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DAS HOHE ZIEL DER ERKENNTNIS
ARANADA UPANISHAD
VON
OMAR AL RASCHID BEY
HERAUSGEGEBEN VON
HELENE B÷HLAU AL RASCHID BEY
1912
DAS HOHE ZIEL DER ERKENNTNIS
Alphabetische Zusammenstellung der in den Text un¸bersetzt aufgenommenen Sanskritworte.
adhyâya, Lehrabschnitt
âkâsha, Erscheinung. Grundbedeutung der Wurzel kâsh (kâs, kâÃ), Licht, Schein; in Ableitungen und Zusammensetzungen: erschauen, sichtbar werden, zutage treten, erscheinen. * Derselbe Laut in derselben Bedeutung ist auch in slawischen Sprachen erhalten (russisch: ——-). Hierzu wolle man die philosophisch tiefe Bedeutung des Wortes ‘er-Schein-ung’ in Betracht ziehen, wie solche sich in weit auseinander liegenden Sprachstâ°mmen vorfindet: ‘——-‘ (swjet) russisch, bedeuted gleichzeitig Welt und Lichtschein; ungarisch: ‘vill·g’ Licht, Schein und Welt; japanisch; ‘atsËtsuyo’ Schein und Welt etymologisch: erwachtes Leben). * Danach wâ°re âkâsha ‘Welterscheinung’. Zu dieser Grundbedeutung kommt aber noch die weitere: ‘Raumzeitlichkeit’ hinzu. Diese ist in der vedischen Literatur in einer Reihe von Stellen nachweisbar, welche Stellen erst durch solche Duplizitâ°t der Bedeutung volle Klarheit erlangen; siehe vor allem Brihad-âranyaka-upanishad 3,8 und die Ausf¸hrungen im Oupnek’hat; dort spricht es YâdschÃavalkya mit deutlichen Worten aus, daï¬ âkâsha ‘Raum und Zeit’ bedeute und mâyâ, das heiï¬t ‘Schein’ sei.
* Im Gegensatz zu raum-zeitlicher Welt-Erscheinung wird das Wesen der Welt als ‘anâkâsham raumzeitlos’ bezeichnet. Dazu hat sich die gleiche Doppelbedeutung des Wortes auch im Pâli erhalten: ‘avakâso’ gek¸rzt: ‘okâso’ bezeichnet Raum und Zeit zugleich; ‘okâsam karoti’ heiï¬t Platz schaffen, Zeit und Raum finden. (An das Heraklitische: ‘UrkËrper ist die Zeit’ sei hier erinnert.)–So viel an dieser Stelle um die Wiedergabe des Sanskritwortes âkâsha auf dessen Grundbedeutung gest¸tzt, nicht wie bisher ¸blich durch Weltraum oder Æther, wohl aber durch ‘Erscheinung’–zeitrâ°umlicher Welterscheinung Urbestand, sub-stantia, zu rechtfertigen; vergleiche NrisimhapËrvatâpanÃyaupanishad 3: “darum soll man âkâsha als den ‘Weltkeim’ wissen”.*
âranâda wâ°re etwa durch ‘Sturmesausklang’ wiederzugeben.
ashma hat die doppelte Bedeutung: Hammer und Ambos.
asmitâ, Ich-bin-heit. “Die Ichheit wird ein Wahn genannt, der uns an ein eigenes Sein glauben lâ°ï¬t” SâÃkhya Kârikâ 24, 25.
âtmâ, Seele, etymol. Atem; das der Welt zu Grunde liegende Wesen: brahma in der Erscheinung.–Die ¸bliche â¹bersetzung: ‘das Selbst’ ist zu verwerfen solange das Wort ‘Selbstsucht’ im ethisch entgegengesetzten Sinne verwendet wird.
Bhagavat-gÃtâ, das Hohelied der Gottheit, Episode aus dem Mahâbhârasu-BhagavadgÃtopanihad, die vom Erhabenen verk¸ndete Geheimlehre.
bÃdhisattva, der Erwacht-erkennende.
brahma, das dem Weltall zu Grunde liegende Wesen–Gottheit.
Brahma, der Gott Brahm·, das exoterisch zum Zwecke der Verehrung persËnlich aufgefaï¬te brahma.–Der Tag Brahm· = Evolution der Erscheinungswelt.
Buddha, etymol. der Erwachte.
buddhi, Erkenntnis; etymol. das Erwachen.
dvandva, Paarzustâ°nde, Gegensâ°tze.
dvandva vidya, die Lehre vom Gegensinn in der Erscheinung.
gÃtâ, das Lied; siehe BhagavadgÃtâ.
himavat, Heimat des Schnees, â°ltere Form f¸r Himâlaya.
gÃtâ, das Lied; siehe BhagavadgÃtâ.
himavat, Heimat des Schnees, â°ltere Form f¸r Himâlaya.
Ãshvara, der Herr, Gott.
kâma, Liebe, Trieb, Begierde (griechisch: ——–). Die in der Upanishad festgehaltene Verdeutschung durch ‘Verlangen’ rechtfertigt sich durch die vielsagende Bedeutung des deutschen Wortes, welches eine Unzulâ°nglichkeit und aus dieser ein ‘Langen’ nach ‘nicht-langen’ ein ‘daneben-langen’ und daraus wieder ein ‘etwas-zu-sich- haben-wollen’ –Verlangen nach Ergâ°nzung.
karma, Tat und Taterfolg, Werk, Wirklichkeit; Gesetz der Wiedervergeltung, ausgleichende gËttliche Gerechtigkeit.
mahâtma, Groï¬beseelter, etymol. Macht-Atem.
Mâyâ, das Blendwerk der empirischen Realitâ°t; mayâ = durch mich, also ‘mayâ mâyâ’ = durch mich, mit mir ist Maya!
manas, Verstand, Urteil.
nirvânâ, Seligkeit, erloschenes Verlangen.
om, feierliche Bejahung, erfurchtsvolle Anerkennung; geistige Vertiefung anstrebender, Heiliger Ausruf, mystische, das All umfassende Silbe.
Pradschâpati, mythologische Personifikation der SchËpferkraft.
rishi, kËniglicher Weiser, Seher.
samsâra im Gegensinn zu nirvâna: Kreislauf der Erscheinungswelt, das sinnliche Da-sein.
savitar, der Erreger: die Sonne.
upanishad, Geheimlehre, philosophischer HËhepunkt der Veden, esoterische Erkenntnis.
Yavana, Jonier; gemeint ist Aristoteles.
der Veda, Sammlung indischer heilig erachteter Schriften; das theo-sophische Wissen–Gottes-Weisheit.
* die mit Sternchen markierten Abschnitte bei der Erklâ°rung des Sanskritwortes âkâsha sind der 2. Auflage von 1917 entnommen. Es handelt sich hierbei um zusâ°tzliche Begriffserklâ°rungen des Wortes. Ansonsten ist die 2. Auflage identisch mit der ersten von 1912. (Anm. F.R.)
â¹bersicht des Inhalts der Upanishad.
I. Einleitung.–Der Menschheit irdische Ziele. Pr¸fung des aufzunehmenden Sch¸lers. Das Leid der Welt; Frage aller Fragen. UngelËste Widerspr¸che. Der Weg zur Erkenntnis.
II. Ursprung. Erscheinung. VerkËrperung der Welt–âkâsha Zeitrâ°umliches Dasein der Welt. Raum ist nicht in sich. Zeit ist nicht in sich. Raum und Zeit sind eins. Zeitrâ°umliche VerkËrperung ist im Ich.
III. Aus Ursprung der Welt: Verlangen–kâma WeltschËpferische Kraft des Verlangens. Wille im Ich ist Zeit; Unwille im Ich ist Raum. Ich-entzweiung: râ°umlich entgegenstehendes Verlangen; Ich-zwiespalt: zeitlich wechselndes Verlangen. Verlangen ist nicht in sich; Verlangen ist im Ich.
IV. Aus Verlangen: Tat. Wirklichkeit der Welt–karma Ursache und Wirkung. Freiheit und Notwendigkeit. Tat und Duldung. Lust und Leid. Kein Gesetz dem Wissenden. Das Trinken der Vergeltung. Ausgleichende Gerechtigkeit der Gottheit. Alles Grauen dieser Welt ruht auf Lust. Alle Wirklichkeit dieser Welt ist im Ich.
V. Aus Tat: Verstand und Urteil–manas Urteil widerspricht sich im Raum; Urteil wechselt in der Zeit; Urteil hebt sich in sich selbst auf. Urteil ist nicht in sich. Urteil ist Willensausdruck. Es gibt kein Urteil–Urteil ist Ich.
VI. Durch Erkenntnis: Erwachen aus der Erscheinung–buddhi Das Verlangen der Welten. Sinnes-wahr-nehmung, Mâyâ. Neigung. Empfindung und Bewegung. Seele und VerkËrperung. Das verlangende Ich ist WeltschËpfer. Die Welt denkt nur Einen Gedanken. Das weltschaffende Wort. Das Problem der Vielheit. Die letzte Ent-tâ°uschung. Ich-lose Erkenntnis. dvandva-vidya, die Lehre von der sich selbst aufhebenden Welt. Seiend nicht seiende Welten. Traum und Wirklichkeit sind wesenseins. Das Durchschauen der Welt; Bekehrung; unio mystika. Vollendung in Gottheit–nirvâna.
VORWORT
Er, der dieses Werk geschrieben, ist gestorben vor der Herausgabe. Weil sein Werk der Niederschlag eines ganzen Lebens war, konnte es auch nicht beendet werden, bis dies Leben erf¸llt wurde. Das Titelblatt, worauf ich in der Eigenschaft als Herausgeber genannt bin, fand sich im Manuskipt so entworfen vor, wie es hier gedruckt ist. Es war schon vorbereitet in einer Zeit, als der Tod gar nicht nahe war. Andere sollten aussâ°en, was in seiner Seele gereift war.
Daï¬ mir die Aufgabe zufiel, ist selbstverstâ°ndlich. Seine Lehre war Inhalt meines Lebens geworden. Ich hatte ihre helfenden und gestaltenden Krâ°fte an mir lebendig gef¸hlt. Wie von einem Strom ist meine Seele von diesem Werke getragen worden, aus Einheit durch die Vielheit der Erscheinungswelt mit ihrem Heimatsverlangen, wieder zur¸ck zur Einheit. In diesem Werke heiï¬t es: Aus einer Quelle flieï¬t: sich eines Andern Seele nâ°hern, sich von eines Andern KËrper nâ°hren. Dar¸ber ist gesagt: “Aus Verlangen und Nâ°hrung hat Brahma diese Welt gebildet.” “Darum lebt alles dieser Welt durch Nâ°hrung, durch einver-Leibung, durch an-Eignung; darum lebt alles Ich durch ein anderes und lebt kein Ich ohne nicht-Ich, und lebt alles Ich durch nicht-Ich, seelisch und sinnlich.
Also beschrâ°nkt sucht Ich Unbeschrâ°nktheit, also unvollstâ°ndig sucht Ich Vollstâ°ndigkeit, also unvollkommen sucht Ich Vollkommenheit, also verstoï¬en, sucht Ich nach dem verlorenen Paradiese, also einsam schreit Ich um Hilfe–es verlangt nach Allumfassen, nach All-einheit, nach Vollendung,–nach Nirvana.” Tief wurde meine Seele von den Bildern des Verlangens dieser Welt bewegt. Zu hËchstem Einklang sah ich das irrende gequâ°lte Verlangen, dieser in Qual und Lust erbebenden Erschein-ungswelt sich vor meinen Augen verwandeln. Eine ErlËsung sondergleichen, von der Natur selbst vollzogen. Trost und Ruhe stieg aus diesem Weke auf. Kein Wort traf meine Seele, das ¸bersinnlich zu werden trachtete, aber ein gewaltiger Strom nahm die heimatlose Seele auf und trug sie unaufhaltsam einem unaussprechlichen Ziele zu, vor dem jeder Gedanke und jedes Wort umkehrt.
Mir schien dieses Werk wie eine Heimat und Zuflucht derer, die sich scheuen vor jedem Wort und jedem Bild, das sich ihrer Heimatssehnsucht erbarmen mËchte.
Mit Naturnotwendigkeit f¸hlte ich mich ¸ber das unstillbare Verlangen dieser Welt hinauswachsen, ohne Weltflucht–durch Weltvertiefung, durch Versenken in die Welt der Erscheinung und des Verlangens. “Anziehung und Abstoï¬ung ist Verlangen, br¸nstige W¸nsche –inbr¸nstiges Gebet–Liebe wie Haï¬. Niederste Gier ist Verlangen nach dem HËchsten.”
Nichts ist zu niedrig, um nicht das HËchste zu bergen! Welch erbarmungsvoller Gedanke!–Von diesem Standpunkt aus–eine Heiligung sondergleichen der ganzen Natur. Ihre Geheimnisse und Schrecken, wandeln sich in uns zum HËchsten, wir brauchen der Natur nicht zu entfliehen; wir sind geborgen. Die Welt–zu Ende gedacht– ist ErlËsung.
Das ist der Standpunkt, von dem es mir mËglich war, alles, was diese Lehre mir bot, zu erfassen.
Und wenn ich mich frage: Was hat dem Werke, vordem es in die Welt geht, so viel Macht gegeben auf jene Menschen, die ihm bereits nahe traten, so mag es wohl dies sein, auf das ich hier hindeute, und was einer der teuren Freunde, die mit dem Werke lebten, aussprach: “Es wurde eine Heimat, ein Ruheplatz, wohin ich stets zur¸ckkehren werde, wo ich mich hingehËrig empfinde, es wurde mir ein ureigenster Besitz.” Auch die Einheit dieses Werkes ist auf dem schweren Weg durch die Vielheit enstanden. Seine K¸rze ist die Tat langer Jahre eines Lebens. Ich kenne den weiten Weg, ich durfte ihn mitgehen, der zur¸ckgelegt werden muï¬te, um solches Ineinandergreifen aller Teile zu schaffen, um solche einheitliche Zusammenfassung aus dem Ganzen herauswachsen zu lassen. Ich erlebte es mit, welch starke Verbindung schâ°rfster Verstandestâ°tigkeit mit den Krâ°ften seelischen Schauens dazu gehËrt, um die schwierigsten Gedankengâ°nge und ihre anfâ°nglich unmËglich erscheinenden Ergebnisse zu solcher Einfachheit der Vorstellung, zu solcher Selbstverstâ°ndlichkeit des Ausdrucks auszugestalten. Es war ein langsames Schaffen; aber ein sicheres Wachsen, immer aus dem Lebenszentrum, dem Ich-Punkt heraus. So entsteht ein Naturgebilde.
Alles von der Natur Geschaffene stellt sich uns mit so sicherer Selbstverstâ°ndlichkeit dar, daï¬ wir nur schwer dazu gelangen, seine Bedingtheit aus unendlicher Zusammensetzung zu begreifen. Alles Vereinheitlichte und darum Einfache ist schwer zu ergr¸nden. Das gilt auch f¸r diese Schrift: sie lesen zu kËnnen–das ist eines schwere Kunst und Wenige werden sich dazu hinringen. Paracelsus sagt:
“Was unmËglich gesagt wird, was unverhofflich und gar verzweiflich ist, wird wunderlich wahr werden und soll sich niemand verwundern ¸ber den kurzen Weg und kurzen Begriff, denn das Viele ist die Quelle von vielem Irrtum.”
Wir lernten “das sich dazu hinringen” durch ihn selbst. Er war uns der PfËrtner, der uns das schwere Tor auftat. Durch ihn empfanden wir, wie wenig alle Worte sagen, selbst seine Worte, die nicht mehr nur Worte der Sprache sind, die zu tiefen Bildern fast unsagbarer Dinge wachsen.
An der Bildung der Worte, der Enstehung der Sprache, waren, wie bei allem Schaffen, die hËchsten Ahnungen lebendig mit am Werke. Diese urspr¸nglichen Ahnungen tiefster Wahrheiten scheinen gleichsam durch die viel gebrauchten Worte hindurch, wachen wieder auf, sprechen sich im Worte selber wieder aus, sobald die Sprache schËpferisch behandelt wird.
Die k¸hnste Anwendung der Sprache deckt sich hier mit ihrem urpr¸nglich einfachsten Sinn.
Es ist, als ob nicht ein einzelner Mensch sprâ°che, sondern als ob der Geist der Sprache sein wissen von sich selbst offenbarte. Der, der diese tief lebendige, wissende Sprache sprach, ging den Weg seines Werkes. “Wortlos das Letzte” ist dort das Schluï¬wort. Er hat auch davon uns noch ein St¸ck erfassen lassen durch seinen groï¬en Tod. In Schweigen versank die Sinnenwelt, das unaussprechliche leuchtete auf, das gesucht, in sich und in allen Dingen, lebenslang; verklâ°rt f¸hlte er es nahen.
Dieses Buch ist seine Wegspur dorthin.–Zu Ende der Weg; erreicht das Ziel;–wortlos das letzte.
F¸r mich ist es eine Notwendigkeit, ebenso gewollt wie schmerzlich und doch freudig, den innig beh¸teten Besitz, der bisher nur still und verehrt Nahestehenden dargeboten wurde, Ëffentlich hinauswirken zu lassen in die groï¬e, dieser Lehre so fremde Welt, damit sie die Wenigen finde, denen sie ihre Leuchtkraft mitteilen soll, die ein inneres Recht auf sie haben.
Solche wird sie finden; ich weiï¬ es, weil nicht ich allein die heilsame Klâ°rung im Wirrsal des Lebens daraus empfing. Ein Kreis von Sch¸lern und Verehrern hatte sich langsam um den zur¸ckgezogenen Denker versammelt.
Es lag mir nahe, Ausspr¸che der kleinen Gemeinde dem Werke mitzugeben, eine wâ°rmende H¸lle von Liebe, die sich bereits darum gebildet hatte;–scheint doch dies Werk auf den ersten Eindruck dem gegenwâ°rtigen Leben so fern, als sei es aus dem Weltenraum auf die Erde gefallen; denn was aus Sehnsuchtsglut, die nie am Vergâ°nglichen Gen¸gen fand, geboren wurde, ist wie von der Unendlichkeit, die f¸r uns nicht irdische Lebenwâ°rme birgt, angehaucht.–Ich tat es nicht und gab ihm nur meine groï¬e Liebe mit, die ihm durch ein Leben gehËrte.
Helene BËhlau al Raschid Bey.
DAS HOHEZIEL DER ERKENNTNIS
— âranâda-upanishad —
I.
IRDISCHE ZIELE
— samsâra —
So lautet die Upanishad:
om!
Auf das Geheiï¬ des Verehrungsw¸rdigen! Diese Unterweisung niedergeschrieben zu Stambul, im indischen Kloster auf Akssarai, begonnen am f¸nfzehnten Tag des Monats rebi ¸l evel im Jahre dreizehnhundertundvier.
*
Der Verehrungsw¸rdige spricht:
“Frieden sei aller Erscheinung!”
“Du hast, o Teurer, deinen Wissensweg fern von uns gesucht; hast du, im Abendlande belehrt, des Wissens Ziel–: ‘Befriedigung’ erreicht? Welches Begehren f¸hrt dich hierher?” –“Verehrungsw¸rdiger…”–
“Suchst du weitere Gelehrsamkeit oder verlangt dich, aus Nichtigkeit hinaus, nach letzter Erkenntnis?–Erfasse es wohl! denn unermeï¬lich ist, in allen Ewigkeiten und Unendlichkeiten unermeï¬lich, was du–erkennend–erringst.”
–“Verehrungsw¸rdiger! Ein Sch¸ler steht vor dir, das Holz zum Opfer in der Hand…”–
“Nun wohl!… Was von groï¬en Fragen bewegt dich?” –“Das Leid auf Erden, o Herr! Die Unabwendbarkeit des Verderbens, das Grauen und die Qualen der GeschËpfe–Woher ist der Ursprung des â¹bels in unserer Welt?”– “Ursprung des â¹bels? Hast du, o Teurer, was du so nennst, wohl erfaï¬t und vermËchtest mit klaren Worten zu antworten?” –“Keine Antwort, Verehrungsw¸rdiger!”– “Hat dich, o Teurer, dein Lehrer ¸ber den Sinn der Fragebelehrt?” –“Verlangend war ich, o Herr…”–
“So hast du im Abendlande Wissen hier¸ber nicht erlangt?–Wer von Lehrern dort gibt Antwort–letzte Erkenntnis, unwiderleglich?” –“Unzureichend, Verehrungsw¸rdiger, ist alle menschliche Vernunft! der Widersinn der Welt ist un¸berwindlich”– “Dem ist nicht also, o Sohn!–Eines nur,–nur Eines… ist unerkennbar…”
–“Verehrung sei dir, o Herr! Wie kËnnte sich selbst Widersprechendes bestehn? Wie kËnnte Unerreichbares dem Wissen erreichbar werden?–Flieï¬t â¹bel und BËses aus der Gottheit, so ist es von der Gottheit gewollt. Will Gottheit BËses, so ist Gottheit bËse. Wâ°chst aber das BËse nicht aus der Gottheit, so ist es von der Gottheit nicht gewollt und ist dennoch,–so ist Gottheit in sich entzweit–zwei Gottheiten, die sich bekâ°mpfen, widersprechen, aufheben.–Der Widersinn ist unlËslich”– “Dem ist nicht also, o Teurer!”
–“0 Herr! Woher ist â¹bel und BËses in der Welt? Warum ist Leiden und Tod? Wenn es eine Antwort auf diese Fragen gâ°be, so w¸rden die Wissenden von ihrer Wahrheit erf¸llt sein; der Veda w¸rde sie uns lehren, die Gita, Yadschnav·lkya, der Buddha, Badar·yana, Shamkaratsch·rya, Lao-tse, Li-tse, die groï¬en Lehrer des Abendlandes…”–
“Dennoch ist es nicht also, o Teurer! dennoch ist es nicht also!” –“Diese Fragen sind ungelËstes Geheimnis; es gibt uns Menschen keine Antwort! Dies entgegne ich dir in Ehrfurcht, o Herr! Wenn aber dem nicht so ist, so wolle der Erleuchtete mich hier¸ber wahrhaft belehren.”–
“Eines–o Teurer, ist unerkennbar–nur Eines!–und Schweigen ist Antwort… Diese deine Fragen jedoch sind durchsichtig, tragen die Antwort in sich.”
–“W¸rdige mich der Belehrung, o Herr!”– “Nahe liegt die Antwort, leicht ist die Antwort auszusprechen, mit wenigen Worten ist die Antwort auszusprechen–weit der Weg, m¸hevoll der Weg zu Erkenntnis…”
–“Weise mir den Weg, o Mâ°chtiger! Laï¬ die Erkenntnis ¸berstrËmen auf mich, deinen Sch¸ler, der ich in Demut deine Kniee umfasse!”–
“Wohlan! Es sei! Tritt nâ°her, fasse meine Hand; gebiete deinem Herzen Ruhe und Ruhe den Gedanken.”
“MËge uns die Stunde g¸nstig sein! MËge der Geist der Upanishaden uns leuchten.”
“Fern von hier, in unsrer aller Heimat ruht das Feuer unter der Asche des Herdes; der MËrser tËnt nicht mehr unter den Hâ°nden arbeitsfreudiger Mâ°dchen; der Lâ°rm des Tages schweigt; aufgestiegen zum wolkenlosen Himmel ist der Opferrauch und heilige Elefanten k¸nden die Nacht…”
“Indessen von denen da drauï¬en, die sich Menschen nennen, der eine, gedankenlos wie ein Tier, sich dem Schlafe ¸berlâ°ï¬t und im Traume weiter nach zerrinnenden Freuden jagt,–indessen andere, unfâ°hig sich der Betâ°ubung des Lebens zu entreiï¬en, nichtige Reden f¸hren, verâ°chtliche K¸nste anstaunen oder ¸bersâ°ttigt und nie befriedigt in Weibesarmen ruhen,–ist uns die Stunde gekommen, nach dem Hohenziel des Menschen zu forschen.–Wohlan, o Sch¸ler, wiederhole deine Frage!”
–“Verehrung sei dir, o F¸rst! Ursprung des BËsen, Ursprung von Selbstsucht und Zwietracht, Ursprung des Unheils dieser Welt, Quell alles Leides; Quell alles Widersinnes, alles Irrtums, aller S¸nde dieser Welt, Frage aller Fragen, nie gelËste Râ°tsel!–: Wie ist sittliche Erkenntnis und Tat denkbar unter Herrschaft blinder Naturgesetze? Wie ist freie Willensentscheidung des Menschen vereinbar mit unabweisbarer Notwendigkeit alles Geschehens? Wie ist der Gegensatz zu ¸berbr¸cken zwischen Empfindung und Bewegung, Seele und KËrper, Gott und Welt?–Ich nehme meine Zuflucht zu dir, o mâ°chtig Beseelter! Weise mir den Weg ans Ufer der Erkenntnis–mir, dem Suchenden!”–
“Wohlan!–Wisse dich aufgenommen, o Sch¸ler! Schichte das Holz zum Opfer… Folge meinen Worten; schweigend folge,–du betrittst heiligen Weg. Folge mit offener Seele aus leicht verstâ°ndlichem Beginn von Stufe zu Stufe festen Schrittes zum letzten Ziele,–uns allen bestimmt. Ich offenbare dir verh¸llte Wahrheit–uralt heiliges Wissen–Upanishad.”
*
“O Teurer! Seit dem Tage Brahma st¸rmt unser Wohnsitz, die Erde, unaufhaltsam durch den Weltraum. Der segenspendende, totbringende Sonnenstrahl, mit jedem Augenblick rastlos vorr¸ckend, weckt die Scharen der GeschËpfe aus tiefem Schlaf zu kurzem Tagesbewuï¬tsein. Sie erwachen unter dem Einfluï¬ des Erregers Savitar–und ihr erster klarer Antrieb ist, sich Nahrung zu verschaffen, um das Leben weiter zu fristen. Alsbald halten sie Ausschau nach einem schwâ°cheren Genossen, um ihn zu ber¸cken und zu fressen.–Sie selbst haben es sich so ins Herz gelegt: andere zu vernichten, um sich zu erhalten. “Zu solchem Ziele ist jede Verschmitztheit, jede Frechheit, jede List und Gewalt, jedes Unrecht erlaubt und geboten, und belohnt sich auf der Stelle. Jede Unentschlossenheit, jede Abschwâ°chung des straffen, zielbewuï¬ten Willens, etwa aufkeimendes Mitleid, die leiseste bessere Regung, râ°cht sich unmittelbar: der Fang ist vereitelt und Hunger die Strafe. Darum Verdruï¬, wenn die Beute entgeht, und Herzensfreude, wenn sie rËchelnd am Boden liegt.–Kein andrer Ausweg: um zu leben–erbarmungslos morden.–Einst wirst du erkennen, aus welcher Tiefe solches flieï¬t. “So wird es ein gewohntes Handwerk, und seit Menschengedenken von Vater auf Sohn vererbt. Niemand weiï¬ es anders, jedermann ¸bt es unbedenklich aus, hâ°lt es lieb und wert, eignet sich willig die nËtigen Kunstgriffe an und zieht dann, wohl ausger¸stet, tagtâ°glich nach lockender Beute aus.
“Sehr bald wird der Raubende den Unterschied gewahr zwischen dem leicht und dem schwer zu erlangenden Fraï¬, zwischen der sicheren und der gefâ°hrlichen Jagd, zwischen der wehrlosen und der wehrhaften Beute, und er lobt das Eine und schilt das Andere, betrachtet das Eine mit Haï¬, das Andere mit Liebe, nur sich im Auge. Was sich fressen lâ°ï¬t, gefâ°llt ihm und er nennt es gut; was sich nicht willig hergibt, was widersteht, was gar ihn selber angreift, miï¬fâ°llt ihm und er nennt es schlecht und bËse. Fressend hâ°lt er das Tun f¸r lËblich und recht, doch selbst gefressen f¸r unrecht und bËse. “Er trifft sonach sorgfâ°ltige Auswahl und vermeidet die Jagd auf seinesgleichen, eingedenk, daï¬ Solche Waffen f¸hren wie er selbst: der Kampf ist gefâ°hrlich, der Erfolg nicht sicher. Es ist geratener, Schwâ°chere zu bekâ°mpfen, dem gleich Wehrhaften mËglichst aus dem Wege zu gehen; es ist vorteilhafter, sich mit ihm zu vertragen, gute Nachbarschaft zu halten–Frieden und Freundschaft, wenn solcher Nachbar, von gleicher Gier nach gleichem Ziel beseelt, zur Erlangung des Fraï¬es mitbehilflich ist.
“Notgedrungen verbindet er sich mit Gleichgesinnten, jagt und raubt gemeinsam mit ihnen, achtet auch das eingegangene B¸ndnis, solange es ihm dienlich scheint. Bei guter Gelegenheit jedoch kehrt er sich gegen seinen Bundesgenossen, entwendet dem â¹berraschten die Beute, wiederholt das bequeme Spiel so oft als tunlich und knechtet endlich den milderen oder minder schlauen Gefâ°hrten dauernd zu seinem Dienste.
“Sein bËses Tun trâ°gt ihm gute Fr¸chte. Durch B¸ndnis oder Waffenstillstand nach auï¬en leidlich gesichert, von Weib und Knecht im Jagen unterst¸tzt, gewinnt er Zeit zur â¹berlegung. Er beginnt an den kommenden Tag zu denken und lernt allmâ°hlich sich die Nahrung f¸r den Notfall zu sichern.
“Er gewËhnt sich sein Gebiet bedachtsam abzujagen; er hegt und erhâ°lt sich den Bestand nach MËglichkeit f¸r die Zeiten des Mangels; er schont das tragende Weibchen, sorgt f¸r den heranwachsenden Wurf und zâ°hmt ihn, um ihn besser zur Hand zu haben. Was er nun ehrlich erworbenes Eigentum nennt, beh¸tet er sorgsam und sch¸tzt es entschlossen gegen hungernde Mitbewerber; sch¸tzt seine Herden mit Gefahr seines Lebens gegen fremde Fresser–zum Fraï¬ f¸r sich. “So im Gef¸hle gesicherter Nahrung schaut er mit Befriedigung und Wohlgefallen auf die anwachsende Herde und liebt sie mit aufrichtiger Liebe. Erbarmungsloser Râ°uber und treuer Hirte! Beides wâ°chst aus derselben Wurzel und wird nur mit anderen Namen genannt–nur Worte, bloï¬e Lautverschiedenheit.
“Solchem Tun und Treiben haben sich seine Glieder, seine Sinne, sein Hirn, seine Denkungsweise angepaï¬t, er hat seine Gewohnheiten, seine Sitten, seine Gesetze darnach gebildet; er lâ°ï¬t sie sich nicht abstreiten, ¸berwacht sie eifrig, hâ°lt, was er sein gutes Recht nennt, unentwegt aufrecht und erachtet es f¸r heilig. “Das Rauben und Morden ist allmâ°hlich in fest gehandhabte und streng eingehaltne Ordnung gebracht, und alle Welt f¸gt sich freudig dieser Ordnung. Was jedermann an sich selbst als grauenvoll empfindet, wird dem Nâ°chsten gelassen angetan. Es wird kaltbl¸tig und mit Muï¬e gemordet und in sanften Formen gefressen. Es ist nicht mehr das sterbende Tier im letzten vergeblichen Widerstand, mit brechendem Auge, stËhnend, blut¸bergossen–nein, es sind gesittet zubereitete Speisen und friedlich heitere Mahle. Es nimmt kein Vern¸nftiger Anstoï¬ daran. Der Schmausende weiï¬ sich von niederer Begierde frei, von unantastbarer Redlichkeit, auf der HËhe der Gesittung–und das Tier, das sich Herr der SchËpfung f¸hlt, nennt sich–Erkenntnis in ferner Dâ°mmerung–Mensch, und seine MitgeschËpfe–Nutzvieh. “Nutzvieh sind ihm auch seine Weiber; er hat sie gegen Mitbewerber unter M¸hen erkâ°mpft und h¸tet sie nicht ohne Not. Er ¸berwacht sie, b¸rdet ihnen alle M¸hen auf und miï¬braucht sie zu jedem Dienst; er liebt sie, wie er seine Herden und seine Helfershelfer liebt. Er zankt und spielt wieder, flâ°tscht die Zâ°hne und liebkost, schmeichelt und lâ°ï¬t sich schmeicheln, liebt und verachtet, je nach Lust. “Und das Weib f¸hlt sich Mutter,–sie gebiert und sieht im Kinde sich selbst! Sie ¸bersch¸ttet den hilflosen Wurf mit der Liebe zu sich selbst, mit verschwenderischer, hingebender Liebe–jederzeit bereit, f¸r ihr eigen Fleisch und Blut sich aufzuopfern. “Der Erzeuger folgt zËgernd der Mutter: pflegt, ¸berwacht, erzieht die Brut; lernt sie mit Gefahr seines Lebens sch¸tzen–ja in freudig aufgenommenem Kampfe vergiï¬t er sich selbst und opfert sich f¸r sein Kind. Was selbstlose Liebe heiï¬t, ist auch in ihm aufgegangen. Er hat sich, gleich der Mutter, in einem von ihm abgetrennten, einem fremden Wesen–sich auï¬er sich–wiedererkannt; hat sich geopfert, um sich im Kinde zu erhalten–selbstlos aus Selbstsucht. “Wie aus der Gier, sich bequemen Fraï¬ zu sichern, Liebe zur Herde floï¬, so flieï¬t aus starrer Selbstsucht: –Aufopferung und Selbstlosigkeit. Es ist dasselbe Tun und wird nur mit einem anderen Namen benannt. Selbstsucht, zu Ende gedacht, ist Selbstlosigkeit. “Dies ist einfach und erklâ°rlich. Der du mich hËrst, wi﬒ es: Dies ist das Wunder aller Wunder,–ist Quell und Ursprung, Geburt aller Gottheit, aller Welten, Geburt aller Welten–Vernichtung aller Welten; Samsara–Nirvana.
“Die Welt ist Selbstsucht–Selbstlosigkeit unterliegt all¸berall und siegt unablâ°ssig; erlischt und flammt auf, vergeht und wâ°chst, ist und ist nicht–Nirvana in Samsara.
“So, o Teurer, kËnnen wir Menschen nachdenkend uns dieses vorstellen.–
“Doch, wie ein Elefant, der den Stachel des F¸hrers nicht f¸hlt, vom Wege abirrt und ¸ber das Ziel hinauslâ°uft,–so bin ich vom Gedanken abgewichen und habe mehr gesagt, als ich zunâ°chst sagen wollte.
“Wie auch das Tun und Treiben der Menschen erscheine, welch’ hohe Bezeichnung es auch f¸hre, welch’ heiligen Namen es auch trage–in diesem wirr verschlungenen Reigen ist nur Ein Gedanke, nur Ein Ziel: das Leben, das eigene Leben!–Ich! Ich, das sich aus dem Fleisch und Blut des Nâ°chsten aufbaut,–ich, das von der Vernichtung des Anderen lebt…
“Folgst du meinen Worten, o Teurer?” –“Mit ganzer Seele!–Du hast, o Herr, die Entstehung menschlicher Gef¸hle dargelegt, den Wechsel und Wandel der Gef¸hle, die Umkehr des Gedankens und die letzte Grundlage alles menschlichen Tuns!–Wolle der Verehrungsw¸rdige nunmehr auslegen, wie in dem Gesagten die Antwort auf unsere Fragen liegt?”– “Ich lehre es dich, o Teurer, du aber verstehst mich nicht. Ich habe es ausgesprochen, du aber hast es nicht gehËrt. “Wohlan denn! Da ich zunâ°chst von der Quelle redete, aus der alles Tun flieï¬t, ist dir nicht, o Teurer, der Gedanke aufgestiegen, daï¬ es nâ°her lâ°ge zu fragen, nicht wie das BËse, wohl aber wie das Gute in die Welt gekommen sei? Denn die Welt des Samsara ist durch Entzweiung, ganz im Banne des Zwiespalts, not- und leiderf¸llt, ganz im Banne nimmer gestillten Verlangens, ganz im Banne ewig friedloser Tat, allen Qualen preisgegeben, preisgegeben dem Tode. Wie in solcher Welt konnte der Gedanke des Guten entstehen?
“Indessen wie das BËse, oder wie das Gute in die Welt gekommen sei–beides sind m¸ï¬ige Fragen und die eine nicht besonnener als die andere.
“Leicht zu durchschauen sind die Fragen, offen liegt die Antwort, nahe Erkenntnis, weit der Weg.–Aus dem Dickicht aberwitziger Torheit will ich dir den Elefantensteg treten, dich hinauszuf¸hren zu sonnenklarer Einsicht.
“Wie wenn Einer im pfadlosen Urwald irrend, vergeblich den rettenden Ausweg sucht und bei sinkender Nacht, zu Tode erschËpft und jedweder Hoffnung bar, sich zum Sterben zu Boden wirft–und erwacht am hellen Tage und erkennt die Umgebung und sieht sich nahe seiner Heimat–so erwachst du im Lichte der Erkenntnis und siehst dich nahe dem urewigen Ziel.
“Ich f¸hre dich aus blindem Wahn zu Erkenntnis, aus Todesgrauen zu Seeligkeit, aus Verlangen zu Erf¸llung–und leuchten mËge uns das Licht des Veda, das Licht des Veda!”
*
So lautet in Aranada-Upanishad die Pr¸fung; nunmehr die Unterweisung: Akasha, dieser atmenden Welt Erscheinung.
II.
VERK÷RPERUNG DER WELT
— âkâsha —
O Teurer! Zu dem, was ich dir zu sagen gedenke, behalte vor Augen: Alle groï¬e Wahrheit ist gedacht, verk¸ndet alles groï¬e Wissen; uns bleibt uralter Weisheit nachzuleben.
Beachte wohl: Erkenntnis offenbart sich wortlos; die Upanishad, um gehËrt zu werden, muï¬ in Worten reden. Laï¬ dein Verstâ°ndnis nicht an Worten haften; Worte sind Hindernis der Erkenntnis: denke und erfasse ¸ber Worte hinaus.
Ehe wir zur HËhe ansteigen, gehen wir im Tale den betretenen Pfad –glaube nicht zu schauen, ehe du dich dem Gipfel nâ°herst. Wâ°hne nicht zu erkennen, ehe du den tief innersten Gedanken der Upanishad in dich aufgenommen hast–: aller Welten Ziel: das Erwachen aus der Erscheinung.
*
Also ist die erste Unterweisung:
— AKASHA —
dieser atmenden Welt zeitrâ°umliche Erscheinung. Stelle dir vor, o Teurer, es umfasse die enge Klause, in der wir weilen, die ganze Welt, und es sei kein empfindendes Wesen darin; was wâ°re auszusagen?
Nichts; ohne Empfindung kein Urteil. Du betrittst den Raum–und aus dem Nichts schafft sich Erscheinung, Bewegung und Gestaltung; KËrper, Eigenschaften, Krâ°fte, Wirkung, Entfaltung, Leben in endloser F¸lle und endlosem Wechsel; aus deiner Empfindung–die Welt.
Alsbald erscheint dir dieser Raum groï¬ oder klein, hoch oder niedrig, hell oder dunkel, heiï¬ oder k¸hl, schËn oder hâ°ï¬lich oder in irgend einer Beziehung deinen Sinnen erw¸nscht oder unerw¸nscht, und zwischen diesen Gegensâ°tzen alle Abstufung deiner Empfindung. Den Boden, auf dem du stehst, f¸hlst du unter dir, die Decke siehst du ¸ber dir; die Pforte, durch die du eingetreten bist, ist hinter dir; vor dir, weiten Ausblick gewâ°hrend, der offene Bogen; diese geschlossene Wand hier ist zur Linken, jenes die rechte Seite des Raumes.
Dies sind Bezeichnungen, Urteile, die unbestreitbar scheinen,– dennoch, sobald jemand dir gegen¸ber tritt, behauptet er, die Seite, die du mit rechts bezeichnest, sei die linke, und nennt die Wand, die du links nennst, die rechte. Beider Urteile kËnnen nicht zutreffend sein; sie widersprechen sich, sind Gegensâ°tze, die einander ausschlieï¬en, zu nichts aufheben.
Hier geschieht das Wunder, daï¬ eines mit einer bestimmten Bezeichnung und gleichzeitig mit dem Gegenteile dieser Bezeichnung belegt wird. Wer von den Urteilenden hat recht? Keiner–oder, wenn du willst, beide. Die Wand ist beides: rechts und links, also auch keines von beiden, weder rechts noch links. Keine LËsung, auch wenn etwa der Gegen¸berstehende zu dir her¸bertrâ°te und nun, in gleicher Stellung wie du, dir und deinem Urteil beistimmte. Gesetzt, es traten noch mehr zu dir, einsichtige Mâ°nner, gelehrte Brahmanen, solche, die sich f¸r Wissende halten, und alle waren eines Urteils: die bezeichnete Wand des Raumes sei die rechte;–wenn von allen zahllosen Wesen seit Zeitrâ°umen ohne Zahl nie anders erkannt worden, wenn es ein ewiger Glaubenssatz der Menschheit wâ°re und hieï¬e frevelhaft daran zu r¸hren–die Wand bleibt, was sie wahrhaft ist, weder das eine noch das andre, weder rechts noch links.
Alle die, welche mit dir in der Benennung der Wand ¸bereinstimmen, stehen mit dir auf gleichem Stand, vertreten deinen Standpunkt, sind deine Standesgenossen, nichts mehr. Wechselst du deinen Standort und trittst dir selbst gegen¸ber, so widersprichst du dem eigenen Urteil: aus rechts ist links, aus links ist rechts geworden. Das Urteil ist in dir; an der Wand selbst haftet nicht ein Hauch von den Unterscheidungen rechts und links. Wie der Schatten eines vor¸berfliegenden Vogels am Boden nicht haftet, so haftet nichts von diesen Unterscheidungen an der Wand, in keiner Gestalt, in keinem Sinne, weder offen noch verborgen, weder hier noch dort, weder heute noch je.
*
Dies, wovon ich dir rede, ist selbstverstâ°ndlich; folge mir weiter.
Stelle dir vor, o Teurer, der Raum, von dem wir reden, sei kreisfËrmig gezimmert. Du d¸rftest nicht mehr die ganze Wand, sondern nur eine Stelle der Wand, eine einzige kËrperlose, nur in Gedanken zu fassende Linie mit rechts oder links bezeichnen, und diese Linie w¸rde bei jeder Bewegung von dir, vor oder r¸ckwâ°rts schwankend, eine andere Stelle der Wand treffen.
Sodann: denkst du dir, dem Gedanken weiter folgend, den Raum, von dem wir reden, in den Hohlraum einer Kugel verwandelt und dein Stand sei im Mittelpunkte dieser Hohlkugel, so trifft die Bezeichnung rechts oder links je einen einzigen kËrperlosen, nur in Gedanken zu fassenden Punkt, und jede leise Abweichung von diesem einen Punkt spielt schon in fremde Verhâ°ltnisse hinuber: vorn, hinten, oben, unten. Jede deiner Bewegungen, jeder Atemzug, jeder Herzschlag lâ°ï¬t die Unterscheidungen rechts und links durcheinanderschwirren wie die Farben auf einer Seifenblase, und du kannst, je nachdem du dich wendest oder beugst, willk¸rlich jeden Punkt der Hohlkugel mit gleichem Recht und mit gleichem Unrecht mit rechts und mit links bezeichnen. Die Gegensâ°tze rechts und links haften an dir, sie bewegen sich mit dir, folgen dir, wenden sich mit dir; sie stehen und gehen, sie ent-stehen und ver-gehen mit dir. Rechts und links ist da, wo du es willk¸rlich hinverlegst, ¸berall–nirgends. In deinem Herzen sind die Auseinandertretungen, deine eigene SchËpfung die Unterscheidung rechts und links; du ¸bertrâ°gst eigene Schaffung–Eigenschaft–aus dir hinaus, nichts mehr; an sich ist kein rechts und kein links, einzeln nicht und zusammengenommen nicht. Die Urteile heben sich gegenseitig auf, nichts bleibt–in dir allein sind die Unterscheidungen.
Doch frage dich, o Teurer, wo best¸nden in dir die Unterscheidungen, wenn du dir vorstellst, daï¬ du dich in deinem eigenen KËrper umzuwenden vermËchtest; woran kËnnten die Merkmale rechts und links in dir haften, wenn du dich kugelfËrmig gestaltet vorstellst, oder wenn du dich formlos, kËrperlos denkst?
*
Und endlich–von unserer Klause hier ging ich aus–stelle dir vor, dieses hier sei die ganze Welt und auï¬er dir kein empfindendes Wesen darin
–und du selbst seist nicht–
–verschwunden sind die in Rede stehenden Unterscheidungen, ausgelËscht, in nichts gesunken; sind nicht und waren nicht; Spiel deiner Seele–wesenlose Erscheinung.
Du hast erkannt:
Die Vorstellungen rechts und links sind nicht an sich, sind in Gegensâ°tze zerfallene, an sich nichtige Unterscheidungen in dir; von scheinbarer Verschiedenheit–ununterschieden an sich; von scheinbarer Bedeutung–bedeutungslos an sich; aus dir gewirkte Wirklichkeit dieser Welt–nicht Wahrheit. Was von diesen Unterscheidungen–in dir als Urteil,–auï¬er dir als Eigenschaft des Gegenstandes erscheint, ist nur Kennzeichnung deines Standortes im Raum, dein zu-Stand zum gegen-Stand, deine eigen gewâ°hlte Haltung, dein beliebiges Verhalten–dein Verhâ°ltnis zu den Dingen im Raum; deine frei-willig eingenommene Stellung– vor-Stellung, will-k¸rlich aus dir geschaffen, Ausdruck deines Willens, aus dir geboren, deine eigene SchËpfung–du selbst.
* * *
Und ferner desgleichen:
Dem gefundenen Ergebnis in betreff der gegenteiligen Unterscheidungen rechts und links schlieï¬en sich unmittelbar und in allen St¸cken an die gegenteiligen Unterscheidungen vorn und hinten, oben und unten.
Beim ersten fl¸chtigen Hinschauen zwar scheint es, als beharrten die Urteile oben und unten auch unabhâ°ngig von dir und deiner jeweiligen Stellung, als bliebe oben oben und unten unten, welche Lage du auch einnimmst. Stellst du dir aber vor, daï¬ jemand, auf der Erdkugel stehend, mit erhobenem Arm den Ort am Himmel bezeichnen wollte, den er f¸r oben hâ°lt, und dicht neben ihm st¸nde ein zweiter, dasselbe tuend, so weichen die von ihnen als oben bezeichneten Punkte schon voneinander ab und in unendlicher Entfernung stehen sie unendlich weit auseinander.
Tr¸ge nun jeder Fleck der Erdkugel solche nach oben Weisende, jeder von ihnen vermËchte nur sein Oben, nicht das Oben zu weisen und desgleichen jeder von ihnen nur sein Unten, nicht das Unten, und das Urteil eines jeden widersprâ°che dem Urteil aller ¸brigen, und jeder Punkt des Himmels tr¸ge mit gleichem Recht und mit gleichem Unrecht die Bezeichnung oben und die Bezeichnung unten. In deinem Herzen sind die Auseinandertretungen, deine eigene SchËpfung die Unterscheidung: oben und unten. Oben und unten ist da, wo du es willk¸rlich hinverlegst, oben und unten ist das, was du willk¸rlich so nennst. Was hier oben ist, ist dort unten; was jetzt unten ist, ist dann oben; du wechselst deinen Standort nach Gefallen und deine Anschauung wechselt mit ihm: oben ist unten, unten ist oben –die Urteile heben sich durch Gegenurteil auf, nichts bleibt. Ich sage dir nichts Neues, ich erinnere dich nur.
Und ferner desgleichen alle verwandten Bezeichnungen, alle Richtung, Maï¬, Begrenzung, Verhâ°ltnis vorstellenden Urteile und alle ¸brigen auf Raum und Dinge im Raum ¸bertragenen, wie rechts und links, wie vorn und hinten, wie oben und unten, in Gegenteile zerfallenden, aus dir geschaffenen, auï¬er dir erscheinenden, an sich nichtigen Merkmale und Namen.
Alles Maï¬ ist in dir; alles Verhâ°ltnis, Ausdruck deines Verhaltens; aller Gegenstand in Beziehung zu deinem Willen oder Unwillen; aller Gegensinn in dir selbst.
*
Râ°umliche Vorstellungen und Urteile erscheinen unsicher und schwankend, sie greifen ineinander ¸ber, verflieï¬en ineinander, jede der Vorstellungen beginnt im Herzen der andren– Die Wahrnehmungen erscheinen gepaart, erscheinen eine die andre bedingend, sind nur durch gegenseitige Beziehung, sind nur durch Gegensatz zueinander–
Von getrennten Standorten aus widersprechen sich die gegenteiligen Unterscheidungen, verneinen einander, heben einander zu nichts auf– Râ°umliche Verhâ°ltnisse sind nicht an sich, sind nur in dir, entsprechen in dir deinem gegenwâ°rtigen Standort, deiner gegen-Wart; wechselst du deinen Standort, so wechselt mit deinem Gesichtspunkt deine Anschauung, die Urteile widersprechen sich auch in dir, verneinen sich gegenseitig auch in dir, heben sich auch in dir zu nichts auf–
Râ°umliche Unterscheidung hat an sich, hat in dir keine Geltung, ist gleichgiltig, gleich ungiltig, bedeutungslos, leer, nichtig–in dir, an sich; Erscheinung–nicht Wahrheit.
Du erwâ°gst: Raum an sich ist leer und bestimmungslos, wie vermËchten an leerem Raum râ°umliche Verhâ°ltnisse zu haften? Und du erkennst:
Was dir in râ°umlicher Anschauung als Verschiedenheit erscheint, ist willk¸rliche, durch gegensâ°tzlichen Standort in Gegensâ°tze auseinanderspaltende, an sich nichtige Unterscheidung in dir–aus dir gewirkt, auf dich wirkend, Wirkung und Wirklichkeit dieser Welt, nicht Wahrheit.
Was von solchen Unterscheidungen–in dir als Urteil–auï¬er dir als Eigen-schaft der Dinge erscheint, ist Ausfluï¬ deiner Eigen-heit, Abbild deiner selbst; ist dein Verhalten und Verhâ°ltnis zu den Dingen, dein Stand und ver-Stand, dein zu-Stand zum gegen-Stand; Kennzeichnung deiner Stellung zum gegen-stâ°ndlich aufgefaï¬ten Gedanken–deine vor-Stellung; ist Aus-legung deines innen-Lebens, Ent-gegnung deines Empfindens, sinnliche Ant-wort seelischer Bewegung, wider-Schein der von dir be-lieb-ten Wertung, Ausdruck deiner frei-will-igen Teilnahme, deiner will-k¸r-lichen Auffassung, deiner Wahl-verwandtschaft, deiner wechselnden Neigung und Gesinnung, ist dein Atem in Lust und Unlust, in Liebe und Haï¬; ist Ausdruck deines wechselnden Verlangens, deiner Willk¸r–Inhalt deiner Seele, aus dir gezeugte â¹ber-zeugung, deine eigene SchËpfung–du selbst.
Solches hast du klar erkannt, daran halte fest, unverbr¸chlich. –Eigengeschaffenes legen wir den Dingen bei und nennen es der Dinge Eigenschaften.–
*
AusgelËscht sind die Bedeutungen rechts und links, vorne und hinten, oben und unten, ausgelËscht alle dazwischen liegenden und alle verwandten, auf Raum bez¸glichen, im Raum verwobenen Verhâ°ltnisse: alles innen und auï¬en, alles hier und dort, alle Nâ°he und Ferne, alle Weite und Enge, alle GrËï¬e, alle Lage und Richtung, HËhe, Tiefe, Breite, Lâ°nge, alle Teilung, alle Grenzen, alles Maï¬. AusgelËscht alle auf Raum bez¸glichen Wahrnehmungen und Anschauungen, alle seine Unterscheidungen, alle seine Bestimmung, Bezeichnung, Benennung; bloï¬e Auffassung und Wertung, nur UnterstelIung und Beilegung, nur Namen–an sich nichts die sogenannten râ°umlichen Eigenschaften und Merkmale–: Erscheinung, nicht Wahrheit.
AusgelËscht mit ausgelËschten Merkmalen ist der Raum selbst.–Kein Raum auï¬er Ich, kein Raum im Ich, kein Raum mit ausgelËschtem Ich; Ansicht, nicht Einsicht, Anschauung–nicht Erkenntnis, eigen geschaffenes Trugbild, auf bloï¬er Vorstellung beruhend, aus dir gewirkte Wirklichkeit dieser Welt; nicht ist Raum an sich–nicht ist Raum Wesen und Wahrheit.
Solches hast du klar erkannt, von solcher Erkenntnis vermagst du ferner nicht mehr abzuweichen… es sei denn, daï¬ du–¸ber dieses hinaus–zu tieferer Einsicht gelangst.
Darum ist gesagt: “aus deiner Seele die Erscheinung: Raum.” –Es ist der Welt Atem, den du, als sei er auï¬er dir, sp¸rst.–
*
Und gewiï¬:
Gegensatz und Zwillingspaar ist Raum und Zeit; wie kein rechts ohne links, kein oben ohne unten, so kein Raum ohne Zeit, keine Zeit ohne Raum.
Wenn es in Wahrheit kein hier und kein dort gibt, so gibt es auch kein hin und kein her, kein auf und kein ab, kein vor noch zur¸ck, weder kommen noch gehen, weder steigen noch fallen, kein heben, kein senken, kein fluten, kein ebben, kein eilen, kein zËgern, keinen Stillstand, keinen Wechsel. Mit ausgelËschtem Raum ist Zeit ausgelËscht; wie es keinen Raum an sich gibt, so gibt es an sich keine Zeit.
Bei Erlâ°uterung der Unterscheidung oben und unten schien es zunâ°chst, als best¸nden diese Erscheinungen auch unabhâ°ngig von dir; beim ersten Hinschauen scheint es, als best¸nde Zeit an sich und unabhâ°ngig von dir. Doch wie die Vorstellungen oben und unten beim Durchschauen in Nichts versinken, so versinkt die Einbildung Zeit durch Erkenntnis in Nichts.
Wie dein Standort, den du im Raum einnimmst, bestimmt, was du mit den Worten oben oder unten, mit rechts oder links bezeichnest, so bestimmt dein Standort in der Zeit, dein Bestand, deine Anwesenheit, dein Da-sein, deine Gegen-wart, was du als Vergangenheit und was du als Zukunft unterscheidest, und wie jenen Wahrnehmungen, so kommt auch diesen keine Wahrheit zu.
Wie dein Standort im Raum die willk¸rliche Teilung eines Ganzen bestimmt, ein von dir gewâ°hlter Scheidepunkt, der dir das Recht zu geben scheint, gegensâ°tzliche Verschiedenheit zu schaffen, so schafft dein Standort in der Zeit, dein Da-sein, deine Gegen-wart Unterscheidung in einem in sich ungeschiedenen Ganzen und macht dich in gegen-Teile unterscheiden was eines ist. Zeit an sich ist leer und bestimmungslos; wie vermËchte an leerer Zeit zeitliche Bestimmung und Unterscheidung zu haften? Nur von dir aus gibt es ein rechts und links, nur aus dir gewirkt und auf dich wirkend ist ein oben und unten, ein vorher und nachher, nur in dir ist und ist wirkend, was du Zeit nennst. Vergangenheit scheint vorbei, Zukunft scheint zu kommen; der Tag scheint vorbei, die Nacht scheint zu kommen. Verschieden wie Tag und Nacht scheint Vergangenheit und Zukunft, unvereinbar, ewig voneinander getrennt. Seit dem Tage Brahma, o Teurer, sind auf unserm Wohnsitz, der Erde, die unterschiedenen Zeiten, die vergangenen und die kommenden, Tag und Nacht zu gleicher Zeit. Zu ein- und derselben Zeit ist Morgen und Abend, Mittag und Mitternacht und jede Stunde des Tages und der Nacht, ewig gleichzeitig, zu ein- und derselben Zeit. Ununterbrochen brennt auf der Erde Mittag, ununterbrochen k¸hlt Mitternacht und alle verschiedene Zeit zur selben Zeit.–Eines ist, was getrennt erscheint. Der Tag, der vergangen scheint, ist noch; die Nacht, die zu kommen scheint, ist schon. Es wâ°hrt vergangene und zuk¸nftige Zeit ununterbrochen–in dir sind die Gegensâ°tze; jener heilige Savitar, die Sonne strahlt ewigen Tag. Und wie Sterne, vom Tage ¸berleuchtet, den Sinnen nicht gegenwâ°rtig sind, doch der Seele gegenwâ°rtig–so ist Vergangenheit und Zukunft, von Gegenwart ¸berleuchtet, deinen Sinnen nicht gegenwâ°rtig, doch gegenwâ°rtig deiner Seele. Vergangenheit war einst deine Gegenwart; Zukunft wird einst deine Gegenwart. Was Vergangenheit ist, war einst deiner Gegenwart Zukunft; was Zukunft ist, wird einst deiner Gegenwart Vergangenheit– Ich-Gegenwart beharrt in Vergangenheit und Zukunft. Wie du, dich selber tâ°uschend, den Raum vor dir vom Raume hinter dir unterscheidest, so unterscheidest du, dich selber tâ°uschend, Zeit vor dir von Zeit nach dir. Wende dich in dir, und Vergangenheit wird Zukunft und Zukunft wird Vergangenheit. Daï¬ du die Zukunft schaust, ist nicht wunderbarer, als daï¬ du dich der Vergangenheit erinnerst. Du err-inne-rst dich der Zukunft, wie du dich der Vergangenheit erinnerst, und Zukunft und Vergangenheit ist ewige Gegenwart. Erinnerung ist Verklâ°rung, Beseeligung von Raum und Zeit. Vergangenheit an sich ist nicht Zeit, denn Vergangenheit war, ist also nicht; ist nur Erinnerung an Zeit, Denktâ°tigkeit, nichts mehr. Zukunft an sich ist nicht Zeit, denn Zukunft wird erst, ist also nicht; ist nur Erwartung von Zeit, ein Gedankenbild, nur in Beziehung auf das, was wir Zeit nennen, nicht Zeit selbst. H.B. Einen Hungrigen sâ°ttigt nicht die Erinnerung an fr¸here Sâ°ttigung und nicht Hoffnung auf spâ°tere Sâ°ttigung; weder Hoffnung auf Nahrung noch Erinnerung an Nahrung ist Nahrung. Weder Erinnerung an Zeit noch Erwartung von Zeit ist Zeit. Wenn Zeit wâ°re, so kËnnte nur Gegenwart Zeit sein. Gegenwart jedoch ist nur Standort des Ich, nur Anwesenheit, nur Gegenwâ°rtigkeit des Ich, nur die Scheide zwischen dem, was Ich Vergangenheit und dem, was Ich Zukunft nennt: eine nur in Gedanken zu fassende Scheide, ohne Ausdehnung, nur ein Ber¸hrungspunkt von Gedanken und selbst nur Gedanke in dir–Ich-gegen-wart, nichts mehr. Keine Zeit vor deiner Gegenwart, keine Zeit nach deiner Gegenwart, keine Zeit ohne deine Gegenwart; deine Gegenwart ist Zeitewigkeit. Wie Zeit je nach deiner Empfindung stille steht oder flieht, wie du in einheitlicher Zeit gute und schlechte Zeiten unterscheidest, wie du Erwartung und Erinnerung in dir schaffst, so schaffst du Zeit in dir.
*
Du erkennst:
Was dir als Vorgang in der Zeit, als Beharren oder Wechsel, als Dauer oder Ænderung erscheint, ist nicht an sich, ist willk¸rliche, von deiner gegen-Wart aus in gegen-Teile auseinanderspaltende, an sich nichtige Unterscheidung in dir–
Was von solchen Unterscheidungen–in dir als zeitliches Urteil –auï¬er dir als zeitliche Eigenschaft der Dinge erscheint, ist Inhalt deiner Seele, Ausdruck des Verlangens in dir, Abbild deiner selbst;– Kennzeichnung deiner gegen-Wart zum gegen-Stand, Kennzeichnung deiner Auffassung und Wertung, Wiedergabe deiner wechselnden Gesinnung, dein Atem in Lust und Unlust, willig-un-willige Auffassung in dir, in dir gezeugte ein-Bildung, deine eigene SchËpfung–du selbst.– Keine Zeit vor dir, keine Zeit nach dir, keine Zeit ohne dich.
Solches hast du klar erkannt.
–Eigen Geschaffenes legen wir den Dingen bei und nennen es der Dinge Eigenschaften.–
*
AusgelËscht sind die in Rede stehenden Wahrnehmungen, nur verschiedene Benennung die erscheinende Verschiedenheit; wie die Unterscheidungen rechts und links, wie oben und unten, nur Namen, an sich nichts die Unterscheidungen Vergangenheit und Zukunft, bloï¬e F¸r-wahr-nehmung, nicht Wahrheit.–
AusgelËscht mit ihren Teil-Erscheinungen und gegenteiligen Merkmalen ist die Erscheinung Zeit selbst, Empfindung–nicht Erkenntnis, eigen geschaffenes Trugbild, aus dir gewirkt, auf dich wirkend, Wirkung und Wirklichkeit dieser Welt. Nicht ist Zeit an sich –nicht ist Zeit Wesen und Wahrheit.–
Darum ist gesagt: “Aus deiner Seele die Erscheinung: Zeit.” Darum ist gesagt: “Zeit ist scheinbare Wahrheit”. “Ich bin nicht in der Zeit, ich selbst bin Zeit.”
–Es ist der Welt Atem, den du, als sei er in dir, sp¸rst.–
* * *
AusgelËscht ist alle auf Raum, alle auf Zeit bez¸gliche Anschauung und Auffassung, alle auf Raum und Zeit bez¸gliche Wahrnehmung und Eigenschaft, alle Unterscheidungen, Verhâ°ltnisse, Merkmale, Bezeichnungen, Beziehungen, Beilegungen, Bedeutungen und alle ¸brigen auf Raum und Zeit ruhenden Empfindungen, Vorstellungen, Begriffe, Urteile, Namen;–in nichts gesunken: Ausdehnung, Maï¬, Zahl, Teilbarkeit, Einheit und Vielheit, Folge und Folgerung, Anfang und Ende, Entstehen, Vergehen, Unendlichkeit, Ewigkeit–m¸ï¬ige Fragen dem Wissenden–
Ausdruck deiner Gegenwart zum gegenstâ°ndlich aufgefaï¬ten Gedanken; deine Empfindung und nach auï¬en Verlegung, das ist Auslegung deines Inne-be-findens; ein-Bildung und wider-Spiegelung deiner Einbildung, das ist: vor-Stellung; deine eigene SchËpfung–du selbst–an sich nichts die sogenannten Eigenschaften der Zeit, die sogenannten Eigenschaften des Raumes–
AusgelËscht mit ausgelËschten Merkmalen und Unterscheidungen ist Zeit und Raum selbst–vernichtet! Zeit und Raum sind nicht in sich. Spiel deiner Seele, ein bloï¬er Traum!
Darum ist gesagt: “aus deiner Seele die zeit-râ°umliche Erscheinung”.
–Erscheinung!–sinnlicher Widerschein seelischer Empfindung in dir–deines eigenen Wirkens Abbild, eigengeschaffene Wirklichkeit dieser Welt–du selbst!–Keine Zeit, kein Raum in sich; keine Zeit, kein Raum in Wahrheit.
–Eigen Geschaffenes legen wir den Dingen bei und nennen es der Dinge Eigenschaften, eigen Gewirktes–Wirklichkeit dieser Welt.– Solches hast du klar erkannt, von solcher Erkenntnis vermagst du ferner nicht mehr abzuweichen… es sei denn, daï¬ du–¸ber dieses hinaus zu tieferer Einsicht gelangst.
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In dir ist Zeit und Raum, du selbst schaffst Zeit und Raum, zu eigener Lust; trâ°gst Zeit und Raum mit dir, wie du Leben und Welt mit dir trâ°gst. Ewig ist Zeit, unendlich ist Raum–ewig unendlich Ich und Welt.
–Es ist das Atmen der Welt, die du lebst; SchËpfer– Vernichter.
* * *
Und ferner, o Teurer!
Noch hat niemand diesem, wovon wir reden, sein volles Recht strËmen lassen, und nicht ¸berliefert wurde mir diese Lehre; in mir selbst trat zutage, wuchs und erstarkte die Erkenntnis. Und schon einmal habe ich der Welt diese Lehre verk¸ndet, als die Tochter des Vatschaknu vor dem KËnige der Videha mich befragte; aber unverstanden von der Welt blieb diese Lehre: –“was zwischen Himmel und Erde ist, und oberhalb des Himmels und unterhalb der Erde, was sie Vergangenheit und Zukunft nennen–Raum und Zeit–o Gargi, ist eingewoben und verwoben in der Erscheinung Akasha”.–Uraltes Wissen verk¸ndige ich dir wieder: der erscheinenden Welt zeitrâ°umliches Dasein.
*
Gegensatz und Zwillingspaar ist, was du Raum und Zeit nennst. Durch Ur-sprung ist Raum, durch Raum–Zeit; wie rechts durch links, wie oben durch unten, wie Vergangenheit durch Zukunft. Wie kein rechts ohne links, kein oben ohne unten, keine Vergangenheit ohne Zukunft, so kein Raum ohne Zeit, keine Zeit ohne Raum. Zeit ohne Raum wâ°re nirgend; Raum ohne Zeit wâ°re nie.
Alles was im Raum ist, entsteht und vergeht in der Zeit; alles was in der Zeit ist, entsteht und vergeht im Raum. Zeit ist ewig ¸berall, Raum ist ¸berall ewig. Zeit und Raum bedingen einander. Zeit und Raum miï¬t sich aneinander: ‘ein Zeitraum, eine Stunde Wegs, eine Spanne Zeit, ein Tagwerk Land, eine geraume Zeit.’ Zeit und Raum ergâ°nzen einander. Dem Nebeneinander des Raumes entspricht das Nacheinander der Zeit. Zeit und Raum treten f¸r einander ein. Bewegter Raum wâ°re Zeit; ruhende Zeit wâ°re Raum. Ausgebreitete Zeit heiï¬t Raum; dauernder Raum –Zeit. Zeit und Raum schafft einander; Zeit und Raum hebt einander auf–Gegensâ°tze, die einander schaffend, einander aufheben. Gegensâ°tze Zeit und Raurn sind gegen-Paare, halb-Teile eines Ganzen. Gegensatz in sich nennt Ich: Zeit, Gegensatz zu sich nennt Ich: Raum. Spaltung im Ich–Zeit; gespaltenes Ich–Raum. Gegensatz râ°umt–Gegensatz zeitigt.
*
Weder hat Zeit einen Anfang, noch ist Zeit ewig; weder hat Raum ein Ende, noch ist Raum unendlich–weder ist Zeit und Raum real, noch ist Zeit und Raum ideal;–Zeit und Raum ist Gedanke im verlangenden Ich.
Zeit-Gegenwart ist ohne Dauer, also nicht Zeit; Raum-Punkt ist ohne Ausdehnung, also nicht Raum. Zeit-ewigkeit wird nicht aus Zeit, Raum-unendlichkeit wird nicht aus Raum, und wie Zeit-ur-teil keine Zeit ist, so ist Zeit-ewigkeit keine Zeit; wie Raum-ur-teil kein Raum ist, so ist Raum-unendlichkeit kein Raum. Zeit und Raum ist Gedanke im urteilend schaffenden Ich.
Ich ist Zeit-einbildung, Ich ist Raum-vorstellung. Im Ich ist ewig Zeit; im Ich ist endlos Raum. Weil Ich selbst Zeit und Raum ist, darum ist Zeit immer, wann Ich ist; darum ist Raum immer, wo Ich ist; Zeit und Raum ewig unendlich, da Ich ist. ‘Ewig’ ‘unendlich’ aus dem Ich geschaffene, das Ich selbst bezeichnende Worte, Ich-ausdruck, nichts mehr.
Ich ist Ausdehnung in sich zu ewiger Zeit–auï¬er sich zu unendlichem Raum. Ich ist gegen-Wart zu Zeit und Raum. Ich-Atem, Ich-Bewegung, Ich-Ausdehnung, Ich-Wandel, Ich-Wirk-lichkeit ist Zeit und Raum. Wechselndes im Bleibenden, Beharrendes im Wechselnden: Ich.
Keine Zeit, kein Raum ohne Ich: einen Augenblick bewuï¬tlos–eine Ewigkeit bewuï¬tlos.
‘In der ‘Zeit’ heiï¬t vom Ich-bewuï¬tsein als Zustand in sich unmittelbar umfaï¬t; ‘im Raum’ heiï¬t mittelbar, vermittelst der Sinne erfaï¬t. Im Bereich des Ich-bewuï¬tseins heiï¬t Zeit, was dar¸ber hinaus Raum heiï¬t. Vom Ich empfunden–Zeit, vom Ich angeschaut–Raum; seelisch empfunden–Zeit, sinnlich angeschaut–Raum.
Bei gedankenlosem Hinschauen zwar erscheint Zeit und Raum verschieden, verschieden wie Tag und Nacht, wie Vergangenheit und Zukunft, unvereinbar, ewig voneinander getrennt. Ansicht–nicht Einsicht; Wahr-nehmung–nicht Wahrheit.
Zeit und Raum sind nicht auseinanderzuhalten: –frage dich, o Teurer, durch welche Bestimmung kËnnten Zeit und Raum, beide an sich leer an Bestimmung, voneinander verschieden sein? Eines ist, was du in dir Zeit, was du auï¬er dir Raum nennst–zwei Namen f¸r das Selbe: atmendes Verlangen in dir.
Sprich es unverstanden nach–mit vorschreitender Erkenntnis gelangst du zu vollem Verstâ°ndnis.
*
Wie du, dich selber tâ°uschend, den Raum ¸ber dir vom Raum unter dir unterscheidest, wie du, dich selber tâ°uschend, Zeit vor dir von Zeit nach dir unterscheidest, so unterscheidest du, dich selber tâ°uschend, Zeit in dir von Raum auï¬er dir. Wie deine Gegenwart im Raum bestimmt, was du hier und was du dort nennst, wie deine Gegenwart in der Zeit bestimmt, was du als vorher und was du als nachher unterscheidest, so bestimmt deine Gegen-wart im Da-sein, was in dir zeitlich, was auï¬er dir râ°umlich erscheint. Wie deine Gegenwart in Zeit und Raum die Teilung eines Ganzen bestimmt–ein willk¸rlich gewâ°hlter Scheidepunkt, der dir das Recht zu geben scheint, Gegenteiligkeit zu schaffen, ein rechts und ein links, ein oben und ein unten zu unterscheiden, ein vorher und ein nachher, so schafft dein Da-sein, deine Gegen-wart, dein Ich-Bewuï¬tsein,–du selbst–Unterscheidung in einem ungeschiedenen Ganzen, macht dich in Zeit und Raum unterscheiden, was eines ist. Eines–scheinbare Zweiheit.
In deinem Herzen sind die Auseinandertretungen, deine eigene SchËpfung die Unterscheidung Zeit und Raum.–Als Zeit empfindest du, was dein eigen, als Raum, was dir entfremdet. Entlassend schaffst du Raum, aufnehmend Zeit, was aus-wendig Raum ist, ist in-wendig Zeit. Dein eigener Widerschein im Ich-Gedanken nennt sich Bestand, Dauer, Wechsel, Zeit; deinen eigenen Widerschein im entlassenen Gedanken nennst du drauï¬en, Gegenstand, Raum. Unterscheidung Zeit und Raum ist Unterscheidung: in dir–auï¬er dir; ist Empfndung und nach auï¬en Verlegung–Auslegung deines inne-Befindens; ist Ein-bildung: Zeit, und Widerspiegelung deiner Einbildung, Vor-stellung: Raum; Ich-zu-stand und Ich-gegen-stand– Ausdruck deiner wechselnden Gesinnung, deiner Zuneigung und Abneigung, Anziehung und Abstoï¬ung, Lust und Unlust, Liebe und Haï¬, Bejahung und Verneinung, Wille-wider-Wille im Verlangen–Abbild deiner selbst. Zeit und Raum sind nur andre Worte f¸r Ich und du; Unterscheidung Zeit und Raum ist Unterscheidung Ich und Welt–Ausdruck des Zerfalls im Ursprung. Davon wird dir in weiterer Unterweisung volle Klarheit.
*
Besinne dich und du erkennst: ununterschieden in sich ist Zeit und Raum; eines, was du mit ent-zwei-enden Namen bezeichnest; wie rechts und links, wie oben und unten, wie hier und dort, wie jetzt und einst –willk¸rliche, in sich nichtige Unterscheidung in dir. Und wie du solches von dem Gegen-sinn ‘rechts und links’, von dem Gegen-sinn ‘oben und unten’ klar erkannt hast, so wird dir klare Erkenntnis auch vom scheinbaren Gegensinn Zeit und Raum. Aller Gegensatz, alle Einheit ist in dir. Zeit und Raum sind Gestaltung deines Willens; Zeit und Raum sind andre Worte f¸r deinen Willen und f¸r das, was wider deinen Willen– wieder dein Wille ist;–Gestaltung deiner selbst! Eigene Lust dein Wandel; nach eigenem Gefallen wandelst du dich zu Zeit und Raum, wandelst Zeit zu Raum wie rechts zu links, wandelst Raum zu Zeit wie unten zu oben.
Es ist so–sprich es unverstanden nach. Die die Welten voneinander hâ°lt, diese Br¸cke ¸berschreite als ein Blinder. Aufleuchten wird einst in dir die Erkenntnis, aus welcher Tiefe solches flieï¬t.
*
AusgelËscht der Gegensinn von Zeit und Raum; auf Worten beruhend die erscheinende Verschiedenheit; ununterschieden an sich, weder das eine noeh das andre; dasselbe doppelt benannt, zwei Namen fur eines. Und gewiï¬: ist Zeit gleich Raum, so ist weder Zeit noch Raum. Was du Zeit und Raum nennst–in Gegenteile zerfallene, an sich nichtige Unterscheidung in dir–in Gegensinn auseinanderspaltendes Urteil, deine Willensgestaltung, Spiel deiner Seele, deine eigene SchËpfung–du selbst.
*
“Was du Zeit und Raum nennst, o GârgÃ, ist eingewoben und verwoben in Akasha.”
Durch Raum und Zeit wird alles dieser Welt, was Leben heiï¬t, was Tod genannt wird–ewiger Kreislauf–Geburt und Tod dieser Welt durch Raum-Zeit-Erscheinung:
— AKASHA —
dieser Welt Erscheinung–deines Verlangens sinnlicher wieder-Schein –dieser Welt wesenlose Erscheinung–Erscheinung des Wesens dieser Welt.
Aufleuchten mËge in dir die weltschËpferische Bedeutung des Wortes.
*
Darum ist gesagt: “auf Akasha geht diese Welt zur¸ck”– “Einklang von Seele und Leib.”
Darum ist gesagt: “Akasha–des Brahma Standort”–“Brahma leibhaftig geworden”–“deiner Seele Leib.” “Darum soll man als dieser Welt Keim Akasha wissen.” Sehend geworden erkennst du:
–Es ist der Welt, die dich lebt, Atmen– –atma–
* * *
So, o Teurer, kËnnen wir Menschen, der Erscheinung nachdenkend, uns dieses vorstellen; der Erkenntnis ehernes Tor, verh¸llte Wahrheit dem nicht Erkennenden–Upanishad.
*
So lautet in Aranada Upanishad der zweite Abschnitt: zeit- râ°umlicher Erscheinung Urbestand; nunmehr kâma, Verlangen.
III.
DAS VERLANGEN DIESER WELT
— kâma —
Zu dem, was ich dir ferner zu sagen gedenke, o Teurer! behalte vor Augen:
Es geschieht wohl, daï¬ von den dickkopfigen Ameisen eine mitten-von-einander bricht; alsbald kehren sich die getrennten Teile feindlich gegen einander: der Kopf greift mit den Kiefer an, der Leib wehrt sich mit dem Stachel.
Eben noch einheitlicher Bestand, Ein Ich mit Einem Bewuï¬tsein, Einer Empfindung, Einem Willen, von gleicher Sorgfalt f¸r alle Teile seines KËrpers erf¸llt–zerfâ°llt es vor deinen Augen in zwei Bewuï¬tsein, zwei Empfindungen, zwei Willen, zwei Seelen; jedes der beiden Teile f¸hlt sich selbstâ°ndig, ein “Ich”, und seine erste Tat ist Kampf gegen das, was es nicht mehr als sein Ich erkennt. Zwiespalt kËrperlich-seelisch; Gedanke dieser im Zwiespalt atmenden Welt; Ausdruck des ur-Sprungs: Kâma, Verlangen. Durch ur-Sprung: ur-TeilIch und gegen-TeilIch. Durch solche Teilung Verlangen in Ich und Ich;–das Auï¬er-einander von Ich und Ich ist Verlangen:
— KAMA —
*
Also ist die Unterweisung:
Ich kn¸pfe an Gesagtes an, o Teurer! Der Erreger, savitar, die Sonne, weckt die GeschËpfe–alsbald beseelt diese der Gedanke des Lebens: Kâma, Verlangen, und es folgt Jagd und Kampf.
Brennend vor Begier wirft sich der Eine auf den Anderen: “du bist meine Nahrung”–und der Sieger frohlockt: “ich tËte dich: es ist mein Recht.”
Vom Unterliegenden jedoch schallt voller Widerspruch zur¸ck: “ich will nicht sterben, du darfst mich nicht tËten, es ist unrecht und bËse!”
Du erwâ°gst zuvËrderst den Gegensatz im atmenden Verlangen im ‘Raum’ erscheinend.
Jeder der Beiden, hier wie dort, der Sieger sowohl wie der Unterliegende, will dasselbe: will leben, nicht sterben; will tËten und fressen, will nicht getËtet und gefressen werden. Hier wie dort Ein Gedanke, dasselbe Verlangen, dennoch Widerspruch, Zwiespalt, Gegensatz.
*
Du schaust den Gedanken unbewegt, einheitlich, ungeteilt: Kâma, Verlangen, Fraï¬; Fraï¬ ist sinnfâ°lliger Ausdruck des Verlangens. Es ist kein Zwiespalt, kein Gegensatz im Gedanken, im Wollen und Tun an sich; Zwiespalt, Gegensatz ist durch Ich und Ich. Zwiespalt, Teilung erscheint mit be-Teil-igung des Ich am Gedanken. Der Gegensatz entsteht durch zwiefachen Standort des Ich; im Ich, das hier will, und im gegen¸ber stehenden, entgegen stehenden, widerstehenden Ich, das dort wieder will–zwei gegen-stâ°ndliche Standorte des Ich–das ist Raumerscheinung:
I. Ich–hier:
“ich will dich fressen.”
II. Ich–dort:
“ich will dich fressen.”
*
Ich auf beidem Standort spricht den einheitlichen Gedanken, das einheitliche Verlangen: ‘Fra﬒ zwiefach aus, bejahend–verneinend. Ich auf beidem Standort bejaht den Satz und verneint damit den Gegensatz. Ich will–und will nicht das Gegenteil des Gewollten; Wille zur Tat, Unwille zur Duldung der Tat. Ich hier wie Ich dort: “ich will leben–nicht sterben, ich will fressen–nicht gefressen werden.”
Es ist Ein Gedanke, Ein Verlangen, Ein Vorgang: ‘Fra﬒; ‘fressen –nicht gefressen werden’ ist nur Lautverschiedenheit, nur sprachlich doppelter Ausdruck, dem Sinne nach dasselbe; nur Gewolltes bejahende, nicht-Gewolltes verneinende Redewendung, doppelte Bezeichnung f¸r Eines. Ich spricht in zwiefachen, Eines bedeutenden Worten einheitliches Wollen, den Einen ungespaltenen Gedanken aus; Gegensatz erscheint im raum-gespaltenen, im ent-zwei-ten Ich; im Ich, das hier will, und im Ich, das dort will, dort wieder will, das heiï¬t –wider will:
[Ich:]
I. Ich, angreifend und siegend will die Tat, bejaht, die Tat, spricht den bejahenden tâ°tigen Sprachausdruck des Verlangens–in Lust aufflammend:
“ich will dich fressen.”
[Ich im râ°umlichen ‘Gegen’stand:] II. Ich, angegriffen und unterliegend, will die Tat nicht, verneint was ihm Leid antut, spricht den verneinenden, leidenden Sprachausdruck des Verlangens–in Leid aufflammend: “ich will mich nicht fressen lassen.”
Kein Gegensatz im Verlangen, kein Zwiespalt, keine Teilung– gleichviel, ob sich der Gedanke in Einem Ich in zwiefacher Redewendung –bejahend–verneinend–ausspricht, oder ob sich der Gedanke in zwiefacher Redewendung als Wille und Unwille auf zwei Ich verteilt– zweiheitlicher Ausdruck des einheitlichen Gedankens: Verlangen. Kein Gegensatz in Gedanken–gleichviel, ob sich der Gedanke im tuenden Ich in Tat ausdr¸ckender Redeform ausspricht, oder ob sich der Gedanke im leidenden Ich in Leid ausdr¸ckender Redewendung widerspricht; gleichviel, ob der Gedanke im Ich, fressend, sich bejaht, im Ich, gefressen, sich verneint: –einheitliches Verlangen. Unber¸hrt bleibt der Gedanke, ungeteilt–Unterscheidung, Teilung, Entzweiung, Zwiespalt und Gegensatz ist durch Ich und Ich Dies ist kâma, Verlangen, in gegen-Teile ent-zweit, als Wille und wider-Wille erscheinend; im zu-Stand-Ich und im gegen-Stand-Ich; Ich râ°umlich auf zwei Standorten. Ich-ent-Zwei-ung.
*
Nunmehr der Gegensatz im atmenden Verlangen in der Zeit erscheinend.
Nichts weset ohne ein Zweites, kein Ding ohne seinen Gegensatz, kein Willen ohne gegen-Willen–kein Leben ohne Atem des Willens, wie kein Atem ohne Einhauch und Aushauch.
Es geschieht, daï¬ in den Beiden, die sich bekâ°mpfen, eine Wendung im Verlangen eintritt:
Im Sieger nach geschehener Tat: die Gier ist befriedigt, die Lust verraucht. Wie am bewegten SchËpfrad der Eimer gef¸llt emporsteigt und entleert wieder herabsinkt, so f¸llt sich das Verlangen, ¸bersteigt den HËhepunkt und fâ°llt. Bisher zur¸ckgedrâ°ngte Gedanken drâ°ngen vor. Der Sieger versetzt sich in die Lage des Opfers; das Mitleid erwacht, der Umschlag erfolgt; man sagt wohl: er ist nicht mehr derselbe, er ist ein anderer geworden: “ich will nicht tËten, es ist Unrecht. Lieber Unrecht leiden als Unrecht tun, lieber selber den Tod erdulden, als andere tËten.”
Sodann im Unterliegenden: “mein Widerstand ist vergeblich; ich unterliege.” Bisher zur¸ckgedrâ°ngte Gedanken drâ°ngen vor. Erinnerung an eigene Untat wird wach, der Umschlag erfolgt: “es geschieht mir Recht, ich verdiene den Tod; ich will mein Unrecht b¸ï¬en, will meine S¸nde s¸hnen: tËte mich, ich sterbe freudig.” Der Kampf ist aufgegeben, Frieden ist gewonnen; Aufopferung hat Raubgier abgelËst. Verraucht ist das Verlangen, aller Sittlichkeit hËchstgepriesenes Ziel erreicht–erstanden das Wunder: Selbstlosigkeit.
*
Du erwâ°gst zuvËrderst den zeitlich erscheinenden Gegensatz im Willen des angreifenden Ich–Wechsel von Tat zu nicht-Tat. Der Gegensatz erscheint als geâ°nderter Wille im Ich. Das Verlangen atmet, lebt, bewegt sich, wandelt, wechselt im lch. Ich verlâ°ï¬t seinen Stand, ver-stellt sich, nimmt andere Stellung zum Gedanken: “Ich wollte leben, wollte nicht sterben; wollte die Tat tun, wollte die Tat nicht dulden, wollte tËten und fressen, wollte nicht getËtet und gefressen werden”–
“jetzt will ich sterben, will nicht leben; will nicht tËten, nicht fressen, will getËtet und gefressen werden.” Im Willen des Ich ist Wandlung eingetreten–Gegensatz im wechselnden Willen in der Zeit erscheinend.
*
Du schaust den Gedanken unbewegt, einheitlich: kâma, Verlangen. Tat und Fraï¬ ist sinnfâ°lliger Ausdruck des Verlangens, Ausdruck des Wirkens dieser Welt.
Es ist keine Ænderung, kein Gegensatz in Verlangen an sich; Ænderung und Gegensatz ist im be-Stand des verlangenden Ich. Unterscheidung, Zwiespalt, Teilung erscheint mit be-Teil-igung, mit an-Teil-nahme des Ich am Gedanken. Der Gegensatz entsteht im Ich, das, wollend, in sich spaltet; das Verlangen bleibt, nur das zeitliche Ziel des Verlangens im Ich wechselt: Ich, das wollte–Ich, das anders will; zweierlei Verhalten, zwiespaltiger Zustand im Ich–das ist Zeiterscheinung.
I. Ich erst in Lust aufflammend, erst: “ich will fressen;”
III. Ich dann lustlos verlËschend, dann: “ich will gefressen werden.”
*
Der Gedanke bleibt Einer, einheitlich, ungeteilt: Fraï¬. Kein Fraï¬ ohne fressen und gefressen werden; beides liegt unmittelbar im Gedanken “Fraﬔ, “Fressen–gefressen werden” ist nur sprachlich verschiedener Ausdruck des Einen Gedankens; nur zweierlei Benennung f¸r ein-und-denselben Vorgang, nur tâ°tige und leidende Sprachform: nur Laut-Verschiedenheit, nicht Gegensatz in sich–Eines: Kama, Verlangen.
Wandel und Gegensatz erscheint im zeitgespaltenen Willen des Ich: Ich wollte und will das Gegenteil des zuerst Gewollten. Alles Wollen ist aus Tun und Dulden: Ich wollte die Tat tun–ich will die Tat dulden.
[Ich:]
I. Ich, erst, in Verlangen, Urteil, Tat sich schaffend, will das Leben, begehrt, hofft, will tun, bejaht den Gedanken zu solcher Zeit blind:
“ich will dich fressen, will nicht von dir gefressen werden.”
[Ich in zeitlichem Gegensinn:]
III. Ich, dann, nach aufgegebenem Tun, von treibender Lustempfindung frei, nicht mehr begehrend, ver-setzt sich in die Lage des Opfers, ver-stellt sich auf den Standpunkt des Gegners, versteht ihn, mit leidend, steht ihm bei,–urteilt nun von also entgegengesetztem Stand mit der Zeit ver-stâ°ndig, erkennend, wechselt mit gewechseltem Stand seine Ansicht, wendet sich im Gedanken, widerspricht sich selbst, gibt sich auf, will dulden, will den Tod: lustlos vergehend:
“ich will mich fressen lassen, will nicht fressen”
Es ist ein Gedanke, der sich im Ich ausspricht, gleichviel wie sich das Ich verlangend zum Gedanken stellt, es bleibt Ein Gedanke, gleichviel ob Ich den Gedanken tun, oder ob Ich den Gedanken dulden will, gleichviel ob das Ich, erf¸llt vom Gedanken, sich Henker oder Opfer f¸hlt–kâma, Verlangen.
*
Dieselbe zeitliche Wendung im angegriffenen, im widerstehenden Ich –Wechsel von nicht-Duldung zu Duldung– Ich wollte nicht und will dann nicht das Gegenteil des zuerst nicht Gewollten. Ich wollte die Tat nicht dulden–jetzt will ich die Tat nicht tun.
[Ich im ‘Gegen’stand, das ist: nicht-Ich:] II. Ich, angegriffen, verabscheut die Tat, widersteht, verteidigt blind seinen Standort, will nicht dulden; in Leid aufflammend: “ich will nicht von dir gefressen werden, will dich fressen!”
[nicht-Ich im zeitlichem Gegensinn:] IV. Ich, nach aufgegebenem Widerstand, im â¹bermaï¬ des Leides nichts mehr erhoffend, weder begehrend noch verabscheuend, gibt den bisher verteidigten Standort auf, ver-stellt sich auf den Standort des Henkers, ver-steht ihn, urteilt jetzt vom also entgegengesetzten Standort erkennend, will dulden, nicht tun, leidlos vergehend: “ich will dich nicht fressen, will mich von dir fressen lassen!”
Unber¸hrt bleibt der Gedanke–Unterscheidung ist im Ich, im zeitgespaltenen, im gewechselten Willen des Ich. Wille ist Ausdruck des Ich. Kein Wille ohne Ich, kein Ich ohne Willen. Wille ist Ich, Ich ist Wille.
Dies ist Kâma, Verlangen im Ich als wechselnder Wille atmend; Verlangen im selben Ich zeitlich in gegen-Teile gespalten erscheinend im Ich und wieder im Ich; Ich in zwei Zeit-zu-Stâ°nden; Ich-zwie-Spalt.
*
Erkenne zunâ°chst:
Gegensatz, Widerspruch, Zwiespalt, Entzweiung, Teilung, im Verlangen erscheinend, ist nicht an sich, ist willk¸rliche, durch gegensâ°tzlichen Ich-stand–in sich, auï¬er sich–in-gegen-Teile aus-ein-ander-spaltende, an sich nichtige Unterscheidung in dir, von scheinbarer Verschiedenheit,–ununterschieden in sich; von scheinbarer Bedeutung–bedeutungslos an sich; aus dir gewirkt–auf dich wirkend, Wirkung und Wirklichkeit dieser deiner eigen-geschaffenen Welt–nicht Wahrheit. Was als Gegensatz im Verlangen erscheint, ist in dir, ist Kennzeichnung deiner zeitrâ°umlichen gegen-Wart, deines da-Seins, ist Ausdruck deiner Beziehung zum gegen-Stand, ist deine Auffassung, deine Gesinnung, deine an-Teil-nahme, deine Stimmung, deine Lust oder un-Lust zum eigenen, gegen-stâ°ndlich auf gefaï¬ten Gedanken, ist Empfindung in dir und Auslegung, das ist nach auï¬en ver-Legung deines inne-Befindens, ist deine ein-Bildung und wider-Spiegelung deiner Einbildung, das ist: Vorstellung; Inhalt deiner Seele, Verlangen, aus dir geboren, deine eigene SchËpfung–du selbst. Unber¸hrt bleibt der Gedanke, unbewegt wie im Sturm der Sonnenstrahl, gleichviel, ob Ich das Verlangen aufnimmt oder abweist, den Gedanken hofft oder f¸rchtet, liebt oder haï¬t, bejaht oder verneint, anzieht oder abstoï¬t, tut oder duldet, will oder nicht will; gleichviel, ob Ich, vom Gedanken beseelt Lust oder Unlust empfindet, ob Ich sich Freund oder Feind, Herr oder Knecht, Henker oder Opfer f¸hlt, gleichviel ob Ich frei will oder wollen muï¬, gleichviel ob der Gedanke in Ich oder Ich im Gedanken oder der Gedanke Ich ist.– Alle Unterscheidung ist im Ich, im atmenden Willen Ich. Wille ist Ich Zustand, Wille ist Ich Ausdruck. Kein Willen ohne Ich, kein Ich ohne Willen. Wille ist Ich, Ich ist Wille–kâma, Verlangen. Die Welt denkt nur einen Gedanken–aus dem ‘Ich’ ist endlose Mannigfaltigkeit dieser Welt.
* * *
Und noch einmal:
Der Gedanke dieser Welt–Verlangen–atmet im Ich; Ich, atmend, spaltet–: zwiespâ°ltige Beziehung des Ich zu seinem eigenen Gedanken, zu sich selbst. Ich will–will nicht: will tun, nicht dulden; will dulden, nicht tun; in sich–auï¬er sich; in Zeit–in Raum.–Alles Geschehen dieser Welt–alle MËglichkeit dieser Welt; aller Gedanken, alles Werdens und Verwerdens–alle Welten umfassende MËglichkeit.
SAMSARA.
Ich aufflammend:
| Raum.
V
I. “ich will dich fressen, II. “ich will nicht von dir gefressen werden, ich will nicht von dir
gefressen werden.” ich will dich fressen.”
Ich verlËschend:
Zeit. ->
III. “ich will von dir IV. “ich will dich nicht fressen, gefressen werden, ich ich will von dir will dich nicht fressen.” gefressen werden.”
NIRVANA.
*
Das ist:
Ich, im Verlangen atmend,
will tun, nicht dulden;
will dulden, nicht tun.
*
Vierfacher Ausdruck f¸r Eines: Ich auf vier Standorten–die vier sogenannten Denkgesetze des Yavana.
Ich, im Verlangen atmend, bejaht und verneint in sich–bejaht und verneint auï¬er sich.–
Ich–in sich–auï¬er sich–bejahend–verneinend–nennt sich mit allen Namen dieser Welt:
Die Welt ist im verlangenden Ich–so erkennst du.
*
Also ist der erscheinende Wandel des Verlangens vom Ich zum nicht-Ich, vom nicht-Ich zu s-Ich zur¸ck; aus Tat–durch Widerstand –zu Duldung; Ich-Atem–âtmâ.
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Mit dem Zerfall im Ur-sprung erscheint Zerfall in Ich und nicht-Ich, erscheint Zerfall in Willen und Unwillen, erscheint Zerfall in Zeit und Raum–erscheint Welt-wirklichkeit.
*
Folge meinen Worten, o Teurer, mit offener Seele–ich f¸hre dich sicheren Weg. Doch laï¬ dein Verstâ°ndnis nicht an Worten haften, erfasse ¸ber Worte hinaus; Worte sind Hindernis der Erkenntnis. Mit wachsender Einsicht offenbart sich dir die gegensinnliche Einheit von Erscheinung und Verlangen. Sprich es unverstanden nach–was unverstâ°ndlich scheint wird selbstverstâ°ndlich.
* * *
Einheitliches Verlangen erscheint im Ich in Willen und Unwillen gespalten.
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Ich, zum Ziele wollend, stËï¬t Ungewolltes unwillig von sich ab, schafft im eigen-Willen Widerwillen. Widerwillen weicht vom Ich, wird im gegen-Stand selbst-stâ°ndig, ist fremdes entgegenstehendes Wollen–: Willen in mir–Willen auï¬er mir–das ist Raum. Raumerscheinung schafft sich durch Aus-legung des Widerwillens im Ich.
*
Ich-willen, zum Hohenziele des Verlangens rastlos irrend, von selbstgeschaffenem gegen-Stand zur¸ckgestoï¬en, bleibt wollend, wechselt im Willenszustand–: Willen in mir erst–Willen in mir dann–das ist Zeit.
Zeiterscheinung schafft sich im Ich durch wechselnden Willen.
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Das verlangende Ich schafft zeitrâ°umliche Erscheinung. Verlangen treibt dich zu Ausdehnung in Zeit und Raum. Je nachdem du dich im atmenden Verlangen gefordert oder gehemmt empfindest, ist Willen oder Widerwillen in dir. Verlangen der Welt willig ergriffen ist eigener Willen; Verlangen der Welt unwillig abgewiesen ist Widerwillen in dir. Was in dir seelisch empfunden Widerwille ist, ist sinnlich aufgefaï¬t Widerstand im Raum, das ist fremder Wille wider dich: ‘ich will nicht’ das heiï¬t: ‘du willst’. Was Ich aus sich unwillig entlâ°ï¬t, wird râ°umliche Vorstellung: Du. Der Atem des Verlangens in Anziehung oder Abstoï¬ung erscheint im Ich als Willensgegensatz. Willensgegensatz in sich faï¬t Ich zeitlich auf; Willensgegensatz zu sich ist dem Ich Raum. Wechselnder Willen ist Zeit; zu Unwillen gewechselter Willen ist Raum. Willig-un-williges Verlangen in dir erscheint als zeit-râ°umliche Wirklichkeit auï¬er dir. Endloses Verlangen in dir erscheint als endloses Werden– erscheint und ist.
Mit dem Zerfall im Ur-sprung erscheint Zerfall in Ich und nicht-Ich, erscheint Zerfall in Willen und Gegenwillen, erscheint Zerfall in Zeit und Raum
–erscheint und ist–
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Wie du, von dir aus ut-teilend, Willen von Widerwillen unterscheidest–beides in dir, beides Eines–du selbst, so unter- scheidest du, von dir aus urteilend, Zeit von Raum–beides in dir, beides Eines–du selbst.
Wie Unwillen in eigenem Willen zu fremdem Gegenwillen wird, so wird Ein-bildung Zeit zu gegensâ°tzlicher Vor-stellung Raum. Wie ‘fressen’ und ‘gefressen werden’ Eines ist im ‘Fra﬒, wie Willen und Unwillen Eines ist im Verlangen, so ist Zeit Erscheinung und Raum-Erscheinung Eines in dir–dein Verlangen, du selbst. Verlangen, vom Ich ausgesprochen, vom Widerschein des Ich–dem nicht-Ich–wieder ausgesprochen, das ist: widersprochen–sieht sich selbst gegen¸ber, tritt sich selbst entgegen, ist sich selbst Gegensatz.
Suchender Wille ist Raum, im Suchen wechselnder Wille ist Zeit.
Also wurzelt in deinem Willen-un-Willen Zeit und Raum; also ist Zeit-Raum-Erscheinung dein Verlangen.
Erkenntnis hiervon ist LËsung des Râ°tsels: Raum-Zeit-Einheit.
* * *
Was von Empfindungswellen dir erw¸nscht, willkommen zustrËmt, was du dir anzueignen gewillt bist, was du willfâ°hrig aufnimmst, was du zustimmend bejahend wohlwollend auffaï¬t, was sich dir willig f¸gt, dir zu Willen ist, worein du einwilligst, was zu deinem eigenen Willen, zu dir selbst wird, dein Zustand, erscheint in dir–deine Seele bewegend–in zeitlichen Formen.
Was, aus dir geboren, dich unwillk¸rlich befremdet, was du nicht f¸r dein eigen hâ°ltst, was nicht mehr du selbst bist, was du unerw¸nscht erleidest, was dich anwidert, was dir widrig, widerwâ°rtig, zuwider ist, dein wider-Wille erscheint–deine Sinne bewegend– auï¬er dir, râ°umlich, als wider-Stand, als widerstehende Kraft aus dem Raum.
Atmet Verlangen in dir, wandelst du Willen zu Unwillen, so wandelst du Empfindung zu Anschauung, Einbildung zu Vorstellung, Zustand zu Gegenstand, wandelst zeitlichen Wechsel zu râ°umlicher Verschiedenheit, Zeit zu Raum: –und umgekehrt: ziehst du unwillig Abgestoï¬enes, Gegenstand, Raum Gewordenes wieder willig an dich, nimmst du, durch Aufhebung der Verneinung, den Gegensatz willig in dich auf, so wandelst du deine Anschauung zu Empfindung, deine Vorstellung zu Einbildung, deinen Gegenstand zu deinem Zustand, râ°umliche Mannigfaltigkeit zu zeitlichem Wechsel, fremde Kraft zu eigenem Willen, Raum zu Zeit.
Willenswandel deine Seele bewegend–seelisch empfunden– erscheint dir zeitlich, Willenswandel deine Sinne bewegend–sinnlich angeschaut–erscheint dir râ°umlich. Seelischer Wandel ist Zeit; sinnlich kËrperlicher Wandel ist Raum. Bewegung deiner Seele–Zeit; Bewegung deiner Sinne–Raum. Verlangen treibt dich und es wird Zeit und Raum; beides Bewegung, beides Empfindung in dir. Eigene Lust dein Wandel im Verlangen; eigenes Gefallen dein Wandel in Zeit und Raum. Verlangend wandelst du in Zeit und Raum, verlangend wandelst du dich zu Zeit und Raum, wandelst Zeit zu Raum, wie rechts zu links, wandelst Raum zu Zeit, wie unten zu obem.
*
Aller Wille will nicht, aller Unwille will. Unwillen durch Willen, Willen durch Unwillen–Wille und Wille untrennbar–Eines, wie Zeit und Raum, wie oben und unten.
Versuche zu verstehen:
Wenn du wollend nicht willst und nicht wollend willst, was nicht wollend dich will, was wollend dich nicht will, was dir unwillig willig zu-kommt, was dir willig unwillig aus-kommt, nennst du mit zeitlich râ°umlichen Namen. Was du willig Zeit oder Raum nennst, nennst du unwillig Raum oder Zeit.
Zeit und Raum–Gestaltung deines Willens; Zeit und Raum– andere Worte f¸r deinen Willen und f¸r das, was, wider deinen Willen, wieder dein Wille ist–Gestaltung deiner selbst.
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Ich Atem ist Einhauch und Aushauch, ist innen und auï¬en, ist zu-Stand und gegen-Stand, ist Wille und Unwille, ist Zeit und Raum, Ich und nicht lch.
Also von Gegensatz zu Gegensatz atmend schafft Ich Zeit und Raum, mit Zeit und Raum–die Welt, deines Verlangens sinnlicher Widerschein.
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Also ist der Atem des Verlangens Wille-un-Wille im Ich–aus Tat durch Widerstand zu Duldung–Atem, Leben, Bewegung, Wandel, von Ich-bestand I auf Ich-wider-Stand II und auf Ich-wieder-bestand III zur¸ck. Ich-Verlangen, wandelnd, zu seinem gegen-Stand und zu sich selbst zur¸ck ver-wandelt; Ich durch wider-Ich zu wieder-Ich; von Ich zu Ich; Ich Atmen–âtmâ.
*
Und ferner, o Teurer, Verlangen in dir ist SchËpferkraft. Von geringem Verstâ°ndnis sind wir Menschen, blind vor Verlangen erkennen wir offenen Auges das Nâ°chste nicht. Was im Samsara verlangend wâ°chst, nennen wir unsern Willen; Hemmung unseres Willens empfinden wir unwillig; empfundenen Unwillen legen wir aus als Wirkung fremder Kraft.
Aus¸bend wandelst du eigenen Willen zu r¸ckwirkender Kraft. Wollend schaffst du Unwillen. Unwillen weist du von dir ab; darum erscheint er auï¬er dir, dir entfremdet, scheint fremde Kraft gegen dich. Oder mit anderen Worten gesagt: weil es fremder Wille ist, darum ist er nicht in dir–beides ist dasselbe. Unwillen in dir ist Willen wider dich. Der eigene Wille-un-Wille von dir ge-â°uï¬ert, von dir ausgelegt, das ist: aus dir hinaus verlegt, im gegen-Stand selbst stâ°ndig geworden, vom gegen-Stand wider-stehend, als Widerstand auf dich r¸ckwirkend, ist dir des Gegenstandes Widerstandskraft. Wille in dir schafft mit Not-wend-igkeit r¸ckwirkende Kraft–Widerwille in dir ist Widerstand auï¬er dir.
Was Eines ist, benennst du mit unterscheidenden Namen. Was du in dir Willen nennst, nennst du auï¬er dir Kraft. Kraft in dir bewuï¬t, nennt sich Willen; Willen auï¬er deinem Bewuï¬tsein scheint dir bewuï¬tlose Kraft. Aller Wille ist Kraft, alle Kraft ist Willen. Wille ist Kraft aus dir, Unwillen in dir ist Kraft gegen dich. Aus dir flieï¬t Willen und Kraft; Eines ist Willen und Kraft– Verlangen in dir–du selbst. Sehend geworden erkennst du den eigenen Willen in fremder Kraft, dich selbst im nicht-Ich. In deinem Herzen ist die Auseinandertretung, deine eigene SchËpfung die Unterscheidung: Zeit-Wille–Raum-Kraft. Ich ist Zeit und Raum, Ich ist Wille und Kraft. Ich ist âkâsha, Ich ist kâma.
*
— Ur-sprung —
Namen des Verlangens vom Ich aus.
Ich–nicht-Ich
m-Ich empfunden–d-Ich vorgestellt
in der Seele unmittelbar gewuï¬t–mittelst der Sinne erfaï¬t als eigen erkannt–als fremd verkannt
innen-Zustand–auï¬en-Gegenstand
wechselndes Verlangen–Entzweiung einheitlichen Verlangens geâ°nderter Wille–eines anderen Wille
eigener Widerwille–fremder Widerstand Wandel, seelische Empfindung–Wandel, kËrperliche Bewegung Ursache–Wirkung
Wille–Kraft
Freiheit–Notwendigkeit
Einbildung–Vorstellung
ur-Teil–gegen-Teil
Zeit–Raum
Seele–KËrper
werdende–gewordene
Welt.
* * *
Ich, durch-ur-Sprung–ur-Teil, un-zu-langend–ver-langt; Ich ur-Teil verlangt nach dem gegen-Teil. Darum ist Ich Verlangen. Alles Verlangen ruht auf Unzulâ°nglichkeit, auf Bed¸rfnis, auf Mangel, auf Gebrechen, auf Bedrâ°ngnis, auf Sehnsucht, auf Furcht und Hoffnung, auf Not und Qual; alles Verlangen ruht auf Zwiespalt, auf Zwiespalt der Seele, alles Verlangen auf ur-Sprung. Alles Verlangen ist Verlangen nach er-Gâ°nz-ung, Verlangen nach wieder-ver-Ein-igung mit Gottheit.
Ich empfindet sich Bruchst¸ck, darum hungert Ich nach dem Entgangenen; darum lebt alles Ich auï¬er sich, darum ist alles Ich friedlos; darum sucht Ich, begehrt Ich, sehnt sich nach anderem, bewegt sich, neigt sich, nâ°hert sich anderem, nâ°hrt sich von anderem. Eines Wesens ist, wenn der Spalt im Holz sich zu schlieï¬en trachtet– wenn ein Ich bewuï¬t will; Enzweiung will Zu-eins-paarung. Aus Einer Quelle flieï¬t: sich eines Anderen Seele nâ°hern–sich von eines Anderen KËrper nâ°hren.
Darum lebt Alles dieser Welt durch Nâ°hrung, durch Ein-ver- leib-ung, durch an-Eign-ung; darum lebt alles Ich durch ein anderes und lebt kein Ich ohne nicht-Ich, und lebt alles Ich durch nicht Ich –seelisch wie sinnlich.
Also beschrâ°nkt sucht Ich Unbeschrâ°nktheit, also unvollstâ°ndig sucht Ich Vollstâ°ndigkeit, also unvollkommen sucht Ich Vollkommenheit, also verstoï¬en sucht Ich nach dem verlorenen Paradiese, also vereinsamt und verlassen schreit Ich um Hilfe–es verlangt alles Ich nach Allumfassen, nach Alleinheit, nach Vollendung–nach Nirvana. Es verlangt m-Ich–Ich muï¬ verlangen, muï¬ auï¬er sich wollen, muï¬ von Anderem leben, muï¬ jagen und erbeuten, muï¬ w¸rgen und fressen. Ich muï¬ alles nicht-Ich zu sich wollen, muï¬ an-eign-en wollen, muï¬ f¸r sich lieben und hassen, muï¬ wider alles nicht-Ich stehen, muï¬ allem nicht-Ich Gegner und Feind sein solange Ich ‘Ich’ ist. Es ist kein Ausweg. Wer das Heil im Ich sucht, dem ist Selbstsucht geboten. Alles ich lebt nur durch Selbstsucht. Alles Ich, blind durch Ichheit, von Ichheit besessen, vermeint in s-Ich das hËchste Gut zu verteidigen–: zum Bewuï¬tsein erwachende Gottheit. Darum ist zwischen Ich und Ich ewige Tat, ewiger Widerstand, ewiges Wirken, darum ist die Wirklichkeit dieser Welt ewiger Kampf. Dar¸ber ist gesagt: “aus Verlangen und Nâ°hrung hat Brahma diese Welt gebildet”.
Das Verlangen ist Lust; das Lust-verlangen ist endlos. Wie ein Mann nach dem Weibe verlangt–und w¸rde er auch in solchem Verlangen ganz zum Weibe–nicht befriedigt ist, nunmehr nach dem Manne verlangt, so verlangt das Ich nach dem, was es nicht ist, und wenn es das Verlangte erlangt hat, ist es dennoch voll Verlangen. Ich ist Verlangen, das Verlangen ist endlos. Ich verlangt nach Allem, was es nicht ist. Ich, sich selbst im Anderen verkennend, jagt nach sinnlich sinnlosem Ziele–endlose Tâ°uschung der Sinnenwelt–Sinnlosigkeit der Sinnenwelt–sinnlos, weil sinnlich.
Alles Verlangen ist Verlangen zu sich, alles Verlangen ist Ich Verlangen. Es gibt kein selbstloses Verlangen. Kein Ich ist leer von Verlangen. Verlangen erf¸llt, bewegt, belebt, beseelt das Ich. Ich ist nur durch Verlangen. Ich in aller seiner Gestaltung ist Verlangen– Ich, das verlangend, nie erlangt.
*
Auf Einem Gedanken ruht diese Welt: Verlangen nach Wiedervereinigung mit Gottheit; im Verlangen ist Bindung und–LËsung dieser Welt.
Nichts auï¬erhalb des Verlangens; nichts was nicht im Verlangen zum Ich in Beziehung steht. Verlangen ist all¸berall, Verlangen ist allgegenwâ°rtig, Verlangen ist immer. Verlangen ist nie gestillt. Verlangen birgt sich in allem Geschehen, in aller Tat, in allen Gestalten, unter allen Namen dieser Welt–ver-Langen nach ver-Einigung! sinnlich und seelisch.
Anziehung und Abstoï¬ung ist Verlangen, br¸nstige W¸nsche– inbr¸nstiges Gebet, Liebe wie Haï¬. Niederste Gier ist Verlangen nach dem HËchsten. Tiefster Samsara hat hËchstes Ziel: Eines ist was dich –dich KËrper, dich Seele–zu Nahrung treibt, zu Erwerb, zu Weib und Kind, zu Macht, zu Entsagung, zu Erkenntnis, All-Einheit, Vollendung, nirvana.
Verlangen f¸hrt dich in die Welt, Verlangen hâ°lt dich in der Welt befangen, Verlangen f¸hrt dich ¸ber diese Welt des Verlangens hinaus. Also geschlossen im Verlangen ist die ewige Kette; also lËst sich aller Irrtum, alle S¸nde dieser Welt: durch Verlangen ist Samsara, durch Verlangen ist Nirvana.
Endloses Verlangen erscheint als endloses Werden.
*
Ur-teil-Ich-er-Schein-ung lebt nur Einen Gedanken: Durch ur-Sprung–ent-Zwei-ung; durch Entzweiung–ver-Langen, nach wieder-ver-Ein-igung.
Alles Ich will sich, will Alles zu sich,–en-will sich zum All. Also hâ°lt Verlangen nach Vereinigung zu sich alles Ich auseinander.
Durch Entzweiung–Vereinigung; durch Vereinigung–Entzweiung –Unergr¸ndlichkeit–Ewigkeit des Ur-sprungs. Die Ich-bin-heit hâ°lt Ich und Ich auseinander. Asmita ist SchËpfer dieser Welt. Keine ErlËsung im Samsara. Keine Seeligkeit, keine ErlËsung im Ich.
Ur-Teil-Ich durch ur-Srung ab-geschieden, unterscheidet: Ich– Welt; sieht sich Bestand, Akasha; f¸hlt sich Verlangen, kâma;– unterscheidet in Akasha atmend: Zeit–Raum; unterscheidet in Kâma atmend: eigenen Willen–fremde Kraft–
Alle unter-scheidung durch ab-Scheidung im ur-Sprung in ur-Teil und Gegen-Teil.
Sehend geworden erkennst du:
Es ist der Welt, die dich lebt, Atmen: — Atma —
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O Teurer, wie ich es dir zunâ°chst dargelegt habe, so mËgen wir Menschen der Erscheinung nach-denkend, uns der Wahrheit annâ°hern. Nur dem tief ernst Suchenden enth¸llt sich die tiefe Lehre–upanishad– der Menscheit Hoheziel–Hoheziel.
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So lautet in Aranada-Upanishad der dritte adhyaya: Kâma, Verlangen; nunmehr Karma, Wirklichkeit.
IV.
WIRKLICHKEIT DIESER WELT
— karma —
Zu dem, was ich dir ferner zu sagen gedenke, o Teurer, wisse: einfach ist alle Wahrheit, Vielheit ist Irrtum dieser Welt. Wie das dichte Laubdach eines Urwaldes vor einem st¸rzenden Stamme zerreiï¬t und helles Tageslicht plËtzlich die Dâ°mmerung am Boden ¸berflutet–so brach bange Unwissenheit in sich zusammen und ¸berstrahlte mich das Licht der Erkenntnis; und was groï¬e Lehrer vor mir als unausdenkbar erachtet hatten, als unergr¸ndlich, als ewiges Geheimnis–trat in mir zutage, wuchs und erstarkte zu voller Erkenntnis. Gesegnet sei die Stunde, da ich Gewiï¬heit erlangte: also ist, was sie Tatgesetz nennen, also ist Wirklichkeit: Karma– Freiheit des Tuns–eherne Notwendigkeit. Und schon einmal habe ich solche Erkenntnis ausgesprochen zu jenen Zeiten, als der KËnig der Videha mich befragte; aber unverstanden blieb, was ich verk¸ndete, unerkannt in seinen Tiefen–verlorene Wahrheit offenbare ich dir wieder.
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Aus ur-Sprung–: ur-Teil-Ich-Erscheinung; aus ur-Teil-Ich–: ver-Langen; aus Verlangen–: Tat
— KARMA —
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Tat und Tatergebnis, Wirken und Wirklichkeit dieser Welt–in dir, o Teurer, als Lust und Leid bewuï¬t, als Tat und Duldung, als Ursache und Wirkung, als Freiheit und Notwendigkeit–in dir, o Teurer, als vergeltende Gerechtigkeit der Gottheit wach.
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Also ist die Unterweisung:
Wie im dichtgeschlossenen Raume dein Atem die Luft verdirbt und die verdorbene Luft auf dich vergiftend zur¸ckwirkt– –wie ein fliehender Feind, von dir verfolgt, sich wendet und dich aus Tat und Angriff zu Abwehr und Leid zur¸ckdrâ°ngt– –wie das Geschoï¬ der schwarzen Haut im Wurf auf dich zur¸ckkehrt– –wie dein Schwert, am Widerstand abprallend, dich selbst trifft– –also ist Karma: Tat und Widerstand, Wirkung und R¸ckwirkung, Ausgleich, Vergeltung, ewige Gerechtigkeit–Wirklichkeit dieser Welt.
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Karma, Wirklichkeit dieser Welt, wirkt sich in dir aus Ursache und Wirkung.
Ursache und Wirkung erscheint mit dem Zerfall in Ich und nicht-Ich.
Du empfindest eigner Tat Ursache in dir, schaust eigner Tat Wirkung auï¬er dir, am wider-Stand; Widerstand ist Wirkung auf dich; Wirkung auf dich begreifst du als fremder Tat Ursache. Ursache wird Wirkung, Wirkung wird Ursache. Die Tat bedingt das Ergebnis, das Ergebnis bedingt die Tat; Voraussetzung ist Enderfolg; Folge ist Bedingung. Alle Wirkung ist in der Ursache; alle Wirkung ist Widerwirkung, Ausgleich von Ursache und Wirkung–Wechselwirkung– wie zwei M¸hlsteine sich aneinander schâ°rfen.–Eines Vorganges geschiedene Auffassung in dir, ur-teilende Namen. Was du fremd anschauend ‘Ursache oder Wirkung’ nennst, nennst du beteiligt ‘Willen oder Unwillen’ in dir. Je nachdem du willig-un-willig tust oder duldest, je nach Willen oder Unwillen in dir, erscheint verschieden, was Eines ist.
Eines ist, was du willk¸rlich scheidest–Eines ist Tat aus dir und Wirkung auf dich–Eines, was du seelisch auslegst und was du dir sinnlich vorstellst. Tuend nennt sich Ursache, was leidend sich Wirkung nennt, Beid-einheit–scheinbare Zweiheit durch zwiefache Benennung desselben.
Vor der ewigen Ich-gegenwart erscheint, was Eines ist, zu einer zeitlichen Kette auseinandergezogen, erscheint in Glieder zerst¸ckt– ineinander greifende Glieder einer unlËslichen Kette von Ursache und Wirkung. Was in sich Eines ist, erscheint uns zeit-râ°umlich Schauenden zu Aus-ein-ander-folge ausgedehnt.
Es scheint, als sei Zerfall in Ur-teil und Gegen-teil, als sei Zu-stand und Gegen-stand, als sei Empfindung durch Wirkung des Empfundenen, als sei Folge und Folglichkeit. Keine Zeit an sich, kein Raum, keine Ursache, keine Wirkung, keine Folge, keine Folglichkeit. Weil an sich keine Ursache ist, weil an sich keine Wirkung ist, darum ist keine Ursâ°chlichkeit an sich. Im scheinbar bedingenden Worte “weil” liegt keine Ursâ°chlichkeit; “weil” besagt nur: der weile, das ist: zur selben Zeit–nichts mehr. Im scheinbar folgernden Worte “darum” liegt keine Folgerung; “darum” besagt nur: daherum, das ist: am selben Ort–nichts mehr. Scheinbare Zweierleiheit zur selben Zeit am gleichen Ort ist Eines. Die scheinbar bedingenden, scheinbar folgernden Worte aller Sprachen besagen nur: in Zeit und Raum zusammenfallende Erscheinung, Beid-einheit–nichts mehr. Raumanstoï¬ ist Zeitfolge–Selbeinheit, nicht Folglichkeit. Was du Ursâ°chlichkeit, Folge, Folglichkeit nennst, ist Fluï¬ l¸ckenloser Empfindung in dir, endlos in Einhauch und Aushauch atmende Willensbeziehung zum endlos aus dir geschaffenen Gegen-stand.– Nichts in der verlangenden Sinnenwelt, was nicht in Beziehung zu deinem Verlangen steht. Sinnliche Erscheinung ist Ausdruck deines seelischen Verlangens; Eines, durch rastlos irrendes Verlangen geschieden, und so, seelisch geschieden, sinnlich als Verschiedenheit geschaut. Wechselnde Eigenschaffung in dir erscheint auï¬er dir als Wechsel der Beschaffenheit; zu-Stand und gegen-Stand bedingen einander; â°ndert sich dein Seelenzustand, so â°ndert sich deinen Sinnen der Gegenstand–erfasse es wohl: beides ist Eines. Folglichkeits-erscheinung ist sinnliche Anschauung des Wechselnden im Beharrenden; Selbeinheits-erkenntnis ist seelisches Erschauen des Beharrenden im Wechselnden. Anscheinende Gesetzmâ°ï¬igkeit ruht auf Vielheitstâ°uschung, das ist: deiner sinnlichen Auffassung zeit-râ°umliches Aus-ein-ander-fallen des in sich Einheitlichen. Folglichkeit–nur aus-ein-ander-gezerrtes Bild der Selbigkeit; ein Hinweis, daï¬ Raum und Zeit bloï¬e Erscheinung sei und nicht in sich. Kein Folglichkeitsgesetz dem Wissenden.
Zerfall in Ursache und Wirkung erscheint mit dem Zerfall in “Ich und Du” im Ursprung; erscheint mit dem Zerfall des Ich in Zeit und Raum.–Wie Nacht dem Tage folgt und Tag der Nacht, so folgt in endloser Flucht des Geschehens Wirkung auf Ursache und Ursache auf Wirkung. Ursache bewirkt und Wirkung verursacht. Wie einer Sohn seines Vaters ist und Vater seines Sohnes, Vater und Sohn zugleich, so ist Ursache Wirkung und ist Wirkung Ursache–Wirkung und Ursache zugleich.
Vieler Worte bedarf es, Selbstverstâ°ndliches darzulegen: Eines ist Ursache und Wirkung–willk¸rliche, an sich nichtige Unterscheidung in dir; doppelte Benennung des Einen, zwei Worte f¸r dasselbe: Wirklichkeit, Karma–durch dich–auf dich wirkend; Kreislauf des Verlangens.
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Und ferner, o Teurer, Karma, Wirklichkeit dieser Welt wirkt sich in dir aus Freiheit und Notwendigkeit.
Freiheit des menschlichen Tuns, o Teurer? oder unabwendbare Gesetzmâ°ï¬igkeit alles Geschehens? Offenbar wird dem Erkennenden die LËsung der groï¬en Frage an aller Gestaltung, in jedem Vorgang, an allem Werden, an allem Sein. Dasein; alles Gewordene aus gebundener Freiheit. Du durchschaust das Râ°tsel am aufsteigenden Opferrauch, am