bewohnten suedlichen Provinz sein Heer verdoppelt, hatte mit diesem, statt von Norditalien aus ueber Rom Wache zu halten, die Alpen ueberschritten, eine neue kimbrische Invasion im Beginn erstickt und binnen zwei Jahren (696, 697 58, 57) die roemischen Waffen bis an den Rhein und den Kanal getragen. Solchen Tatsachen gegenueber ging selbst der aristokratischen Taktik des Ignorierens und Verkleinerns der Atem aus. Der oft als Zaertling Verhoehnte war jetzt der Abgott der Armee, der gefeierte sieggekroente Held, dessen junge Lorbeeren die welken des Pompeius ueberglaenzten und dem sogar der Senat die nach gluecklichen Feldzuegen ueblichen Ehrenbezeigungen schon 697 (57) in reicherem Masse zuerkannte, als sie je Pompeius zuteil geworden waren. Pompeius stand zu seinem ehemaligen Adjutanten, genau wie nach den Gabinisch-Manilischen Gesetzen dieser gegen ihn gestanden hatte. Jetzt war Caesar der Held des Tages und der Herr der maechtigsten roemischen Armee, Pompeius ein ehemals beruehmter Exgeneral. Zwar war es zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn noch zu keiner Kollision gekommen und das Verhaeltnis aeusserlich ungetruebt; aber jedes politische Buendnis ist innerlich aufgeloest, wenn das Machtverhaeltnis der Beteiligten sich wesentlich verschiebt. Wenn der Zank mit Clodius nur aergerlich war, so lag in der veraenderten Stellung Caesars fuer Pompeius eine sehr ernste Gefahr: ebenwie einst Caesar und dessen Verbuendete gegen ihn, so sah jetzt er sich genoetigt, gegen Caesar einen militaerischen Rueckhalt zu suchen und, seine stolze Amtlosigkeit beiseitelegend, aufzutreten als Bewerber um irgendein ausserordentliches Amt, das ihn in den Stand setzte, dem Statthalter der beiden Gallien mit gleicher und womoeglich mit ueberlegener Macht zur Seite zu bleiben. Wie seine Lage, war auch seine Taktik genau die Caesars waehrend des Mithradatischen Krieges. Um die Militaermacht des ueberlegenen, aber noch entfernten Gegners durch die Erlangung eines aehnlichen Kommandos aufzuwiegen, bedurfte Pompeius zunaechst der offiziellen Regierungsmaschine. Anderthalb Jahre zuvor hatte diese unbedingt ihm zur Verfuegung gestanden. Die Machthaber beherrschten den Senat damals sowohl durch die Komitien, die ihnen als den Herren der Strasse unbedingt gehorchten, wie durch den von Caesar energisch terrorisierten Senat; als Vertreter der Koalition in Rom und als deren anerkanntes Haupt haette Pompeius vom Senat wie von der Buergerschaft ohne Zweifel jeden Beschluss erlangt, den er wuenschte, selbst wenn er gegen Caesars Interesse war. Allein durch den ungeschickten Handel mit Clodius hatte Pompeius die Strassenherrschaft eingebuesst und konnte nicht daran denken, einen Antrag zu seinen Gunsten bei der Volksgemeinde durchzusetzen. Nicht ganz so unguenstig standen die Dinge fuer ihn im Senat; doch war es auch hier zweifelhaft, ob Pompeius nach dieser langen und verhaengnisvollen Passivitaet die Zuegel der Majoritaet noch fest genug in der Hand habe, um einen Beschluss, wie er ihn brauchte, zu bewirken.
Auch die Stellung des Senats, oder vielmehr der Nobilitaet ueberhaupt, war inzwischen eine andere geworden. Eben aus ihrer vollstaendigen Erniedrigung schoepfte sie frische Kraefte. Es war bei der Koalition von 694 (60) verschiedenes an den Tag gekommen, was fuer das Sonnenlicht noch keineswegs reif war. Die Entfernung Catos und Ciceros, welche die oeffentliche Meinung, wie sehr auch die Machthaber dabei sich zurueckhielten und sogar sich die Miene gaben, sie zu beklagen, mit ungeirrtem Takt auf ihre wahren Urheber zurueckfuehrte, und die Verschwaegerung zwischen Caesar und Pompeius erinnerten mit unerfreulicher Deutlichkeit an monarchische Ausweisungsdekrete und Familienallianzen. Auch das groessere Publikum, das den politischen Ereignissen ferner stand, ward aufmerksam auf die immer bestimmter hervortretenden Grundlagen der kuenftigen Monarchie. Von dem Augenblick an, wo dieses begriff, dass es Caesar nicht um eine Modifikation der republikanischen Verfassung zu tun sei, sondern dass es sich handle um Sein oder Nichtsein der Republik, werden unfehlbar eine Menge der besten Maenner, die bisher sich zur Popularpartei gerechnet und in Caesar ihr Haupt verehrt hatten, auf die entgegengesetzte Seite uebergetreten sein. Nicht mehr in den Salons und den Landhaeusern des regierenden Adels allein wurden die Reden von den “drei Dynasten”, dem “dreikoepfigen Ungeheuer” vernommen. Caesars konsularischen Reden horchte die Menge dichtgedraengt, ohne dass Zuruf oder Beifall aus ihr erscholl; keine Hand regte sich zum Klatschen, wenn der demokratische Konsul in das Theater trat. Wohl aber pfiff man, wo eines der Werkzeuge der Machthaber oeffentlich sich sehen liess, und selbst gesetzte Maenner klatschten, wenn ein Schauspieler eine antimonarchische Sentenz oder eine Anspielung gegen Pompeius vorbrachte. Ja als Cicero ausgewiesen werden sollte, legten eine grosse Zahl – angeblich zwanzigtausend – Buerger, groesstenteils aus den Mittelklassen, nach dem Beispiel des Senats das Trauergewand an. “Nichts ist jetzt populaerer”, heisst es in einem Briefe aus dieser Zeit, “als der Hass der Popularpartei.” Die Machthaber liessen Andeutungen fallen, dass durch solche Opposition leicht die Ritter ihre neuen Sonderplaetze im Theater, der gemeine Mann sein Brotkorn einbuessen koenne; man nahm darauf mit den Aeusserungen des Unwillens sich vielleicht etwas mehr in acht, aber die Stimmung blieb die gleiche. Mit besserem Erfolg ward der Hebel der materiellen Interessen angesetzt. Caesars Gold floss in Stroemen. Scheinreiche mit zerruetteten Finanzen, einflussreiche, in Geldverlegenheiten befangene Damen, verschuldete junge Adlige, bedraengte Kaufleute und Bankiers gingen entweder selbst nach Gallien, um an der Quelle zu schoepfen, oder wandten sich an Caesars hauptstaedtische Agenten; und nicht leicht ward ein aeusserlich anstaendiger Mann – mit ganz verlorenem Gesindel mied Caesar sich einzulassen – dort oder hier zurueckgewiesen. Dazu kamen die ungeheuren Bauten, die Caesar fuer seine Rechnung in der Hauptstadt ausfuehren liess und bei denen eine Unzahl von Menschen aller Staende vom Konsular bis zum Lasttraeger hinab Gelegenheit fand zu verdienen, sowie die unermesslichen, fuer oeffentliche Lustbarkeiten aufgewandten Summen. In beschraenkterem Masse tat Pompeius das gleiche; ihm verdankte die Hauptstadt das erste steinerne Theater, und er feierte dessen Einweihung mit einer nie zuvor gesehenen Pracht. Dass solche Spenden eine Menge oppositionell Gesinnter, namentlich in der Hauptstadt, mit der neuen Ordnung der Dinge bis zu einem gewissen Grade aussoehnten, versteht sich ebenso von selbst, wie dass der Kern der Opposition diesem Korruptionssystem nicht erreichbar war. Immer deutlicher kam es zu Tage, wie tief die bestehende Verfassung im Volke Wurzel geschlagen hatte und wie wenig namentlich die dem unmittelbaren Parteitreiben ferner stehenden Kreise, vor allem die Landstaedte, der Monarchie geneigt oder auch nur bereit waren, sie ueber sich ergehen zu lassen. Haette Rom eine Repraesentativverfassung gehabt, so wuerde die Unzufriedenheit der Buergerschaft ihren natuerlichen Ausdruck in den Wahlen gefunden und, indem sie sich aussprach, sich gesteigert haben; unter den bestehenden Verhaeltnissen blieb den Verfassungstreuen nichts uebrig als dem Senat, der, herabgekommen wie er war, doch immer noch als Vertreter und Verfechter der legitimen Republik erschien, sich unterzuordnen. So kam es, dass der Senat, jetzt da er gestuerzt worden war, ploetzlich eine weit ansehnlichere und weit ernstlicher getreue Armee zu seiner Verfuegung fand, als da er in Macht und Glanz die Gracchen stuerzte und, geschirmt durch Sullas Saebel, den Staat restaurierte. Die Aristokratie empfand es; sie fing wieder an sich zu regen. Eben jetzt hatte Marcus Cicero, nachdem er sich verpflichtet hatte, den Gehorsam im Senat sich anzuschliessen und nicht bloss keine Opposition zu machen, sondern nach Kraeften fuer die Machthaber zu wirken, von denselben die Erlaubnis zur Rueckkehr erhalten. Obwohl Pompeius der Oligarchie hiermit nur beilaeufig eine Konzession machte und vor allem dem Clodius einen Possen zu spielen, demnaechst ein durch hinreichende Schlaege geschmeidigtes Werkzeug in dem redefertigen Konsular zu erwerben bedacht war, so nahm man doch die Gelegenheit wahr, wie Ciceros Verbannung eine Demonstration gegen den Senat gewesen war, so seine Rueckkehr zu republikanischen Demonstrationen zu benutzen. In moeglichst feierlicher Weise, uebrigens gegen die Clodianer durch die Bande des Titus Annius Milo geschuetzt, brachten beide Konsuln nach vorgaengigem Senatsbeschluss einen Antrag an die Buergerschaft, dem Konsular Cicero die Rueckkehr zu gestatten, und der Senat rief saemtliche verfassungstreue Buerger auf, bei der Abstimmung nicht zu fehlen. Wirklich versammelte sich am Tage der Abstimmung (4. August 697 57) in Rom namentlich aus den Landstaedten eine ungewoehnliche Anzahl achtbarer Maenner. Die Reise des Konsulars von Brundisium nach der Hauptstadt gab Gelegenheit zu einer Reihe aehnlicher, nicht minder glaenzender Manifestationen der oeffentlichen Meinung. Das neue Buendnis zwischen dem Senat und der verfassungstreuen Buergerschaft ward bei dieser Gelegenheit gleichsam oeffentlich bekannt gemacht und eine Art Revue ueber die letztere gehalten, deren ueberraschend guenstiges Ergebnis nicht wenig dazu beitrug, den gesunkenen Mut der Aristokratie wiederaufzurichten. Pompeius’ Hilflosigkeit gegenueber diesen trotzigen Demonstrationen sowie die unwuerdige und beinahe laecherliche Stellung, in die er Clodius gegenueber geraten war, brachten ihn und die Koalition um ihren Kredit; und die Fraktion des Senats, welche derselben anhing, durch Pompeius’ seltene Ungeschicklichkeit demoralisiert und ratlos sich selber ueberlassen, konnte nicht verhindern, dass in dem Kollegium die republikanisch- aristokratische Partei wieder voellig die Oberhand gewann. Das Spiel dieser stand in der Tat damals – 697 (57) – fuer einen mutigen und geschickten Spieler noch keineswegs verzweifelt. Sie hatte jetzt, was sie seit einem Jahrhundert nicht gehabt, festen Rueckhalt in dem Volke; vertraute sie diesem und sich selber, so konnte sie auf dem kuerzesten und ehrenvollsten Wege zum Ziel gelangen. Warum nicht die Machthaber mit offenem Visier angreifen? Warum kassierte nicht ein entschlossener und namhafter Mann an der Spitze des Senats die ausserordentlichen Gewalten als verfassungswidrig und rief die saemtlichen Republikaner Italiens gegen die Tyrannen und deren Anhang unter die Waffen? Moeglich war es wohl, auf diesem Wege die Senatsherrschaft noch einmal zu restaurieren. Allerdings spielten die Republikaner damit hohes Spiel; aber vielleicht waere auch hier, wie so oft, der mutigste Entschluss zugleich der kluegste gewesen. Nur freilich war die schlaffe Aristokratie dieser Zeit eines solchen einfachen und mutigen Entschlusses kaum noch faehig. Aber es gab einen anderen, vielleicht sichereren, auf jeden Fall der Art und Natur dieser Verfassungsgetreuen angemesseneren Weg: sie konnten darauf hinarbeiten, die beiden Machthaber zu entzweien und durch diese Entzweiung schliesslich selber ans Ruder zu gelangen. Das Verhaeltnis der den Staat beherrschenden Maenner hatte sich verschoben und gelockert, seit Caesar uebermaechtig neben Pompeius sich gestellt und diesen genoetigt hatte, um eine neue Machtstellung zu werben; es war wahrscheinlich, dass, wenn er dieselbe erlangte, es damit auf die eine oder die andere Weise zwischen ihnen zum Bruch und zum Kampfe kam. Blieb in diesem Pompeius allein, so war seine Niederlage kaum zweifelhaft, und die Verfassungspartei fand in diesem Fall nach beendigtem Kampfe nur statt unter der Zwei-, sich unter der Einherrschaft. Allein, wenn die Nobilitaet gegen Caesar dasselbe Mittel wandte, durch das dieser seine bisherigen Siege erfochten hatte, und mit dem schwaecheren Nebenbuhler in Buendnis trat, so blieb mit einem Feldherrn wie Pompeius, mit einem Heere wie das der Verfassungstreuen war, der Sieg wahrscheinlich diesen; nach dem Siege aber mit Pompeius fertig zu werden, konnte, nach den Beweisen von politischer Unfaehigkeit, die derselbe zeither gegeben, nicht als eine besonders schwierige Aufgabe erscheinen. Die Dinge hatten sich dahin gewandt, eine Verstaendigung zwischen Pompeius und der republikanischen Partei beiden nahezulegen; ob es zu einer solchen Annaeherung kommen und wie ueberhaupt das voellig unklar gewordene Verhaeltnis der beiden Machthaber und der Aristokratie gegeneinander zunaechst sich stellen werde, musste sich entscheiden, als im Herbst 697 (57) Pompeius mit dem Antrag an den Senat ging, ihn mit einer ausserordentlichen Amtsgewalt zu betrauen. Er knuepfte wieder an an das, wodurch er elf Jahre zuvor seine Macht begruendet hatte: an die Brotpreise in der Hauptstadt, die ebendamals wie vor dem Gabinischen Gesetz eine drueckende Hoehe erreicht hatten. Ob sie durch besondere Machinationen hinaufgetrieben worden waren, wie deren Clodius bald dem Pompeius, bald dem Cicero und diese wieder jenem Schuld gaben, laesst sich nicht entscheiden; die fortdauernde Piraterie, die Leere des oeffentlichen Schatzes und die laessige und unordentliche Ueberwachung der Kornzufuhr durch die Regierung reichten uebrigens auch ohne politischen Kornwucher an sich schon vollkommen aus, um in einer fast lediglich auf ueberseeische Zufuhr angewiesenen Grossstadt Brotteuerungen herbeizufuehren. Pompeius’ Plan war, sich vom Senat die Oberaufsicht ueber das Getreidewesen im ganzen Umfang des Roemischen Reiches und zu diesem Endzwecke teils das unbeschraenkte Verfuegungsrecht ueber die roemische Staatskasse, teils Heer und Flotte uebertragen zu lassen, sowie ein Kommando, welches nicht bloss ueber das ganze Roemische Reich sich erstreckte, sondern dem auch in jeder Provinz das des Statthalters wich – kurz, er beabsichtigte, eine verbesserte Auflage des Gabinischen Gesetzes zu veranstalten, woran sich sodann die Fuehrung des eben damals schwebenden Aegyptischen Krieges ebenso von selbst angeschlossen haben wuerde wie die des Mithradatischen an die Razzia gegen die Piraten. Wie sehr auch die Opposition gegen die neuen Dynasten in den letzten Jahren Boden gewonnen hatte, es stand dennoch, als diese Angelegenheit im September 697 (57) im Senat zur Verhandlung kam, die Majoritaet desselben noch unter dem Bann des von Caesar erregten Schreckens. Gehorsam nahm sie den Vorschlag im Prinzip an, und zwar auf Antrag des Marcus Cicero, der hier den ersten Beweis der in der Verbannung gelernten Fuegsamkeit geben sollte und gab. Allein bei der Feststellung der Modalitaeten wurden von dem urspruenglichen Plane, den der Volkstribun Gaius Messius vorlegte, doch sehr wesentliche Stuecke abgedungen. Pompeius erhielt weder freie Verfuegung ueber das Aerar, noch eigene Legionen und Schiffe, noch auch eine der der Statthalter uebergeordnete Gewalt, sondern man begnuegte sich, ihm zum Behuf der Ordnung des hauptstaedtischen Verpflegungswesens ansehnliche Summen, fuenfzehn Adjutanten und in allen Verpflegungsangelegenheiten volle prokonsularische Gewalt im ganzen roemischen Gebiet auf die naechsten fuenf Jahre zu bewilligen und dies Dekret von der Buergerschaft bestaetigen zu lassen. Es waren sehr mannigfaltige Ursachen, welche diese, fast einer Ablehnung gleichkommende Abaenderung des urspruenglichen Planes herbeifuehrten: die Ruecksicht auf Caesar, dem in Gallien selbst seinen Kollegen nicht bloss neben-, sondern ueberzuordnen eben die Furchtsamsten am meisten Bedenken tragen mussten; die versteckte Opposition von Pompeius’ Erbfeind und widerwilligem Bundesgenossen Crassus, dem Pompeius selber zunaechst das Scheitern seines Planes beimass oder beizumessen vorgab; die Antipathien der republikanischen Opposition im Senat gegen jeden die Gewalt der Machthaber der Sache oder auch nur dem Namen nach erweiternden Beschluss; endlich und zunaechst die eigene Unfaehigkeit des Pompeius, der, selbst nachdem er hatte handeln muessen, es nicht ueber sich gewinnen konnte, zum Handeln sich zu bekennen, sondern wie immer seine wahre Absicht gleichsam im Inkognito durch seine Freunde vorfuehren liess, selber aber in bekannter Bescheidenheit erklaerte, auch mit Geringerem sich begnuegen zu wollen. Kein Wunder, dass man ihn beim Worte nahm und ihm das Geringere gab. Pompeius war nichtsdestoweniger froh, wenigstens eine ernstliche Taetigkeit und vor allen Dingen einen schicklichen Vorwand gefunden zu haben, um die Hauptstadt zu verlassen; es gelang ihm auch, freilich nicht ohne dass die Provinzen den Rueckschlag schwer empfanden, dieselbe mit reichlicher und billiger Zufuhr zu versehen. Aber seinen eigentlichen Zweck hatte er verfehlt; der Prokonsulartitel, den er berechtigt war in allen Provinzen zu fuehren, blieb ein leerer Name, solange er nicht ueber eigene Truppen verfuegte. Darum liess er bald darauf den zweiten Antrag an den Senat gelangen, dass derselbe ihm den Auftrag erteilen moege, den vertriebenen Koenig von Aegypten, wenn noetig mit Waffengewalt, in seine Heimat zurueckzufuehren. Allein je mehr es offenbar ward, wie dringend er des Senats bedurfte, desto weniger nachgiebig und weniger ruecksichtsvoll nahmen die Senatoren sein Anliegen auf. Zunaechst ward in den Sibyllinischen Orakeln entdeckt, dass es gottlos sei, ein roemisches Heer nach Aegypten zu senden; worauf der fromme Senat fast einstimmig beschloss, von der bewaffneten Intervention abzustehen. Pompeius war bereits so gedemuetigt, dass er auch ohne Heer die Sendung angenommen haben wuerde; allein in seiner unverbesserlichen Hinterhaeltigkeit liess er auch dies nur durch seine Freunde erklaeren und sprach und stimmte fuer die Absendung eines anderen Senators. Natuerlich wies der Senat jenen Vorschlag zurueck, der ein dem Vaterlande so kostbares Leben freventlich preisgab, und das schliessliche Ergebnis der endlosen Verhandlungen war der Beschluss, ueberhaupt in Aegypten nicht zu intervenieren (Januar 698 56).
Diese wiederholten Zurueckweisungen, die Pompeius im Senat erfuhr und, was schlimmer war, hingehen lassen musste, ohne sie wettzumachen, galten natuerlich, mochten sie kommen von welcher Seite sie wollten, dem grossen Publikum als ebensoviele Siege der Republikaner und Niederlagen der Machthaber ueberhaupt; die Flut der republikanischen Opposition war demgemaess im stetigen Steigen. Schon die Wahlen fuer 698 (56) waren nur zum Teil im Sinne der Dynasten ausgefallen: Caesars Kandidaten fuer die Praetur, Publius Vatinius und Gaius Alfius, waren durchgegangen, dagegen zwei entschiedene Anhaenger der gestuerzten Regierung, Gnaeus Lentulus Marcellinus und Gnaeus Domitius Calvinus, jener zum Konsul, dieser zum Praetor gewaehlt worden. Fuer 699 (55) aber war als Bewerber um das Konsulat gar Lucius Domitius Ahenobarbus aufgetreten, dessen Wahl bei seinem Einfluss in der Hauptstadt und seinem kolossalen Vermoegen schwer zu verhindern und von dem es hinreichend bekannt war, dass er sich nicht an verdeckter Opposition werde genuegen lassen. Die Komitien also rebellierten; und der Senat stimmte ein. Es ward feierlich von ihm geratschlagt ueber ein Gutachten, das etruskische Wahrsager von anerkannter Weisheit ueber gewisse Zeichen und Wunder auf Verlangen des Senats abgegeben hatten. Die himmlische Offenbarung verkuendete, dass durch den Zwist der hoeheren Staende die ganze Gewalt ueber Heer und Schatz auf einen Gebieter ueberzugehen und der Staat in Unfreiheit zu geraten drohe – es schien, dass die Goetter zunaechst auf den Antrag des Gaius Messius zielten. Bald stiegen die Republikaner vom Himmel auf die Erde herab. Das Gesetz ueber das Gebiet von Capua und die uebrigen von Caesar als Konsul erlassenen Gesetze waren von ihnen stets als nichtig bezeichnet, und schon im Dezember 697 (57) im Senat geaeussert worden, dass es erforderlich sei, sie wegen ihrer Formfehler zu kassieren. Am 6. April 698 (56) stellte der Konsular Cicero im vollen Senat den Antrag, die Beratung ueber die kampanische Ackerverteilung fuer den 15. Mai auf die Tagesordnung zu setzen. Es war die foermliche Kriegserklaerung; und sie war um so bezeichnender, als sie aus dem Munde eines jener Maenner kam, die nur dann ihre Farbe zeigen, wenn sie meinen, es mit Sicherheit tun zu koennen. Offenbar hielt die Aristokratie den Augenblick gekommen, um den Kampf nicht mit Pompeius gegen Caesar, sondern gegen die Tyrannis ueberhaupt zu beginnen. Was weiter folgen werde, war leicht zu sehen. Domitius hatte es kein Hehl, dass er als Konsul Caesars sofortige Abberufung aus Gallien bei der Buergerschaft zu beantragen beabsichtige. Eine aristokratische Restauration war im Werke; und mit dem Angriff auf die Kolonie Capua warf die Nobilitaet den Machthabern den Handschuh hin. Caesar, obwohl er ueber die hauptstaedtischen Ereignisse von Tag zu Tag detaillierte Berichte empfing und, wenn die militaerischen Ruecksichten es irgend erlaubten, sie von seiner Suedprovinz aus in moeglichster Naehe verfolgte, hatte doch bisher sichtbar wenigstens nicht in dieselben eingegriffen. Aber jetzt hatte man ihm so gut wie seinen Kollegen, ja ihm vornehmlich, den Krieg erklaert, er musste handeln und handelte rasch. Eben befand er sich in der Naehe; die Aristokratie hatte nicht einmal fuer gut befunden, mit dem Bruche zu warten, bis er wieder ueber die Alpen zurueckgegangen sein wuerde. Anfang April 698 (56) verliess Crassus die Hauptstadt, um mit seinem maechtigeren Kollegen das Erforderliche zu verabreden; er fand Caesar in Ravenna. Von da aus begaben beide sich nach Luca und hier traf auch Pompeius mit ihnen zusammen, der bald nach Crassus (11. April), angeblich um die Getreidesendungen aus Sardinien und Afrika zu betreiben, sich von Rom entfernt hatte. Die namhaftesten Anhaenger der Machthaber, wie der Prokonsul des diesseitigen Spaniens, Metellus Nepos, der Propraetor von Sardinien, Appius Claudius, und viele andere, folgten ihnen nach; hundertundzwanzig Liktoren, ueber zweihundert Senatoren zaehlte man auf dieser Konferenz, wo bereits, im Gegensatz zu dem republikanischen, der neue monarchische Senat repraesentiert war. In jeder Hinsicht stand das entscheidende Wort bei Caesar. Er benutzte es, um die bestehende Gesamtherrschaft auf einer neuen Basis gleichmaessigerer Machtverteilung wiederherzustellen und fester zu gruenden. Die militaerisch bedeutendsten Statthalterschaften, die es neben der der beiden Gallien gab, wurden den zwei Kollegen zugestanden: Pompeius die beider Spanien, Crassus die von Syrien, welche Aemter ihnen durch Volksschluss auf fuenf Jahre (700-704 54- 50) gesichert und militaerisch wie finanziell angemessen ausgestattet werden sollten. Dagegen bedang Caesar sich die Verlaengerung seines Kommandos, das mit dem Jahre 700 (54) zu Ende lief, bis zum Schluss des Jahres 705 (49) aus, sowie die Befugnis, seine Legionen auf zehn zu vermehren und die Uebernahme des Soldes fuer die eigenmaechtig von ihm ausgehobenen Truppen auf die Staatskasse. Pompeius und Crassus ward ferner fuer das naechste Jahr (699 55), bevor sie in ihre Statthalterschaften abgingen, das zweite Konsulat zugesagt, waehrend Caesar es sich offen hielt, gleich nach Beendigung seiner Statthalterschaft im Jahre 706 (48), wo das gesetzlich zwischen zwei Konsulaten erforderliche zehnjaehrige Intervall fuer ihn verstrichen war, zum zweitenmal das hoechste Amt zu verwalten. Den militaerischen Rueckhalt, dessen Pompeius und Crassus zur Regulierung der hauptstaedtischen Verhaeltnisse um so mehr bedurften, als die urspruenglich hierzu bestimmten Legionen Caesars jetzt aus dem Transalpinischen Gallien nicht weggezogen werden konnten, fanden sie in den Legionen, die sie fuer die spanischen und syrischen Armeen neu ausheben und erst, wenn es ihnen selber angemessen schiene, von Italien aus an ihre verschiedenen Bestimmungsplaetze abgehen lassen sollten. Die Hauptfragen waren damit erledigt; die untergeordneten Dinge, wie die Festsetzung der gegen die hauptstaedtische Opposition zu befolgenden Taktik, die Regulierung der Kandidaturen fuer die naechsten Jahre und dergleichen mehr, hielten nicht lange auf. Die persoenlichen Zwistigkeiten, die dem Vertraegnis im Wege standen, schlichtete der grosse Meister der Vermittlung mit gewohnter Leichtigkeit und zwang die widerstrebenden Elemente, sich miteinander zu behaben. Zwischen Pompeius und Crassus ward aeusserlich wenigstens ein kollegialisches Einvernehmen wiederhergestellt. Sogar Publius Clodius ward bestimmt, sich und seine Meute ruhig zu halten und Pompeius nicht ferner zu belaestigen – keine der geringsten Wundertaten des maechtigen Zauberers.
Dass diese ganze Schlichtung der schwebenden Fragen nicht aus einem Kompromiss selbstaendiger und ebenbuertig rivalisierender Machthaber, sondern lediglich aus dem guten Willen Caesars hervorging, zeigen die Verhaeltnisse. Pompeius befand sich in Luca in der peinlichen Lage eines machtlosen Fluechtlings, welcher kommt, bei seinem Gegner Hilfe zu erbitten. Mochte Caesar ihn zurueckweisen und die Koalition als geloest erklaeren oder auch ihn aufnehmen und den Bund fortbestehen lassen, wie er eben war – Pompeius war sowieso politisch vernichtet. Wenn er in diesem Fall mit Caesar nicht brach, so war er der machtlose Schutzbefohlene seines Verbuendeten. Wenn er dagegen mit Caesar brach und, was nicht gerade wahrscheinlich war, noch jetzt eine Koalition mit der Aristokratie zustande brachte, so war doch auch dieses notgedrungen und im letzten Augenblick abgeschlossene Buendnis der Gegner so wenig furchtbar, dass Caesar schwerlich, um dies abzuwenden, sich zu jenen Konzessionen verstanden hat. Eine ernstliche Rivalitaet des Crassus Caesar gegenueber war vollends unmoeglich. Es ist schwer zu sage., welche Motive Caesar bestimmten, seine ueberlegene Stellung ohne Not aufzugeben und, was er seinem Nebenbuhler selbst bei dem Abschluss des Bundes 694 (60) versagt und dieser seitdem, in der offenbaren Absicht gegen Caesar geruestet zu sein, auf verschiedenen Wegen ohne, ja gegen Caesars Willen vergeblich angestrebt hatte, das zweite Konsulat und die militaerische Macht, jetzt freiwillig ihm einzuraeumen. Allerdings ward nicht Pompeius allein an die Spitze eines Heeres gestellt, sondern auch sein alter Feind und Caesars langjaehriger Verbuendeter Crassus; und unzweifelhaft erhielt Crassus seine ansehnliche militaerische Stellung nur als Gegengewicht gegen Pompeius’ neue Macht. Allein nichtsdestoweniger verlor Caesar unendlich, indem sein Rival fuer seine bisherige Machtlosigkeit ein bedeutendes Kommando eintauschte. Es ist moeglich, dass Caesar sich seiner Soldaten noch nicht hinreichend Herr fuehlte, um sie mit Zuversicht in den Krieg gegen die formellen Autoritaeten des Landes zu fuehren, und darum ihm daran gelegen war, nicht jetzt durch die Abberufung aus Gallien zum Buergerkrieg gedraengt zu werden; allein ob es zum Buergerkriege kam oder nicht, stand augenblicklich weit mehr bei der hauptstaedtischen Aristokratie als bei Pompeius, und es waere dies hoechstens ein Grund fuer Caesar gewesen, nicht offen mit Pompeius zu brechen, um nicht durch diesen Bruch die Opposition zu ermutigen, nicht aber ihm das zuzugestehen, was er ihm zugestand. Rein persoenliche Motive mochten mitwirken; es kann sein, dass Caesar sich erinnerte, einstmals in gleicher Machtlosigkeit Pompeius gegenuebergestanden zu haben und nur durch dessen freilich mehr schwach- als grossmuetiges Zuruecktreten vom Untergang gerettet worden zu sein; es ist wahrscheinlich, dass Caesar sich scheute, das Herz seiner geliebten und ihren Gemahl aufrichtig liebenden Tochter zu zerreissen – in seiner Seele war fuer vieles Raum noch neben dem Staatsmann. Allein die entscheidende Ursache war unzweifelhaft die Ruecksicht auf Gallien. Caesar betrachtete – anders als seine Biographen – die Unterwerfung Galliens nicht als eine zur Gewinnung der Krone ihm nuetzliche beilaeufige Unternehmung, sondern es hing ihm die aeusserliche Sicherheit und die innere Reorganisation, mit einem Worte, die Zukunft des Vaterlandes daran. Um diese Eroberung ungestoert vollenden zu koennen und nicht gleich jetzt die Entwirrung der italischen Verhaeltnisse in die Hand nehmen zu muessen, gab er unbedenklich seine Ueberlegenheit ueber seinen Rivalen daran und gewaehrte Pompeius hinreichende Macht, um mit dem Senat und dessen Anhang fertigzuwerden. Es war das ein arger politischer Fehler, wenn Caesar nichts wollte, als moeglichst rasch Koenig von Rom werden; allein der Ehrgeiz des seltenen Mannes beschraenkte sich nicht auf das niedrige Ziel einer Krone. Er traute es sich zu, die beiden ungeheuren Arbeiten: die Ordnung der inneren Verhaeltnisse Italiens und die Gewinnung und Sicherung eines neuen und frischen Bodens fuer die italische Zivilisation, nebeneinander zu betreiben und zu vollenden. Natuerlich kreuzten sich diese Aufgaben; seine gallischen Eroberungen haben ihn auf seinem Wege zum Thron viel mehr noch gehemmt als gefoerdert. Es trug ihm bittere Fruechte, dass er die italische Revolution, statt sie im Jahre 698 (56) zu erledigen, auf das Jahr 706 (48) hinausschob. Allein als Staatsmann wie als Feldherr war Caesar ein ueberverwegener Spieler, der, sich selber vertrauend wie seine Gegner verachtend, ihnen immer viel und mitunter ueber alles Mass hinaus vorgab.
Es war nun also an der Aristokratie, ihren hohen Einsatz gutzumachen und den Krieg so kuehn zu fuehren, wie sie kuehn ihn erklaert hatte. Allein es gibt kein klaeglicheres Schauspiel, als wenn feige Menschen das Unglueck haben, einen mutigen Entschluss zu fassen. Man hatte sich eben auf gar nichts vorgesehen. Keinem schien es beigefallen zu sein, dass Caesar moeglicherweise sich zur Wehr setzen, dass nun gar Pompeius und Crassus sich mit ihm aufs neue und enger als je vereinigen wuerden. Das scheint unglaublich; man begreift es, wenn man die Persoenlichkeiten ins Auge fasst, die damals die verfassungstreue Opposition im Senate fuehrten. Cato war noch abwesend ^2; der einflussreichste Mann im Senat war in dieser Zeit Marcus Bibulus, der Held des passiven Widerstandes, der eigensinnigste und stumpfsinnigste aller Konsulare. Man hatte die Waffen lediglich ergriffen, um sie zu strecken, sowie der Gegner nur an die Scheide schlug; die blosse Kunde von den Konferenzen in Luca genuegte, um jeden Gedanken einer ernstlichen Opposition niederzuschlagen und die Masse der Aengstlichen, das heisst die ungeheure Majoritaet des Senats, wieder zu ihrer in ungluecklicher Stunde verlassenen Untertanenpflicht zurueckzubringen. Von der anberaumten Verhandlung zur Pruefung der Gueltigkeit der Julischen Gesetze war nicht weiter die Rede; die von Caesar auf eigene Hand errichteten Legionen wurden durch Beschluss des Senats auf die Staatskasse uebernommen; die Versuche, bei der Regulierung der naechsten Konsularprovinzen Caesar beide Gallien oder doch das eine derselben hinwegzudekretieren, wurden von der Majoritaet abgewiesen (Ende Mai 698 56). So tat die Koerperschaft oeffentlich Busse. Im geheimen kamen die einzelnen Herren, einer nach dem andern, toedlich erschrocken ueber ihre eigene Verwegenheit, um ihren Frieden zu machen und unbedingten Gehorsam zu geloben – keiner schneller als Marcus Cicero, der seine Wortbruechigkeit zu spaet bereute und hinsichtlich seiner juengsten Vergangenheit sich mit Ehrentiteln belegte, die durchaus mehr treffend als schmeichelhaft waren ^3. Natuerlich liessen die Machthaber sich beschwichtigen; man versagte keinem den Pardon, da keiner die Muehe lohnte, mit ihm eine Ausnahme zu machen. Um zu erkennen, wie ploetzlich nach dem Bekanntwerden der Beschluesse von Luca der Ton in den aristokratischen Kreisen umschlug, ist es der Muehe wert, die kurz zuvor von Cicero ausgegangenen Broschueren mit der Palinodie zu vergleichen, die er ausgehen liess, um seine Reue und seine guten Vorsaetze oeffentlich zu konstatieren ^4. ——————————————— ^2 Cato war noch nicht in Rom, als Cicero am 11. Maerz 698 (56) fuer Sestius sprach (Sest. 28, 60) und als im Senat infolge der Beschluesse von Luca ueber Caesars Legionen verhandelt ward (Plut. Caes. 21); erst bei den Verhandlungen im Anfang 699 (55) finden wir ihn wieder taetig; und da er im Winter reiste (Plus. Cato min 38), kehrte er also Ende 698 (56) nach Rom zurueck. Er kann daher auch nicht, wie man missverstaendlich aus Asconius (p. 35, 53) gefolgert hat, im Februar 698 (56) verteidigt haben. ^3 Me asinum germanum fuisse (Art. 4, 5, 3). ^4 Diese Palinodie ist die noch vorhandene Rede ueber die den Konsuln des Jahres 699 (55) anzuweisenden Provinzen. Sie ist Ausgang Mai 698 (56) gehalten; die Gegenstuecke dazu sind die Reden fuer Sestius und gegen Vatinius und die ueber das Gutachten der etruskischen Wahrsager aus den Monaten Maerz und April, in denen das aristokratische Regime nach Kraeften verherrlicht und namentlich in sehr kavalierem Ton behandelt wird. Man kann es nur billigen, dass Cicero, wie er selbst gesteht (Att. 4, 5, 1), sogar vertrauten Freunden jenes Dokument seines wiedergekehrten Gehorsams zu uebersenden sich schaemte. —————————————— Wie es ihnen gefiel und gruendlicher als zuvor konnten also die Machthaber die italischen Verhaeltnisse ordnen. Italien und die Hauptstadt erhielten tatsaechlich eine, wenn auch nicht unter den Waffen versammelte Besatzung und einen der Machthaber zum Kommandanten. Von den fuer Syrien und Spanien durch Crassus und Pompeius ausgehobenen Truppen gingen zwar die ersteren nach dem Osten ab; allein Pompeius liess die beiden spanischen Provinzen durch seine Unterbefehlshaber mit der bisher dort stehenden Besatzung verwalten, waehrend er die Offiziere und Soldaten der neu, dem Namen nach zum Abgang nach Spanien ausgehobenen Legionen auf Urlaub entliess und selbst mit ihnen in Italien blieb. Wohl steigerte sich der stille Widerstand der oeffentlichen Meinung, je deutlicher und allgemeineres begriffen ward, dass die Machthaber daran arbeiteten, mit der alten Verfassung ein Ende zu machen und in moeglichst schonender Weise die bestehenden Verhaeltnisse der Regierung und Verwaltung in die Formen der Monarchie zu fuegen; allein man gehorchte, weil man musste. Vor allen Dingen wurden alle wichtigeren Angelegenheiten und namentlich alle das Militaerwesen und die aeusseren Verhaeltnisse betreffenden, ohne den Senat deswegen zu fragen, bald durch Volksbeschluss, bald durch das blosse Gutfinden der Herrscher erledigt. Die in Luca vereinbarten Bestimmungen hinsichtlich des Militaerkommandos von Gallien wurden durch Crassus und Pompeius, die Spanien und Syrien betreffenden durch den Volkstribun Gaius Trebonius unmittelbar an die Buergerschaft gebracht, auch sonst wichtigere Statthalterschaften haeufig durch Volksschluss besetzt. Dass fuer die Machthaber es der Einwilligung der Behoerden nicht beduerfe, um ihre Truppen beliebig zu vermehren, hatte Caesar bereits hinreichend dargetan; ebensowenig trugen sie Bedenken, ihre Truppen sich untereinander zu borgen, wie zum Beispiel Caesar von Pompeius fuer den Gallischen, Crassus von Caesar fuer den Parthischen Krieg solche kollegialische Unterstuetzung empfing. Die Transpadaner, denen nach der bestehenden Verfassung nur das latinische Recht zustand, wurden von Caesar waehrend seiner Verwaltung tatsaechlich als roemische Vollbuerger behandelt ^5. Wenn sonst die Einrichtung neu erworbener Gebiete durch eine Senatskommission beschafft worden war, so organisierte Caesar seine ausgedehnten gallischen Eroberungen durchaus nach eigenem Ermessen und gruendete zum Beispiel ohne jede weitere Vollmacht Buergerkolonien, namentlich Novum Comum (Como) mit fuenftausend Kolonisten. Piso fuehrte den Thrakischen, Gabinius den Aegyptischen, Crassus den Parthischen Krieg, ohne den Senat zu fragen, ja ohne auch nur, wie es herkoemmlich war, an den Senat zu berichten; in aehnlicher Weise wurden Triumphe und andere Ehrenbezeigungen bewilligt und vollzogen, ohne dass der Senat darum begruesst ward. Offenbar liegt hierin nicht eine blosse Vernachlaessigung der Formen, die um so weniger erklaerlich waere, als in den bei weitem meisten Faellen eine Opposition des Senats durchaus nicht zu erwarten war. Vielmehr war es die wohlberechnete Absicht, den Senat von dem militaerischen und dem Gebiet der hoeheren Politik zu verdraengen und seine Teilnahme an der Verwaltung auf die finanziellen Fragen und die inneren Angelegenheiten zu beschraenken; und auch die Gegner erkannten dies wohl und protestierten, soweit sie konnten, gegen dies Verfahren der Machthaber durch Senatsbeschluesse und Kriminalklagen. Waehrend die Machthaber also den Senat in der Hauptsache beiseite schoben, bedienten sie sich der minder gefaehrlichen Volksversammlungen auch ferner noch – es war dafuer gesorgt, dass die Herren der Strasse denen des Staats dabei keine Schwierigkeit mehr in den Weg legten; indes in vielen Faellen entledigte man sich auch dieses leeren Schemens und gebrauchte unverhohlen autokratische Formen.
———————————————- ^5 Ueberliefert ist dies nicht. Allein dass Caesar auf den latinischen Gemeinden, das heisst aus dem bei weitem groesseren Teil seiner Provinz ueberhaupt keine Soldaten ausgehoben hat, ist an sich schon voellig unglaublich und wird geradezu widerlegt dadurch, dass die Gegenpartei die von Caesar ausgehobene Mannschaft geringschaetzig bezeichnet als “groesstenteils aus den transpadanischen Kolonie* gebuertig” (Caes. civ. 3, 87); denn hier sind offenbar die launischen Kolonien Strabos (Ascon. Pis. p. 3; Suet. Caes. 8) gemeint. Von launischen Kohorten aber findet sich in Caesars gallischer Armee keine Spur; vielmehr sind nach seinen ausdruecklichen Angaben alle von ihm im Cisalpinischen Gallien ausgehobenen Rekruten den Legionen zu- oder in Legionen eingeteilt worden. Es ist moeglich, dass Caesar mit der Aushebung die Schenkung des Buergerrechts verband; aber wahrscheinlicher hielt er vielmehr in dieser Angelegenheit den Standpunkt seiner Partei fest, welche den Transpadanern das roemische Buergerrecht nicht so sehr zu verschaffen suchte, als vielmehr es ansah, als ihnen schon gesetzlich zustehend. Nur so konnte sich das Geruecht verbreiten, dass Caesar von sich aus bei den transpadanischen Gemeinden roemische Munizipalverfassung eingefuehrt habe (Cic. Att. 5, 3, 2; ad fam. 8, 1 2). So erklaert es sich auch, warum Hirtius die transpadanischen Staedte als “Kolonien roemischer Buerger” bezeichnet (Gall. 8, 24) und warum Caesar die von ihm gegruendete Kolonie Comum als Buergerkolonie behandelte (Suet. Caes. 28; Strab. 5, 1 p. 213; Plut. Caes. 29), waehrend die gemaessigte Partei der Aristokratie ihr nur dasselbe Recht wie den uebrigen transpadanischen Gemeinden, also das launische, zugestand, die Ultras sogar das den Ansiedlern erteilte Stadtrecht ueberhaupt fuer nichtig erklaerten, also auch die an die Bekleidung eines launischen Munizipalamtes geknuepften Privilegien den Comensern nicht zugestanden (Cic. Att. 5, 11, 2; App. civ. 2, 26). Vgl. Hermes 16, 1880, S. 30. ————————————————- Der gedemuetigte Senat musste wohl oder uebel in seine Lage sich schicken. Der Fuehrer der gehorsamen Majoritaet blieb Marcus Cicero. Er war brauchbar wegen seines Advokatentalents, fuer alles Gruende oder doch Worte zu finden, und es lag eine echt Caesarische Ironie darin, den Mann, mittels dessen vorzugsweise die Aristokratie ihre Demonstrationen gegen die Machthaber aufgefuehrt hatte, als Mundstueck des Servilismus zu verwenden. Darum erteilte man ihm Verzeihung fuer sein kurzes Geluesten, wider den Stachel zu loecken, jedoch nicht ohne sich vorher seiner Unterwuerfigkeit in jeder Weise versichert zu haben. Gewissermassen um als Geisel fuer ihn zu haften, hatte sein Bruder einen Offizierposten im gallischen Heere uebernehmen muessen; ihn selbst hatte Pompeius genoetigt, eine Unterbefehlshaberstelle unter ihm anzunehmen, welche eine Handhabe hergab, um ihn jeden Augenblick mit Manier zu verbannen. Clodius war zwar angewiesen worden, ihn bis weiter in Ruhe zu lassen, aber Caesar liess ebensowenig um Ciceros willen den Clodius fallen wie den Cicero um des Clodius willen, und der grosse Vaterlandserretter wie der nicht minder grosse Freiheitsmann machten im Hauptquartier von Samarobriva sich eine Antichambrekonkurrenz, die gehoerig zu illustrieren es leider an einem roemischen Aristophanes gebrach. Aber nicht bloss ward dieselbe Rute ueber Ciceros Haupte schwebend erhalten, die ihn bereits einmal so schmerzlich getroffen hatte; auch goldene Fesseln wurden ihm angelegt. Bei seinen bedenklich verwickelten Finanzen waren ihm die zinsfreien Darlehen Caesars und die Mitaufseherschaft ueber die ungeheure Summen in Umlauf setzenden Bauten desselben in hohem Grade willkommen und manche unsterbliche Senatsrede erstickte in dem Gedanken an den Geschaeftstraeger Caesars, der nach dem Schluss der Sitzung ihm den Wechsel praesentieren moechte. Also gelobte er sich, “kuenftig nicht mehr nach Recht und Ehre zu fragen, sondern um die Gunst der Machthaber sich zu bemuehen” und “geschmeidig zu sein wie ein Ohrlaeppchen”. Man brauchte ihn denn, wozu er gut war: als Advokaten, wo es vielfach sein Los war, eben seine bittersten Feinde auf hoeheren Befehl verteidigen zu muessen, und vor allem im Senat, wo er fast regelmaessig den Dynasten als Organ diente und die Antraege stellte, “denen andere wohl zustimmten, er aber selbst nicht”; ja als anerkannter Fuehrer der Majoritaet der Gehorsamen erlangte er sogar eine gewisse politische Bedeutung. In aehnlicher Weise wie mit Cicero verfuhr man mit den uebrigen der Furcht, der Schmeichelei oder dem Golde zugaenglichen Mitgliedern des regierenden Kollegiums, und es gelang, dasselbe im ganzen botmaessig zu erhalten.
Allerdings blieb eine Fraktion von Gegnern, die wenigstens Farbe hielten und weder zu schrecken noch zu gewinnen waren. Die Machthaber hatten sich ueberzeugt, dass Ausnahmemassregeln, wie die gegen Cato und Cicero, der Sache mehr schadeten als nuetzten und dass es ein minderes Uebel sei, die unbequeme republikanische Opposition zu ertragen, als aus den Opponenten Maertyrer der Republik zu machen. Darum liess man es geschehen, dass Cato zurueckkam (Ende 698 56) und von da an wieder im Senat und auf dem Markte, oft unter Lebensgefahr, den Machthabern eine Opposition machte, die wohl ehrenwert, aber leider doch auch zugleich laecherlich war. Man liess es geschehen, dass er es bei Gelegenheit der Antraege des Trebonius auf dein Marktplatz wieder einmal bis zum Handgemenge trieb und dass er im Senat den Antrag stellte, den Prokonsul Caesar wegen seines treulosen Benehmens gegen die Usipeten und Tencterer diesen Barbaren auszuliefern. Man nahm es hin, dass Marcus Favonius, Catos Sancho, nachdem der Senat den Beschluss gefasst hatte, die Legionen Caesars auf die Staatskasse zu uebernehmen, zur Tuer der Kurie sprang und die Gefahr des Vaterlandes auf die Gasse hinausrief; dass derselbe in seiner skurrilen Art die weisse Binde, die Pompeius um sein krankes Bein trug, ein deplaziertes Diadem hiess; dass der Konsular Lentulus Marcellinus, da man ihm Beifall klatschte, der Versammlung zurief, sich dieses Rechts, ihre Meinung zu aeussern, jetzt ja fleissig zu bedienen, da es ihnen noch gestattet sei; dass der Volkstribun Gaius Ateius Capito den Crassus bei seinem Abzug nach Syrien in allen Formen damaliger Theologie oeffentlich den boesen Geistern ueberantwortete. Im ganzen waren dies eitle Demonstrationen einer verbissenen Minoritaet: doch war die kleine Partei, von der sie ausgingen, insofern von Bedeutung, als sie teils der im stillen gaerenden republikanischen Opposition Nahrung und Losung gab, teils ab und zu doch die Senatsmajoritaet, die ja im Grunde ganz dieselben Gesinnungen gegen die Machthaber hegte, zu einem gegen diese gerichteten Beschluss fortriss. Denn auch die Majoritaet fuehlte das Beduerfnis, wenigstens zuweilen und in untergeordneten Dingen ihrem verhaltenen Groll Luft zu machen und namentlich, nach der Weise der widerwillig Servilen, ihren Groll gegen die grossen Feinde wenigstens an den kleinen auszulassen. Wo es nur anging, ward den Werkzeugen der Machthaber ein leiser Fusstritt versetzt: so wurde Gabinius das erbetene Dankfest verweigert (698 56), so Piso aus der Provinz abberufen, so vom Senat Trauer angelegt, als der Volkstribun Gaius Cato die Wahlen fuer 699 (55) so lange hinderte, bis der der Verfassungspartei angehoerige Konsul Marcellinus vom Amt abgetreten war. Sogar Cicero, wie demuetig er immer vor den Machthabern sich neigte, liess doch auch eine ebenso giftige wie geschmacklose Broschuere gegen Caesars Schwiegervater ausgehen. Aber sowohl diese oppositionellen Velleitaeten der Senatsmajoritaet wie der resultatlose Widerstand der Minoritaet zeigen nur um so deutlicher, dass das Regiment, wie einst von der Buergerschaft auf den Senat, so jetzt von diesem auf die Machthaber uebergegangen und der Senat schon nicht viel mehr war als ein monarchischer, aber auch zur Absorbierung der antimonarchischen Elemente benutzter Staatsrat. “Kein Mensch”, klagten die Anhaenger der gestuerzten Regierung, “gilt das mindeste ausser den dreien; die Herrscher sind allmaechtig und sie sorgen dafuer, dass keiner darueber im unklaren bleibe; der ganze Senat ist wie umgewandelt und gehorcht den Gebietern; unsere Generation wird einen Umschwung der Dinge nicht erleben.” Man lebte eben nicht in der Republik, sondern in der Monarchie. Aber wenn ueber die Lenkung des Staats von den Machthabern unumschraenkt verfuegt ward, so blieb noch ein von dem eigentlichen Regiment gewissermassen abgesondertes politisches Gebiet, das leichter zu verteidigen und schwerer zu erobern war: das der ordentlichen Beamtenwahlen und das der Geschworenengerichte. Dass die letzteren nicht unmittelbar unter die Politik fallen, aber ueberall und vor allem in Rom von dem das Staatswesen beherrschenden Geiste mitbeherrscht werden, ist von selber klar. Die Wahlen der Beamten gehoerten allerdings von Rechts wegen zu dem eigentlichen Regiment des Staates; allein da in dieser Zeit derselbe wesentlich durch ausserordentliche Beamte oder auch ganz titellose Maenner verwaltet ward und selbst die hoechsten ordentlichen Beamten, wenn sie zu der antimonarchischen Partei gehoerten, auf die Staatsmaschine in irgend fuehlbarer Weise einzuwirken nicht vermochten, so sanken die ordentlichen Beamten mehr und mehr herab zu Figuranten, wie sich denn auch eben die oppositionellsten von ihnen geradezu und mit vollem Recht als machtlose Nullen bezeichneten, ihre Wahlen also zu Demonstrationen. So konnte, nachdem die Opposition von dem eigentlichen Schlachtfeld bereits gaenzlich verdraengt war, dennoch die Fehde noch in den Wahlen und den Prozessen fortgefuehrt werden. Die Machthaber sparten keine Muehe, um auch hier Sieger zu bleiben. Hinsichtlich der Wahlen hatten sie bereits in Luca fuer die naechsten Jahre die Kandidatenlisten untereinander festgestellt und liessen kein Mittel unversucht, um die dort vereinbarten Kandidaten durchzubringen. Zunaechst zum Zweck der Wahlagitation spendeten sie ihr Gold aus. Jaehrlich wurden aus Caesars und Pompeius’ Heeren eine grosse Anzahl Soldaten auf Urlaub entlassen, um an den Abstimmungen in Rom teilzunehmen. Caesar pflegte selbst von Oberitalien aus in moeglichster Naehe die Wahlbewegungen zu leiten und zu ueberwachen. Dennoch ward der Zweck nur sehr unvollkommen erreicht. Fuer 699 (55) wurden zwar, dem Vertrag von Luca entsprechend, Pompeius und Crassus zu Konsuln gewaehlt und der einzige ausharrende Kandidat der Opposition, Lucius Domitius, beseitigt; allein schon dies war nur durch offenbare Gewalt durchgesetzt worden, wobei Cato verwundet ward und andere hoechst aergerliche Auftritte vorfielen. In den naechsten Konsularwahlen fuer 700 (54) ward gar, allen Anstrengungen der Machthaber zum Trotz, Domitius wirklich gewaehlt, und auch Cato siegte jetzt ob in der Bewerbung um die Praetur, in der ihn das Jahr zuvor zum Aergernis der ganzen Buergerschaft Caesars Klient Vatinius aus dem Felde geschlagen hatte. Bei den Wahlen fuer 701 (53) gelang es der Opposition, unter andern Kandidaten auch die der Machthaber so unwidersprechlich der aergerlichsten Wahlumtriebe zu ueberweisen, dass diese, auf die der Skandal zurueckfiel, nicht anders konnten als sie fallen lassen. Diese wiederholten und argen Niederlagen der Dynasten auf dem Wahlschlachtfeld moegen zum Teil zurueckzufuehren sein auf die Unregierlichkeit der eingerosteten Maschinerie, die unberechenbaren Zufaelligkeiten des Wahlgeschaefts, die Gesinnungsopposition der Mittelklassen, die mancherlei hier eingreifenden und die Parteistellung oft seltsam durchkreuzenden Privatruecksichten; die Hauptursache aber liegt anderswo. Die Wahlen waren in dieser Zeit wesentlich in der Gewalt der verschiedenen Klubs, in die die Aristokratie sich gruppierte; das Bestechungswesen war von denselben im umfassendsten Massstab und mit groesster Ordnung organisiert. Dieselbe Aristokratie also, die im Senat vertreten war, beherrschte auch die Wahlen; aber wenn sie im Senat grollend nachgab, wirkte und stimmte sie hier im geheimen und vor jeder Rechenschaft sicher den Machthabern unbedingt entgegen. Dass durch das strenge Strafgesetz gegen die klubbistischen Wahlumtriebe, das Crassus als Konsul 699 (55) durch die Buergerschaft bestaetigen liess, der Einfluss der Nobilitaet auf diesem Felde keineswegs gebrochen ward, versteht sich von selbst und zeigen die Wahlen der naechsten Jahre. Ebensogrosse Schwierigkeiten machten den Machthabern die Geschworenengerichte. Bei ihrer dermaligen Zusammensetzung entschied in denselben, neben dem auch hier einflussreichen Senatsadel, vorwiegend die Mittelklasse. Die Festsetzung eines hochgegriffenen Geschworenenzensus durch ein von Pompeius 699 (55) beantragtes Gesetz ist ein bemerkenswerter Beweis dafuer, dass die Opposition gegen die Machthaber ihren Hauptsitz in dem eigentlichen Mittelstand hatte und die hohe Finanz hier wie ueberall sich gefuegiger erwies als dieser. Nichtsdestoweniger war der republikanischen Partei hier noch nicht aller Boden entzogen und sie ward nicht muede, mit politischen Kriminalanklagen, zwar nicht die Machthaber selbst, aber wohl deren hervorragende Werkzeuge zu verfolgen. Dieser Prozesskrieg ward um so lebhafter gefuehrt, als dem Herkommen gemaess das Anklagegeschaeft der senatorischen Jugend zukam und begreiflicherweise unter diesen Juenglingen mehr als unter den aelteren Standesgenossen noch republikanische Leidenschaft, frisches Talent und kecke Angriffslust zu finden war. Allerdings waren die Gerichte nicht frei; wenn die Machthaber Ernst machten, wagten sie so wenig wie der Senat den Gehorsam zu verweigern. Keiner von den Gegnern wurde von der Opposition mit so grimmigem, fast sprichwoertlich gewordenem Hasse verfolgt wie Vatinius, bei weitem der verwegenste und unbedenklichste unter den engeren Anhaengern Caesars; aber sein Herr befahl, und er ward in allen gegen ihn erhobenen Prozessen freigesprochen. Indes Anklagen von Maennern, die so wie Gaius Licinius Calvus und Gaius Asinius Pollio das Schwert der Dialektik und die Geissel des Spottes zu schwingen verstanden, verfehlten ihr Ziel selbst dann nicht, wenn sie scheiterten; und auch einzelne Erfolge blieben nicht aus. Meistens freilich wurden sie ueber untergeordnete Individuen davongetragen, allein auch einer der hoechstgestellten und verhasstesten Anhaenger der Dynasten, der Konsulat Gabinius, ward auf diesem Wege gestuerzt. Allerdings vereinigte mit dem unversoehnlichen Hass der Aristokratie, die ihm das Gesetz ueber die Fuehrung des Seeraeuberkrieges so wenig vergab wie die wegwerfende Behandlung des Senats waehrend seiner syrischen Statthalterschaft, sich gegen Gabinius die Wut der hohen Finanz, der gegenueber er als Statthalter Syriens es gewagt hatte, die Interessen der Provinzialen zu vertreten, und selbst der Groll des Crassus, dem er bei Uebergabe der Provinz Weitlaeufigkeiten gemacht hatte. Sein einziger Schutz gegen alle diese Feinde war Pompeius, und dieser hatte alle Ursache, seinen faehigsten, kecksten und treuesten Adjutanten um jeden Preis zu verteidigen; aber hier wie ueberall verstand er es nicht, seine Macht zu gebrauchen und seine Klienten so zu vertreten, wie Caesar die seinigen vertrat: Ende 700 (54) fanden die Geschworenen den Gabinius der Erpressungen schuldig und schickten ihn in die Verbannung.
Im ganzen waren also auf dem Gebiete der Volkswahlen und der Geschworenengerichte es die Machthaber, welche den kuerzeren zogen. Die Faktoren, die darin herrschten, waren minder greifbar und darum schwerer zu terrorisieren oder zu korrumpieren als die unmittelbaren Organe der Regierung und Verwaltung. Die Gewalthaber stiessen hier, namentlich in den Volkswahlen, auf die zaehe Kraft der geschlossenen und in Koterien gruppierten Oligarchie, mit der man noch durchaus nicht fertig ist, wenn man ihr Regiment gestuerzt hat, und die um so schwerer zu brechen ist, je verdeckter sie auftritt. Sie stiessen hier ferner, namentlich in den Geschworenengerichten, auf den Widerwillen der Mittelklassen gegen das neue, monarchische Regiment, den mit allen daraus entspringenden Verlegenheiten sie ebensowenig zu beseitigen vermochten. Sie erlitten auf beiden Gebieten eine Reihe von Niederlagen, von denen die Wahlsiege der Opposition zwar nur den Wert von Demonstrationen hatten, da die Machthaber die Mittel besassen und gebrauchten, um jeden missliebigen Beamten tatsaechlich zu annullieren, die oppositionellen Kriminalverurteilungen aber in empfindlicher Weise sie brauchbarer Gehilfen beraubten. Wie die Dinge standen, vermochten die Machthaber die Volkswahlen und die Geschworenengerichte weder zu beseitigen noch ausreichend zu beherrschen, und die Opposition, wie sehr sie auch hier sich eingeengt fand, behauptete bis zu einem gewissen Grade doch den Kampfplatz. Noch schwieriger aber erwies es sich, der Opposition auf einem Felde zu begegnen, dem sie immer eifriger sich zuwandte, je mehr sie aus der unmittelbaren politischen Taetigkeit herausgedraengt ward. Es war dies die Literatur. Schon die gerichtliche Opposition war zugleich, ja, vor allem eine literarische, da die Reden regelmaessig veroeffentlicht wurden und als politische Flugschriften dienten. Rascher und schaerfer noch trafen die Pfeile der Poesie. Die lebhafte hocharistokratische Jugend, noch energischer vielleicht der gebildete Mittelstand in den italischen Landstaedten, fuehrten den Pamphleten- und Epigrammenkrieg mit Eifer und Erfolg. Nebeneinander fochten auf diesem Felde der vornehme Senatorensohn Gaius Licinius Calvus (672-706 82-48), der als Redner und Pamphletist ebenso wie als gewandter Dichter gefuerchtet war, und die Munizipalen von Cremona und Verona, Marcus Furius Bibaculus (652-691 102-63) und Quintus Valerius Catullus (667 bis ca. 700 87-54), deren elegante und beissende Epigramme pfeilschnell durch Italien flogen und sicher ihr Ziel trafen. Durchaus herrscht in der Literatur dieser Jahre der oppositionelle Ton. Sie ist voll von grimmigem Hohn gegen den “grossen Caesar”, “den einzigen Feldherrn”, gegen den liebevollen Schwiegervater und Schwiegersohn, welche den ganzen Erdkreis zugrunde richten, um ihren verlotterten Guenstlingen Gelegenheit zu geben, die Spolien der langhaarigen Kelten durch die Strassen Roms zu paradieren, mit der Beute der fernsten Insel des Westens koenigliche Schmaeuse auszurichten und als goldregnende Konkurrenten die ehrlichen Jungen daheim bei ihren Maedchen auszustechen. Es ist in den Catullischen Gedichten ^6 und den sonstigen Truemmern der Literatur dieser Zeit etwas von jener Genialitaet des persoenlich-politischen Hasses, von jener in rasender Lust oder ernster Verzweiflung ueberschaeumenden republikanischen Agonie, wie sie in maechtigerer Weise hervortreten in Aristophanes und Demosthenes. Wenigstens der einsichtigste der drei Herrscher erkannte es wohl, dass es ebenso unmoeglich war, diese Opposition zu verachten wie durch Machtbefehl sie zu unterdruecken. Soweit er konnte, versuchte Caesar vielmehr die namhaftesten Schriftsteller persoenlich zu gewinnen. Schon Cicero hatte die ruecksichtsvolle Behandlung, die er vorzugsweise von Caesar erfuhr, zum guten Teil seinem literarischen Ruf zu danken; aber der Statthalter Galliens verschmaehte es nicht, selbst mit jenem Catullus durch Vermittlung seines in Verona ihm persoenlich bekannt gewordenen Vaters einen Spezialfrieden zu schliessen; der junge Dichter, der den maechtigen General eben mit den bittersten und persoenlichsten Sarkasmen ueberschuettet hatte, ward von demselben mit der schmeichelhaftesten Auszeichnung behandelt. Ja Caesar war genialisch genug, um seinen literarischen Gegnern auf ihr eigenes Gebiet zu folgen und als indirekte Abwehr vielfaeltiger Angriffe einen ausfuehrlichen Gesamtbericht ueber die gallischen Kriege zu veroeffentlichen, welcher die Notwendigkeit und Verfassungsmaessigkeit seiner Kriegfuehrung mit gluecklich angenommener Naivitaet vor dem Publikum entwickelte. Allein poetisch und schoepferisch ist nun einmal unbedingt und ausschliesslich die Freiheit; sie, und sie allein, vermag es, noch in der elendesten Karikatur, noch mit ihrem letzten Atemzug frische Naturen zu begeistern. Alle tuechtigen Elemente der Literatur waren und blieben antimonarchisch, und wenn Caesar selbst sich auf dieses Gebiet wagen durfte ohne zu scheitern, so war der Grund doch nur, dass er selbst sogar jetzt noch den grossartigen Traum eines freien Gemeinwesens im Sinne trug, den er freilich weder auf seine Gegner noch auf seine Anhaenger zu uebertragen vermochte. Die praktische Politik ward nicht unbedingter von den Machthabern beherrscht als die Literatur von den Republikanern ^7. —————————————– ^6 Die uns aufbehaltene Sammlung ist voll von Beziehungen auf die Ereignisse der Jahre 699 (55) und 700 (54) und ward ohne Zweifel in dem letzteren bekannt gemacht; der juengste Vorfall, dessen sie gedenkt, ist der Prozess des Vatinius (August 700 54). Hieronymus’ Angabe, dass Catullus 697/98 (57/56) gestorben, braucht also nur um wenige Jahre verschoben zu sein. Daraus, dass Vatinius bei “seinem Konsulat sich verschwoert”, hat man mit Unrecht geschlossen, dass die Sammlung erst nach Vatinius’ Konsulat (707 47) erschienen ist; es folgt daraus nur, dass Vatinius, als sie erschien, schon darauf rechnen durfte, in einem bestimmten Jahre Konsul zu werden, wozu er bereits 700 (54) alle Ursache hatte; denn sicher stand sein Name mit auf der in Luca vereinbarten Kandidatenliste (Cic. Art. 4, 8 b, 2).
^7 Das folgende Gedicht Catulls (29) ist im Jahre 699 (53) oder 700 (54), nach Caesars britannischer Expedition und vor dem Tode der Julia, geschrieben. Wer kann es ansehn, wer vermag es auszustehn, Wer nicht ein Bock, ein Spieler oder Schlemmer ist, Dass jetzt Mamurra sein nennt das, was einst besass Der Langhaarkelten und der fernen Briten Land? Du Schlappschwanz Romulus, das siehst und gibst du zu? Der also soll in Uebermut und salbenschwer , Als suesser Schnabelierer, als Adonis nun Hier ziehn in aller unsrer Maedchen Zimmer ein? Du Schlappschwanz Romulus, das siehst und gibst du zu? Ein Schlemmer bist du, bist ein Spieler, bist ein Bock! Drum also uebersetztest, einziger General, Zum fernstentlegnen Eiland du des Okzidents, Damit hier euer ausgedienter Zeitvertreib Zwei Millionen koenne oder drei vertun?
Was heisst verkehrt freigebig sein, wenn dieses nicht? Hat nicht genug schon er verdorben und verprasst? Zuerst verlottert ward das vaeterliche Gut, Sodann des Pontus Beute, dann Iberiens,
Davon des Tajo goldbeschwerte Welle weiss. Den fuerchtet, ihr Britanner; Kelten, fuerchtet den! Was heget ihr den Lumpen, welcher gar nichts als Ein fettes Erbe durch die Gurgel jagen kann? Drum also ruiniertet ihr der Erde Kreis, Ihr liebevollen Schwiegervater-Schwiegersohn? Mamurra aus Formiae, Caesars Guenstling und eine Zeitlang waehrend der gallischen Kriege Offizier in dessen Heer, war, vermutlich kurz vor Abfassung dieses Gedichts, nach der Hauptstadt zurueckgekehrt und wahrscheinlich damals beschaeftigt mit dem Bau seines vielbesprochenen, mit verschwenderischer Pracht ausgestatteten Marmorpalastes auf dem Caelischen Berge. Die iberische Beute wird sich auf Caesars Statthalterschaft des Jenseitigen Spanien beziehen und Mamurra schon damals, wie sicher spaeter in Gallien, in seinem Hauptquartier sich befunden haben; das pontische geht vermutlich auf Pompeius’ Krieg gegen Mithradates, da zumal. nach der Andeutung des Dichters nicht bloss Caesar den Mamurra bereichert hat.
Unschuldiger als diese giftige, von Caesar bitter empfundene Invektive (Suet. Caes. 73) ist ein anderes, ungefaehr gleichzeitiges Gedicht desselben Poeten (11), das hier auch stehen mag, weil es mit seiner pathetischen Einleitung zu einer nichts weniger als pathetischen Kommission den Generalstab der neuen Machthaber, die aus der Spelunke ploetzlich ins Hauptquartier avancierten Gabinius, Antonius und wie sie weiter heissen, sehr artig persifliert. Man erinnere sich, dass es in einer Zeit geschrieben ward, wo Caesar am Rhein und an der Themse kaempfte und wo die Expeditionen des Crassus nach Parthien, des Gabinius nach Aegypten vorbereitet wurden. Der Dichter, gleichsam auch von einem der Machthaber einen der vakanten Posten erhoffend, gibt zweien seiner Klienten die letzten Auftraege vor der Abreise: Furius und Aurelius, Adjutanten
Ihr Catulls, mag ziehn er an Indiens Ende, Wo des Ostmeers brandende Welle weithin
Hallend den Strand schlaegt,
Oder nach Hyrkanien und Arabien,
In der pfeilfroh’n Parther Gebiet und Saker Oder wo den Spiegel des Meers der siebenfaeltige Nil faerbt; Oder fuehrt sein Weg ihn die Alpen ueber, Wo den Malstein setzte der grosse Caesar, Wo der Rhein fliesst und an dem Erdrand hausen Wilde Britanner –
Ihr, bereit, all das mit Catullus, was ihm Goetterratsschluss davon bestimmt, zu teilen, Meinem Schatz noch bringet zuvor die kurze Leidige Botschaft!
Mag sie stehn und gehen mit ihren Maennern, Welche sie dreihundert zugleich umarmt haelt, Keinem treulieb, aber zu jeder Stunde
Jedem zu Willen.
Nicht wie sonst nachblickte sie meiner Liebe, Die geknickt mutwillig sie, gleich dem Veilchen, Das entlang am Saume des Ackers wandelnd Streifte die Pflugschar.
——————————————- Es ward noetig, gegen diese zwar machtlose, aber immer laestiger und dreister werdende Opposition mit Ernst einzuschreiten. Den Ausschlag gab, wie es scheint, die Verurteilung des Gabinius (Ende 700 54). Die Herrscher kamen ueberein, eine wenn auch nur zeitweilige Diktatur eintreten zu lassen und mittels dieser neue Zwangsmassregeln namentlich hinsichtlich der Wahlen und der Geschworenengerichte durchzusetzen. Als derjenige, dem zunaechst die Regierung Roms und Italiens oblag, uebernahm die Ausfuehrung dieses Beschlusses Pompeius; sie trug denn auch den Stempel der ihm eigenen Schwerfaelligkeit im Entschliessen und im Handeln und seiner wunderlichen Unfaehigkeit, selbst da, wo er befehlen wollte und konnte, mit der Sprache herauszugehen. Bereits Ausgang 700 (54) ward in Andeutungen und nicht durch Pompeius selbst die Forderung der Diktatur im Senat vorgebracht. Als ostensibler Grund diente die fortwaehrende Klub- und Bandenwirtschaft in der Hauptstadt, die durch Bestechungen und Gewalttaetigkeiten allerdings auf die Wahlen wie auf die Geschworenengerichte den verderblichsten Druck ausuebte und den Krawall daselbst in Permanenz hielt; man muss es zugeben, dass sie es den Machthabern leichtmachte, ihre Ausnahmemassregeln zu rechtfertigen. Allein begreiflicherweise scheute sogar die servile Majoritaet davor zurueck, das zu bewilligen, was der kuenftige Diktator selbst sich zu scheuen schien offen zu begehren. Als dann die beispiellose Agitation fuer die Wahlen zum Konsulat fuer 701 (53) die aergerlichsten Auftritte herbeifuehrte, die Wahlen ein volles Jahr ueber die festgesetzte Zeit sich verschleppten und erst nach siebenmonatlichem Interregnum im Juli 701 (53) stattfanden, fand Pompeius darin den erwuenschten Anlass als das einzige Mittel, den Knoten wo nicht zu loesen, doch zu zerhauen, dem Senat jetzt bestimmt die Diktatur zu bezeichnen; allein das entscheidende Befehlswort ward immer noch nicht gesprochen. Vielleicht waere es noch lange ungesprochen geblieben, wenn nicht bei den Konsularwahlen fuer 702 (52) gegen die Kandidaten der Machthaber Quintus Metellus Scipio und Publius Plautius Hypsaeus, beide dem Pompeius persoenlich nahestehende und durchaus ergebene Maenner, der verwegenste Parteigaenger der republikanischen Opposition, Titus Annius Milo, als Gegenkandidat in die Schranken getreten waere. Milo, ausgestattet mit physischem Mut, mit einem gewissen Talent zur Intrige und zum Schuldenmachen und vor allem mit reichlich angeborener und sorgfaeltig ausgebildeter Dreistigkeit, hatte unter den politischen Industrierittern jener Tage sich einen Namen gemacht und war in seinem Handwerk naechst Clodius der renommierteste Mann, natuerlich also auch mit diesem in toedlichster Konkurrenzfeindschaft. Da dieser Achill der Strasse von den Machthabern acquiriert worden war und mit ihrer Zulassung wieder den Ultrademokraten spielte, so ward der Hektor der Strasse selbstverstaendlich Aristokrat, und die republikanische Opposition, die jetzt mit Catilina selbst Buendnis geschlossen haben wuerde, wenn er sich ihr angetragen haette, erkannte Milo bereitwillig an als ihren rechtmaessigen Vorfechter in allen Krawallen. In der Tat waren die wenigen Erfolge, die sie auf diesem Schlachtfelde davon trug, das Werk Milos und seiner wohlgeschulten Fechterbande. So unterstuetzten denn hinwiederum Cato und die Seinigen Milos Bewerbung um das Konsulat; selbst Cicero konnte nicht umhin, seines Feindes Feind, seinen langjaehrigen Beschuetzer, zu empfehlen; und da Milo selbst weder Geld noch Gewalt sparte, um seine Wahl durchzusetzen, so schien dieselbe gesichert. Fuer die Machthaber waere sie nicht bloss eine neue empfindliche Niederlage gewesen, sondern auch eine wirkliche Gefahr; denn es war vorauszusehen, dass der verwegene Parteigaenger sich nicht so leicht wie Domitius und andere Maenner der anstaendigen Opposition als Konsul werde annullieren lassen. Da begab es sich, dass zufaellig unweit der Hauptstadt, auf der Appischen Strasse, Achill und Hektor aufeinandertrafen und zwischen den beiderseitigen Banden eine Rauferei entstand, in welcher Clodius selbst einen Saebelhieb in die Schulter erhielt und genoetigt ward, in ein benachbartes Haus sich zu fluechten. Es war dies ohne Auftrag Milos geschehen; da die Sache aber so weit gekommen war und der Sturm nun doch einmal bestanden werden musste, so schien das ganze Verbrechen Milo wuenschenswerter und selbst minder gefaehrlich als das halbe: er befahl seinen Leuten, den Clodius aus seinem Versteck hervorzuziehen und ihn niederzumachen (13. Januar 702 52). Die Strassenfuehrer von der Partei der Machthaber, die Volkstribune Titus Munatius Plancus, Quintus Pompeius Rufus und Gaius Sallustius Crispus, sahen in diesem Vorfall einen passenden Anlass, um im Interesse ihrer Herren Milos Kandidatur zu vereiteln und Pompeius’ Diktatur durchzusetzen. Die Hefe des Poebels, namentlich die Freigelassenen und Sklaven, hatten mit Clodius ihren Patron und kuenftigen Befreier eingebuesst: die erforderliche Aufregung war also leicht bewirkt. Nachdem der blutige Leichnam auf der Rednerbuehne des Marktes in Parade ausgestellt und die dazu gehoerigen Reden gehalten worden waren, ging der Krawall los. Zum Scheiterhaufen fuer den grossen Befreier ward der Sitz der perfiden Aristokratie bestimmt: die Rotte trug den Koerper in das Rathaus und zuendete das Gebaeude an. Hierauf zog der Schwarm vor Milos Haus und hielt dasselbe belagert, bis dessen Bande die Angreifer mit Pfeilschuessen vertrieb. Weiter ging es vor das Haus des Pompeius und seiner Konsularkandidaten, von denen jener als Diktator, diese als Konsuln begruesst wurden, und von da vor das des Zwischenkoenigs Marcus Lepidus, dem die Leitung der Konsulwahlen oblag. Da dieser pflichtmaessig sich weigerte, dieselben, wie die bruellenden Haufen es forderten, sofort zu veranstalten, so ward auch er fuenf Tage lang in seiner Wohnung belagert gehalten.
Aber die Unternehmer dieser skandaloesen Auftritte hatten ihre Rolle ueberspielt. Allerdings war auch ihr Herr und Meister entschlossen, diesen guenstigen Zwischenfall zu benutzen, um nicht bloss Milo zu beseitigen, sondern auch die Diktatur zu ergreifen; allein er wollte sie nicht von einem Haufen Knuettelmaenner empfangen, sondern vom Senat. Pompeius zog Truppen heran, um die in der Hauptstadt herrschende und in der Tat aller Welt unertraeglich gewordene Anarchie niederzuschlagen; zugleich befahl er jetzt, was er bisher erbeten, und der Senat gab nach. Es war nur ein nichtiger Winkelzug, dass auf Vorschlag von Cato und Bibulus der Prokonsul Pompeius unter Belassung seiner bisherigen Aemter statt zum Diktator zum “Konsul ohne Kollegen” ernannt ward (25. des Schaltmonats ^8 702 52) – ein Winkelzug, welcher eine mit zwiefachem inneren Widerspruch behaftete ^9 Benennung zuliess, um nur die einfach sachbezeichnende zu vermeiden, und der lebhaft erinnert an den weisen Beschluss des verschollenen Junkertums, den Plebejern nicht das Konsulat, sondern nur die konsularische Gewalt einzuraeumen.
—————————————————- ^8 In diesem Jahr folgte auf den Januar mit 29 und den Februar mit 23 Tagen der Schaltmonat mit 28 und sodann der Maerz. ^9 Consul heisst Kollege (I, 260) und ein Konsul, der zugleich Prokonsul ist, ist zugleich wirklicher und stellvertretender Konsul. —————————————————- Also im legalen Besitz der Vollmacht, ging Pompeius an das Werk und schritt nachdruecklich vor gegen die in den Klubs und den Geschworenengerichten maechtige republikanische Partei. Die bestehenden Wahlvorschriften wurden durch ein besonderes Gesetz wiederholt eingeschaerft und durch ein anderes gegen die Wahlumtriebe, das fuer alle seit 684 (70) begangenen Vergehen dieser Art rueckwirkende Kraft erhielt, die bisher darauf gesetzten Strafen gesteigert. Wichtiger noch war die Verfuegung, dass die Statthalterschaften, also die bei weitem bedeutendere und besonders die weit eintraeglichere Haelfte der Amtstaetigkeit, an die Konsuln und Praetoren nicht sofort bei dem Ruecktritt vom Konsulat oder der Praetur, sondern erst nach Ablauf von weiteren fuenf Jahren vergeben werden sollten, welche Ordnung selbstverstaendlich erst nach vier Jahren ins Leben treten konnte und daher fuer die naechste Zeit die Besetzung der Statthalterschaften wesentlich von den zur Regulierung dieses Interim zu erlassenden Senatsbeschluessen, also tatsaechlich von der augenblicklich den Senat beherrschenden Person oder Fraktion abhaengig machte. Die Geschworenenkommissionen blieben zwar bestehen, aber dem Rekusationsrecht wurden Grenzen gesetzt und, was vielleicht noch wichtiger war, die Redefreiheit in den Gerichten aufgehoben, indem sowohl die Zahl der Advokaten als die jedem zugemessene Sprechzeit durch Maximalsaetze beschraenkt und die eingerissene Unsitte: neben den Tat- auch noch Charakterzeugen oder sogenannte “Lobredner” zugunsten des Angeklagten beizubringen, untersagt ward. Der gehorsame Senat dekretierte ferner auf Pompeius’ Wink, dass durch den Raufhandel auf der Appischen Strasse das Vaterland in Gefahr geraten sei; demnach wurde fuer alle mit demselben zusammenhaengenden Verbrechen durch ein Ausnahmegesetz eine Spezialkommission bestellt und deren Mitglieder geradezu von Pompeius ernannt. Es ward auch ein Versuch gemacht, dem zensorischen Amt wieder eine ernstliche Bedeutung zu verschaffen und durch dasselbe die tief zerruettete Buergerschaft von dem schlimmsten Gesindel zu saeubern. Alle diese Massregeln erfolgten unter dem Drucke des Saebels. Infolge der Erklaerung des Senats, dass das Vaterland gefaehrdet sei, rief Pompeius in ganz Italien die dienstpflichtige Mannschaft unter die Waffen und nahm sie fuer alle Faelle in Eid und Pflicht; vorlaeufig ward eine ausreichende und zuverlaessige Truppe auf das Kapitol gelegt; bei jeder oppositionellen Regung drohte Pompeius mit bewaffnetem Einschreiten und stellte waehrend der Prozessverhandlungen ueber die Ermordung des Clodius allem Herkommen zuwider auf der Gerichtsstaette selbst Wache auf.
Der Plan zur Wiederbelebung der Zensur scheiterte daran, dass unter der servilen Senatsmajoritaet niemand sittlichen Mut und Autoritaet genug besass, um sich um ein solches Amt auch nur zu bewerben. Dagegen ward Milo von den Geschworenen verurteilt (8. April 702 52), Catos Bewerbung um das Konsulat fuer 703 (51) vereitelt. Die Reden- und Pamphletenopposition erhielt durch die neue Prozessordnung einen Schlag, von dem sie sich nicht wieder erholt hat; die gefuerchtete gerichtliche Beredsamkeit ward damit von dem politischen Gebiet verdraengt und trug fortan die Zuegel der Monarchie. Verschwunden war die Opposition natuerlich weder aus den Gemuetern der grossen Majoritaet der Nation noch auch nur voellig aus dem oeffentlichen Leben – dazu haette man die Volkswahlen, die Geschworenengerichte und die Literatur nicht bloss beschraenken, sondern vernichten muessen. Ja eben bei diesen Vorgaengen selbst tat Pompeius durch seine Ungeschicklichkeit und Verkehrtheit wieder dazu, dass den Republikanern selbst unter seiner Diktatur einzelne, fuer ihn empfindliche Triumphe zuteil wurden. Die Tendenzmassregeln, die die Herrscher zur Befestigung ihrer Macht ergriffen, wurden natuerlicherweise offiziell als im Interesse der oeffentlichen Ruhe und Ordnung getroffene Verfuegungen charakterisiert und jeder Buerger, der die Anarchie nicht wollte, als mit denselben wesentlich einverstanden bezeichnet. Mit dieser durchsichtigen Fiktion trieb es Pompeius aber so weit, dass er in die Spezialkommission zur Untersuchung des letzten Auflaufs statt sicherer Werkzeuge die achtbarsten Maenner aller Parteien, sogar Cato einwaehlte und seinen Einfluss auf das Gericht wesentlich dazu anwandte, um die Ordnung zu handhaben und das in den Gerichten dieser Zeit hergebrachte Spektakeln seinen Anhaengern so gut wie den Gegnern unmoeglich zu machen. Diese Neutralitaet des Regenten sah man den Urteilen des Spezialhofes an. Die Geschworenen wagten zwar nicht, Milo selbst freizusprechen; aber die meisten untergeordneten Angeklagten von der Partei der republikanischen Opposition gingen frei aus, waehrend die Verurteilung unnachsichtlich diejenigen traf, die in dem letzten Krawall fuer Clodius, das heisst fuer die Machthaber Partei genommen hatten, unter ihnen nicht wenige von Caesars und selbst von Pompeius’ vertrautesten Freunden, sogar seinen Kandidaten zum Konsulat, Hypsaeus, und die Volkstribune Plancus und Rufus, die in seinem Interesse die Erneute dirigiert hatten. Wenn Pompeius deren Verurteilung nicht hinderte, um unparteiisch zu erscheinen, so war dies eine Albernheit, und eine zweite, dass er denn doch wieder in ganz gleichgueltigen Dingen zu Gunsten seiner Freunde seine eigenen Gesetze verletzte, zum Beispiel im Prozess des Plancus als Charakterzeuge auftrat, und einzelne ihm besonders nahestehende Angeklagte, wie den Metellus Scipio, in der Tat vor der Verurteilung schuetzte. Wie gewoehnlich wollte er auch hier entgegengesetzte Dinge: indem er versuchte, zugleich den Pflichten des unparteiischen Regenten und des Parteihauptes Genuege zu tun, erfuellte er weder diese noch jene und erschien der oeffentlichen Meinung mit Recht als ein despotischer Regent, seinen Anhaengern mit gleichem Recht als ein Fuehrer, der die Seinigen entweder nicht schuetzen konnte oder nicht schuetzen wollte. Indes wenn auch die Republikaner noch sich regten und sogar, hauptsaechlich durch Pompeius’ Fehlgriffe, hie und da ein einzelner Erfolg sie anfrischte, so war doch der Zweck, den die Machthaber bei jener Diktatur sich gesteckt hatten, im ganzen erreicht, der Zuegel straffer angezogen, die republikanische Partei gedemuetigt und die neue Monarchie befestigt. Das Publikum fing an sich in diese zu finden. Als Pompeius nicht lange nachher von einer ernsthaften Krankheit genas, ward seine Wiederherstellung durch ganz Italien mit den obligaten Freudenbezeigungen gefeiert, die bei solchen Gelegenheiten in Monarchien ueblich sind. Die Machthaber zeigten sich befriedigt: schon am 1. August 702 (52) legte Pompeius die Diktatur nieder und teilte das Konsulat mit seinem Klienten Metellus Scipio.
9. Kapitel
Crassus’ Tod
Der Bruch der Gesamtherrscher
Unter den Haeuptern des “dreikoepfigen Ungeheuers” war Marcus Crassus jahrelang mitgerechnet worden, ohne eigentlich mitzuzaehlen. Er diente den wirklichen Machthabern Pompeius und Caesar als Gleichgewichtstein, oder genauer gesagt, er fiel in Caesars Waagschale gegen Pompeius. Diese Rolle ist nicht allzu ehrenvoll; aber Crassus ward nie durch leidenschaftliches Ehrgefuehl gehindert, seinen Vorteil zu verfolgen. Er war Kaufmann und liess mit sich handeln. Was ihm geboten ward, war nicht viel; da indes mehr nicht zu erhalten war, nahm er es an und suchte den nagenden Ehrgeiz und den Verdruss ueber seine der Macht so nahe und doch machtlose Stellung ueber den immer hoeher sich ihm haeufenden Goldbergen zu vergessen. Aber die Konferenz zu Luca wandelte auch fuer ihn die Verhaeltnisse um: um gegen Pompeius nach den so ausgedehnten Zugestaendnissen auch ferner im Uebergewicht zu bleiben, gab Caesar seinem alten Verbuendeten Crassus Gelegenheit, durch den Parthischen Krieg ebendahin in Syrien zu gelangen, wohin Caesar durch den keltischen in Gallien gelangt war. Es war schwer zu sagen, ob diese neuen Aussichten mehr den Heisshunger nach Gold reizten, der dem jetzt sechzigjaehrigen Manne zur anderen Natur geworden war und mit jeder neu erworbenen Million nur um so zehrender ward, oder mehr den in der Brust des Graukopfs lange muehsam niedergekaempften und jetzt mit unheimlichem Feuer in ihr gluehenden Ehrgeiz. Bereits Anfang 700 (54) traf er in Syrien ein: nicht einmal den Ablauf seines Konsulats hatte er abgewartet um aufzubrechen. Voll hastiger Leidenschaft schien er jede Minute auskaufen zu wollen, um das Versaeumte nachzuholen, zu den Schaetzen des Westens noch die des Ostens einzutun, Feldherrnmacht und Feldherrnruhm rasch wie Caesar und muehelos wie Pompeius zu erjagen.
Er fand den Parthischen Krieg bereits eingeleitet. Pompeius’ illoyales Verhalten gegen die Parther ist frueher erzaehlt worden; er hatte die vertragsmaessige Euphratgrenze nicht respektiert und zu Gunsten Armeniens, das jetzt roemischer Klientelstaat war, mehrere Landschaften vom Parthischen Reich abgerissen. Koenig Phraates hatte sich das gefallen lassen: nachdem er aber von seinen beiden Soehnen Mithradates und Orodes ermordet worden war, erklaerte der neue Koenig Mithradates dem Koenig von Armenien, des kuerzlich verstorbenen Tigranes Sohn Artavasdes, sofort den Krieg (um 698 ^1 56). Es war dies zugleich eine Kriegserklaerung gegen Rom; sowie daher der Aufstand der Juden unterdrueckt war, fuehrte der tuechtige und mutige Statthalter Syriens, Gabinius, die Legionen ueber den Euphrat. Im Partherreich indes war inzwischen eine Umwaelzung eingetreten; die Grossen des Reiches, an ihrer Spitze der junge, kuehne und talentvolle Grosswesir, hatten den Koenig Mithradates gestuerzt und dessen Bruder Orodes auf den Thron gesetzt. Mithradates machte deshalb gemeinschaftliche Sache mit den Roemern und begab sich in Gabinius’ Lager. Alles versprach dem Unternehmen des roemischen Statthalters den besten Erfolg, als er unvermutet Befehl bekam, den Koenig von Aegypten mit Waffengewalt nach Alexandreia zurueckzufuehren. Er wusste gehorchen; aber in der Erwartung, bald wieder zurueck zu sein, veranlasste er den bei ihm um Hilfe bittenden entthronten Partherfuersten, den Krieg inzwischen auf eigene Faust zu eroeffnen. Mithradates tat es und Seleukeia und Babylon erklaerten sich fuer ihn; aber Seleukeia nahm der Wesir, er persoenlich der erste auf der Zinne, mit stuermender Hand ein, und in Babylon wusste Mithradates selbst, durch Hunger bezwungen, sich ergeben, worauf er auf Befehl des Bruders hingerichtet ward. Sein Tod war ein fuehlbarer Verlust fuer die Roemer; aber die Gaerung im Parthischen Reich war doch keineswegs damit zu Ende und auch der armenische Krieg waehrte noch fort. Eben war Gabinius im Begriff, nach Beendigung des aegyptischen Feldzuges die immer noch guenstige Gelegenheit zu nutzen und den unterbrochenen Parthischen Krieg wiederaufzunehmen, als Crassus in Syrien eintraf und mit dem Kommando zugleich die Plaene seines Vorgaengers uebernahm. Voll hochfliegender Hoffnungen schlug er die Schwierigkeiten des Marsches gering, die Widerstandskraft der feindlichen Heere noch geringer an; zuversichtlich sprach er nicht bloss von der Unterwerfung der Panther, sondern eroberte schon in Gedanken die Reiche von Baktrien und Indien. ————————————————— ^1 Tigranes lebte noch im Februar 698 (56) (Cic. Sest. 27, 59); dagegen herrschte Artavasdes schon vor 700 (54) (Iust. 42, 2, 4; Plut. Crass. 49). ————————————————— Eile indes hatte der neue Alexander nicht. Erfand, bevor er so grosse Plaene ins Werk setzte, noch Musse zu sehr weitlaeufigen und sehr eintraeglichen Nebengeschaeften. Der Tempel der Derketo in Hierapolis Bambyke, des Jehova in Jerusalem und andere reiche Heiligtuemer der syrischen Provinz wurden auf Crassus’ Befehl ihrer Schaetze beraubt und von allen Untertanen Zuzug oder lieber noch statt desselben Geldsummen beigetrieben. Die militaerischen Operationen des ersten Sommers beschraenkten sich auf eine umfassende Rekognoszierung in Mesopotamien: der Euphrat ward ueberschritten, bei Ichnae (am Belik, noerdlich von Rakkah) der parthische Satrap geschlagen und die naechstliegenden Staedte, darunter das ansehnliche Nikephorion (Rakkah), besetzt, worauf man mit Zuruecklassung von Besatzungen in denselben wieder nach Syrien zurueckging. Man hatte bisher geschwankt, ob es ratsamer sei, auf dem Umweg ueber Armenien oder auf der geraden Strasse durch die mesopotamische Wueste nach Parthien zu marschieren. Der erste Weg durch gebirgige und von zuverlaessigen Verbuendeten beherrschte Landschaften empfahl sich durch die groessere Sicherheit; Koenig Artavasdes kam selbst in das roemische Hauptquartier, um diesen Feldzugsplan zu befuerworten. Allein jene Rekognoszierung entschied fuer den Marsch durch Mesopotamien. Die zahlreichen und bluehenden griechischen und halbgriechischen Staedte in den Landschaften am Euphrat und Tigris, vor allen die Weltstadt Seleukeia, waren der parthischen Herrschaft durchaus abgeneigt; wie frueher die Buerger von Karrhae, so hatten jetzt alle von den Roemern beruehrten griechischen Ortschaften es mit der Tat bewiesen, wie bereit sie waren, die unertraegliche Fremdherrschaft abzuschuetteln und die Roemer als Befreier, beinahe als Landsleute zu empfangen. Der Araberfuerst Abgaros, der die Wueste von Edessa und Karrhae und damit die gewoehnliche Strasse vom Euphrat an den Tigris beherrschte, hatte im Lager der Roemer sich eingefunden, um dieselben seiner Ergebenheit persoenlich zu versichern. Durchaus hatten die Parther sich unvorbereitet gezeigt. So ward denn der Euphrat (bei Biradjik) ueberschritten (701 53). Um von da an den Tigris zu gelangen, konnte man einen zwiefachen Weg waehlen: entweder rueckte das Heer am Euphrat hinab bis auf die Hoehe von Seleukeia, wo der Euphrat und der Tigris nur noch wenige Meilen voneinander entfernt sind; oder man schlug sogleich nach dem Uebergang auf der kuerzesten Linie, quer durch die grosse mesopotamische Wueste, den Weg zum Tigris ein. Der erste Weg fuehrte unmittelbar auf die parthische Hauptstadt Ktesiphon zu, die Seleukeia gegenueber am andern Ufer des Tigris lag; es erhoben sich fuer diesen im roemischen Kriegsrat mehrere gewichtige Stimmen; namentlich der Quaestor Gaius Cassius wies auf die Schwierigkeiten des Wuestenmarsches und auf die bedenklichen, von den roemischen Besatzungen am linken Euphratufer ueber die parthischen Kriegsvorbereitungen einlaufender. Berichte hin. Allein damit im Widerspruch meldete der arabische Fuerst Abgaros, dass die Parther beschaeftigt seien, ihre westlichen Landschaften zu raeumen. Bereits haetten sie ihre Schaetze eingepackt und sich in Bewegung gesetzt, um zu den Hyrkanern und Skythen zu fluechten; nur durch einen Gewaltmarsch auf dem kuerzesten Wege sei es ueberhaupt noch moeglich, sie zu erreichen; durch einen solchen werde es aber auch wahrscheinlich gelingen, wenigstens den Nachtrab der grossen Armee unter Sillakes und dem Wesir einzuholen und aufzureiben und die ungeheure Beute zu gewinnen. Diese Rapporte der befreundeten Beduinen entschieden ueber die Marschrichtung; das roemische Heer, bestehend aus sieben Legionen, 4000 Reitern und 4000 Schleuderern und Schuetzen, wandte vom Euphrat sich ab und hinein in die unwirtlichen Ebenen des noerdlichen Mesopotamiens. Weit und breit zeigte sich kein Feind; nur Hunger und Durst und die endlose Sandwueste schienen Wache zu halten an den Pforten des Ostens. Endlich, nach vieltaegigem muehseligen Marsch, unweit des ersten Flusses, den das roemische Heer zu ueberschreiten hatte, des Balissos (Belik), zeigten sich die ersten feindlichen Reiter. Abgaros mit seinen Arabern ward ausgesandt, um zu kundschaften; die parthischen Reiterscharen wichen zurueck bis an und ueber den Fluss und verschwanden in der Ferne, verfolgt von Abgaros und den Seinen. Ungeduldig harrte man auf die Rueckkehr desselben und auf genauere Kundschaft. Der Feldherr hoffte, hier endlich an den ewig zurueckweichenden Feind zu kommen; sein junger tapferer Sohn Publius, der mit der groessten Auszeichnung in Gallien unter Caesar gefochten hatte und von diesem an der Spitze einer keltischen Reiterschar zur Teilnahme an dem Parthischen Kriege entsandt worden war, brannte vor stuermischer Kampflust. Da keine Botschaft kam, entschloss man sich, auf gut Glueck vorwaerts zu gehen: das Zeichen zum Aufbruch ward gegeben, der Balissos ueberschritten, das Heer nach kurzer, ungenuegender Mittagsrast ohne Aufenthalt im Sturmschritt weitergefuehrt. Da erschollen ploetzlich rings umher die Kesselpauken der Parther; auf allen Seiten sah man ihre seidenen, goldgestickten Fahnen flattern, ihre Eisenhelme und Panzer im Strahl der heissen Mittagssonne glaenzen; und neben dem Wesir hielt Fuerst Abgaros mit seinen Beduinen. Man begriff zu spaet, in welches Netz man sich hatte verstricken lassen. Mit sicherem Blick hatte der Wesir sowohl die Gefahr durchschaut wie die Mittel, ihr zu begegnen. Mit orientalischem Fussvolk war gegen die roemische Linieninfanterie nichts auszurichten: er hatte sich desselben entledigt und, indem er diese auf dem Hauptschlachtfeld unbrauchbare Masse unter Koenig Orodes’ eigener Fuehrung gegen Armenien sandte, den Koenig Artavasdes gehindert, die versprochenen 10000 schweren Reiter zu Crassus’ Heer stossen zu lassen, die dieser jetzt schmerzlich vermisste. Dagegen trat der roemischen, in ihrer Art unuebertrefflichen Taktik der Wesir mit einer vollkommen verschiedenen gegenueber. Sein Heer bestand ausschliesslich aus Reiterei; die Linie bildeten die schweren Reiter, mit langen Stosslanzen bewaffnet und Mann und Ross durch metallene Schuppenpanzer oder Lederkoller und durch aehnliche Schienen geschirmt; die Masse der Truppen bestand aus berittenen Bogenschuetzen. Diesen gegenueber waren die Roemer in den gleichen Waffen sowohl der Zahl wie der Tuechtigkeit nach durchaus im Nachteil. Ihre Linieninfanterie, wie vorzueglich sie auch im Nahkampf, sowohl auf kurze Distanz mit dem schweren Wurfspeer als im Handgemenge mit dem Schwert, war, konnte doch eine bloss aus Reiterei bestehende Armee nicht zwingen, sich mit ihr einzulassen, und fand, wenn es zum Handgemenge kam, auch hier in den eisenstarrenden Scharen der Lanzenreiter einen ihr gewachsenen, wo nicht ueberlegenen Gegner. Einem Heer gegenueber, wie dies parthische war, stand das roemische strategisch im Nachteil, weil die Reiterei die Kommunikationen beherrschte; taktisch, weil jede Nahwaffe der Fernwaffe unterliegen muss, wenn jene nicht zum Kampfe Mann gegen Mann gelangt. Die konzentrierte Stellung, auf der die ganze roemische Kriegsweise beruhte, steigerte einem solchen Angriff gegenueber die Gefahr; je dichter die roemische Kolonne sich scharte, desto unwiderstehlicher ward allerdings ihr Stoss, aber desto weniger fehlten auch die Fernwaffen ihr Ziel. Unter gewoehnlichen Verhaeltnissen, wo Staedte zu verteidigen und Bodenschwierigkeiten zu beruecksichtigen sind, haette jene bloss mit Reiterei gegen Fussvolk operierende Taktik sich niemals vollstaendig durchfuehren lassen; in der mesopotamischen Wueste aber, wo das Heer, fast wie das Schiff auf der hohen See, viele Tagemaersche hindurch weder auf ein Hindernis noch auf einen strategischen Anhaltspunkt traf, war diese Kriegfuehrung eben darum so unwiderstehlich, weil die Verhaeltnisse hier gestatteten, sie in ihrer ganzen Reinheit und also in ihrer ganzen Gewalt zu entwickeln. Hier vereinigte sich alles, um die fremden Fussgaenger gegen die einheimischen Reiter in Nachteil zu setzen. Wo der schwerbeladene roemische Infanterist muehsam durch den Sand oder die Steppe sich hinschleppte und auf dem pfadlosen, durch weit auseinandergelegene und schwer aufzufindende Quellen bezeichneten Wege vor Hunger und mehr noch vor Durst verkam, flog der parthische Reitersmann, von Kindesbeinen an gewohnt, auf seinem geschwinden Ross oder Kamel zu sitzen, ja fast auf demselben zu leben, leicht durch die Wueste, deren Ungemach er seit langem gelernt hatte sich zu erleichtern und im Notfall zu ertragen. Hier fiel kein Regen, der die unertraegliche Hitze gemildert und die Bogensehnen und Schleuderriemen der feindlichen Schuetzen und Schleuderer erschlafft haette; hier waren in dem tiefen Sande an vielen Stellen kaum ordentliche Graeben und Waelle fuer das Lager zu ziehen. Kaum vermag die Phantasie eine Lage zu erdenken, in der die militaerischen Vorteile alle mehr auf der einen, die Nachteile alle mehr auf der andern Seite waren.
Auf die Frage, unter welchen Verhaeltnissen bei den Parthern diese neue Taktik entstand, die erste nationale, die auf ihrem rechten Terrain sich der roemischen ueberlegen erwies, koennen wir leider nur mit Mutmassungen antworten. Die Lanzenreiter und berittenen Bogenschuetzen sind im Orient uralt und bildeten bereits die Kerntruppen in den Heeren des Kyros und Dareios; bisher aber waren diese Waffen nur in zweiter Reihe und wesentlich zur Deckung der durchaus unbrauchbaren orientalischen Infanterie verwendet worden. Auch die parthischen Heere wichen hierin von den uebrigen orientalischen keineswegs ab; es werden dergleichen erwaehnt, die zu fuenf Sechsteln aus Fussvolk bestanden. In dem Feldzug des Crassus dagegen trat die Reiterei zum ersten Male selbstaendig auf, und es erhielt diese Waffe dadurch eine ganz neue Verwendung und einen ganz anderen Wert. Die unwiderstehliche Ueberlegenheit des roemischen Fussvolks im Nahkampf scheint unabhaengig voneinander die Gegner Roms in den verschiedensten Weltgegenden zu gleicher Zeit und mit aehnlichem Erfolg darauf gefuehrt zu haben, ihm mit der Reiterei und dem Fernkampf entgegenzutreten. Was Cassivellaunus in Britannien vollstaendig, Vercingetorix in Gallien zum Teil gelang, was bis zu einem gewissen Grade schon Mithradates Eupator versuchte, das hat der Wesir des Orodes nur in groesserem Massstab und vollstaendiger durchgefuehrt: wobei es ihm namentlich zustatten kam, dass er in der schweren Kavallerie das Mittel, eine Linie zu bilden, in dem im Orient nationalen und vornehmlich in den persischen Landschaften mit meisterlicher Schuetzenkunst gehandhabten Bogen eine wirksame Fernwaffe, endlich in den Eigentuemlichkeiten des Landes und des Volkes die Moeglichkeit fand, seinen genialen Gedanken rein zu realisieren. Hier, wo die roemische Nahwaffe und das roemische Konzentrierungssystem zum ersten Male der Fernwaffe und dem Deployierungssystem unterlagen, bereitete diejenige militaerische Revolution sich vor, die erst mit der Einfuehrung des Feuergewehrs ihren vollstaendigen Abschluss erhalten hat. Unter diesen Verhaeltnissen ward sechs Meilen suedlich von Karrhae (Harran), wo roemische Besatzung stand, in noerdlicher Richtung etwas naeher an Ichnae, inmitten der Sandwueste die erste Schlacht zwischen Roemern und Parthern geschlagen. Die roemischen Schuetzen wurden vorgesandt, wichen aber augenblicklich zurueck vor der ungeheuren Ueberzahl und der weit groesseren Spannkraft und Tragweite der parthischen Bogen. Die Legionen, die trotz der Mahnung der einsichtigeren Offiziere, sie moeglichst entfaltet gegen den Feind zu fuehren, in ein dichtes Viereck von zwoelf Kohorten an jeder Seite gestellt worden waren, waren bald ueberfluegelt und von den furchtbaren Pfeilen ueberschuettet, die hier auch ungezielt ihren Mann trafen und denen die Soldaten mit nichts auch nur zu erwidern vermochten. Die Hoffnung, dass der Feind sich verschiessen moege, verschwand bei einem Blick auf die endlose Reihe der mit Pfeilen beladenen Kamele. Immer weiter dehnten die Parther sich aus. Damit die Ueberfluegelung nicht zur Umzingelung werde, rueckte Publius Crassus mit einem auserlesenen Korps von Reitern, Schuetzen und Linieninfanterie zum Angriff vor. In der Tat gab der Feind es auf, den Kreis zu schliessen, und wich zurueck, hitzig verfolgt von dem ungestuemen Fuehrer der Roemer. Als aber darueber das Korps des Publius die Hauptarmee ganz aus dem Gesicht verloren hatte, hielten die schweren Reiter ihm gegenueber stand, und wie ein Netz zogen die von allen Seiten herbeieilenden parthischen Haufen sich um dasselbe zusammen. Publius, der die Seinigen unter den Pfeilen der berittenen Schuetzen dicht und nutzlos um sich fallen sah, stuerzte verzweifelt mit seiner unbepanzerten keltischen Reiterei sich auf die eisenstarrenden Lanzenreiter der Feinde; allein die todesverachtende Tapferkeit seiner Kelten, die die Lanzen mit den Haenden packten oder von den Pferden sprangen, um die Feinde niederzustechen, tat ihre Wunder umsonst. Die Truemmer des Korps, unter ihnen der am Schwertarm verwundete Fuehrer, wurden auf eine kleine Anhoehe gedraengt, wo sie den feindlichen Schuetzen erst recht zur bequemen Zielscheibe dienten. Mesopotamische Griechen, die der Gegend genau kundig waren, beschworen den Crassus, mit ihnen abzureiten und einen Versuch zu machen, sich zu retten; aber er weigerte sich, sein Schicksal von dem der tapferen Maenner zu trennen, die sein verwegener Mut in den Tod gefuehrt hatte, und liess von der Hand seines Schildtraegers sich durchbohren. Gleich ihm gaben die meisten noch uebrigen Offiziere sich selbst den Tod. Von der ganzen gegen 6000 Mann starken Abteilung wurden nicht mehr als 500 gefangen; zu retten vermochte sich keiner. Gegen das Hauptheer hatte inzwischen der Angriff nachgelassen und man rastete nur zu gern. Als endlich das Ausbleiben jeder Meldung von dem entsandten Korps es aus der truegerischen Ruhe aufschreckte und es, um dasselbe aufzusuchen, der Walstatt sich naeherte, ward dem Vater das Haupt des Sohnes auf einer Stange entgegengetragen; und abermals begann nun gegen das Hauptheer die schreckliche Schlacht, mit demselben Ungestuem und derselben hoffnungslosen Gleichfoermigkeit. Man vermochte weder die Lanzenreiter zu sprengen noch die Schuetzen zu erreichen; erst die Nacht machte dem Morden ein Ende. Haetten die Parther auf dem Schlachtfeld biwakiert, es waere schwerlich vom roemischen Heer ein Mann entkommen. Allein nicht geuebt, anders als beritten zu fechten, und darum besorgt vor einem Ueberfall, hatten sie die Gewohnheit, niemals hart am Feinde zu lagern; hoehnisch riefen sie den Roemern zu, dass sie dem Feldherrn eine Nacht schenkten, um seinen Sohn zu beweinen, und jagten davon, um am anderen Morgen wiederzukehren und das blutend am Boden liegende Wild abzufangen. Natuerlich warteten die Roemer den Morgen nicht ab. Die Unterfeldherren Cassius und Octavius – Crassus selbst hatte gaenzlich den Kopf verloren – liessen sofort und in moeglichster Stille, mit Zuruecklassung der saemtlichen – angeblich 4000 – Verwundeten und Versprengten, die noch marschfaehigen Leute aufbrechen, um in den Mauern von Karrhae Schutz zu suchen. Dass die Parther, als sie den folgenden Tag wiederkamen, zunaechst sich daran machten, die zerstreut Zurueckgelassenen aufzusuchen und niederzumetzeln, und dass die Besatzung und die Einwohnerschaft von Karrhae, durch Ausreisser fruehzeitig von der Katastrophe in Kenntnis gesetzt, schleunigst der geschlagenen Armee entgegengerueckt waren, rettete die Truemmer derselben vor der, wie es schien, unausbleiblichen Vernichtung. An eine Belagerung von Karrhae konnten die parthischen Reiterscharen nicht denken. Allein bald brachen die Roemer freiwillig auf, sei es durch Mangel an Lebensmitteln genoetigt, sei es infolge der mutlosen Uebereilung des Oberfeldherrn, den die Soldaten vergeblich versucht hatten vom Kommando zu entfernen und durch Cassius zu ersetzen. Man schlug die Richtung nach den armenischen Bergen ein; die Nacht marschierend und am Tage rastend, erreichte Octavius mit einem Haufen von 5000 Mann die Festung Sinnaka, die nur noch einen Tagesmarsch von den sicheren Hoehen entfernt war, und befreite sogar mit eigener Lebensgefahr den Oberfeldherrn, den der Fuehrer irregeleitet und dem Feinde preisgegeben hatte. Da ritt der Wesir vor das roemische Lager, um im Namen seines Koenigs den Roemern Frieden und Freundschaft zu bieten und auf eine persoenliche Zusammenkunft der beiden Feldherren anzutragen. Das roemische Heer, demoralisiert wie es war, beschwor, ja zwang seinen Fuehrer, das Anerbieten anzunehmen. Der Wesir empfing den Konsular und dessen Stab mit den ueblichen Ehren und erbot sich aufs neue, einen Freundschaftspakt abzuschliessen; nur forderte er, mit gerechter Bitterkeit an das Schicksal der mit Lucullus und Pompeius hinsichtlich der Euphratgrenze abgeschlossenen Vertraege erinnernd, dass derselbe sogleich schriftlich abgefasst werde. Ein reichgeschmueckter Zelter ward vorgefuehrt: es war ein Geschenk des Koenigs fuer den roemischen Oberfeldherrn; die Diener des Wesirs draengten sich um Crassus, beeifert, ihn aufs Pferd zu heben. Es schien den roemischen Offizieren, als beabsichtige man, sich der Person des Oberfeldherrn zu bemaechtigen; Octavius, unbewaffnet wie er war, riss einem Parther das Schwert aus der Scheide und stiess den Pferdeknecht nieder. In dem Anlauf, der sich hieraus entspann, wurden die roemischen Offiziere alle getoetet; auch der greise Oberfeldherr wollte, wie sein Grossohm, dem Feinde nicht lebend als Trophaee dienen und suchte und fand den Tod. Die im Lager zurueckgebliebene fuehrerlose Menge ward zum Teil gefangen, zum Teil versprengt. Was der Tag von Karrhae begonnen hatte, vollendete der von Sinnaka (9. Juni 701 53); beide nahmen ihren Platz neben den Daten von der Allia, von Cannae und von Arausio. Die Euphratarmee war nicht mehr. Nur der Reiterschar des Gaius Cassius, welche bei dem Abmarsch von Karrhae von dem Hauptheer abgesprengt worden war, und einigen anderen zerstreuten Haufen und vereinzelten Fluechtlingen gelang es, sich den Parthern und den Beduinen zu entziehen und einzeln den Rueckweg nach Syrien zu finden. Von ueber 40000 roemischen Legionaeren, die den Euphrat ueberschritten hatten, kam nicht der vierte Mann zurueck; die Haelfte war umgekommen; gegen 10000 roemische Gefangene wurden von den Siegern im aeussersten Osten ihres Reiches, in der Oase von Merv, nach parthischer Art als heerpflichtige Leibeigene angesiedelt. Zum ersten Male, seit die Adler die Legionen fuehrten, waren dieselben in diesem Jahre zu Siegeszeichen in den Haenden fremder Nationen, fast gleichzeitig eines deutschen Stammes im Westen und im Osten der Parther geworden. Von dem Eindruck, den die Niederlage der Roemer im Osten machte, ist uns leider keine ausreichende Kunde geworden; aber tief und bleibend muss er gewesen sein. Koenig Orodes richtete eben die Hochzeit seines Sohnes Pakoros mit der Schwester seines neuen Verbuendeten, des Koenigs Artavasdes von Armenien, aus, als die Siegesbotschaft seines Wesirs bei ihm einlief und, nach orientalischer Sitte, zugleich mit ihr der abgehauene Kopf des Crassus. Schon war die Tafel aufgehoben; eine der wandernden kleinasiatischen Schauspielertruppen, wie sie in jener Zeit zahlreich bestanden und die hellenische Poesie und die hellenische Buehnenkunst bis tief in den Osten hineintrugen, fuehrten eben vor dem versammelten Hofe Euripides’ ‘Bakchen’ auf. Der Schauspieler, der die Rolle der Agaue spielte, welche in wahnsinnig dionysischer Begeisterung ihren Sohn zerrissen hat und nun das Haupt desselben auf dem Thyrsus tragend, vom Kithaeron zurueckkehrt, vertauschte dieses mit dem blutigen Kopfe des Crassus, und zum unendlichen Jubel seines Publikums von halbhellenisierten Barbaren begann er aufs neue das wohlbekannte Lied: Wir bringen vom Berge
Nach Hause getragen
Die herrliche Beute,
Das blutende Wild.
Es war seit den Zeiten der Achaemeniden der erste ernsthafte Sieg, den die Orientalen ueber den Okzident erfochten; und wohl lag auch darin ein tiefer Sinn, dass zur Feier dieses Sieges das schoenste Erzeugnis der okzidentalischen Welt, die griechische Tragoedie, durch ihre herabgekommenen Vertreter in jener grausigen Groteske sich selber parodierte. Das roemische Buergertum und der Genius von Hellas fingen gleichzeitig an, sich auf die Ketten des Sultanismus zu schicken.
Die Katastrophe, entsetzlich an sich, schien auch in ihren Folgen furchtbar zu werden und die Grundfesten der roemischen Macht im Osten erschuettern zu sollen. Es war das wenigste, dass jetzt die Parther. jenseits des Euphrat unbeschraenkt schalteten, dass Armenien, nachdem es schon vor der Katastrophe des Crassus vom roemischen Buendnis abgefallen war, durch dieselbe ganz in parthische Klientel geriet, dass den treuen Buergern von Karrhae durch den von den Parthern ihnen gesetzten neuen Herrn, einen der verraeterischen Wegweiser der Roemer namens Andromachos, ihre Anhaenglichkeit an die Okzidentalen bitter vergolten ward. Allen Ernstes schickten die Parther sich an, nun ihrerseits die Euphratgrenze zu ueberschreiten und im Verein mit den Armeniern und den Arabern die Roemer aus Syrien zu vertreiben. Die Juden und andere Orientalen mehr harrten hier der Erloesung von der roemischen Herrschaft nicht minder ungeduldig, wie die Hellenen jenseits des Euphrat der Erloesung von der parthischen; in Rom stand der Buergerkrieg vor der Tuer; der Angriff ebenhier und ebenjetzt war eine schwere Gefahr. Allein zum Gluecke Roms hatten auf beiden Seiten die Fuehrer gewechselt. Sultan Orodes verdankte dem heldenmuetigen Fuersten, der ihm erst die Krone aufgesetzt und dann das Land von den Feinden gesaeubert hatte, zu viel, um sich seiner nicht baldmoeglichst durch den Henker zu entledigen. Seinen Platz als Oberfeldherr der nach Syrien bestimmten Invasionsarmee fuellte ein Prinz aus, des Koenigs Sohn Pakoros, dem seiner Jugend und Unerfahrenheit wegen der Fuerst Osakes als militaerischer Ratgeber beigegeben werden musste. Andererseits uebernahm an Crassus’ Stelle das Kommando in Syrien interimistisch der besonnene und entschlossene Quaestor Gaius Cassius. Da die Parther, ebenwie frueher Crassus, den Angriff nicht beeilten, sondern in den Jahren 701 (53) und 702 (52) nur schwache, leicht zurueckgeworfene Streifscharen ueber den Euphrat sandten, so behielt Cassius Zeit, das Heer einigermassen zu reorganisieren und die Juden, die die Erbitterung ueber die von Crassus veruebte Spoliation des Tempels schon jetzt unter die Waffen getrieben hatte, mit Hilfe des treuen Anhaengers der Roemer, Herodos Antipatros, zum Gehorsam zurueckzubringen. Die roemische Regierung haette also volle Zeit gehabt, zur Verteidigung dar bedrohten Grenze frische Truppen zu senden; allein es unterblieb ueber den Konvulsionen der beginnenden Revolution, und als endlich im Jahre 703 (51) die grosse parthische Invasionsarmee am Euphrat erschien, hatte Cassius immer noch nur die zwei schwachen, aus den Truemmern der Armee des Crassus gebildeten Legionen ihr entgegenzustellen. Natuerlich konnte er damit weder den Uebergang wehren noch die Provinz verteidigen. Syrien ward von den Parthern ueberrannt und ganz Vorderasien zitterte. Allein die Parther verstanden es nicht, Staedte zu belagern. Von Antiocheia, in das Cassius mit seinen Truppen sich geworfen hatte, zogen sie nicht bloss unverrichteter Sache ab, sondern wurden auf dem Rueckzug am Orontes noch durch Cassius’ Reiterei in einen Hinterhalt gelockt und hier durch die roemische Infanterie uebel zugerichtet; Fuerst Osakes selbst war unter den Toten. Freund und Feind ward hier inne, dass die parthische Armee unter einem gewoehnlichen Feldherrn und auf einem gewoehnlichen Terrain nicht viel mehr leiste als jede andere orientalische. Indes aufgegeben war der Angriff nicht. Noch im Winter 703/04 (51/50) lagerte Pakoros in Kyrrhestike diesseits des Euphrat; und der neue Statthalter Syriens, Marcus Bibulus, ein ebenso elender Feldherr wie unfaehiger Staatsmann, wusste nichts Besseres zu tun, als sich in seine Festungen einzuschliessen. Allgemein ward erwartet, dass der Krieg im Jahre 704 (50) mit erneuter Heftigkeit ausbrechen werde. Allein statt gegen die Roemer wandte Pakoros die Waffen gegen seinen eigenen Vater und trat deshalb sogar mit dem roemischen Statthalter in Einverstaendnis. Damit war zwar weder der Fleck von dem Schilde der roemischen Ehre gewaschen noch auch Roms Ansehen im Orient wiederhergestellt, allein mit der parthischen Invasion in Vorderasien war es vorbei, und es blieb, vorlaeufig wenigstens, die Euphratgrenze erhalten.
In Rom wirbelte inzwischen der kreisende Vulkan der Revolution seine Rauchwolken sinnbetaeubend empor. Man fing an, keinen Soldaten und keinen Denar mehr gegen den Landesfeind, keinen Gedanken mehr uebrig zu haben fuer die Geschichte der Voelker. Es ist eines der entsetzlichsten Zeichen der Zeit, dass das ungeheure Nationalunglueck von Karrhae und Sinnaka den derzeitigen Politikern weit weniger zu denken und zu reden gab als jener elende Krawall auf der Appischen Strasse, in dem ein paar Monate nach Crassus der Bandenfuehrer Clodius umkam; aber es ist begreiflich und beinahe verzeihlich. Der Bruch zwischen den beiden Machthabern, lange als unvermeidlich gefuehlt und oft so nahe verkuendigt, rueckte jetzt unaufhaltsam heran. Wie in der alten griechischen Schiffersage befand sich das Fahrzeug der roemischen Gemeinde gleichsam zwischen zwei aufeinander zuschwimmenden Felsen; von Augenblick zu Augenblick den krachenden Zusammenstoss erwartend, starrten die, welche es trug, von namenloser Angst gebannt, in die hoch und hoeher strudelnde Brandung, und waehrend jedes kleinste Ruecken hier tausend Augen auf sich zog, wagte nicht eines, den Blick nach rechts oder links zu verwenden. Nachdem auf der Zusammenkunft von Luca im April 698 (36) Caesar sich Pompeius gegenueber zu ansehnlichen Konzessionen verstanden und die Machthaber damit sich wesentlich ins Gleichgewicht gesetzt hatten, fehlte es ihrem Verhaeltnis nicht an den aeusseren Bedingungen der Haltbarkeit, insoweit eine Teilung der an sich unteilbaren monarchischen Gewalt ueberhaupt haltbar sein kann. Eine andere Frage war es, ob die Machthaber, wenigstens fuer jetzt, entschlossen waren, zusammenzuhalten und gegenseitig sich ohne Hinterhalt als gleichberechtigt anzuerkennen. Dass dies bei Caesar insofern der Fall war, als er um den Preis der Gleichstellung mit Pompeius sich die zur Unterwerfung Galliens notwendige Frist erkauft hatte, ist frueher dargelegt worden. Aber Pompeius war es schwerlich jemals auch nur vorlaeufig Ernst mit der Kollegialitaet. Er war eine von den kleinlichen und gemeinen Naturen, gegen die es gefaehrlich ist, Grossmut zu ueben: seinem kleinlichen Sinn erschien es sicher als Gebot der Klugheit, dem unwillig anerkannten Nebenbuhler bei erster Gelegenheit ein Bein zu stellen, und seine gemeine Seele duerstete nach der Moeglichkeit, die durch Caesars Nachsicht erlittene Demuetigung ihm umgekehrt zu vergelten. Wenn aber Pompeius wahrscheinlich nach seiner dumpfen und traegen Natur niemals recht sich dazu verstanden hatte, Caesar neben sich gelten zu lassen, so ist doch die Absicht, das Buendnis zu sprengen, ihm wohl erst allmaehlich zum klaren Bewusstsein gelangt. Auf keinen Fall wird das Publikum, das ueberhaupt Pompeius’ An- und Absichten gewoehnlich besser durchschaute als er selbst, darin sich getaeuscht haben, dass wenigstens mit dem Tode der schoenen Julia, welche in der Bluete ihrer Jahre im Herbst 700 (54) starb und der ihr einziges Kind bald in das Grab nachfolgte, das persoenliche Verhaeltnis zwischen ihrem Vater und ihrem Gemahl geloest war. Caesar versuchte, die vom Schicksal getrennten verwandtschaftlichen Bande wiederherzustellen; er warb fuer sich um die Hand der einzigen Tochter des Pompeius und trug diesem seine jetzt naechste Verwandte, seiner Schwester Enkelin Octavia, als Gemahlin an; allein Pompeius liess seine Tochter ihrem bisherigen Gatten Faustus Sulla, dem Sohn des Regenten, und vermaehlte sich selber mit der Tochter des Quintus Metellus Scipio. Der persoenliche Bruch war unverkennbar eingetreten, und Pompeius war es, der die Hand zurueckzog. Man erwartete, dass der politische ihm auf dem Fusse folgen werde; allein hierin hatte man sich getaeuscht: in oeffentlichen Angelegenheiten blieb vorlaeufig noch ein kollegialisches Einvernehmen bestehen. Die Ursache war, dass Caesar nicht geradezu das Verhaeltnis loesen wollte, bevor Galliens Unterwerfung eine vollendete Tatsache war, Pompeius nicht, bevor durch die Uebernahme der Diktatur die Regierungsbehoerden und Italien vollstaendig in seine Gewalt gebracht sein wuerden. Es ist sonderbar, aber wohl erklaerlich, dass die Machthaber hierbei sich gegenseitig unterstuetzten; Pompeius ueberliess nach der Katastrophe von Aduatuca im Winter 700 (54) eine seiner auf Urlaub entlassenen italienischen Legionen leihweise an Caesar; andererseits gewaehrte Caesar Pompeius seine Einwilligung und seine moralische Unterstuetzung bei den Repressivmassregeln, die dieser gegen die stoerrige republikanische Opposition ergriff. Erst nachdem Pompeius auf diesem Wege im Anfang des Jahres 702 (52) sich das ungeteilte Konsulat und einen durchaus den Caesars ueberwiegenden Einfluss in der Hauptstadt verschafft und die saemtliche waffenfaehige Mannschaft in Italien den Soldateneid in seine Haende und auf seinen Namen abgeleistet hatte, fasste er den Entschluss, baldmoeglichst mit Caesar foermlich zu brechen; und die Absicht trat auch klar genug hervor. Dass die nach dem Auflauf auf der Appischen Strasse stattfindende gerichtliche Verfolgung eben Caesars alte demokratische Parteigenossen mit schonungsloser Haerte traf, konnte vielleicht noch als blosse Ungeschicklichkeit hingehen. Dass das neue Gesetz gegen die Wahlumtriebe, indem es bis 684 (70) zurueckgriff, auch die bedenklichen Vorgaenge bei Caesars Bewerbung um das Konsulat miteinschloss, mochte gleichfalls nicht mehr sein, obgleich nicht wenige Caesarianer darin eine bestimmte Absicht zu erkennen meinten. Aber auch bei dem besten Willen konnte man nicht mehr die Augen verschliessen, als Pompeius sich zum Kollegen im Konsulat nicht seinen frueheren Schwiegervater Caesar erkor, wie es der Lage des Sache entsprach und vielfach gefordert ward, sondern in seinem neuen Schwiegervater Scipio sich einen von ihm voellig abhaengigen Figuranten an die Seite setzte; noch weniger, als Pompeius sich gleichzeitig die Statthalterschaft beider Spanien auf weitere fuenf Jahre, also bis 709 (45) verlaengern und fuer die Besoldung seiner Truppen sich aus der Staatskasse eine ansehnliche feste Summe auswerfen liess, nicht nur, ohne fuer Caesar die gleiche Verlaengerung des Kommandos und die gleiche Geldbewilligung zu bedingen, sondern sogar durch die gleichzeitig ergangenen neuen Regulative ueber die Besetzung der Statthalterschaften von weitem hinarbeitend auf eine Abberufung Caesars vor dem frueher verabredeten Termin. Unverkennbar waren diese Uebergriffe darauf berechnet, Caesars Stellung zu untergraben und demnaechst ihn zu stuerzen. Der Augenblick konnte nicht guenstiger sein. Nur darum hatte Caesar in Luca Pompeius so viel eingeraeumt, weil Crassus und dessen syrische Armee bei einem etwaigen Bruch mit Pompeius notwendig in Caesars Waagschale fielen; denn auf Crassus, der seit der sullanischen Zeit mit Pompeius aufs tiefste verfeindet und fast ebensolange mit Caesar politisch und persoenlich verbuendet war, und der nach seiner Eigentuemlichkeit allenfalls, wenn er nicht selbst Koenig von Rom werden konnte, auch damit sich begnuegt haben wuerde, des neuen Koenigs von Rom Bankier zu sein, durfte Caesar ueberhaupt zaehlen und auf keinen Fall besorgen, ihn sich gegenueber als Verbuendeten seiner Feinde zu erblicken. Die Katastrophe von Juni 791 (53), in der Heer und Feldherr in Syrien zu Grunde gingen, war darum auch fuer Caesar ein furchtbar schwerer Schlag. Wenige Monate spaeter loderte in Gallien, ebenda es vollstaendig unterworfen schien, die nationale Insurrektion gewaltiger empor als je und trat zum erstenmal hier gegen Caesar ein ebenbuertiger Gegner in dem Arvernerkoenig Vercingetorix auf. Wieder einmal hatte das Geschick fuer Pompeius gearbeitet: Crassus war tot, ganz Gallien im Aufstand, Pompeius faktisch Diktator von Rom und Herr des Senats – was haette kommen moegen, wenn er jetzt, statt in weite Ferne hinein gegen Caesar zu intrigieren, kurzweg die Buergerschaft oder den Senat zwang, Caesar sofort aus Gallien abzurufen!
Aber Pompeius hat es nie verstanden, das Glueck bei der Locke zu fassen. Er kuendigte den Bruch deutlich genug an; bereits 702 (52) liessen seine Handlungen darueber keinen Zweifel und schon im Fruehjahr 703 (51) sprach er seine Absicht, mit Caesar zu brechen, unverhohlen aus; aber er brach nicht und liess ungenutzt die Monate verstreichen.
Indes wie auch Pompeius zoegerte, die Krise rueckte doch durch das Schwergewicht der Dinge selbst unaufhaltsam heran. Der bevorstehende Krieg war nicht etwa ein Kampf zwischen Republik und Monarchie – die Entscheidung darueber war bereits vor Jahren gefallen -, sondern ein Kampf um den Besitz der Krone Roms zwischen Pompeius und Caesar. Aber keiner der Praetendenten fand seine Rechnung dabei, die rechte Parole auszusprechen; er haette damit den ganzen sehr ansehnlichen Teil der Buergerschaft, der den Fortbestand der Republik wuenschte und an dessen Moeglichkeit glaubte, dem Gegner geradezu ins Lager getrieben. Die alten Schlachtrufe, wie sie Gracchus und Drusus, Cinna und Sulla angestimmt hatten, wie verbraucht und inhaltlos sie waren, blieben immer noch gut genug zum Feldgeschrei fuer den Kampf der beiden um die Alleinherrschaft ringenden Generale; und wenn auch fuer den Augenblick sowohl Pompeius wie Caesar offiziell sich zu der sogenannten Popularpartei rechneten, so konnte es doch keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass Caesar das Volk und den demokratischen Fortschritt, Pompeius die Aristokratie und die legitime Verfassung auf sein Panier schreiben werde. Caesar hatte keine Wahl. Er war von Haus aus und sehr ernstlich Demokrat, die Monarchie, wie er sie verstand, mehr aeusserlich als im Wesen selbst von dem gracchischen Volksregiment verschieden; und er war ein zu hochsinniger und zu tiefer Staatsmann, um seine Farbe zu decken und unter einem anderen als seinem eigenen Wappen zu fechten. Der unmittelbare Nutzen freilich, den dies Feldgeschrei ihm brachte, war gering; er beschraenkte in der Hauptsache sich darauf, dass er dadurch der Unbequemlichkeit ueberhoben ward, das Koenigtum beim Namen zu nennen und mit dem verfemten Worte die Masse der Lauen und die eigenen Anhaenger zu konsternieren. Positiven Gewinn trug die demokratische Fahne kaum noch ein, seit die gracchischen Ideale durch Clodius schaendlich und laecherlich geworden waren; denn wo gab es jetzt, abgesehen etwa von den Transpadanern, einen Kreis von irgendwelcher Bedeutung, der durch die Schlachtrufe der Demokratie zur Teilnahme an dem Kampfe sich haette bestimmen lassen?
Damit waere auch Pompeius’ Rolle in dem bevorstehenden Kampf entschieden gewesen, wenn nicht ohnehin schon es sich von selbst verstanden haette, dass er in denselben eintreten wusste als der Feldherr der legitimen Republik. Ihn hatte, wenn je einen, die Natur zum Glied einer Aristokratie bestimmt, und nur sehr zufaellige und sehr egoistische Motive hatten ihn als Ueberlaeufer aus dem aristokratischen in das demokratische Lager gefuehrt. Dass er jetzt wieder auf seine sullanischen Traditionen zurueckkam, war nicht bloss sachgemaess, sondern in jeder Beziehung von wesentlichem Nutzen. So verbraucht das demokratische Feldgeschrei war, von so gewaltiger Wirkung wusste das konservative sein, wenn es von dem rechten Mann ausging. Vielleicht die Majoritaet, auf jeden Fall der Kern der Buergerschaft, gehoerte der verfassungstreuen Partei an, und ihrer numerischen und moralischen Staerke nach war dieselbe wohl berufen, in dem bevorstehenden Praetendentenkampf in maechtiger, vielleicht in entscheidender Weise zu intervenieren. Es fehlte ihr nichts als ein Fuehrer. Marcus Cato, ihr gegenwaertiges Haupt, tat als Vormann seine Schuldigkeit, wie er sie verstand, unter taeglicher Lebensgefahr und vielleicht ohne Hoffnung auf Erfolg; seine Pflichttreue ist achtbar, aber der letzte auf einem verlorenen Posten zu sein, ist Soldaten-, nicht Feldherrnlob. Die gewaltige Reserve, die der Partei der gestuerzten Regierung wie von selber in Italien erwachsen war, wusste er weder zu organisieren noch rechtzeitig in den Kampf zu ziehen; und, worauf am Ende alles ankam, die militaerische Fuehrung hat er aus guten Gruenden niemals in Anspruch genommen. Wenn anstatt dieses Mannes, der weder Parteihaupt noch General zu sein verstand, ein Mann von Pompeius’ politischer und militaerischer Bedeutung das Banner der bestehenden Verfassung erhob, so stroemten notwendig die Munizipalen Italiens haufenweise demselben zu, um darunter, zwar nicht fuer den Koenig Pompeius, aber doch gegen den Koenig Caesar fechten zu helfen. Hierzu kam ein anderes, wenigstens ebenso wichtiges Moment. Es war Pompeius’ Art, selbst wenn er sich entschlossen hatte, nicht den Weg zur Ausfuehrung seines Entschlusses finden zu koennen. Wenn er den Krieg vielleicht zu fuehren, aber gewiss nicht zu erklaeren verstand, so war die catonische Partei sicher unfaehig, ihn zu fuehren, aber sehr faehig und vor allem sehr bereit gegen die in der Gruendung begriffene Monarchie den Krieg zu motivieren. Nach Pompeius’ Absicht sollte, waehrend er selbst sich beiseite hielt und in seiner Art bald davon redete demnaechst in seine spanischen Provinzen abgehen zu wollen, bald zur Uebernahme des Kommandos am Euphrat sich reisefertig machte, die legitime Regierungsbehoerde, das heisst der Senat, mit Caesar brechen, ihm den Krieg erklaeren und mit dessen Fuehrung Pompeius beauftragen, der dann, dem allgemeinen Verlangen nachgebend, als Beschuetzer der Verfassung gegen demagogisch-monarchische Wuehlereien, als rechtlicher Mann und Soldat der bestehenden Ordnung gegen die Wuestlinge und Anarchisten, als wohlbestallter Feldherr der Kurie gegen den Imperator von der Gasse aufzutreten und wieder einmal das Vaterland zu retten gedachte. Also gewann Pompeius durch die Allianz mit den Konservativen, teils zu seinen persoenlichen Anhaengern eine zweite Armee, teils ein angemessenes Kriegsmanifest – Vorteile, die allerdings erkauft wurden um den hohen Preis des Zusammengehens mit prinzipiellen Gegnern. Von den unzaehligen Uebelstaenden, die in dieser Koalition lagen, entwickelte sich vorlaeufig nur erst der eine, aber bereits sehr ernste, dass Pompeius es aus der Hand gab, wann und wie es ihm gefiel, gegen Caesar loszuschlagen, und in diesem entscheidenden Punkte sich abhaengig machte von allen Zufaelligkeiten und Launen einer aristokratischen Korporation.
So ward also die republikanische Opposition, nachdem sie sich Jahre lang mit der Zuschauerrolle hatte begnuegen muessen und kaum hatte wagen duerfen zu pfeifen, jetzt durch den bevorstehenden Bruch der Machthaber wieder auf die politische Schaubuehne zurueckgefuehrt. Es war dies zunaechst der Kreis, der in Cato seinen Mittelpunkt fand, diejenigen Republikaner, die den Kampf fuer die Republik und gegen die Monarchie unter allen Umstaenden und je eher desto lieber zu wagen entschlossen waren. Der klaegliche Ausgang des im Jahre 698 (56) gemachten Versuchs hatte sie belehrt, dass sie fuer sich allein den Krieg weder zu fuehren noch auch nur hervorzurufen imstande waren; maenniglich war es bekannt, dass selbst in dem Senat zwar die ganze Koerperschaft mit wenigen vereinzelten Ausnahmen der Monarchie abgeneigt war, allein die Majoritaet doch das oligarchische Regiment nur dann restaurieren wollte, wenn es ohne Gefahr sich restaurieren liess, womit es denn freilich gute Weile hatte. Gegenueber einesteils den Machthabern, andernteils dieser schlaffen Majoritaet, die vor allen Dingen und um jeden Preis Frieden verlangte und jedem entschiedenen Handeln, am meisten einem entschiedenen Bruch mit dem einen oder dem anderen der Machthaber abgeneigt war, lag fuer die Catonische Partei die einzige Moeglichkeit, zu einer Restauration des alten Regiments zu gelangen, in der Koalition mit dem minder gefaehrlichen der Herrscher. Wenn Pompeius sich zu der oligarchischen Verfassung bekannte und fuer sie gegen Caesar zu streiten sich erbot, so konnte und musste die republikanische Opposition ihn als ihren Feldherrn anerkennen und mit ihm im Bunde die furchtsame Majoritaet zur Kriegserklaerung zwingen. Dass es Pompeius mit seiner Verfassungstreue nicht voller Ernst war, konnte zwar niemand entgehen; aber halb, wie er in allem war, war es ihm doch auch keineswegs so wie Caesar zum deutlichen und sicheren Bewusstsein gekommen, dass es das erste Geschaeft des neuen Monarchen sein muesse, mit dem oligarchischen Geruempel gruendlich und abschliessend aufzuraeumen. Auf alle Faelle bildete der Krieg ein wirklich republikanisches Heer und wirklich republikanische Feldherren heran, und es konnte dann, nach dem Siege ueber Caesar, unter guenstigeren Aussichten dazu geschritten werden, nicht bloss einen der Monarchen, sondern die im Werden begriffene Monarchie selbst zu beseitigen. Verzweifelt wie die Sache der Oligarchie stand, war das Anerbieten des Pompeius, mit ihr sich zu verbuenden, fuer sie die moeglichst guenstige Fuegung.
Der Abschluss der Allianz zwischen Pompeius und der catonischen Partei erfolgte verhaeltnismaessig rasch. Schon waehrend Pompeius’ Diktatur hatte beiderseits eine bemerkenswerte Annaeherung stattgefunden. Pompeius ganzes Verhalten in der Milonischen Krise, seine schroffe Zurueckweisung des die Diktatur ihm antragenden Poebels, seine bestimmte Erklaerung, nur vom Senat dies Amt annehmen zu wollen, seine unnachsichtige Strenge gegen die Ruhestoerer jeder Art und namentlich gegen die Ultrademokraten, die auffallende Zuvorkommenheit, womit er Cato und dessen Gesinnungsgenossen behandelte, schienen ebenso darauf berechnet, die Maenner der Ordnung zu gewinnen, wie sie fuer den Demokraten Caesar beleidigend waren. Andererseits hatten auch Cato und seine Getreuen den Antrag, Pompeius die Diktatur zu uebertragen, statt ihn mit gewohntem Rigorismus zu bekaempfen, unter unwesentlichen Formaenderungen zu dem ihrigen gemacht; zunaechst aus den Haenden des Bibulus und Cato hatte Pompeius das ungeteilte Konsulat empfangen. Wenn so schon zu Anfang des Jahres 702 (52) die Catonische Partei und Pompeius wenigstens stillschweigend sich verstanden, so durfte das Buendnis als foermlich abgeschlossen gelten, als bei den Konsulwahlen fuer 703 (51) zwar nicht Cato selbst gewaehlt ward, aber doch neben einem unbedeutenden Manne der Senatsmajoritaet einer der entschiedensten Anhaenger Catos, Marcus Claudius Marcellus. Marcellus war kein stuermischer Eiferer und noch weniger ein Genie, aber ein charakterfester und strenger Aristokrat, eben der rechte Mann, um, wenn mit Caesar der Krieg begonnen werden sollte, denselben zu erklaeren. Wie die Verhaeltnisse lagen, kann diese nach den unmittelbar vorher gegen die republikanische Opposition ergriffenen Repressivmassregeln so auffallende Wahl kaum anders erfolgt sein als mit Einwilligung oder wenigstens unter stillschweigender Zulassung des derzeitigen Machthabers von Rom. Langsam und schwerfaellig, wie er pflegte, aber unverwandt schritt Pompeius auf den Bruch zu.
In Caesars Absicht lag es dagegen nicht, in diesem Augenblicke mit Pompeius sich zu ueberwerfen. Zwar ernstlich und auf die Dauer konnte er die Herrschergewalt mit keinem Kollegen teilen wollen, am wenigsten mit einem so untergeordneter Art, wie Pompeius war, und ohne Zweifel war er laengst entschlossen, nach Beendigung der gallischen Eroberung die Alleinherrschaft fuer sich zu nehmen und noetigenfalls mit den Waffen zu erzwingen. Allein ein Mann wie Caesar, in dem der Offizier durchaus dem Staatsmann untergeordnet war, konnte nicht verkennen, dass die Regulierung des staatlichen Organismus durch Waffengewalt denselben in ihren Folgen tief und oft fuer immer zerruettet, und musste darum, wenn irgend moeglich, die Verwicklung durch friedliche Mittel oder wenigstens ohne offenbaren Buergerkrieg zu loesen suchen. War aber dennoch der Buergerkrieg nicht zu vermeiden, so konnte er doch nicht wuenschen, jetzt dazu gedraengt zu werden, wo in Gallien der Aufstand des Vercingetorix eben alles Erreichte aufs neue in Frage stellte und ihn vom Winter 701/02 (53/52) bis zum Winter 702/03 (52/51) unausgesetzt beschaeftigte, wo Pompeius und die grundsaetzlich ihm feindliche Verfassungspartei in Italien geboten. Darum suchte er das Verhaeltnis mit Pompeius und damit den Frieden aufrecht zu halten und, wenn irgend moeglich, in friedlicher Weise zu dem bereits in Luca ihm zugesicherten Konsulat fuer 706 (48) zu gelangen. Ward er alsdann nach abschliessender Erledigung der keltischen Angelegenheiten in ordnungsgemaesser Weise an die Spitze des Staates gestellt, so konnte er, der dem Staatsmann Pompeius noch weit entschiedener ueberlegen war als dem Feldherrn, wohl darauf rechnen, ohne besondere Schwierigkeit diesen in der Kurie und auf dem Forum auszumanoevrieren. Vielleicht war es moeglich, fuer seinen schwerfaelligen, unklaren und hoffaertigen Nebenbuhler irgendeine ehrenvolle und einflussreiche Stellung zu ermitteln, in der dieser sich zu annullieren zufrieden war; die wiederholten Versuche Caesars, sich mit Pompeius verschwaegert zu halten, mochten darauf abzielen, eine solche Loesung anzubahnen und in der Sukzession der aus beider Nebenbuhler Blut herstammenden Sproesslinge die letzte Schlichtung des alten Haders herbeizufuehren. Die republikanische Opposition blieb dann fuehrerlos, also wahrscheinlich ebenfalls ruhig und der Friede ward erhalten. Gelang dies nicht und mussten, wie es allerdings wahrscheinlich war, schliesslich die Waffen entscheiden, so verfuegte dann Caesar als Konsul in Rom ueber die gehorsame Senatsmajoritaet und konnte die Koalition der Pompeianer und der Republikaner erschweren, ja vielleicht vereiteln und den Krieg weit schicklicher und vorteilhafter fuehren, als wenn er jetzt als Prokonsul von Gallien gegen den Senat und dessen Feldherrn marschieren liess. Allerdings hing das Gelingen dieses Planes davon ab, dass Pompeius gutmuetig genug war, jetzt noch Caesar zu dem ihm in Luca zugesicherten Konsulat fuer 706 (48) gelangen zu lassen; aber selbst wenn er fehlschlug, war es fuer Caesar immer noch nuetzlich, die groesste Nachgiebigkeit tatsaechlich und wiederholt zu dokumentieren. Teils ward dadurch Zeit gewonnen, um inzwischen im Keltenland zum Ziele zu kommen, teils blieb den Gegnern die gehaessige Initiative des Bruches und also des Buergerkriegs, was sowohl der Senatsmajoritaet und der Partei der materiellen Interessen, also auch namentlich den eigenen Soldaten gegenueber fuer Caesar vom groessten Belang war.
Hiernach handelte er. Er ruestete freilich: durch neue Aushebungen im Winter 702/03 (52/51) stieg die Zahl seiner Legionen, einschliesslich der von Pompeius entlehnten, auf elf. Aber zugleich billigte er ausdruecklich und oeffentlich Pompeius’ Verhalten waehrend der Diktatur und die durch ihn bewirkte Wiederherstellung der Ordnung in der Hauptstadt, wies die Warnungen geschaeftiger Freunde als Verleumdungen zurueck, rechnete jeden Tag, um den es gelang, die Katastrophe zu verzoegern, sich zum Gewinn, uebersah, was sich uebersehen liess, und ertrug, was ertragen werden konnte, unerschuetterlich festhaltend nur an der einen und entscheidenden Forderung, dass, wenn mit dem Jahre 705 (49) seine Statthalterschaft zu Ende ging, das nach republikanischem Staatsrecht zulaessige, von seinem Kollegen vertragsmaessig zugestandene zweite Konsulat fuer das Jahr 706 (48) ihm zuteil werde. Ebendies wurde das Schlachtfeld des jetzt beginnenden diplomatischen Krieges. Wenn Caesar genoetigt wurde, entweder sein Statthalteramt vor dem letzten Dezember 705 (49) niederzulegen oder die Uebernahme des hauptstaedtischen Amtes ueber den 1. Januar 706 (48) hinauszuschieben, er also eine Zeitlang zwischen Statthalterschaft und Konsulat ohne Amt, folglich der – nach roemischem Recht nur gegen den amtlosen Mann zulaessigen – Kriminalanklage ausgesetzt blieb, so hatte, da Cato laengst bereit stand, ihn peinlich zu belangen, und da Pompeius ein mehr als zweifelhafter Beschuetzer war, das Publikum guten Grund, ihm in diesem Fall das Schicksal Milos zu prophezeien. Um aber jenes zu erreichen, gab es fuer Caesars Gegner ein sehr einfaches Mittel. Nach der bestehenden Wahlordnung war jeder Bewerber um das Konsulat verpflichtet, vor der Wahl, also ein halbes Jahr vor dem Amtsantritt, sich persoenlich bei dem wahlleitenden Beamten zu melden und die Einzeichnung seines Namens in die offizielle Kandidatenliste zu bewirken. Es mag bei den Vertraegen von Luca als selbstverstaendlich angesehen worden sein, dass Caesar von dieser rein formellen und sehr oft den Kandidaten erlassenen Verpflichtung dispensiert werde; allein das desfaellige Dekret war noch nicht ergangen, und da Pompeius jetzt im Besitz der Dekretiermaschine war, hing Caesar in dieser Hinsicht von dem guten Willen seines Nebenbuhlers ab. Unbegreiflicherweise gab Pompeius diese vollkommen sichere Stellung freiwillig auf; mit seiner Einwilligung und waehrend seiner Diktatur 702 (52) ward durch ein tribunizisches Gesetz Caesar die persoenliche Meldung erlassen. Als indes bald darauf die neue Wahlordnung erging, war darin die Verpflichtung der Kandidaten, persoenlich sich einschreiben zu lassen, allgemein wiederholt und keinerlei Ausnahme zu Gunsten der durch aeltere Volksschluesse davon Entbundenen hinzugefuegt; nach formellem Recht war das zu Gunsten Caesars ergangene Privileg durch das juengere allgemeine Gesetz aufgehoben. Caesar beschwerte sich, und die Klausel wurde auch nachgetragen, aber nicht durch besonderen Volksschluss bestaetigt, so dass diese durch reine Interpolation dem schon promulgierten Gesetz eingefuegte Bestimmung rechtlich nur als eine Nullitaet angesehen werden konnte. Was also Pompeius einfach haette festhalten koennen, hatte er vorgezogen erst zu verschenken, sodann zurueckzunehmen und diese Zuruecknahme schliesslich in illoyalster Weise zu bemaenteln.
Wenn hiermit nur mittelbar auf Verkuerzung der Statthalterschaft Caesars hingearbeitet ward, so verfolgte dagegen das gleichzeitig ergangene Regulativ ueber die Statthalterschaften dasselbe Ziel geradezu. Die zehn Jahre, auf welche, zuletzt durch das von Pompeius selbst in Gemeinschaft mit Crassus beantragte Gesetz, Caesar die Statthalterschaft gesichert worden war, liefen nach der hierfuer ueblichen Rechnung vom 1. Maerz 695 (59) bis zum letzten Februar 705 (49). Da ferner nach der frueheren Uebung dem Prokonsul oder Propraetor das Recht zustand, unmittelbar nach Beendigung seines Konsulats oder seiner Praetur in sein Provinzialamt einzutreten, so war Caesars Nachfolger nicht aus den staedtischen Beamten des Jahres 704 (50), sondern aus denen des Jahres 705 (49) zu ernennen und konnte also nicht vor dem 1. Januar 706 (48) eintreten. Insofern hatte Caesar auch noch waehrend der letzten zehn Monate des Jahres 705 (49) ein Anrecht auf das Kommando, nicht auf Grund des Pompeisch- Licinischen Gesetzes, aber auf Grund der alten Regel, dass das befristete Kommando auch nach Ablauf der Frist bis zum Eintreffen des Nachfolgers fortdauert. Seitdem nun aber das neue Regulativ des Jahres 702 (52) nicht die abgehenden, sondern die vor fuenf Jahren oder laenger abgegangenen Konsuln und Praetoren zu den Statthalterschaften berief und also zwischen dem buergerlichen Amt und dem Kommando, statt der bisherigen unmittelbaren Aufeinanderfolge, ein Intervall vorschrieb, war nichts mehr im Wege, jede gesetzlich erledigte Statthalterschaft sofort anderweitig zu besetzen, also in dem gegebenen Falle fuer die gallischen Provinzen den Kommandowechsel statt am 1. Januar 706 (48) vielmehr am 1. Maerz 705 (49) herbeizufuehren. Pompeius’ kuemmerliche Hinterhaeltigkeit und zoegernde Tuecke sind in diesen Veranstaltungen in merkwuerdiger Weise gemischt mit dem knifflichen Formalismus und der konstitutionellen Gelehrsamkeit der Verfassungspartei. Jahre zuvor, ehe diese staatsrechtlichen Waffen gebraucht werden konnten, legte man sie sich zurecht und setzte sich in die Verfassung, teils Caesar vor dem Tage, wo die durch Pompeius’ eigenes Gesetz ihm zugesicherte Frist zu Ende lief, also vom 1. Maerz 705 (49) an, durch Sendung der Nachfolger zur Niederlegung des Kommandos noetigen, teils die bei den Wahlen fuer 706 (48) auf ihn lautenden Stimmtafeln als nichtige behandeln zu koennen. Caesar, nicht in der Lage, diese Schachzuege zu hindern, schwieg dazu und liess die Dinge an sich kommen. Allgemach rueckte denn der verfassungsmaessige Schneckengang weiter. Nach der Observanz hatte der Senat ueber die Statthalterschaften des Jahres 705 (49), insofern sie an gewesene Konsuln kamen, zu Anfang des Jahres 703 (51), insofern sie an gewesene Praetoren kamen, zu Anfang des Jahres 704 (50) zu beraten; jene erstere Beratung gab den ersten Anlass, die Ernennung von neuen Statthaltern fuer beide Gallien im Senat zur Sprache zu bringen und damit den ersten Anlass zu offener Kollision zwischen der von Pompeius vorgeschobenen Verfassungspartei und den Vertretern Caesars im Senat. Der Konsul Marcus Marcellus brachte den Antrag ein, den beiden fuer 705 (49) mit Statthalterschaften auszustattenden Konsularen die beiden bisher von dem Prokonsul Gaius Caesar verwalteten vom 1. Maerz jenes Jahres an zu ueberweisen. Die lange zurueckgehaltene Erbitterung brach im Strom durch die einmal aufgezogene Schleuse; es kam bei diesen Unterhandlungen alles zur Sprache, was die Catonianer gegen Caesar im Sinn trugen. Fuer sie stand es fest, dass das durch Ausnahmegesetz dem Prokonsul Caesar gestattete Recht, sich abwesend zur Konsulwahl zu melden, durch spaeteren Volksschluss wieder aufgehoben, auch in diesem nicht in gueltiger Weise vorbehalten sei. Der Senat sollte ihrer Meinung nach diesen Beamten veranlassen, da die Unterwerfung Galliens beendigt sei, die ausgedienten Soldaten sofort zu verabschieden. Die von Caesar in Oberitalien vorgenommenen Buergerrechtsverleihungen und Koloniegruendungen wurden von ihnen als verfassungswidrig und nichtig bezeichnet; davon zu weiterer Verdeutlichung verhaengte Marcellus ueber einen angesehenen Ratsherrn der Caesarischen Kolonie Comum, der, selbst wenn diesem Ort nicht Buerger-, sondern nur latinisches Recht zukam, befugt war, das roemische Buergerrecht in Anspruch zu nehmen, die nur gegen Nichtbuerger zulaessige Strafe des Auspeitschens. Caesars derzeitige Vertreter, unter denen Gaius Vibius Pansa, der Sohn eines von Sulla geaechteten Mannes, aber dennoch in die politische Laufbahn gelangt, frueher Offizier in Caesars Heer und in diesem Jahre Volkstribun, der namhafteste war, machten im Senat geltend, dass sowohl der Stand der Dinge in Gallien als auch die Billigkeit erfordere, nicht nur Caesar nicht vor der Zeit abzurufen, sondern vielmehr ihm das Kommando neben dem Konsulat zu lassen; sie wiesen ohne Zweifel darauf hin, dass vor wenigen Jahren Pompeius ganz ebenso die spanischen Statthalterschaften mit dem Konsulat vereinigt habe und noch gegenwaertig, ausser dem wichtigen Oberaufsichtsamt ueber das hauptstaedtische Verpflegungswesen, mit dem spanischen Oberkommando das von Italien kumuliere, ja dessen saemtliche waffenfaehige Mannschaft von ihm eingeschworen und ihres Eides noch nicht entbunden sei.
Der Prozess fing an sich zu formulieren, aber er kam darum nicht in rascheren Gang. Die Majoritaet des Senats, den Bruch kommen sehend, liess es Monate lang zu keiner beschlussfaehigen Sitzung kommen; und wieder andere Monate gingen ueber Pompeius’ feierlichem Zaudern verloren. Endlich brach dieser das Schweigen und stellte sich zwar wie immer in rueckhaltiger und unsicherer Weise, doch deutlich genug, gegen seinen bisherigen Verbuendeten auf die Seite der Verfassungspartei. Die Forderung der Caesarianer, ihrem Herrn die Kumulierung des Konsulats mit dem Prokonsulat zu gestatten, wies er kurz und schroff von der Hand; dies Verlangen, fuegte er mit plumper Grobheit hinzu, komme ihm nicht besser vor, als wenn der Sohn dem Vater Stockschlaege anbiete. Dem Antrag des Marcellus stimmte er im Prinzip insofern bei, als auch er erklaerte, Caesar den unmittelbaren Anschluss des Konsulats an das Prokonsulat nicht erlauben zu wollen. Indes liess er durchblicken, ohne doch hierueber sich bindend zu erklaeren, dass man die Zulassung zu den Wahlen fuer 706 (48) unter Beseitigung der persoenlichen Meldung sowie die Fortfuehrung der Statthalterschaft bis zum 13. November 705 (49) aeussersten Falls Caesar vielleicht gestatten werde. Zunaechst aber willigte der unverbesserliche Zauderer in die Vertagung der Nachfolgerernennung bis nach dem letzten Februar 704 (50), was von Caesars Wortfuehrern verlangt ward, wahrscheinlich auf Grund einer Klausel des Pompeisch-Licinischen Gesetzes, welche vor dem Anfang von Caesars letztem Statthalterjahr jede Verhandlung des Senats ueber die Nachfolgerernennung untersagte.
In diesem Sinne fielen denn die Beschluesse des Senats aus (29. September 703 51). Die Besetzung der gallischen Statthalterschaften ward fuer den 1. Maerz 704 (50) auf die Tagesordnung gebracht, schon jetzt aber die Sprengung der Armee Caesars, aehnlich wie es einst durch Volksschluss mit dem Heere des Lucullus geschehen war, in der Art in die Hand genommen, dass die Veteranen desselben veranlasst wurden, sich wegen ihrer Verabschiedung an den Senat zu wenden. Caesars Vertreter bewirkten zwar, soweit sie verfassungsmaessig es konnten, die Kassation dieser Beschluesse durch ihr tribunizisches Veto; allein Pompeius sprach sehr bestimmt aus, dass die Beamten verpflichtet seien, dem Staat unbedingt zu gehorchen und Interzessionen und aehnliche antiquierte Formalitaeten hierin nichts aendern wuerden. Die oligarchische Partei, zu deren Organ Pompeius jetzt sich machte, verriet nicht undeutlich die Absicht, nach einem allfaelligen Siege die Verfassung in ihrem Sinn zu revidieren und alles zu beseitigen, was wie Volksfreiheit auch nur aussah; wie sie denn auch, ohne Zweifel aus diesem Grunde, es unterliess, bei ihren gegen Caesar gerichteten Angriffen sich irgendwie der Komitien zu bedienen. Die Koalition zwischen Pompeius und der Verfassungspartei war also foermlich erklaert, auch ueber Caesar das Urteil offenbar bereits gefaellt und nur der Termin der Eroeffnung verschoben. Die Wahlen fuer das folgende Jahr fielen durchgaengig gegen ihn aus. Waehrend dieser kriegsvorbereitenden Parteimanoever der Gegner war es Caesar gelungen, mit der gallischen Insurrektion fertigzuwerden und in dem ganzen unterworfenen Gebiet den Friedensstand herzustellen. Schon im Sommer 703 (51) zog er, unter dem schicklichen Vorwand der Grenzverteidigung, aber offenbar zum Zeichen dessen, dass die Legionen in Gallien jetzt anfingen entbehrt werden zu koennen, eine derselben nach Norditalien. Er musste, wenn nicht frueher, jedenfalls wohl jetzt erkennen, dass es ihm nicht erspart bleiben werde, das Schwert gegen seine Mitbuerger zu ziehen; allein nichtsdestoweniger suchte er, da es hoechst wuenschenswert war, die Legionen noch eine Zeitlang in dem kaum beschwichtigten Gallien zu lassen, auch jetzt noch zu zoegern und gab, wohl bekannt mit der extremen Friedensliebe der Senatsmajoritaet, die Hoffnung nicht auf, sie ungeachtet des von Pompeius auf sie ausgeuebten Druckes von der Kriegserklaerung noch zurueckzuhalten. Selbst grosse Opfer scheute er nicht, um nur fuer jetzt nicht mit der obersten Regierungsbehoerde in offenen Widerspruch zu geraten. Als der Senat (Fruehling 704 50) auf Betrieb des Pompeius sowohl an diesen wie an Caesar das Ansuchen stellte, je eine Legion fuer den bevorstehenden Parthischen Krieg abzugeben, und als in Gemaessheit dieses Beschlusses Pompeius die vor mehreren Jahren an Caesar ueberlassene Legion von diesem zurueckverlangte, um sie nach Syrien einzuschiffen, kam Caesar der zwiefachen Aufforderung nach, da an sich weder die Opportunitaet dieses Senatsbeschlusses noch die Berechtigung der Forderung des Pompeius sich bestreiten liess und Caesar an der Einhaltung der Schranken des Gesetzes und der formalen Loyalitaet mehr gelegen war als an einigen tausend Soldaten mehr. Die beiden Legionen kamen ohne Verzug und stellten sich der Regierung zur Verfuegung, aber statt sie an den Euphrat zu senden, hielt diese sie in Capua fuer Pompeius in Bereitschaft, und das Publikum hatte wieder einmal Gelegenheit, Caesars offenkundige Bemuehungen, den Bruch abzuwenden, mit der perfiden Kriegsvorbereitung der Gegner zu vergleichen. Fuer die Verhandlungen mit dem Senat war es Caesar gelungen, nicht nur den einen der beiden Konsuln des Jahres, Lucius Aemilius Paullus, zu erkaufen, sondern vor allem den Volkstribun Gaius Curio, wahrscheinlich das eminenteste unter den vielen liederlichen Genies dieser Epoche ^2: unuebertroffen an vornehmer Eleganz, an fliessender und geistreicher Rede, an Intrigengeschick und an jener Tatkraft, welche bei energisch angelegten, aber verlotterten Charakteren in den Pausen des Muessiggangs nur um so maechtiger sich regt; aber auch unuebertroffen in wuester Wirtschaft, im Borgtalent – man schlug seine Schulden auf 60 Mill. Sesterzen (4´ Mill. Taler) an – und in sittlicher wie politischer Grundsatzlosigkeit. Schon frueher hatte er Caesar sich zu Kauf angetragen und war abgewiesen worden: das Talent, das er seitdem in seinen Angriffen auf Caesar entwickelt hatte, bestimmte diesen, ihn nachtraeglich zu erstehen – der Preis war hoch, aber die Ware war es wert. Curio hatte in den ersten Monaten seines Volkstribunats den unabhaengigen Republikaner gespielt und als solcher sowohl gegen Caesar wie gegen Pompeius gedonnert. Die anscheinend unparteiische Stellung, die dies ihm gab, benutzte er mit seltener Gewandtheit, um, als im Maerz 704 (50) der Antrag ueber die Besetzung der gallischen Statthalterschaften fuer das naechste Jahr aufs neue im Senat zur Verhandlung kam, diesem Beschlusse vollstaendig beizupflichten, aber die gleichzeitige Ausdehnung desselben auch auf Pompeius und dessen ausserordentliche Kommandos zu verlangen. Seine Auseinandersetzung, dass ein verfassungsmaessiger Zustand sich nur durch Beseitigung saemtlicher Ausnahmestellungen herbeifuehren lasse, dass Pompeius, als nur vom Senat mit dem Prokonsulat betraut, noch viel weniger als Caesar demselben den Gehorsam verweigern koenne, dass die einseitige Beseitigung des einen der beiden Generaele die Gefahr fuer die Verfassung nur steigere, leuchtete den politischen Halbweisen wie dem grossen Publikum vollkommen ein, und Curios Erklaerung, dass er jedes einseitige Vorschreiten gegen Caesar durch das verfassungsmaessig ihm zustehende Veto zu verhindern gedenke, fand in und ausser dem Senat vielfach Billigung. Caesar erklaerte sich mit Curios Vorschlag sofort einverstanden und erbot sich, Statthalterschaft und Kommando jeden Augenblick auf Anforderndes Senats niederzulegen, wofern Pompeius das gleiche tue; er durfte es, denn ohne sein italisch-spanisches Kommando war Pompeius nicht laenger furchtbar. Dagegen konnte Pompeius eben deswegen nicht umhin sich zu weigern; seine Erwiderung, dass Caesar zuerst niederlegen muesse und er dem gegebenen Beispiel bald zu folgen gedenke, befriedigte um so weniger, als er nicht einmal einen bestimmten Termin fuer seinen Ruecktritt ansetzte. Wieder stockte Monate lang die Entscheidung; Pompeius und die Catonianer, die bedenkliche Stimmung der Senatsmajoritaet erkennend, wagten es nicht, Curios Antrag zur Abstimmung zu bringen. Caesar benutzte den Sommer, um den Friedensstand in den von ihm eroberten Landschaften zu konstatieren, an der Schelde eine grosse Heerschau ueber seine Truppen und durch die ihm voellig ergebene norditalische Statthalterschaft einen Triumphzug zu halten; der Herbst fand ihn in der suedlichen Grenzstadt seiner Provinz, in Ravenna. Die nicht laenger zu verzoegernde Abstimmung ueber Curios Antrag fand endlich statt und konstatierte die Niederlage der Partei des Pompeius und Cato in ihrem ganzen Umfang. Mit 370 gegen 30 Stimmen beschloss der Senat, dass die Prokonsuln von Spanien und Gallien beide aufzufordern seien, ihre Aemter zugleich niederzulegen; und mit grenzenlosem Jubel vernahmen die guten Buerger von Rom die frohe Botschaft von Curios rettender Tat. Pompeius ward also vom Senat nicht minder abberufen als Caesar, und waehrend Caesar bereit stand, dem Befehl nachzukommen, verweigerte Pompeius geradezu den Gehorsam. Der vorsitzende Konsul Gaius Marcellus, des Marcus Marcellus Vetter und gleich diesem zur Catonischen Partei gehoerig, hielt der servilen Majoritaet eine bittere Strafpredigt; und aergerlich war es freilich, so im eigenen Lager geschlagen zu werden und geschlagen mittels der Phalanx der Memmen. Aber wo sollte der Sieg auch herkommen unter einem Fuehrer, der, statt kurz und bestimmt den Senatoren seine Befehle zu diktieren, sich auf seine alten Tage bei einem Professor der Redekunst zum zweitenmal in die Lehre begab, um dem jugendfrischen glaenzenden Talente Curios mit neu aufpolierter Eloquenz zu begegnen? ———————————————————– ^2 homo ingeniosissime nequam (Vell, 2, 48). ———————————————————– Die im Senat geschlagene Koalition war in der peinlichsten Lage. Die Catonische Fraktion hatte es uebernommen, die Dinge zum Bruche zu treiben und den Senat mit sich fortzureissen und sah nun in der aergerlichsten Weise ihr Fahrzeug auf den Sandbaenken der schlaffen Majoritaet stranden. Von Pompeius mussten ihre Fuehrer in den Konferenzen die bittersten Vorwuerfe hoeren; er wies mit Nachdruck und mit vollem Recht auf die Gefahren des Scheinfriedens hin, und wenn es auch nur an ihm selber lag den Knoten durch eine rasche Tat zu durchhauen, so wussten seine Verbuendeten doch sehr wohl, dass sie diese von ihm nimmermehr erwarten durften und dass es an ihnen war, wie sie es zugesagt, ein Ende zu machen. Nachdem die Vorfechter der Verfassung und des Senatsregiments bereits frueher die verfassungsmaessigen Rechte der Buergerschaft und der Volkstribune fuer inhaltlose Formalitaeten erklaert hatten, sahen sie sich jetzt in die Notwendigkeit versetzt, die verfassungsmaessigen Entscheidungen des Senats selbst in aehnlicher Weise zu behandeln und, da die legitime Regierung nicht mit ihrem Willen sich wollte retten lassen, sie wider ihren Willen zu erretten. Es war das weder neu noch zufaellig; in ganz aehnlicher Weise wie jetzt Cato und die Seinen hatten auch Sulla und Lucullus jeden im rechten Interesse der Regierung gefassten energischen Entschluss derselben ueber den Kopf nehmen zu muessen: die Verfassungsmaschine war eben vollstaendig abgenutzt, und wie seit Jahrhunderten die Komitien, so jetzt auch der Senat nichts als ein lahmes, aus dem Geleise weichendes Rad.
Es ging die Rede (Oktober 704 50), dass Caesar vier Legionen aus dem Jenseitigen in das Diesseitige Gallien gezogen und bei Placentia aufgestellt habe. Obwohl diese Truppenverlegung an sich in den Befugnissen des Statthalters lag, Curio ueberdies die vollstaendige Grundlosigkeit des Geruechts im Senat handgreiflich dartat und die Kurie den Antrag des Konsuls Gaius Marcellus, daraufhin Pompeius Marschbefehl gegen Caesar zu erteilen, mit Mehrheit verwarf, so begab sich dennoch der genannte Konsul in Verbindung mit den beiden fuer 705 (49) erwaehlten gleichfalls zur Catonischen Partei gehoerigen Konsuln zu Pompeius, und diese drei Maenner ersuchten kraft eigener Machtvollkommenheit den General, sich an die Spitze der beiden bei Capua stehenden Legionen zu stellen und nach Ermessen die italische Wehrmannschaft unter die Waffen zu rufen. Eine formwidrigere Vollmacht zur Eroeffnung des Buergerkrieges liess schwer sich denken; allein man hatte keine Zeit mehr, auf solche Nebensachen Ruecksicht zu nehmen: Pompeius nahm sie an. Die Kriegsvorbereitungen, die Aushebungen begannen; um sie persoenlich zu foerdern, verliess Pompeius im Dezember 704 (50) die Hauptstadt.
Caesar hatte es vollstaendig erreicht, den Gegnern die Initiative des Buergerkrieges zuzuschieben. Er hatte, waehrend er selber den Rechtsboden
You may also like: