgefuehrter Geschichtsklitterungen zu sein. Indem man mit dem lydischen Piratenwesen den alten etruskischen Seeverkehr verknuepfte und endlich noch – zuerst nachweislich tut es Thukydides – die torrhebischen Seeraeuber mit Recht oder Unrecht zusammenwarf mit dem auf allen Meeren pluendernden und hausenden Flibustiervolk der Pelasger, entstand eine der heillosesten Verwirrungen geschichtlicher Ueberlieferung. Die Tyrrhener bezeichnen bald die lydischen Torrheber – so in den aeltesten Quellen, wie in den Homerischen Hymnen; bald als Tyrrhener-Pelasger oder auch bloss Tyrrhener die pelasgische Nation; bald endlich die italischen Etrusker, ohne dass die letzteren mit den Pelasgern oder den Torrhebern je sich nachhaltig beruehrt oder gar die Abstammung mit ihnen gemein haetten.
Von geschichtlichem Interesse ist es dagegen zu bestimmen, was die nachweislich aeltesten Sitze der Etrusker waren und wie sie von dort aus sich weiter bewegten. Dass sie vor der grossen keltischen Invasion in der Landschaft noerdlich vom Padus sassen, oestlich an der Etsch grenzend mit den Venetern illyrischen (albanesischen?) Stammes, westlich mit den Ligurern, ist vielfach beglaubigt; vornehmlich zeugt dafuer der schon erwaehnte rauhe etruskische Dialekt, den noch in Livius’ Zeit die Bewohner der raetischen Alpen redeten, sowie das bis in spaete Zeit tuskisch gebliebene Mantua. Suedlich vom Padus und an den Muendungen dieses Flusses mischten sich Etrusker und Umbrer, jener als der herrschende Stamm, dieser als der aeltere, der die alten Kaufstaedte Atria und Spina gegruendet hatte, waehrend Felsina (Bologna) und Ravenna tuskische Anlagen scheinen. Es hat lange gewaehrt, ehe die Kelten den Padus ueberschritten; womit es zusammenhaengt, dass auf dem rechten Ufer desselben das etruskische und umbrische Wesen weit tiefere Wurzeln geschlagen hat als auf dem frueh aufgegebenen linken. Doch sind ueberhaupt die Landschaften noerdlich vom Apennin zu rasch von einer Nation an die andere gelangt, als dass eine dauerhafte Volksentwicklung sich hier haette gestalten koennen. Weit wichtiger fuer die Geschichte wurde die grosse Ansiedelung der Tusker in dem Lande, das heute noch ihren Namen traegt. Moegen auch Ligurer oder Umbrer hier einstmals gewohnt haben, so sind doch ihre Spuren durch die etruskische Okkupation und Zivilisation so gut wie vollstaendig ausgetilgt worden. In diesem Gebiet, das am Meer von Pisae bis Tarquinii reicht und oestlich vom Apennin abgeschlossen wird, hat die etruskische Nationalitaet ihre bleibende Staette gefunden und mit grosser Zaehigkeit bis in die Kaiserzeit hinein sich behauptet. Die Nordgrenze des eigentlich tuskischen Gebietes machte der Arnus; das Gebiet von da nordwaerts bis zur Muendung der Macra und dem Apennin war streitiges Grenzland, bald ligurisch, bald etruskisch, und groessere Ansiedlungen gediehen deshalb daselbst nicht. Die Suedgrenze bildete anfangs wahrscheinlich der Ciminische Wald, eine Huegelkette suedlich von Viterbo, spaeterhin der Tiberstrom; es ward schon oben angedeutet, dass das Gebiet zwischen dem Ciminischen Gebirg und dem Tiber mit den Staedten Sutrium, Nepete, Falerii, Veii, Caere erst geraume Zeit spaeter als die noerdlicheren Distrikte, moeglicherweise erst im zweiten Jahrhundert Roms, von den Etruskern eingenommen zu sein scheint und dass die urspruengliche italische Bevoelkerung sich hier, namentlich in Falerii, wenn auch in abhaengigem Verhaeltnis behauptet haben muss.
Seitdem der Tiberstrom die Markscheide Etruriens gegen Umbrien und Latium bildete, mag hier im ganzen ein friedliches Verhaeltnis eingetreten sein und eine wesentliche Grenzverschiebung nicht stattgefunden haben, am wenigsten gegen die Latiner. So lebendig in den Roemern das Gefuehl lebte, dass der Etrusker ihnen fremd, der Latiner ihr Landsmann war, so scheinen sie doch vom rechten Ufer her weit weniger Ueberfall und Gefahr befuerchtet zu haben als zum Beispiel von den Stammesverwandten in Gabii und Alba; natuerlich, denn dort schuetzte nicht bloss die Naturgrenze des breiten Stromes, sondern auch der fuer Roms merkantile und politische Entwicklung folgenreiche Umstand, dass keine der maechtigeren etruskischen Staedte unmittelbar am Fluss lag wie am latinischen Ufer Rom. Dem Tiber am naechsten waren die Veienter, und sie waren es auch, mit denen Rom und Latium am haeufigsten in ernste Konflikte gerieten, namentlich um den Besitz von Fidenae, welches den Veientern auf dem linken Tiberufer, aehnlich wie auf dem rechten den Roemern das Ianiculum, als eine Art Brueckenkopf diente und bald in den Haenden der Latiner, bald in denen der Etrusker sich befand. Dagegen mit dem etwas entfernteren Caere war das Verhaeltnis im ganzen weit friedlicher und freundlicher, als es sonst unter Nachbarn in solchen Zeiten vorzukommen pflegt. Es gibt wohl schwankende und in die graueste Fernzeit gerueckte Sagen von Kaempfen zwischen Latium und Caere, wie denn der caeritische Koenig Mezentius ueber die Latiner grosse Siege erfochten und denselben einen Weinzins auferlegt haben soll; aber viel bestimmter als der einstmalige Fehdestand erhellt aus der Tradition ein vorzugsweise enges Verhaeltnis zwischen den beiden uralten Mittelpunkten des Handels- und Seeverkehrs in Latium und in Etrurien. Sichere Spuren von einem Vordringen der Etrusker ueber den Tiber hinaus auf dem Landweg mangeln ueberhaupt. Zwar werden in dem grossen Barbarenheer, das Aristodemos im Jahre 230 (524) der Stadt unter den Mauern von Kyme vernichtet, die Etrusker in erster Reihe genannt; indes selbst wenn man diese Nachricht als bis ins einzelne glaubwuerdig betrachtet, folgt daraus nur, dass die Etrusker an einem grossen Pluenderzuge teilnahmen. Weit wichtiger ist es, dass suedwaerts vom Tiber keine auf dem Landweg gegruendete etruskische Ansiedlung nachweisbar ist und dass namentlich von einer ernstlichen Bedraengung der latinischen Nation durch die Etrusker gar nichts wahrgenommen wird. Der Besitz des Ianiculum und der beiden Ufer der Tibermuendung blieb den Roemern, soviel wir sehen, unangefochten. Was die Uebersiedlungen etruskischer Gemeinschaften nach Rom anlangt, so findet sich ein vereinzelter, aus tuskischen Annalen gezogener Bericht, dass eine tuskische Schar, welche Caelius Vivenna von Volsinii und nach dessen Untergang der treue Genosse desselben, Mastarna, angefuehrt habe, von dem letzteren nach Rom gefuehrt worden sei. Es mag dies zuverlaessig sein, wenngleich die Herleitung des Namens des caelischen Berges von diesem Caelius offenbar eine Philologenerfindung ist und nun gar der Zusatz, dass dieser Mastarna in Rom Koenig geworden sei unter dem Namen Servius Tullius, gewiss nichts ist als eine unwahrscheinliche Vermutung solcher Archaeologen, die mit dem Sagenparallelismus sich abgaben. Auf etruskische Ansiedlungen in Rom deutet weiter das “Tuskerquartier” unter dem Palatin. Auch das kann schwerlich bezweifelt werden, dass das letzte Koenigsgeschlecht, das ueber die Roemer geherrscht hat, das der Tarquinier, aus Etrurien entsprossen ist, sei es nun aus Tarquinii, wie die Sage will, sei es aus Caere, wo das Familiengrab der Tarchnas vor kurzem aufgefunden worden ist; auch der in die Sage verflochtene Frauenname Tanaquil oder Tanchvil ist unlateinisch, dagegen in Etrurien gemein. Allein die ueberlieferte Erzaehlung, wonach Tarquinius der Sohn eines aus Korinth nach Tarquinii uebergesiedelten Griechen war und in Rom als Metoeke einwanderte, ist weder Geschichte noch Sage und die geschichtliche Kette der Ereignisse offenbar hier nicht bloss verwirrt, sondern voellig zerrissen. Wenn aus dieser Ueberlieferung ueberhaupt etwas mehr entnommen werden kann als die nackte und im Grunde gleichgueltige Tatsache, dass zuletzt ein Geschlecht tuskischer Abkunft das koenigliche Szepter in Rom gefuehrt hat, so kann darin nur liegen, dass diese Herrschaft eines Mannes tuskischer Herkunft ueber Rom weder als eine Herrschaft der Tusker oder einer tuskischen Gemeinde ueber Rom, noch umgekehrt als die Herrschaft Roms ueber Suedetrurien gefasst werden darf. In der Tat ist weder fuer die eine noch fuer die andere Annahme irgendein ausreichender Grund vorhanden; die Geschichte der Tarquinier spielt in Latium, nicht in Etrurien, und soweit wir sehen, hat waehrend der ganzen Koenigszeit Etrurien auf Rom weder in der Sprache noch in Gebraeuchen einen wesentlichen Einfluss geuebt oder gar die ebenmaessige Entwicklung des roemischen Staats oder des latinischen Bundes unterbrochen. Die Ursache dieser relativen Passivitaet Etruriens gegen das latinische Nachbarland ist wahrscheinlich teils zu suchen in den Kaempfen der Etrusker mit den Kelten am Padus, den diese vermutlich erst nach der Vertreibung der Koenige in Rom ueberschritten, teils in der Richtung der etruskischen Nation auf Seefahrt und Meer- und Kuestenherrschaft, womit zum Beispiel die kampanischen Ansiedelungen entschieden zusammenhaengen und wovon im folgenden Kapitel weiter die Rede sein wird.
Die tuskische Verfassung beruht gleich der griechischen und latinischen auf der zur Stadt sich entwickelnden Gemeinde. Die fruehe Richtung der Nation aber auf Schiffahrt, Handel und Industrie scheint rascher, als es sonst in Italien der Fall gewesen ist, hier eigentlich staedtische Gemeinwesen ins Leben gerufen zu haben; zuerst von allen italischen Staedten wird in den griechischen Berichten Caere genannt. Dagegen finden wir die Etrusker im ganzen minder kriegstuechtig und kriegslustig als die Roemer und Sabeller; die unitalische Sitte, mit Soeldnern zu fechten, begegnet hier sehr frueh. Die aelteste Verfassung der Gemeinden muss in den allgemeinen Grundzuegen Aehnlichkeit mit der roemischen gehabt haben; Koenige oder Lucumonen herrschten, die aehnliche Insignien, also wohl auch aehnliche Machtfuelle besassen wie die roemischen; Vornehme und Geringe standen sich schroff gegenueber; fuer die Aehnlichkeit der Geschlechterordnung buergt die Analogie des Namensystems, nur dass bei den Etruskern die Abstammung von muetterlicher Seite weit mehr Beachtung findet als im roemischen Recht. Die Bundesverfassung scheint sehr lose gewesen zu sein. Sie umschloss nicht die gesamte Nation, sondern es waren die noerdlichen und die kampanischen Etrusker zu eigenen Eidgenossenschaften vereinigt ebenso wie die Gemeinden des eigentlichen Etrurien; jeder dieser Buende bestand aus zwoelf Gemeinden, die zwar eine Metropole, namentlich fuer den Goetterdienst, und ein Bundeshaupt oder vielmehr einen Oberpriester anerkannten, aber doch im wesentlichen gleichberechtigt gewesen zu sein scheinen und zum Teil wenigstens so maechtig, dass weder eine Hegemonie sich bilden noch die Zentralgewalt zur Konsolidierung gelangen konnte. Im eigentlichen Etrurien war die Metropole Volsinii; von den uebrigen Zwoelfstaedten desselben kennen wir durch sichere Ueberlieferung nur Perusia, Vetulonium, Volci und Tarquinii. Es ist indes ebenso selten, dass die Etrusker wirklich gemeinschaftlich handeln, als das Umgekehrte selten ist bei der latinischen Eidgenossenschaft; die Kriege fuehrt regelmaessig eine einzelne Gemeinde, die von ihren Nachbarn wen sie kann ins Interesse zieht, und wenn ausnahmsweise der Bundeskrieg beschlossen wird, so schliessen sich dennoch sehr haeufig einzelne Staedte aus – es scheint den etruskischen Konfoederationen mehr noch als den aehnlichen italischen Stammbuenden von Haus aus an einer festen und gebietenden Oberleitung gefehlt zu haben. 10. Kapitel
Die Hellenen in Italien Seeherrschaft der Tusker und Karthager Nicht auf einmal wird es hell in der Voelkergeschichte des Altertums; und auch hier beginnt der Tag im Osten. Waehrend die italische Halbinsel noch in tiefes Werdegrauen eingehuellt liegt, ist in den Landschaften am oestlichen Becken des Mittelmeers bereits eine nach allen Seiten hin reich entwickelte Kultur ans Licht getreten; und das Geschick der meisten Voelker, in den ersten Stadien der Entwicklung an einem ebenbuertigen Bruder zunaechst den Meister und Herrn zu finden, ist in hervorragendem Masse auch den Voelkern Italiens zuteil geworden. Indes lag es in den geographischen Verhaeltnissen der Halbinsel, dass eine solche Einwirkung nicht zu Lande stattfinden konnte. Von der Benutzung des schwierigen Landwegs zwischen Italien und Griechenland in aeltester Zeit findet sich nirgends eine Spur. In das transalpinische Land freilich mochten von Italien aus schon in unvordenklich ferner Zeit Handelsstrassen fuehren: die aelteste Bernsteinstrasse erreichte von der Ostsee aus das Mittelmeer an der Pomuendung – weshalb in der griechischen Sage das Delta des Po als Heimat des Bernsteins erscheint -, und an diese Strasse schloss sich eine andere quer durch die Halbinsel ueber den Apennin nach Pisa fuehrende an; aber Elemente der Zivilisation konnten von dort her den Italikern nicht zukommen. Es sind die seefahrenden Nationen des Ostens, die nach Italien gebracht haben, was ueberhaupt in frueher Zeit von auslaendischer Kultur dorthin gelangt ist. Das aelteste Kulturvolk am Mittelmeergestade, die Aegypter, fuhren noch nicht ueber Meer und haben daher auch auf Italien nicht eingewirkt. Ebensowenig aber kann dies von den Phoenikern behauptet werden. Allerdings waren sie es, die von ihrer engen Heimat am aeusseren Ostrand des Mittelmeers aus zuerst unter allen bekannten Staemmen auf schwimmenden Haeusern in dasselbe, anfangs des Fisch- und Muschelfangs, bald auch des Handels wegen, sich hinauswagten, die zuerst den Seeverkehr eroeffneten und in unglaublich frueher Zeit das Mittelmeer bis zu seinem aeussersten westlichen Ende befuhren. Fast an allen Gestaden desselben erscheinen vor den hellenischen phoenikische Seestationen: wie in Hellas selbst, auf Kreta und Kypros, in Aegypten, Libyen und Spanien, so auch im italischen Westmeer. Um ganz Sizilien herum, erzaehlt Thukydides, hatten, ehe die Griechen dorthin kamen, oder wenigstens, ehe sie dort in groesserer Anzahl sich festsetzten, die Phoeniker auf den Landspitzen und Inselchen ihre Faktoreien gegruendet, des Handels wegen mit den Eingeborenen, nicht um Land zu gewinnen. Allein anders verhaelt es sich mit dem italischen Festland. Von phoenikischen Niederlassungen daselbst ist bis jetzt nur eine einzige mit einiger Sicherheit nachgewiesen worden, eine punische Faktorei bei Caere, deren Andenken sich bewahrt hat teils in der Benennung der kleinen Ortschaft an der caeritischen Kueste Punicum, teils in dem zweiten Namen der Stadt Caere selbst, Agylla, welcher nicht, wie man fabelt, von den Pelasgern herruehrt, sondern phoenikisch ist und die “Rundstadt” bezeichnet, wie eben vom Ufer aus gesehen Caere sich darstellt. Dass diese Station und was von aehnlichen Gruendungen es an den Kuesten Italiens noch sonst gegeben haben mag, auf jeden Fall weder bedeutend noch von langem Bestande gewesen ist, beweist ihr fast spurloses Verschwinden; aber es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, sie fuer aelter zu halten als die gleichartigen hellenischen Ansiedlungen an denselben Gestaden. Ein unveraechtliches Anzeichen davon, dass wenigstens Latium die kanaanitischen Maenner erst durch Vermittlung der Hellenen kennengelernt hat, ist ihre latinische, der griechischen entlehnte Benennung der Poener. Vielmehr fuehren alle aeltesten Beziehungen der Italiker zu der Zivilisation des Ostens entschieden nach Griechenland; und es laesst sich das Entstehen der phoenikischen Faktorei bei Caere, ohne auf die vorhellenische Periode zurueckzugehen, sehr wohl aus den spaeteren wohlbekannten Beziehungen des caeritischen Handelsstaats zu Karthago erklaeren. In der Tat lag, wenn man sich erinnert, dass die aelteste Schiffahrt wesentlich Kuestenfahrt war und blieb, den Phoenikern kaum eine Landschaft am Mittelmeer so fern wie der italische Kontinent. Sie konnten ihn nur entweder von der griechischen Westkueste oder von Sizilien aus erreichen; und es ist sehr glaublich, dass die hellenische Seefahrt frueh genug aufbluehte, um den Phoenikern in der Befahrung der Adriatischen wie der Tyrrhenischen See zuvorzukommen. Urspruenglichen unmittelbaren Einfluss der Phoeniker auf die Italiker anzunehmen, ist deshalb kein Grund vorhanden; auf die spaeteren Beziehungen der phoenikischen Seeherrschaft im westlichen Mittelmeer zu den italischen Anwohnern der Tyrrhenischen See wird die Darstellung zurueckkommen.
Allem Anschein nach sind es also die hellenischen Schiffer gewesen, die zuerst unter den Anwohnern des oestlichen Beckens des Mittelmeers die italischen Kuesten befuhren. Von den wichtigen Fragen indes, aus welcher Gegend und zu welcher Zeit die griechischen Seefahrer dorthin gelangt sind, laesst nur die erstere sich mit einiger Sicherheit und Vollstaendigkeit beantworten. Es war das aeolische und ionische Gestade Kleinasiens, wo zuerst der hellenische Seeverkehr sich grossartig entfaltete und von wo aus den Griechen wie das Innere des Schwarzen Meeres so auch die italischen Kuesten sich erschlossen. Der Namen des Ionischen Meeres, welcher den Gewaessern zwischen Epirus und Sizilien geblieben ist, und der der Ionischen Bucht, mit welchem Namen die Griechen frueher das Adriatische Meer bezeichneten, haben das Andenken an die einstmalige Entdeckung der Sued- und Ostkueste Italiens durch ionische Seefahrer bewahrt. Die aelteste griechische Ansiedlung in Italien, Kyme, ist dem Namen wie der Sage nach eine Gruendung der gleichnamigen Stadt an der anatolischen Kueste. Nach glaubwuerdiger hellenischer Ueberlieferung waren es die kleinasiatischen Phokaeer, die zuerst von den Hellenen die entferntere Westsee befuhren. Bald folgten auf den von den Kleinasiaten gefundenen Wegen andere Griechen nach: Ionier von Naxos und von Chalkis auf Euboea, Achaeer, Lokrer, Rhodier, Korinther, Megarer, Messener, Spartaner. Wie nach der Entdeckung Amerikas die zivilisierten Nationen Europas wetteiferten, dorthin zu fahren und dort sich niederzulassen; wie die Solidaritaet der europaeischen Zivilisation den neuen Ansiedlern inmitten der Barbaren deutlicher zum Bewusstsein kam als in ihrer alten Heimat, so war auch die Schiffahrt nach dem Westen und die Ansiedelung im Westland kein Sondergut einer einzelnen Landschaft oder eines einzelnen Stammes der Griechen, sondern Gemeingut der hellenischen Nation; und wie sich zu Nordamerikas Schoepfung englische und franzoesische, hollaendische und deutsche Ansiedlungen gemischt und durchdrungen haben, so ist auch das griechische Sizilien und “Grossgriechenland” aus den verschiedenartigsten hellenischen Stammschaften oft ununterscheidbar zusammengeschmolzen. Doch lassen sich, ausser einigen mehr vereinzelt stehenden Ansiedlungen, wie die der Lokrer mit ihren Pflanzstaedten Hipponion und Medama und die erst gegen Ende dieser Periode gegruendete Niederlassung der Phokaeer Hyele (Velia, Elea) sind, im ganzen drei Hauptgruppen unterscheiden: die unter dem Namen der chalkidischen Staedte zusammengefasste urspruenglich ionische, zu der in Italien Kyme mit den uebrigen griechischen Niederlassungen am Vesuv und Rhegion, in Sizilien Zankle (spaeter Messana), Naxos, Katane, Leontini, Himera zaehlen; die achaeische, wozu Sybaris und die Mehrzahl der grossgriechischen Staedte sich rechneten, und die dorische, welcher Syrakus, Gela, Akragas, ueberhaupt die Mehrzahl der sizilischen Kolonien, dagegen in Italien nur Taras (Tarentum) und dessen Pflanzstadt Herakleia angehoeren. Im ganzen ueberwiegt in der Einwanderung die aeltere hellenische Schicht der Ionier und der vor der dorischen Einwanderung im Peloponnes ansaessigen Staemme; von den Dorern haben sich vorzugsweise nur die Gemeinden gemischter Bevoelkerung, wie Korinth und Megara, die rein dorischen Landschaften dagegen nur in untergeordnetem Grade beteiligt; natuerlich, denn die Ionier waren ein altes Handels- und Schiffervolk, die dorischen Staemme aber sind erst verhaeltnismaessig spaet von ihren binnenlaendischen Bergen in die Kuestenlandschaften hinabgestiegen und zu allen Zeiten dem Seeverkehr ferner geblieben. Sehr bestimmt treten die verschiedenen Einwanderergruppen auseinander, besonders in ihrem Muenzfuss. Die phokaeischen Ansiedler praegen nach dem in Asien herrschenden babylonischen Fuss. Die chalkidischen Staedte folgen in aeltester Zeit dem aeginaeischen, das heisst dem urspruenglich im ganzen europaeischen Griechenland vorherrschenden und zwar zunaechst derjenigen Modifikation desselben, die wir dort auf Euboea wiederfinden. Die achaeischen Gemeinden muenzen auf korinthische, die dorischen endlich auf diejenige Waehrung, die Solon im Jahre 160 Roms (594) in Attika eingefuehrt hatte, nur dass Taras und Herakleia sich in wesentlichen Stuecken vielmehr nach der Waehrung ihrer achaeischen Nachbarn richten als nach der der sizilischen Dorer. Die Zeitbestimmung der frueheren Fahrten und Ansiedlungen wird wohl fuer immer in tiefes Dunkel eingehuellt bleiben. Zwar eine gewisse Folge darin tritt auch fuer uns noch unverkennbar hervor. In der aeltesten Urkunde der Griechen, welche, wie der aelteste Verkehr mit dem Westen, den kleinasiatischen Ioniern eignet, in den Homerischen Gesaengen reicht der Horizont noch kaum ueber das oestliche Becken des Mittelmeers hinaus. Vom Sturm in die westliche See verschlagene Schiffer mochten von der Existenz eines Westlandes und etwa noch von dessen Meeresstrudeln und feuerspeienden Inselbergen die Kunde nach Kleinasien heimgebracht haben; allein zu der Zeit der Homerischen Dichtung mangelte selbst in derjenigen griechischen Landschaft, welche am fruehesten mit dem Westland in Verkehr trat, noch jede zuverlaessige Kunde von Sizilien und Italien; und die Maerchenerzaehler und Dichter des Ostens konnten, wie seinerzeit die okzidentalischen den fabelhaften Orient, ungestoert die leeren Raeume des Westens mit ihren luftigen Gestalten erfuellen. Bestimmter treten schon in den Hesiodischen Gedichten die Umrisse Italiens und Siziliens hervor; sie kennen aus beiden einheimische Namen von Voelkerschaften, Bergen und Staedten; doch ist ihnen Italien noch eine Inselgruppe. Dagegen in der gesamten nachhesiodischen Literatur erscheint Sizilien und selbst das gesamte Gestade Italiens als den Hellenen wenigstens im allgemeinen bekannt. Ebenso laesst die Reihenfolge der griechischen Ansiedlungen mit einiger Sicherheit sich bestimmen. Als die aelteste namhafte Ansiedlung im Westland galt offenbar schon dem Thukydides Kyme; und gewiss hat er nicht geirrt. Allerdings lag dem griechischen Schiffer mancher Landungsplatz naeher; allein vor den Stuermen wie vor den Barbaren war keiner so geschuetzt wie die Insel Ischia, auf der die Stadt urspruenglich lag; und dass solche Ruecksichten vor allem bei dieser Ansiedlung leiteten, zeigt selbst die Stelle noch, die man spaeter auf dem Festland dazu ausersah, die steile, aber geschuetzte Felsklippe, die noch heute den ehrwuerdigen Namen der anatolischen Mutterstadt traegt. Nirgends in Italien sind denn auch die Oertlichkeiten der kleinasiatischen Maerchen mit solcher Festigkeit und Lebendigkeit lokalisiert wie in der kymaeischen Landschaft, wo die fruehesten Westfahrer, jener Sagen von den Wundern des Westens voll, zuerst das Fabelland betraten und die Spuren der Maerchenwelt, in der sie zu wandeln meinten, in den Sirenenfelsen und dem zur Unterwelt fuehrenden Aornossee zurueckliessen. Wenn ferner in Kyme zuerst die Griechen Nachbarn der Italiker wurden, so erklaert es sich sehr einfach, weshalb der Name desjenigen italischen Stammes, der zunaechst um Kyme angesessen war, der Name der Opiker, von ihnen noch lange Jahrhunderte nachher fuer saemtliche Italiker gebraucht ward. Es ist ferner glaublich ueberliefert, dass die massenhafte hellenische Einwanderung in Unteritalien und Sizilien von der Niederlassung auf Kyme durch einen betraechtlichen Zwischenraum getrennt war und dass bei jener Einwanderung wieder die Ionier von Chalkis und von Naxos vorangingen und Naxos auf Sizilien die aelteste aller durch eigentliche Kolonisierung in Italien und Sizilien gegruendeten Griechenstaedte ist, worauf dann die achaeischen und dorischen Kolonisationen erst spaeter erfolgt sind. Allein es scheint voellig unmoeglich, fuer diese Reihe von Tatsachen auch nur annaehernd sichere Jahreszahlen festzustellen. Die Gruendung der achaeischen Stadt Sybaris im Jahre 33 (721) und die der dorischen Stadt Taras im Jahre 46 Roms (708) moegen die aeltesten Daten der italischen Geschichte sein, deren wenigstens ungefaehre Richtigkeit als ausgemacht angesehen werden kann. Um wieviel aber die Ausfuehrung der aelteren ionischen Kolonien jenseits dieser Epoche zurueckliege, ist ebenso ungewiss wie das Zeitalter der Entstehung der Hesiodischen und gar der Homerischen Gedichte. Wenn Herodot das Zeitalter Homers richtig bestimmt hat, so war Italien den Griechen ein Jahrhundert vor der Gruendung Roms (850) noch unbekannt; indes jene Ansetzung ist wie alle anderen der Lebenszeit Homers kein Zeugnis, sondern ein Schluss, und wer die Geschichte der italischen Alphabete sowie die merkwuerdige Tatsache erwaegt, dass den Italikern das Griechenvolk bekannt ward, bevor der hellenische Stammname aufgekommen war, und die Italiker ihre Bezeichnung der Hellenen von dem in Hellas frueh verschollenen Stamm der Grai oder Graeci entlehnten ^1, wird geneigt sein, den fruehesten Verkehr der Italiker mit den Griechen um ein bedeutendes hoeher hinaufzuruecken.
——————————————- ^1 Ob der Name der Graeker urspruenglich aus dem epirotischen Binnenland und der Gegend von Dodone haftet oder vielmehr den frueher vielleicht bis an das Westmeer reichenden Aetolern eigen war, mag dahingestellt bleiben; er muss in ferner Zeit einem hervorragenden Stamm oder Komplex von Staemmen des eigentlichen Griechenlands eigen gewesen und von diesen auf die gesamte Nation uebergegangen sein. In den Hesiodischen Eoeen erscheint er als aelterer Gesamtname der Nation, jedoch mit offenbarer Absichtlichkeit beiseite geschoben und dem hellenischen untergeordnet, welcher letztere bei Homer noch nicht, wohl aber, ausser bei Hesiod, schon bei Archilochos um das Jahr 50 Roms (704) auftritt und recht wohl noch bedeutend frueher aufgekommen sein kann (M. L. Duncker, Geschichte des Altertums. Berlin 1852-57. Bd. 3, S. 18, 556). Also bereits vor dieser Zeit waren die Italiker mit den Griechen soweit bekannt, dass jener in Hellas frueh verschollene Name bei ihnen als Gesamtname der griechischen Nation blieb, auch als diese selbst andere Wege ging. Es ist dabei nur in der Ordnung, dass den Auslaendern die Zusammengehoerigkeit der hellenischen Staemme frueher und deutlicher zum Bewusstsein gekommen ist als diesen selbst, und daher die Gesamtbenennung hier schaerfer sich fixierte als dort, nicht minder, dass dieselbe nicht gerade den wohlbekannten naechstwohnenden Hellenen entnommen ward. Wie man es damit vereinigen will, dass noch ein Jahrhundert vor der Gruendung Roms Italien den kleinasiatischen Griechen voellig unbekannt war, ist schwer abzusehen. Von dem Alphabet wird unten die Rede sein; es ergibt dessen Geschichte vollkommen die gleichen Resultate. Man wird es vielleicht verwegen nennen, auf solche Beobachtungen hin die Herodotische Angabe ueber das Zeitalter Homers zu verwerfen; aber ist es etwa keine Kuehnheit, in Fragen dieser Art der Ueberlieferung zu folgen? —————————————- Die Geschichte der italischen und sizilischen Griechen ist zwar kein Teil der italischen; die hellenischen Kolonisten des Westens blieben stets im engsten Zusammenhang mit der Heimat und hatten teil an den Nationalfesten und Rechten der Hellenen. Doch ist es auch fuer Italien wichtig, den verschiedenen Charakter der griechischen Ansiedlungen daselbst zu bezeichnen und wenigstens gewisse Grundzuege hervorzuheben, durch die der verschiedenartige Einfluss der griechischen Kolonisierung auf Italien wesentlich bedingt worden ist. Unter allen griechischen Ansiedlungen die intensivste und in sich am meisten geschlossene war diejenige, aus der der Achaeische Staedtebund hervorging, welchen die Staedte Siris, Pandosia, Metabus oder Metapontion, Sybaris mit seinen Pflanzstaedten Poseidonia und Laos, Kroton, Kaulonia, Temesa, Terina und Pyxus bildeten. Diese Kolonisten gehoerten, im grossen und ganzen genommen, einem griechischen Stamm an, der an seinem eigentuemlichen, dem dorischen naechst verwandten Dialekt sowie nicht minder, anstatt des sonst allgemein in Gebrauch gekommenen juengeren Alphabets, lange Zeit an der altnationalen hellenischen Schreibweise festhielt, und der seine besondere Nationalitaet den Barbaren wie den andern Griechen gegenueber in einer festen buendischen Verfassung bewahrte. Auch auf diese italischen Achaeer laesst sich anwenden, was Polybios von der achaeischen Symmachie im Peloponnes sagt: “nicht allein in eidgenoessischer und freundschaftlicher Gemeinschaft leben sie, sondern sie bedienen sich auch gleicher Gesetze, gleicher Gewichte, Masse und Muenzen sowie derselben Vorsteher, Ratmaenner und Richter”. Dieser Achaeische Staedtebund war eine eigentliche Kolonisation. Die Staedte waren ohne Haefen – nur Kroton hatte eine leidliche Reede – und ohne Eigenhandel; der Sybarite ruehmte sich, zu ergrauen zwischen den Bruecken seiner Lagunenstadt, und Kauf und Verkauf besorgten ihm Milesier und Etrusker. Dagegen besassen die Griechen hier nicht bloss die Kuestensaeume, sondern herrschten von Meer zu Meer in dem “Wein-” und “Rinderland” (Oinotria, Italia) oder der “grossen Hellas”; die eingeborene ackerbauende Bevoelkerung musste in Klientel oder gar in Leibeigenschaft ihnen wirtschaften und zinsen. Sybaris – seiner Zeit die groesste Stadt Italiens – gebot ueber vier barbarische Staemme und fuenfundzwanzig Ortschaften und konnte am andern Meer Laos und Poseidonia gruenden; die ueberschwenglich fruchtbaren Niederungen des Krathis und Bradanos warfen den Sybariten und Metapontinern ueberreichen Ertrag ab – vielleicht ist hier zuerst Getreide zur Ausfuhr gebaut worden. Von der hohen Bluete, zu welcher diese Staaten in unglaublich kurzer Zeit gediehen, zeugen am lebendigsten die einzigen auf uns gekommenen Kunstwerke dieser italischen Achaeer: ihre Muenzen von strenger, altertuemlich schoener Arbeit – ueberhaupt die fruehesten Denkmaeler von Kunst und Schrift in Italien, deren Praegung erweislich im Jahre 174 der Stadt (580) bereits begonnen hatte. Diese Muenzen zeigen, dass die Achaeer des Westens nicht bloss teilnahmen an der eben um diese Zeit im Mutterlande herrlich sich entwickelnden Bildnerkunst, sondern in der Technik demselben wohl gar ueberlegen waren; denn statt der dicken, oft nur einseitig gepraegten und regelmaessig schriftlosen Silberstuecke, welche um diese Zeit in dem eigentlichen Griechenland wie bei den italischen Dorern ueblich waren, schlugen die italischen Achaeer mit grosser und selbstaendiger Geschicklichkeit aus zwei gleichartigen, teils erhaben teils vertieft geschnittenen Stempeln grosse duenne, stets mit Aufschrift versehene Silbermuenzen, deren sorgfaeltig vor der Falschmuenzerei jener Zeit – Plattierung geringen Metalls mit duennen Silberblaettern – sich schuetzende Praegweise den wohlgeordneten Kulturstaat verraet.
Dennoch trug diese schnelle Bluete keine Frucht. In der muehelosen, weder durch kraeftige Gegenwehr der Eingeborenen noch durch eigene schwere Arbeit auf die Probe gestellten Existenz versagte sogar den Griechen frueh die Spannkraft des Koerpers und des Geistes. Keiner der glaenzenden Namen der griechischen Kunst und Literatur verherrlicht die italischen Achaeer, waehrend Sizilien deren unzaehlige, auch in Italien das chalkidische Rhegion den Ibykos, das dorische Tarent den Archytas nennen kann; bei diesem Volk, wo stets sich am Herde der Spiess drehte, gedieh nichts von Haus aus als der Faustkampf. Tyrannen liess die strenge Aristokratie nicht aufkommen, die in den einzelnen Gemeinden frueh ans Ruder gekommen war und im Notfall an der Bundesgewalt einen sicheren Rueckhalt fand: wohl aber drohte die Verwandlung der Herrschaft der Besten in eine Herrschaft der Wenigen, vor allem, wenn die bevorrechteten Geschlechter in den verschiedenen Gemeinden sich untereinander verbuendeten und gegenseitig sich aushalfen. Solche Tendenzen beherrschten die durch den Namen des Pythagoras bezeichnete solidarische Verbindung der “Freunde”, sie gebot, die herrschende Klasse “gleich den Goettern zu verehren”, die dienende “gleich den Tieren zu unterwerfen”, und rief durch solche Theorie und Praxis eine furchtbare Reaktion hervor, welche mit der Vernichtung der pythagoreischen “Freunde” und mit der Erneuerung der alten Bundesverfassung endigte. Allein rasende Parteifehden, Massenerhebungen der Sklaven, soziale Missstaende aller Art, praktische Anwendung unpraktischer Staatsphilosophie, kurz alle Uebel der entsittlichten Zivilisation hoerten nicht auf, in den achaeischen Gemeinden zu wueten, bis ihre politische Macht darueber zusammenbrach. Es ist danach nicht zu verwundern, dass fuer die Zivilisation Italiens die daselbst angesiedelten Achaeer minder einflussreich gewesen sind als die uebrigen griechischen Niederlassungen. ueber die politischen Grenzen hinaus ihren Einfluss zu erstrecken, lag diesen Ackerbauern ferner als den Handelsstaaten; innerhalb ihres Gebiets verknechteten sie die Eingeborenen und zertraten die Keime einer nationalen Entwicklung, ohne doch den Italikern durch vollstaendige Hellenisierung eine neue Bahn zu eroeffnen. So ist in Sybaris und Metapont, in Kroton und Poseidonia das griechische Wesen, das sonst allen politischen Missgeschicken zum Trotz sich lebenskraeftig zu behaupten wusste, schneller, spur- und ruhmloser verschwunden als in irgendeinem anderen Gebiet, und die zwiesprachigen Mischvoelker, die spaeterhin aus den Truemmern der eingeborenen Italiker und der Achaeer und den juengeren Einwanderern sabellischer Herkunft hervorgingen, sind zu rechtem Gedeihen ebensowenig gelangt. Indes, diese Katastrophe gehoert der Zeit nach in die folgende Periode. Anderer Art und von anderer Wirkung auf Italien waren die Niederlassungen der uebrigen Griechen. Auch sie verschmaehten den Ackerbau und Landgewinn keineswegs; es war nicht die Weise der Hellenen, wenigstens seit sie zu ihrer Kraft gekommen waren, sich im Barbarenland nach phoenikischer Art an einer befestigten Faktorei genuegen zu lassen. Aber wohl waren alle diese Staedte zunaechst und vor allem des Handels wegen begruendet und darum denn auch, ganz abweichend von den achaeischen, durchgaengig an den besten Haefen und Landungsplaetzen angelegt. Die Herkunft, die Veranlassung und die Epoche dieser Gruendungen waren mannigfach verschieden; dennoch bestand zwischen ihnen eine gewisse Gemeinschaft – so in dem allen jenen Staedten gemeinsamen Gebrauch gewisser moderner Formen des Alphabets ^2 und selbst in dem Dorismus der Sprache, der auch in diejenigen Staedte frueh eindrang, die, wie zum Beispiel Kyme ^3, von Haus aus den weichen ionischen Dialekt sprachen. Fuer die Entwicklung Italiens sind diese Niederlassungen in sehr verschiedenem Grade wichtig geworden; es genuegt hier, derjenigen zu gedenken, welche entscheidend in die Schicksale der Staemme Italiens eingegriffen haben, des dorischen Tarent und des ionischen Kyme.
————————————————- ^2 So sind die drei altorientalischen Formen des i, l und r, fuer die als leicht zu verwechseln mit den Formen des s, g und p schon frueh die Zeichen vorgeschlagen worden sind, in den achaeischen Kolonien entweder ausschliesslich oder doch sehr vorwiegend in Gebrauch geblieben, waehrend die uebrigen Griechen Italiens und Siziliens ohne Unterschied des Stammes sich ausschliesslich oder doch sehr vorwiegend der juengeren Formen bedient haben. ^3 So zum Beispiel heisst es auf einem kymaeischen Tongefaess Tataies emi leyqthos. Fos d’an me klephsei th?phlos estai. ———————————
Den Tarentinern ist unter allen hellenischen Ansiedlungen in Italien die glaenzendste Rolle zugefallen. Der vortreffliche Hafen, der einzige gute an der ganzen Suedkueste, machte ihre Stadt zum natuerlichen Entrepot fuer den sueditalienischen Handel, ja sogar fuer einen Teil des Verkehrs auf dem Adriatischen Meer. Der reiche Fischfang in dem Meerbusen, die Erzeugung und Verarbeitung der vortrefflichen Schafwolle sowie deren Faerbung mit dem Saft der tarentinischen Purpurschnecke, die mit der tyrischen wetteifern konnte – beide Industrien hierher eingebuergert aus dem kleinasiatischen Miletos -, beschaeftigten Tausende von Haenden und fuegten zu dem Zwischen- noch den Ausfuhrhandel hinzu. Die in groesserer Menge als irgendwo sonst im griechischen Italien und ziemlich zahlreich selbst in Gold geschlagenen Muenzen sind noch heute redende Beweise des ausgebreiteten und lebhaften tarentinischen Verkehrs. Schon in dieser Epoche, wo Tarent noch mit Sybaris um den ersten Rang unter den unteritalischen Griechenstaedten rang, muessen seine ausgedehnten Handelsverbindungen sich angeknuepft haben; indes auf eine wesentliche Erweiterung ihres Gebietes nach Art der achaeischen Staedte scheinen die Tarentiner nie mit dauerndem Erfolg ausgegangen zu sein. Wenn also die oestlichste der griechischen Ansiedlungen in Italien rasch und glaenzend sich emporhob, so gediehen die noerdlichsten derselben am Vesuv zu bescheidnerer Bluete. Hier waren von der fruchtbaren Insel Aenaria (Ischia) aus die Kymaeer auf das Festland hinuebergegangen und hatten auf einem Huegel hart am Meere eine zweite Heimat erbaut, von wo aus der Hafenplatz Dikaearchia (spaeter Puteoli), und weiter die “Neustadt” Neapolis gegruendet wurden. Sie lebten, wie ueberhaupt die chalkidischen Staedte in Italien und Sizilien, nach den Gesetzen, welche Charondas von Katane (um 100 650) festgestellt hatte, in einer demokratischen, jedoch durch hohen Zensus gemaessigten Verfassung, welche die Macht in die Haende eines aus den Reichsten erlesenen Rates von Mitgliedern legte – eine Verfassung, die sich bewaehrte und im ganzen von diesen Staedten Usurpatoren wie Poebeltyrannei fern hielt. Wir wissen wenig von den aeusseren Verhaeltnissen dieser kampanischen Griechen. Sie blieben, sei es aus Zwang oder aus freier Wahl, mehr noch als die Tarentiner beschraenkt auf einen engen Bezirk; indem sie von diesem aus nicht erobernd und unterdrueckend gegen die Eingeborenen auftraten, sondern friedlich mit ihnen handelten und verkehrten, erschufen sie sich selbst eine gedeihliche Existenz und nahmen zugleich den ersten Platz unter den Missionaren der griechischen Zivilisation in Italien ein. Wenn zu beiden Seiten der rheginischen Meerenge teils auf dem Festlande die ganze suedliche und die Westkueste bis zum Vesuv, teils die groessere oestliche Haelfte der sizilischen Insel griechisches Land war, so gestalteten dagegen auf der italischen Westkueste nordwaerts vom Vesuv und auf der ganzen Ostkueste die Verhaeltnisse sich wesentlich anders. An dem dem Adriatischen Meer zugewandten italischen Gestade entstanden griechische Ansiedlungen nirgends; womit die verhaeltnismaessig geringere Anzahl und untergeordnete Bedeutung der griechischen Pflanzstaedte auf dem gegenueberliegenden illyrischen Ufer und den zahlreichen demselben vorliegenden Inseln augenscheinlich zusammenhaengt. Zwar wurden auf dem Griechenland naechsten Teil dieser Kueste zwei ansehnliche Kaufstaedte, Epidamnos oder Dyrrhachion (jetzt Durazzo; 127 587) und Apollonia (bei Avlona; um 167 627) noch waehrend der roemischen Koenigsherrschaft gegruendet; aber weiter noerdlich ist, mit Ausnahme etwa der nicht bedeutenden Niederlassung auf Schwarzkerkyra (Curzola; um 174? 580) keine alte griechische Ansiedlung nachzuweisen. Es ist noch nicht hinreichend aufgeklaert, warum die griechische Kolonisierung so duerftig gerade nach dieser Seite hin auftrat, wohin doch die Natur selbst die Hellenen zu weisen schien und wohin in der Tat seit aeltester Zeit von Korinth und mehr noch von der nicht lange nach Rom (um 44 710) gegruendeten Ansiedlung auf Kerkyra (Korfu) aus ein Handelszug bestand, dessen Entrepots auf der italischen Kueste die Staedte an der Pomuendung, Spina und Atria, waren. Die Stuerme der Adriatischen See, die Unwirtlichkeit wenigstens der illyrischen Kuesten, die Wildheit der Eingeborenen reichen offenbar allein nicht aus, um diese Tatsache zu erklaeren. Aber fuer Italien ist es von den wichtigsten Folgen gewesen, dass die von Osten kommenden Elemente der Zivilisation nicht zunaechst auf seine oestlichen Landschaften einwirkten, sondern erst aus den westlichen in diese gelangten. Selbst in den Handelsverkehr teilte sich mit Korinth und Kerkyra die oestlichste Kaufstadt Grossgriechenlands, das dorische Tarent, das durch den Besitz von Hydrus (Otranto) den Eingang in das Adriatische Meer auf der italischen Seite beherrschte. Da ausser den Haefen an der Pomuendung an der ganzen Ostkueste nennenswerte Emporien in jener Zeit nicht bestanden – Ankons Aufbluehen faellt in weit spaetere Zeit und noch spaeter das Emporkommen von Brundisium -, ist es wohl begreiflich, dass die Schiffer von Epidamnos und Apollonia haeufig in Tarent loeschten. Auch auf dem Landwege verkehrten die Tarentiner vielfach mit Apulien; auf sie geht zurueck, was sich von griechischer Zivilisation im Suedosten Italiens vorfindet. Indes fallen in diese Zeit davon nur die ersten Anfaenge; der Hellenismus Apuliens entwickelte sich erst in einer spaeteren Epoche.
Dass dagegen die Westkueste Italiens auch noerdlich vom Vesuv in aeltester Zeit von den Hellenen befahren worden ist und auf den Inseln und Landspitzen hellenische Faktoreien bestanden, laesst sich nicht bezweifeln. Wohl das aelteste Zeugnis dieser Fahrten ist die Lokalisierung der Odysseussage an den Kuesten des Tyrrhenischen Meeres ^4. Wenn man in den Liparischen Inseln die des Aeolos wiederfand, wenn man am Lacinischen Vorgebirge die Insel der Kalypso, am Misenischen die der Sirenen, am Circeischen die der Kirke wies, wenn man das ragende Grab des Elpenor in dem steilen Vorgebirge von Tarracina erkannte, wenn bei Caieta und Formiae die Laestrygonen hausen, wenn die beiden Soehne des Odysseus und der Kirke, Agrios, das heisst der Wilde, und Latinos, im “innersten Winkel der heiligen Inseln” die Tyrrhener beherrschen oder in einer juengeren Fassung Latinus der Sohn des Odysseus und der Kirke, Auson der Sohn des Odysseus und der Kalypso heisst, so sind das alte Schiffmaerchen der ionischen Seefahrer, welche der lieben Heimat auf der Tyrrhenischen See gedachten, und dieselbe herrliche Lebendigkeit der Empfindung, wie sie in dem ionischen Gedicht von den Fahrten des Odysseus waltet, spricht auch noch aus der frischen Lokalisierung derselben Sage bei Kyme selbst und in dem ganzen Fahrbezirk der kymaeischen Schiffer.
——————————————- ^4 Die aeltesten griechischen Schriften, in denen uns diese tyrrhenische Odysseussage erscheint, sind die Hesiodische ‘Theogonie’ in einem ihrer juengeren Abschnitte und sodann die Schriftsteller aus der Zeit kurz vor Alexander, Ephoros, aus dem der sogenannte Skymnos geflossen ist, und der sogenannte Skylax. Die erste dieser Quellen gehoert einer Zeit an, wo Italien den Griechen noch als Inselgruppe galt, und ist also sicher sehr alt; und es kann danach die Entstehung dieser Sagen im ganzen mit Sicherheit in die roemische Koenigszeit gesetzt werden.
——————————————- Andere Spuren dieser aeltesten Fahrten sind die griechischen Namen der Insel Aethalia (Ilva, Elba), die naechst Aenaria zu den am fruehesten von Griechen besetzten Plaetzen zu gehoeren scheint, und vielleicht auch des Hafenplatzes Telamon in Etrurien; ferner die beiden Ortschaften an der caeritischen Kueste Pyrgi (bei S. Severa) und Alsion (bei Palo), wo nicht bloss die Namen unverkennbar auf griechischen Ursprung deuten, sondern auch die eigentuemliche, von den caeritischen und ueberhaupt den etruskischen Stadtmauern sich wesentlich unterscheidende Architektur der Mauern von Pyrgi. Aethalia, “die Feuerinsel”, mit ihren reichen Kupfer- und besonders Eisengruben mag in diesem Verkehr die erste Rolle gespielt und hier die Altsiedlung der Fremden wie ihr Verkehr mit den Eingeborenen seinen Mittelpunkt gehabt haben; um so mehr als das Schmelzen der Erze auf der kleinen und nicht waldreichen Insel ohne Verkehr mit dem Festland nicht geschehen konnte. Auch die Silbergruben von Populonia auf der Elba gegenueberliegenden Landspitze waren vielleicht schon den Griechen bekannt und von ihnen in Betrieb genommen.
Wenn die Fremden, wie in jenen Zeiten immer, neben dem Handel auch dem See- und Landraub obliegend, ohne Zweifel es nicht versaeumten, wo die Gelegenheit sich bot, die Eingeborenen zu brandschatzen und sie als Sklaven fortzufuehren, so uebten auch die Eingeborenen ihrerseits das Vergeltungsrecht aus; und dass die Latiner und Tyrrhener dies mit groesserer Energie und besserem Glueck getan haben als ihre sueditalischen Nachbarn, zeigen nicht bloss jene Sagen an, sondern vor allem der Erfolg. In diesen Gegenden gelang es den Italikern, sich der Fremdlinge zu erwehren und nicht bloss Herren ihrer eigenen Kaufstaedte und Kaufhaefen zu bleiben oder doch bald wieder zu werden, sondern auch Herren ihrer eigenen See. Dieselbe hellenische Invasion, welche die sueditalischen Staemme erdrueckte und denationalisierte, hat die Voelker Mittelitaliens, freilich sehr wider den Willen der Lehrmeister, zur Seefahrt und zur Staedtegruendung angeleitet. Hier zuerst muss der Italiker das Floss und den Nachen mit der phoenikischen und griechischen Rudergaleere vertauscht haben. Hier zuerst begegnen grosse Kaufstaedte, vor allem Caere im suedlichen Etrurien und Rom am Tiber, die, nach den italischen Namen wie nach der Lage in einiger Entfernung vom Meere zu schliessen, eben wie die ganz gleichartigen Handelsstaedte an der Pomuendung, Spina und Atria, und weiter suedlich Ariminum, sicher keine griechischen, sondern italische Gruendungen sind. Den geschichtlichen Verlauf dieser aeltesten Reaktion der italischen Nationalitaet gegen fremden Eingriff darzulegen sind wir begreiflicherweise nicht imstande; wohl aber laesst es noch sich erkennen, was fuer die weitere Entwicklung Italiens von der groessten Bedeutung ist, dass diese Reaktion in Latium und im suedlichen Etrurien einen andern Gang genommen hat als in der eigentlichen tuskischen und den sich daran anschliessenden Landschaften.
Schon die Sage setzt in bezeichnender Weise dem “wilden Tyrrhener” den Latiner entgegen und dem unwirtlichen Strande der Volsker das friedliche Gestade an der Tibermuendung. Aber nicht das kann hiermit gemeint sein, dass man die griechische Kolonisierung in einigen Landschaften Mittelitaliens geduldet, in andern nicht zugelassen haette. Nordwaerts vom Vesuv hat ueberhaupt in geschichtlicher Zeit nirgends eine unabhaengige griechische Gemeinde bestanden, und wenn Pyrgi dies einmal gewesen ist, so muss es doch schon vor dem Beginn unserer Ueberlieferung in die Haende der Italiker, das heisst der Caeriten zurueckgekehrt sein. Aber wohl ward in Suedetrurien, in Latium und ebenso an der Ostkueste der friedliche Verkehr mit den fremden Kaufleuten geschuetzt und gefoerdert, was anderswo nicht geschah. Vor allem merkwuerdig ist die Stellung von Caere. “Die Caeriten”, sagt Strabon, “galten viel bei den Hellenen wegen ihrer Tapferkeit und Gerechtigkeit, und weil sie, so maechtig sie waren, des Raubes sich enthielten.” Nicht der Seeraub ist gemeint, den der caeritische Kaufmann wie jeder andere sich gestattet haben wird; sondern Caere war eine Art von Freihafen fuer die Phoeniker wie fuer die Griechen. Wir haben der phoenikischen Station – spaeter Punicum genannt – und der beiden von Pyrgi und Alsion bereits gedacht; diese Haefen waren es, die zu berauben die Caeriten sich enthielten, und ohne Zweifel war es eben dies, wodurch Caere, das nur eine schlechte Reede besitzt und keine Gruben in der Naehe hat, so frueh zu hoher Bluete gelangt ist und fuer den aeltesten griechischen Handel noch groessere Bedeutung gewonnen hat als die von der Natur zu Emporien bestimmten Staedte der Italiker an den Muendungen des Tiber und des Po. Die hier genannten Staedte sind es, welche in uraltem religioesen Verkehr mit Griechenland erscheinen. Der erste unter allen Barbaren, der den olympischen Zeus beschenkte, war der tuskische Koenig Arimnos, vielleicht ein Herr von Ariminum. Spina und Caere hatten in dem Tempel des delphischen Apollon wie andere mit dem Heiligtum in regelmaessigem Verkehr stehende Gemeinden ihre eigenen Schatzhaeuser; und mit der aeltesten caeritischen und roemischen Ueberlieferung ist das delphische Heiligtum sowohl wie das kymaeische Orakel verflochten. Diese Staedte, wo die Italiker friedlich schalteten und mit dem fremden Kaufmann freundlich verkehrten, wurden vor allen reich und maechtig und wie fuer die hellenischen Waren so auch fuer die Keime der hellenischen Zivilisation die rechten Stapelplaetze. Anders gestalteten sich die Verhaeltnisse bei den “wilden Tyrrhenern”. Dieselben Ursachen, die in der latinischen und in den vielleicht mehr unter etruskischer Suprematie stehenden als eigentlich etruskischen Landschaften am rechten Tiberufer und am unteren Po zur Emanzipierung der Eingeborenen von der fremden Seegewalt gefuehrt hatten, entwickelten in dem eigentlichen Etrurien, sei es aus anderen Ursachen, sei es infolge des verschiedenartigen, zu Gewalttat und Pluenderung hinneigenden Nationalcharakters, den Seeraub und die eigene Seemacht. Man begnuegte sich hier nicht, die Griechen aus Aethalia und Populonia zu verdraengen; auch der einzelne Kaufmann ward, wie es scheint, hier nicht geduldet, und bald durchstreiften sogar etruskische Kaper weithin die See und machten den Namen der Tyrrhener zum Schrecken der Griechen – nicht ohne Ursache galt diesen der Enterhaken als eine etruskische Erfindung und nannten die Griechen das italische Westmeer das Meer der Tusker. Wie rasch und ungestuem diese wilden Korsaren, namentlich im Tyrrhenischen Meere, um sich griffen, zeigt am deutlichsten ihre Festsetzung an der latinischen und kampanischen Kueste. Zwar behaupteten im eigentlichen Latium sich die Latiner und am Vesuv sich die Griechen; aber zwischen und neben ihnen geboten die Etrusker in Antium wie in Surrentum. Die Volsker traten in die Klientel der Etrusker ein; aus ihren Waldungen bezogen diese die Kiele ihrer Galeeren, und wenn dem Seeraub der Antiaten erst die roemische Okkupation ein Ende gemacht hat, so begreift man es wohl, warum den griechischen Schiffern das Gestade der suedlichen Volsker das laestrygonische hiess. Die hohe Landspitze von Sorrent, mit dem noch steileren, aber hafenlosen Felsen von Capri eine rechte, inmitten der Buchten von Neapel und Salern in die Tyrrhenische See hinausschauende Korsarenwarte, wurde frueh von den Etruskern in Besitz genommen. Sie sollen sogar in Kampanien einen eigenen Zwoelfstaedtebund gegruendet haben und etruskisch redende Gemeinden haben hier noch in vollkommen historischer Zeit im Binnenlande bestanden; wahrscheinlich sind diese Ansiedlungen mittelbar ebenfalls aus der Seeherrschaft der Etrusker im kampanischen Meer und aus ihrer Rivalitaet mit den Kymaeern am Vesuv hervorgegangen. Indes beschraenkten die Etrusker sich keineswegs auf Raub und Pluenderung. Von ihrem friedlichen Verkehr mit griechischen Staedten zeugen namentlich die Gold- und Silbermuenzen, die wenigstens vom Jahre 200 der Stadt (550) an die etruskischen Staedte, besonders Populonia, nach griechischem Muster und auf griechischen Fuss geschlagen haben; dass dieselben nicht den grossgriechischen, sondern vielmehr attischen, ja kleinasiatischen Stempeln nachgepraegt wurden, ist uebrigens wohl auch ein Fingerzeig fuer die feindliche Stellung der Etrusker zu den italischen Griechen. In der Tat befanden sie sich fuer den Handel in der guenstigsten Stellung und in einer weit vorteilhafteren als die Bewohner von Latium. Von Meer zu Meer wohnend geboten sie am westlichen ueber den grossen italischen Freihafen, am oestlichen ueber die Pomuendung und das Venedig jener Zeit, ferner ueber die Landstrasse, die seit alter Zeit von Pisa am Tyrrhenischen nach Spina am Adriatischen Meere fuehrte, dazu in Sueditalien ueber die reichen Ebenen von Capua und Nola. Sie besassen die wichtigsten italischen Ausfuhrartikel, das Eisen von Aethalia, das volaterranische und kampanische Kupfer, das Silber von Populonia, ja den von der Ostsee ihnen zugefuehrten Bernstein. Unter dem Schutze ihrer Piraterie, gleichsam einer rohen Navigationsakte, musste ihr eigener Handel emporkommen; und es kann ebensowenig befremden, dass in Sybaris der etruskische und milesische Kaufmann konkurrierten, als dass aus jener Verbindung von Kaperei und Grosshandel der mass- und sinnlose Luxus entsprang, in welchem Etruriens Kraft frueh sich selber verzehrt hat.
Wenn also in Italien die Etrusker und, obgleich in minderem Grade, die Latiner den Hellenen abwehrend und zum Teil feindlich gegenueberstanden, so griff dieser Gegensatz gewissermassen mit Notwendigkeit in diejenige Rivalitaet ein, die damals Handel und Schiffahrt auf dem Mittellaendischen Meere vor allem beherrschte: in die Rivalitaet der Phoeniker und der Hellenen. Es ist nicht dieses Orts, im einzelnen darzulegen, wie waehrend der roemischen Koenigszeit diese beiden grossen Nationen an allen Gestaden des Mittelmeeres, in Griechenland und Kleinasien selbst, auf Kreta und Kypros, an der afrikanischen, spanischen und keltischen Kueste miteinander um die Oberherrschaft rangen; unmittelbar auf italischem Boden wurden diese Kaempfe nicht gekaempft, aber die Folgen derselben doch auch in Italien tief und nachhaltig empfunden. Die frische Energie und die universellere Begabung des juengeren Nebenbuhlers war anfangs ueberall im Vorteil; die Hellenen entledigten sich nicht bloss der phoenikischen Faktoreien in ihrer europaeischen und asiatischen Heimat, sondern verdraengten die Phoeniker auch von Kreta und Kypros, fassten Fuss in Aegypten und Kyrene und bemaechtigten sich Unteritaliens und der groesseren oestlichen Haelfte der sizilischen Insel. Ueberall erlagen die kleinen phoenikischen Handelsplaetze der energischeren griechischen Kolonisation. Schon ward auch im westlichen Sizilien Selinus (126 628) und Akragas (174 580) gegruendet, schon von den kuehnen kleinasiatischen Phokaeern die entferntere Westsee befahren, an dem keltischen Gestade Massalia erbaut (um 150 600) und die spanische Kueste erkundet. Aber ploetzlich, um die Mitte des zweiten Jahrhunderts, stockt der Fortschritt der hellenischen Kolonisation: und es ist kein Zweifel, dass die Ursache dieses Stockens der Aufschwung war, den gleichzeitig, offenbar infolge der von den Hellenen dem gesamten phoenikischen Stamme drohenden Gefahr, die maechtigste ihrer Staedte in Libyen, Karthago nahm. War die Nation, die den Seeverkehr auf dem Mittellaendischen Meere eroeffnet hatte, durch den juengeren Rivalen auch bereits verdraengt aus der Alleinherrschaft ueber die Westsee, dem Besitze beider Verbindungsstrassen zwischen dem oestlichen und dem westlichen Becken des Mittelmeeres und dem Monopol der Handelsvermittlung zwischen Orient und Okzident, so konnte doch wenigstens die Herrschaft der Meere westlich von Sardinien und Sizilien noch fuer die Orientalen gerettet werden; und an deren Behauptung setzte Karthago die ganze, dem aramaeischen Stamme eigentuemliche zaehe und umsichtige Energie. Die phoenikische Kolonisierung wie der Widerstand der Phoeniker nahmen einen voellig anderen Charakter an. Die aelteren phoenikischen Ansiedlungen, wie die sizilischen, welche Thukydides schildert, waren kaufmaennische Faktoreien; Karthago unterwarf sich ausgedehnte Landschaften mit zahlreichen Untertanen und maechtigen Festungen. Hatten bisher die phoenikischen Niederlassungen vereinzelt den Griechen gegenuebergestanden, so zentralisierte jetzt die maechtige libysche Stadt in ihrem Bereiche die ganze Wehrkraft ihrer Stammverwandten mit einer Straffheit, der die griechische Geschichte nichts Aehnliches an die Seite zu stellen vermag. Vielleicht das wichtigste Moment aber dieser Reaktion fuer die Folgezeit ist die enge Beziehung, in welche die schwaecheren Phoeniker, um der Hellenen sich zu erwehren, zu den Eingeborenen Siziliens und Italiens traten. Als Knidier und Rhodier um das Jahr 175 (579) im Mittelpunkt der phoenikischen Ansiedlungen auf Sizilien bei Lilybaeon sich festzusetzen versuchten, wurden sie durch die Eingeborenen – Elymer von Segeste – und Phoeniker wieder von dort vertrieben. Als die Phokaeer um 217 (537) sich in Alalia (Aleria) auf Korsika Caere gegenueber niederliessen, erschien, um sie von dort zu vertreiben, die vereinigte Flotte der Etrusker und der Karthager, hundertundzwanzig Segel stark; und obwohl in dieser Seeschlacht – einer der aeltesten, die die Geschichte kennt – die nur halb so starke Flotte der Phokaeer sich den Sieg zuschrieb, so erreichten doch die Karthager und Etrusker, was sie durch den Angriff bezweckt hatten: die Phokaeer gaben Korsika auf und liessen lieber an der weniger ausgesetzten lukanischen Kueste in Hyele (Velia) sich nieder. Ein Traktat zwischen Etrurien und Karthago stellte nicht bloss die Regeln ueber Wareneinfuhr und Rechtsfolge fest, sondern schloss auch ein Waffenbuendnis (symmachia) ein, von dessen ernstlicher Bedeutung eben jene Schlacht von Alalia zeugt. Charakteristisch ist es fuer die Stellung der Caeriten, dass sie die phokaeischen Gefangenen auf dem Markt von Caere steinigten und alsdann, um den Frevel zu suehnen, den delphischen Apoll beschickten. Latium hat dieser Fehde gegen die Hellenen sich nicht angeschlossen; vielmehr finden sich in sehr alter Zeit freundliche Beziehungen der Roemer zu den Phokaeern in Hyele wie in Massalia, und die Ardeaten sollen sogar gemeinschaftlich mit den Zakynthiern eine Pflanzstadt in Spanien, das spaetere Saguntum gegruendet haben. Doch haben die Latiner noch viel weniger sich auf die Seite der Hellenen gestellt; dafuer buergen sowohl die engen Beziehungen zwischen Rom und Caere als auch die Spuren alten Verkehrs zwischen den Latinern und den Karthagern. Der Stamm der Kanaaniten ist den Roemern durch Vermittlung der Hellenen bekannt geworden, da sie, wie wir sahen, ihn stets mit dem griechischen Namen genannt haben; aber dass sie weder den Namen der Stadt Karthago ^5 noch den Volksnamen der Afrer ^6 von den Griechen entlehnt haben, dass tyrische Waren bei den aelteren Roemern mit dem ebenfalls die griechische Vermittlung ausschliessenden Namen der sarranischen bezeichnet werden ^7, beweist ebenso wie die spaeteren Vertraege den alten und unmittelbaren Handelsverkehr zwischen Latium und Karthago. ———————————————— ^5 Phoenikisch Karthada, griechisch Karchedon, roemisch Cartago. ^6 Der Name Afri, schon Ennius und Cato gelaeufig – man vergleiche Scipio Africanus -, ist gewiss ungriechisch, hoechst wahrscheinlich stammverwandt mit dem der Hebraeer.
^7 Sarranisch heissen den Roemern seit alter Zeit der tyrische Purpur und die tyrische Floete, und auch als Beiname ist Sarranus wenigstens seit dem Hannibalischen Krieg in Gebrauch. Der bei Ennius und Plautus vorkommende Stadtname Sarra ist wohl aus Sarranus, nicht unmittelbar aus dem einheimischen Namen Sor gebildet. Die griechische Form Tyrus, Tyrius moechte bei den Roemern nicht vor Afranius (bei Festus p. 355 M.) vorkommen. Vgl. F. K. Movers, Die Phoenicier. Bonn/Berlin 1840-56. Bd. 2, 1, S. 174. ——————————————– Der vereinigten Macht der Italiker und Phoeniker gelang es in der Tat, die westliche Haelfte des Mittelmeeres im wesentlichen zu behaupten. Der nordwestliche Teil von Sizilien mit den wichtigen Haefen Soloeis und Panormos an der Nordkueste, Motye an der Afrika zugewandten Spitze blieb im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz der Karthager. Um die Zeit des Kyros und Kroesos, eben als der weise Bias die Ionier zu bestimmen suchte, insgesamt aus Kleinasien auswandernd in Sardinien sich niederzulassen (um 200 554), kam ihnen dort der karthagische Feldherr Malchus zuvor und bezwang einen bedeutenden Teil der wichtigen Insel mit Waffengewalt; ein halbes Jahrhundert spaeter erscheint das ganze Gestade Sardiniens in unbestrittenem Besitz der karthagischen Gemeinde. Korsika dagegen mit den Staedten Alalia und Nikaea fiel den Etruskern zu und die Eingeborenen zinsten an diese von den Produkten ihrer armen Insel, dem Pech, Wachs und Honig. Im Adriatischen Meer ferner sowie in den Gewaessern westlich von Sizilien und Sardinien herrschten die verbuendeten Etrusker und Karthager. Zwar gaben die Griechen den Kampf nicht auf. Jene von Lilybaeon vertriebenen Rhodier und Knidier setzten auf den Inseln zwischen Sizilien und Italien sich fest und gruendeten hier die Stadt Lipara (175 579). Massalia gedieh trotz seiner Isolierung und monopolisierte bald den Handel von Nizza bis nach den Pyrenaeen. An den Pyrenaeen selbst ward von Lipara aus die Pflanzstadt Rhoda (jetzt Rosas) angelegt und auch in Saguntum sollen Zakynthier sich angesiedelt, ja selbst in Tingis (Tanger) in Mauretanien griechische Dynasten geherrscht haben. Aber mit dem Vorruecken war es denn doch fuer die Hellenen vorbei; nach Akragas’ Gruendung sind ihnen bedeutende Gebietserweiterungen am Adriatischen wie am westlichen Meer nicht mehr gelungen, und die spanischen Gewaesser wie der Atlantische Ozean blieben ihnen verschlossen. Jahr aus Jahr ein fochten die Liparaeer mit den tuskischen “Seeraeubern”, die Karthager mit den Massalioten, den Kyrenaeern, vor allem den griechischen Sikelioten; aber nach keiner Seite hin ward ein dauerndes Resultat erreicht und das Ergebnis der Jahrhunderte langen Kaempfe war im ganzen die Aufrechterhaltung des Status quo. So hatte Italien, wenn auch nur mittelbar, den Phoenikern es zu danken, dass wenigstens die mittleren und noerdlichen Landschaften nicht kolonisiert wurden, sondern hier, namentlich in Etrurien, eine nationale Seemacht ins Leben trat. Es fehlt aber auch nicht an Spuren, dass die Phoeniker es schon der Muehe wert fanden, wenn nicht gegen die latinischen, doch wenigstens gegen die seemaechtigeren etruskischen Bundesgenossen diejenige Eifersucht zu entwickeln, die aller Seeherrschaft anzuhaften pflegt: der Bericht ueber die von den Karthagern verhinderte Aussendung einer etruskischen Kolonie nach den Kanarischen Inseln, wahr oder falsch, offenbart die hier obwaltenden rivalisierenden Interessen.
11. Kapitel
Recht und Gericht
Das Volksleben in seiner unendlichen Mannigfaltigkeit anschaulich zu machen, vermag die Geschichte nicht allein; es muss ihr genuegen, die Entwicklung der Gesamtheit darzustellen. Das Schaffen und Handeln, das Denken und Dichten des einzelnen, wie sehr sie auch von dem Zuge des Volksgeistes beherrscht werden, sind kein Teil der Geschichte. Dennoch scheint der Versuch, diese Zustaende, wenn auch nur in den allgemeinsten Umrissen, anzudeuten, eben fuer diese aelteste, geschichtlich so gut wie verschollene Zeit deswegen notwendig, weil die tiefe Kluft, die unser Denken und Empfinden von dem der alten Kulturvoelker trennt, sich auf diesem Gebiet allein einigermassen zum Bewusstsein bringen laesst. Unsere Ueberlieferung mit ihren verwirrten Voelkernamen und getruebten Sagen ist wie die duerren Blaetter, von denen wir muehsam begreifen, dass sie einst gruen gewesen sind; statt die unerquickliche Rede durch diese saeuseln zu lassen und die Schnitzel der Menschheit, die Choner und Oenotrer, die Siculer und Pelasger zu klassifizieren, wird es sich besser schicken zu fragen, wie denn das reale Volksleben des alten Italien im Rechtsverkehr, das ideale in der Religion sich ausgepraegt, wie man gewirtschaftet und gehandelt hat, woher die Schrift den Voelkern kam und die weiteren Elemente der Bildung. So duerftig auch hier unser Wissen ist, schon fuer das roemische Volk, mehr noch fuer das der Sabeller und das etruskische, so wird doch selbst die geringe und lueckenvolle Kunde dem Leser statt des Namens eine Anschauung oder doch eine Ahnung gewaehren. Das Hauptergebnis einer solchen Betrachtung, um dies gleich hier vorwegzunehmen, laesst in dem Satze sich zusammenfassen, dass bei den Italikern und insbesondere bei den Roemern von den urzeitlichen Zustaenden verhaeltnismaessig weniger bewahrt worden ist als bei irgendeinem anderen indogermanischen Stamm. Pfeil und Bogen, Streitwagen, Eigentumunfaehigkeit der Weiber, Kauf der Ehefrau, primitive Bestattungsform, Blutrache, mit der Gemeindegewalt ringende Geschlechtsverfassung, lebendiger Natursymbolismus – alle diese und unzaehlige verwandte Erscheinungen muessen wohl auch als Grundlage der italischen Zivilisation vorausgesetzt werden; aber wo diese uns zuerst anschaulich entgegentritt, sind sie bereits spurlos verschwunden, und nur die Vergleichung der verwandten Staemme belehrt uns ueber ihr einstmaliges Vorhandensein. Insofern beginnt die italische Geschichte bei einem weit spaeteren Zivilisationsabschnitt als zum Beispiel die griechische und deutsche und traegt von Haus aus einen relativ modernen Charakter. Die Rechtssatzungen der meisten italischen Staemme sind verschollen: nur von dem latinischen Landrecht ist in der roemischen Ueberlieferung einige Kunde auf uns gekommen.
Alle Gerichtsbarkeit ist zusammengefasst in der Gemeinde, das heisst in dem Koenig, welcher Gericht oder “Gebot” (ius) haelt an den Spruchtagen (dies fasti) auf der Richterbuehne (tribunal) der Dingstaette, sitzend auf dem Wagenstuhl (sella curulis) ^1; ihm zur Seite stehen seine Boten (lictores), vor ihm der Angeklagte oder die Parteien (rei). Zwar entscheidet zunaechst ueber die Knechte der Herr, ueber die Frauen der Vater, Ehemann oder naechste maennliche Verwandte; aber Knechte und Frauen galten auch zunaechst nicht als Glieder der Gemeinde. Auch ueber hausuntertaenige Soehne und Enkel konkurrierte die hausvaeterliche Gewalt mit der koeniglichen Gerichtsbarkeit; aber eine eigentliche Gerichtsbarkeit war jene nicht, sondern lediglich ein Ausfluss des dem Vater an den Kindern zustehenden Eigentumsrechts. Von einer eigenen Gerichtsbarkeit der Geschlechter oder ueberhaupt von irgendeiner nicht aus der koeniglichen abgeleiteten Gerichtsherrlichkeit treffen wir nirgends eine Spur. Was die Selbsthilfe und namentlich die Blutrache anlangt, so findet sich vielleicht noch ein sagenhafter Nachklang der urspruenglichen Satzung, dass die Toetung des Moerders oder dessen, der ihn widerrechtlich beschuetzt, durch die Naechsten des Ermordeten gerechtfertigt sei; aber eben dieselben Sagen schon bezeichnen diese Satzung als verwerflich ^2 und es scheint demnach die Blutrache in Rom sehr frueh durch das energische Auftreten der Gemeindegewalt unterdrueckt worden zu sein. Ebenso ist weder von dem Einfluss, der den Genossen und dem Umstand auf die Urteilsfaellung nach aeltestem deutschen Recht zukommt, in dem aeltesten roemischen etwas wahrzunehmen, noch findet sich in diesem, was in jenem so haeufig ist, dass der Wille selbst und die Macht einen Anspruch mit den Waffen in der Hand zu vertreten als gerichtlich notwendig oder doch zulaessig behandelt wird. Das Gerichtsverfahren ist Staats- oder Privatprozess, je nachdem der Koenig von sich aus oder erst auf Anrufen des Verletzten einschreitet. Zu jenem kommt es nur, wenn der gemeine Friede gebrochen ist, also vor allen Dingen im Falle des Landesverrats oder der Gemeinschaft mit dem Landesfeind (proditio) und der gewaltsamen Auflehnung gegen die Obrigkeit (perduellio). Aber auch der arge Moerder (parricida), der Knabenschaender, der Verletzer der jungfraeulichen oder Frauenehre, der Brandstifter, der falsche Zeuge, ferner wer die Ernte durch boesen Zauber bespricht oder wer zur Nachtzeit auf dem der Hut der Goetter und des Volkes ueberlassenen Acker unbefugt das Korn schneidet, auch sie brechen den gemeinen Frieden und werden deshalb dem Hochverraeter gleich geachtet. Den Prozess eroeffnet und leitet der Koenig und faellt das Urteil, nachdem er mit den zugezogenen Ratsmaennern sich besprochen hat. Doch steht es ihm frei, nachdem er den Prozess eingeleitet hat, die weitere Verhandlung und die Urteilsfaellung an Stellvertreter zu uebertragen, die regelmaessig aus dem Rat genommen werden; die spaeteren ausserordentlichen Stellvertreter, die Zweimaenner fuer Aburteilung der Empoerung (duoviri perduellionis) und die spaeteren staendigen Stellvertreter, die “Mordspuerer” (quaestores parricidii), denen zunaechst die Aufspuerung und Verhaftung der Moerder, also eine gewisse polizeiliche Taetigkeit oblag, gehoeren der Koenigszeit nicht an, moegen aber wohl an gewisse Einrichtungen derselben anknuepfen. Untersuchungshaft ist Regel, doch kann auch der Angeklagte gegen Buergschaft entlassen werden. Folterung zur Erzwingung des Gestaendnisses kommt nur vor fuer Sklaven. Wer ueberwiesen ist, den gemeinen Frieden gebrochen zu haben, buesst immer mit dem Leben; die Todesstrafen sind mannigfaltig: so wird der falsche Zeuge vom Burgfelsen gestuerzt, der Erntedieb aufgeknuepft, der Brandstifter verbrannt. Begnadigen kann der Koenig nicht, sondern nur die Gemeinde; der Koenig aber kann dem Verurteilten die Betretung des Gnadenweges (provocatio) gestatten oder verweigern. Ausserdem kennt das Recht auch eine Begnadigung des verurteilten Verbrechers durch die Goetter; wer vor dem Priester des Jupiter einen Kniefall tut, darf an demselben Tag nicht mit Ruten gestrichen, wer gefesselt sein Haus betritt, muss der Bande entledigt werden; und das Leben ist dem Verbrecher geschenkt, welcher auf seinem Gang zum Tode einer der heiligen Jungfrauen der Vesta zufaellig begegnet.
—————————————— ^1 Dieser “Wagenstuhl” – eine andere Erklaerung ist sprachlich nicht wohl moeglich (vgl. auch Serv. Aen. 1, 16) – wird wohl am einfachsten in der Weise erklaert, dass der Koenig in der Stadt allein zu fahren befugt war, woher das Recht spaeter dem hoechsten Beamten fuer feierliche Gelegenheiten blieb, und dass er urspruenglich, solange es noch kein erhoehtes Tribunal gab, auf dem Comitium oder wo er sonst wollte, vom Wagenstuhl herab Recht sprach. ^2 Die Erzaehlung von dem Tode des Koenigs Tatius, wie Plutarch (Rom. 23, 24) sie gibt: dass Verwandte des Tatius laurentinische Gesandte ermordet haetten; dass Tatius den klagenden Verwandten der Erschlagenen das Recht geweigert habe; dass dann Tatius von diesen erschlagen worden sei; dass Romulus die Moerder des Tatius freigesprochen, weil Mord mit Mord gesuehnt sei; dass aber infolge goettlicher ueber beide Staedte zugleich ergangener Strafgerichte sowohl die ersten als die zweiten Moerder in Rom und in Laurentum nachtraeglich zur gerechten Strafe gezogen seien – diese Erzaehlung sieht ganz aus wie eine Historisierung der Abschaffung der Blutrache, aehnlich wie die Einfuehrung der Provokation dem Horatiermythus zugrunde liegt. Die anderswo vorkommenden Fassungen dieser Erzaehlung weichen freilich bedeutend ab, scheinen aber auch verwirrt oder zurechtgemacht.
———————————————— Bussen an den Staat wegen Ordnungswidrigkeit und Polizeivergehen verhaengt der Koenig nach Ermessen; sie bestehen in einer bestimmten Zahl (daher der Name multa) von Rindern oder Schafen. Auch Rutenhiebe zu erkennen steht in seiner Hand.
In allen uebrigen Faellen, wo nur der einzelne, nicht der gemeine Friede verletzt war, schreitet der Staat nur ein auf Anrufen des Verletzten, welcher den Gegner veranlasst, noetigenfalls mit handhafter Gewalt zwingt, sich mit ihm persoenlich dem Koenig zu stellen. Sind beide Parteien erschienen und hat der Klaeger die Forderung muendlich vorgetragen, der Beklagte deren Erfuellung in gleicher Weise verweigert, so kann der Koenig entweder die Sache untersuchen oder sie in seinem Namen durch einen Stellvertreter abmachen lassen. Als die regelmaessige Form der Suehnung eines solchen Unrechts galt der Vergleich zwischen dem Verletzer und dem Verletzten; der Staat trat nur ergaenzend ein, wenn der Schaediger den Geschaedigten nicht durch eine ausreichende Suehne (poena) zufriedenstellte, wenn jemand sein Eigentum vorenthalten oder seine gerechte Forderung nicht erfuellt ward.
Was in dieser Epoche der Bestohlene von dem Dieb zu fordern berechtigt war und wann der Diebstahl als ueberhaupt der Suehne faehig galt, laesst sich nicht bestimmen. Billig aber forderte der Verletzte von dem auf frischer Tat ergriffenen Diebe Schwereres als von dem spaeter entdeckten, da die Erbitterung, welche eben zu suehnen ist, gegen jenen staerker ist als gegen diesen. Erschien der Diebstahl der Suehne unfaehig oder war der Dieb nicht imstande, die von dem Beschaedigten geforderte und von dem Richter gebilligte Schaetzung zu erlegen, so ward er vom Richter dem Bestohlenen als eigener Mann zugesprochen. Bei Schaedigung (iniuria) des Koerpers wie der Sachen musste in den leichteren Faellen der Verletzte wohl unbedingt Suehne nehmen; ging dagegen durch dieselbe ein Glied verloren, so konnte der Verstuemmelte Auge um Auge fordern und Zahn um Zahn.
Das Eigentum hat, da das Ackerland bei den Roemern lange in Feldgemeinschaft benutzt und erst in verhaeltnismaessig spaeter Zeit aufgeteilt worden ist, sich nicht an den Liegenschaften, sondern zunaechst an dem “Sklaven- und Viehstand” (familia pecuniaque) entwickelt. Als Rechtsgrund desselben gilt nicht etwa das Recht des Staerkeren, sondern man betrachtet vielmehr alles Eigentum als dem einzelnen Buerger von der Gemeinde zu ausschliesslichem Haben und Nutzen zugeteilt, weshalb auch nur der Buerger und wen die Gemeinde in dieser Beziehung dem Buerger gleich achtet, faehig ist, Eigentum zu haben. Alles Eigentum geht frei von Hand zu Hand; das roemische Recht macht keinen wesentlichen Unterschied zwischen beweglichem und unbeweglichem Gut, seit ueberhaupt der Begriff des Privateigentums auf das letztere erstreckt war, und kennt kein unbedingtes Anrecht der Kinder oder der sonstigen Verwandten auf das vaeterliche oder Familienvermoegen. Indes ist der Vater nicht imstande, die Kinder ihres Erbrechts willkuerlich zu berauben, da er weder die vaeterliche Gewalt aufheben noch anders als mit Einwilligung der ganzen Gemeinde, die auch versagt werden konnte und in solchem Falle gewiss oft versagt ward, ein Testament errichten kann. Bei seinen Lebzeiten zwar konnte der Vater auch den Kindern nachteilige Verfuegungen treffen; denn mit persoenlichen Beschraenkungen des Eigentuemers war das Recht sparsam und gestattete im ganzen jedem erwachsenen Mann die freie Verfuegung ueber sein Gut. Doch mag die Einrichtung, wonach derjenige, welcher sein Erbgut veraeusserte und seine Kinder desselben beraubte, obrigkeitlich gleich dem Wahnsinnigen unter Vormundschaft gesetzt ward, wohl schon bis in die Zeit zurueckreichen, wo das Ackerland zuerst aufgeteilt ward und damit das Privatvermoegen ueberhaupt eine groessere Bedeutung fuer das Gemeinwesen erhielt. Auf diesem Wege wurden die beiden Gegensaetze, unbeschraenktes Verfuegungsrecht des Eigentuemers und Zusammenhaltung des Familiengutes, soweit moeglich, im roemischen Recht miteinander vereinigt. Dingliche Beschraenkungen des Eigentums wurden, mit Ausnahme der namentlich fuer die Landwirtschaft unentbehrlichen Gerechtigkeiten, durchaus nicht zugelassen. Erbpacht und dingliche Grundrente sind rechtlich unmoeglich; anstatt der Verpfaendung, die das Recht ebensowenig kennt, dient die sofortige Uebertragung des Eigentums an dem Unterpfand auf den Glaeubiger gleichsam als den Kaeufer desselben, wobei dieser sein Treuwort (fiducia) gibt, bis zum Verfall der Forderung die Sache nicht zu veraeussern und sie nach Rueckzahlung der vorgestreckten Summe dem Schuldner zurueckzustellen. Vertraege, die der Staat mit einem Buerger abschliesst, namentlich die Verpflichtung der fuer eine Leistung an den Staat eintretenden Garanten (praevides, praedes), sind ohne weitere Foermlichkeit gueltig. Dagegen die Vertraege der Privaten untereinander geben in der Regel keinen Anspruch auf Rechtshilfe von Seiten des Staats; den Glaeubiger schuetzt nur das nach kaufmaennischer Art hochgehaltene Treuwort und etwa noch bei dem haeufig hinzutretenden Eide die Scheu vor den den Meineid raechenden Goettern. Rechtlich klagbar sind nur das Verloebnis, infolgedessen der Vater, wenn er die versprochene Braut nicht gibt, dafuer Suehne und Ersatz zu leisten hat, ferner der Kauf (mancipatio) und das Darlehen (nexum). Der Kauf gilt als rechtlich abgeschlossen dann, wenn der Verkaeufer dem Kaeufer die gekaufte Sache in die Hand gibt (mancipare) und gleichzeitig der Kaeufer dem Verkaeufer den bedungenen Preis in Gegenwart von Zeugen entrichtet; was, seit das Kupfer anstatt der Schafe und Rinder der regelmaessige Wertmesser geworden war, geschah durch Zuwaegen der bedungenen Quantitaet Kupfer auf der von einem Unparteiischen richtig gehaltenen Waage ^3. Unter diesen Voraussetzungen muss der Verkaeufer dafuer einstehen, dass er Eigentuemer sei, und ueberdies der Verkaeufer wie der Kaeufer jede besonders eingegangene Beredung erfuellen; widrigenfalls buesst er dem andern Teil aehnlich, wie wenn er die Sache ihm entwendet haette. Immer aber bewirkt der Kauf eine Klage nur dann, wenn er Zug um Zug beiderseits erfuellt war; Kauf auf Kredit gibt und nimmt kein Eigentum und begruendet keine Klage. In aehnlicher Art wird das Darlehen eingegangen, indem der Glaeubiger dem Schuldner vor Zeugen die bedungene Quantitaet Kupfer unter Verpflichtung (nexum) zur Rueckgabe zuwaegt. Der Schuldner hat ausser dem Kapital noch den Zins zu entrichten, welcher unter gewoehnlichen Verhaeltnissen wohl fuer das Jahr zehn Prozent betrug ^4. In der gleichen Form erfolgte seinerzeit auch die Rueckzahlung des Darlehens. Erfuellte ein Schuldner dem Staat gegenueber seine Verbindlichkeit nicht, so wurde derselbe ohne weiteres mit allem, was er hatte, verkauft; dass der Staat forderte, genuegte zur Konstatierung der Schuld. Ward dagegen von einem Privaten die Vergewaltigung seines Eigentums dem Koenig angezeigt (vindiciae), oder erfolgte die Rueckzahlung des empfangenen Darlehens nicht, so kam es darauf an, ob das Sachverhaeltnis der Feststellung bedurfte, was bei Eigentumsklagen regelmaessig der Fall war, oder schon klar vorlag, was bei Darlehensklagen nach den geltenden Rechtsnormen mittels der Zeugen leicht bewerkstelligt werden konnte. Die Feststellung des Sachverhaeltnisses geschah in Form einer Wette, wobei jede Partei fuer den Fall des Unterliegens einen Einsatz (sacramentum) machte: bei wichtigen Sachen von mehr als zehn Rindern Wert einen von fuenf Rindern, bei geringeren einen von fuenf Schafen. Der Richter entschied sodann, wer recht gewettet habe, worauf der Einsatz der unterliegenden Partei den Priestern zum Behuf der oeffentlichen Opfer zufiel. Wer also unrecht gewettet hatte, und, ohne den Gegner zu befriedigen, dreissig Tage hatte verstreichen lassen; ferner, wessen Leistungspflicht von Anfang an feststand, also regelmaessig der Darlehensschuldner, wofern er nicht Zeugen fuer die Rueckzahlung hatte, unterlag dem Exekutionsverfahren “durch Handanlegung” (manus iniectio), indem ihn der Klaeger packte, wo er ihn fand, und ihn vor Gericht stellte, lediglich um die anerkannte Schuld zu erfuellen. Verteidigen durfte der Ergriffene sich selber nicht; ein Dritter konnte zwar fuer ihn auftreten und diese Gewalttat als unbefugte bezeichnen (vindex), worauf dann das Verfahren eingestellt ward; allein diese Vertretung machte den Vertreter persoenlich verantwortlich, weshalb auch fuer den steuerzahlenden Buerger der Proletarier nicht Vertreter sein konnte. Trat weder Erfuellung noch Vertretung ein, so sprach der Koenig den Ergriffenen dem Glaeubiger so zu, dass dieser ihn abfuehren und halten konnte gleich einem Sklaven. Waren alsdann sechzig Tage verstrichen, war waehrend derselben der Schuldner dreimal auf dem Markt ausgestellt und dabei ausgerufen worden, ob jemand seiner sich erbarme, und dies alles ohne Erfolg geblieben, so hatten die Glaeubiger das Recht, ihn zu toeten und sich in seine Leiche zu teilen, oder auch ihn mit seinen Kindern und seiner Habe als Sklaven in die Fremde zu verkaufen, oder auch ihn bei sich an Sklaven Statt zu halten; denn freilich konnte er, so lange er im Kreis der roemischen Gemeinde blieb, nach roemischem Recht nicht vollstaendig Sklave werden. So ward Habe und Gut eines jeden von der roemischen Gemeinde gegen den Dieb und Schaediger sowohl wie gegen den unbefugten Besitzer und den zahlungsunfaehigen Schuldner mit unnachsichtlicher Strenge geschirmt. ————————————————- ^3 Die Manzipation in ihrer entwickelten Gestalt ist notwendig juenger als die Servianische Reform, wie die auf die Feststellung des Bauerneigentums gerichtete Auswahl der manzipablen Objekte beweist, und wie selbst die Tradition angenommen haben muss, da sie Servius zum Erfinder der Waage macht. Ihrem Ursprung nach muss aber die Manzipation weit aelter sein, denn sie passt zunaechst nur auf Gegenstaende, die durch Ergreifen mit der Hand erworben werden und muss also in ihrer aeltesten Gestalt der Epoche angehoeren, wo das Vermoegen wesentlich in Sklaven und Vieh (familia pecuniaque) bestand. Die Aufzaehlung derjenigen Gegenstaende, die manzipiert werden mussten, wird demnach eine Servianische Neuerung sein; die Manzipation selbst und also auch der Gebrauch der Waage und des Kupfers sind aelter. Ohne Zweifel ist die Manzipation urspruenglich allgemeine Kaufform und noch nach der Servianischen Reform bei allen Sachen vorgekommen; erst spaeteres Missverstaendnis deutete die Vorschrift, dass gewisse Sachen manzipiert werden muessten, dahin um, dass nur diese Sachen und keine anderen manzipiert werden koennten. ^4 Naemlich fuer das zehnmonatliche Jahr den zwoelften Teil des Kapitals (uncia), also fuer das zehnmonatliche Jahr 8 1/3, fuer das zwoelfmonatliche zehn vom Hundert.
——————————————— Ebenso schirmte man das Gut der nicht wehrhaften, also auch nicht zur Schirmung des eigenen Vermoegens faehigen Personen, der Unmuendigen und der Wahnsinnigen und vor allem das der Weiber, indem man die naechsten Erben zu der Hut desselben berief.
Nach dem Tode faellt das Gut den naechsten Erben zu, wobei alle Gleichberechtigten, auch die Weiber gleiche Teile erhalten und die Witwe mit den Kindern auf einen Kopfteil zugelassen wird. Dispensieren von der gesetzlichen Erbfolge kann nur die Volksversammlung, wobei noch vorher wegen der an dem Erbgang haftenden Sakralpflichten das Gutachten der Priester einzuholen ist; indes scheinen solche Dispensationen frueh sehr haeufig geworden zu sein, und wo sie fehlte, konnte bei der vollkommen freien Disposition, die einem jeden ueber sein Vermoegen bei seinen Lebzeiten zustand, diesem Mangel dadurch einigermassen abgeholfen werden, dass man sein Gesamtvermoegen einem Freund uebertrug, der dasselbe nach dem Tode dem Willen des Verstorbenen gemaess verteilte. Die Freilassung war dem aeltesten Recht unbekannt. Der Eigentuemer konnte freilich der Ausuebung seines Eigentumsrechts sich enthalten; aber die zwischen dem Herrn und dem Sklaven bestehende Unmoeglichkeit gegenseitiger Verbindlichmachung wurde hierdurch nicht aufgehoben, noch weniger dem letzteren der Gemeinde gegenueber das Gast- oder gar das Buergerrecht erworben. Die Freilassung kann daher anfangs nur Tatsache, nicht Recht gewesen sein und dem Herrn nie die Moeglichkeit abgeschnitten haben, den Freigelassenen wieder nach Gefallen als Sklaven zu behandeln. Indes ging man hiervon ab in den Faellen, wo sich der Herr nicht bloss dem Sklaven, sondern der Gemeinde gegenueber anheischig gemacht hatte, denselben im Besitze der Freiheit zu lassen. Eine eigene Rechtsform fuer eine solche Bindung des Herrn gab es jedoch nicht – der beste Beweis, dass es anfaenglich eine Freilassung nicht gegeben haben kann -, sondern es wurden dafuer diejenigen Wege benutzt, welche das Recht sonst darbot: das Testament, der Prozess, die Schatzung. Wenn der Herr entweder bei Errichtung seines letzten Willens in der Volksversammlung den Sklaven freigesprochen hatte oder wenn er dem Sklaven verstattet hatte, ihm gegenueber vor Gericht die Freiheit anzusprechen oder auch sich in die Schatzungsliste einzeichnen zu lassen, so galt der Freigelassene zwar nicht als Buerger, aber wohl als frei selbst dem frueheren Herrn und dessen Erben gegenueber und demnach anfangs als Schutzverwandter, spaeterhin als Plebejer. Auf groessere Schwierigkeiten als die Freilassung des Knechts stiess diejenige des Sohnes; denn wenn das Verhaeltnis des Herrn zum Knecht zufaellig und darum willkuerlich loesbar ist, so kann der Vater nie aufhoeren Vater zu sein. Darum musste spaeterhin der Sohn, um von dem Vater sich zu loesen, erst in die Knechtschaft eintreten, um dann aus dieser entlassen zu werden; in der gegenwaertigen Periode aber kann es eine Emanzipation ueberhaupt noch nicht gegeben haben. Nach diesem Rechte lebten in Rom die Buerger und die Schutzverwandten, zwischen denen, soweit wir sehen, von Anfang an vollstaendige privatrechtliche Gleichheit bestand. Der Fremde dagegen, sofern er sich nicht einem roemischen Schutzherrn ergeben hat und also als Schutzverwandter lebt, ist rechtlos, er wie seine Habe. Was der roemische Buerger ihm abnimmt, das ist ebenso recht erworben wie die am Meeresufer aufgelesene herrenlose Muschel; nur, das Grundstueck, das ausserhalb der roemischen Grenze liegt, kann der roemische Buerger wohl faktisch gewinnen, aber nicht im Rechtssinn als dessen Eigentuemer gelten; denn die Grenze der Gemeinde vorzuruecken, ist der einzelne Buerger nicht befugt. Anders ist es im Kriege; was der Soldat gewinnt, der unter dem Heerbann ficht, bewegliches wie unbewegliches Gut, faellt nicht ihm zu, sondern dem Staat, und hier haengt es denn auch von diesem ab, die Grenze vorzuschieben oder zurueckzunehmen.
Ausnahmen von diesen allgemeinen Regeln entstehen durch besondere Staatsvertraege, die den Mitgliedern fremder Gemeinden innerhalb der roemischen gewisse Rechte sichern. Vor allem erklaerte das ewige Buendnis zwischen Rom und Latium alle Vertraege zwischen Roemern und Latinern fuer rechtsgueltig und verordnete zugleich fuer diese einen beschleunigten Zivilprozess vor geschworenen “Wiederschaffern” (reciperatores), welche, da sie, gegen den sonstigen roemischen Gebrauch einem Einzelrichter die Entscheidung zu uebertragen, immer in der Mehrheit und in ungerader Zahl sitzen, wohl als ein aus Richtern beider Nationen und einem Obmann zusammengesetztes Handels- und Messgericht zu denken sind. Sie urteilen am Ort des abgeschlossenen Vertrages und muessen spaetestens in zehn Tagen den Prozess beendigt haben. Die Formen, in denen der Verkehr zwischen Roemern und Latinern sich bewegte, waren natuerlich die allgemeinen, in denen auch Patrizier und Plebejer miteinander verkehrten; denn die Manzipation und das Nexum sind urspruenglich gar keine Formalakte, sondern der praegnante Ausdruck der Rechtsbegriffe, deren Herrschaft reichte wenigstens so weit man lateinisch sprach. In anderer Weise und anderen Formen ward der Verkehr mit dem eigentlichen Ausland vermittelt. Schon in fruehester Zeit muessen mit den Caeriten und anderen befreundeten Voelkern Vertraege ueber Verkehr und Rechtsfolge abgeschlossen und die Grundlage des internationalen Privatrechts (ius gentium) geworden sein, das sich in Rom allmaehlich neben dem Landrecht entwickelt hat. Eine Spur dieser Rechtsbildung ist das merkwuerdige mutuum, der “Wandel” (von mutare; wie dividuus); eine Form des Darlehens, die nicht wie das Nexum auf einer ausdruecklich vor Zeugen abgegebenen bindenden Erklaerung des Schuldners, sondern auf dem blossen Uebergang des Geldes aus einer Hand in die andere beruht und die so offenbar dem Verkehr mit Fremden entsprungen ist wie das Nexum dem einheimischen Geschaeftsverkehr. Es ist darum charakteristisch, dass das Wort als moiton im sizilischen Griechisch wiederkehrt; womit zu verbinden ist das Wiedererscheinen des lateinischen carcer in dem sizilischen karkaron. Da es sprachlich feststeht, dass beide Woerter urspruenglich latinisch sind, so wird ihr Vorkommen in dem sizilischen Lokaldialekt ein wichtiges Zeugnis fuer den haeufigen Verkehr der latinischen Schiffer auf der Insel, welcher sie veranlasste, dort Geld zu borgen und der Schuldhaft, die ja ueberall in den aelteren Rechten die Folge des nicht bezahlten Darlehens ist, sich zu unterwerfen. Umgekehrt ward der Name des syrakusanischen Gefaengnisses, “Steinbrueche” oder latomiai, in alter Zeit auf das erweiterte roemische Staatsgefaengnis, die lautumiae uebertragen. Werfen wir noch einen Blick zurueck auf die Gesamtheit dieser Institutionen, die im wesentlichen entnommen sind der aeltesten, etwa ein halbes Jahrhundert nach der Abschaffung des Koenigtums veranstalteten Aufzeichnung des roemischen Gewohnheitsrechts und deren Bestehen schon in der Koenigszeit sich wohl fuer einzelne Punkte, aber nicht im ganzen bezweifeln laesst, so erkennen wir darin das Recht einer weit vorgeschrittenen, ebenso liberalen als konsequenten Acker- und Kaufstadt. Hier ist die konventionelle Bildersprache, wie zum Beispiel die deutschen Rechtssatzungen sie aufzeigen, bereits voellig verschollen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine solche auch bei den Italikern einmal vorgekommen sein muss; merkwuerdige Belege dafuer sind zum Beispiel die Form der Haussuchung, wobei der Suchende nach roemischer wie nach deutscher Sitte ohne Obergewand im blossen Hemd erscheinen musste, und vor allem die uralte latinische Formel der Kriegserklaerung, worin zwei, wenigstens auch bei den Kelten und den Deutschen vorkommende Symbole begegnen: das “reine Kraut” (herba pura, fraenkisch chrene chruda) als Symbol des heimischen Bodens und der angesengte blutige Stab als Zeichen der Kriegseroeffnung. Mit wenigen Ausnahmen aber, in denen religioese Ruecksichten die altertuemlichen Gebraeuche schuetzten – dahin gehoert ausser der Kriegserklaerung durch das Fetialenkollegium namentlich noch die Konfarreation -, verwirft das roemische Recht, das wir kennen, durchaus und prinzipiell das Symbol und fordert in allen Faellen nicht mehr und nicht weniger als den vollen und reinen Ausdruck des Willens. Die Uebergabe der Sache, die Aufforderung zum Zeugnis, die Eingebung der Ehe sind vollzogen, so wie die Parteien die Absicht in verstaendlicher Weise erklaert haben; es ist zwar ueblich, dem neuen Eigentuemer die Sache in die Hand zu geben, den zum Zeugnis Geladenen am Ohre zu zupfen, der Braut das Haupt zu verhuellen und sie in feierlichem Zuge in das Haus des Mannes einzufuehren; aber alle diese uralten Uebungen sind schon nach aeltestem roemischen Landrecht rechtlich wertlose Gebraeuche. Vollkommen analog wie aus der Religion alle Allegorie und damit alle Personifikation beseitigt ward, wurde auch aus dem Rechte jede Symbolik grundsaetzlich ausgetrieben. Ebenso ist hier jener aelteste Zustand, den die hellenischen wie die germanischen Institutionen uns darstellen, wo die Gemeindegewalt noch ringt mit der Autoritaet der kleineren, in die Gemeinde aufgegangenen Geschlechts- oder Gaugenossenschaften, gaenzlich beseitigt; es gibt keine Rechtsallianz innerhalb des Staates zur Ergaenzung der unvollkommenen Staatshilfe durch gegenseitigen Schutz und Trutz, keine ernstliche Spur der Blutrache oder des die Verfuegung des einzelnen beschraenkenden Familieneigentums. Auch dergleichen muss wohl einmal bei den Italikern bestanden haben; es mag in einzelnen Institutionen des Sakralrechts, zum Beispiel in dem Suehnbock, den der unfreiwillige Totschlaeger den naechsten Verwandten des Getoeteten zu geben verpflichtet war, davon eine Spur sich finden; allein schon fuer die aelteste Periode Roms, die wir in Gedanken erfassen koennen, ist dies ein laengst ueberwundener Standpunkt. Zwar vernichtet ist das Geschlecht, die Familie in der roemischen Gemeinde nicht; aber die ideelle wie die reale Allmacht des Staates auf dem staatlichen Gebiet ist durch sie ebensowenig beschraenkt wie durch die Freiheit, die der Staat dem Buerger gewaehrt und gewaehrleistet. Der letzte Rechtsgrund ist ueberall der Staat: die Freiheit ist nur ein anderer Ausdruck fuer das Buergerrecht im weitesten Sinn; alles Eigentum beruht auf ausdruecklicher oder stillschweigender Uebertragung von der Gemeinde auf den einzelnen; der Vertrag gilt nur, insofern die Gemeinde in ihren Vertretern ihn bezeugt, das Testament nur, insofern die Gemeinde es bestaetigt. Scharf und klar sind die Gebiete des oeffentlichen und des Privatrechts voneinander geschieden: die Vergehen gegen den Staat, welche unmittelbar das Gericht des Staates herbeirufen und immer Lebensstrafe nach sich ziehen; die Vergehen gegen den Mitbuerger oder den Gast, welche zunaechst auf dem Wege des Vergleichs durch Suehne oder Befriedigung des Verletzten erledigt und niemals mit dem Leben gebuesst werden, sondern hoechstens mit dem Verlust der Freiheit. Hand in Hand gehen die groesste Liberalitaet in Gestattung des Verkehrs und das strengste Exekutionsverfahren; ganz wie heutzutage in Handelsstaaten die allgemeine Wechselfaehigkeit und der strenge Wechselprozess zusammen auftraten. Der Buerger und der Schutzgenosse stehen sich im Verkehr vollkommen gleich; Staatsvertraege gestatten umfassende Rechtsgleichheit auch dem Gast; die Frauen sind in der Rechtsfaehigkeit mit den Maennern voellig auf eine Linie gestellt, obwohl sie im Handeln beschraenkt sind; ja der kaum erwachsene Knabe bekommt sogleich das umfassendste Dispositionsrecht ueber sein Vermoegen, und wer ueberhaupt verfuegen kann, ist in seinem Kreise so souveraen, wie im oeffentlichen Gebiet der Staat. Hoechst charakteristisch ist das Kreditsystem: ein Bodenkredit existiert nicht, sondern anstatt der Hypothekarschuld tritt sofort ein, womit heutzutage das Hypothekarverfahren schliesst, der Uebergang des Eigentums vom Schuldner auf den Glaeubiger; dagegen ist der persoenliche Kredit in der umfassendsten, um nicht zu sagen ausschweifendsten Weise garantiert, indem der Gesetzgeber den Glaeubiger befugt, den zahlungsunfaehigen Schuldner dem Diebe gleich zu behandeln und ihm dasjenige, was Shylock sich von seinem Todfeind halb zum Spott ausbedingt, hier in vollkommen legislatorischem Ernste einraeumt, ja den Punkt wegen des Zuvielabschneidens sorgfaeltiger verklausuliert, als es der Jude tat. Deutlicher konnte das Gesetz es nicht aussprechen, dass es zugleich unabhaengige, nicht verschuldete Bauernwesen und kaufmaennischen Kredit herzustellen, alles Scheineigentum aber wie alle Wortlosigkeit mit unerbittlicher Energie zu unterdruecken beabsichtige. Nimmt man dazu das frueh anerkannte Niederlassungsrecht saemtlicher Latiner und die gleichfalls frueh ausgesprochene Gueltigkeit der Zivilehe, so wird man erkennen, dass dieser Staat, der das Hoechste von seinen Buergern verlangte und den Begriff der Untertaenigkeit des einzelnen unter die Gesamtheit steigerte, wie keiner vor oder nach ihm, dies nur tat und nur tun konnte, weil er die Schranken des Verkehrs selber niederwarf und die Freiheit ebensosehr entfesselte, wie er sie beschraenkte. Gestattend oder hemmend tritt das Recht stets unbedingt auf: wie der unvertretene Fremde dem gehetzten Wild, so steht der Gast dem Buerger gleich; der Vertrag gibt regelmaessig keine Klage, aber wo das Recht des Glaeubigers anerkannt wird, da ist es so allmaechtig, dass dem Armen nirgends eine Rettung, nirgends eine menschliche und billige Beruecksichtigung sich zeigt; es ist, als faende das Recht eine Freude daran, ueberall die schaerfsten Spitzen hervorzukehren, die aeussersten Konsequenzen zu ziehen, das Tyrannische des Rechtsbegriffs gewaltsam dem bloedesten Verstande aufzudraengen. Die poetische Form, die gemuetliche Anschaulichkeit, die in den germanischen Rechtsordnungen anmutig walten, sind dem Roemer fremd, in seinem Recht ist alles klar und knapp, kein Symbol angewandt, keine Institution zuviel. Es ist nicht grausam; alles Noetige wird vollzogen ohne Umstaende, auch die Todesstrafe; dass der Freie nicht gefoltert werden kann, ist ein Ursatz des roemischen Rechts, den zu gewinnen andere Voelker Jahrtausende haben ringen muessen. Aber es ist schrecklich, dies Recht mit seiner unerbittlichen Strenge, die man sich nicht allzusehr gemildert denken darf durch eine humane Praxis, denn es ist ja Volksrecht – schrecklicher als die Bleidaecher und die Marterkammern, jene Reihe lebendiger Begraebnisse, die der Arme in den Schuldtuermen der Vermoegenden klaffen sah. Aber darin eben ist die Groesse Roms beschlossen und begruendet, dass das Volk sich selber ein Recht gesetzt und ein Recht ertragen hat, in dem die ewigen Grundsaetze der Freiheit und der Botmaessigkeit, des Eigentums und der Rechtsfolge unverfaelscht und ungemildert walteten und heute noch walten. 12. Kapitel
Religion
Die roemische Goetterwelt ist, wie schon frueher angedeutet ward, hervorgegangen aus der Widerspiegelung des irdischen Rom in einem hoeheren und idealen Anschauungsgebiet, in dem sich mit peinlicher Genauigkeit das Kleine wie das Grosse wiederholte. Der Staat und das Geschlecht, das einzelne Naturereignis wie die einzelne geistige Taetigkeit, jeder Mensch, jeder Ort und Gegenstand, ja jede Handlung innerhalb des roemischen Rechtskreises kehren in der roemischen Goetterwelt wieder; und wie der Bestand der irdischen Dinge flutet im ewigen Kommen und Gehen, so schwankt auch mit ihm der Goetterkreis. Der Schutzgeist, der ueber der einzelnen Handlung waltet, dauert nicht laenger als diese Handlung selbst, der Schutzgeist des einzelnen Menschen lebt und stirbt mit dem Menschen; und nur insofern kommt auch diesen Goetterwesen ewige Dauer zu, als aehnliche Handlungen und gleichartige Menschen und damit auch gleichartige Geister immer aufs neue sich erzeugen. Wie die roemischen ueber der roemischen, walten ueber jeder auswaertigen Gemeinde deren eigene Gottheiten; wie schroff auch der Buerger dem Nichtbuerger, der roemische dem fremden Gott entgegentreten mag, so koennen fremde Menschen wie fremde Gottheiten dennoch durch Gemeindebeschluss in Rom eingebuergert werden, und wenn aus der eroberten Stadt die Buerger nach Rom uebersiedelten, wurden auch wohl die Stadtgoetter eingeladen, in Rom eine neue Staette sich zu bereiten.
Den urspruenglichen Goetterkreis, wie er in Rom vor jeder Beruehrung mit den Griechen sich gestaltet hat, lernen wir kennen aus dem Verzeichnis der oeffentlichen und benannten Festtage (feriae publicae) der roemischen Gemeinde, das in dem Kalender derselben erhalten und ohne Frage die aelteste aller aus dem roemischen Altertum auf uns gekommenen Urkunden ist. Den Vorrang in demselben nehmen die Goetter Jupiter und Mars nebst dem Doppelgaenger des letzteren, dem Quirinus, ein. Dem Jupiter sind alle Vollmondstage (idus) heilig, ausserdem die saemtlichen Weinfeste und verschiedene andere, spaeter noch zu erwaehnende Tage; seinem Widerspiel, dem “boesen Jovis” (Vediovis), ist der 21. Mai (agonalia) gewidmet. Dem Mars dagegen gehoert das Neujahr des 1. Maerz und ueberhaupt das grosse Kriegerfest in diesem, von dem Gotte selbst benannten Monat, das, eingeleitet durch das Pferderennen (equirria) am 27. Februar, im Maerz selbst an den Tagen des Schildschmiedens (equirria oeder Mamuralia, 14. Maerz), des Waffentanzes auf der Dingstaette (quinquatrus, 19. Maerz) und der Drommetenweihe (tubilustrium, 23. Maerz) seine Hochtage hatte. Wie, wenn ein Krieg zu fuehren war, derselbe mit diesem Feste begann, so folgte nach Beendigung des Feldzuges im Herbst wiederum eine Marsfeier, das Fest der Waffenweihe (armilustrium, 19. Oktober). Dem zweiten Mars endlich, dem Quirinus, war der 17. Februar (Quirinalia) eigen. Unter den uebrigen Festtagen nehmen die auf den Acker- und Weinbau bezueglichen die erste Stelle ein, woneben die Hirtenfeste eine untergeordnete Rolle spielen. Hierher gehoert vor allem die grosse Reihe der Fruehlingsfeste im April, wo am 15. der Tellus, das ist der naehrenden Erde (fordicidia, Opfer der traechtigen Kuh), und am 19. der Ceres, das ist der Goettin des sprossenden Wachstums (Cerialia), dann am 21. der befruchtenden Herdengoettin Pales (Parilia), am 23. dem Jupiter als dem Schuetzer der Reben und der an diesem Tage zuerst sich oeffnenden Faesser von der vorjaehrigen Lese (Vinalia), am 25. dem boesen Feinde der Saaten, dem Roste (Robigus: Robigalia) Opfer dargebracht werden. Ebenso wird nach vollendeter Arbeit und gluecklich eingebrachtem Feldersegen dem Gott und der Goettin des Einbringens und der Ernte, dem Consus (von condere) und der Ops ein Doppelfest gefeiert: zunaechst unmittelbar nach vollbrachtem Schnitt (21. August, Consualia; 25. August, Opiconsiva), sodann im Mittwinter, wo der Segen der Speicher vor allem offenbar wird (15. Dezember, Consualia; 19. Dezember, Opalia), zwischen welchen letzteren beiden Feiertagen die sinnige Anschauung der alten Festordner das Fest der Aussaat (Saturnalia von Saâturnus oder Saturnus, 17. Dezember), einschaltete. Gleichermassen wird das Most- oder Heilefest (meditrinalia, 11. Oktober), so benannt, weil man dem jungen Most heilende Kraft beilegte, dem Jovis als dem Weingott nach vollendeter Lese dargebracht, waehrend die urspruengliche Beziehung des dritten Weinfestes (Vinalia, 19. August) nicht klar ist. Zu diesen Festen kommen weiter am Jahresschluss das Wolfsfest (Lupercalia, 17. Februar) der Hirten zu Ehren des guten Gottes, des Faunus, und das Grenzsteinfest (Terminalia, 23. Februar) der Ackerbauer, ferner das zweitaegige sommerliche Hainfest (Lucaria, 19., 21. Juli) das den Waldgoettern (Silvani) gegolten haben mag, die Quellfeier (Fontinalia, 13. Oktober) und das Fest des kuerzesten Tages, der die neue Sonne herauffuehrt (An-geronalia, Divalia, 21. Dezember). Von nicht geringer Bedeutung sind ferner, wie das fuer die Hafenstadt Latiums sich nicht anders erwarten laesst, die Schifferfeste der Gottheiten der See (Neptunalia, 23. Juli), des Hafens (Portunalia, 17. August) und des Tiberstromes (Volturnalia, 27. August). Handwerk und Kunst dagegen sind in diesem Goetterkreis nur vertreten durch den Gott des Feuers und der Schmiedekunst, den Vulcanus, welchem ausser dem nach seinem Namen benannten Tag (Volcanalia, 23. August) auch das zweite Fest der Drommetenweihe (tubilustrium, 23. Mai) gewidmet ist, und allenfalls noch durch das Fest der Carmentis (Carmentalia, 11., 15. Januar), welche wohl urspruenglich als die Goettin der Zauberformel und des Liedes und nur folgeweise als Schuetzerin der Geburten verehrt ward.
Dem haeuslichen und Familienleben ueberhaupt galten das Fest der Goettin des Hauses und der Geister der Vorratskammer, der Vesta und der Penaten (Vestalia, 9. Juni); das Fest der Geburtsgoettin ^1 (Matralia, 11. Juni), das Fest des Kindersegens, dem Liber und der Libera gewidmet (Liberalia, 17. Maerz), das Fest der abgeschiedenen Geister (Feralia, 21. Februar) und die dreitaegige Gespensterfeier (Lemuria, 9., 11., 13. Mai), waehrend auf die buergerlichen Verhaeltnisse sich die beiden uebrigens fuer uns nicht klaren Festtage der Koenigsflucht (Regifugium, 24. Februar) und der Volksflucht (Poplifugia, 5. Juli), von denen wenigstens der letzte Tag dem Jupiter zugeeignet war, und das Fest der sieben Berge (Agonia oder Septimontium, 11. Dezember) bezogen. Auch dem Gott des Anfangs, dem Janus, war ein eigener Tag (agonia, 9. Januar) gewidmet. Einige andere Tage, der der Furrina (25. Juli) und der dem Jupiter und der Acca Larentia gewidmete der Larentalien, vielleicht ein Larenfest (23. Dezember), sind ihrem Wesen nach verschollen.
———————————————– ^1 Das ist allem Anschein nach das urspruengliche Wesen der “Morgenmutter” oder Mater matuta; wobei man sich wohl daran zu erinnern hat, dass, wie die Vornamen Lucius und besonders Manius beweisen, die Morgenstunde fuer die Geburt als glueckbringend galt. Zur See- und Hafengoettin ist die Mater matuta wohl erst spaeter unter dem Einfluss des Leukotheamythus geworden; schon dass die Goettin vorzugsweise von den Frauen verehrt ward, spricht dagegen, sie urspruenglich als Hafengoettin zu fassen. ———————————————– Diese Tafel ist vollstaendig fuer die unbeweglichen oeffentlichen Feste; und wenn auch neben diesen stehenden Festtagen sicher seit aeltester Zeit Wandel- und Gelegenheitsfeste vorgekommen sind, so oeffnet doch diese Urkunde, in dem, was sie sagt, wie in dem, was sie auslaesst, uns den Einblick in eine sonst fuer uns beinahe gaenzlich verschollene Urzeit. Zwar die Vereinigung der altroemischen Gemeinde und der Huegelroemer war bereits erfolgt, als diese Festtafel entstand, da wir in ihr neben dem Mars den Quirinus finden; aber noch stand der kapitolinische Tempel nicht, als sie aufgesetzt ward, denn es fehlen Juno und Minerva; noch war das Dianaheiligtum auf dem Aventin nicht errichtet; noch war den Griechen kein Kultbegriff entlehnt. Der Mittelpunkt nicht bloss des roemischen, sondern ueberhaupt des italischen Gottesdienstes in derjenigen Epoche, wo der Stamm noch sich selber ueberlassen auf der Halbinsel hauste, war allen Spuren zufolge der Gott Maurs oder Mars, der toetende Gott ^2, vorwiegend gedacht als der speerschwingende, die Herde schirmende, den Feind niederwerfende goettliche Vorfechter der Buergerschaft – natuerlich in der Art, dass eine jede Gemeinde ihren eigenen Mars besass und ihn fuer den staerksten und heiligsten unter allen achtete, demnach auch jeder zu neuer Gemeindebegruendung auswandernde heilige Lenz unter dem Schutz seines eigenen Mars zog. Dem Mars ist sowohl in der – sonst goetterlosen – roemischen Monatstafel wie auch wahrscheinlich in den saemtlichen uebrigen latinischen und sabellischen der erste Monat geheiligt; unter den roemischen Eigennamen, die sonst ebenfalls keiner Goetter gedenken, erscheinen Marcus, Mamercus, Mamurius seit uralter Zeit in vorwiegendem Gebrauch; an den Mars und seinen heiligen Specht knuepft sich die aelteste italische Weissagung; der Wolf, das heilige Tier des Mars, ist auch das Wahrzeichen der roemischen Buergerschaft, und was von heiligen Stammsagen die roemische Phantasie aufzubringen vermocht hat, geht ausschliesslich zurueck auf den Gott Mars und seinen Doppelgaenger, den Quirinus. In dem .Festverzeichnis nimmt allerdings der Vater Diovis, eine reinere und mehr buergerliche als kriegerische Widerspiegelung des Wesens der roemischen Gemeinde, einen groesseren Raum ein als der Mars, ebenso wie der Priester des Jupiter an Rang den beiden Priestern des Kriegsgottes vorgeht; aber eine sehr hervorragende Rolle spielt doch auch der letztere in demselben, und es ist sogar ganz glaublich, dass, als diese Festordnung festgestellt wurde, Jovis neben Mars stand wie Ahuramazda neben Mithra und dass der wahrhafte Mittelpunkt der Gottesverehrung in der streitbaren roemischen Gemeinde auch damals noch der kriegerische Todesgott und dessen Maerzfest war, wogegen gleichzeitig nicht der durch die Griechen spaeter eingefuehrte “Sorgenbrecher”, sondern der Vater Jovis selbst als der Gott galt des herzerfreuenden Weines. ———————————–
^2 Aus Maurs, was die aelteste ueberlieferte Form ist, entwickeln sich durch verschiedene Behandlung des u Mars, Mavors, mors; der Uebergang in o (aehnlich wie Paula, Pola und dergleichen mehr) erscheint auch in der Doppelform Mar-Mor (vgl. Ma-murius) neben Mar-Mar und Ma-Mers. ———————————–
Es ist nicht die Aufgabe dieser Darstellung, die roemischen Gottheiten im einzelnen zu betrachten; aber wohl ist es auch geschichtlich wichtig, ihren eigentuemlichen, zugleich niedrigen und innigen Charakter hervorzuheben. Abstraktion und Personifikation sind das Wesen der roemischen wie der hellenischen Goetterlehre; auch der hellenische Gott ruht auf einer Naturerscheinung oder einem Begriff, und dass dem Roemer eben wie dem Griechen jede Gottheit als Person erscheint, dafuer zeugt die Auffassung der einzelnen als maennlicher oder weiblicher und die Anrufung an die unbekannte Gottheit: “bist du Gott oder Goettin, Mann oder auch Weib”; dafuer der tiefhaftende Glaube, dass der Name des eigentlichen Schutzgeistes der Gemeinde unausgesprochen bleiben muesse, damit nicht ein Feind ihn erfahre und, den Gott bei seinem Namen rufend, ihn ueber die Grenzen hinueberlocke. Ein Ueberrest dieser maechtig sinnlichen Auffassung haftet namentlich der aeltesten und nationalsten italischen Goettergestalt, dem Mars, an. Aber wenn die Abstraktion, die jeder Religion zu Grunde liegt, anderswo zu weiten und immer weiteren Konzeptionen sich zu erheben, tief und immer tiefer in das Wesen der Dinge einzudringen versucht, so verhalten sich die roemischen Glaubensbilder auf einer unglaublich niedrigen Stufe des Anschauens und des Begreifens. Wenn dem Griechen jedes bedeutsame Motiv sich rasch zur Gestaltengruppe, zum Sagen- und Ideenkreis erweitert, so bleibt dem Roemer der Grundgedanke in seiner urspruenglichen nackten Starrheit stehen. Der apollinischen Religion irdisch sittlicher Verklaerung, dem goettlichen dionysischen Rausche, den tiefsinnigen und geheimnisvollen chthonischen und Mysterienkulten hat die roemische Religion nichts auch nur entfernt aehnliches entgegenzustellen, das ihr eigentuemlich waere. Sie weiss wohl auch von einem “schlimmen Gott” (Ve-diovis), von Erscheinungen und Gespenstern (lemures), spaeterhin auch von Gottheiten der boesen Luft, des Fiebers, der Krankheiten, vielleicht sogar des Diebstahls (laverna); aber den geheimnisvollen Schauer, nach dem das Menschenherz doch auch sich sehnt, vermag sie nicht zu erregen, nicht sich zu durchdringen mit dem Unbegreiflichen und selbst dem Boesartigen in der Natur und dem Menschen, welches der Religion nicht fehlen darf, wenn der ganze Mensch in ihr aufgehen soll. Es gab in der roemischen Religion kaum etwas Geheimes als etwa die Namen der Stadtgoetter, der Penaten; das Wesen uebrigens auch dieser Goetter war jedem offenbar.
Die nationalroemische Theologie sucht nach allen Seiten hin die wichtigen Erscheinungen und Eigenschaften begreiflich zu fassen, sie terminologisch auszupraegen und schematisch – zunaechst nach der auch dem Privatrecht zu Grunde liegenden Einteilung von Personen und Sachen – zu klassifizieren, um darnach die Goetter und Goetterreihen selber richtig anzurufen und ihre richtige Anrufung der Menge zu weisen (indigitare). In solchen aeusserlich abgezogenen Begriffen von der einfaeltigsten, halb ehrwuerdigen, halb laecherlichen Schlichtheit ging die roemische Theologie wesentlich auf; Vorstellungen wie Saat (saâturnus) und Feldarbeit (ops), Erdboden (tellus) und Grenzstein (terminus) gehoeren zu den aeltesten und heiligsten roemischen Gottheiten. Vielleicht die eigentuemlichste unter allen roemischen Goettergestalten und wohl die einzige, fuer die ein eigentuemlich italisches Kultbild erfunden ward, ist der doppelkoepfige Janus; und doch liegt in ihm eben nichts als die fuer die aengstliche roemische Religiositaet bezeichnende Idee, dass zur Eroeffnung eines jeden Tuns zunaechst der “Geist der Eroeffnung” anzurufen sei, und vor allem das tiefe Gefuehl davon, dass es ebenso unerlaesslich war, die roemischen Goetterbegriffe in Reihen zusammenzufuegen, wie die persoenlicheren Goetter der Hellenen notwendig jeder fuer sich standen ^3. Vielleicht der innigste unter allen roemischen ist der Kult der in und ueber dem Hause und der Kammer waltenden Schutzgeister, im oeffentlichen Gottesdienst der der Vesta und der Penaten, im Familienkult der der Wald- und Flurgoetter, der Silvane und vor allem der eigentlichen Hausgoetter, der Lasen oder Laren, denen regelmaessig von der Familienmahlzeit ihr Teil gegeben ward, und vor denen seine Andacht zu verrichten noch zu des aelteren Cato Zeit des heimkehrenden Hausvaters erstes Geschaeft war. Aber in der Rangordnung der Goetter nahmen diese Haus- und Feldgeister eher den letzten als den ersten Platz ein; es war, wie es bei einer auf Idealisierung verzichtenden Religion nicht anders sein konnte, nicht die weiteste und allgemeinste, sondern die einfachste und individuellste Abstraktion, in der das fromme Herz die meiste Nahrung fand.
—————————————- ^3 Dass Tor und Tuere und der Morgen (ianus matutinus) dem Janus heilig ist und er stets vor jedem anderen Gott angerufen ja selbst in der Muenzreihe noch vor dem Jupiter und den anderen Goettern aufgefuehrt wird, bezeichnet ihn unverkennbar als die Abstraktion der Oeffnung und Eroeffnung. Auch der nach zwei Seiten schauende Doppelkopf haengt mit dem nach zwei Seiten hin sich oeffnenden Tore zusammen. Einen Sonnen- und Jahresgott darf man um so weniger aus ihm machen, als der von ihm benannte Monat urspruenglich der elfte, nicht der erste ist; vielmehr scheint dieser Monat seinen Namen davon zu fuehren, dass in dieser Zeit nach der Rast des Mittwinters der Kreislauf der Feldarbeiten wieder von vorn beginnt. Dass uebrigens, namentlich seit der Januarius an der Spitze des Jahres stand, auch die Eroeffnung des Jahres in den Bereich des Janus hineingezogen ward, versteht sich von selbst. ————————————-
Hand in Hand mit dieser Geringhaltigkeit der idealen Elemente ging die praktische und utilitarische Tendenz der roemischen Religion, wie sie in der oben eroerterten Festtafel deutlich genug sich darlegt. Vermoegensmehrung und Guetersegen durch Feldbau und Herdengewinn, durch Schiffahrt und Handel – das ist es, was der Roemer von seinen Goettern begehrt; es stimmt dazu recht wohl, dass der Gott des Worthaltens (deus fidius), die Zufalls- und Gluecksgoettin (fors fortuna) und der Handelsgott (mercurius), alle aus dem taeglichen Verkehr hervorgegangen, zwar noch nicht in jener uralten Festtafel, aber doch schon sehr frueh weit und breit von den Roemern verehrt auftreten. Strenge Wirtschaftlichkeit und kaufmaennische Spekulation waren zu tief im roemischen Wesen begruendet, um nicht auch dessen goettliches Abbild bis in den innersten Kern zu durchdringen.
Von der Geisterwelt ist wenig zu sagen. Die abgeschiedenen Seelen der sterblichen Menschen, die “Guten” (manes) lebten schattenhaft weiter, gebannt an den Ort, wo der Koerper ruhte (dii inferi), und nahmen von den Ueberlebenden Speise und Trank. Allein sie hausten in den Raeumen der Tiefe und keine Bruecke fuehrte aus der unteren Welt weder zu den auf der Erde waltenden Menschen noch empor zu den oberen Goettern. Der griechische Heroenkult ist den Roemern voellig fremd und wie jung und schlecht die Gruendungssage von Rom erfunden ist, zeigt schon die ganz unroemische Verwandlung des Koenigs Romulus in den Gott Quirinus. Numa, der aelteste und ehrwuerdigste Name in der roemischen Sage, ist in Rom nie als Gott verehrt worden wie Theseus in Athen. Die aeltesten Gemeindepriestertuemer beziehen sich auf den Mars: vor allem auf Lebenszeit ernannte Priester des Gemeindegottes, der “Zuender des Mars” (flamen Martialis), wie er vom Darbringen der Brandopfer benannt ward, und die zwoelf “Springer” (salii), eine Schar junger Leute, die im Maerz den Waffentanz zu Ehren des Mars auffuehrten und dazu sangen. Dass die Verschmelzung der Huegelgemeinde mit der palatinischen die Verdoppelung des roemischen Mars und damit die Einfuehrung eines zweiten Marspriesters – des flamen Quirinalis – und einer zweiten Taenzergilde – der salii collini – herbeifuehrte, ist bereits frueher auseinandergesetzt worden.
Hierzu kamen andere oeffentliche, zum Teil wohl ihrem Ursprung nach weit ueber Roms Entstehung hinaufreichende Verehrungen, fuer welche entweder Einzelpriester angestellt waren -solche gab es zum Beispiel der Carmentis, des Volcanus, des Hafen- und des Flussgottes – oder deren Begehung einzelnen Genossenschaften oder Geschlechtern im Namen des Volkes uebertragen war. Eine derartige Genossenschaft war vermutlich die der zwoelf “Ackerbrueder” (fratres arvales), welche die “schaffende Goettin” (dea dia) im Mai anriefen fuer das Gedeihen der Saaten; obwohl es sehr zweifelhaft ist, ob dieselbe bereits in dieser Epoche dasjenige besondere Ansehen genoss, welches wir ihr in der Kaiserzeit beigelegt finden. Ihnen schloss die titische Bruederschaft sich an, die den Sonderkult der roemischen Sabiner zu bewahren und zu besorgen hatte, sowie die fuer die Herde der dreissig Kurien eingesetzten dreissig Kurienzuender (flamines curiales). Das schon erwaehnte “Wolfsfest” (lupercalia) wurde fuer die Beschirmung der Herden dem “guenstigen Gotte” (faunus) von dem Quinctiergeschlecht und den nach dem Zutritt der Huegelroemer ihnen zugegebenen Fabiern im Monat Februar gefeiert – ein rechtes Hirtenkarneval, bei dem die “Woelfe” (luperci) nackt mit dem Bocksfell umguertet herumsprangen und wen sie trafen mit Riemen klatschten. Ebenso mag noch bei andern gentilizischen Kulten zugleich die Gemeinde gedacht sein als mitvertreten. Zu diesem aeltesten Gottesdienst der roemischen Gemeinde traten allmaehlich neue Verehrungen hinzu. Die wichtigste darunter ist diejenige, welche auf die neu geeinigte und durch den grossen Mauer- und Burgbau gleichsam zum zweitenmal gegruendete Stadt sich bezieht: in ihr tritt der hoechste beste Jovis vom Burghuegel, das ist der Genius des roemischen Volkes, an die Spitze der gesamten roemischen Goetterschaft, und sein fortan bestellter Zuender, der Flamen Dialis, bildet mit den beiden Marspriestern die heilige oberpriesterliche Dreiheit. Gleichzeitig beginnt der Kultus des neuen einigen Stadtherdes – der Vesta – und der dazu gehoerige der Gemeindepenaten. Sechs keusche Jungfrauen versahen, gleichsam als die Haustoechter des roemischen Volkes, jenen frommen Dienst und hatten das heilsame Feuer des Gemeindeherdes den Buergern zum Beispiel und zum Wahrzeichen stets lodernd zu unterhalten. Es war dieser haeuslich-oeffentliche Gottesdienst der heiligste aller roemischen, wie er denn auch von allem Heidentum am spaetesten in Rom der christlichen Verfemung gewichen ist. Ferner wurde der Aventin der Diana angewiesen als der Repraesentantin der latinischen Eidgenossenschaft, aber eben darum eine besondere roemische Priesterschaft fuer sie nicht bestellt; und zahlreichen anderen Goetterbegriffen gewoehnte allmaehlich die Gemeinde sich in bestimmter Weise durch allgemeine Feier oder durch besonders zu ihrem Dienst bestimmte stellvertretende Priesterschaften zu huldigen, wobei sie einzelnen – zum Beispiel der Blumen (Flora) und der Obstgoettin (Pomona) – auch wohl einen eigenen Zuender bestellte, sodass deren zuletzt fuenfzehn gezaehlt wurden. Aber sorgfaeltig unterschied man unter ihnen jene drei “grossen Zuender” (flamines maiores), die bis in die spaeteste Zeit nur aus den Altbuergern genommen werden konnten, ebenso wie die alten Genossenschaften der palatinischen und quirinalischen Salier stets den Vorrang vor allen uebrigen Priesterkollegien behaupteten. Also wurden die notwendigen und stehenden Leistungen an die Goetter der Gemeinde bestimmten Genossenschaften oder staendigen Dienern vom Staat ein fuer allemal uebertragen und zur Deckung der vermutlich nicht unbetraechtlichen Opferkosten teils den einzelnen Tempeln gewisse Laendereien, teils die Bussen angewiesen. Dass der oeffentliche Kult der uebrigen latinischen und vermutlich auch der sabellischen Gemeinden im wesentlichen gleichartig war, ist nicht zu bezweifeln; nachweislich sind die Flamines, Sauer, Luperker und Vestalinnen nicht spezifisch roemische, sondern allgemein latinische Institutionen gewesen und wenigstens die drei ersten Kollegien scheinen in den stammverwandten Gemeinden nicht erst nach roemischem Muster gebildet zu sein.
Endlich kann, wie der Staat fuer den Goetterkreis des Staats, so auch der einzelne Buerger innerhalb seines individuellen Kreises aehnliche Anordnungen treffen und seinen Goettern nicht bloss Opfer darbringen, sondern auch Staetten und Diener ihnen weihen.
Also gab es Priestertum und Priester in Rom genug; indes wer ein Anliegen an den Gott hat, wendet sich nicht an den Priester, sondern an den Gott. Jeder Flehende und Fragende redet selber zu der Gottheit, die Gemeinde natuerlich durch den Mund des Koenigs wie die Kurie durch den Curio und die Ritterschaft durch ihre Obristen; und keine priesterliche Vermittlung durfte das urspruengliche und einfache Verhaeltnis verdecken oder verdunkeln. Allein es ist freilich nicht leicht, mit dem Gotte zu verkehren. Der Gott hat seine eigene Weise zu sprechen, die nur dem kundigen Manne verstaendlich ist; wer es aber recht versteht, der weiss den Willen des Gottes nicht bloss zu ermitteln, sondern auch zu lenken, sogar im Notfall ihn zu ueberlisten oder zu zwingen. Darum ist es natuerlich, dass der Verehrer des Gottes regelmaessig kundige Leute zuzieht und deren Rat vernimmt; und hieraus sind die religioesen Sachverstaendigenvereine hervorgegangen, eine durchaus national-italische Institution, die auf die politische Entwicklung weit bedeutender eingewirkt hat als die Einzelpriester und die Priesterschaften. Mit diesen sind sie oft verwechselt worden, allein mit Unrecht. Den Priesterschaften liegt die Verehrung einer bestimmten Gottheit ob, diesen Genossenschaften aber die Bewahrung der Tradition fuer diejenigen allgemeineren gottesdienstlichen Verrichtungen, deren richtige Vollziehung eine gewisse Kunde voraussetzte und fuer deren treue Ueberlieferung zu sorgen im Interesse des Staates lag. Diese geschlossenen und sich selbst, natuerlich aus den Buergern, ergaenzenden Genossenschaften sind dadurch die Depositare der Kunstfertigkeiten und Wissenschaften geworden. In der roemischen und ueberhaupt der latinischen Gemeindeverfassung gibt es solcher Kollegien urspruenglich nur zwei: das der Augurn und das der Pontifices ^4. Die sechs “Voegelfuehrer” (augures) verstanden die Sprache der Goetter aus dem Flug der Voegel zu deuten, welche Auslegungskunst sehr ernstlich betrieben und in ein gleichsam wissenschaftliches System gebracht ward. Die sechs “Brueckenbauer” (pontifices) fuehrten ihren Namen von dem ebenso heiligen wie politisch wichtigen Geschaeft, den Bau und das Abbrechen der Tiberbruecke zu leiten. Es waren die roemischen Ingenieure, die das Geheimnis der Masse und Zahlen verstanden; woher ihnen auch die Pflicht zukam, den Kalender des Staats zu fuehren, dem Volke Neu- und Vollmond und die Festtage abzurufen und dafuer zu sorgen, dass jede gottesdienstliche wie jede Gerichtshandlung am rechten Tage vor sich gehe. Da sie also vor allen andern den Ueberblick ueber den ganzen Gottesdienst hatten, ging auch, wo es noetig war, bei Ehe, Testament und Arrogation an sie die Vorfrage, ob das beabsichtigte Geschaeft nicht gegen das goettliche Recht irgendwie verstosse, und ging von ihnen die Feststellung und Bekanntmachung der allgemeinen exoterischen Sakralvorschriften aus, die unter dem Namen der Koenigsgesetze bekannt sind. So gewannen sie, wenn auch in voller Ausdehnung vermutlich erst nach Abschaffung des Koenigtums, die allgemeine Oberaufsicht ueber den roemischen Gottesdienst und was damit zusammenhing – und was hing nicht damit zusammen? Sie selbst bezeichneten als den Inbegriff ihres Wissens “die Kunde goettlicher und menschlicher Dinge”. In der Tat sind die Anfaenge der geistlichen und weltlichen Rechtswissenschaft wie die der Geschichtsaufzeichnung aus dem Schoss dieser Genossenschaft hervorgegangen. Denn wie alle Geschichtsschreibung an den Kalender und das Jahrzeitbuch anknuepft, musste auch die Kunde des Prozesses und der Rechtssaetze, da nach der Errichtung der roemischen Gerichte in diesen selbst die Ueberlieferung nicht entstehen konnte, in dem Kollegium der Pontifices traditionell werden, das ueber Gerichtstage und religioese Rechtsfragen ein Gutachten zu geben allein kompetent war.
——————————————————- ^4 Am deutlichsten zeigt sich dies darin, dass in den nach dem latinischen Schema geordneten Gemeinden Augurn und Pontifices ueberall vorkommen (z. B. Cic. leg. agr. 2, 35, 96 und zahlreiche Inschriften), ebenso der pater patratus der Fetialen in Laurentum (Orelli 2276), die uebrigen Kollegien aber nicht. Jene also stehen auf einer Linie mit der Zehnkurienverfassung, den Flamines, Saliern, Luperkern als aeltestes latinisches Stammgut; wogegen die Duovirn sacris faciundis und die anderen Kollegien, wie die dreissig Kurien und die Servianischen Tribus und Zenturien, in Rom entstanden und darum auch auf Rom beschraenkt geblieben sind. Nur der Name des zweiten Kollegiums, der Pontifices, ist wohl entweder durch roemischen Einfluss in das allgemein latinische Schema anstatt aelterer, vielleicht mannigfaltiger Namen eingedrungen, oder es bedeutete urspruenglich, was sprachlich manches fuer sich hat, pons nicht Bruecke, sondern Weg ueberhaupt, pontifex also den Wegebauer. Die Angaben ueber die urspruengliche Zahl namentlich der Augurn schwanken. Dass die Zahl derselben ungerade sein musste, widerlegt Cicero (leg. agr. 2, 35, 96); und auch Livius (10, 6) sagt wohl nicht dies, sondern nur, dass die Zahl der roemischen Augurn durch drei teilbar sein und insofern auf eine ungerade Grundzahl zurueckgehen muesse. Nach Livius (a.a.O.) war die Zahl bis zum Ogulnischen Gesetz sechs, und eben das sagt wohl auch Cicero (rep. 2, 9 14), indem er Romulus vier, Numa zwei Augurstellen einrichten laesst. Ueber die Zahl der Pontifices vgl. Roemisches Staatsrecht, Bd. 2, S. 20. ——————————————————- Gewissermassen laesst diesen beiden aeltesten und ansehnlichsten Genossenschaften geistlicher Sachverstaendigen das Kollegium der zwanzig Staatsboten (fetiales, ungewisser Ableitung) sich anreihen, bestimmt als lebendiges Archiv das Andenken an die Vertraege mit den benachbarten Gemeinden durch Ueberlieferung zu bewahren, ueber angebliche Verletzungen des vertragenen Rechts gutachtlich zu entscheiden und noetigenfalls den Suehneversuch und die Kriegserklaerung zu bewirken. Sie waren durchaus fuer das Voelkerrecht, was die Pontifices fuer das Goetterrecht, und hatten daher auch wie diese die Befugnis, Recht zwar nicht zu sprechen, aber doch zu weisen. Aber wie hochansehnlich immer diese Genossenschaften waren und wie wichtige und umfassende Befugnisse sie zugeteilt erhielten, nie vergass man, und am wenigsten bei den am hoechsten gestellten, dass sie nicht zu befehlen, sondern sachverstaendigen Rat zu erteilen, die Antwort der Goetter nicht unmittelbar zu erbitten, sondern die erteilte dem Frager auszulegen hatten. So steht auch der vornehmste Priester nicht bloss im Rang dem Koenig nach, sondern er darf ungefragt nicht einmal ihn beraten. Dem Koenig steht es zu, zu bestimmen, ob und wann er die Voegel beobachten will; der Vogelschauer steht nur dabei und verdolmetscht ihm, wenn es noetig ist, die Sprache der Himmelsboten. Ebenso kann der Fetialis und der Pontifex in das Staats- und das Landrecht nicht anders eingreifen als wenn die Beikommenden es von ihm begehren, und mit unerbittlicher Strenge hat man trotz aller Froemmigkeit festgehalten an dem Grundsatz, dass in dem Staat der Priester in vollkommener Machtlosigkeit zu verbleiben und, von allen Befehlen ausgeschlossen, gleich jedem anderen Buerger dem geringsten Beamten Gehorsam zu leisten hat. Die latinische Gottesverehrung beruht wesentlich auf dem Behagen des Menschen am Irdischen und nur in untergeordneter Weise auf der Furcht vor den wilden Naturkraeften; sie bewegt sich darum auch vorwiegend in Aeusserungen der Freude, in Liedern und Gesaengen, in Spielen und Taenzen, vor allem aber in Schmaeusen. Wie ueberall bei den ackerbauenden, regelmaessig von Vegetabilien sich naehrenden Voelkerschaften war auch in Italien das Viehschlachten zugleich Hausfest und Gottesdienst; das Schwein ist den Goettern das wohlgefaelligste Opfer nur darum, weil es der gewoehnliche Festbraten ist. Aber alle Verschwendung wie alle Ueberschwenglichkeit des Jubels ist dem gehaltenen roemischen Wesen zuwider. Die Sparsamkeit gegen die Goetter ist einer der hervortretendsten Zuege des aeltesten latinischen Kultes; und auch das freie Walten der Phantasie wird durch die sittliche Zucht, in der die Nation sich selber haelt, mit eiserner Strenge niedergedrueckt. Infolgedessen sind die Auswuechse, die von solcher Masslosigkeit unzertrennlich sind, den Latinern ferngeblieben. Wohl liegt der tief sittliche Zug des Menschen, irdische Schuld und irdische Strafe auf die Goetterwelt zu beziehen und jene als ein Verbrechen gegen die Gottheit, diese als deren Suehnung aufzufassen, im innersten Wesen auch der latinischen Religion. Die Hinrichtung des zum Tode verurteilten Verbrechers ist ebenso ein der Gottheit dargebrachtes Suehnopfer wie die im gerechten Krieg vollzogene Toetung des Feindes; der naechtliche Dieb der Feldfruechte buesst der Ceres am Galgen wie der boese Feind auf dem Schlachtfeld der Mutter Erde und den guten Geistern. Auch der tiefe und furchtbare Gedanke der Stellvertretung begegnet hierbei: wenn die Goetter der Gemeinde zuernen, ohne dass auf einen bestimmten Schuldigen gegriffen werden kann, so mag sie versoehnen, wer sich freiwillig hingibt (devovere se), wie denn giftige Erdspalten sich schliessen, halbverlorene Schlachten sich in Siege wandeln, wenn ein braver Buerger sich als Suehnopfer in den Schlund oder in die Feinde stuerzt. Auf aehnlicher Anschauung beruht der heilige Lenz, indem den Goettern dargebracht wird, was der bestimmte Zeitraum an Vieh und Menschen geboren werden laesst. Will man dies Menschenopfer nennen, so gehoert solches freilich zum Kern des latinischen Glaubens; aber man muss hinzufuegen, dass, soweit unser Blick in die Ferne irgend zuruecktraegt, diese Opferung, insofern sie das Leben fordert, sich beschraenkt auf den Schuldigen, der vor dem buergerlichen Gericht ueberwiesen ist, und den Unschuldigen, der freiwillig den Tod waehlt. Menschenopfer anderer Art laufen dem Grundgedanken der Opferhandlung zuwider und beruhen wenigstens bei den indogermanischen Staemmen ueberall, wo sie vorkommen, auf spaeterer Ausartung und Verwilderung. Bei den Roemern haben sie nie Eingang gefunden; kaum dass einmal in Zeiten hoechster Not auch hier Aberglaube und Verzweiflung ausserordentlicherweise im Greuel Rettung suchten. Von Gespensterglauben, Zauberfurcht und Mysterienwesen finden sich bei den Roemern verhaeltnismaessig sehr geringe Spuren. Das Orakel- und Prophetentum hat in Italien niemals die Bedeutung erlangt wie in Griechenland und nie vermocht, das private und oeffentliche Leben ernstlich zu beherrschen. Aber auf der andern Seite ist dafuer auch die latinische Religion in eine unglaubliche Nuechternheit und Trockenheit verfallen und frueh eingegangen auf einen peinlichen und geistlosen Zeremonialdienst. Der Gott des Italikers ist, wie schon gesagt ward, vor allen Dingen ein Hilfsinstrument zur Erreichung sehr konkreter irdischer Zwecke; wie denn den religioesen Anschauungen des Italikers durch seine Richtung auf das Fassliche und Reelle diese Wendung ueberhaupt gegeben wird und nicht minder scharf noch in dem heutigen Heiligenkult der Italiener hervortritt. Die Goetter stehen dem Menschen voellig gegenueber wie der Glaeubiger dem Schuldner; jeder von ihnen hat ein wohlerworbenes Recht auf gewisse Verrichtungen und Leistungen, und da die Zahl der Goetter so gross war wie die Zahl der Momente des irdischen Lebens und die Vernachlaessigung oder verkehrte Verehrung eines jeden Gottes in dem entsprechenden Moment sich raechte, so war es eine muehsame und bedenkliche Aufgabe, seiner religioesen Verpflichtungen auch nur sich bewusst zu werden, und so mussten wohl die des goettlichen Rechtes kundigen und dasselbe weisenden Priester, die Pontifices, zu ungemeinem Einfluss gelangen. Denn der rechtliche Mann erfuellt die Vorschriften des heiligen Rituals mit derselben kaufmaennischen Puenktlichkeit, womit er seinen irdischen Verpflichtungen nachkommt und tut auch wohl ein Uebriges, wenn der Gott es seinerseits getan hat. Auch auf Spekulation laesst man mit dem Gotte sich ein: das Geluebde ist der Sache wie dem Namen nach ein foermlicher Kontrakt zwischen dem Gotte und dem Menschen, wodurch dieser jenem fuer eine gewisse Leitung eine gewisse Gegenleistung zusichert, und der roemische Rechtssatz, dass kein Kontrakt durch Stellvertretung abgeschlossen werden kann, ist nicht der letzte Grund, weshalb in Latium bei den religioesen Anliegen der Menschen alle Priestervermittlung ausgeschlossen blieb. Ja wie der roemische Kaufmann, seiner konventionellen Rechtlichkeit unbeschadet, den Vertrag bloss dem Buchstaben nach zu erfuellen befugt ist, so ward auch, wie die roemischen Theologen lehren, im Verkehr mit den Goettern das Abbild statt der Sache gegeben und genommen. Dem Herrn des Himmelsgewoelbes brachte man Zwiebel- und Mohnkoepfe dar, um auf deren statt auf der Menschen Haeupter seine Blitze zu lenken; dem Vater Tiberis wurden zur Loesung der jaehrlich von ihm erheischten Opfer jaehrlich dreissig von Binsen geflochtene Puppen in die Wellen geworfen ^5. Die Ideen goettlicher Gnade und Versoehnbarkeit sind hier ununterscheidbar gemischt mit der frommen Schlauigkeit, welche es versucht, den gefaehrlichen Herrn durch scheinhafte Befriedigung zu beruecken und abzufinden. So ist die roemische Gottesfurcht wohl von gewaltiger Macht ueber die Gemueter der Menge, aber keineswegs jenes Bangen vor der allwaltenden Natur oder der allmaechtigen Gottheit, das den pantheistischen und monotheistischen Anschauungen zu Grunde liegt, sondern sehr irdischer Art und kaum wesentlich verschieden von demjenigen Zagen, mit dem der roemische Schuldner seinem gerechten, aber sehr genauen und sehr maechtigen Glaeubiger sich naht. Es ist einleuchtend, dass eine solche Religion die kuenstlerische und die spekulative Auffassung viel mehr zu erdruecken als zu zeitigen geeignet war. Indem der Grieche die naiven Gedanken der Urzeit mit menschlichem Fleisch und Blut umhuellte, wurden diese Goetterideen nicht bloss die Elemente der bildenden und der dichtenden Kunst, sondern sie erlangten auch die Universalitaet und die Elastizitaet, welche die tiefste Eigentuemlichkeit der Menschennatur und eben darum der Kern aller Weltreligion ist. Durch sie konnte die einfache Naturanschauung zu kosmogonischen, der schlichte Moralbegriff zu allgemein humanistischen Anschauungen sich vertiefen; und lange Zeit hindurch vermochte die griechische Religion die physischen und metaphysischen Vorstellungen, die ganze ideale Entwicklung der Nation in sich zu fassen und mit dem wachsenden Inhalt in Tiefe und Weite sich auszudehnen, bevor die Phantasie und die Spekulation das Gefaess, das sie gehegt hatte, zersprengten. Aber in Latium blieb die Verkoerperung der Gottheitsbegriffe so vollkommen durchsichtig, dass weder der Kuenstler noch der Dichter daran sich heranzubilden vermochte und die latinische Religion der Kunst stets fremd, ja feindlich gegenueberstand. Da der Gott nichts war und nichts sein durfte als die Vergeistigung einer irdischen Erscheinung, so fand er eben in diesem irdischen Gegenbild seine Staette (templum) und sein Abbild; Waende und Idole, von Menschenhand gemacht, schienen die geistigen Vorstellungen nur zu trueben und zu befangen. Darum war der urspruengliche roemische Gottesdienst ohne Gottesbilder und Gotteshaeuser; und wenngleich auch in Latium, vermutlich nach griechischem Vorbild, schon in frueher Zeit der Gott im Bilde verehrt und ihm ein Haeuschen (aedicula) gebaut ward, so galt doch diese bildliche Darstellung als den Gesetzen Numas zuwiderlaufend und ueberhaupt als unrein und fremdlaendisch. Mit Ausnahme etwa des doppelkoepfigen Janus hat die roemische Religion kein ihr eigentuemliches Goetterbild aufzuweisen und noch Varro spottete ueber die nach Puppen und Bilderchen verlangende Menge. Der Mangel aller zeugenden Kraft in der roemischen Religion ist gleichfalls die letzte Ursache, warum die roemische Poesie und noch mehr die roemische Spekulation so vollstaendig nicht waren und blieben.
———————————————– ^5 Hierin konnte nur unueberlegte Auffassung Ueberreste alter Menschenopfer finden.
———————————————– Aber auch auf dem praktischen Gebiet offenbart sich derselbe Unterschied. Der praktische Gewinn, welcher der roemischen Gemeinde aus ihrer Religion erwuchs, war ein von den Priestern, namentlich den Pontifices entwickeltes, formuliertes Moralgesetz, welches teils in dieser – der polizeilichen Bevormundung des Buergers durch den Staat noch fernstehenden – Zeit die Stelle der Polizeiordnung vertrat, teils die sittlichen Verpflichtungen vor das Gericht der Goetter zog und sie mit goettlicher Strafe belegte. Zu den Bestimmungen der ersteren Art gehoerte ausser der religioesen Einschaerfung der Heiligung des Feiertags und eines kunstmaessigen Acker- und Rebenbaus, die wir unten kennenlernen werden, zum Beispiel der auch mit gesundheitspolizeilichen Ruecksichten zusammenhaengende Herd- oder Larenkult und vor allem die bei den Roemern ungemein frueh, weit frueher als bei den Griechen, durchgefuehrte Leichenverbrennung, welche eine rationelle Auffassung des Lebens und Sterbens voraussetzt, wie sie der Urzeit und selbst unserer Gegenwart noch fremd ist. Man wird es nicht gering anschlagen duerfen, dass die latinische Landesreligion diese und aehnliche Neuerungen durchzusetzen vermocht hat. Wichtiger aber noch war ihre sittlichende Wirkung. Wenn der Mann die Ehefrau, der Vater den verheirateten Sohn verkaufte; wenn das Kind oder die Schnur den Vater oder den Schwiegervater schlug; wenn der Schutzvater gegen den Gast oder den zugewandten Mann die Treupflicht verletzte; wenn der ungerechte Nachbar den Grenzstein verrueckte oder der Dieb sich bei naechtlicher Weile an der dem Gemeinfrieden anvertrauten Halmfrucht vergriff, so lastete fortan der goettliche Fluch auf dem Haupt des Frevlers. Nicht als waere der also Verwuenschte (sacer) vogelfrei gewesen; eine solche, aller buergerlichen Ordnung zuwiderlaufende Acht ist nur ausnahmsweise als Schaerfung des religioesen Bannfluchs in Rom waehrend des staendischen Haders vorgekommen. Nicht dem einzelnen Buerger oder gar dem voellig machtlosen Priester kommt die Vollstreckung solchen goettlichen Fluches zu. Zunaechst ist der also Gebannte dem goettlichen Strafgericht anheim gefallen, nicht der menschlichen Willkuer, und schon der fromme Volksglaube, auf dem dieser Bannfluch fusst, wird selbst ueber leichtsinnige und boesartige Naturen Macht gehabt haben. Aber die Bannung beschraenkt darauf sich nicht; vielmehr ist der Koenig befugt und verpflichtet, den Bann zu vollstrecken und, nachdem die Tatsache, auf welche das Recht die Bannung setzt, nach seiner gewissenhaften Ueberzeugung festgestellt worden ist, den Gebannten der verletzten Gottheit gleichwie ein Opfertier zu schlachten (supplicium) und also die Gemeinde von dem Verbrechen des einzelnen zu reinigen. Ist das Vergehen geringerer Art, so tritt an die Stelle der Toetung des Schuldigen die Loesung durch Darbringung eines Opfertiers oder aehnlicher Gaben. So ruht das ganze Kriminalrecht in seinem letzten Grunde auf der religioesen Idee der Suehnung. Weitere Leistungen aber als dergleichen Foerderungen buergerlicher Ordnung und Sittlichkeit hat die Religion in Latium auch nicht verrichtet. Unsaeglich viel hat hier Hellas vor Latium voraus gehabt – dankt es doch seiner Religion nicht bloss seine ganze geistige Entwicklung, sondern auch seine nationale Einigung, soweit sie ueberhaupt erreicht ward; um Goetterorakel und Goetterfeste, um Delphi und Olympia, um die Toechter des Glaubens, die Musen, bewegt sich alles, was im hellenischen Leben gross, und alles, was darin nationales Gemeingut ist. Und dennoch knuepfen eben hier auch Latiums Vorzuege vor Hellas an. Die latinische Religion, herabgedrueckt wie sie ist auf das Mass der gewoehnlichen Anschauung, ist jedem vollkommen verstaendlich und allen insgemein zugaenglich; und darum bewahrte die roemische Gemeinde ihre buergerliche Gleichheit, waehrend Hellas, wo die Religion auf der Hoehe des Denkens der Besten stand, von fruehester Zeit an unter allem Segen und Unsegen der Geistesaristokratie gestanden hat. Auch die latinische Religion ist wie jede andere urspruenglich hervorgegangen aus der unendlichen Glaubensvertiefung; nur der oberflaechlichen Betrachtung, die ueber die Tiefe des Stromes sich taeuscht, weil er klar ist, kann ihre durchsichtige Geisterwelt flach erscheinen. Dieser innige Glaube verschwindet freilich im Laufe der Zeiten so notwendig wie der Morgentau vor der hoeher steigenden Sonne und auch die latinische Religion ist also spaeterhin verdorrt; aber laenger als die meisten Voelker haben die Latiner die naive Glaeubigkeit sich bewahrt, und vor allem laenger als die Griechen. Wie die Farben die Wirkungen, aber auch die Truebungen des Lichtes sind, so sind Kunst und Wissenschaft nicht bloss die Geschoepfe, sondern auch die Zerstoerer des Glaubens; und so sehr in dieser zugleich Entwicklung und Vernichtung die Notwendigkeit waltet, so sind doch durch das gleiche Naturgesetz auch der naiven Epoche gewisse Erfolge vorbehalten, die man spaeter vergeblich sich bemueht zu erringen. Eben die gewaltige geistige Entwicklung der Hellenen, welche jene immer unvollkommene religioese und literarische Einheit erschuf, machte es ihnen unmoeglich, zu der echten politischen Einigung zu gelangen; sie buessten damit die Einfalt, die Lenksamkeit, die Hingebung, die Verschmelzbarkeit ein, welche
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