Geschichte des Agathon, Teil 2 by Christoph Martin Wieland

This etext was prepared by Michael Pullen, Alpharetta, GA. Geschichte des Agathon, Teil 2 Christoph Martin Wieland Erste Fassung (1766/1767) –quid Virtus, et quid Sapientia possit Utile proposuit nobis exemplar.– Geschichte des Agathon–Inhalt Vorbericht Erster Teil Erstes Buch Erstes Kapitel: Anfang dieser Geschichte Zweites Kapitel: Etwas ganz Unerwartetes Drittes Kapitel: Unvermutete Unterbrechung des Bacchus-Festes Viertes
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  • 1767
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This etext was prepared by Michael Pullen, Alpharetta, GA.

Geschichte des Agathon, Teil 2

Christoph Martin Wieland

Erste Fassung (1766/1767)

–quid Virtus, et quid Sapientia possit Utile proposuit nobis exemplar.–

Geschichte des Agathon–Inhalt

Vorbericht

Erster Teil

Erstes Buch

Erstes Kapitel: Anfang dieser Geschichte Zweites Kapitel: Etwas ganz Unerwartetes Drittes Kapitel: Unvermutete Unterbrechung des Bacchus-Festes
Viertes Kapitel: Agathon wird zu Schiffe gebracht F¸nftes Kapitel: Eine Entdeckung
Sechstes Kapitel: Erz‰hlung der Psyche Siebentes Kapitel: Fortsetzung der Erz‰hlung der Psyche Achtes Kapitel: Psyche beschlieflt ihre Erz‰hlung Neuntes Kapitel: Wie Psyche und Agathon wieder getrennt werden Zehntes Kapitel: Ein Selbstgespr‰ch
Eilftes Kapitel: Agathon kˆmmt zu Smyrna an, und wird verkauft
Zweites Buch

Erstes Kapitel: Wer der K‰ufer des Agathon gewesen Zweites Kapitel: Absichten des weisen Hippias Drittes Kapitel: Verwunderung, in welche Agathon gesetzt wird Viertes Kapitel: Welches bei einigen den Verdacht erwecken wird, dafl diese Geschichte erdichtet sei F¸nftes Kapitel: Schw‰rmerei des Agathon Sechstes Kapitel: Ein Gespr‰ch zwischen Hippias und seinem Sklaven Siebentes Kapitel: Worin Agathon f¸r einen Schw‰rmer ziemlich gut r‰soniert
Achtes Kapitel: Vorbereitungen zum Folgenden
Drittes Buch

Erstes Kapitel: Vorbereitung zu einem sehr interessanten Diskurs Zweites Kapitel: Theorie der angenehmen Empfindungen Drittes Kapitel: Die Geisterlehre eines echten Materialisten Viertes Kapitel: Worin Hippias bessere Schl¸sse macht F¸nftes Kapitel: Der Anti-Platonismus in Nuce Sechstes Kapitel: Ungelehrigkeit des Agathon
Viertes Buch

Erstes Kapitel: Geheimer Anschlag, den Hippias gegen die Tugend unsers Helden macht
Zweites Kapitel: Hippias stattet einer Dame einen Besuch ab Drittes Kapitel: Geschichte der schˆnen Danae Viertes Kapitel: Wie gef‰hrlich es ist, der Besitzer einer verschˆnernden Einbildungskraft zu sein F¸nftes Kapitel: Pantomimen
Sechstes Kapitel: Geheime Nachrichten
F¸nftes Buch

Erstes Kapitel: Was die Nacht durch in den Gem¸tern einiger von unsern Personen vorgegangen
Zweites Kapitel: Eine kleine metaphysische Abschweifung Drittes Kapitel: Worin die Absichten des Hippias einen merklichen Schritt machen
Viertes Kapitel: Ver‰nderung der Szene F¸nftes Kapitel: Nat¸rliche Geschichte der Platonischen Liebe Sechstes Kapitel: Worin der Geschichtschreiber sich einiger Indiskretion schuldig macht
Siebentes Kapitel: Magische Kraft der Musik Achtes Kapitel: Eine Abschweifung, wodurch der Leser zum Folgenden vorbereitet wird
Neuntes Kapitel: Nachrichten zu Verh¸tung eines besorglichen Miflverstandes
Zehentes Kapitel: Welches alle unsre verheiratete Leser, wofern sie nicht sehr gl¸cklich oder vollkommne Stoiker sind, ¸berschlagen kˆnnen
Eilftes Kapitel: Eine bemerkensw¸rdige W¸rkung der Liebe, oder von der Seelenmischung

Sechstes Buch

Erstes Kapitel: Ein Besuch des Hippias Zweites Kapitel: Eine Probe von den Talenten eines Liebhabers
Drittes Kapitel: Konvulsivische Bewegungen der wiederauflebenden Tugend
Viertes Kapitel: Dafl Tr‰ume nicht allemal Sch‰ume sind F¸nftes Kapitel: Ein starker Schritt zu einer Katastrophe
Siebentes Buch

Erstes Kapitel: Die erste Jugend des Agathons Zweites Kapitel: En animam & mentem cum qua Di nocte loquantur!
Drittes Kapitel: Die Liebe in verschiedenen Gestalten Viertes Kapitel: Fortsetzung des Vorhergehenden F¸nftes Kapitel: Agathon entfliehet von Delphi, und findet seinen Vater
Sechstes Kapitel: Agathon kommt nach Athen, und widmet sich der Republik. Eine Probe der besondern Natur desjenigen Windes, welcher vom Horaz aura popularis genennet wird
Siebentes Kapitel: Agathon wird von Athen verbannt Achtes Kapitel: Agathon endigt seine Erz‰hlung Neuntes Kapitel: Ein starker Schritt zur Entzauberung unsers Helden

Zweiter Teil

Achtes Buch

Erstes Kapitel: Vorbereitung zum Folgenden Zweites Kapitel: Verr‰terei des Hippias Drittes Kapitel: Folgen des Vorhergehenden Viertes Kapitel: Eine kleine Abschweifung F¸nftes Kapitel: Schwachheit des Agathon; unverhoffter Zufall, der seine Entschlieflungen bestimmt Sechstes Kapitel: Betrachtungen, Schl¸sse und Vors‰tze Siebentes Kapitel: Eine oder zwo Digressionen
Neuntes Buch

Erstes Kapitel: Ver‰nderung der Szene. Charakter der Syracusaner, des Dionysius und seines Hofes Zweites Kapitel: Charakter des Dion. Anmerkungen ¸ber denselben. Eine Digression
Drittes Kapitel: Eine Probe, dafl die Philosophie so gut zaubern kˆnne, als die Liebe
Viertes Kapitel: Philistus und Timocrates F¸nftes Kapitel: Agathon wird der G¸nstling des Dionysius
Zehentes Buch

Erstes Kapitel: Von Haupt–und Staats-Aktionen. Betragen Agathons am Hofe des Kˆnigs Dionys
Zweites Kapitel: Beispiele, dafl nicht alles, was gleiflt, Gold ist Drittes Kapitel: Grofle Fehler wider die Staats-Kunst, welche Agathon beging–Folgen davon
Viertes Kapitel: Nachricht an den Leser F¸nftes Kapitel: Moralischer Zustand unsers Helden
Eilftes Buch

Erstes Kapitel: Apologie des griechischen Autors Zweites Kapitel: Die Tarentiner. Charakter eines liebensw¸rdigen alten Mannes
Drittes Kapitel: Eine unverhoffte Entdeckung Viertes Kapitel: Etwas, das man ohne Divination vorhersehen konnte F¸nftes Kapitel: Abdankung

ZWEITER TEIL

ACHTES BUCH

ERSTES KAPITEL

Vorbereitung zum Folgenden

Die Laune eines Dichters, die Treue einer Buhlerin, und die Freundschaft eines Hippias, sind vielleicht die drei unzuverl‰ssigsten Dinge unter allen in der Welt; es w‰re denn, dafl man die Gunst der Groflen f¸r das Vierte halten wollte, welche gemeiniglich eben so leicht verloren als gewonnen wird, und mit den Gunstbezeugungen gewisser Nymphen noch diese ‰hnlichkeit hat, dafl derjenige, welcher unvorsichtig genug gewesen ist davon zu kosten, einen kurzen Traum von Vergn¸gen gemeiniglich mit langwierigen Schmerzen bezahlen mufl.

Hippias nannte sich einen Freund der schˆnen Danae, und wurde von ihr daf¸r gehalten; eine Bekanntschaft von mehr als zwˆlf Jahren hatte dieses beiden zur Gewohnheit gemacht. Hiezu kam noch die nat¸rliche Verwandtschaft, welche unter Leuten von Witz und feiner Lebens-Art obwaltet, die ¸bereinstimmung ihrer Denkungs-Art, und Neigungen; vielleicht auch die besondere Vorrechte, die er, der gemeinen Meinung nach, eine Zeit lang bei ihr genossen. Alles dieses hatte diese Art von Vertraulichkeit unter ihnen hervorgebracht, welche von den Weltleuten, aus einem Miflverstande dessen sie sich nur nicht vermuten, f¸r Freundschaft gehalten wird, und auch in der Tat alle Freundschaft, deren sie f‰hig sind, ausmacht; ob es gleich gemeiniglich eine blofl mechanische Folge zuf‰lliger Umst‰nde, und im Grunde nichts bessers als eine stillschweigende ¸bereinkommnis ist, einander so lange gewogen zu sein, als es einem oder dem andern Teil gelegen sein werde; und daher auch ordentlicher Weise keinen Augenblick l‰nger daurt, als bis sie auf irgend eine Probe, wobei sich die Eigenliebe einige Gewalt antun m¸flte, gesetzt werden wollte.

Die schˆne Danae, deren Herz unendlich mal besser war als des Sophisten seines, ging inzwischen ganz aufrichtig zu Werke, indem sie in die vermeinte Freundschaft dieses Mannes nicht den mindesten Zweifel setzte. Es ist wahr, er hatte einen guten Teil von ihrer Hochachtung, und also zugleich von ihrem Vertrauen verloren, seitdem die Liebe so sonderbare Ver‰nderungen in ihrem Charakter gew¸rkt hatte. Je mehr Agathon gewann, je mehr muflte Hippias verlieren. Allein das war so nat¸rlich und kam so unvermerkt, dafl sie sich dessen kaum, oder nur sehr undeutlich bewuflt war; und vielleicht so wenig, dafl sie, ohne die mindeste Besorgnis, er werde tiefer in ihr Herz hineinschauen als sie selbst, an nichts weniger dachte, als einige Vorsichtigkeit gegen ihn zu gebrauchen. Ein Beweis hievon ist, dafl sie, anstatt ihm bei ihrem Liebhaber schlimme Dienste zu tun, sich vielmehr bei jedem Anlafl bem¸hete, ihn bei demselben in bessere Achtung zu setzen. Und dieses war ihr auch, bei der besondern Sorgfalt, womit der Sophist seit einiger Zeit ihre Bem¸hung befˆrderte, so wohl gelungen, dafl Agathon anfing eine bessere Meinung von seinem Charakter zu fassen, und sich unvermerkt so viel Vertrauen von ihm abgewinnen liefl, dafl er kein Bedenken mehr trug, sich so gar ¸ber die Angelegenheiten seines Herzens in vertrauliche Unterredungen mit ihm einzulassen.

Unsre Liebende verliefen sich also mit der sorglosesten Unvorsichtigkeit, welche sich Hippias nur w¸nschen konnte, in die Fallstricke die er ihnen legte; und lieflen sich nicht einfallen, dafl er Absichten haben kˆnne, eine Verbindung wieder zu vernichten, die gewissermaflen sein eigenes Werk war. Diese Sorglosigkeit kˆnnte vielleicht desto tadelhafter scheinen, da beiden so wohl bekannt war, nach was f¸r Grunds‰tzen er lebte. Allein es ist eine Beobachtung, die man alle Tage zu machen Gelegenheit hat, dafl edle Gem¸ter mit Leuten von dem Charakter unsers Sophisten betrogen werden m¸ssen, sie mˆgen es angehen, wie sie wollen. Sie mˆgen die Denkens-Art dieser Leute noch so gut kennen, noch so viele Proben davon haben, dafl derjenige, dessen Neigungen und Handlungen allein durch das Interesse seiner eigenn¸tzigen Leidenschaften bestimmt wird, keines rechtschaffenen Betragens f‰hig ist; es wird ihnen doch immer unmˆglich bleiben, alle Kr¸mmen und Falten seines Herzens so genau auszuforschen, dafl nicht in irgend einer derselben noch eine geheime Schalkheit lauren sollte, deren man sich nicht versehen hatte, wenn sie endlich zum Vorschein kˆmmt. Agathon und Danae, zum Exempel, kannten den Hippias gut genug, um ¸berzeugt zu sein, dafl er sich, sobald sein Interesse dem Vorteil ihrer Liebe entgegenst¸nde, nicht einen Augenblick bedenken w¸rde, die Pflichten der Freundschaft seinem Eigennutzen aufzuopfern. Denn was sind Pflichten f¸r einen Hippias? Hingegen konnten sie nicht begreifen, was f¸r einen Vorteil er darunter haben kˆnnte, ihre Herzen zu trennen; und dieses machte sie sicher. In der Tat hatte er keinen; auch hatte er eigentlich die Absicht nicht sie zu trennen. Aber er hatte ein Interesse, ihnen einen Streich zu spielen, welcher, dem Charakter des Agathon nach, notwendig diese W¸rkung tun muflte. Und das war es, woran sie nicht dachten.

Wir haben im vierten Buche dieser Geschichte die Absichten entdeckt, welche den Sophisten bewogen hatten, unsern Helden mit der schˆnen Danae bekannt zu machen. Der Entwurf war wohl ausgesonnen, und h‰tte, nach den Voraussetzungen, die dabei zum Grunde lagen, ohnmˆglich mifllingen kˆnnen, wenn man auf irgend eine Voraussetzung Rechnung machen d¸rfte, so bald sich die Liebe ins Spiel mischt. Dieses mal war es ihm gegangen, wie es gemeiniglich den Projektmachern geht; er hatte an alles gedacht, nur nicht an den einzigen Fall, der ihm seine Absichten vereitelte. Wie h‰tte er auch glauben kˆnnen, dafl eine Danae f‰hig sein sollte, ihr Herz an einen Platonischen Liebhaber zu verlieren? Ein gleichg¸ltiger Philosoph w¸rde dar¸ber betroffen gewesen sein, ohne bˆse zu werden; aber es gibt sehr wenig gleichg¸ltige Philosophen. Hippias fand sich in seinen Erwartungen betrogen; seine Erwartungen gr¸ndeten sich auf Schl¸sse; seine Schl¸sse auf seine Grunds‰tze, und auf diese das ganze System seiner Ideen, welches (wie man weifl) bei einem Philosophen wenigstens die H‰lfte seines geliebten Selbsts ausmacht. Wie h‰tte er nicht bˆse werden sollen? Seine Eitelkeit f¸hlte sich beleidiget. Agathon und Danae hatten die Gelegenheit dazu gegeben. Er wuflte zwar wohl, dafl sie keine Absicht ihn zu beleidigen dabei gehabt haben konnten; allein darum bek¸mmert sich kein Hippias. Genug, dafl sein Unwille gegr¸ndet war; dafl er einen Gegenstand haben muflte; und dafl ihm nicht zu zumuten war, sich ¸ber sich selbst zu erz¸rnen. Leute von seiner Art w¸rden eher die halbe Welt untergehen sehen, eh sie sich nur gestehen w¸rden, dafl sie gefehlt h‰tten. Es war also nat¸rlich, dafl er darauf bedacht war, sich durch das Vergn¸gen der Rache f¸r den Abgang desjenigen zu entsch‰digen, welches er sich von der vermeinten und verhofften Bekehrung unsers Helden versprochen hatte.

Agathon liebte die schˆne Danae, weil sie, selbst nachdem der ‰uflerste Grad der Bezauberung aufgehˆrt hatte, in seinen Augen noch immer das vollkommenste Geschˆpfe war, das er kannte. Was f¸r ein Geist! was f¸r ein Herz! was f¸r seltene Talente! welche Anmut in ihrem Umgang! was f¸r eine Manchfaltigkeit von Vorz¸gen und Reizungen! wie hochachtungswert muflte sie das alles ihm machen! wie vorteilhaft war ihr die Erinnerung an jeden Augenblick, von dem ersten an, da er sie gesehen, bis zu demjenigen, da sie von sympathetischer Liebe ¸berw‰ltiget die seinige gl¸cklich gemacht hatte! Kurz alles was er von ihr wuflte, war zu ihrem Vorteil, und von allem was seine Hochsch‰tzung h‰tte schw‰chen kˆnnen, wuflte er nichts.

Man kann sich leicht vorstellen, dafl sie so unvorsichtig nicht gewesen sein werde, sich selbst zu verraten. Es ist wahr, sie hatte sich nicht entbrechen kˆnnen, die vertraute Erz‰hlung, welche er ihr von seinem Lebens-Lauf gemacht, mit Erz‰hlung des ihrigen zu erwidern; aber wir zweifeln sehr, dafl sie sich zu einer eben so gewissenhaften Vertraulichkeit verbunden gehalten habe. Und woher wissen wir auch, dafl Agathon selbst, mit aller seiner Offenherzigkeit, keinen Umstand zur¸ck gehalten habe, von dem er vielleicht, wie ein guter Maler oder Dichter, vorausgesehen, dafl er der schˆnen W¸rkung des Ganzen hinderlich sein kˆnnte. Wer ist uns B¸rge daf¸r, dafl die verf¸hrische Priesterin nicht mehr ¸ber ihn erhalten habe, als er eingestanden? Wenigstens hat einigen von unsern Lesern, (welche vielleicht vergessen haben, dafl sie keine Agathons sind) die tiefe Gleichg¸ltigkeit etwas verd‰chtig geschienen, worin ihn, bei einer gewissen Gelegenheit, Reizungen, die, ihrer Meinung nach, in seiner bloflen Beschreibung schon verf¸hren kˆnnten, gelassen haben sollen. In der Tat; man mag so sch¸chtern oder so Platonisch sein als man will; eine schˆne Frau, welche sich vorgenommen hat, die Macht ihrer Reizungen an uns zu pr¸fen, selbst von dem Gott der Liebe begeistert, und was noch schlimmer ist, eine Priesterin–in einer so belaurenden Stellung, mit so schwarzen Augen, mit einem so schˆnen Busen–ist ganz unstreitig ein gef‰hrlicher Anblick f¸r einen jeden, der (wie Phryne sagt) keine Statue ist: Und die Poesie m¸flte die magischen Kr‰fte nicht haben, welche ihr von jeher zugeschrieben worden sind, wenn in einer solchen Situation das Lesen einer Szene, wie die Verf¸hrung Jupiters durch den G¸rtel der Venus in der Iliade ist, den nat¸rlichen W¸rkungen eines damit so ¸bereinstimmenden Gegenstands, nicht eine verdoppelte St‰rke h‰tte geben sollen. Allein dem sei nun wie ihm wolle, so ist gewifl, dafl Danae, in der Erz‰hlung ihrer Geschichte mehr die Gesetze des Schˆnen und Anst‰ndigen als die Pflichten einer genauen historischen Treue zu ihrem Augenmerk genommen, und sich kein Bedenken gemacht, bald einen Umstand zu verschˆnern, bald einen andern gar wegzulassen, so oft es die besondere Absicht auf ihren Zuhˆrer erfodern mochte. Denn f¸r diesen allein, nicht f¸r die Welt, erz‰hlte sie; und sie konnte sich also durch die strengen Forderungen, welche die Letztere (wiewohl vergebens) an die Geschichtschreiber macht, nicht so sehr gebunden halten. Nicht, als ob sie ihm irgend eine haupts‰chliche Begebenheit ihres Lebens g‰nzlich verschwiegen, oder ihn statt der wirklichen durch erdichtete hintergangen h‰tte. Sie sagte ihm alles. Allein es gibt eine gewisse Kunst, dasjenige was einen widrigen Eindruck machen kˆnnte, aus den Augen zu entfernen; es kˆmmt soviel auf die Wendung an; ein einziger kleiner Umstand gibt einer Begebenheit eine so verschiedene Gestalt von demjenigen, was sie ohne diesen kleinen Umstand gewesen w‰re; dafl man ohne eine merkliche Ver‰nderung dessen was den Stoff der Erz‰hlung ausmacht, tausend sehr bedeutende Treulosigkeiten an der historischen Wahrheit begehen kann. Eine Betrachtung, die uns (im Vorbeigehen zu sagen) die Geschichtschreiber ihres eignen werten Selbsts, keinen Xenophon noch Marcus Antoninus, ja selbst den offenherzigen Montaigne nicht ausgenommen, noch verd‰chtiger macht, als irgend eine andre Klasse von Geschichtschreibern.

Die schˆne und kluge Danae hatte also ihrem Liebhaber weder ihre Erziehung in Aspasiens Hause, noch ihre Bekanntschaft mit dem Alcibiades, noch die glorreiche Liebe, welche sie dem Prinzen Cyrus eingeflˆflt hatte, verhalten. Alle diese, und viele andre nicht so schimmernde Stellen ihrer Geschichte machten ihr entweder Ehre, oder konnten doch mit der Geschicklichkeit, worin sie die zweite Aspasia war, auf eine solche Art erz‰hlt werden, dafl sie ihr Ehre machten. Allein was diejenigen Stellen betraf, an denen sie alle Kunst, die man auf ihre Verschˆnerung wenden mˆchte, f¸r verloren hielt; es sei nun, weil sie an sich selbst, oder in Beziehung auf den eigenen Geschmack unsers Helden, in keiner Art von Einkleidung, Wendung oder Licht gefallen konnten: ¸ber diese hatte sie kl¸glich beschlossen, sie mit g‰nzlichem Stillschweigen zu bedecken; und daher kam es dann, dafl unser Held noch immer in der Meinung stund, er selbst sei der erste gewesen, welchem sie sich durch Gunst-Bezeugungen von derjenigen Art, womit er von ihr ¸berh‰uft worden war, verbindlich gemacht h‰tte. Ein Irrtum, der nach seiner spitzfindigen Denkens-Art zu seinem Gl¸cke so notwendig war, dafl ohne denselben alle Vollkommenheiten seiner Dame zu schwach gewesen w‰ren, ihn nur einen Augenblick in ihren Fesseln zu behalten. Ihm diesen Irrtum zu benehmen, war der schlimmste Streich, den man seiner Liebe und der schˆnen Danae spielen konnte; und dieses zu tun, war das Mittel, wodurch der Sophist an beiden auf einmal eine Rache zu nehmen hoffte, deren blofle Vorstellung sein boshaftes Herz in Erz¸ckung setzte. Er laurte dazu nur auf eine bequeme Gelegenheit, und diese pflegt zu einem bˆsen Vorhaben selten zu entgehen.

Ob dieses letztere der Gesch‰ftigkeit irgend eines bˆsen D‰mons zu zuschreiben sei, oder ob es daher komme, dafl die Bosheit ihrer Natur nach eine lebhaftere W¸rksamkeit hervorbringt als die G¸te; ist eine Frage, welche wir andern zu untersuchen ¸berlassen. Es sei das eine oder das andere, so w¸rde eine ganz nat¸rliche Folge dieser fast allt‰glichen Erfahrungs-Wahrheit sein, dafl das Bˆse in einer immer wachsenden Progression zunehmen, und, wenigstens in dieser sublunarischen Welt, das Gute zuletzt g‰nzlich verschlingen w¸rde; wenn nicht aus einer eben so gemeinen Erfahrung richtig w‰re, dafl die Bem¸hungen der Bˆsen, so gl¸cklich sie auch in der Ausf¸hrung sein mˆgen, doch gemeiniglich ihren eigentlichen Zweck verfehlen, und das Gute durch eben die Maflregeln und R‰nke, wodurch es h‰tte gehindert werden sollen, weit besser befˆrdern, als wenn sie sich ganz gleichg¸ltig dabei verhalten h‰tten.

ZWEITES KAPITEL

Verr‰terei des Hippias

Unter andern Eigenschaften, welche den Charakter der Danae sch‰tzbar machten, war auch diese, dafl sie eine vortreffliche Freundin war. So gleichg¸ltig sie, bis auf die Zeit da sich Agathon ihres Herzens bemeisterte, gegen den Vorwurf der Unbest‰ndigkeit in der Liebe auch immer gewesen war: so zuverl‰ssig und standhaft war sie jederzeit in der Freundschaft gewesen. Sie liebte ihre Freunde mit einer Z‰rtlichkeit, welche von Leuten, die blofl nach dem ‰uflerlichen Ausdruck urteilen, leicht einem eigenn¸tzigern Affekt beigemessen werden konnte; denn diese Z‰rtlichkeit stieg bis zum wirksamsten Grade der Leidenschaft, sobald es darauf ankam, einem ungl¸cklichen Freunde Dienste zu leisten. Es war kein Vergn¸gen, welches sie nicht in einem solchen Falle den Pflichten der Freundschaft aufgeopfert h‰tte.

Eine Veranlassung von dieser Art (wovon die Umst‰nde mit unsrer Geschichte in keiner Beziehung stehen) hatte sie auf einige Tage von Smyrna abgerufen. Agathon muflte zur¸ckbleiben, und die gutherzige Danae, mit dem Beweise zufrieden, den ihr sein Schmerz bei ihrem Abschied von seiner Liebe gab, vers¸flte sich ihren eigenen durch die Vorstellung, dafl die kurze Trennung ihm den Wert seiner Gl¸ckseligkeit weit lebhafter zu f¸hlen geben werde, als eine ununterbrochene Gegenwart. Ruhig ¸ber den Besitz seines Herzens empfahl sie ihm desto eifriger, sich w‰hrend ihrer Abwesenheit den Freuden, welche das reiche und woll¸stige Smyrna verschaffen konnte, zu ¸berlassen, je gewisser sie war, dafl sie von dergleichen Zerstreuungen nichts zu besorgen habe.

Allein Agathon hatte bereits angefangen, den Geschmack an diesen Lustbarkeiten zu verlieren. So lebhaft, so manchfaltig, so berauschend sie sein mˆgen, so sind sie doch nicht f‰hig einen Geist wie der seinige war, lange einzunehmen. Als eine Besch‰ftigung betrachtet, kˆnnen sie es nur f¸r Leute sein, die sonst zu nichts taugen; und Vergn¸gungen bleiben sie nur so lange als sie neu sind. Je lebhafter sie sind, desto b‰lder folgen S‰ttigung und Erm¸dung; und alle ihre anscheinende Manchfaltigkeit kann bei einem fortgesetzten Gebrauch das Einfˆrmige nicht verbergen, wodurch sie endlich selbst der verdienstlosesten Klasse der Weltleute ekelhaft werden. Die Abwesenheit der Danae benahm ihnen vollends noch den einzigen Reiz, den sie noch f¸r ihn gehabt h‰tten, das Vergn¸gen sie daran Anteil nehmen zu sehen. Er brachte also bei nahe die ganze Zeit ihrer Abwesenheit in einer Einsamkeit zu, von welcher ihn das besch‰ftigte Leben zu Athen und die woll¸stige Mufle zu Smyrna schon etliche Jahre entwˆhnet hatten. Hier ging es ihm anfangs wie denen welche aus einem stark erleuchteten Ort auf einmal ins Dunkle kommen. Seine Seele f¸hlte sich leer, weil sie allzuvoll war; er schrieb dieses der Abwesenheit seiner Freundin zu; er f¸hlte dafl sie ihm mangelte, und dachte nicht daran, dafl er sie weniger vermiflt haben w¸rde, wenn die Nerven seines Geistes durch die Gewohnheit einer woll¸stigen Passivit‰t nicht eingeschl‰fert worden w‰ren. Die ersten Tage schlichen f¸r ihn in einer Art von z‰rtlicher Melancholie vorbei, welche nicht ohne Anmut war. Danae war beinahe der einzige Gegenstand, womit seine in sich selbst zur¸ckgezogene Seele sich besch‰ftigte; oder wenn seine Erinnerung in vorhergehende Zeiten zur¸ck ging, wenn sie ihm das Bild seiner Psyche, oder die schimmernden Auftritte seines Republikanischen Lebens vorhielt, so war es nur, um den Wert der unvergleichlichen Danae und die ruhige Gl¸ckseligkeit eines allein der Liebe, der Freundschaft, den Musen, und den Gˆttinnen der Freude geweihten Privatlebens in ein hˆheres Licht zu setzen. Seine Liebe belebte sich aufs neue. Sie verbreitete wieder diese begeisternde W‰rme durch sein Wesen, welche die Triebfedern des Herzens und der Einbildungs-Kraft so harmonisch zusammenspielen macht. Er entwarf sich die Idee einer Lebens-Art, welche (Dank seiner dichterischen Phantasie!) mehr das Leben eines Gottes, als eines Sterblichen schien. Danae gl‰nzte darin aus einem Himmel von lachenden Bildern der Freude und Gl¸ckseligkeit hervor. Entz¸ckt von diesen angenehmen Tr‰umen, beschlofl er bei sich selbst, sein Schicksal auf immer mit dem ihrigen zu vereinigen. Er hielt sie f¸r w¸rdig, diesen Agathon gl¸cklich zu machen, welcher zu stolz gewesen w‰re, das schimmerndste Gl¸ck aus der Hand eines Kˆnigs anzunehmen. Dieser Entschlufl, welcher bei tausend andern eine nur sehr zweideutige Probe der Liebe sein w¸rde, war in der Tat, nach seiner Art zu denken, der Beweis, dafl die seinige auf den hˆchsten Grad gestiegen war.

In einem f¸r die Absichten der Danae so g¸nstigen Gem¸ts-Zustand befand er sich, als Hippias ihm einen Besuch machte, um sich auf eine Freundschaftliche Art ¸ber die Einsamkeit zu beklagen, worin er seit der Entfernung der schˆnen Danae lebte. Danae sollte zu frieden sein, sagte er in scherzhaftem Ton, den liebensw¸rdigen Callias f¸r sich allein zu behalten, wenn sie gegenw‰rtig sei; aber ihn auch in ihrer Abwesenheit der Welt zu entziehen, das sei zuviel, und m¸sse endlich die Folge haben, die Schˆnen zu Smyrna in eine allgemeine Zusammenverschwˆrung gegen sie zu ziehen. Agathon beantwortete diesen Scherz in dem n‰mlichen Ton; unvermerkt wurde das Gespr‰ch interessant, ohne dafl der Sophist eine besondere Absicht dabei zu haben schien. Er bem¸hte sich seinem Freunde zu beweisen, dafl er Unrecht habe, der Gesellschaft zu entsagen, um sich mit den Dryaden von seiner Liebe zu besprechen, und die Zephyrs mit Seufzern und Botschaften an seine Abwesende zu beladen. Er malte ihm mit verf¸hrischen Farben die Vergn¸gungen vor, deren er sich beraube, und vergafl auch das L‰cherliche nicht, welches er sich durch eine so seltsame Laune in den Augen der Schˆnen gebe. Seiner Meinung nach sollte ein Callias sich an einer einzigen Eroberung, so gl‰nzend sie auch immer sein mˆchte, nicht begn¸gen lassen; er, dem seine Vorz¸ge das Recht geben, seinem Ehrgeiz in dieser Sph‰re keine Grenzen zu setzen, und der nur zu erscheinen brauche um zu siegen. Er bewies die Wahrheit dieser Schmeichelei mit den besondern Anspr¸chen, welche einige von den ber¸hmtesten Schˆnheiten zu Smyrna auf ihn machten; seinem Vorgeben nach, lag es nur an Agathon, seine Eitelkeit, seine Neubegier und seinen Hang zum Vergn¸gen zu gleicher Zeit zu befriedigen, und auf eine so mannichfaltige Art gl¸cklich zu sein, als sich die verz‰rteltste Einbildung nur immer w¸nschen kˆnne.

Agathon hatte auf alle diese schˆne Vorspieglungen nur Eine Antwort–seine Liebe zu Danae. Der Sophist fand sie unzul‰nglich. Eben diese Ursachen, welche seine Liebe zu Danae hervorgebracht hatten, sollten ihn auch f¸r die Reizungen andrer Schˆnen empfindlich machen. Seiner Meinung nach machte die Abwechselung der Gegenst‰nde das grˆfleste Gl¸ck der Liebe aus. Er behauptete diesen Satz durch eine sehr lebhafte Ausf¸hrung der besondern Vergn¸gungen, welche mit der Besiegung einer jeden besondern Klasse der Schˆnen verbunden sei. Die Unwissende und die Erfahrne, die Geistreiche und die Blˆde, die Schˆne und die H‰flliche, die Kokette, die Sprˆde, die Tugendhafte, die And‰chtige–kurz jeder besondere Charakter besch‰ftige den Geschmack, die Einbildung, und so gar die Sinnen (denn von dem Herzen war bei ihm die Rede nicht) auf eine eigene Weise–erfordre einen andern Plan, setze andre Schwierigkeiten entgegen, und mache auf eine andre Art gl¸cklich. Das Ende dieser schˆnen Ausf¸hrung war, dafl es unbegreiflich sei, wie man so viel Vergn¸gen in seiner Gewalt haben, und es sich nur darum versagen kˆnne, um die einfˆrmigen Freuden einer einzigen, mit romanhafter Treue in gerader Linie sich fortschleppenden Leidenschaft bis auf die Hefen zu erschˆpfen.

Agathon gab zu, dafl die Abwechselung, wozu ihn Hippias aufmuntre, f¸r einen m¸fligen Woll¸stling ganz angenehm sein mˆge, der aus dieser Art von Zeitvertreib das einzige Gesch‰fte seines Lebens mache. Er behauptete aber, dafl diese Art von Leuten niemalen erfahren haben m¸flte, was die wahre Liebe sei. Er ¸berliefl sich hierauf der ganzen Schw‰rmerei seines Herzens, um dem Hippias eine Abschilderung von demjenigen zu machen, was er von dem ersten Anblick an bis auf diese Stunde f¸r die schˆne Danae empfunden; er beschrieb eine so wahre, so delikate, so vollkommene Liebe, breitete sich mit einer so begeisterten Entz¸ckung ¸ber die Vollkommenheiten seiner Freundin, ¸ber die Sympathie ihrer Seelen, und die fast vergˆtternde Wonne, welche er in ihrer Liebe geniefle, aus, dafl man entweder die Bosheit eines Hippias oder die freundschaftliche Hartherzigkeit eines Mentors haben muflte, um f‰hig zu sein, ihn einem so begl¸ckenden Irrtum zu entreiflen.

“Die Reizungen der schˆnen Danae sind zu bekannt”, versetzte der Sophist, “und ihre Vorz¸ge in diesem St¸cke werden sogar von ihrem eigenen Geschlecht so allgemein eingestanden, dafl Lais selbst, welche den Ruhm hat, dafl die Edelsten der Griechen und die F¸rsten ausl‰ndischer Nationen den Preis ihrer N‰chte in die Wette steigern, l‰cherlich sein w¸rde, wenn sie sich einfallen lassen wollte, mit ihr um den Preis der Liebensw¸rdigkeit zu streiten. Aber dafl sie jemals die Ehre haben w¸rde, eine so ehrw¸rdige, so metaphysische, so ¸ber alles was sich denken l‰flt erhabene Liebe einzuflˆflen–dafl der Macht ihrer Reizungen noch dieses Wunder aufbehalten sei, das einzige welches ihr noch abging–das h‰tte sich in der Tat niemand tr‰umen lassen kˆnnen, ohne sich selbst ¸ber einen solchen Einfall zu belachen.”

Hier ging unserm Helden, welcher die boshafte Vergleichung mit der Corinthischen Lais schon auf die befremdlichste Art ‰rgerlich gefunden hatte, die Geduld g‰nzlich aus. Er setzte den Sophisten mit aller Hitze eines in dem Gegenstande seiner Anbetung beleidigten Liebhabers wegen des zweideutigen Tons zu Rede, womit er sich anmafle, von einer Person wie Danae zu sprechen; und sein Unwille sowohl als seine Verwirrung stieg auf den ‰uflersten Grad, da ein Satyr-m‰fliges Gel‰chter die ganze Antwort des Hippias war.

Es ist so leicht voraus zu sehen, was f¸r einen Ausgang diese Szene nehmen muflte, dafl wir nach allem was von den Absichten des Sophisten bereits gesagt worden ist, den Leser seiner eignen Einbildung ¸berlassen kˆnnen. Ungeduldige Fragen auf der einen–Ausfl¸chte und schalkhafte Wendungen auf der andern Seite; bis sich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheimnis des wahren Standes der schˆnen Danae, und derjenigen Anekdoten, welche wir (wiewohl aus unschuldigem Absichten) unsern Lesern schon im dritten Kapitel des vierten Buches verraten haben, mit einer Gewalt, welcher seine vergebliche Freundschaft f¸r Agathon nicht widerstehen konnte, abnˆtigen liefl.

Wir haben schon bemerkt, wie viel es bei Erz‰hlung einer Begebenheit auf die Absicht des Erz‰hlers ankomme, und wie verschieden die Wendungen seien, welche sie durch die Verschiedenheit derselben erh‰lt. Danae erz‰hlte ihre Geschichte mit der unschuldigen Absicht zu gefallen. Sie sah nat¸rlicher Weise ihre Auff¸hrung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte selbst in einem mildern, und (lasset uns die Wahrheit sagen) in einem wahrern Licht als die Welt; welche auf der einen Seite von allen den kleinen Umst‰nden, die uns rechtfertigen oder wenigstens unsre Schuld vermindern kˆnnten, nicht unterrichtet, und auf der andern Seite boshaft genug ist, um ihres grˆflern Vergn¸gens willen das Gem‰lde unsrer Torheiten mit tausend Z¸gen zu ¸berladen, um welche es zwar weniger wahr aber desto komischer wird. Ungl¸cklicher Weise f¸r sie erforderte die Absicht des Hippias, dafl er diese schalkhafte Kunst, eine Begebenheit ins H‰flliche zu malen, so weit treiben muflte, als es die Gesetze der Wahrscheinlichkeit nur immer erlauben konnten.

Unser Held glich w‰hrend dieser Entdeckungen mehr einer Bild-S‰ule oder einem Toten als sich selbst. Kalte Schauer und fliegende Glut fuhren wechselsweise durch seine Adern. Seine von den widerw‰rtigsten Leidenschaften auf einmal best¸rmte Brust atmete so langsam, dafl er in Ohnmacht gefallen w‰re, wenn nicht Eine davon plˆtzlich die Oberhand behalten, und durch den heftigsten Ausbruch dem gepreflten Herzen Luft gemacht h‰tte. Das Licht, worin ihm Hippias seine Gˆttin zeigte, machte mit demjenigen, worin er sie zu sehen gewohnt war, einen so beleidigenden Kontrast; der Gedanke, sich so sehr betrogen zu haben, war so unertr‰glich, dafl es ihm unmˆglich fallen muflte, dem Sophisten Glauben beizumessen. Der ganze Sturm, der seine Seele schwellte, brach also ¸ber den Verr‰ter aus. Er nannte ihn einen falschen Freund, einen Verleumder, einen Nichtsw¸rdigen–rief alle r‰chende Gottheiten gegen ihn auf–schwur, wofern er die Beschuldigungen, womit er die Tugend der schˆnen Danae zu beschmitzen sich erfrechete, nicht bis zur unbetr¸glichsten Evidenz erweisen werde, ihn als ein das Sonnenlicht befleckendes Ungeheuer zu vertilgen, und seinen verfluchten Rumpf unbegraben den Vˆgeln des Himmels preis zu geben.

Der Sophist sah diesem Sturm mit der Gelassenheit eines Menschen zu, der die Natur der Leidenschaften kennt; so ruhig, wie einer der vom sichern Ufer dem wilden Aufruhr der Wellen zusieht, dem er gl¸cklich entgangen ist. Ein mitleidiger Blick, dem ein schalkhaftes L‰cheln seinen zweideutigen Wert vollends benahm, war alles, was er dem Zorn des aufgebrachten Liebhabers entgegensetzte. Agathon stutzte dar¸ber. Ein schrecklicher Zweifel warf ihn auf einmal auf die entgegengesetzte Seite. “Rede, Grausamer”, rief er aus, “rede! Beweise deine hassensw¸rdigen Anklagen so klar als Sonnenschein; oder bekenne, dafl du ein verr‰trischer Elender bist, und vergeh vor Scham!”–“Bist du bei Sinnen, Callias”, antwortete der Sophist mit dieser verruchten Gelassenheit, welche in solchen Umst‰nden der triumphierenden Bosheit eigen ist–“komm erst zu dir selbst; sobald du f‰hig sein wirst, Vernunft anzuhˆren, will ich reden.”

Agathon schwieg; denn was kann derjenige sagen, der nicht weifl was er denken soll?

“Wahrhaftig”, fuhr der Sophist fort, “ich begreife nicht, was f¸r eine Ursache du zu haben glaubst, den rasenden Ajax mit mir zu spielen. Wer redet von Beschuldigungen? Wer klagt die schˆne Danae an? Ist sie vielleicht weniger liebensw¸rdig, weil du weder der erste bist der sie gesehen, noch der erste, der sie empfindlich gefunden hat? Was f¸r Launen das sind! Glaube mir, jeder andrer als du h‰tte nichts weiter nˆtig gehabt als sie zu sehen, um meine Nachrichten glaubw¸rdig zu finden; Ihr blofler Anblick ist ein Beweis. Aber du forderst einen st‰rkern; du sollst ihn haben, Callias. Was sagtest du, wenn ich selbst einer von denen gewesen w‰re, welche sich r¸hmen kˆnnen, die schˆne Danae empfindlich gesehen zu haben?”–“Du?” rief Agathon mit einem ungl‰ubigen Erstaunen, welches eben nicht schmeichelhaft f¸r die Eitelkeit des Sophisten war. “Ja, Callias; ich”; erwiderte jener; “ich, wie du mich hier siehest, zehn oder zwˆlf Jahre abgerechnet, um welche ich damals geschickter sein mochte, den Beifall einer schˆnen Dame zu erhalten. Du glaubest vielleicht ich scherze; aber ich bin ¸berzeugt, dafl deine Gˆttin selbst zu edel denkt, um dir wenn du sie mit guter Art fragen wirst, eine Wahrheit verhalten zu wollen, von welcher ganz Smyrna zeugen kˆnnte.”

Hier fuhr der barbarische Mensch fort, ohne das geringste Mitleiden mit dem Zustande, worein er den armen Agathon durch seine Prahlereien setzte, die Gl¸ckseligkeiten, welche er in den Armen der schˆnen Danae (der Himmel weifl mit welchem Grunde) genossen zu haben vorgab, von St¸ck zu St¸ck mit einem Ton von Wahrheit, und mit einer Munterkeit zu beschreiben, welche seinen Zuhˆrer beinahe zur Verzweiflung brachte. “Es ist vorbei”, fiel er endlich dem Sophisten mit einer so heftigen Bewegung in die Rede, dafl er in diesem Augenblick mehr als ein Mensch zu sein schien–“Es ist vorbei! O Tugend, du bist gerochen!–Hippias, du hast mich unter der l‰chelnden Maske der Freundschaft mit einem giftigen Dolch durchbohret–aber ich danke dir–deine Bosheit leistet mir einen wichtigern Dienst als alles was deine Freundschaft f¸r mich h‰tte tun kˆnnen. Sie erˆffnet mir die Augen–zeigt mir auf einmal in den Gegenst‰nden meiner Hochachtung und meines Zutrauens, in dem Abgott meines Herzens und in meinem vermeinten Freunde, die zwei ver‰chtlichsten Gegenst‰nde, womit jemals meine Augen sich besudelt haben. Gˆtter! die Buhlerin eines Hippias! Kann etwas unter diesem untersten Grade der Entehrung sein?” Mit dieser Apostrophe warf er den verachtungsvollesten Blick, der jemals aus einem Menschlichen Auge geblitzt hat, auf den betroffenen Sophisten, und begab sich hinweg.

DRITTES KAPITEL

Folgen des Vorhergehenden

Die menschliche Seele ist vielleicht keines heftigern Schmerzens f‰hig, als derjenige ist, wenn wir uns genˆtiget sehen, den Gegenstand unsrer z‰rtlichsten Gesinnungen zu verachten. Alles was man davon sagen kann ist zu schwach, die Pein auszudr¸cken, die durch eine so gewaltsame Zerreiflung in einem gef¸hlvollen Herzen verursacht wird. Wir wollen also lieber gestehen, dafl wir uns unvermˆgend finden, den Tumult der Leidenschaften, welche in den ersten Stunden nach einer so grausamen Unterredung in dem Gem¸te Agathons w¸teten, abzuschildern, als durch eine frostige Beschreibung zu gleicher Zeit unsre Vermessenheit und unser Unvermˆgen zu verraten.

Das erste was er tat, sobald er seiner selbst wieder m‰chtiger wurde, war, dafl er alle seine Kr‰fte anstrengte, sich zu ¸berreden, dafl ihn Hippias betrogen habe. War es zuviel, das Schlimmste von einem so ungeheuern Bˆsewicht zu denken, als dieser Sophist nunmehr in seinen Augen war? Was f¸r eine G¸ltigkeit konnte ein solcher Zeuge gegen eine Danae haben?–Oder vielmehr, was f¸r einen m‰chtigen Apologisten hattest du, schˆne Danae, in dem Herzen deines Agathon! Was h‰tte Hyperides selbst, ob er gleich beredt genug war, die Athenienser von der Unschuld einer Phryne zu ¸berzeugen, st‰rkers und scheinbarers zu deiner Verteidigung sagen kˆnnen, als was er sich selbst sagte?–Vermutlich w¸rde die Vernunft allein von dieser sophistischen Beredsamkeit der Liebe ¸berw‰ltiget worden sein: Aber die Eifersucht, welche ihr zu H¸lfe kam, gab den Ausschlag. Unter allen Leidenschaften ist keine, welcher die Verwandlung des Mˆglichen ins W¸rkliche weniger kostet als diese. In dem zweifelhaften Lichte, welches sie ¸ber seine Seele ausbreitete, wurde Vermutung zu Wahrscheinlichkeit und Wahrscheinlichkeit zu Gewiflheit; nicht anders als wenn er mit der spitzfindigen Delikatesse eines Julius C‰sars die schˆne Danae schon darum schuldig gefunden h‰tte, weil sie bez¸chtiget wurde. Er verglich ihre eigene Erz‰hlung mit des Hippias seiner, und glaubte nun, da das Mifltrauen sich seines Geistes einmal bem‰chtiget hatte, hundert Spuren in der ersten wahrzunehmen, welche die Wahrheit der letztern bekr‰ftigten. Hier hatte sie einem Umstand eine gek¸nstelte Wendung geben m¸ssen; dort war sie, (wie er sich zu erinnern glaubte) verlegen gewesen, was sie aus einem andern machen sollte, der ihr unversehens entschl¸pft war.

Mit einem eben so schielenden Auge durchging er ihr ganzes Betragen gegen ihn. Wie deutlich glaubte er itzt zu sehen, dafl sie von dem ersten Augenblick an Absichten auf ihn gehabt habe! Tausend kleine Umst‰nde, welche ihm damals ganz gleichg¸ltig gewesen waren, schienen ihm itzt eine geheime Bedeutung gehabt zu haben. Er besann sich, er verglich und kombinierte so lange, bis es ihm ganz glaublich vorkam, dafl alles was bei dem ersten Besuche, den er ihr mit Hippias gemacht, bis zu seinem ¸bergang in ihre Dienste vorgegangen, die Folgen eines zwischen ihr und dem Sophisten abgeredeten Plans gewesen seien. Wie sehr vergiftete dieser Gedanke alles was sie f¸r ihn getan hatte! wie g‰nzlich benahm er ihren Handlungen diese Schˆnheit und Grazie, die ihn so sehr bezaubert hatte! Er sah nun in diesem vermeinten Urbild einer jeden idealen Vollkommenheit nichts mehr als eine schlaue Buhlerin, welche von einer groflen Fertigkeit in der Kunst die Herzen zu bestricken den Vorteil ¸ber seine Unschuld erhalten hatte! Wie ver‰chtlich kamen ihm itzt diese Gunstbezeugungen vor, welche ihm so kostbar gewesen waren, so lang er sie f¸r Ergieflungen eines f¸r ihn allein empfindlichen Herzens angesehen hatte! Wie ver‰chtlich diese Freuden, die ihn in jenem gl¸cklichen Stande der Bezauberung den Gˆttern gleich gemacht! Wie z¸rnte er itzt ¸ber sich selbst, dafl er tˆricht genug hatte sein kˆnnen, in ein so sichtbares, so handgreifliches Netz sich verwickeln zu lassen!

Das Bild der liebensw¸rdigen Psyche konnte sich ihm zu keiner ungelegnern Zeit f¸r Danae darstellen als itzt. Aber es war nat¸rlich, dafl es sich darstellte; und wie blendend war das Licht, worin sie ihm itzt erschien! Wie wurde sie durch die verdunkelte Vorz¸ge ihrer ungl¸cklichen Nebenbuhlerin herausgehoben! Himmel! wie war es mˆglich, dafl die Beischl‰ferin eines Alcibiades, eines Hippias–eines jeden andern, der ihr gefiel, f‰hig sein konnte, diese liebensw¸rdige Unschuld auszulˆschen, deren keusche Umarmungen, anstatt seine Tugend in Gefahr zu setzen, ihr neues Leben, neue St‰rke gegeben hatten?–Er trieb die Vergleichung so weit sie gehen konnte. Beide hatten ihn geliebt; aber, welch ein Unterschied in der Art zu lieben! welch ein Unterschied zwischen jener Nacht–an die er sich itzt mit Abscheu erinnerte–wo Danae, nachdem sie alle ihre Reizungen, alles was die schlaueste Verf¸hrungs-Kunst erfinden kann; zugleich mit den magischen Kr‰ften der Musik aufgeboten, seine Sinnen zu berauschen und sein ganzes Wesen in woll¸stige Begierden aufzulˆsen, sich selbst mit zuvorkommender G¸te in seine Arme geworfen hatte–und den elysischen N‰chten, die ihm an Psychens Seite in der reinen Wonne entkˆrperter Geister, wie ein einziger himmlischer Augenblick, vor¸bergeflossen waren!–Arme Danae! So gar die Reizungen ihrer Figur verloren bei dieser Vergleichung einen Vorzug, den ihnen nur das parteilichste Vorurteil absprechen konnte. Diese Gestalt der Liebes-Gˆttin, bei deren Anschauen seine entz¸ckte Seele in Wollust zerflossen war, sank itzt, mit der jungfr‰ulichen Geschmeidigkeit der jungen Psyche verglichen, in seiner grams¸chtigen Einbildung zu der ¸ppigen Schˆnheit einer Bacchantin herab–der Wut eines Weintriefenden Satyrs w¸rdiger als der z‰rtlichen Entz¸ckungen, welche er sich itzt sch‰mte, in einer unverzeihlichen Betˆrung seiner Seele, an sie verschwendet zu haben.

Ohne Zweifel werden unsre tugendhafte Leserinnen, welche den Fall unsers Helden nicht ohne gerechten Unwillen gegen die feine Buhler-K¸nste der schˆnen Danae betraurt haben, von Herzen erfreut sein, die Ehre der Tugend, und gewisser maflen das Interesse ihres ganzen Geschlechts an dieser Verf¸hrerin gerochen zu sehen. Wir nehmen selbst vielen Anteil an dieser ihrer Freude; aber wir kˆnnen uns doch, mit ihrer Erlaubnis nicht entbrechen zu sagen, dafl Agathon in der Vergleichung zwischen Danae und Psyche eine Strenge bewies, welche wir nicht allerdings billigen kˆnnen, so gerne wir ihn auch von einer Leidenschaft zur¸ckkommen sehen, deren l‰ngere Dauer uns in die Unmˆglichkeit gesetzt h‰tte, diesen zweiten Teil seiner Geschichte zu liefern.

Danae mag wegen ihrer Schwachheit gegen unsern Helden so tadelnsw¸rdig sein, als man will, so war es doch offenbar unbillig, sie zu verurteilen, weil sie keine Psyche war; oder, um bestimmter zu reden, weil sie in ‰hnlichen Umst‰nden sich nicht vollkommen so wie Psyche betragen hatte. Wenn Psyche unschuldiger gewesen war, so war es weniger ein Verdienst, als ein physikalischer Vorzug, eine nat¸rliche Folge ihrer Jugend und ihrer Umst‰nde: Danae war es vermutlich auch, da sie, unter der Aufsicht ihres edeln Bruders, mit aller Naivit‰t eines Landm‰dchens vor vierzehen Jahren bei den Gastm‰hlern zu Athen, nach der Flˆte tanzte, oder den Alcamenen, f¸r die Geb¸hr, das Model zu dem halbaufgebl¸hten Busen einer Hebe vorhielt. War es ihre Schuld, dafl sie nicht zu Delphi erzogen worden? Oder, dafl sich die ersten Empfindungen ihres jugendlichen Herzens f¸r einen Alcibiades, und nicht f¸r einen Agathon entfalteten?–Psyche liebte unschuldiger; wir geben’s zu; aber die Liebe bleibt doch in ihren W¸rkungen allezeit sich selbst ‰hnlich. Sie erweitert ihre Foderungen so lange bis sie im Besitz aller ihrer Rechte ist; und die treuherzige Unerfahrenheit ist am wenigsten im Stande, ihr diese Forderungen streitig zu machen. Es war gl¸cklich f¸r die Unschuld der z‰rtlichen Psyche, dafl ihre n‰chtliche Zusammenk¸nfte unterbrochen wurden, eh diese auf eine so geistige Art sinnliche Schw‰rmerei, worin sie beide so schˆne Progressen zu machen angefangen hatten, ihren hˆchsten Grad erreichte. Vielleicht noch wenige Tage, oder auch sp‰ter, wenn ihr wollt; aber desto gewisser w¸rden die guten Kinder, von einer unschuldigen Ergieflung des Herzens zur andern, von einem immer noch zu schwachen Ausdruck ihrer unaussprechlichen Empfindungen zum andern, sich endlich, zu ihrer eignen groflen Verwunderung, da gefunden haben, wo die Natur sie erwartet h‰tte; und wo w¸rde da der wesentlichste Vorzug der Unschuld geblieben sein?–Ein andrer Umstand, worin Psyche gl¸cklicher Weise den Vorteil ¸ber Danae hatte, war dieser, dafl ihr Liebhaber eben so unschuldig war als sie selbst, und bei aller seiner Z‰rtlichkeit nur nicht den Schatten eines Gedankens hatte, ihrer Tugend nachzustellen. Wissen wir, wie sie sich verhalten h‰tte, wenn sie auf die Probe gestellt worden w‰re? Sie w¸rde widerstanden haben; daran ist kein Zweifel; aber, setzet hinzu; so lang es ihr mˆglich gewesen w‰re. Denn dafl sie stark genug gewesen w‰re ihn zu fliehen, ihn gar nicht mehr zu sehen, das ist nicht zu vermuten. Sie w¸rde also endlich doch von den s¸flen Verf¸hrungen der Liebe ¸berschlichen worden sein, so weit sie auch den Augenblick ihrer Niederlage h‰tte zur¸ckstellen mˆgen. Man kˆnnte sagen: Gesetzt auch, sie w¸rde die Probe nicht ausgehalten haben, so h‰tte sie doch widerstanden; Danae hingegen habe ihren Fall nicht nur vorausgesehen, und beschleunigt, sondern er sei sogar das Werk ihrer eignen Maflnehmungen gewesen; und wenn sie ihn aufgezogen habe, so sei es allein des Vorteils ihrer Liebe und ihres Vergn¸gens wegen, nicht aus Tugend, geschehen. Alles das ist nicht zu leugnen; allein vorausgesetzt, dafl sie sich endlich doch ergeben haben w¸rde, (welches auf eine oder die andere Art doch allemal der stillschweigende Vorsatz einer jeden ist, die sich in eine Liebes-Angelegenheit waget) wozu w¸rde ein langwieriger eigensinniger Widerstand gedient haben, als sich selbst und ihrem Liebhaber unnˆtige Qualen zu verursachen? Genung, dafl der strengeste Wohlstand der heutigen Welt nicht halb soviel Zeit fodert, als sie anwandte, dem Agathon seinen Sieg zu erschweren. Und glauben wir etwan, dafl sie sich keine Gewalt habe antun m¸ssen, einen so vollkommenen Liebhaber, einen Liebhaber dessen auflerordentlicher Wert die Heftigkeit ihrer Neigung so gut rechtfertigte, so lange schmachten zu lassen? oder dafl die Selbstverleugnung, welche dazu erfordert wurde, eine Person, deren Einbildungs-Kraft mit den lebhaftesten Vergn¸gungen der Liebe schon so bekannt war, nicht zum wenigsten eben soviel gekostet habe, als einer noch unerfahrenen Person der ernstlichste Widerstand kosten kann?

Wir sagen dieses alles nicht, um die schˆne Danae zu rechtfertigen; sondern nur zu zeigen, dafl Agathon in der Hitze des Affekts zu strenge ¸ber sie geurteilt habe. Es war unbillig, ihr eine G¸tigkeit zum Verbrechen zu machen, welche ihn so gl¸cklich gemacht hatte, als er elend gewesen sein w¸rde, wenn sie schlechterdings darauf beharret w‰re, die heftige Leidenschaft, von der er verzehrt wurde, blofl allein durch die ruhigen Gesinnungen der Freundschaft erwidern zu wollen. Allein das Vorurteil, von welchem er nun eingenommen war, machte ihn unf‰hig ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Der Gedanke, dafl sie einen Hippias eben so beg¸nstiget habe als ihn, machte ihm alles verd‰chtig, was ihn h‰tte ¸berzeugen kˆnnen, dafl, wenn ihm gleich andere in dem Genufl ihrer Gunstbezeugungen zuvorgekommen, er doch der erste gewesen sei, der ihr Herz wahrhaftig ger¸hrt habe. Kurz, er sah nun nichts in ihr als eine Buhlerin, welche in dem Gesichtspunkt, worin sie ihm itzt erschien, vor den ¸brigen ihrer Klasse keinen andern Vorzug hatte, als dafl sie gef‰hrlicher war.

Indessen konnte sein Unwille gegen sie nicht so heftig sein als er war, ohne sich gegen sich selbst zu kehren. Die Vorstellung, dafl er die Stelle eines Hippias, eines Hyacinths, bei ihr vertreten habe, machte ihn in seinen eigenen Augen zum ver‰chtlichsten Sklaven; er sch‰mte sich vor seinem ehmaligen bessern Selbst, wenn er an die Rechenschaft dachte, welche er sich von seinem Aufenthalt zu Smyrna schuldig sei. W¸rde er so gar, wenn Danae w¸rklich diejenige gewesen w‰re, wof¸r er sie in der Trunkenheit der Leidenschaft gehalten hatte, vor dem Gerichtstuhl der Tugend haben bestehen kˆnnen? Was wollte er dann nun antworten, da er sich selbst anklagen muflte, eine so lange Zeit ohne irgend eine lobensw¸rdige Tat, verloren f¸r seinen Geist, verloren f¸r die Tugend, verloren f¸r sein eigenes und das allgemeine Beste, in unt‰tigem M¸fliggang, und, was noch schlimmer war, in der ver‰chtlichen Bestrebung den woll¸stigen Geschmack einer Danae zu belustigen, ihre Begierden, ihre von dem Rest des ¸ppigen Feuers ihrer Jugend noch erhitzte Einbildung zu befriedigen, unruhmlich verschwendet zu haben? Er trieb die Vorw¸rfe, welche er bei diesen gelbs¸chtigen Vorstellungen sich selbst machte, so weit als sie der Affekt einer allzufeurigen, aber mit angebornen Liebe zur Tugend durchdrungenen Seele treiben kann. Die Schmerzen wovon sein Gem¸t dadurch zerrissen wurde, waren so heftig, dafl er die ganze Nacht, welche auf diesen traurigen Tag folgte, in einer fiebrischen Hitze zubrachte, welche, mit dem Zustande, worin sich seine Seele befand, zusammengenommen, ein sehr f¸gliches Bild derjenigen Pein h‰tte abgeben kˆnnen, worin, nach dem allgemeinen Glauben aller Vˆlker, die Lasterhaften in einem andern Leben die Verbrechen des gegenw‰rtigen b¸flen.

Wir haben schon einmal angemerkt, dafl das Miflvergn¸gen ¸ber uns selbst ein allzuschmerzhafter Zustand sei, als dafl ihn unsre Seele lange ausdauern kˆnnte. Es ist nat¸rlich, dafl die Selbstliebe allen ihren Kr‰ften aufbeut, um sich Linderung zu verschaffen; und wenn wir betrachten, wie wenig Gutes ein anhaltendes Gef¸hl von Scham und Verachtung seiner selbst w¸rken kann, und wie nachteilig im Gegenteil Gram und Niedergeschlagenheit, ihre nat¸rliche Folgen, der wiederkehrenden Tugend sein m¸ssen: so haben wir vielleicht Ursache, die Gesch‰ftigkeit der Eigenliebe, uns bei uns selbst zu entschuldigen, f¸r eine von den nˆtigsten Springfedern unsrer Seele, in diesem Stande des Irrtums und der Leidenschaften, worin sie sich befindet, anzusehen. Die Reue ist zu nichts gut, als uns einen tiefen Eindruck von der H‰fllichkeit eines tˆrichten oder unsittlichen Verhaltens, dessen wir uns schuldig f¸hlen, zu geben. Sobald sie diese W¸rkung getan hat, soll sie aufhˆren; ihre Dauer w¸rde uns nur die Kr‰fte benehmen, uns in einen bessern Zustand emporzuarbeiten, und dadurch eben so sch‰dlich werden als eine allzugrofle Furcht, die zu nichts dient, als uns dem ¸bel desto gewisser auszuliefern, welchem wir behutsam entfliehen oder mutig widerstehen sollten.

Agathon hatte desto mehr Ursache, diesen wohlt‰tigen Eingebungen der Eigenliebe Gehˆr zu geben, da ihm seine allezeit zu warme Einbildungs-Kraft seine Vergehungen und den Gegenstand derselbigen w¸rklich in einem weit h‰fllichern Lichte gezeigt hatte, als die gelassene und unparteiische Vernunft getan haben w¸rde. Die seltsame Abwechselung dieser launischen Zauberin, und wie wenig ihr der plˆtzliche ¸bergang von dem ‰uflersten Grad eines Affekts zum entgegen gesetzten kostet, wird vermutlich einem guten Teil unsrer Leser aus eigner Erfahrung so wohl bekannt sein, dafl sie sich nicht verwundern werden, zu vernehmen, dafl die Begierde sich selbst in seinen eignen Augen zu rechtfertigen, oder doch wenigstens soviel mˆglich zu entschuldigen, unsern Helden unvermerkt dahin gebracht habe, auch der schˆnen Danae einen Teil der Gerechtigkeit wieder angedeihen zu lassen, der ihr von den strengesten Verehrern der Tugend nicht versagt werden kann. “Es war schwer, sehr schwer”, w¸rde ein Socrates gesagt haben, “den Reizungen eines so schˆnen Gegenstandes, den Verf¸hrungen so vieler vereinigter Zauberkr‰fte zu widerstehen; die Flucht war das einzige sichere Rettungs-Mittel; es war freilich fast eben so schwer; aber das Vermˆgen dazu war wenigstens anfangs in eurer Gewalt; und es war unvorsichtig an euch, nicht zu denken, dafl eine Zeit kommen w¸rde, da ihr keine Kr‰fte mehr zum fliehen haben w¸rdet.” So ungef‰hr mˆchte derjenige gesagt haben, der den Critobulus, weil er den schˆnen Knaben des Alcibiades gek¸flt hatte, einen Wagehals nannte; und dem jungen Xenophon riet, vor einem schˆnen Gesichte so behende wie vor einem Basilisken davon zu laufen. Allein so bescheiden und so wahr klang die Sprache der Eigenliebe nicht. “Es war unmˆglich”, sagte sie unserm Helden, “so m‰chtigen Reizungen zu widerstehen; es war unmˆglich zu entfliehen.” Sie nahm die ganze Lebhaftigkeit seiner Einbildungs-Kraft zu h¸lfe, ihm die Wahrheit dieser trˆstlichen Versicherungen zu beweisen; und wenn sie es nicht so weit brachte, ein gewisses innerliches Gef¸hl, welches ihr widersprach, und welches vielleicht das gewisseste Merkmal der Freiheit unsers Willens ist, g‰nzlich zu bet‰uben, so gelang es ihr doch unvermerkt, den Gram aus seinem Gem¸te zu verbannen, und dieses sanfte Licht wieder darin auszubreiten, worin wir ordentlicher Weise alles, was zu uns selbst gehˆrt, zu sehen gewohnt sind.

Allein Danae gewann wenig bei dieser ruhigern Verfassung seines Herzens. Ihre Vollkommenheiten rechtfertigten zwar die hohe Meinung die er von ihrem Charakter gefasset hatte, und beides, die Grˆfle seiner Leidenschaft; er vergab sich selbst, sie so sehr geliebet zu haben, so lang er Ursache gehabt hatte, die Schˆnheit ihrer Seele f¸r eben so ungemein zu halten als es die Reizungen ihrer Person waren: Aber sie verlor mit dem Recht an seine Hochachtung alle Gewalt ¸ber sein Herz. Der Entschlufl sie zu verlassen war die nat¸rliche Folge davon, und dieser kostete ihn, da er ihn faflte, nur nicht einen Seufzer; so tief war die Verachtung, wovon er sich gegen sie durchdrungen f¸hlte. Die Erinnerung dessen was er gewesen war, das Gef¸hl dessen was er wieder sein kˆnne, sobald er wolle, machte ihm den Gedanken unertr‰glich, nur einen Augenblick l‰nger der Sklave einer andern Circe zu sein, die durch eine sch‰ndlichere Verwandlung als irgend eine von denen welche die Gef‰hrten des Ulysses erdulden muflten, den Helden der Tugend in einen m¸fligen Woll¸stling verwandelt hatte.

Bei so bewandten Umst‰nden war es nicht ratsam, ihre Wiederkunft zu erwarten, welche, nach ihrem Bericht, l‰ngstens in dreien Tagen erfolgen sollte. Denn sie hatte keinen Tag vorbeigehen lassen, ohne ihm zu schreiben; und die Notwendigkeit, ihr eben so regelm‰flig zu antworten, setzte ihn, nach der groflen Revolution die in seinem Herzen vorgegangen war, in eine desto grˆflere Verlegenheit, da er zu aufrichtig und zu lebhaft war, Empfindungen vorzugeben, die sein Herz verleugnete. Seine Briefchen wurden dadurch so kurz, und verrieten so vielen Zwang, dafl Danae auf einen Gedanken kam, der zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber doch der nat¸rlichste war, der ihr einfallen konnte. Sie vermutete, ihre Abwesenheit kˆnnte eine von den Schˆnen zu Smyrna verwegen genug gemacht haben, ihr einen so beneidensw¸rdigen Liebhaber entf¸hren zu wollen. Wenn ihr Stolz zu einem so vermessenen Vorhaben l‰chelte; so liebte sie doch zu z‰rtlich, um so ruhig dabei zu sein, als man aus der muntern Art, womit sie ¸ber seine Erk‰ltung scherzte, h‰tte schlieflen sollen. Indessen behielt doch das Bewufltsein ihrer Vorz¸ge die Oberhand, und liefl ihr keinen Zweifel, dafl es nur ihre Gegenwart brauche, um alle Eindr¸cke, welche eine Nebenbuhlerin auf der Oberfl‰che seines Herzens gemacht haben kˆnnen, wieder auszulˆschen. Und wenn sie dessen auch weniger gewifl gewesen w‰re, so war sie doch zu klug, ihn merken zu lassen, dafl sie ein Mifltrauen in sein Herz setze, oder f‰hig sein kˆnnte, sich ihm jemals durch eine grillenhafte Eifersucht beschwerlich zu machen. Bei allem dem beschleunigte dieser Umstand ihre Zur¸ckkunft; und der Gedanke, dafl es ihr vielleicht einfallen kˆnnte, ihn durch eine fr¸here Ankunft, als sie in ihrem letzten Briefe versprochen hatte, ¸berraschen zu wollen, (ein Gedanke, den wir sehr geneigt sind der Eingebung des Schutzgeistes seiner Tugend zu zuschreiben, so prophetisch war er) stellte ihm die Notwendigkeit der schleunigsten Flucht so dringend vor, dafl er sich, sobald er den Boten der Danae abgefertiget hatte, nach dem Hafen begab, sich um ein Schiff um zu sehen, welches ihn noch in dieser Nacht von Smyrna entfernen mˆchte.

VIERTES KAPITEL

Eine kleine Abschweifung

Unsere Leser werden, wenn sie diese Geschichte mit etwas weniger Fl¸chtigkeit als einen Franzˆsischen Roman du jour zu lesen w¸rdigen, bemerkt haben, dafl die Wiederherstellung unsers Helden aus einem Zustande, in welchem er diesen Namen allerdings nicht verdient hat, eigentlich weder seiner Vernunft noch seiner Liebe zur Tugend zu zuschreiben sei; so angenehm es uns auch gewesen w‰re, der einen oder der andern die Ehre einer so schˆnen Kur allein zu zuwenden. Mit aller der aufrichtigen Hochachtung, welche wir f¸r beide hegen, m¸ssen wir gestehen, dafl wenn es auf sie allein angekommen w‰re, Agathon noch lange in den Fesseln der schˆnen Danae h‰tte liegen kˆnnen; ja wir haben Ursache zu glauben, dafl die erste gef‰llig genug gewesen w‰re, durch tausend schˆne Vorspiegelungen und Schl¸sse die andre nach und nach g‰nzlich einzuschl‰fern, oder vielleicht gar zu einem g¸tlichen Vergleich mit der Wollust, ihrer nat¸rlichen und gef‰hrlichsten Feindin, zu bewegen. Wir leugnen hiemit nicht, dafl sie das ihrige zur Befreiung unsers Freundes beigetragen; indessen ist doch gewifl, dafl Eifersucht und beleidigte Eigenliebe das meiste getan haben, und dafl also, ohne die wohlt‰tigen Einfl¸sse zwoer so verschneiter Leidenschaften, der ehmals so weise, so tugendhafte Agathon ein glorreich angefangenes Leben, allem Anscheinen nach, zu Smyrna unter den Rosen der Venus unr¸hmlich hinweggescherzet haben w¸rde.

Wir wollen durch diese Bemerkung dem groflen Haufen der Moralisten eben nicht zugemutet haben, gewisse Vorurteile fahren zu lassen, welche sie von ihren Vorg‰ngern, und diese, wenn wir um einige Jahrhunderte bis zur Quelle hinaufsteigen wollen, von den Mˆnchen und Einsamen, womit die Morgenl‰nder von jeher unter allen Religionen angef¸llt gewesen sind, durch eine den Progressen der gesunden Vernunft nicht sehr g¸nstige ¸berlieferung geerbt zu haben scheinen. Hingegen w¸rde uns sehr erfreulich sein, wenn diese gegenw‰rtige Geschichte die gl¸ckliche Veranlassung geben kˆnnte, irgend einen von den echten Weisen unsrer Zeit aufzumuntern, mit der Fackel des Genie in gewisse dunkle Gegenden der Moral-Philosophie einzudringen, welche zu betr‰chtlichem Abbruch des allgemeinen Besten, noch manches Jahr-Tausend unbekanntes Land bleiben werden, wenn es auf die vortrefflichen Leute ankommen sollte, durch deren unerm¸deten Eifer seit geraumen Jahren die deutschen Pressen unter einem in alle mˆgliche Formen gegossenen Mischmasch unbestimmter und nicht selten willk¸rlicher Begriffe, schw‰rmerischer Empfindungen, and‰chtiger Wortspiele, grotesker Charaktern, und schw¸lstiger Deklamationen zu seufzen gezwungen werden. F¸r diejenigen, welche unsern frommen Wunsch zu erf¸llen geschickt sind, uns dar¸ber deutlicher zu erkl‰ren, oder ihnen den Weg zur Entdeckung dieser moralischen Terra incognita genauer andeuten zu wollen, als es hie und da in dieser Geschichte geschehen sein mag, w¸rde einer Vermessenheit gleich sehen, wozu uns die Empfindung unsrer eignen Schw‰che oder vielleicht unsre Tr‰gheit wenig innerliche Versuchung l‰flt. Wir lassen es also bei diesem kleinen Winke bewenden, und begn¸gen uns, da wir nunmehr, allem Ansehen nach, unsern Helden aus der grˆflesten der Gefahren, worin seine Tugend jemals geschwebt hat, oder k¸nftig geraten mag, gl¸cklich herausgef¸hrt haben, einige Betrachtungen dar¸ber anzustellen–doch nein; wir bedenken uns besser–was f¸r Betrachtungen kˆnnten wir anstellen, dafl nicht diejenige welche Agathon selbst, sobald er Mufle dazu hatte, ¸ber sein Abenteur machte, um soviel nat¸rlicher und interessanter sein sollten, als er sich w¸rklich in dem Falle befand, worein wir uns erst durch H¸lfe der Einbildungs-Kraft setzen m¸flten, und die Gedanken sich ihm freiwillig darboten, ja wohl wider Willen aufdr‰ngen, welche wir erst aufsuchen m¸flten. Wir wollen also warten, bis er sich in der ruhigern Gem¸tsverfassung befinden wird, worin die sich selbst wiedergegebene Seele aufgelegt ist, das Vergangene mit pr¸fendem Auge zu ¸bersehen. Nur mˆg’ es uns erlaubt sein, eh wir unsre Erz‰hlung fortsetzen, zum besten unsrer jungen Leser, zu welchen wir uns nicht entbrechen kˆnnen eine vorz¸gliche Zuneigung zu tragen, einige Anmerkungen zu machen, f¸r welche wir keinen schicklichern Platz wissen, und welche diejenigen, die wie Shah Baham keine Liebhaber vom moralisieren sind, f¸glich ¸berschlagen, oder, bis wir damit fertig sind, sich indessen, wenn es ihnen beliebt, die Zeit damit vertreiben kˆnnen, die Spitze ihrer Nase anzuschauen.

“Was w¸rdet ihr also dazu sagen, meine jungen Freunde, wenn ich euch mit der Amts-Miene eines Sittenlehrers auf der Catheder, in geometrischer Methode beweisen w¸rde, dafl ihr zu einer vollkommnen Unempfindlichkeit gegen diese liebensw¸rdige Geschˆpfe verbunden seid, f¸r welche eure Augen, euer Herz, und eure Einbildungs-Kraft sich vereinigen, euch einen Hang einzuflˆflen, der, so lang er in einem unbestimmten Gef¸hl besteht, euch immer beunruhiget, und so bald er einen besondern Gegenstand bekˆmmt, die Seele aller eurer ¸brigen Triebe wird?

Dafl wir einen solchen Beweis f¸hren, und was noch ein wenig grausamer ist, dafl wir euch die Verbindlichkeit aufdringen kˆnnten, keines dieser anmutsvollen Geschˆpfe, so vollkommen es immer in euern bezauberten Augen sein mˆchte, eher zu lieben, bis es euch befohlen wird, dafl ihr sie lieben sollt–ist eine Sache, die euch nicht unbekannt sein kann. Aber eben deswegen, weil es so oft bewiesen wird, kˆnnen wir es als etwas ausgemachtes voraussetzen; und uns deucht, die Frage ist nun allein, wie es anzufangen sei, um euer widerstrebendes Herz f¸r Pflichten gelehrig zu machen, gegen welche ihr tausend scheinbare Einwendungen zu machen glaubt, wenn ihr uns am Ende doch nichts anders gesagt habt, als ihr habet keine Lust, sie auszu¸ben.

Die Auflˆsung dieser Frage deucht uns die grofle Schwierigkeit, worin uns die gemeinen Moralisten mit einer Gleichg¸ltigkeit stecken lassen, die desto unmenschlicher ist, da wenige unter ihnen sind, welche nicht auf eine oder die andere Art erfahren h‰tten, dafl es nicht so leicht sei einen Feind zu schlagen, als zu beweisen, dafl er geschlagen werden solle.

Indessen nun, bis irgend ein wohlt‰tiger Genius ein sicheres, kr‰ftiges und allgemeines Mittel ausfindig gemacht haben wird, diese Schwierigkeiten zu heben, erk¸hnen wir uns, euch einen Rat zu geben, der zwar weder allgemein noch ohne alle Ungelegenheiten ist, aber doch, alles wohl ¸berlegt, euch bis zu Erfindung jenes unfehlbaren moralischen Laudanums, in mehr als einer Absicht von betr‰chtlichem Nutzen sein kˆnnte.

Wir setzen hiebei zwei gleich gewisse Wahrheiten voraus: die eine; dafl die meisten jungen Leute, und vielleicht auch ein guter Teil der Alten, entweder zur Z‰rtlichkeit oder doch zur Liebe im popularen Sinn dieses Wortes, einen st‰rkern Hang als zu irgend einer andern nat¸rlichen Leidenschaft haben. Die andere: dafl Socrates, in der Stelle, deren in dem vorigen Kapitel erw‰hnt worden, die sch‰dlichen Folgen der Liebe, in so ferne sie eine heftige Leidenschaft f¸r irgend einen einzelnen Gegenstand ist; (denn von dieser Art von Liebe ist hier allein die Rede) nicht hˆher getrieben habe, als die t‰gliche Erfahrung beweiset. ‘Du Ungl¸ckseliger!’ (sagt er zu dem jungen Xenophon, welcher nicht begreifen konnte, dafl es eine so gef‰hrliche Sache sei, einen schˆnen Knaben, oder nach unsern Sitten zu sprechen, ein schˆnes M‰dchen zu k¸ssen; und leichtsinnig genug war zu gestehen, dafl er sich alle Augenblicke getraute, dieses halsbrechende Abenteuer zu unternehmen) ‘was meinst du dafl die Folgen eines solchen Kusses sein w¸rden? Glaubst du, du w¸rdest deine Freiheit behalten, oder nicht vielmehr ein Sklave dessen werden, was du liebest? wirst du nicht vielen Aufwand auf sch‰dliche Woll¸ste machen? Meinst du, es werde dir viel Mufle ¸brig bleiben, dich um irgend etwas grofles und N¸tzliches zu bek¸mmern, oder du werdest nicht vielmehr gezwungen sein, deine Zeit auf Besch‰ftigungen zu wenden, deren sich so gar ein Unsinniger sch‰men w¸rde?’–Man kann die Folgen dieser Art von Liebe, in so wenigen Worten nicht vollst‰ndiger beschreiben–Was h‰lf’ es uns, meine Freunde, wenn wir uns selbst betr¸gen wollten? Selbst die unschuldigste Liebe, selbst diejenige, welche in jungen enthusiastischen Seelen so schˆn mit der Tugend zusammen zustimmen scheint, f¸hrt ein schleichendes Gift bei sich, dessen W¸rkungen nur desto gef‰hrlicher sind, weil es langsam und durch unmerkliche Grade w¸rkt–Was ist also zu tun?–Der Rat des alten Cato, oder der, welchen Lucrez nach den Grunds‰tzen seiner Sekte gibt, ist, seinen Folgen nach, noch schlimmer als das ¸bel selbst. So gar die Grunds‰tze und das eigne Beispiel des weisen Socrates sind in diesem St¸cke nur unter gewissen Umst‰nden tunlich–und (wenn wir nach unsrer ¸berzeugung reden sollen) wir w¸nschten, aus wahrer Wohlmeinenheit gegen das allgemeine System, nichts weniger als dafl es jemals einem Socrates gelingen mˆchte, den Amor vˆllig zu entgˆttern, seiner Schwingen und seiner Pfeile zu berauben, und aus der Liebe eine blofle regelm‰flige Stillung eines physischen Bed¸rfnisses zu machen. Der Dienst, welcher der Welt dadurch geleistet w¸rde, m¸flte notwendig einen Teil der schlimmen W¸rkung tun, welche auf eine allgemeine Unterdr¸ckung der Leidenschaften in der menschlichen Gesellschaft erfolgen m¸flte.

Hier ist also unser Rat–die Tart¸ffen, und die armen Kˆpfe, welche die Welt bereden wollen, die Exkremente ihres milzs¸chtigen Gehirns f¸r Reliquien zu k¸ssen, mˆgen ihre Kˆpfe sch¸tteln so stark sie kˆnnen! –Meine jungen Freunde, besch‰ftiget euch mit den Vorbereitungen zu eurer Bestimmung–oder mit ihrer wirklichen Erf¸llung. Bewerbet euch um die Verdienste, von denen die Hochachtung der Vern¸nftigen und der Nachwelt die Belohnung ist; und um die Tugend, welche allein den innerlichen Wohlstand unsers Wesens ausmacht -” “Haltet ein, Herr Sittenlehrer”, rufet ihr; “das ist nicht was wir von euch hˆren wollten, alles das hat uns Claville besser gesagt, als ihr es kˆnntet, und Abbt besser als Claville–euer Mittel gegen die Liebe?”–“Mittel gegen die Liebe? daf¸r beh¸te uns der Himmel!–oder wenn ihr dergleichen wollt, so findet ihr sie bei allen moralischen Quacksalbern, und–in allen Apotheken. Unser Rat geht gerade auf das Gegenteil. Wenn ihr ja lieben wollt oder m¸flt–nun, so kommt alles, glaubet mir, auf den Gegenstand an–Findet ihr eine Aspasia, eine Leontium, eine Ninon–so bewerbet euch um ihre Gunst, und, wenn ihr kˆnnt, um ihre Freundschaft. Die Vorteile, die ihr daraus f¸r euern Kopf, f¸r euern Geschmack, f¸r eure Sitten–ja, meine Herren, f¸r eure Sitten, und selbst f¸r die Pflichten eurer Bestimmung, von einer solchen Verbindung ziehen werdet, werden euch f¸r die M¸he belohnen -” “Gut! Aspasien! Ninons! die m¸flten wir im ganzen Europa aufsuchen -” “Das raten wir euch nicht; die Rede ist nur von dem Falle, wenn ihr sie findet -” “Aber, wenn wir keine finden?” -“So suchet die vern¸nftigste, tugendhafteste und liebensw¸rdigste Frau auf, die ihr finden kˆnnet–Hier erlauben wir euch zu suchen, nur nicht (um euch einen Umweg zu ersparen) unter den Schˆnsten; ist sie liebensw¸rdig, so wird sie euch desto st‰rker einnehmen; ist sie tugendhaft, so wird sie euch nicht verf¸hren; ist sie klug, so wird sie sich von euch nicht verf¸hren lassen. Ihr kˆnnet sie also ohne Gefahr lieben -” “Aber dabei finden wir unsre Rechnung nicht; die Frage ist, wie wir uns von ihr lieben machen -” “Allerdings, das wird die Kunst sein; der Versuch ist euch wenigstens erlaubt; und wir stehen euch daf¸r, wenn sie und ihr jedes das seinige tut, so werdet ihr euern Roman zehen Jahre durch in einer immer n‰hernden Linie fort f¸hren, ohne dafl ihr dem Mittelpunkt n‰her sein werdet als anfangs–Und das ist alles, was wir euch sagen wollten.”

F‹NFTES KAPITEL

Schwachheit des Agathon; unverhoffter Zufall, der seine Entschlieflungen bestimmt

Wir kommen zu unserm Agathon zur¸ck, den wir zu Ende des dritten Kapitels auf dem Wege nach dem Hafen von Smyrna verlassen haben.

Man konnte nicht entschlossener sein, als er es beim Ausgehen war; das erste Fahrzeug, das er zum Auslaufen fertig antreffen w¸rde, zu besteigen, und h‰tte es ihn auch zu den Antipoden f¸hren sollen. Allein–so grofl ist die Schw‰che des menschlichen Herzens!–da er angelangt war, und eine Menge von Schiffen vor den Augen hatte, welche nur auf das Zeichen den Anker zu heben wartete: So h‰tte wenig gefehlt, dafl er wieder umgekehrt w‰re, um, anstatt vor der schˆnen Danae zu fliehen, ihr mit aller Sehnsucht eines entflammten Liebhabers in die Arme zu fliegen.

Doch, wir wollen billig sein; eine Danae verdiente wohl, dafl ihn der Entschlufl sie zu verlassen, mehr als einen fl¸chtigen Seufzer kostete; und es war sehr nat¸rlich, dafl er, im Begriff seinen tugendhaften Vorsatz ins Werk zu setzen, einen Blick ins Vergangene zur¸ckwarf, und sich diese Gl¸ckseligkeiten lebhafter vorstellte, denen er nun freiwillig entsagen wollte, um sich von neuem, als ein im Ozean der Welt herumtreibender Verbannter, den Zuf‰llen einer ungewissen Zukunft auszusetzen. Dieser letzte Gedanke machte ihn stutzen; aber er wurde bald von andern Vorstellungen verdr‰ngt, die sein gef¸hlvolles Herz weit st‰rker r¸hrten als alles was ihn allein und unmittelbar anging. Er setzte sich an die Stelle der Danae. Er malte sich ihren Schmerz vor, wenn sie bei ihrer Wiederkunft seine Flucht erfahren w¸rde. Sie hatte ihn so z‰rtlich geliebt!–Alles Bˆse, was ihm Hippias von ihr gesagt, alles was er selbst hinzugedacht hatte, konnte in diesem Augenblick die Stimme des Gef¸hls nicht ¸bert‰uben, welches ihn ¸berzeugte, dafl er wahrhaftig geliebt worden war. Wenn die Grˆfle unsrer Liebe das nat¸rliche Mafl unsrer Schmerzen ¸ber den Verlust des Geliebten ist, wie ungl¸cklich muflte sie werden! Das Mitleiden, welches diese Vorstellung in ihm erregte, machte sie wieder zu einem interessanten Gegenstand f¸r sein Herz. Ihr Bild stellte sich ihm wieder mit allen den Reizungen dar, deren zauberische Gewalt er so oft erfahren hatte. Was f¸r Erinnerungen! Er konnte sich nicht erwehren, ihnen etliche Augenblicke nachzuh‰ngen; und f¸hlte immer weniger Kraft, sich wieder von ihnen loszureiflen. Seine schon halb ¸berwundene Seele widerstand noch, aber immer schw‰cher. Amor, um desto gewisser zu siegen, verbarg sich unter die r¸hrende Gestalt des Mitleidens, der Groflmut, der Dankbarkeit–Wie? er sollte eine so inbr¸nstige Liebe mit so schnˆdem Undank erwidern? Einer Geliebten, in dem Augenblick, da sie in die getreue Arme eines Freundes zur¸ck zu eilen glaubt, einen Dolch in diesen Busen stoflen, welcher sich von Z‰rtlichkeit ¸berwallend an den seinigen dr¸cken will?–In der Tat, eine r¸hrende Vorstellung; und wie viel mehr wurde sie es noch durch die unvermerkt sich einschleichende Erinnerung, was f¸r ein Busen das war!–Sie verlassen; sich heimlich von ihr hinweg stehlen–w¸rde sie den Tod von seiner Hand, in Vergleichung mit einer solchen Grausamkeit, nicht als eine Wohltat angenommen haben? So w¸rde es ihm gewesen sein, wenn er sich an ihren Platz setzte; und das tut die Leidenschaft allezeit, wenn sie ihren Vorteil dabei findet.

Allen diesen z‰rtlichen Bildern stellte sein gefaflter Entschlufl zwar die Gr¸nde, welche wir kennen, entgegen: Aber diese Gr¸nde hatten von dem Augenblick an, da sich sein Herz wieder auf die Seite der schˆnen Feindin seiner Tugend neigte, die H‰lfte von ihrer St‰rke verloren. Die Gefahr war dringend: jede Minute war, so zu sagen, entscheidend. Denn die Wiederkunft der Danae war ungewifl; und es ist nicht zu zweifeln, dafl sie, wofern sie noch zu rechter Zeit angelangt w‰re, Mittel gefunden h‰tte, alle die widrigen Eindr¸cke der Verr‰terei des Sophisten aus einem Herzen, welches so viel Vorteil dabei hatte sie unschuldig zu finden, auszulˆschen.

Ein gl¸cklicher Zufall–doch, warum wollen wir dem Zufall zuschreiben, was uns beweisen sollte, dafl eine unsichtbare Macht ist, welche sich immer bereit zeigt, der sinkenden Tugend die Hand zu reichen–f¸gte es dafl Agathon, in diesem zweifelhaften Augenblick unter dem Gedr‰nge der Fremden, welche die Handelschaft von allen Welt-Gegenden her nach Smyrna f¸hrte, einen Mann erblickte, den er zu Athen vertraulich gekannt, und durch betr‰chliche Dienstleistungen sich zu verbinden Gelegenheit gehabt hatte. Es war ein Kaufmann von Syracus, der mit den Geschicklichkeiten seiner Profession, einen rechtschaffenen Charakter, und, was bei uns, in der einen H‰lfte des deutschen Reichs wenigstens, eine grofle Seltenheit ist, mit beiden die Liebe der Musen verband; Eigenschaften, welche ihn dem Agathon desto angenehmer, so wie sie ihn desto f‰higer gemacht hatten, den Wert Agathons zu sch‰tzen. Der Syracusaner bezeugte die lebhafteste Freude ¸ber eine so angenehm ¸berraschende Zusammenkunft, und bot unserm Helden seine Dienste mit derjenigen Art an, welche beweist, dafl man begierig ist, sie angenommen zu sehen; denn Agathons Verbannung von Athen war eine zu bekannte Sache, als dafl sie in irgend einem Teil von Griechenlande h‰tte unbekannt sein kˆnnen.

Nach einigen Fragen, und Gegenfragen, wie sie unter Freunden gewˆhnlich sind, die sich nach einer geraumen Trennung unvermutet zusammenfinden, berichtete ihm der Kaufmann als eine Neuigkeit, welche w¸rklich die Aufmerksamkeit aller Europ‰ischen Griechen besch‰ftigte, die auflerordentliche Gunst, worin Plato bei dem j¸ngern Dionysius zu Syracus stehe; die philosophische Bekehrung dieses Prinzen; und die groflen Erwartungen, mit welchen Sicilien den gl¸ckseligen Zeiten entgegensehe, die eine so wundervolle Ver‰nderung verspreche. Er endigte damit, dafl er den Agathon einlud, wofern ihn keine andre Angelegenheit in Smyrna zur¸ckhielte, ihm nach Syracus zu folgen, welches nunmehr im Begriff sei, der Sammelplatz der Weisesten und Tugendhaftesten zu werden. Er meldete ihm dabei, dafl sein Schiff, welches er mit Asiatischen Waren beladen hatte, bereit sei, noch diesen Abend abzusegeln.

Ein Funke, der in eine Pulvermine f‰llt, richtet keine plˆtzlichere Entz¸ndung an, als die Revolution war, die bei dieser Nachricht in unserm Helden vorging. Seine ganze Seele loderte, wenn wir so sagen kˆnnen, in einen einzigen Gedanken auf–Aber was f¸r ein Gedanke war das!–Plato, ein Freund des Dionysius–Dionysius, ber¸chtiget durch die ausschweifendeste Lebens-Art, in welcher sich eine durch unumschr‰nkte Gewalt ¸berm¸tig gemachte Jugend dahin st¸rzen kann–der Tyrann Dionysius, ein Liebhaber der Philosophie, ein Lehrling der Tugend–und Agathon, sollte die Bl¸te seines Lebens in m¸fliger Wollust verderben lassen? Sollte nicht eilen, dem Gˆttlichen Weisen, dessen erhabene Lehren er zu Athen so r¸hmlich auszu¸ben angefangen hatte, ein so glorreiches Werk vollenden zu helfen, als die Verwandlung eines z¸gellosen Tyrannen in einen guten F¸rsten, und die Befestigung der allgemeinen Gl¸ckseligkeit einer ganzen Nation?–was f¸r Arbeiten! was f¸r Aussichten f¸r eine Seele wie die seinige! Sein ganzes Herz wallte ihnen entgegen; er f¸hlte wieder, dafl er Agathon war–f¸hlte diese moralische Lebens-Kraft wieder, die uns Mut und Begierden gibt, uns zu einer edeln Bestimmung geboren zu glauben; und diese Achtung f¸r sich selbst, welche eine von den st‰rksten Schwingfedern der Tugend ist. Nun brauchte es keinen Kampf, keine Bestrebung mehr, sich von Danae loszureiflen, um mit dem Feuer eines Liebhabers, der nach einer langen Trennung zu seiner Geliebten zur¸ckkehrt, sich wieder in die Arme der Tugend zu werfen. Sein Freund von Syracus hatte keine ¸berredungen nˆtig; Agathon nahm sein Anerbieten mit der lebhaftesten Freude an. Da er von allen Geschenken, womit ihn die freigebige Danae ¸berh‰uft hatte, nichts mit sich nehmen wollte, als das wenige, was zu den Bed¸rfnissen seiner Reise unentbehrlich war, so brauchte er wenig Zeit, um reisefertig zu sein. Die g¸nstigsten Winde schwellten die Segel, welche ihn aus dem verderblichen Smyrna entfernen sollten; und so herrlich war der Triumph, den die Tugend in dieser gl¸cklichen Stunde ¸ber ihre Gegnerin erhielt, dafl er die anmutsvollen Asiatischen Ufer aus seinen Augen verschwinden sah, ohne den Abschied, den er auf ewig von ihnen nahm, nur mit einer einzigen Tr‰ne zu zieren.

“So?–Und was wurde nun” (so deucht mich hˆr’ ich irgend eine junge Schˆne fragen, der ihr Herz sagt, dafl sie es der Tugend nicht verzeihen w¸rde, wenn sie ihr ihren Liebhaber so unbarmherzig entf¸hren wollte) “–was wurde nun aus der armen Danae? Von dieser war nun die Rede nicht mehr? Und der tugendhafte Agathon bek¸mmerte sich wenig darum, ob seine Untreue, ein Herz welches ihn gl¸cklich gemacht hatte, in St¸cken brechen werde oder nicht?”–“Aber, meine schˆne Dame, was h‰tte er tun sollen, nachdem er nun einmal entschlossen war? Um nach Syracus zu gehen muflte er Smyrna verlassen; und nach Syracus muflte er doch gehen, wenn sie alle Umst‰nde unparteiisch in Betrachtung ziehen; denn sie werden doch nicht wollen, dafl ein Agathon sein ganzes Leben wie ein Veneris passerculus (lassen Sie Sich das von Ihrem Liebhaber verdeutschen) am Busen der z‰rtlichen Danae buhlen sollen? Und sie nach Syracus mit zunehmen, war aus mehr als einer Betrachtung auch nicht ratsam; gesetzt auch, dafl sie um seinetwillen Smyrna h‰tte verlassen wollen. Oder meinen Sie vielleicht er h‰tte warten, und die Einwilligung seiner Freundin zu erhalten suchen sollen?”–Das w‰re alles gewesen, was er h‰tte tun kˆnnen, wenn er eine geheime Absicht gehabt h‰tte, da zu bleiben. Alles wohl ¸berlegt, konnte er also, deucht uns, nichts mehr tun als was er tat. Er hinterliefl ein Briefchen, worin er ihr sein Vorhaben mit einer Aufrichtigkeit entdeckte, welche zugleich die Rechtfertigung desselben ausmacht. Er spottete ihrer nicht durch Liebes-Versicherungen, welche der Widerspruch mit seinem Betragen beleidigend gemacht h‰tte; hingegen erinnerte er sich dessen, was sie um ihn verdient hatte zu wohl, um sie durch Vorw¸rfe zu kr‰nken. Und dennoch entwischte ihm beim Schlufl ein Ausdruck, den er vermutlich groflm¸tig genug gewesen w‰re, wieder auszulˆschen, wenn er Zeit gehabt h‰tte, sich zu bedenken; denn er endigte sein Briefchen damit, dafl er ihr sagte; er hoffe, die H‰lfte der St‰rke des Gem¸ts, womit sie den Verlust eines Alcibiades ertragen, und den Armen eines Hyacinths sich entrissen habe, werde mehr als hinl‰nglich sein, ihr seine Entfernung in kurzem gleichg¸ltig zu machen. Wie leicht, setzte er hinzu, kann Danae einen Liebhaber missen, da es nur von ihr abh‰ngt, mit einem einzigen Blicke so viele Sklaven zu machen, als sie haben will!–das war ein wenig grausam–Aber die Gem¸ts-Verfassung, worin er sich damals befand, war nicht ruhig genug, um ihn f¸hlen zu lassen, wie viel er damit sagte.

Und so endigte sich also die Liebes-Geschichte des Agathon und der schˆnen Danae; und so, meine schˆne Leserinnen, so haben sich noch alle Liebes-Geschichten geendigt, und so werden sich auch k¸nftig alle endigen, welche so angefangen haben.

SECHSTES KAPITEL

Betrachtungen, Schl¸sse und Vors‰tze

Wer aus den Fehlern, welche von andern vor ihm gemacht worden, oder noch t‰glich um ihn her gemacht werden, die Kunst lernte selbst keine zu machen; w¸rde unstreitig den Namen des Weisesten unter den Menschen mit grˆflerm Recht verdienen als Confucius, Socrates oder Kˆnig Salomon, welcher letzte, wider den gewˆhnlichen Lauf der Natur, seine grˆflesten Torheiten in dem Alter beging, wo die meisten von den ihrigen zur¸ckkommen. Unterdessen bis diese Kunst erfunden sein wird, deucht uns, man kˆnne denjenigen immer f¸r weise gelten lassen, der die wenigsten Fehler macht, am b‰ldesten davon zur¸ckkommt, und sich gewisse Kautelen f¸r zuk¸nftige F‰lle darauszieht, mittelst deren er hoffen kann, k¸nftig weniger zu fehlen.

Ob und in wie fern Agathon dieses Pr‰dikat verdiene, mˆgen unsre Leser zu seiner Zeit selbst entscheiden; wir unsers Orts haben in keinerlei Absicht einiges Interesse ihn besser zu machen, als er in der Tat war; wir geben ihn f¸r das was er ist; wir werden mit der bisher beobachteten historischen Treue fortfahren, seine Geschichte zu erz‰hlen; und versichern ein f¸r allemal, dafl wir nicht daf¸r kˆnnen, wenn er nicht allemal so handelt, wie wir vielleicht selbst h‰tten w¸nschen mˆgen, dafl er gehandelt h‰tte.

Er hatte w‰hrend seiner Fahrt nach Sicilien, welche durch keinen widrigen Zufall beunruhiget wurde, Zeit genung, Betrachtungen ¸ber das, was zu Smyrna mit ihm vorgegangen war anzustellen. “Wie?” rufen hier einige Leser, “schon wieder Betrachtungen?” “Allerdings, meine Herren; und in seiner Situation w¸rde es ihm nicht zu vergeben gewesen sein, wenn er keine angestellt h‰tte. Desto schlimmer f¸r euch, wenn ihr, bei gewissen Gelegenheiten, nicht so gerne mit euch selbst redet als Agathon; vielleicht w¸rdet ihr sehr wohl tun, ihm diese kleine Gewohnheit abzulernen.”

Es ist f¸r einen Agathon nicht so leicht, als f¸r einen jeden andern, die Erinnerung einer begangenen Torheit von sich abzusch¸tteln. Braucht es mehr als einen einzigen Fehler, um den Glanz des schˆnsten Lebens zu verdunkeln? Wie verdriefllich, wenn wir an einem Meisterst¸cke der Kunst, an einem Gem‰lde oder Gedichte zum Exempel, Fehler finden, welche sich nicht verbessern lassen, ohne das Ganze zu vernichten? Wie viel verdriefllicher, wenn es nur ein einziger Fehler ist, der dem schˆnen Ganzen die Ehre der Vollkommenheit raubt? Ein Gef¸hl von dieser Art war schmerzhaft genug, um unsern Mann zu vermˆgen, ¸ber die Ursachen seines Falles sch‰rfer nachzudenken. Wie errˆtete er itzt vor sich selbst, da er sich der allzutrotzigen Herausforderung erinnerte, wodurch er ehmals den Hippias gereizt, und gewissermaflen berechtiget hatte, den Versuch an ihm zu machen, ob es eine Tugend gebe, welche die Probe der st‰rksten und schlauesten Verf¸hrung aushalte–Was machte ihn damals so zuversichtlich?–die Erinnerung des Sieges, den er ¸ber die Priesterin zu Delphi erhalten hatte? Oder das gegenw‰rtige Bewufltsein der Gleichg¸ltigkeit, worin er bei den Reizungen der jungen Cyane geblieben war? Die Erfahrung, dafl die Versuchungen, welche seiner Unschuld im Hause des Sophisten auf allen Seiten nachstellten, ihn weniger versucht als empˆrt hatten?–der Abscheu vor den Grunds‰tzen des Hippias–und das Vertrauen auf die eigent¸mliche St‰rke der seinigen?–Aber, war es eine Folge, dafl derjenige, der etliche mal gesiegt hatte, niemals ¸berwunden werden kˆnne? War nicht eine Danae mˆglich, welche das auszuf¸hren geschickt war, was die Pythia, was die Thrazischen Bacchantinnen, was Cyane, und vielleicht alle Schˆnen im Serail des Kˆnigs von Persien nicht vermochten, oder vermocht h‰tten?–Und was f¸r Ursache hatte er, sich auf die St‰rke seiner Grunds‰tze zu verlassen?–Auch in diesem St¸cke schwebte er in einem subtilen Selbstbetrug, den ihm vielleicht nur die Erfahrung sichtbar machen konnte. Entz¸ckt von der Idee der Tugend, liefl er sich nicht tr‰umen, dafl das Gegenteil dieser intellektualischen Schˆnheit jemals Reize f¸r seine Seele haben kˆnnte. Die Erfahrung muflte ihn belehren, wie betr¸glich unsere Ideen sind, wenn wir sie unvorsichtig realisieren–Betrachtet die Tugend in sich selbst, in ihrer hˆchsten Vollkommenheit–so ist sie gˆttlich, ja (nach dem k¸hnen aber richtigen Ausdruck eines vortrefflichen Schrift-Stellers) die Gottheit selbst.–Aber welcher Sterbliche ist berechtigt, auf die allm‰chtige St‰rke dieser idealen Tugend zu trotzen? Es kˆmmt bei einem jeden darauf an, wie viel die seinige vermag.–Was ist h‰fllicher als die Idee des Lasters? Agathon glaubte sich also auf die Unmˆglichkeit, es jemals liebensw¸rdig zu finden, verlassen zu kˆnnen, und betrog sich,–weil er nicht daran dachte, dafl es ein zweifelhaftes Licht gibt, worin die Grenzen der Tugend und der Untugend schwimmen; worin Schˆnheit und Grazien dem Laster einen Glanz mitteilen, der seine H‰fllichkeit ¸berg¸ldet, der ihm sogar die Farbe und Anmut der Tugend gibt? und dafl es allzuleicht ist, in dieser verf¸hrischen D‰mmerung sich aus dem Bezirk der letztern in eine unmerkliche Spiral-Linie zu verlieren, deren Mittel-Punkt ein s¸fles Vergessen unsrer selbst und unsrer Pflichten ist.

Von dieser Betrachtung, welche unsern Helden die Notwendigkeit eines behutsamen Mifltrauens in die St‰rke guter Grunds‰tze lehrte; und wie gef‰hrlich es sei, sie f¸r das Mafl unsrer Kr‰fte zu halten; ging er zu einer andern ¸ber, die ihn von der wenigen Sicherheit ¸berzeugte, welche sich unsre Seele in diesem Zustand eines immerw‰hrenden moralischen Enthusiasmus versprechen kann, wie derjenigen worin die seinige zu eben der Zeit war, als sie in dem feingewebten Netze der schˆnen Danae gefangen wurde. Er rief alle Umst‰nde in sein Gem¸te zur¸ck, welche zusammen gekommen waren, ihm diese reizungsvolle Schw‰rmerei so nat¸rlich zu machen; und erinnerte sich der verschiednen Gefahren, denen er sich dadurch ausgesetzt gesehen hatte. Zu Delphi fehlte es wenig, dafl sie ihn den Nachstellungen eines verkappten Apollo preis gegeben h‰tte–zu Athen hatte sie ihn seinen arglistigen Feinden w¸rklich in die H‰nde geliefert. Doch, aus diesen beiden Gefahren hatte er seine Tugend davon gebracht; ein unsch‰tzbares Kleinod, dessen Besitz ihn gegen den Verlust alles andern, was ein G¸nstling des Gl¸ckes verlieren kann, unempfindlich machte. Aber durch eben diesen Enthusiasmus unterlag sie endlich den Verf¸hrungen seines eignen Herzens eben so wohl als den Kunstgriffen der schˆnen Danae. War nicht dieses zauberische Licht, welches seine Einbildungs-Kraft gewohnt war, ¸ber alles, was mit seinen Ideen ¸bereinstimmte, auszubreiten; war nicht diese unvermerkte Unterschiebung des Idealen an die Stelle des W¸rklichen, die wahre Ursache, warum Danae einen so auflerordentlichen Eindruck auf sein Herz machte? War es nicht diese begeisterte Liebe zum Schˆnen, unter deren schimmernden Fl¸geln verborgen, die Leidenschaft mit sanftschleichenden Progressen sich endlich durch seine ganze Seele ausbreitete? War es nicht die lange Gewohnheit sich mit s¸flen Empfindungen zu n‰hren, was sie unvermerkt erweichte, um desto schneller an einer so schˆnen Flamme dahinzuschmelzen? Muflte nicht der Hang zu phantasierten Entz¸ckungen, so geistig auch immer ihre Gegenst‰nde sein mochten, endlich nach denenjenigen l¸stern machen, vor welchen ihm ein unbekanntes, verworrenes, aber desto lebhafteres innerliches Gef¸hl den wirklichen Genufl dieser vollkommensten Wonne versprach, wovon bisher nur vor¸berblitzende Ahnungen seine Einbildung ber¸hrt, und durch diese leichte Ber¸hrung schon aufler sich selbst gesetzt hatten? Hier erinnerte sich Agathon der Einw¸rfe, welche ihm Hippias gegen diesen Enthusiasmus, und diejenige Art von Philosophie, die ihn hervorbringt und unterh‰lt, gemacht hatte; und befand sie itzt mit seiner Erfahrung so ¸bereinstimmend, als sie ihm damals falsch und ungereimt vorgekommen waren. Er fand sich desto geneigter, die Meinung des Sophisten, von dem Ursprung und der wahren Beschaffenheit dieser hochfliegenden Begeisterung Beifall zu geben; da es ihm, seitdem er sie in den Armen der schˆnen Danae verloren hatte, unmˆglich geblieben war, sich wieder in sie hineinzusetzen; und da selbst das lebhaftere Gef¸hl f¸r die Tugend, wovon sein Herz wieder erhitzt war, weder seinen sittlichen Ideen diesen Firnis, den sie ehemals hatten, wiedergeben, noch die dichterische Metaphysik der Orphischen Sekte wieder in die vorige Achtung bei ihm setzen konnte. Er glaubte durch die Erfahrung ¸berwiesen zu sein, dafl dieses innerliche Gef¸hl, durch dessen Zeugnis er die Schl¸sse des Sophisten zu entkr‰ften vermeint hatte, nur ein sehr zweideutiges Kennzeichen der Wahrheit sei; dafl Hippias eben soviel Recht habe, seinen tierischen Materialismus und seine verderbliche Moral, als die Theosophen ihre geheimnisvolle Geister-Lehre durch die Stimme innerlicher Gef¸hle und Erfahrungen zu autorisieren; und dafl es vermutlich allein dem verschiednen Schwung unsrer Einbildungs-Kraft beizumessen sei, wenn wir uns zu einer Zeit geneigter f¸hlen, uns mit den Gˆttern, zu einer andern mit den Tieren verwandt zu glauben; wenn uns zu einer Zeit alles sich in einem ernsthaften, und schw‰rzlichten, zu einer andern alles in einem frˆhlichen Lichte darstellt; wenn wir itzt kein wahres und gr¸ndliches Vergn¸gen kennen, als uns mit stolzer Verschm‰hung der irdischen Dinge in melancholische Betrachtungen ihres Nichts, in die unbekannten Gegenden jenseits des Grabes, und die grundlosen Tiefen der Ewigkeit hineinzusenken; ein andermal kein reizenderes Gem‰lde einer beneidensw¸rdigen Wonne, als den jungen Bacchus, wie er, sein Efeu-bekr‰nztes Haupt in den Schofl der schˆnsten Nymphe zur¸ckgelehnt, und mit dem einen Arm ihre blendenden H¸ften umfassend, den andern nach der d¸ftenden Trinkschale ausstreckt, die sie ihm l‰chelnd voll Nektars schenkt, von ihren eignen schˆnen H‰nden aus strotzenden Trauben frisch ausgepreflt; indes die Faunen und die frˆhlichen Nymphen mit den Liebes-Gˆttern mutwillig um ihn her h¸pfen, oder durch Rosengeb¸sche sich jagen, oder m¸de von ihren Scherzen, in stillen Grotten zu neuen Scherzen ausruhen.

Der Schlufl, den er aus allen diesen Betrachtungen, und einer Menge andrer, womit wir unsre Leser verschonen wollen, zog, war dieser: Dafl die erhabnen Lehrs‰tze der Zoroastrischen und Orphischen Theosophie, wahrscheinlicher Weise (denn gewifl getraute er sich ¸ber diesen Punkt noch nichts zu behaupten) nicht viel mehr Realit‰t haben kˆnnten, als die lachenden Bilder, unter welchen die Maler und Dichter die Woll¸ste der Sinnen vergˆttert hatten; dafl die ersten zwar der Tugend g¸nstiger, und das Gem¸te zu einer mehr als menschlichen Hoheit, Reinigkeit und St‰rke zu erheben schienen, in der Tat aber der wahren Bestimmung des Menschen wohl eben so nachteilig sein durften, als die letztern; teils, weil es ein widersinniges und vergebliches Unternehmen scheine, sich besser machen zu wollen, als uns die Natur haben will, oder auf Unkosten des halben Teils unsers Wesens nach einer Art von Vollkommenheit zu trachten, die mit der Anlage desselben im Widerspruch steht; teils weil solche Menschen, wenn es ihnen auch gel‰nge, sich selbst zu Halbgˆttern und Intelligenzen umzuschaffen, eben dadurch zu jeder gewˆhnlichen Bestimmung des geselligen Menschen desto untauglicher w¸rden. Aus diesem Gesichtspunkt deuchte ihn der Enthusiasmus des Theosophen zwar unsch‰dlicher als das System des Woll¸stlings; aber der menschlichen Gesellschaft eben so unn¸tzlich: indem der erste sich dem gesellschaftlichen Leben entweder g‰nzlich entzieht (welches w¸rklich das Beste ist, was er tun kann) oder wenn er von dem beschaulichen Leben ins w¸rksame ¸bergeht, durch Mangel an Kenntnis einer ihm ganz fremden Welt, durch abgezogene Begriffe, welche nirgends zu den Gegenst‰nden, die er vor sich hat, passen wollen, durch ¸bertrieben moralische Z‰rtlichkeit, und tausend andre Ursachen, die ihren Grund in seiner vormaligen Lebens-Art haben, andern wider seine Absicht ˆfters, sich selbst aber allezeit sch‰dlich wird.

In wie fern diese S‰tze richtig seien, oder in besondern F‰llen einige Ausnahmen zulassen, zu untersuchen, w¸rde zu weit von unserm Vorhaben abf¸hren, genug f¸r uns, dafl sie dem Agathon begr¸ndet genug schienen, um sich selbst desto leichter zu vergeben, dafl er, wie der Homerische Ulyfl in der Insel der Calypso, sich in dem bezauberten Grunde der Wollust hatte aufhalten lassen, sein erstes Vorhaben, die Sch¸ler des Zoroasters und die Priester zu Sais zu besuchen, sobald als ihm Danae seine Freiheit wieder geschenkt hatte, ins Werk zu setzen. Kurz, seine Erfahrungen machten ihm die Wahrheit seiner ehemaligen Denkungs-Art verd‰chtig, ohne ihm einen gewissen geheimen Hang zu seinen alten Lieblings-Ideen benehmen zu kˆnnen. Seine Vernunft konnte in diesem St¸cke mit seinem Herzen und sein Herz mit sich selbst nicht recht einig werden; und er war nicht ruhig genug, oder vielleicht auch zu tr‰ge, seine nunmehrige Begriffe in ein System zu bringen, wodurch beide hatten befriedigt werden kˆnnen. In der Tat ist ein Schiff eben nicht der bequemste Ort, ein solches Werk, wozu die Stille eines dunkeln Hains kaum stille genug ist, zu Stande zu bringen; und Agathon mag daher zu entschuldigen sein, dafl er diese Arbeit verschob, ob es gleich eine von denen ist, welche sich so wenig aufschieben lassen, als die Ausbesserung eines bauf‰lligen Geb‰udes; denn so wie dieses mit jedem Tage, um den seine Wiederherstellung aufgeschoben wird, dem g‰nzlichen Einsturz n‰her kommt; so pflegen auch die L¸cken in unsern moralischen Begriffen und die Miflhelligkeiten zwischen dem Kopf und dem Herzen immer grˆfler und gef‰hrlicher zu werden, je l‰nger wir es aufschieben sie mit der erforderlichen Aufmerksamkeit zu untersuchen, eine richtige Verbindung und Harmonie zwischen den Teilen und dem Ganzen herzustellen.

Doch dieser Aufschub war in dem besondern Falle, worin sich Agathon befand, desto weniger sch‰dlich, da er, von der Schˆnheit der Tugend und der unauflˆslichen Verbindlichkeit ihrer Gesetze mehr als jemals ¸berzeugt, eine auf das wahre allgemeine Beste gerichtete W¸rksamkeit f¸r die Bestimmung aller Menschen, oder wofern ja einige Ausnahme zu Gunsten der blofl kontemplativen Geister zu machen w‰re, doch gewifl f¸r die seinige hielt. Vormals war er nur zuf‰lliger Weise, und gegen seine Neigung in das aktive Leben verflochten worden: itzo war es eine Folge seiner nunmehrigen, und wie er glaubte gel‰uterten Denkungs-Art, dafl er sich dazu entschlofl. Ein sanftes Entz¸cken, welches ihm in diesen Augenblicken den s¸flesten Berauschungen der Wollust unendlich vorzuziehen schien, ergofl sich durch sein ganzes Wesen bei dem Gedanken, der Mitarbeiter an der Wiedereinsetzung Siciliens in die unendlichen Vorteile der wahren Freiheit und einer durch weise Gesetze und Anstalten verewigten Verfassung zu sein–Seine immer verschˆnernde Phantasie malte ihm die Folgen seiner Bem¸hungen in tausend reizende Bilder von ˆffentlicher Gl¸ckseligkeit aus–er f¸hlte mit Entz¸cken die Kr‰fte zu einer so edeln Arbeit in sich; und sein Vergn¸gen war desto vollkommener, da er zugleich empfand, dafl Herrschsucht und eitle Ruhm-Begierde keinen Anteil daran hatten; dafl es die tugendhafte Begierde, in einem weiten Umfang gutes zu tun, war, deren gehoffete Befriedigung ihm diesen Vorschmack des gˆttlichsten Vergn¸gens gab, dessen die menschliche Natur f‰hig ist. Seine Erfahrungen, so viel sie ihn auch gekostet hatten, schienen ihm itzt nicht zu teuer erkauft, da er dadurch desto t¸chtiger zu sein hoffte, die Klippen zu vermeiden, an denen die Klugheit oder die Tugend derjenigen zu scheitern pflegt, welche sich den ˆffentlichen Angelegenheiten unterziehen. Er setzte sich fest vor, sich durch keine zweite Danae mehr irre machen zu lassen. Er glaubte sich in diesem St¸cke desto besser auf sich selbst verlassen zu kˆnnen, da er stark genug gewesen war, sich von der ersten loszureiflen, und es mit gutem Fug f¸r unmˆglich halten konnte, jemals auf eine noch gef‰hrlichere Probe gesetzt zu werden. Ohne Ehrgeiz, ohne Habsucht, immer wachsam auf die schwache Seite seines Herzens, die er kennen gelernt hatte, dachte er nicht, dafl er von andern Leidenschaften, welche vielleicht noch in seinem Busen schlummerten, etwas zu besorgen haben kˆnne. Keine ¸belweissagende Besorgnisse stˆrten ihn in dem unvermischten Genusse seiner Hoffnungen; sie besch‰ftigten ihn wachend und selbst in Tr‰umen; sie waren der vornehmste Inhalt seiner Gespr‰che mit dem Syracusischen Kaufmanne, sie machten ihm die Beschwerden der Reise unmerklich, und entsch‰digten ihn ¸berfl¸ssig f¸r den Verlust der ehemals geliebten Danae; einen Verlust der mit jedem neuen Morgen kleiner in seinen Augen wurde; und so f¸hrten ihn g¸nstige Winde und ein geschickter Steuermann nach einer kurzen Verweilung in einigen griechischen See-St‰dten, wo er sich nirgends zu erkennen gab, gl¸cklich nach Syracus, um an dem Hof eines F¸rsten zu lernen, dafl auf dieser schl¸pfrigen Hˆhe die Tugend entweder der Klugheit aufgeopfert werden mufl, oder die behutsamste Klugheit nicht hinreichend ist, den Fall des Tugendhaften zu verhindern.

SIEBENTES KAPITEL

Eine oder zwo Digressionen

Wir w¸nschen uns Leserinnen zu haben; (denn diese Geschichte, wenn sie auch weniger wahr w‰re, als sie ist, gehˆrt nicht unter die gef‰hrlichen Romanen, von welchen der Verfasser des gef‰hrlichsten und lehrreichsten Romans in der Welt die Jungfrauen zur¸ckschreckt) und wir sehen es also nicht gerne, dafl einige unter ihnen, welche noch Geduld genug gehabt, dieses achte Buch bis zum Schlufl zu durchbl‰ttern–in der Meinung, dafl nun nichts interessantes mehr zu erwarten sei, nachdem Agathon durch einen Streich von der verhafltesten Art, durch eine heimliche Flucht der Liebe den Dienst aufgesagt habe–den zweiten Teil seiner Geschichte ganz kaltsinnig aus ihren schˆnen H‰nden entschl¸pfen lassen, und–vielleicht den “Sopha”, oder die allerliebste kleine “Puppe” des Hrn. Bibiena ergreifen, um die Vapeurs zu zerstreuen, die ihnen die Untreue und die Betrachtungen unsers Helden verursachet haben.

“Woher es wohl kommen mag, meine schˆnen Damen, dafl die meisten unter Ihnen geneigter sind, uns alle Torheiten, welche die Liebe nur immer begehen machen kann, zu verzeihen, als die Wiederherstellung in den nat¸rlichen Stand unsrer gesunden Vernunft? Gestehen Sie, dafl wir ihnen desto lieber sind, je besser wir durch die Schwachheiten, wozu Sie uns bringen kˆnnen, die Obermacht Ihrer Reizungen ¸ber die St‰rke der m‰nnlichen Weisheit beweisen–Was f¸r ein interessantes Gem‰lde ist nicht eine Deanira mit der Lˆwen-Haut ihres nervichten Liebhabers umgeben, und mit seiner Keule auf der Schulter, wie sie einen triumphierend-l‰chelnden Seitenblick auf den Bezwinger der Riesen und Drachen wirft, der, in ihre langen Kleider vermummt, mitten unter ihren M‰dchen mit ungeschickter Hand die weibische Spindel dreht?–Wir kennen eine oder zwo, auf welche diese kleine Exklamation nicht paflt; aber wenn wir ohne Schmeichelei reden sollen, (welches wir freilich nicht tun sollten, wenn wir die Klugheit zu Rate zˆgen,) so zweifeln wir, ob die Weiseste unter allen, zu eben der Zeit, da sie sich bem¸ht, den Torheiten ihres Liebhabers Schranken zu setzen, sich erwehren kann, eine solche kleine still-triumphierende Freude dar¸ber zu f¸hlen, dafl sie liebensw¸rdig genug ist, einen Mann von Verdiensten seines eignen Werts vergessen zu machen.”

“Eine allt‰gliche Anmerkung” werden Kenner denken, “welche weder mehr noch weniger sagt, als was Gay in einer seiner Fabeln tausend mal schˆner gesagt hat, und was wir alle l‰ngst wissen–dafl die Eitelkeit die wahre Triebfeder aller Bewegungen des weiblichen Herzens ist -” Wir erkennen unsern Fehler, ohne gleichwohl den Kennern einzugestehn, dafl unsre Anmerkung so viel sage. Aber nichts mehr hievon!

Hingegen kˆnnen wir unsern besagten Leserinnen, um sie wieder gut zu machen, eine kleine Anekdote aus dem Herzen unsers Helden nicht verhalten, und wenn er auch gleich dadurch in Gefahr kommen sollte, die Hochachtung wieder zu verlieren, in die er sich bei den ehrw¸rdigen Damen, welche nie geliebt haben, und, Dank sei dem Himmel! nie geliebt worden sind, wieder zu setzen angefangen hat. Hier ist sie-So vergn¸gt Agathon ¸ber seine Entweichung aus seiner angenehmen Gefangenschaft in Smyrna, und in diesem St¸cke mit sich selbst war; so wenig die Bezauberung, unter welcher wir ihn gesehen haben, die charakteristische Leidenschaft schˆner Seelen, die Liebe der Tugend, in ihm zu ersticken vermocht hatte; so aufrichtig die Gel¸bde waren, die er tat, ihr k¸nftig nicht wieder ungetreu zu werden; so grofl und wichtig die Gedanken waren, welche seine Seele schwellten; so sehr er, um alles mit einem Wort zu sagen, wieder Agathon war: So hatte er doch Stunden, wo er sich selbst gestehen muflte, dafl er mitten in der Schw‰rmerei der Liebe und in den Armen der schˆnen Danae–gl¸cklich gewesen sei. “Es mag immer viel Verblendung, viel ¸berspanntes und Schim‰risches in der Liebe sein”, sagte er zu sich selbst, “so sind doch gewifl ihre Freuden keine Einbildung–ich f¸hlte es, und f¸hl’ es noch, so wie ich mein Dasein f¸hle, dafl es wahre Freuden sind, so wahr in ihrer Art, als die Freuden der Tugend–und warum sollt’ es unmˆglich sein, Liebe und Tugend mit einander zu verbinden? Sie beide zu genieflen, das w¸rde erst eine vollkommne Gl¸ckseligkeit sein.”

Hier m¸ssen wir zu Verh¸tung eines besorglichen Miflverstandes eine kleine Parenthese machen, um denen, die keine andre Sitten kennen, als die Sitten des Landes oder Ortes, worin sie geboren sind, zu sagen, dafl ein vertrauter Umgang mit Frauenzimmern von einer gewissen Klasse, oder (nicht so franzˆsisch, aber weniger zweideutig zu reden) welche mit dem was man etwas uneigentlich Liebe zu nennen pflegt, ein Gewerbe treiben, bei den Griechen eine so erlaubte Sache war, dafl die strengesten V‰ter sich l‰cherlich gemacht haben w¸rden, wenn sie ihren Sˆhnen, so lange sie unter ihrer Gewalt stunden, eine Liebste aus der bemeldten Klasse h‰tten verwehren wollen. Frauen und Jungfrauen genossen den besondern Schutz der Gesetze, wie allenthalben, und waren durch die Sitten und Gebr‰uche dieses Volkes vor Nachstellungen ungleich besser gesichert, als sie es bei uns sind. Ein Anschlag auf ihre Tugend war so schwer zu bewerkstelligen, als die Bestrafung eines solchen Verbrechens strenge war. Ohne Zweifel geschah es, diese in den Augen der Griechischen Gesetzgeber geheiligte Personen, die M¸tter der B¸rger, und diejenige welche zu dieser Ehre bestimmt waren, den Unternehmungen einer unb‰ndigen Jugend desto gewisser zu entziehen, dafl der Stand der Phrynen und Laiden geduldet wurde; und so ausgelassen uns auch der asotische Witzling Aristophanes die Damen von Athen vorstellet, so ist doch gewifl, dafl die Weiber und Tˆchter der Griechen ¸berhaupt sehr sittsame Geschˆpfe waren; und dafl die Sitten einer Verm‰hlten und einer Buhlerin bei ihnen eben so stark mit einander absetzten, als man dermalen in gewissen Hauptst‰dten von Europa bem¸ht ist, sie mit einander zu vermengen.

Ob diese ganze Einrichtung lˆblich war, ist eine andre Frage, von der hier die Rede nicht ist; wir f¸hren sie blofl deswegen an, damit man nicht glaube, als ob die Reue und die Gewissens-Bisse unsers Agathon aus dem Begriff entstanden, dafl es unrecht sei mit einer Danae der Liebe zu pflegen. Agathon dachte in diesem St¸cke, wie alle andren Griechen seiner Zeit. Bei seiner Nation (die Spartaner vielleicht allein ausgenommen) durfte man, wenigstens in seinem Alter, die Nacht mit einer T‰nzerin oder Flˆtenspielerin zubringen, ohne sich deswegen einen Vorwurf zu zuziehen, in so ferne nur die Pflichten seines Standes nicht darunter leiden muflten, und eine gewisse M‰fligung beobachtet wurde, welche nach den Begriffen dieser Heiden, die wahre Grenzlinie der Tugend und des Lasters ausmachte. Wenn man dem Alcibiades ¸bel genommen hatte, dafl er sich im Schofl der schˆnen Nemea, als wie vom Siege ausruhend, malen liefl, oder dafl er den Liebesgott mit Jupiters Blitzen bewaffnet in seinem Schilde f¸hrte; (und Plutarch sagt uns, dafl nur die ‰ltesten und ernsthaftesten Athenienser sich dar¸ber aufgehalten; Leute, deren Eifer ˆfters nicht sowohl von der Liebe der Tugend gegen die Torheiten der Jugend gewaffnet wird, als von dem verdriefllichen Umstand, beim Anblick derselben zu gleicher Zeit, wie weit sie von ihrer eignen Jugend entfernt und wie nahe sie dem Grabe sind, erinnert zu werden): Wenn man, sage ich, dem Alcibiades diese Ausschweifungen ¸bel nahm, so war es nicht sein Hang zu den Ergˆtzungen oder seine Vertraulichkeit mit einer Person, welche durch Stand und Profession, wie so viel andre, allein dem Vergn¸gen des Publici gewidmet war; sondern der ¸bermut, der daraus hervorleuchtete, die Verachtung der Gesetze des Wohlstandes, und einer gewissen Gravit‰t, welche man in freien Staaten mit Recht gewohnt ist von den Vorstehern der Republik, wenigstens auflerhalb dem Zirkel des Privatlebens, zu fodern. Man w¸rde ihm, wie andern, seine Schwachheiten, oder seine Ergˆtzungen ¸bersehen haben; aber man vergab ihm nicht, dafl er damit prahlte; dafl er sich seinem Hang zur Frˆhlichkeit und Wollust, bis zu den unb‰ndigsten Ausgelassenheiten ¸berliefl. Dafl er, von Wein und Salben triefend, mit dem vernachl‰ssigten und abgematteten Ansehen eines Menschen, der eine Winternacht durchschwelgt hatte, noch warm von den Umarmungen einer T‰nzerin, in die Rats-Versammlungen h¸pfte, und sich, so ¸bel vorbereitet, doch ¸berfl¸ssig tauglich hielt, (und vielleicht war ers w¸rklich) die Angelegenheiten Griechenlands zu besorgen, und den grauen V‰tern der Republik zu sagen, was sie zu tun h‰tten: Das war es, was sie ihm nicht vergeben konnten, und was ihm die schlimmen H‰ndel zuzog, von denen der Wohlstand Athens und er selbst endlich die Opfer wurden.

¸berhaupt ist es eine l‰ngst ausgemachte Sache, dafl die Griechen von der Liebe ganz andere Begriffe hatten als die heutigen Europ‰er–denn die Rede ist hier nicht von den metaphysischen Spielwerken oder Tr‰umen des gˆttlichen Platons–Ihre Begriffe scheinen der Natur, und also der gesunden Vernunft n‰her zu kommen, als die unsrigen, in welchen Scythische Barbarei und Maurische Galanterie auf die seltsamste Art mit einander kontrastieren. Sie ehrten die ehliche Freundschaft; aber von dieser romantischen Leidenschaft, welche wir im eigentlichen Verstande Liebe nennen, und welche eine ganze Folge von Romanschreibern bei unsern Nachbaren jenseits des Rheins und bei den Engl‰ndern bem¸het gewesen ist, zu einer heroischen Tugend zu erheben; von dieser wuflten sie eben so wenig als von der weinerlich-komischen, der abenteurlichen Hirngeburt einiger Neuerer, meistens weiblicher, Skribenten, welche noch ¸ber die Begriffe der ritterlichen Zeiten raffiniert, und uns durch ganze B‰nde eine Liebe gemalt haben, die sich von stillschweigendem Anschauen, von Seufzern und Tr‰nen n‰hrt, immer ungl¸cklich und doch selbst ohne einen Schimmer von Hoffnung immer gleich standhaft ist. Von einer so abgeschmackten, so unm‰nnlichen, und mit dem Heldentum, womit man sie verbinden will, so l‰cherlich abstechenden Liebe wuflte diese geistreiche Nation nichts, aus deren schˆner und lachender Einbildungskraft die Gˆttin der Liebe, die Grazien, und so viele andre Gˆtter der Frˆhlichkeit hervorgegangen waren. Sie kannten nur die Liebe, welche scherzt, k¸flt und gl¸cklich ist; oder, richtiger zu reden, diese allein schien ihnen, unter gehˆrigen Einschr‰nkungen, der Natur gem‰fl, anst‰ndig und unschuldig. Diejenige, welche sich mit allen Symptomen eines fiebrischen Paroxysmus der ganzen Seele bem‰chtiget, war in ihren Augen eine von den gef‰hrlichsten Leidenschaften, eine Feindin der Tugend, die Stˆrerin der h‰uslichen Ordnung, die Mutter der verderblichsten Ausschweifungen und der h‰fllichsten Laster. Wir finden wenige Beispiele davon in ihrer Geschichte; und diese Beispiele sehen wir auf ihrem tragischen Theater mit Farben geschildert, welche den allgemeinen Abscheu erwecken muflten; so wie hingegen ihre Komˆdie keine andre Liebe kennt, als diesen nat¸rlichen Instinkt, welchen Geschmack, Gelegenheit und Zufall f¸r einen gewissen Gegenstand bestimmen, der, von den Grazien und nicht selten auch von den Musen verschˆnert, das Vergn¸gen zum Zweck hat, nicht besser noch erhabener sein will als er ist, und wenn er auch in Ausschweifungen ausbrechend, sich gegen den Zwang der Pflichten aufb‰umt, doch immer weniger Schaden tut, und leichter zu b‰ndigen ist, als jene tragische Art zu lieben, welche ihnen vielmehr von der Fackel der Furien als des Liebesgottes entz¸ndet, eher die W¸rkung der Rache einer erz¸rnten Gottheit als dieser s¸flen Betˆrung gleich zu sein schien, welche sie, wie den Schlaf und die Gaben des Bacchus, des Gebers der Freude, f¸r ein Geschenke der wohlt‰tigen Natur, ansahen, uns die Beschwerden des Lebens zu vers¸flen, und zu den Arbeiten desselben munter zu machen.

Ohne Zweifel w¸rden wir diesen Teil der Griechischen Sitten noch besser kennen, wenn nicht durch ein Ungl¸ck, welches die Musen immer beweinen werden, die Komˆdien eines Alexis, Menander, Diphilus, Philemon, Apollodorus, und andrer ber¸hmter Dichter aus dem schˆnsten Zeit-Alter der attischen Musen ein Raub der mˆnchischen und Saracenischen Barbarei geworden w‰ren. Allein es bedarf dieser Urkunden nicht, um das was wir gesagt haben zu rechtfertigen. Sehen wir nicht den ehrw¸rdigen Solon noch in seinem hohen Alter, in Versen welche des Alters eines Voltaire w¸rdig sind, von sich selbst gestehen, “dafl er sich aller andern Besch‰ftigungen begeben habe, um den Rest seines Lebens in Gesellschaft der Venus, des Bacchus und der Musen auszuleben, der einzigen Quellen der Freuden der Sterblichen?” Sehen wir nicht den weisen Socrates kein Bedenken tragen, in Gesellschaft seiner jungen Freunde, der schˆnen und gef‰lligen Theodota einen Besuch zu machen, um ¸ber ihre von einem aus der Gesellschaft f¸r unbeschreiblich angepriesene Schˆnheit den Augenschein einzunehmen? Sehen wir nicht, dafl er seiner Weisheit nichts zu vergeben glaubt, indem er diese Theodota, auf eine scherzhafte Art in der Kunst Liebhaber zu fangen unterrichtet? War er nicht ein Freund und Bewunderer, ja, wenn Plato nicht zuviel gesagt hat, ein Sch¸ler der ber¸hmten Aspasia, deren Haus, ungeachtet der Vorw¸rfe, welche ihr von der zaumlosen Frechheit der damaligen Komˆdie gemacht wurden, der Sammelplatz der schˆnsten Geister von Athen war? So enthaltsam er selbst, bei seinen beiden Weibern, in Absicht der Vergn¸gen der Paphischen Gˆttin immer sein mochte; so finden wir doch seine Grunds‰tze ¸ber die Liebe mit der allgemeinen Denkungsart seiner Nation ganz ¸bereinstimmend. Er unterschied das Bed¸rfnis von der Leidenschaft; das Werk der Natur, von dem Werk der Phantasie; er warnte vor dem Letztern, wie wir im vierten Kapitel schon im Vorbeigehen bemerkt haben; und riet zu Befriedigung der ersten (nach Xenophons Bericht) eine solche Art von Liebe, (das Wort dessen sich die Griechen bedienten, dr¸ckt die Sache bestimmter aus) an welcher die Seele so wenig als mˆglich Anteil nehme. Ein Rat, welcher zwar seine Einschr‰nkungen leidet; aber doch auf die Erfahrungs-Wahrheit gegr¸ndet ist; dafl die Liebe, welche sich der Seele bem‰chtiget, sie gemeiniglich der Meisterschaft ¸ber sich selbst beraube, entnerve, und zu edeln Anstrengungen unt¸chtig mache.

“Und wozu”, (hˆren wir den scheinheiligen Theogiton mit einem tiefen Seufzer, in welchem ein halbunterdr¸cktes Anathema murmelt, fragen) “–wozu diese ganze schˆne Digression? Ist vielleicht ihre Absicht, die ‰rgerlichen Begriffe und Sitten blinder, verdorbener Heiden unsrer ohnehin zum Bˆsen so gelehrigen Jugend zum Muster vorzulegen?” “Nein, mein Herr; das w‰re unnˆtig; der grˆfleste Teil dieser Jugend, welche unser Buch lesen wird (es m¸flte dann in die Gew¸rzbuden kommen) hat schon den Horaz, den Ovid, den Martial, den Petron, den Apuleius, vielleicht auch den Aristophanes gelesen; und was noch sonderbarer scheinen kˆnnte, hat seine Bekanntschaft mit diesen Schriftstellern, welche nach Dero Grunds‰tzen lauter Seelengift sind, in den Schulen gemacht. Wir haben also dieser Jugend nicht viel neues gesagt; und gesetzt, wir h‰tten? Alle Welt weifl, dafl andre Verfassungen, andre Gesetze, eine andre Art des Gottesdiensts, auch andre Sitten hervorbringen und erfodern. Aber das verhindert nicht, dafl es nicht gut sein sollte, auch zu wissen, nach was f¸r Begriffen man auflerhalb unserm kleinen Horizont, unter andern Himmelsstrichen und zu andern Zeiten gedacht und gelebt hat -” “Und wozu sollte das gut sein kˆnnen?” “–Vergebung, Herr Theogiton! das sollten Sie wissen, da Sie davon Profession machen, die Menschen zu verbessern; und das h‰tten Sie, nehmen Sie’s nicht ¸bel, vorher lernen sollen, ehe Sie Sich unterfangen h‰tten, einen Beruf zu ¸bernehmen, worin es so leicht ist, ein Pfuscher zu sein–Doch genug; Sie sollen hˆren, warum diese kleine Abschweifung notwendig war. Es ist hier darum zu tun, den Agathon zu schildern; ein wenig genauer und richtiger zu schildern, als es ordentlicher Weise in den Personalien einer Leichenpredigt geschieht–Sie sch¸tteln den Kopf, Herr Theogiton–beruhigen Sie Sich; man malt solche Schildereien weder f¸r Sie, noch f¸r die guten Seelen, welche sich unter Ihre Direktion begeben haben; Sie m¸ssen ja den ‘Agathon’ nicht lesen; und, die Wahrheit zu sagen, Sie w¸rden wohl tun gar nicht zu lesen, was Sie nicht zu verstehen f‰hig sind–Aber Sie sollen glauben dafl es sehr viele ehrliche Leute gibt, die nicht unter Ihrer Direktion stehen, und einige von diesen werden den ‘Agathon’ lesen, werden alles in dem nat¸rlichen, wahren Lichte sehen, worin ungef‰lschte, gesunde Augen zu sehen pflegen, und werden sich–seufzen Sie immer soviel Sie wollen–daraus erbauen. F¸r diese also haben wir uns anheischig gemacht, den Agathon, als eine moralische Person betrachtet, zu schildern. Es ist hier um eine Seelen-Malerei zu tun–Sie l‰cheln, mein Herr?–Nicht wahr, ich errate es, dafl ihnen bei diesem Worte die punktierte Seele in Comenii ‘Orbe picto’ einf‰llt? Aber das ist nicht was ich meine; es ist darum zu tun, dafl uns das Innerste seiner Seele aufgeschlossen werde; dafl wir die geheimem Bewegungen seines Herzens, die verborgenem Triebfedern seiner Handlungen kennen lernen -” “Eine schˆne Kenntnis! und die etwan viel Kopfzerbrechens braucht?–Ein Herz zu kennen, von dem ich Ihnen, kraft meines Systems, gleich bei der ersten Zeile Ihres Buchs h‰tte vorhersagen kˆnnen, dafl es durch und durch nichts taugt -” “Ich bitte Sie, Herr Theogiton, nichts mehr; Sie mˆgen wohl Ihr System nicht recht gelernt haben, oder–das mufl ein System sein! Aber; in unserm Leben nichts mehr, wenn ich bitten darf. Ich sehe, die Natur hat Ihnen das Werkzeug versagt, wodurch wir uns gegen einander erkl‰ren kˆnnten. Ich hatte Unrecht, Ihnen von geheimen Triebfedern zu sprechen–Sie kennen nur eine einzige Gattung derselben, die in der Kasse der guten Seelen liegt, die sich Ihrer F¸hrung ¸berlassen haben; und diese rechtfertiget freilich Ihr System besser als alles was Sie zu seinem Behuf sagen kˆnnten -” Also zu unserm Agathon zur¸ck!

Nach den gewˆhnlichen Begriffen seiner Zeit w‰re es so schwer nicht gewesen, Liebe und Tugend mit einander zu verbinden; auch unsre jungen Moralisten h‰tten hierzu gleich ein Recipe fertig, oder es wimmelt vielmehr w¸rklich von dergleichen in allen Buchl‰den. Aber Agathon hatte grˆflere und feinere Begriffe von der Tugend–Die Begriffe einer gewissen idealischen Vollkommenheit waren zu sehr mit den Grundz¸gen seiner Seele verweht, als dafl er sie sobald verlieren konnte, oder vielleicht jemals verlieren wird. Was ist f¸r eine delikate Seele Liebe ohne Schw‰rmerei? Ohne diese Z‰rtlichkeit der Empfindungen, diese Sympathie welche ihre Freuden vervielf‰ltiget, verfeinert, veredelt? Was sind die Woll¸ste der Sinnen, ohne Grazien und Musen?–Das Socratische System ¸ber die Liebe mag f¸r viele gut sein; aber es taugt nicht f¸r die Agathons. Agathon h‰tte diese Art zu lieben, wie er die schˆne Danae geliebt hatte, und wie er von ihr geliebt worden war, gerne mit der Tugend verbinden mˆgen; und von diesem Wunsch sah er alle Schwierigkeiten ein. Endlich deuchte ihn, es komme alles auf den Gegenstand an; und hier erinnerte ihn sein Herz wieder an seine geliebte Psyche. Ihr Bild stellte sich ihm mit einer Wahrheit und Lebhaftigkeit dar, wie es ihm seit langer Zeit, seinen Traum ausgenommen, niemals vorgekommen war. Er errˆtete vor diesem Bilde, wie er vor der gegenw‰rtigen Psyche selbst errˆtet haben w¸rde; aber er empfand mit einem Vergn¸gen, wovon das ¸berlegte Bewufltsein ein neues Vergn¸gen war, dafl sein Herz, ohne nur mit einem einzigen Faden an Danae zu hangen, wieder zu seiner ersten Liebe zur¸ckkehrte. Seine wieder ruhige Phantasie spiegelte ihm, wie ein klarer tiefer Brunnen die Erinnerungen der reinen, tugendhaften, und mit keiner andern Lust zu vergleichenden Freuden vor, die er durch die z‰rtliche Vereinigung ihrer Seelen in jenen elysischen N‰chten erfahren hatte. Er empfand itzt alles wieder f¸r sie was er ehemals empfunden, und diese neuen Empfindungen noch dazu, welche ihm Danae eingeflˆflt hatte; aber so sanft, so gel‰utert durch die moralische Schˆnheit des ver‰nderten Gegenstandes, dafl es nicht mehr eben dieselben schienen. Er stellte sich vor, wie gl¸cklich ihn eine unzertrennliche Verbindung mit dieser Psyche machen w¸rde, welche ihm eine Liebe eingehaucht, die seiner Tugend so wenig gef‰hrlich gewesen war, dafl sie ihr vielmehr Schwingen angesetzt hatte–er versetzte sich in Gedanken mit Psyche in den Ruheplatz der Diana zu Delphi–und liefl den Gott der Liebe, den Sohn der himmlischen Venus, das ¸berirdische Gem‰lde ausmalen. Eine s¸fle weissagende Hoffnung breitete sich durch seine Seele aus; es war ihm, als ob eine geheime Stimme ihm zulisple, dafl er sie in Sicilien finden werde. Psyche schickte sich vortrefflich in den Plan, den er sich von seinem bevorstehenden Leben gemacht hatte–was f¸r eine Perspektive stellte ihm die Verbindung seiner Privat-Gl¸ckseligkeit mit der ˆffentlichen vor, welcher er alle seine Kr‰fte zu widmen entschlossen war! Aber er wollte erst verdienen gl¸cklich zu sein–“Und nun, sagen sie mir, meine schˆnen Leserinnen, verdient nicht ein Mann, der so edel denkt gl¸cklich zu sein?–verdient er nicht die beste Frau?–Sein Sie ruhig; er soll sie haben, sobald wir sie finden werden.”

NEUNTES BUCH

ERSTES KAPITEL

Ver‰nderung der Szene. Charakter der Syracusaner, des Dionysius und seines Hofes

Da wir im Begriff sind, unserm Helden auf einen neuen Schauplatz zu folgen, wird es nicht ¸berfl¸ssig sein, denenjenigen, welche in der alten Geschichte nicht so gut bewandert sind, als vielleicht im Feen-Lande, einige vorl‰ufige Nachrichten von den Personen zu geben, mit welchen man ihn in diesem und dem folgenden Buche verwickelt sehen wird.

Syracus, die Hauptstadt Siciliens, verdiente in vielerlei Betrachtungen den Namen des zweiten Athen. Nichts kann ‰hnlicher sein, als der Charakter ihrer Einwohner. Beide waren im hˆchsten Grad eifers¸chtig ¸ber eine Freiheit, in welcher sie sich niemals lange zu erhalten wuflten, weil sie M¸fliggang und Lustbarkeiten noch mehr liebten, als diese Freiheit; und man mufl gestehen, dafl sie ihnen durch den schlechten Gebrauch, den sie von ihr zu machen wuflten, mehr Schaden getan hat, als ihre Tyrannen zusammengenommen. Die Syracusaner hatten den Genie der K¸nste und der Musen; sie waren lebhaft, sinnreich und zum spottenden Scherze aufgelegt; heftig und ungest¸m in ihren Bewegungen, aber so unbest‰ndig, dafl sie in einem Zeitmafl von wenigen Tagen von dem ‰uflersten Grade der Liebe zum ‰uflersten Hafl, und von dem wirksamsten Enthusiasmus zur unt‰tigsten Gleichg¸ltigkeit ¸bergehen konnten; lauter Z¸ge, durch welche sich, wie man weifl, die Athenienser vor allen andern griechischen Vˆlkern ausnahmen. Beide empˆrten sich mit eben so viel Leichtsinn gegen die gute Regierung eines einzigen Gewalthabers, als sie f‰hig waren mit der niedertr‰chtigsten Feigheit sich an das Joch des schlimmsten Tyrannen gewˆhnen zu lassen: Beide kannten niemals ihr wahres Interesse, und kehrten ihre St‰rke immer gegen sich selbst: Mutig und heroisch in der Widerw‰rtigkeit, allezeit ¸berm¸tig im Gl¸ck, und gleich dem ‰sopischen Hund im Nil, immer durch schimmernde Entw¸rfe verhindert, von ihren gegenw‰rtigen Vorteilen den rechten Gebrauch zu machen: durch ihre Lage, Verfassung, und den Geist der Handelschaft, der Spartanischen Gleichheit unf‰hig, aber eben so ungeduldig, an einem Mitb¸rger grofle Vorz¸ge an Verdiensten, Ansehen oder Reichtum zu ertragen; daher immer mit sich selbst im Streit, immer von Parteien und Faktionen zerrissen; bis, nach einem langwierigen umwechslenden ¸bergang von Freiheit zu Sklaverei und von Sklaverei zu Freiheit, beide zuletzt die Fesseln der Rˆmer geduldig tragen lernten; und sich weislich mit der Ehre begn¸gten, Athen die Schule, und Syracus die Korn-Kammer dieser Majest‰tischen Gebieterin des Erdbodens zu sein.

Nach einer Reihe von so genannten Tyrannen, das ist, von Beherrschern, welche sich der einzelnen und willk¸rlichen Gewalt ¸ber den Staat bem‰chtiget hatten, ohne auf einen Beruf von den B¸rgern zu warten, war Syracus und ein grofler Teil Siciliens mit ihr endlich in die H‰nde des Dionysius gefallen; und von diesem, nach einer langwierigen Regierung, unter welcher die Syracusaner gewiesen hatten, was sie zu leiden f‰hig seien, seinem Sohne, dem j¸ngern Dionysius erblich angefallen. Das Recht dieses jungen Menschen an die kˆnigliche Gewalt, deren er sich nach seines Vaters Tod (den er selbst durch einen Schlaftrunk beschleuniget hatte) anmaflte, war noch weniger als zweideutig; denn sein Vater konnte ihm kein Recht hinterlassen, das er selbst nicht hatte. Aber eine starke Leibwache, eine wohlbefestigte Zitadelle, und eine durch die Beraubung der reichesten Sicilianer angef¸llte Schatzkammer ersetzte den Abgang eines Rechts, welches ohnehin alle seine St‰rke von der Macht zieht, die es gelten machen mufl, und aus eben diesem Grunde dessen leicht entbehren kann. Hiezu kam noch, dafl in einem Staat, worin der Geist der politischen Tugend schon erloschen ist, und grenzenlose Begierden nach Reicht¸mern, und der schmeichelhaften Freiheit alles zu tun, was die Sinne gel¸sten (der einzigen Art von Freiheit, welche von der Tyrannie eben so sehr beg¸nstiget als sie von der echten b¸rgerlichen Freiheit ausgeschlossen wird) die Oberhand gewonnen haben; dafl, sage ich, in einem solchen Staat, eine ausgelassene und allein auf Befriedigung ihrer Leidenschaften erpichte Jugend sich mit gutem Grunde von der unumschr‰nkten Regierung eines Einzigen ihrer Art, unendlich mehr Vorteile versprach als von der Aristokratie, deren sich die ‰ltesten und Verdienstvollesten bem‰chtigen; oder von der Demokratie, worin man ein abh‰ngiges und ungewisses Ansehen mit soviel Beschwerlichkeiten, Kabalen, Unruh und Gefahr, oft auch mit Aufopferung seines Vermˆgens teurer erkaufen mufl, als es sich der M¸he zu verlohnen scheint.

Der junge Dionysius setzte sich also durch einen Zusammenflufl g¸nstiger Umst‰nde, in den ruhigen Besitz der hˆchsten Gewalt zu Syracus; und es ist leicht zu erachten, wie ein ¸belgezogner, und vom Feuer seines Temperaments zu allen Ausschweifungen der Jugend hingerissener Prinz, unter einem Schwarme von Parasiten, dieser Macht sich bedient haben werde. Ergˆtzungen, Gastm‰hler, Liebesh‰ndel, Feste welche ganze Monate dauerten, kurz eine stete Berauschung von Schwelgerei, machten die Besch‰ftigungen eines Hofes von tˆrichten J¸nglingen aus, welche nichts angelegeners hatten, als durch Erfindung neuer Woll¸ste sich in der Zuneigung des Prinzen fest zu setzen, und ihn zu gleicher Zeit zu verhindern, jemals zu