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  • 1854-1856
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Grosskoenig hatte offenbar fuer jetzt wenigstens durchaus nicht die Absicht, ihn in sein Reich zurueckzufuehren. Die roemische Emigration in Asien hatte durch die Vernichtung der aegaeischen Flotte ihre Besten eingebuesst; von den Uebriggebliebenen hatten nicht wenige, wie zum Beispiel die taetigen Fuehrer Lucius Magius und Lucius Fannius, ihren Frieden mit Lucullus gemacht, und mit dem Tode des Sertorius, der in dem Jahre der Schlacht von Kabeira umkam, schwand die letzte Hoffnung der Emigration. Die eigene Macht Mithradats war vollstaendig zerschmettert und eine nach der andern brachen ihre noch uebrigen Stuetzen zusammen: auch seine von Kreta und Spanien heimkehrenden Geschwader, siebzig Segel stark, wurden von Triarius bei der Insel Tenedos angegriffen und vernichtet; auch der Statthalter des Bosporanischen Reiches, des Koenigs eigener Sohn Machares, fiel von ihm ab und schloss als selbstaendiger Fuerst des Taurischen Chersones auf eigene Hand mit den Roemern Frieden und Freundschaft (684 70). Der Koenig selbst sass nach nicht allzuruehmlicher Gegenwehr in einem entlegenen armenischen Bergschloss, ein Fluechtling aus seinem Reiche und fast ein Gefangener seines Schwiegersohns. Mochten die Korsarenscharen noch auf Kreta sich behaupten und was aus Amisos und Sinope entkommen war, an die schwer zugaengliche Ostkueste des Schwarzen Meeres zu den Sanigen und Lazen sich retten: Lucullus’ geschickte Kriegfuehrung und seine verstaendige Maessigung, die es nicht verschmaehte, den gerechten Beschwerden der Provinzialen abzuhelfen und die reumuetigen Emigranten als Offiziere in seinem Heere anzustellen, hatte mit maessigen Opfern Kleinasien vom Feinde befreit und das Pontische Reich vernichtet, so dass dasselbe aus einem roemischen Klientelstaat in eine roemische Provinz verwandelt werden konnte. Eine Kommission des Senats ward erwartet, um in Gemeinschaft mit dem Oberfeldherrn die neue Provinzialorganisation festzustellen.
Aber noch waren die Verhaeltnisse mit Armenien nicht geschlichtet. Dass eine Kriegserklaerung der Roemer gegen Tigranes an sich gerechtfertigt, ja geboten war, wurde frueher gezeigt. Lucullus, der die Verhaeltnisse aus groesserer Naehe und mit hoeherem Sinn betrachtete als das Senatorenkollegium in Rom, erkannte deutlich die Notwendigkeit, Armenien ueber den Tigris zurueckzuweisen und die verlorene Herrschaft Roms ueber das Mittelmeer wiederherzustellen. Er zeigte in der Leitung der asiatischen Angelegenheiten sich als keinen unwuerdigen Nachfolger seines Lehrmeisters und Freundes Sulla; Philhellene wie wenige Roemer seiner Zeit, war er nicht unempfaenglich fuer die Verpflichtung, die Rom mit der Erbschaft Alexanders uebernommen hatte: Schild und Schwert der Griechen im Osten zu sein. Persoenliche Beweggruende, der Wunsch, auch jenseits des Euphrat Lorbeeren zu ernten, die Empfindlichkeit darueber, dass der Grosskoenig in einem Schreiben an ihn den Imperatorentitel weggelassen, koennen freilich Lucullus mitbestimmt haben; allein es ist ungerecht, kleinliche und egoistische Motive fuer Handlungen anzunehmen, zu deren Erklaerung die pflichtmaessigen vollkommen ausreichen. Indes von dem aengstlichen, laessigen, schlecht unterrichteten und vor allen Dingen von ewiger Finanznot bedraengten roemischen Regierungskollegium liess sich nimmermehr erwarten, dass es, ohne unmittelbar dazu genoetigt zu sein, die Initiative zu einer so weitschichtigen und kostspieligen Expedition ergreifen werde. Um das Jahr 682 (72) waren die legitimen Repraesentanten der Seleukidendynastie, Antiochos, der Asiate genannt, und dessen Bruder, veranlasst durch die guenstige Wendung des Pontischen Krieges, nach Rom gegangen, um eine roemische Intervention in Syrien und nebenbei die Anerkennung ihrer Erbansprueche auf Aegypten zu erwirken. Wenn die letztere Anforderung nicht gewaehrt werden konnte, so liessen doch der Augenblick wie die Veranlassung sich nicht guenstiger finden, um den laengst notwendigen Krieg gegen Tigranes zu beginnen. Allein der Senat hatte die Prinzen wohl als die rechtmaessigen Koenige Syriens anerkannt, aber sich nicht entschliessen koennen, die bewaffnete Intervention zu verfuegen. Sollte die gute Gelegenheit benutzt und gegen Armenien Ernst gemacht werden, so musste Lucullus den Krieg ohne eigentlichen Auftrag des Senats auf eigene Hand und eigene Gefahr beginnen; auch er sah sich ebenwie Sulla in die Notwendigkeit versetzt, was er im offenbarsten Interesse der bestehenden Regierung tat, nicht mit ihr, sondern ihr zum Trotz ins Werk zu setzen. Erleichtert ward ihm der Entschluss durch die seit langem unklar zwischen Krieg und Frieden schwankenden Verhaeltnisse Roms zu Armenien, welche die Eigenmaechtigkeit seines Verfahrens einigermassen bedeckten und es an formellen Kriegsgruenden nicht fehlen liessen. Die kappadokischen und syrischen Zustaende boten Anlaesse genug, und es hatten auch schon bei der Verfolgung des pontischen Koenigs roemische Truppen das Gebiet des Grosskoenigs verletzt. Da indes Lucullus’ Auftrag auf Fuehrung des Krieges gegen Mithradates ging und er hieran anzuknuepfen wuenschte, so zog er es vor, einen seiner Offiziere, Appius Claudius, an den Grosskoenig nach Antiochien zu senden, um Mithradates’ Auslieferung zu fordern, was denn freilich zum Kriege fuehren musste. Der Entschluss war ernst, zumal bei der Beschaffenheit der roemischen Armee. Es war unvermeidlich, waehrend des Feldzugs in Armenien das ausgedehnte pontische Gebiet stark besetzt zu halten, da sonst dem in Armenien stehenden Heer die Verbindung mit der Heimat verloren ging und ueberdies ein Einfall Mithradats in sein ehemaliges Reich leicht vorherzusehen war. Offenbar reichte die Armee, an deren Spitze Lucullus den Mithradatischen Krieg beendigt hatte, von beilaeufig 30000 Mann fuer diese verdoppelte Aufgabe nicht aus. Unter gewoehnlichen Verhaeltnissen wuerde der Feldherr von seiner Regierung die Nachsendung einer zweiten Armee erbeten und erhalten haben; allein da Lucullus den Krieg der Regierung ueber den Kopf nehmen wollte und gewissermassen musste, sah er sich genoetigt, hierauf zu verzichten und, ob er gleich selbst die gefangenen thrakischen Soeldner des pontischen Koenigs seinen Truppen einreihte, dennoch mit nicht mehr als zwei Legionen oder hoechstens 15000 Mann den Krieg ueber den Euphrat zu tragen. Schon dies war bedenklich; indes die Geringfuegigkeit der Zahl mochte durch die erprobte Tapferkeit der durchaus aus Veteranen bestehenden Armee einigermassen ersetzt werden. Weit schlimmer war die Stimmung der Soldaten, auf die Lucullus in seiner hochadligen Art viel zu wenig Ruecksicht nahm. Lucullus war ein tuechtiger General und – nach aristokratischem Massstab – ein rechtschaffener und wohlwollender Mann, aber nichts weniger als beliebt bei seinen Soldaten. Er war unpopulaer als entschiedener Anhaenger der Oligarchie, unpopulaer, weil er in Kleinasien der greulichen Wucherei der roemischen Kapitalisten nachdruecklich gesteuert hatte, unpopulaer wegen der Arbeiten und Strapazen, die er dem Soldaten zumutete, unpopulaer, weil er von seinen Soldaten strenge Mannszucht forderte und die Pluenderung der griechischen Staedte durch seine Leute moeglichst verhinderte, daneben aber doch fuer sich selber manchen Wagen und manches Kamel mit den Schaetzen des Ostens beladen liess, unpopulaer wegen seiner feinen, vornehmen, hellenisierenden, durchaus nicht kameradschaftlichen und, wo immer moeglich, zu bequemem Wohlleben sich hinneigenden Weise. Nicht eine Spur des Zaubers war in ihm, der zwischen dem Feldherrn und dem Soldaten ein persoenliches Band schlingt. Hierzu kam endlich, dass ein grosser Teil seiner tuechtigsten Soldaten alle Ursache hatte, sich ueber die masslose Verlaengerung ihrer Dienstzeit zu beschweren. Seine beiden besten Legionen waren ebendiejenigen, die Flaccus und Fimbria 668 (86) nach dem Osten gefuehrt hatten; ungeachtet ihnen vor kurzem nach der Schlacht von Kabeira der durch dreizehn Feldzuege wohlverdiente Abschied zugesichert worden war, fuehrte sie Lucullus jetzt dennoch ueber den Euphrat, einem neuen unabsehbaren Krieg entgegen – es schien, als wolle man die Sieger von Kabeira schlimmer behandeln als die Geschlagenen von Cannae. Dass mit so schwachen und so gestimmten Truppen ein Feldherr auf eigene Faust und streng genommen verfassungswidrig eine Expedition begann in ein fernes und unbekanntes Land voll reissender Stroeme und schneebedeckter Berge, das schon durch seine gewaltige Ausdehnung jeden leichtsinnig unternommenen Angriff gefaehrlich machte, war in der Tat mehr als gewagt. Vielfach und nicht ohne Grund wurde deshalb Lucullus’ Verfahren in Rom getadelt; nur haette man dabei nicht verschweigen sollen, dass zunaechst die Verkehrtheit der Regierung dieses verwegene Vorgehen des Feldherrn veranlasste und dasselbe wo nicht rechtfertigte, doch entschuldbar machte. Schon die Sendung des Appius Claudius hatte neben der Aufgabe, den Krieg diplomatisch zu motivieren, den Zweck gehabt, die Fuersten und Staedte zunaechst Syriens gegen den Grosskoenig unter die Waffen zu bringen; im Fruehling 685 (69) erfolgte der foermliche Angriff. Waehrend des Winters hatte der Koenig von Kappadokien im stillen fuer Transportschiffe gesorgt; auf diesen ward der Euphrat bei Melitene ueberschritten und der Marsch dann weiter ueber die Tauruspaesse auf den Tigris gerichtet. Auch diesen ueberschritt Lucullus in der Gegend von Amida (Diarbekr) und rueckte weiter vor auf die Strasse zu, welche die an der suedlichen Grenze Armeniens neu gegruendete zweite Hauptstadt Tigranokerta ^3 mit der alten Metropole Artaxata verband. Bei jener stand der Grosskoenig, kurz zuvor aus Syrien zurueckgekommen, nachdem er die Verfolgung seiner Eroberungsplaene am Mittelmeer wegen der Verwicklung mit den Roemern vorlaeufig vertagt hatte. Eben entwarf er einen Einfall in das roemische Kleinasien von Kilikien und Lykaonien aus und ueberlegte bei sich, ob die Roemer Asien sofort raeumen oder vorher noch, etwa bei Ephesos, sich ihm zur Schlacht stellen wuerden, als ihm die Nachricht von dem Anmarsche Luculls gebracht ward, welcher ihn von der Verbindung mit Artaxata abzuschneiden drohte. Er liess den Boten aufknuepfen, aber die laestige Wirklichkeit blieb wie sie war; so verliess er denn die neue Hauptstadt und begab sich in das innere Armenien, um dort, was bis jetzt nicht geschehen war, gegen die Roemer zu ruesten. Inzwischen sollte Mithrobarzanes mit den eben zur Verfuegung stehenden Truppen in Verbindung mit den schleunigst aufgebotenen benachbarten Beduinenstaemmen die Roemer beschaeftigen. Allein das Korps des Mithrobarzanes ward schon von dem roemischen Vortrab, die Araber von einem Detachement unter Sextilius zersprengt; Lucullus gewann die von Tigranokerta nach Artaxata fuehrende Strasse, und waehrend auf dem rechten Tigrisufer ein roemisches Detachement den nordwaerts abziehenden Grosskoenig verfolgte, ging er selbst auf das linke ueber und rueckte vor Tigranokerta. Der nie versiegende Pfeilregen, mit dem die Besatzung das roemische Heer ueberschuettete, und die Anzuendung der Belagerungsmaschinen durch Naphtha weihten hier die Roemer ein in die neuen Gefahren der iranischen Kriege, und der tapfere Kommandant Mankaeos behauptete die Stadt, bis endlich die grosse koenigliche Entsatzarmee aus allen Teilen des weiten Reiches und den angrenzenden, den armenischen Werbern offenstehenden Landschaften versammelt und durch die nordoestlichen Paesse zum Entsatz der Hauptstadt herangerueckt war. Der in den Kriegen Mithradats erprobte Fuehrer Taxiles riet, die Schlacht zu vermeiden und die kleine roemische Schar durch die Reiterei zu umstellen und auszuhungern. Allein als der Koenig den roemischen Feldherrn, der sich entschieden hatte, die Schlacht zu liefern, ohne darum die Belagerung aufzuheben, mit nicht viel mehr als 10000 Mann gegen die zwanzigfache Uebermacht ausruecken und keck das Gewaesser ueberschreiten sah, das beide Heere trennte; als er auf der einen Seite diese kleine Schar ueberblickte, “zur Gesandtschaft zu viel, zum Heere zu wenig”, auf der andern seine ungeheuren Heerhaufen, in denen die Voelker vom Schwarzen und vom Kaspischen mit denen vom Mittelmeer und vom Persischen Golf sich begegneten, deren gefuerchtete eisenbedeckte Lanzenreiter allein zahlreicher waren als Lucullus’ ganzes Heer und in denen es auch an roemisch geruestetem Fussvolk nicht mangelte: da entschloss er sich, die vom Feinde begehrte Schlacht ungesaeumt anzunehmen. Waehrend aber die Armenier noch sich dazu ordneten, erkannte Lucullus’ scharfes Auge, dass sie es versaeumt hatten, eine Hoehe zu besetzen, die ihre ganze Reiterstellung beherrschte: er eilte sie mit zwei Kohorten einzunehmen, indem zugleich seine schwache Reiterei durch einen Flankenangriff die Aufmerksamkeit der Feinde von dieser Bewegung ablenkte, und sowie er oben angekommen war, fuehrte er seinen kleinen Haufen der feindlichen Reiterei in den Ruecken. Sie ward gaenzlich zersprengt und warf sich auf die noch nicht voellig geordnete Infanterie, die davonlief, ohne auch nur zum Schlagen zu kommen. Das Bulletin des Siegers, dass 100000 Armenier und 5 Roemer gefallen seien und der Koenig Turban und Stirnbinde von sich werfend unerkannt mit wenigen Reitern davongesprengt sei, ist im Stile seines Meisters Sulla abgefasst; allein nichtdestoweniger bleibt der am 6. Oktober 685 (69) vor Tigranokerta erfochtene Sieg einer der glaenzendsten Sterne in der ruhmreichen Kriegsgeschichte Roms; und er war nicht minder erfolgreich als glaenzend. Alle suedlich vom Tigris den Parthern oder den Syrern entrissenen Landschaften waren damit strategisch den Armeniern verloren und gingen groesstenteils ohne weiteres ueber in den Besitz des Siegers. Die neu erbaute zweite Hauptstadt selber machte den Anfang. Die in ihr sehr zahlreichen griechischen Zwangsansiedler empoerten sich gegen die Besatzung und oeffneten dem roemischen Heere die Pforten der Stadt, die den Soldaten zur Pluenderung preisgegeben ward. Sie war geschaffen fuer das neue Grossreich und ward wie dieses von dem Sieger vertilgt. Aus Kilikien und Syrien hatte der armenische Satrap Magadates bereits alle Truppen herausgezogen, um die Entsatzarmee vor Tigranokerta zu verstaerken. Lucullus rueckte in die noerdlichste Landschaft Syriens Kommagene ein und erstuermte die Hauptstadt Samosata; bis in das eigentliche Syrien kam er nicht, doch langten von den Dynasten und Gemeinden bis zum Roten Meere hinab, von Hellenen, Syrern, Juden, Arabern, Gesandte an, um den Roemern als den neuen Oberherren zu huldigen. Selbst der Fuerst von Corduene, der oestlich von Tigranokerta gelegenen Landschaft, unterwarf sich; wogegen freilich in Nisibis und damit in Mesopotamien der Bruder des Grosskoenigs Guras sich behauptete. Durchaus trat Lucullus auf als Schirmherr der hellenischen Fuersten und Buergerschaften; in Kommagene setzte er einen Prinzen des seleukidischen Hauses, Antiochos, auf den Thron; Antiochos den Asiaten, der nach dem Abzug der Armenier nach Antiocheia zurueckgekehrt war, erkannte er an als Koenig von Syrien; die gezwungenen Ansiedler von Tigranokerta entliess er wieder in ihre Heimatorte. Die unermesslichen Vorraete und Schaetze des Grosskoenigs – an Getreide wurden 30 Millionen Medimnen, an Geld allein in Tigranokerta 8000 Talente (12´ Mill. Taler) erbeutet – machten es Lucullus moeglich, die Kosten des Krieges zu bestreiten, ohne die Staatskasse in Anspruch zu nehmen, und jedem seiner Soldaten ausser reichlichster Verpflegung noch eine Verehrung von 800 Denaren (240 Taler) zu machen.
————————————————- ^3 Dass Tigranokerta in der Gegend von Mardin etwa zwei Tagemaersche westlich von Nisibis gelegen hat, hat die von K. E. Sachau (Ueber die Lage von Tigranokerta, Abh. der Berliner Akademie, 1880) an Ort und Stelle angestellte Untersuchung erwiesen, wenn auch die von Sachau vorgeschlagene genauere Fixierung der Oertlichkeit nicht ausser Zweifel ist. Dagegen steht seiner Auseinandersetzung ueber den Feldzug Luculls das Bedenken entgegen, dass auf der dabei angenommenen Route von einer Ueberschreitung des Tigris in der Tat nicht die Rede sein kann.
———————————————- Der Grosskoenig war tief gedemuetigt. Er war ein schwaechlicher Charakter, uebermuetig im Glueck, im Unglueck verzagt; wahrscheinlich wuerde zwischen ihm und Lucullus ein Abkommen zustande gekommen sein, das der Grosskoenig mit ansehnlichen Opfern zu erkaufen, der roemische Feldherr unter leidlichen Bedingungen zu gewaehren beide alle Ursache hatten, wenn der alte Mithradates nicht gewesen waere. Dieser hatte nicht teilgenommen an den Kaempfen um Tigranokerta. Durch die zwischen dem Grosskoenig und den Roemern eingetretene Spannung nach zwanzigmonatlicher Haft um die Mitte des Jahres 684 (70) befreit, war er mit 10000 armenischen Reitern in sein ehemaliges Reich abgesandt worden, um die Kommunikationen des Feindes zu bedrohen. Zurueckgerufen, noch ehe er hier etwas ausrichten konnte, als der Grosskoenig seine gesamte Macht aufbot, um die von ihm erbaute Hauptstadt zu entsetzen, kamen bei seinem Eintreffen vor Tigranokerta ihm schon die vom Schlachtfeld fluechtenden Haufen entgegen. Vom Grosskoenig bis zum gemeinen Soldaten schien allen alles verloren. Wenn aber Tigranes jetzt Frieden machte, so schwand fuer Mithradates nicht bloss die letzte Moeglichkeit der Wiedereinsetzung in sein Reich, sondern seine Auslieferung war ohne Zweifel die erste Bedingung des Friedens; und sicher wuerde Tigranes gegen ihn nicht anders gehandelt haben als Bocchus einst gegen Jugurtha. Seine ganze Persoenlichkeit setzte darum der Koenig ein, um diese Wendung zu verhindern und den armenischen Hof zur Fortfuehrung des Krieges zu bestimmen, bei der er nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatte; und fluechtig und entthront wie Mithradates war, war sein Einfluss an diesem Hofe nicht gering. Noch war er ein stattlicher und gewaltiger Mann, der, obwohl schon ueber sechzig Jahre alt, sich in voller Ruestung auf das Pferd schwang und im Handgemenge gleich dem Besten seinen Mann stand. Seinen Geist schienen die Jahre und die Schicksale gestaehlt zu haben: waehrend er in frueheren Zeiten seine Heerfuehrer aussandte und selbst an dem Kriege nicht unmittelbar teilnahm, finden wir fortan als Greis ihn in der Schlacht selber befehligen und selber fechten. Ihm, der waehrend seines fuenfzigjaehrigen Regiments so viele unerhoerte Glueckswechsel erlebt hatte, schien die Sache des Grosskoenigs durch die Niederlage von Tigranokerta noch keineswegs verloren, vielmehr Lucullus’ Stellung sehr schwierig und, wenn es jetzt nicht zum Frieden kam und der Krieg in zweckmaessiger Weise fortgefuehrt ward, sogar in hohem Masse bedenklich. Der vielerfahrene Greis, der fast wie ein Vater dem Grosskoenig gegenueberstand und jetzt persoenlich auf denselben zu wirken vermochte, bezwang den schwachen Mann durch seine Energie und bestimmte ihn, nicht nur sich fuer die Fortsetzung des Krieges zu entscheiden, sondern auch ihn selber mit dessen politischer und militaerischer Leitung zu betrauen. Aus einem Kabinettskrieg sollte der Koenig jetzt ein national asiatischer werden, die Koenige und die Voelker Asiens sich vereinigen gegen die uebermaechtigen und uebermuetigen Okzidentalen. Es wurden die groessten Anstrengungen gemacht, die Armenier und die Parther miteinander zu versoehnen und sie zum gemeinschaftlichen Kampfe gegen Rom zu bestimmen. Auf Mithradates’ Betrieb erbot sich Tigranes, dem Arsakiden Phraates, dem Gott (regierte seit 684 70), die von den Armeniern eroberten Landschaften Mesopotamien, Adiabene, die “grossen Taeler”, zurueckzugeben und mit ihm Freundschaft und Buendnis zu machen. Allein nach allem, was vorhergegangen war, konnte dieses Anerbieten kaum auf eine guenstige Aufnahme rechnen; Phraates zog es vor, die Euphratgrenze durch einen Vertrag nicht mit den Armeniern, sondern mit den Roemern sich zu sichern und zuzusehen, wie sich der verhasste Nachbar und der unbequeme Fremdling untereinander aufrieben. Mit groesserem Erfolg als an die Koenige wandte Mithradates sich an die Voelker des Ostens. Es hielt nicht schwer, den Krieg darzustellen als einen nationalen des Orients gegen den Okzident, denn er war es; gar wohl konnte er auch zum Religionskrieg gemacht und die Rede verbreitet werden, dass das Ziel des Lucullischen Heeres der Tempel der persischen Nanaea oder Anaitis in Elymais oder dem heutigen Luristan sei, das gefeiertste und das reichste Heiligtum der ganzen Euphratlandschaft ^4. Scharenweise draengten sich von nah und fern die Asiaten unter die Banner der Koenige, welche sie aufriefen, den Osten und seine Goetter vor den gottlosen Fremdlingen zu schirmen. Allein die Tatsachen hatten gezeigt, dass das blosse Zusammentreiben ungeheurer Heerhaufen nicht allein fruchtlos war, sondern durch die Einfuegung in dieselben selbst die wirklich marschier- und schlagfaehigen Scharen unbrauchbar gemacht und in das allgemeine Verderben mitverwickelt wurden. Mithradates suchte vor allem die Waffe auszubilden, die zugleich die schwaechste der Okzidentalen und die staerkste der Asiaten war, die Reiterei: in der von ihm neugebildeten Armee war die Haelfte der Mannschaft beritten. Fuer den Dienst zu Fuss las er aus der Masse der aufgebotenen oder freiwillig sich meldenden Rekruten die dienstfaehigen Leute sorgfaeltig aus und liess diese durch seine pontischen Offiziere dressieren. Das ansehnliche Heer, das bald wieder unter den Fahnen des Grosskoenigs zusammenstand, war aber nicht bestimmt, auf der ersten Walstatt mit den roemischen Veteranen sich zu messen, sondern sich auf die Verteidigung und auf den kleinen Krieg zu beschraenken. Schon den letzten Krieg in seinem Reiche hatte Mithradates stetig zurueckweichend und die Schlacht vermeidend gefuehrt; auch diesmal wurde eine aehnliche Taktik angenommen und zum Kriegsschauplatz das eigentliche Armenien bestimmt, das vom Feinde noch vollkommen unberuehrte Erbland des Tigranes, durch seine physische Beschaffenheit ebenso wie durch den Patriotismus seiner Bewohner vortrefflich fuer diese Kriegsweise geeignet.
——————————————— ^4 Cicero (imp. Cn. Pomp. 9, 23) meint schwerlich einen anderen als einen der reichen Tempel der Landschaft Elymais, wohin die Raubzuege der syrischen wie der parthischen Koenige regelmaessig sich richteten (Strab. 16, 744; Polyb. 31, 11; 1. Makk. 6 u. a. m.), und wahrscheinlich diesen als den bekanntesten; auf keinen Fall darf an den Tempel von Komana oder ueberhaupt irgendein Heiligtum im Pontischen Reiche gedacht werden.
——————————————— Das Jahr 686 (68) fand Lucullus in einer schwierigen und taeglich bedenklicher sich gestaltenden Lage. Trotz seiner glaenzenden Siege war man in Rom durchaus nicht mit ihm zufrieden. Der Senat empfand die Eigenmaechtigkeit seines Verfahrens; die von ihm empfindlich verletzte Kapitalistenpartei setzte alle Mittel der Intrige und Bestechung in Bewegung, um seine Abberufung durchzusetzen. Taeglich erscholl der Markt der Hauptstadt von gerechten und ungerechten Beschwerden ueber den tollkuehnen, den habsuechtigen, den unroemischen, den hochverraeterischen Feldherrn. Den Klagen ueber die Vereinigung einer so grenzenlosen Macht, zweier ordentlicher Statthalterschaften und eines wichtigen ausserordentlichen Kommandos, in der Hand eines solchen Mannes gab auch der Senat insoweit nach, dass er die Provinz Asia einem der Praetoren, die Provinz Kilikien nebst drei neu ausgehobenen Legionen dem Konsul Quintus Marcius Rex bestimmte, und den Feldherrn auf das Kommando gegen Mithradates und Tigranes beschraenkte.
Diese in Rom gegen den Feldherrn sich erhebenden Anklagen fanden einen gefaehrlichen Widerhall in den Quartieren am Iris und am Tigris: um so mehr, als einzelne Offiziere, darunter der eigene Schwager des Feldherrn, Publius Clodius, in diesem Sinne die Soldaten bearbeiteten. Das ohne Zweifel von diesen in Umlauf gesetzte Geruecht, dass Lucullus jetzt mit dem Pontisch-Armenischen Krieg noch eine Expedition gegen die Parther zu verbinden gedenke, naehrte die Erbitterung der Truppen. Waehrend aber also die schwierige Stimmung der Regierung wie der Soldaten den siegreichen Feldherrn mit Abberufung und Meuterei bedrohte, fuhr er selber fort, dem verzweifelten Spieler gleich, seinen Einsatz und sein Wagen zu steigern. Zwar gegen die Parther zog er nicht; aber als Tigranes sich weder bereit zeigte, Frieden zu machen, noch, wie Lucullus es wuenschte, eine zweite Hauptschlacht zu bestehen, entschloss sich Lucullus von Tigranokerta durch die schwierige Berglandschaft am oestlichen Ufer des Wansees in das Tal des oestlichen Euphrat (oder des Arsanias, jetzt Murad Tschai) und aus diesem in das des Araxes vorzudringen, wo, am noerdlichen Abhang des Ararat, die Hauptstadt des eigentlichen Armeniens Artaxata mit dem Erbschloss und dem Harem des Koenigs lag. Er hoffte den Koenig durch die Bedrohung seiner angestammten Residenz entweder unterwegs oder mindestens doch vor Artaxata zum Schlagen zu zwingen. Unumgaenglich notwendig war es freilich, bei Tigranokerta eine Abteilung zurueckzulassen; und da das Marschheer unmoeglich noch weiter vermindert werden konnte, so blieb nichts uebrig als die Stellung im Pontos zu schwaechen und von dort Truppen nach Tigranokerta zu berufen. Die Hauptschwierigkeit aber war die fuer militaerische Unternehmungen so unbequeme Kuerze des armenischen Sommers. Auf der armenischen Hochebene, die 5000 Fuss und mehr ueber der Meeresflaeche liegt, sprosst bei Erzerum das Korn erst Anfang Juni, und mit der Ernte im September stellt auch schon der Winter sich ein; in hoechstens vier Monaten musste Artaxata erreicht und die Kampagne beendigt sein. Im Mittsommer 686 (68) brach Lucullus von Tigranokerta auf und gelangte, ohne Zweifel durch den Bitlispass und weiter westlich am Wansee hinauf marschierend, auf das Plateau von Musch und an den Euphrat. Der Marsch ging, unter bestaendigen sehr laestigen Scharmuetzeln mit der feindlichen Reiterei, namentlich den berittenen Bogenschuetzen, langsam, aber ohne wesentliches Hindernis vonstatten, und auch der Euphratuebergang, den die armenische Reiterei ernstlich verteidigte, ward durch ein glueckliches Treffen erzwungen; die armenische Infanterie zeigte sich, aber es glueckte nicht, sie in das Gefecht zu verwickeln. So gelangte die Armee auf die eigentliche Hochebene Armeniens und marschierte weiter hinein in das unbekannte Land. Man hatte keinen eigentlichen Unfall erlitten; aber die blosse unabwendbare Verzoegerung des Marsches durch die Terrainschwierigkeiten und die feindlichen Reiter war an sich schon ein sehr empfindlicher Nachteil. Lange bevor man Artaxata erreicht hatte, brach der Winter herein; und wie die italischen Soldaten Schnee und Eis um sich sahen, riss der allzu straff gespannte Bogen der militaerischen Zucht. Eine foermliche Meuterei noetigte den Feldherrn, den Rueckzug anzuordnen, den er mit seiner gewoehnlichen Geschicklichkeit bewerkstelligte. Gluecklich angekommen in Mesopotamien, wo die Jahreszeit noch weitere Unternehmungen gestattete, ueberschritt Lucullus den Tigris und warf sich mit der Masse seines Heeres auf die letzte hier den Armeniern gebliebene Stadt Nisibis. Der Grosskoenig, gewitzigt durch die vor Tigranokerta gemachte Erfahrung, ueberliess die Stadt sich selbst; trotz ihrer tapferen Verteidigung ward sie in einer finsteren Regennacht von den Belagerern erstuermt und Lucullus’ Heer fand daselbst nicht minder reiche Beute und nicht minder bequeme Winterquartiere wie das Jahr vorher in Tigranokerta. Allein inzwischen fiel die ganze Gewalt der feindlichen Offensive auf die schwachen, im Pontos und in Armenien zurueckgebliebenen roemischen Korps. Hier zwang Tigranes den roemischen Befehlshaber Lucius Fannius – denselben, der frueher zwischen Sertorius und Mithradates den Vermittler gemacht hatte -, sich in eine Festung zu werfen und hielt ihn darin belagert. Dort rueckte Mithradates ein mit 4000 armenischen und 4000 eigenen Reitern und rief als Befreier und Raecher die Nation auf gegen den Landesfeind. Alles fiel ihm zu; die zerstreuten roemischen Soldaten wurden ueberall aufgehoben und getoetet; als der roemische Kommandant im Pontos, Hadrianus, seine Truppen gegen ihn fuehrte, machten die ehemaligen Soeldner des Koenigs und die zahlreichen, als Sklaven dem Heere folgenden Pontiker gemeinschaftliche Sache mit dem Feind. Zwei Tage nacheinander waehrte der ungleiche Kampf; nur dass der Koenig nach zwei empfangenen Wunden vom Schlachtfeld weggetragen werden musste, gab dem roemischen Befehlshaber die Moeglichkeit, die so gut wie verlorene Schlacht abzubrechen und mit dem kleinen Rest seiner Leute sich nach Kabeira zu werfen. Ein anderer von Lucullus’ Unterbefehlshabern, der zufaellig in diese Gegend kam, der entschlossene Triarius, sammelte zwar wieder einen Heerhaufen um sich und lieferte dem Koenig ein glueckliches Gefecht; allein er war viel zu schwach, um ihn wieder vom pontischen Boden zu vertreiben und musste es geschehen lassen, dass der Koenig Winterquartiere in Komana nahm. So kam das Fruehjahr 687 (67) heran. Die Vereinigung der Armee in Nisibis, die Musse der Winterquartiere, die haeufige Abwesenheit des Feldherrn hatten die Unbotmaessigkeit der Truppen inzwischen noch gesteigert; sie verlangten nicht bloss ungestuem, zurueckgefuehrt zu werden, sondern es war bereits ziemlich offenbar, dass sie, wenn der Feldherr sich weigerte, sie heimzufuehren, von selbst aufbrechen wuerden. Die Vorraete waren knapp; Fannius und Triarius sandten in ihrer bedraengten Lage die instaendigsten Bitten um Hilfeleistung an den Oberfeldherrn. Schweren Herzens entschloss sich Lucullus, der Notwendigkeit zu weichen, Nisibis und Tigranokerta aufzugeben und, auf all die glaenzenden Hoffnungen seiner armenischen Expedition verzichtend, zurueckzukehren auf das rechte Ufer des Euphrat. Fannius wurde befreit; im Pontos aber war es schon zu spaet. Triarius, nicht stark genug, um mit Mithradates zu schlagen, hatte bei Gaziura (Turksal am Iris, westlich von Tokat) eine feste Stellung genommen, waehrend das Gepaeck bei Dadasa zurueckblieb. Als indes Mithradates den letzteren Ort belagerte, zwangen die roemischen Soldaten, um ihre Habseligkeiten besorgt, den Fuehrer, seine gesicherte Stellung zu verlassen und zwischen Gaziura und Ziela (Zilleh) auf den Skotischen Anhoehen dem Koenig eine Schlacht zu liefern. Was Triarius vorhergesehen hatte trat ein: trotz der tapfersten Gegenwehr durchbrach der Fluegel, den der Koenig persoenlich fuehrte, die roemische Linie und draengte das Fussvolk in eine lehmige Schlucht zusammen, in der es weder vor noch seitwaerts ruecken konnte und erbarmungslos niedergehauen ward. Zwar ward durch einen roemischen Centurio, der dafuer sein Leben opferte, der Koenig auf den Tod verwundet; aber die Niederlage war darum nicht minder vollstaendig. Das roemische Lager ward genommen; der Kern des Fussvolks, fast alle Ober- und Unteroffiziere bedeckten den Boden; die Leichen blieben unbegraben auf dem Schlachtfeld liegen, und als Lucullus auf dem rechten Euphratufer ankam, erfuhr er nicht von den Seinigen, sondern durch die Berichte der Eingeborenen die Niederlage.
Hand in Hand mit dieser Niederlage ging der Ausbruch der Militaerverschwoerung. Ebenjetzt traf aus Rom die Nachricht ein, dass das Volk beschlossen habe, den Soldaten, deren gesetzmaessige Dienstzeit abgelaufen sei, das heisst den Fimbrianern, den Abschied zu bewilligen und einem der Konsuln des laufenden Jahres den Oberbefehl in Bithynien und Pontus zu uebertragen; schon war der Nachfolger Luculls, der Konsul Manius Acilius Glabrio, in Kleinasien gelandet. Die Verabschiedung der tapfersten und unruhigsten Legionen und die Abberufung des Oberfeldherrn in Verbindung mit dem Eindruck der Niederlage von Ziela loesten in dem Heer alle Bande der Autoritaet auf, eben da der Feldherr ihrer am notwendigsten bedurfte. Bei Talaura in Klein-Armenien stand er den pontischen Truppen gegenueber, an deren Spitze Tigranes’ Schwiegersohn, Mithradates von Medien, den Roemern bereits ein glueckliches Reitergefecht geliefert hatte; ebendahin war von Armenien her die Hauptmacht des Grosskoenigs in Anmarsch. Lucullus sandte an den neuen Statthalter von Kilikien, Quintus Marcius, der auf dem Marsch nach seiner Provinz soeben mit drei Legionen in Lykaonien angelangt war, um von ihm Hilfe zu erhalten; derselbe erklaerte, dass seine Soldaten sich weigerten, nach Armenien zu marschieren. Er sandte an Glabrio mit dem Ersuchen, den ihm vom Volke uebertragenen Oberbefehl zu uebernehmen; derselbe bezeigte noch weniger Lust, dieser jetzt so schwierig und gefaehrlich gewordenen Aufgabe sich zu unterziehen. Lucullus, genoetigt den Oberbefehl zu behalten, befahl, um nicht bei Talaura zugleich gegen die Armenier und die Pontiker schlagen zu muessen, den Aufbruch gegen das anrueckende armenische Heer. Die Soldaten kamen dem Marschbefehl nach; allein da angelangt, wo die Strassen nach Armenien und nach Kappadokien sich schieden, schlug die Masse des Heeres die letztere ein und begab sich in die Provinz Asia. Hier begehrten die Fimbrianer ihren augenblicklichen Abschied; und obwohl sie auf die instaendige Bitte des Oberfeldherrn und der uebrigen Korps hiervon wieder abliessen, beharrten sie doch dabei, wenn der Winter herankaeme, ohne dass ihnen ein Feind gegenueberstaende, sich aufloesen zu wollen; was denn auch geschah. Mithradates besetzte nicht bloss abermals fast sein ganzes Koenigreich, sondern seine Reiter streiften durch ganz Kappadokien und bis nach Bithymen; gleich vergeblich bat Koenig Ariobarzanes bei Quintus Marcius, bei Lucullus und bei Glabrio um Hilfe. Es war ein seltsamer, fast unglaublicher Ausgang des in so glorreicher Weise gefuehrten Krieges. Wenn man bloss auf die militaerischen Leistungen sieht, so hat kaum ein anderer roemischer General mit so geringen Mitteln so viel ausgerichtet wie Lucullus; das Talent und das Glueck Sullas schienen auf diesen seinen Schueler sich vererbt zu haben. Dass unter den obwaltenden Verhaeltnissen das roemische Heer aus Armenien unversehrt nach Kleinasien zurueckkam, ist ein militaerisches Wunderwerk, das, soweit wir urteilen koennen, den Xenophontischen Rueckzug weit uebertrifft und wohl zunaechst aus der Soliditaet des roemischen und der Untuechtigkeit des orientalischen Kriegswesens sich erklaert, aber doch unter allen Umstaenden dem Leiter dieses Zuges einen ehrenvollen Platz unter den militaerischen Kapazitaeten ersten Ranges sichert. Wenn Lucullus’ Name gewoehnlich nicht unter diesen genannt wird, so liegt die Ursache allem Anschein nach nur darin, dass teils kein militaerisch auch nur leidlicher Bericht ueber seine Feldzuege auf uns gekommen ist, teils ueberall, und vor allem im Kriege, zunaechst nichts gilt als das schliessliche Resultat, und dies freilich kam einer vollstaendigen Niederlage gleich. Durch die letzte unglueckliche Wendung der Dinge, hauptsaechlich durch die Meuterei der Soldaten, waren alle Erfolge eines achtjaehrigen Krieges wieder verloren worden; man stand im Winter 687/88 (67/66) genau wieder an demselben Fleck wie im Winter 679/80 (75/74). Nicht bessere Resultate als der Kontinentalkrieg lieferte der Seekrieg gegen die Piraten, der mit demselben zugleich begann und bestaendig mit ihm in der engsten Verbindung stand. Es ward bereits erzaehlt, dass der Senat im Jahre 680 (74) den verstaendigen Beschluss fasste, die Saeuberung der Meere von den Korsaren einem einzigen hoechstkommandierenden Admiral, dem Praetor Marcus Antonius, zu uebertragen. Allein gleich von vornherein hatte man sich in der Wahl des Fuehrers durchaus vergriffen, oder vielmehr diejenigen, welche diese an sich zweckmaessige Massregel durchgesetzt haetten, hatten nicht berechnet, dass im Senat alle Personenfragen durch Cethegus’ Einfluss und aehnliche Koterieruecksichten entschieden wurden. Man hatte ferner versaeumt, den gewaehlten Admiral in einer seiner umfassenden Aufgabe angemessenen Weise mit Geld und Schiffen auszustatten, so dass er durch seine ungeheuren Requisitionen den befreundeten Provinzialen fast ebenso laestig fiel wie die Korsaren. Die Erfolge waren entsprechend. In den kampanischen Gewaessern brachte die Flotte des Antonius eine Anzahl Piratenschiffe auf. Mit den Kretensern aber, die mit den Piraten Freundschaft und Buendnis gemacht hatten und seine Forderung, von dieser Gemeinschaft abzulassen, schroff zurueckwiesen, kam es zum Gefecht; und die Ketten, die Antonius vorsorglich auf seinen Schiffen in Vorrat gelegt hatte, um die gefangenen Flibustier damit zu fesseln, dienten dazu, den Quaestor und die uebrigen roemischen Gefangenen an die Masten der eroberten roemischen Schiffe zu schliessen, als die kretischen Feldherren Lasthenes und Panares aus dem bei ihrer Insel den Roemern gelieferten Seetreffen triumphierend nach Kydonia zuruecksteuerten. Antonius, nachdem er mit seiner leichtsinnigen Kriegfuehrung ungeheure Summen vergeudet und nicht das geringste ausgerichtet hatte, starb im Jahre 683 (71) auf Kreta. Teils der schlechte Erfolg seiner Expedition, teils die Kostbarkeit des Flottenbaus, teils der Widerwille der Oligarchie gegen jede umfassendere Beamtenkompetenz bewirkten, dass man nach der faktischen Beendigung dieser Unternehmung durch Antonius’ Tod keinen Oberadmiral wieder ernannte und auf die alte Weise zurueckkam, jeden Statthalter in seiner Provinz fuer die Unterdrueckung der Piraterie sorgen zu lassen; wie denn zum Beispiel die von Lucullus hergestellte Flotte hierfuer im Aegaeischen Meer taetig war. Nur was die Kreter anbetrifft, schien eine Schmach wie die vor Kydonia erlittene doch selbst diesem gesunkenen Geschlecht allein durch die Kriegserklaerung beantwortet werden zu koennen. Dennoch haetten die kretischen Gesandten, die im Jahre 684 (70) in Rom mit der Bitte erschienen, die Gefangenen zuruecknehmen und das alte Buendnis wieder herstellen zu wollen, fast einen guenstigen Senatsbeschluss erlangt; was die ganze Korporation eine Schande nannte, das verkaufte bereitwillig fuer klingenden Preis der einzelne Senator. Erst nachdem ein foermlicher Senatsbeschluss die Anlehen der kretischen Gesandten bei den roemischen Bankiers klaglos gestellt, das heisst nachdem der Senat sich selber in die Unmoeglichkeit versetzt hatte, sich bestechen zu lassen, kam das Dekret zustande, dass die kretischen Gemeinden ausser den roemischen Ueberlaeufern, die Urheber des vor Kydonia veruebten Frevels, die Fuehrer Lasthenes und Panares, den Roemern zu geeigneter Bestrafung zu uebergeben, ferner saemtliche Schiffe und Boote von vier oder mehr Rudern auszuliefern, 400 Geiseln zu stellen und eine Busse von 4000 Talenten (6250000 Taler) zu zahlen haetten, wofern sie den Krieg zu vermeiden wuenschten. Als die Gesandten sich zur Eingebung solcher Bedingungen nicht bevollmaechtigt erklaerten, wurde einer der Konsuln des naechsten Jahres bestimmt, nach Ablauf seines Amtsjahres nach Kreta abzugehen, um dort entweder das Geforderte in Empfang zu nehmen oder den Krieg zu beginnen. Demgemaess erschien im Jahre 685 (69) der Prokonsul Quintus Metellus in den kretischen Gewaessern. Die Gemeinden der Insel, voran die groesseren Staedte Gortyna, Knossos, Kydonia, waren entschlossen, lieber mit den Waffen sich zu verteidigen, als jenen uebermaessigen Forderungen sich zu fuegen. Die Kretenser waren ein ruchloses und entartetes Volk, mit deren oeffentlicher und privater Existenz der Seeraub so innig verwachsen war wie der Landraub mit dem Gemeinwesen der Aetoler; allein sie glichen den Aetolern wie ueberhaupt in vielen Stuecken so auch in der Tapferkeit, und es sind denn auch diese beiden griechischen Gemeinden die einzigen, die den Kampf um die Unabhaengigkeit mutig und ehrenhaft gefuehrt haben. Bei Kydonia, wo Metellus seine drei Legionen ans Land setzte, stand eine kretische Armee von 24000 Mann unter Lasthenes und Panares bereit, ihn zu empfangen; es kam zu einer Schlacht im offenen Felde, in der der Sieg nach hartem Kampf den Roemern blieb. Allein die Staedte trotzten dem roemischen Feldherrn nichtsdestoweniger hinter ihren Mauern; Metellus musste sich entschliessen, eine nach der andern zu belagern. Zuerst ward Kydonia, wohin die Truemmer der geschlagenen Armee sich geworfen hatten, nach langer Belagerung von Panares gegen das Versprechen freien Abzuges fuer sich selber uebergeben. Lasthenes, der aus der Stadt entwichen war, musste zum zweiten Male in Knossos belagert werden, und da auch diese Festung im Begriff war zu fallen, vernichtete er seine Schaetze und entschluepfte abermals nach Orten, welche, wie Lyktos, Eleutherna und andere, die Verteidigung noch fortsetzten. Zwei Jahre (686, 687 68, 67) vergingen, bevor Metellus der ganzen Insel Herr und damit der letzte Fleck freier griechischer Erde in die Gewalt der uebermaechtigen Roemer gekommen war; die kretischen Gemeinden, wie sie zuerst von allen griechischen die freie Stadtverfassung und die Seeherrschaft bei sich entwickelt hatten, sollten auch die letzten von allen jenen, einst das Mittelmeer erfuellenden griechischen Seestaaten sein, die der roemischen Kontinentalmacht erlagen. Alle Rechtsbedingungen waren erfuellt, um wiederum einen der ueblichen pomphaften Triumphe zu feiern; das Geschlecht der Meteller konnte seinen makedonischen, numidischen, dalmatischen, baliarischen Titeln mit gleichem Recht den neuen kretischen beifuegen, und Rom besass einen stolzen Namen mehr. Nichtsdestoweniger stand die Macht der Roemer auf dem Mittelmeer nie tiefer, die der Korsaren nie hoeher als in diesen Jahren. Wohl mochten die Kiliker und Kreter der Meere, die in dieser Zeit bis 1000 Schiffe gezaehlt haben sollen, des Isaurikers wie des Kretikers und ihrer nichtigen Siege spotten. Wie nachdruecklich die Seeraeuber in den Mithradatischen Krieg eingriffen und wie die hartnaeckige Gegenwehr der pontischen Seestaedte ihre besten Kraefte aus dem Korsarenstaat zog, ward bereits erzaehlt. Aber derselbe machte auch auf eigene Hand kaum minder grossartige Geschaefte. Fast unter den Augen der Flotte Luculls ueberfiel im Jahre 685 (69) der Pirat Athenodoros die Insel Delos, zerstoerte deren vielgefeierte Heiligtuemer und Tempel und fuehrte die ganze Bevoelkerung fort in die Sklaverei. Die Insel Lipara bei Sizilien zahlte den Piraten jaehrlich einen festen Tribut, um von aehnlichen Ueberfaellen verschont zu bleiben. Ein anderer Piratenchef, Herakleon, zerstoerte im Jahre 682 (72) das in Sizilien gegen ihn ausgeruestete Geschwader und wagte es, mit nicht mehr als vier offenen Booten in den Hafen von Syrakus einzufahren. Zwei Jahre spaeter stieg sein Kollege Pyrganion in demselben Hafen sogar an das Land, setzte daselbst sich fest und schickte von dort aus Streifpartien in die Insel, bis ihn der roemische Statthalter endlich zwang, sich wiedereinzuschiffen. Das war man am Ende nachgerade gewohnt, dass alle Provinzen Geschwader ausruesteten und Strandwachen aufstellten oder doch fuer beides steuerten, und dennoch die Korsaren so regelmaessig erschienen, um die Provinzen auszupluendern wie die roemischen Statthalter. Aber selbst den geweihten Boden Italiens respektierten jetzt die unverschaemten Frevler nicht mehr: von Kroton fuehrten sie den Tempelschatz der Lakinischen Hera mit sich fort; sie landeten in Brundisium, Misenum, Caieta, in den etruskischen Haefen, ja in Ostia selbst; sie brachten die vornehmsten roemischen Offiziere als Gefangene auf, unter andern den Flottenfuehrer der kilikischen Armee und zwei Praetoren mit ihrem ganzen Gefolge, mit den gefuerchteten Beilen und Ruten selbst und allen Abzeichen ihrer Wuerde; sie entfuehrten aus einer Villa bei Misenum die eigene Schwester des zur Vernichtung der Piraten ausgesandten roemischen Oberadmirals Antonius; sie vernichteten im Hafen von Ostia die gegen sie ausgeruestete und von einem Konsul befehligte roemische Kriegsflotte. Der latinische Bauersmann, der Reisende auf der Appischen Strasse, der vornehme Badegast in dem irdischen Paradiese von Baiae waren ihrer Habe und ihres Lebens fuerder keinen Augenblick sicher; aller Handel und aller Verkehr stockte; die entsetzlichste Teuerung herrschte in Italien und namentlich in der von ueberseeischem Korn lebenden Hauptstadt. Die Mitwelt wie die Geschichte sind freigebig mit Klagen ueber unertraeglichen Notstand; hier duerfte die Bezeichnung passen. Es ist bisher geschildert worden, wie der von Sulla restaurierte Senat die Grenzbewachung in Makedonien, die Disziplin ueber die Klientelkoenige Kleinasiens, wie er endlich die Seepolizei geuebt hat; die Resultate waren nirgends erfreulich. Nicht bessere Erfolge erzielte die Regierung in einer anderen, vielleicht noch dringenderen Angelegenheit, der Ueberwachung des provinzialen und vor allem des italischen Proletariats. Der Krebsschaden des Sklavenproletariats zehrte an dem Marke aller Staaten des Altertums und um so mehr, je maechtiger sie emporgeblueht waren; denn Macht und Reichtum des Staats fuehrten unter den bestehenden Verhaeltnissen regelmaessig zu einer unverhaeltnismaessigen Vermehrung der Sklavenmenge. Natuerlich litt demnach Rom darunter schwerer als irgendein anderer Staat des Altertums. Schon die Regierung des sechsten Jahrhunderts hatte gegen die Banden entlaufener Hirten- und Feldsklaven Truppen schicken muessen. Die unter den italischen Spekulanten mehr und mehr um sich greifende Plantagenwirtschaft hatte das gefaehrliche Uebel ins unendliche gesteigert; in der Zeit der Gracchischen und der Marianischen Krise und mit denselben in engem Zusammenhang hatten Sklavenaufstaende an zahlreichen Punkten des Roemischen Reiches stattgehabt, in Sizilien sogar zu zwei blutigen Kriegen (619-622 und 652-654 135-132 und 102-100) sich entwickelt. Aber das Dezennium der Restaurationsherrschaft nach Sullas Tode ward die goldene Zeit wie fuer die Flibustier zur See so fuer die gleichartigen Banden auf dem Festland, vor allem in der bisher noch verhaeltnismaessig leidlich geordneten italischen Halbinsel. Von einem Landfrieden konnte daselbst kaum mehr die Rede sein. In der Hauptstadt und den minder bevoelkerten Landschaften Italiens waren Raeubereien alltaeglich, Mordtaten haeufig. Gegen Menschenraub an fremden Sklaven wie an freien Leuten erging – vielleicht in dieser Epoche – ein besonderer Volksschluss; gegen gewaltsame Besitzentziehung von Grundstuecken ward um diese Zeit eine eigene summarische Klage neu eingefuehrt. Diese Verbrechen mussten besonders deswegen gefaehrlich erscheinen, weil sie zwar gewoehnlich begangen wurden von dem Proletariat, aber als moralische Urheber und Teilnehmer an dem Gewinn auch die vornehme Klasse in grossem Umfang dabei mittaetig war. Namentlich der Menschen- und der Ackerraub wurde sehr haeufig durch die Aufseher der grossen Gueter veranlasst und durch die daselbst vereinigten haeufig bewaffneten Sklavenscharen ins Werk gesetzt; und gar mancher hochangesehene Mann verschmaehte nicht, was einer seiner diensteifrigen Sklavenaufseher so fuer ihn erwarb wie Mephisto fuer Faust die Linden Philemons. Wie die Dinge standen, zeigt die verschaerfte Bestrafung der durch bewaffnete Banden veruebten Eigentumsfrevel, welche einer der besseren Optimaten, Marcus Lucullus, als Vorstand der hauptstaedtischen Rechtspflege um das Jahr 676 (78) einfuehrte ^5, mit der ausgesprochenen Absicht, die Eigentuemer der grossen Sklavenherden durch die Gefahr sich dieselben aberkannt zu sehen, zu nachdruecklicherer Beaufsichtigung derselben anzuhalten. Wo also im Auftrag der vornehmen Welt gepluendert und gemordet ward, lag es diesen Sklaven- und Proletariermassen nahe, das gleiche Geschaeft fuer eigene Rechnung zu treiben; es genuegte ein Funke, um den furchtbaren Brennstoff in Flammen zu setzen und das Proletariat in eine Insurrektionsarmee zu verwandeln. Die Veranlassung fand sich bald. ————————————————- ^5 Aus diesen Bestimmungen hat sich der Begriff des Raubes als eines besonderen Verbrechens entwickelt, waehrend das aeltere Recht den Raub unter dem Diebstahl mitbegriff.
————————————————- Die Fechterspiele, die unter den Volkslustbarkeiten in Italien jetzt den ersten Rang behaupteten, hatten die Errichtung zahlreicher Anstalten namentlich in und um Capua herbeigefuehrt, worin diejenigen Sklaven teils aufbewahrt, teils eingeschult wurden, die bestimmt waren, zur Belustigung der souveraenen Menge zu toeten oder zu sterben – natuerlich grossenteils tapfere kriegsgefangene Leute, die es nicht vergessen hatten, einst gegen die Roemer im Felde gestanden zu haben. Eine Anzahl solcher verzweifelter Menschen brach aus einer der capuanischen Fechterschulen aus (681 73) und warf sich auf den Vesuv. An ihrer Spitze standen zwei keltische Maenner, die mit ihren Sklavennamen Krixos und Oenomaos genannt werden, und der Thraker Spartacus. Dieser, vielleicht ein Sproessling des edlen, in der thrakischen Heimat wie in Pantikapaeon sogar zu koeniglichen Ehren gelangten Geschlechts der Spartokiden, hatte unter den thrakischen Hilfstruppen im roemischen Heer gedient, war desertiert und als Raeuber in die Berge gegangen und hier wiedereingefangen und fuer die Kampfspiele bestimmt worden. Die Streifereien dieser kleinen, anfaenglich nur vierundsiebzig Koepfe zaehlenden, aber rasch durch Zulauf aus der Umgegend anschwellenden Schar wurden den Bewohnern der reichen kampanischen Landschaft bald so laestig, dass dieselben, nachdem sie vergeblich versucht hatten, sich selber ihrer zu erwehren, gegen sie Hilfe von Rom erbaten. Es erschien eine schleunig zusammengeraffte Abteilung von 3000 Mann unter Fuehrung des Clodius Glaber und besetzte die Aufgaenge zum Vesuv, um die Sklavenschar auszuhungern. Aber die Raeuber wagten es trotz ihrer geringen Anzahl und ihrer mangelhaften Bewaffnung, ueber jaehe Abhaenge hinabkletternd die roemischen Posten zu ueberfallen; und als die elende Miliz den kleinen Haufen verzweifelter Maenner unvermutet auf sich eindringen sah, gab sie Fersengeld und verlief sich nach allen Seiten. Dieser erste Erfolg verschaffte den Raeubern Waffen und steigenden Zulauf. Wenngleich auch jetzt noch ein grosser Teil von ihnen nichts fuehrte als zugespitzte Knuettel, so fand die neue und staerkere Abteilung der Landwehr, zwei Legionen unter dem Praetor Publius Varinius, die von Rom her in Kampanien einrueckte, sie schon fast wie ein Kriegsheer in der Ebene lagernd. Varinius hatte einen schwierigen Stand. Seine Milizen, genoetigt, dem Feind gegenueber zu biwakieren, wurden durch die feuchte Herbstwitterung und die dadurch erzeugten Krankheiten arg mitgenommen; und schlimmer noch als die Epidemien lichteten Feigheit und Unbotmaessigkeit die Reihen. Gleich zu Anfang lief eine seiner Abteilungen vollstaendig auseinander, so dass die Fluechtigen nicht etwa auf das Hauptkorps zurueck, sondern geradewegs nach Hause gingen. Als sodann der Befehl gegeben ward, gegen die feindlichen Verschanzungen vorzugehen und anzugreifen, weigerte sich der groesste Teil der Leute, ihm Folge zu leisten. Nichtsdestoweniger brach Varinius mit denen, die standhielten, gegen die Raeuberschar auf; allein er fand sie nicht mehr, wo er sie suchte. In tiefster Stille war sie aufgebrochen und hatte sich suedwaerts gegen Picentia (Vicenza bei Amalfi) gewendet, wo Varinius sie zwar einholte, aber es doch nicht wehren konnte, dass sie ueber den Silarus zurueckwich bis in das innere Lucanien, das gelobte Land der Hirten und der Raeuber. Auch dorthin folgte Varinius und hier endlich stellte der verachtete Feind sich zum Treffen. Alle Verhaeltnisse, unter denen der Kampf stattfand, waren zum Nachteil der Roemer; die Soldaten, so ungestuem sie kurz zuvor die Schlacht gefordert hatten, schlugen dennoch sich schlecht; Varinius ward vollstaendig besiegt, sein Pferd und die Insignien seiner Amtswuerde gerieten mit dem roemischen Lager selbst in Feindeshand. Massenweise stroemten die sueditalischen Sklaven, namentlich die tapferen halbwilden Hirten, unter die Fahne der so unverhofft erschienenen Erloeser; nach den maessigen Angaben stieg die Zahl der bewaffneten Insurgenten auf 40000 Mann. Kampanien, soeben geraeumt, ward rasch wieder eingenommen, das daselbst unter dem Quaestor des Varinius, Gaius Thoranius, zurueckgebliebene roemische Korps zersprengt und aufgerieben. Im ganzen Sueden und Suedwesten Italiens war das offene Land in den Haenden der siegreichen Raeuberhauptleute; selbst ansehnliche Staedte, wie Consentia im bruttischen Land, Thurii und Metapont in Lucanien, Nola und Nuceria in Kampanien, wurden von ihnen erstuermt und erlitten alle Greuel, die siegreiche Barbaren ueber wehrlose Zivilisierte, entfesselte Sklaven ueber ihre gewesenen Herren zu bringen vermoegen. Dass ein Kampf wie dieser ueberhaupt rechtlos und mehr eine Metzelei als ein Krieg war, versteht sich leider von selbst: die Herren schlugen jeden gefangenen Sklaven von Rechts wegen ans Kreuz; diese machten natuerlich gleichfalls ihre Gefangenen nieder oder zwangen gar in noch hoehnischerer Vergeltung die kriegsgefangenen Roemer, im Fechtspiel einander selber zu morden; wie dies spaeter mit dreihundert derselben bei der Leichenfeier eines im Kampfe gefallenen Raeuberhauptmanns geschah. In Rom war man mit Recht in Besorgnis ueber den immer weiter um sich greifenden verheerenden Brand. Es ward beschlossen, das naechste Jahr (682 72) beide Konsuln gegen die furchtbaren Bandenchefs auszusenden. In der Tat gelang es dem Praetor Quintus Arrius, einem Unterfeldherrn des Konsuls Lucius Genius, den keltischen Haufen, der unter Krixos von der Masse des Raeuberheers sich gesondert hatte und auf eigene Hand brandschatzte, in Apulien am Garganus zu fassen und zu vernichten. Aber um so glaenzendere Siege erfocht Spartacus im Apennin und im noerdlichen Italien, wo der Konsul Gnaeus Lentulus, waehrend er die Raeuber zu umzingeln und aufzuheben vermeinte, sodann sein Kollege Gellius und der soeben noch siegreiche Praetor Arrius, endlich bei Mutina der Statthalter des Diesseitigen Gallien, Gaius Cassius (Konsul 681 73), und der Praetor Gnaeus Manlius einer nach dem andern seinen Streichen erlagen. Die kaum bewaffneten Sklavenrotten waren der Schreck der Legionen; die Kette der Niederlagen erinnerte an die ersten Jahre des Hannibalischen Krieges. Was haette kommen moegen, wenn nicht entlaufene Fechtersklaven, sondern die Volkskoenige aus den Bergen der Auvergne oder des Balkan an der Spitze der siegreichen Scharen gestanden haetten, ist nicht zu sagen; wie die Bewegung einmal war, blieb sie trotz ihrer glaenzenden Siege ein Raeuberaufstand und unterlag weniger der Uebermacht ihrer Gegner als der eignen Zwietracht und Planlosigkeit. Die Einigkeit gegen den gemeinschaftlichen Feind, die in den frueheren sizilischen Sklavenkriegen in so bemerkenswerter Weise hervorgetreten war, wird in diesem italischen vermisst, wovon wohl die Ursache darin zu suchen ist, dass die sizilischen Sklaven in dem gemeinsamen Syrohellenismus einen gleichsam nationalen Einigungspunkt fanden, die italischen dagegen in die beiden Massen der Hellenobarbaren und der Keltogermanen sich schieden. Die Spaltung zwischen dem Kelten Krixos und dem Thraker Spartacus – Oenomaos war gleich in einem der ersten Gefechte gefallen – und aehnlicher Hader laehmte die Benutzung der errungenen Erfolge und verschaffte den Roemern manchen wichtigen Sieg. Aber noch weit nachteiliger als die keltisch-germanische Unbotmaessigkeit wirkte auf das Unternehmen der Mangel eines festen Planes und Zieles. Wohl stand Spartacus, nach dem Wenigen zu schliessen, was wir von dem seltenen Mann erfahren, hierin ueber seiner Partei. Er verriet neben seinem strategischen ein nicht gemeines Organisationstalent, wie denn gleich von Haus aus die Gerechtigkeit, mit der er seiner Schar vorstand und die Beute verteilte, wenigstens ebensosehr wie seine Tapferkeit die Augen der Masse auf ihn gelenkt hatte. Um dem empfindlichen Mangel an Reiterei und an Waffen abzuhelfen, versuchte er mit Hilfe der in Unteritalien aufgegriffenen Pferdeherden, sich eine Kavallerie zu schulen und zu disziplinieren und, sowie er den Hafen von Thurii in die Haende bekam, von dort aus Eisen und Kupfer, ohne Zweifel durch Vermittlung der Piraten, sich zu verschaffen. Aber in den Hauptsachen vermochte auch er nicht die wilden Horden, die er anfuehrte, auf feste Endziele hinzulenken. Gern haette er den tollen Bacchanalien der Grausamkeit gewehrt, die die Raeuber in den eingenommenen Staedten sich gestatteten und die die hauptsaechliche Ursache waren, weshalb keine italische Stadt freiwillig mit den Insurgenten gemeinschaftliche Sache machte; aber der Gehorsam, den der Raeuberhauptmann im Kampfe fand, hoerte mit dem Siege auf und seine Vorstellungen und Bitten waren vergeblich. Nach den im Apennin 682 (72) erfochtenen Siegen stand dem Sklavenheer nach jeder Richtung hin der Weg frei. Spartacus selbst soll beabsichtigt haben, die Alpen zu ueberschreiten, um sich und den Seinigen die Rueckkehr in ihre keltische oder thrakische Heimat zu oeffnen; wenn der Bericht gegruendet ist, so zeigt er, wie wenig der Sieger seine Erfolge und seine Macht ueberschaetzte. Da die Mannschaft sich weigerte, dem reichen Italien so rasch den Ruecken zu wenden, schlug Spartacus den Weg nach Rom ein und soll daran gedacht haben, die Hauptstadt zu blockieren. Indes auch diesem zwar verzweifelten, aber doch planmaessigen Beginnen zeigten die Scharen sich abgeneigt; sie zwangen ihren Fuehrer, da er Feldherr sein wollte, Raeuberhauptmann zu bleiben und ziellos weiter in Italien auf Pluenderung umherzuziehen. Rom mochte sich gluecklich preisen, dass es also kam; auch so aber war guter Rat teuer. Es fehlte an geuebten Soldaten wie an erprobten Feldherren; Quintus Metellus und Gnaeus Pompeius waren in Spanien, Marcus Lucullus in Thrakien, Lucius Lucullus in Kleinasien beschaeftigt, und zur Verfuegung standen nur rohe Milizen und hoechstens mittelmaessige Offiziere. Man bekleidete mit dem ausserordentlichen Oberbefehl in Italien den Praetor Marcus Crassus, der zwar kein namhafter Feldherr war, aber doch unter Sulla mit Ehren gefochten und wenigstens Charakter hatte, und stellte ihm eine wenn nicht durch ihre Qualitaet, doch durch ihre Zahl imponierende Armee von acht Legionen zur Verfuegung. Der neue Oberfeldherr begann damit, die erste Abteilung, die wieder mit Wegwerfung ihrer Waffen vor den Raeubern davonlief, nach der ganzen Strenge der Kriegsgesetze zu behandeln und den zehnten Mann davon hinrichten zu lassen; worauf in der Tat die Legionen sich wieder etwas mehr zusammennahmen. Spartacus, in dem naechsten Gefecht besiegt, zog sich zurueck und suchte durch Lucanien nach Rhegion zu gelangen. Ebendamals beherrschten die Piraten nicht bloss die sizilischen Gewaesser, sondern selbst den Hafen von Syrakus; mit Hilfe ihrer Boote gedachte Spartacus ein Korps nach Sizilien zu werfen, wo die Sklaven nur auf einen Anstoss warteten, um zum dritten Male loszuschlagen. Der Marsch nach Rhegion gelang, allein die Korsaren, vielleicht geschreckt durch die von dem Praetor Gaius Verres auf Sizilien eingerichteten Strandwachen, vielleicht auch von den Roemern bestochen, nahmen von Spartacus den bedungenen Lohn, ohne ihm die Gegenleistung dafuer zu gewaehren. Crassus inzwischen war dem Raeuberheer bis etwa an die Krathismuendung gefolgt und liess, aehnlich wie Scipio vor Numantia, seine Soldaten, da sie nicht schlugen, wie sie sollten, einen festungsaehnlich verschanzten Wall in der Laenge von sieben deutschen Meilen auffuehren, der die Bruttische Halbinsel von dem uebrigen Italien absperrte ^6 und dem von Rhegion zurueckkehrenden Insurgentenheer den Weg verlegte und die Zufuhr abschnitt. Indes in einer dunklen Winternacht durchbrach Spartacus die feindlichen Linien und stand im Fruehjahr 683 (71) ^7 wieder in Lucanien. Das muehsame Werk war also vergebens gewesen. Crassus fing an, an der Loesung seiner Aufgabe zu verzweifeln, und forderte vom Senat, dass er die in Makedonien unter Marcus Lucullus, im diesseitigen Spanien unter Gnaeus Pompeius stehenden Heere zu seiner Unterstuetzung nach Italien berufe. Es bedurfte indes dieses aeussersten Notschrittes nicht; die Uneinigkeit und der Uebermut der Raeuberhaufen genuegten, um ihre Erfolge wieder zu vereiteln. Abermals loesten sich die Kelten und Germanen von dem Bunde, dessen Haupt und Seele der Thraker war, um unter Fuehrern ihrer eigenen Nation, Gannicus und Castus, sich vereinzelt den Roemern ans Messer zu liefern. Einmal, am Lucanischen See, rettete sie Spartacus’ rechtzeitiges Erscheinen; sie schlugen nun zwar wohl ihr Lager nahe bei dem seinigen auf, aber dennoch gelang es Crassus, den Spartacus durch die Reiterei zu beschaeftigen und indessen die keltischen Haufen zu umstellen und zum Sonderkampf zu zwingen, in welchem sie saemtlich, man sagt 12300 Streiter, tapfer kaempfend fielen, alle auf dem Platze und mit den Wunden nach vorn. Spartacus versuchte darauf, sich mit seiner Abteilung in die Berge um Petelia (bei Strongoli in Kalabrien) zu werfen und schlug nachdruecklich die roemische Vorhut, die dem Weichenden folgte. Allein dieser Sieg gereichte mehr dem Sieger als dem Besiegten zum Nachteil. Berauscht von dem Erfolg weigerten sich die Raeuber, weiter zurueckzuweichen, und noetigten ihren Feldherrn, sie durch Lucanien nach Apulien dem letzten entscheidenden Kampf entgegenzufuehren. Vor der Schlacht stiess Spartacus sein Ross nieder; wie er im Glueck und im Unglueck treu bei den Seinen ausgeharrt hatte, so zeigte er ihnen jetzt durch die Tat, dass es ihm wie allen hier gehe um Sieg oder Tod. Auch in der Schlacht stritt er mit dem Mut eines Loewen: zwei Centurionen fielen von seiner Hand; verwundet und in die Knie gesunken noch fuehrte er den Speer gegen die andringenden Feinde. Also starben der grosse Raeuberhauptmann und mit ihm die besten seiner Gesellen den Tod freier Maenner und ehrlicher Soldaten (683 71). Nach dem teuer erkauften Siege ward von den Truppen, die ihn erfochten, und von denen des Pompeius, die inzwischen nach Ueberwindung der Sertorianer aus Spanien eingetroffen waren, durch ganz Apulien und Lucanien eine Menschenhetze angestellt, wie sie noch nicht dagewesen war, um die letzten Funken des gewaltigen Brandes zu zertreten. Obwohl in den suedlichen Landschaften, wo zum Beispiel das Staedtchen Tempsa 683 (71) von einer Raeuberschar eingenommen ward, und in dem durch Sullas Expropriationen schwer betroffenen Etrurien ein rechter Landfriede noch keineswegs sich einfand, galt doch derselbe offiziell als in Italien wiederhergestellt. Wenigstens die schmachvoll verlorenen Adler waren wiedergewonnen – allein nach dem Sieg ueber die Kelten brachte man deren fuenf ein; und laengs der Strasse von Capua nach Rom zeugten die sechstausend Kreuze, die gefangene Sklaven trugen, von der neu begruendeten Ordnung und dem abermaligen Siege des anerkannten Rechts ueber das rebellierende lebendige Eigen.
———————————————- ^6 Da die Linie sieben deutsche Meilen (Sall. hist. 4, 19 Dietsch; Plut. Crass. 10) lang war, so ging sie wohl nicht von Squillace nach Pizzo, sondern noerdlicher, etwa bei Castrovillari und Cassano ueber die hier in gerader Linie etwa sechs deutsche Meilen breite Halbinsel. ^7 Dass Crassus noch 682 (72) den Oberbefehl uebernahm, ergibt sich aus der Beseitigung der Konsuln (Plot. Crass. 10); dass der Winter 682/83 (72/71) den beiden Heeren am Bruttischen Wall verstrich, aus der “Schneenacht (Plot. a. a. O.).
————————————————— Blicken wir zurueck auf die Ereignisse, die das Dezennium der sullanischen Restauration erfuellen. Eine gewaltige, den Lebensnerv der Nation notwendig beruehrende Gefahr war an sich in keiner der waehrend dieser Zeit vorgekommenen aeusseren oder inneren Bewegungen enthalten, weder in der Insurrektion des Lepidus, noch in den Unternehmungen der spanischen Emigranten, noch in den thrakisch-makedonischen und kleinasiatischen Kriegen, noch in den Piraten- und Sklavenaufstaenden; und dennoch hatte der Staat fast in all diesen Kaempfen um seine Existenz gefochten. Die Ursache war, dass die Aufgaben, solange sie noch mit Leichtigkeit loesbar waren, ueberall ungeloest blieben; die Vernachlaessigung der einfachsten Vorsichtsmassregeln erzeugte die entsetzlichsten Missstaende und Ungluecksfaelle und schuf abhaengige Klassen und machtlose Koenige in ebenbuertige Gegner um. Die Demokratie zwar, und die Sklaveninsurrektion hatte man besiegt; aber wie die Siege waren, ward durch sie der Sieger weder innerlich gehoben noch aeusserlich gekraeftigt. Es war keine Ehre, dass die beiden gefeiertsten Generale der Regierungspartei in einem achtjaehrigen, mit mehr Niederlagen als Siegen bezeichneten Kampf des Insurgentenchefs Sertorius und seiner spanischen Guerillas nicht Herr geworden waren, dass erst der Mordstahl seiner Freunde den Sertorianischen Krieg zu Gunsten der legitimen Regierung entschieden hatte. Die Sklaven nun gar war es viel weniger eine Ehre besiegt, als eine Schande, ihnen jahrelang in gleichem Kampfe gegenuebergestanden zu haben. Wenig mehr als ein Jahrhundert war seit dem Hannibalischen Kriege verflossen; es musste dem ehrbaren Roemer das Blut in die Wangen treiben, wenn er den furchtbar raschen Ruecktritt der Nation seit jener grossen Zeit erwog. Damals standen die italischen Sklaven wie die Mauern gegen Hannibals Veteranen; jetzt staeubte die italische Landwehr vor den Knuetteln ihrer entlaufenen Knechte wie Spreu auseinander. Damals machte jeder einfache Oberst im Fall der Not den Feldherrn und focht oft ohne Glueck, doch immer mit Ehren; jetzt hielt es hart, unter all den vornehmen Offizieren nur einen Fuehrer von gewoehnlicher Brauchbarkeit zu finden. Damals nahm die Regierung lieber den letzten Bauer vom Pflug, als dass sie darauf verzichtet haette, Griechenland und Spanien zu erobern; jetzt war man drauf und dran, beide laengst erworbene Gebiete wieder preiszugeben, nur um daheim der aufstaendischen Knechte sich erwehren zu koennen. Auch Spartacus hatte, so gut wie Hannibal, vom Po bis an die sizilische Meerenge Italien mit Heeresmacht durchzogen, beide Konsuln geschlagen und Rom mit der Blockade bedroht; wozu es gegen das ehemalige Rom des groessten Feldherrn des Altertums bedurft hatte, das vermochte gegen das jetzige ein kecker Raeuberhauptmann. War es ein Wunder, dass solchen Siegen ueber Insurgenten und Raeuberfuehrer kein frisches Leben entkeimte? Ein noch minder erfreuliches Ergebnis aber hatten die aeusseren Kriege herausgestellt. Zwar der thrakisch-makedonische hatte, wenn kein dem ansehnlichen Aufwand von Menschen und Feld entsprechendes, doch auch kein geradezu unguenstiges Resultat gegeben. Dagegen in dem kleinasiatischen und in dem Piratenkrieg hatte die Regierung vollstaendigen Bankrott gemacht. Jener schloss ab mit dem Verlust der gesamten, in acht blutigen Feldzuegen gemachten Eroberungen, dieser mit der vollstaendigen Verdraengung der Roemer von “ihrem Meer”. Einst hatte Rom im Vollgefuehl der Unwiderstehlichkeit seiner Landmacht das Uebergewicht auch auf das zweite Element uebertragen; jetzt war der gewaltige Staat zur See ohnmaechtig und, wie es schien, im Begriff, auch wenigstens ueber den asiatischen Kontinent die Herrschaft einzubuessen. Die materiellen Wohltaten des staatlichen Daseins: Sicherheit der Grenzen, ungestoerter friedlicher Verkehr, Rechtsschutz, geordnete Verwaltung, fingen an, alle miteinander den saemtlichen im roemischen Staat vereinigten Nationen zu verschwinden; die segnenden Goetter alle schienen zum Olymp emporgestiegen zu sein und die jammervolle Erde den amtlich berufenen oder freiwilligen Pluenderern oder Peinigern ueberlassen zu haben. Dieser Verfall des Staats ward auch nicht etwa bloss von dem, der politische Rechte und Buergersinn hatte, als ein oeffentliches Unglueck gefuehlt, sondern die Proletariatsinsurrektion und die an die Zeiten der neapolitanischen Ferdinande erinnernde Raeuber- und Piratenwirtschaft trugen das Gefuehl dieses Verfalls in das entlegenste Tal, in die niedrigste Huette Italiens, liessen ihn jeden, der Handel und Verkehr trieb, der nur einen Scheffel Weizen kaufte, als persoenlichen Notstand empfinden. Wenn nach den Urhebern dieses heillosen und beispiellosen Jammers gefragt ward, so war es nicht schwer, mit gutem Recht gar viele deshalb anzuklagen. Die Sklavenwirte, deren Herz im Geldbeutel sass, die unbotmaessigen Soldaten, die bald feigen, bald unfaehigen, bald tollkuehnen Generale, die meist am falschen Ende hetzenden Demagogen des Marktes trugen ihren Teil der Schuld, oder vielmehr, wer trug an derselben nicht mit? Instinktmaessig ward es empfunden, dass dieser Jammer, diese Schande, diese Zerruettung zu kolossal waren, um das Werk eines einzelnen zu sein. Wie die Groesse des roemischen Gemeinwesens nicht das Werk hervorragender Individuen, sondern das einer tuechtig organisierten Buergerschaft gewesen ist, so ist auch der Verfall dieses gewaltigen Gebaeudes nicht aus der verderblichen Genialitaet einzelner, sondern aus der allgemeinen Desorganisation hervorgegangen. Die grosse Majoritaet der Buergerschaft taugte nichts und jeder morsche Baustein half mit zu dem Ruin des ganzen Gebaeudes; es buesste die ganze Nation, was die ganze Nation verschuldete. Es war ungerecht, wenn man die Regierung als den letzten greifbaren Ausdruck des Staats fuer alle heilbaren und unheilbaren Krankheiten desselben verantwortlich machte; aber das allerdings war wahr, dass die Regierung in furchtbar schwerer Weise mittrug an dem allgemeinen Verschulden. In dem Kleinasiatischen Kriege zum Beispiel, wo kein einzelner der regierenden Herren sich in hervorragender Weise verfehlt, Lucullus sogar, militaerisch wenigstens, tuechtig, ja glorreich sich gefuehrt hatte, ward es nur um so deutlicher, dass die Schuld des Misslingens in dem System und in der Regierung als solcher, hier zunaechst in dem frueheren schlaffen Preisgeben Kappadokiens und Syriens und in der schiefen Stellung des tuechtigen Feldherrn gegenueber dem keines energischen Beschlusses faehigen Regierungskollegium lag. Ebenso hatte in der Seepolizei der Senat den einmal gefassten richtigen Gedanken einer allgemeinen Piratenjagd erst in der Ausfuehrung verdorben und dann ihn gaenzlich fallen lassen, um wieder nach dem alten toerichten System gegen die Rosse des Meeres Legionen zu senden. Nach diesem System wurden die Expeditionen des Servilius und des Marcius nach Kilikien, des Metellus nach Kreta unternommen; nach diesem liess Triarius die Insel Delos zum Schutz vor den Piraten mit einer Mauer umziehen. Solche Versuche, der Seeherrschaft sich zu versichern, erinnern an jenen persischen Grosskoenig, der das Meer mit Ruten peitschen liess, um es sich untertaenig zu machen. Wohl hatte also die Nation guten Grund, ihren Bankrott zunaechst der Restaurationsregierung zur Last zu legen. Immer schon war mit der Wiederherstellung der Oligarchie ein aehnliches Missregiment gekommen, nach dem Sturz der Gracchen wie nach dem des Marius und Saturninus; aber so gewaltsam und zugleich doch auch so schlaff, so verdorben und verderblich war dasselbe nie zuvor aufgetreten. Wenn aber eine Regierung nicht regieren kann, hoert sie auf legitim zu sein und es hat, wer die Macht, auch das Recht, sie zu stuerzen. Zwar ist es leider wahr, dass eine unfaehige und verbrecherische Regierung lange Zeit das Wohl und die Ehre des Landes mit Fuessen zu treten vermag, bevor die Maenner sich finden, welche die von dieser Regierung selbst geschmiedeten entsetzlichen Waffen gegen sie schwingen und aus der sittlichen Empoerung der Tuechtigen und dem Notstande der vielen die in solchem Fall legitime Revolution heraufbeschwoeren koennen und wollen. Aber wenn das Spiel mit dem Gluecke der Voelker ein lustiges sein mag und wohl lange Zeit hindurch ungestoert gespielt werden kann, so ist es doch auch ein tueckisches, das zu seiner Zeit die Spieler verschlingt; und niemand schilt dann die Axt, wenn sie dem Baum, der solche Fruechte traegt, sich an die Wurzel legt. Fuer die roemische Oligarchie war diese Zeit jetzt gekommen. Der Pontisch-Armenische Krieg und die Piratenangelegenheit wurden die naechsten Ursachen zum Umsturz der Sullanischen Verfassung und zur Einsetzung einer revolutionaeren Militaerdiktatur. 3. Kapitel
Der Sturz der Oligarchie und die Herrschaft des Pompeius Noch stand die Sullanische Verfassung unerschuettert. Der Sturm, den Lepidus und Sertorius gegen sie gewagt hatten, war mit geringer Einbusse zurueckgeschlagen worden. Das halbfertige Gebaeude mit dem energischen Geiste seines Urhebers auszubauen, hatte die Regierung freilich versaeumt. Es zeichnet sie, dass sie die von Sulla zur Verteilung bestimmten, aber noch nicht von ihm selbst parzellierten Laendereien weder aufteilte noch auch den Anspruch auf dieselben geradezu aufgab, sondern die frueheren Eigentuemer ohne Regulierung des Titels vorlaeufig im Besitze duldete, manche noch unverteilte Strecke sullanischen Domaniallandes auch wohl gar von einzelnen Personen nach dem alten, durch die Gracchischen Reformen rechtlich und faktisch beseitigten Okkupationssystem willkuerlich in Besitz nehmen liess. Was den Optimaten unter den Sullanischen Bestimmungen gleichgueltig oder unbequem war, wurde ohne Bedenken ignoriert oder kassiert; so die gegen ganze Gemeinden ausgesprochene Aberkennung des Staatsbuergerrechts; so das Verbot der Zusammenschlagung der neuen Bauernstellen; so manche der von Sulla einzelnen Gemeinden erteilten Freibriefe, natuerlich ohne dass man die fuer diese Exemtionen gezahlten Summen den Gemeinden zurueckgegeben haette. Aber wenn auch diese Verletzungen der Ordnungen Sullas durch die Regierung selbst dazu beitrugen, die Fundamente seines Gebaeudes zu erschuettern, waren und blieben doch die Sempronischen Gesetze im wesentlichen abgeschafft.
Wohl fehlte es nicht an Maennern, die die Wiederherstellung der Gracchischen Verfassung im Sinn trugen, und nicht an Entwuerfen, um das, was Lepidus und Sertorius im Wege der Revolution versucht hatten, stueckweise auf dem Wege verfassungsmaessiger Reform zu erreichen. In die beschraenkte Wiederherstellung der Getreidespenden hatte die Regierung bereits unter dem Druck der Agitation des Lepidus unmittelbar nach Sullas Tode gewilligt (676 78) und sie tat ferner was irgend moeglich war, um in dieser Lebensfrage fuer das hauptstaedtische Proletariat ihm zu Willen zu sein. Als trotz jener Verteilungen die hohen, hauptsaechlich durch die Piraterie hervorgerufenen Kornpreise eine so drueckende Teuerung in Rom hervorriefen, dass es darueber im Jahre 679 (75) zu einem heftigen Strassenauflauf kam, halfen zunaechst ausserordentliche Ankaeufe von sizilischem Getreide fuer Rechnung der Regierung der aergsten Not ab; fuer die Zukunft aber regelte ein von den Konsuln des Jahres 681 (78) eingebrachtes Getreidegesetz die Ankaeufe des sizilischen Getreides und gab, freilich auf Kosten der Provinzialen, der Regierung die Mittel, um aehnliche Missstaende besser zu verhueten. Aber auch die minder materiellen Differenzpunkte, die Wiederherstellung der tribunizischen Gewalt in ihrem alten Umfang und die Beseitigung der senatorischen Gerichte, hoerten nicht auf, Gegenstaende populaerer Agitation zu bilden, und hier leistete die Regierung nachdruecklicheren Widerstand. Den Streit um das tribunizische Amt eroeffnete schon 678 (76), unmittelbar nach der Niederlage des Lepidus, der Volkstribun Lucius Sicinius, vielleicht ein Nachkomme des gleichnamigen Mannes, der mehr als vierhundert Jahre zuvor zuerst dieses Amt bekleidet hatte; allein er scheiterte an dem Widerstand, den der ruehrige Konsul Gaius Curio ihm entgegensetzte. Im Jahre 680 (74) nahm Lucius Quinctius die Agitation wieder auf, liess sich aber durch die Autoritaet des Konsuls Lucius Lucullus bestimmen, von seinem Vorhaben abzustehen. Mit groesserem Eifer trat das Jahr darauf in seine Fussstapfen Gaius Licinius Macer, der – bezeichnend fuer die Zeit – in das oeffentliche Leben seine literarischen Studien hineintrug und, wie er es in der Chronik gelesen, der Buergerschaft anriet, die Konskription zu verweigern. Auch ueber die schlechte Handhabung der Rechtspflege durch die senatorischen Geschworenen wurden bald nur zu wohl begruendete Beschwerden laut. Die Verurteilung eines einigermassen einflussreichen Mannes war kaum mehr zu erlangen. Nicht bloss empfand der Kollege mit dem Kollegen, der gewesene oder kuenftige Angeklagte mit dem gegenwaertigen armen Suender billiges Mitleid; auch die Kaeuflichkeit der Geschworenenstimmen war kaum noch eine Ausnahme. Mehrere Senatoren waren gerichtlich dieses Verbrechens ueberwiesen worden; auf andere gleich schuldige wies man mit Fingern; die angesehensten Optimaten, wie Quintus Catulus, raeumten in offener Senatssitzung es ein, dass die Beschwerden vollkommen gegruendet seien; einzelne besonders eklatante Faelle zwangen den Senat mehrmals, zum Beispiel im Jahre 680 (74), ueber Massregeln gegen die Freiheit der Geschworenen zu deliberieren, natuerlich nur so lange, bis der erste Laerm sich gelegt hatte und man die Sache unter das Eis gleiten lassen konnte. Die Folgen dieser elenden Rechtspflege zeigten sich namentlich in einem System der Pluenderung und Peinigung der Provinzialen, mit dem verglichen selbst die bisherigen Frevel ertraeglich und gemaessigt erschienen. Das Stehlen und Rauben war gewissermassen durch Gewohnheit legitim geworden; die Erpressungskommission konnte als eine Anstalt gelten, um die aus den Vogteien heimkehrenden Senatoren zu Gunsten ihrer daheimgebliebenen Kollegen zu besteuern. Aber als ein angesehener Sikeliote, weil er dem Statthalter nicht hatte zu einem Verbrechen die Hand bieten wollen, dafuer von diesem abwesend und ungehoert zum Tode verurteilt ward; als selbst roemische Buerger, wenn sie nicht Ritter oder Senatoren waren, in der Provinz nicht mehr sicher waren vor den Ruten und Beilen des roemischen Vogts, und die aelteste Errungenschaft der roemischen Demokratie, die Sicherheit des Leibes und Lebens, von der herrschenden Oligarchie anfing mit Fuessen getreten zu werden: da hatte auch das Publikum auf dem roemischen Markte ein Ohr fuer die Klagen ueber seine Voegte in den Provinzen und ueber die ungerechten Richter, die solche Untaten moralisch mitverschuldeten. Die Opposition unterliess es natuerlich nicht, auf dem fast allein ihr uebriggebliebenen Terrain, dem gerichtlichen, ihre Gegner anzugreifen. So zog der junge Gaius Caesar, der auch, soweit sein Alter es gestattete, sich bei der Agitation um die Wiederherstellung der tribunizischen Gewalt eifrig beteiligte, im Jahre 677 (77) einen der angesehensten Sullanischen Parteimaenner, den Konsular Gnaeus Dolabella, und im folgenden Jahr einen andern Sullanischen Offizier, Gaius Antonius, vor Gericht; so Marcus Cicero 684 (70) den Gaius Verres, eine der elendesten unter den Kreaturen Sullas und eine der schlimmsten Geisseln der Provinzialen. Wieder und wieder wurden die Bilder jener finsteren Zeit der Aechtungen, die entsetzlichen Leiden der Provinzialen, der schmachvolle Stand der roemischen Kriminalrechtspflege mit allem Pomp italienischer Rhetorik, mit aller Bitterkeit italienischen Spottes vor der versammelten Menge entfaltet und der gewaltige Tote sowie seine lebenden Schergen ihrem Zorn und Hohn unnachsichtlich preisgegeben. Die Wiederherstellung der vollen tribunizischen Gewalt, an deren Bestehen die Freiheit, die Macht und das Glueck der Volksgemeinde wie durch uralt heiligen Zauber geknuepft schien, die Wiedereinfuehrung der “strengen” Gerichte der Ritterschaft, die Erneuerung der von Sulla beseitigten Zensur zur Reinigung der hoechsten Staatsbehoerde von den faulen und schaedlichen Elementen wurden taeglich mit lautem Ruf von den Rednern der Volkspartei gefordert.
Indes mit alledem kam man nicht weiter. Es gab Skandal und Laerm genug, aber ein eigentlicher Erfolg ward dadurch, dass man die Regierung nach und ueber Verdienst prostituierte, doch noch keineswegs erreicht. Die materielle Macht lag immer noch, solange militaerische Einmischung fern blieb, in den Haenden der hauptstaedtischen Buergerschaft; und dies “Volk”, das in den Gassen Roms sich draengte und auf dem Markt Beamte und Gesetze machte, war eben um nichts besser als der regierende Senat: Zwar musste die Regierung mit der Menge sich abfinden, wo deren eigenes naechstes Interesse in Frage kam; dies ist die Ursache der Erneuerung des Sempronischen Korngesetzes. Allein daran war nicht zu denken, dass diese Buergerschaft um einer Idee oder gar um einer zweckmaessigen Reform willen Ernst gemacht haette. Mit Recht ward auf die Roemer dieser Zeit angewandt, was Demosthenes von seinen Athenern sagte: dass die Leute gar eifrig taeten, solange sie um die Rednerbuehne staenden und die Vorschlaege zu Reformen vernaehmen; aber wenn sie nach Hause gekommen seien, denke keiner weiter an das, was er auf dem Markte gehoert habe. Wie auch jene demokratischen Agitatoren die Flammen schuerten, es half eben nichts, da der Brennstoff fehlte. Die Regierung wusste dies und liess in den wichtigen Prinzipienfragen sich keinerlei Zugestaendnis entreissen; hoechstens dass sie sich dazu verstand (um 682 72), einem Teil der mit Lepidus landfluechtig gewordenen Leute die Amnestie zuzugestehen. Was von Konzessionen erfolgte, ging nicht so sehr aus dem Draengen der Demokratie hervor, als aus den Vermittlungsversuchen der gemaessigten Aristokratie. Allein von den beiden Gesetzen, die der einzige noch uebrige Fuehrer dieser Fraktion, Gaius Cotta, in seinem Konsulat 679 (75) durchsetzte, wurde das die Gerichte betreffende schon im naechsten Jahre wieder beseitigt, und auch das zweite, welches die Sullanische Bestimmung aufhob, dass die Bekleidung des Tribunats zur Uebernahme anderer Magistraturen unfaehig mache, die uebrigen Beschraenkungen aber bestehen liess, erregte wie jede halbe Massregel nur den Unwillen beider Parteien. Die Partei der reformistisch gesinnten Konservativen, die durch Cottas bald nachher (um 681 73) erfolgten fruehen Tod ihr namhaftestes Haupt verlor, sank mehr und mehr in sich selbst zusammen, erdrueckt zwischen den immer schroffer hervortretenden Extremen. Von diesen aber blieb die Partei der Regierung, schlecht und schlaff wie sie war, der gleich schlechten und gleich schlaffen Opposition gegenueber notwendig im Vorteil.
Aber dies der Regierung so guenstige Verhaeltnis aenderte sich, als die Differenzen zwischen ihr und denjenigen ihrer Parteigaenger sich schaerfer entwickelten, deren Hoffnungen ueber den Ehrensitz in der Kurie und das aristokratische Landhaus hinaus zu hoeheren Zielen sich erhoben. In erster Linie stand hier Gnaeus Pompeius. Wohl war er Sullaner; aber es ist frueher gezeigt worden, wie wenig er unter seiner eigenen Partei sich zurechtfand, wie von der Nobilitaet, als deren Schild und Schwert er offiziell angesehen ward, ihn doch seine Herkunft, seine Vergangenheit, seine Hoffnungen immer wieder schieden. Der schon klaffende Riss hatte waehrend der spanischen Feldzuege (677 – 683 77 – 71) des Feldherrn sich unheilbar erweitert. Unwillig und halb gezwungen hatte die Regierung ihn ihrem rechten Vertreter Quintus Metellus als Kollegen beigesellt; und wieder er beschuldigte, wohl nicht ohne Grund, den Senat durch die sei es liederliche, sei es boeswillige Vernachlaessigung der spanischen Armeen deren Niederlagen verschuldet und das Schicksal der Expedition aufs Spiel gesetzt zu haben. Nun kam er zurueck als Sieger ueber die heimlichen Feinde, an der Spitze eines krieggewohnten und ihm ganz ergebenen Heeres, fuer seine Soldaten Landanweisungen begehrend, fuer sich Triumph und Konsulat. Die letzteren Forderungen verstiessen gegen das Gesetz. Pompeius, obwohl mehrmals schon ausserordentlicherweise mit der hoechsten Amtsgewalt bekleidet, hatte noch kein ordentliches Amt, nicht einmal die Quaestur verwaltet und war noch immer nicht Mitglied des Rats; und Konsul durfte nur werden, wer die Staffel der geringeren ordentlichen Aemter durchmessen, triumphieren nur, wer die ordentliche hoechste Gewalt bekleidet hatte. Der Senat war gesetzlich befugt, ihn, wenn er um das Konsulat sich bewarb, auf die Bewerbung um die Quaestur zu verweisen, wenn er den Triumph erbat, ihn an den grossen Scipio zu erinnern, der unter gleichen Verhaeltnissen auf den Triumph ueber das eroberte Spanien verzichtet hatte. Nicht minder hing Pompeius hinsichtlich der seinen Soldaten versprochenen Domaenen verfassungsmaessig ab von dem guten Willen des Senats. Indes wenn auch der Senat, wie es bei seiner Schwaechlichkeit auch im Grollen wohl denkbar war, hierin nachgab und dem siegreichen Feldherrn fuer den gegen die Demokratenchefs geleisteten Schergendienst den Triumph, das Konsulat, die Landanweisungen zugestand, so war doch eine ehrenvolle Annulierung in ratsherrlicher Indolenz unter der langen Reihe der friedlichen senatorischen Imperatoren das guenstigste Los, das die Oligarchie dem sechsunddreissigjaehrigen Feldherrn zu bereiten vermochte. Das, wonach sein Herz eigentlich verlangte, das Kommando im Mithradatischen Krieg freiwillig vom Senat bewilligt zu erhalten, konnte er nimmer erwarten; in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse durfte die Oligarchie es nicht zulassen, dass er den afrikanischen und europaeischen noch die Trophaeen des dritten Weltteils hinzufuegte; die im Osten reichlich und bequem zu pflueckenden Lorbeeren blieben auf jeden Fall der reinen Aristokratie vorbehalten. Wenn aber der gefeierte General bei der herrschenden Oligarchie seine Rechnung nicht fand, so blieb – da zu einer rein persoenlichen, ausgesprochen dynastischen Politik weder die Zeit reif noch Pompeius’ ganze Persoenlichkeit geeignet war – ihm keine andere Wahl, als mit der Demokratie gemeinschaftliche Sache zu machen. An die Sullanische Verfassung band ihn kein eigenes Interesse: er konnte seine persoenlichen Zwecke auch innerhalb einer mehr demokratischen ebensogut, wo nicht besser verfolgen. Dagegen fand er alles, was er brauchte, bei der demokratischen Partei. Die taetigen und gewandten Fuehrer derselben waren bereit und faehig, dem unbehilflichen und etwas hoelzernen Helden die muehselige politische Leitung abzunehmen, und doch viel zu gering, um dem gefeierten Feldherrn die erste Rolle und namentlich die militaerische Oberleitung streitig machen zu koennen oder auch nur zu wollen. Selbst der weitaus bedeutendste von ihnen, Gaius Caesar, war nichts als ein junger Mensch, dem seine dreisten Fahrten und eleganten Schulden weit mehr als seine feurige demokratische Beredsamkeit einen Namen gemacht hatten und der sich sehr geehrt fuehlen musste, wenn der weltberuehmte Imperator ihm gestattete, sein politischer Adjutant zu sein. Die Popularitaet, auf welche Menschen wie Pompeius, von groesseren Anspruechen als Faehigkeiten, mehr Wert zu legen pflegen, als sie gern sich selber gestehen, musste im hoechsten Mass dem jungen General zuteil werden, dessen Uebertritt der fast aussichtslosen Sache der Demokratie den Sieg gab. Der von ihm fuer sich und seine Soldaten geforderte Siegeslohn fand damit sich von selbst. Ueberhaupt schien, wenn die Oligarchie gestuerzt ward, bei dem gaenzlichen Mangel anderer ansehnlicher Oppositionshaeupter es nur von Pompeius abzuhaengen, seine weitere Stellung sich selber zu bestimmen. Daran aber konnte kaum gezweifelt werden, dass der Uebertritt des Feldherrn der soeben siegreich aus Spanien heimkehrenden und noch in Italien geschlossen zusammenstehenden Armee zur Oppositionspartei den Sturz der bestehenden Ordnung zur Folge haben muesse. Regierung und Opposition waren gleich machtlos; sowie die letztere nicht mehr bloss mit Deklamationen focht, sondern das Schwert eines siegreichen Feldherrn bereit war, ihren Anforderungen Nachdruck zu geben, war die Regierung jedenfalls, vielleicht sogar ohne Kampf, ueberwunden.
So sah man von beiden Seiten sich gedraengt zur Koalition. An persoenlichen Abneigungen mochte es dort wie hier nicht fehlen; der siegreiche Feldherr konnte die Strassenredner unmoeglich lieben, diese noch weniger den Henker des Carbo und Brutus mit Freuden als ihr Haupt begruessen; indes die politische Notwendigkeit ueberwog, wenigstens fuer den Augenblick, jedes sittliche Bedenken.
Aber die Demokraten und Pompeius schlossen ihren Bund nicht allein. Auch Marcus Crassus war in einer aehnlichen Lage wie Pompeius. Obwohl Sullaner wie dieser, war doch auch seine Politik, ganz wie die des Pompeius, vor allem eine persoenliche und durchaus nicht die der herrschenden Oligarchie; und auch er stand jetzt in Italien an der Spitze einer starken und siegreichen Armee, mit welcher er soeben den Sklavenaufstand niedergeschlagen hatte. Es blieb ihm die Wahl entweder gegen die Koalition mit der Oligarchie sich zu verbinden oder in die Koalition einzutreten; er waehlte den letzteren und damit ohne Zweifel den sichereren Weg. Bei seinem kolossalen Vermoegen und seinem Einfluss auf die hauptstaedtischen Klubs war er ueberhaupt ein schaetzbarer Bundesgenosse; unter den obwaltenden Umstaenden aber war es ein unberechenbarer Gewinn, wenn das einzige Heer, mit welchem der Senat den Truppen des Pompeius haette begegnen koennen, der angreifenden Macht sich beigesellte. Die Demokraten ueberdies, denen bei der Allianz mit dem uebermaechtigen Feldherrn nicht wohl zu Mute sein mochte, sahen nicht ungern in Marcus Crassus ihm ein Gegengewicht und vielleicht einen kuenftigen Rivalen zur Seite gestellt. So kam im Sommer des Jahres 683 (71) die erste Koalition zustande zwischen der Demokratie einer- und den beiden Sullanischen Generalen Gnaeus Pompeius und Marcus Crassus andererseits. Beide machten das Parteiprogramm der Demokratie zu dem ihrigen; es ward ihnen dafuer zunaechst das Konsulat auf das kommende Jahr, Pompeius ueberdies der Triumph und die begehrten Landlose fuer seine Soldaten, Crassus als dem Ueberwinder des Spartacus wenigstens die Ehre des feierlichen Einzugs in die Hauptstadt zugesichert.
Den beiden italischen Armeen, der hohen Finanz und der Demokratie, die also zum Sturz der Sullanischen Verfassung verbuendet auftraten, hatte der Senat nichts gegenueberzustellen als etwa das zweite spanische Heer unter Quintus Metellus Pius. Allein Sulla hatte richtig vorhergesagt, dass das, was er getan, nicht zum zweitenmal geschehen werde: Metellus, durchaus nicht geneigt, sich in einen Buergerkrieg zu verwickeln, hatte sofort nach Ueberschreitung der Alpen seine Soldaten entlassen. So blieb der Oligarchie nichts uebrig, als in das Unvermeidliche sich zu fuegen. Der Rat bewilligte die fuer Konsulat und Triumph erforderlichen Dispensationen; Pompeius und Crassus wurden, ohne Widerstand zu finden, zu Konsuln fuer das Jahr 684 (70) gewaehlt, waehrend ihre Heere, angeblich in Erwartung des Triumphs, vor der Stadt lagerten. Noch vor dem Antritt seines Amtes bekannte sodann Pompeius in einer von dem Volkstribun Marcus Lollius Palicanus abgehaltenen Volksversammlung sich oeffentlich und foermlich zu dem demokratischen Programm. Die Verfassungsaenderung war damit im Prinzip entschieden.
Allen Ernstes ging man nun an die Beseitigung der sullanischen Institutionen. Vor allen Dingen erhielt das tribunizische Amt wieder seine fruehere Geltung. Pompeius selbst als Konsul brachte das Gesetz ein, das den Volkstribunen ihre althergebrachten Befugnisse, namentlich auch die legislatorische Initiative zurueckgab – freilich eine seltsame Gabe aus der Hand des Mannes, der mehr als irgend ein Lebender dazu getan hatte, der Gemeinde ihre alten Privilegien zu entreissen.
Hinsichtlich der Geschworenenstellung wurde die Bestimmung Sullas, dass das Verzeichnis der Senatoren als Geschworenenliste dienen solle, zwar abgeschafft; allein es kam doch keineswegs zu einer einfachen Wiederherstellung der Gracchischen Rittergerichte. Kuenftig, so bestimmte das neue Aurelische Gesetz, sollten die Geschworenenkollegien zu einem Dritteil aus Senatoren bestehen, zu zwei Dritteilen aus Maennern vom Ritterzensus, von welchen letzteren wieder die Haelfte die Distriktvorsteherschaft oder das sogenannte Kassentribunat bekleidet haben musste. Es war diese letzte Neuerung eine weitere, den Demokraten gemachte Konzession, indem hiernach wenigstens der dritte Teil der Kriminalgeschworenen mittelbar hervorging aus den Wahlen der Distrikte. Wenn dagegen der Senat nicht gaenzlich aus den Gerichten verdraengt ward, so ist die Ursache davon wahrscheinlich teils in Crassus’ Beziehungen zum Senat zu suchen, teils in dem Beitritt der senatorischen Mittelpartei zu der Koalition, mit dem es auch wohl zusammenhaengt, dass der Bruder ihres kuerzlich verstorbenen Fuehrers, der Praetor Lucius Cotta, dies Gesetz einbrachte. Nicht weniger wichtig war die Beseitigung der fuer Asien von Sulla festgesetzten Steuerordnung, welche vermutlich ebenfalls in dies Jahr faellt; der damalige Statthalter Asiens, Lucius Lucullus, ward angewiesen, das von Gaius Gracchus eingefuehrte Verpachtungssystem wiederherzustellen und damit der hohen Finanz diese wichtige Geld- und Machtquelle zurueckzugeben. Endlich ward die Zensur wieder ins Leben gerufen. Die Wahlen dafuer, welche die neuen Konsuln kurz nach Antritt ihres Amtes anberaumten, fielen, in offenbarer Verhoehnung des Senats, auf die beiden Konsuln des Jahres 682 (73) Gnaeus Lentulus Clodianus und Lucius Genius, die wegen ihrer elenden Kriegfuehrung gegen Spartacus durch den Senat vom Kommando entfernt worden waren. Es begreift sich, dass diese Maenner alle Mittel, die ihr wichtiges und ernstes Amt ihnen zu Gebote stellte, in Bewegung setzten, um den neuen Machthabern zu huldigen und den Senat zu aergern. Mindestens der achte Teil des Senats, vierundsechzig Senatoren, eine bis dahin unerhoerte Zahl, wurden von der Liste gestrichen, darunter der einst von Gaius Caesar ohne Erfolg angeklagte Gaius Antonius und der Konsul des Jahres 683 (71), Publius Lentulus Sura, vermutlich auch nicht wenige der verhassten Kreaturen Sullas. So war man mit dem Jahre 684 (70) wieder im wesentlichen zurueckgekommen auf die vor der sullanischen Restauration bestehenden Ordnungen. Wieder ward die hauptstaedtische Menge aus der Staatskasse, das heisst von den Provinzen gespeist; wieder gab die tribunizische Gewalt jedem Demagogen den gesetzlichen Freibrief, die staatlichen Ordnungen zu verkehren; wieder erhob der Geldadel, als Inhaber der Steuerpachtungen und der gerichtlichen Kontrolle ueber die Statthalter, neben der Regierung sein Haupt so maechtig wie nur je zuvor; wieder zitterte der Senat vor dem Wahrspruch der Geschworenen des Ritterstandes und vor der zensorischen Ruege. Das System Sullas, das auf die politische Vernichtung der kaufmaennischen Aristokratie und der Demagogie die Alleinherrschaft der Nobilitaet begruendet hatte, war damit vollstaendig ueber den Haufen geworfen. Abgesehen von einzelnen untergeordneten Bestimmungen, deren Abschaffung erst spaeter nachgeholt wurde, wie zum Beispiel der Zurueckgabe des Selbstergaenzungsrechts an die Priesterkollegien, blieb von Sullas allgemeinen Ordnungen hiernach nichts uebrig als teils die Konzessionen, die er selbst der Opposition zu machen notwendig gefunden hatte, wie namentlich die Anerkennung des roemischen Buergerrechts der saemtlichen Italiker, teils Verfuegungen ohne schroffe Parteitendenz, an denen deshalb auch die verstaendigen Demokraten nichts auszusetzen fanden, wie unter anderm die Beschraenkung der Freigelassenen, die Regulierung der Beamtenkompetenzen und die materiellen Aenderungen im Kriminalrecht.
Weniger einig als ueber diese prinzipiellen war die Koalition hinsichtlich der persoenlichen Fragen, die eine solche Staatsumwaelzung anregte. Begreiflicherweise liessen die Demokraten sich nicht genuegen mit der allgemeinen Anerkennung ihres Programms, sondern auch sie forderten jetzt eine Restauration in ihrem Sinn: Wiederherstellung des Andenkens ihrer Toten, Bestrafung der Moerder, Rueckberufung der Geaechteten aus der Verbannung, Aufhebung der auf ihren Kindern lastenden politischen Zuruecksetzung, Rueckgabe der von Sulla eingezogenen Gueter, Schadenersatz aus dem Vermoegen der Erben und Gehilfen des Diktators. Es waren das allerdings die logischen Konsequenzen, die aus einem reinen Sieg der Demokratie sich ergaben; allein der Sieg der Koalition von 683 (71) war doch weit entfernt, ein solcher zu sein. Die Demokratie gab dazu den Namen und das Programm, die uebergetretenen Offiziere aber, vor allen Pompeius, die Macht und die Vollendung; und nun- und nimmermehr konnten diese zu einer Reaktion ihre Zustimmung geben, die nicht bloss die bestehenden Verhaeltnisse bis in ihre Grundfesten erschuettert, sondern auch schliesslich sich gegen sie selbst gewandt haben wuerde – war es doch noch im frischen Andenken, welcher Maenner Blut Pompeius vergossen, wie Crassus zu seinem ugeheuren Vermoegen den Grund gelegt hatte. So ist es wohl erklaerlich, aber auch zugleich bezeichnend fuer die Schwaeche der Demokratie, dass die Koalition von 683 (71) nicht das geringste tat, um den Demokraten Rache oder auch nur Rehabilitation zu gewaehren. Die nachtraegliche Einforderung aller der fuer erstandene konfiszierte Gueter noch rueckstaendigen oder auch von Sulla den Kaeufern erlassenen Kaufgelder, welche der Zensor Lentulus in einem besonderen Erlass feststellte, kann kaum als Ausnahme bezeichnet werden; denn wenn auch nicht wenige Sullaner dadurch in ihren persoenlichen Interessen empfindlich verletzt wurden, so war doch die Massregel selbst wesentlich eine Bestaetigung der von Sulla vorgenommenen Konfiskationen. Sullas Werk war also zerstoert; aber was nun werden sollte, war damit viel mehr in Frage gestellt als entschieden. Die Koalition, einzig zusammengehalten durch den gemeinschaftlichen Zweck, das Restaurationswerk zu beseitigen, loeste sich, als dieser erreicht war, wenn nicht foermlich, doch der Sache nach von selber auf; fuer die Frage aber, wohin nun zunaechst das Schwergewicht der Macht fallen sollte, schien sich eine ebenso rasche wie gewaltsame Loesung vorzubereiten. Die Heere des Pompeius und Crassus lagerten immer noch vor den Toren der Stadt. Jener hatte zwar zugesagt, nach dem Triumph (am letzten Dezember 683 71) seine Soldaten zu verabschieden; allein zunaechst war es unterblieben, um unter dem Druck, den das spanische Heer vor der Hauptstadt auf diese und den Senat ausuebte, die Staatsumwaelzung ungestoert zu vollenden, was denn in gleicher Weise auch auf die Armee des Crassus Anwendung fand. Diese Ursache bestand jetzt nicht mehr; aber dennoch unterblieb die Aufloesung der Heere. Die Dinge nahmen die Wendung, als werde einer der beiden mit der Demokratie alliierten Feldherrn die Militaerdiktatur ergreifen und Oligarchen und Demokraten in dieselben Fesseln schlagen. Dieser eine aber konnte nur Pompeius sein. Von Anfang an hatte Crassus in der Koalition eine untergeordnete Rolle gespielt; er hatte sich antragen muessen und verdankte selbst seine Wahl zum Konsulat hauptsaechlich Pompeius’ stolzer Verwendung. Weitaus der staerkere, war Pompeius offenbar der Herr der Situation; wenn er zugriff, so schien er werden zu muessen, als was ihn der Instinkt der Menge schon jetzt bezeichnete: der unumschraenkte Gebieter des maechtigsten Staates der zivilisierten Welt. Schon draengte sich die ganze Masse der Servilen um den kuenftigen Monarchen. Schon suchten die schwaecheren Gegner eine letzte Hilfe in einer neuen Koalition; Crassus, voll alter und neuer Eifersucht auf den juengeren, so durchaus ihn ueberfluegelnden Rivalen, naeherte sich dem Senat und versuchte, durch beispiellose Spenden die hauptstaedtische Menge an sich zu fesseln – als ob die durch Crassus selbst mitgebrochene Oligarchie und der ewig undankbare Poebel vermocht haben wuerden, gegen die Veteranen der spanischen Armee irgendwelchen Schutz zu gewaehren. Einen Augenblick schien es, als wuerde es vor den Toren der Hauptstadt zwischen den Heeren des Pompeius und Crassus zur Schlacht kommen.
Allein diese Katastrophe wandten die Demokraten durch ihre Einsicht und ihre Geschmeidigkeit ab. Auch ihrer Partei lag, ebenwie dem Senat und Crassus, alles daran, dass Pompeius nicht die Diktatur ergriff; aber mit richtigerer Einsicht in ihre eigene Schwaeche und in den Charakter des maechtigen Gegners versuchten ihre Fuehrer den Weg der Guete. Pompeius fehlte keine Bedingung, um nach der Krone zu greifen, als die erste von allen: der eigene koenigliche Mut. Wir haben den Mann frueher geschildert, mit seinem Streben, zugleich loyaler Republikaner und Herr von Rom zu sein, mit seiner Unklarheit und Willenlosigkeit, mit seiner, unter dem Pochen auf selbstaendige Entschluesse sich verbergenden Lenksamkeit. Es war dies die erste grosse Probe, auf die das Verhaengnis ihn stellte; er hat sie nicht bestanden. Der Vorwand, unter dem Pompeius die Entlassung der Armee verweigerte, war, dass er Crassus misstraute und darum nicht mit der Entlassung der Soldaten den Anfang machen koenne. Die Demokraten bestimmten den Crassus, hierin entgegenkommende Schritte zu tun, dem Kollegen vor aller Augen zum Frieden die Hand zu bieten; oeffentlich und insgeheim bestuermten sie diesen, dass er zu dem zwiefachen Verdienst, den Feind besiegt und die Parteien versoehnt zu haben, noch das dritte und groesste fuegen moege, dem Vaterland den inneren Frieden zu erhalten und das drohende Schreckbild des Buergerkrieges zu bannen. Was nur immer auf einen eitlen, ungewandten, unsicheren Mann zu wirken vermag, alle Schmeichelkuenste der Diplomatie, aller theatralische Apparat patriotischer Begeisterung wurde in Bewegung gesetzt, um das ersehnte Ziel zu erreichen; was aber die Hauptsache war, die Dinge hatten durch Crassus’ rechtzeitige Nachgiebigkeit sich so gestaltet, dass Pompeius nur die Wahl blieb, entweder geradezu als Tyrann von Rom auf- oder zurueckzutreten. So gab er endlich nach und willigte in die Entlassung der Truppen. Das Kommando im Mithradatischen Krieg, das zu erlangen er ohne Zweifel hoffte, als er sich fuer 684 (70) zum Konsul hatte waehlen lassen, konnte er jetzt nicht wuenschen, da mit dem Feldzuge von 683 (71) Lucullus diesen Krieg in der Tat beendigt zu haben schien; die vom Senat in Gemaessheit des Sempronischen Gesetzes ihm angewiesene Konsularprovinz anzunehmen, hielt er unter seiner Wuerde, und Crassus folgte darin seinem Beispiel. So zog Pompeius, als er nach Entlassung seiner Soldaten am letzten Tage des Jahres 684 (70) sein Konsulat niederlegte, sich zunaechst ganz von den oeffentlichen Geschaeften zurueck und erklaerte, fortan als einfacher Buerger in stiller Musse leben zu wollen. Er hatte sich so gestellt, dass er nach der Krone greifen musste und, da er dies nicht wollte, ihm keine Rolle uebrig blieb als die nichtige eines resignierenden Thronkandidaten. Der Ruecktritt des Mannes, dem nach der Lage der Sachen die erste Stelle zukam, vom politischen Schauplatz fuehrte zunaechst ungefaehr dieselbe Parteistellung wieder herbei, wie wir sie in der gracchischen und marianischen Epoche fanden. Sulla hatte dem Senat das Regiment nur befestigt, nicht gegeben; so blieb denn auch dasselbe, nachdem die von Sulla errichteten Bollwerke wieder gefallen waren, nichtsdestoweniger zunaechst dem Senat, waehrend die Verfassung freilich, mit der er regierte, im wesentlichen die wiederhergestellte Gracchische, durchdrungen war von einem der Oligarchie feindlichen Geiste. Die Demokratie hatte die Wiederherstellung der Gracchischen Verfassung bewirkt; aber ohne einen neuen Gracchus war diese ein Koerper ohne Haupt, und dass weder Pompeius noch Crassus auf die Dauer dieses Haupt sein konnten, war an sich klar und durch die letzten Vorgaenge noch deutlicher dargetan worden. So musste die demokratische Opposition in Ermangelung eines Fuehrers, der geradezu das Ruder in die Hand genommen haette, vorlaeufig sich begnuegen, die Regierung auf Schritt und Tritt zu hemmen und zu aergern. Zwischen der Oligarchie aber und der Demokratie erhob sich zu neuem Ansehen die Kapitalistenpartei, welche in der juengsten Krise mit der letzteren gemeinschaftliche Sache gemacht hatte, die aber zu sich hinueberzuziehen und an ihr ein Gegengewicht gegen die Demokratie zu gewinnen, die Oligarchen jetzt eifrig bemueht waren. Also von beiden Seiten umworben, saeumten die Geldherren nicht, ihre vorteilhafte Lage sich zunutze zu machen und das einzige ihrer frueheren Privilegien, das sie noch nicht zurueckerlangt hatten, die dem Ritterstand reservierten vierzehn Baenke im Theater, sich jetzt (687 67) durch Volksschluss wiedergeben zu lassen. Im ganzen naeherten sie, ohne mit der Demokratie schroff zu brechen, doch wieder mehr sich der Regierung. Schon die Beziehungen des Senats zu Crassus und seiner Klientel gehoeren in diesen Zusammenhang; hauptsaechlich aber scheint ein besseres Verhaeltnis zwischen dem Senat und der Geldaristokratie dadurch hergestellt zu sein, dass dieser dem tuechtigsten unter den senatorischen Offizieren, Lucius Lucullus, auf Andringen der von demselben schwer gekraenkten Kapitalisten im Jahre 686 (68) die Verwaltung der fuer diese so wichtigen Provinz Asia abnahm. Waehrend aber die hauptstaedtischen Faktionen miteinander des gewohnten Haders pflegten, bei dem denn doch nimmermehr eine eigentliche Entscheidung herauskommen konnte, gingen im Osten die Ereignisse ihren verhaengnisvollen Gang, wie wir ihn frueher geschildert haben, und sie waren es, die den zoegernden Verlauf der hauptstaedtischen Politik zur Krise draengten. Der Land- wie der Seekrieg hatte dort die unguenstigste Wendung genommen. Im Anfang des Jahres 687 (67) war die pontische Armee der Roemer aufgerieben, die armenische in voller Aufloesung auf dem Rueckzug, alle Eroberungen verloren, das Meer ausschliesslich in der Gewalt der Piraten, die Kornpreise in Italien dadurch so in die Hoehe getrieben, dass man eine foermliche Hungersnot befuerchtete. Wohl hatten, wie wir sahen, die Fehler der Feldherren, namentlich die voellige Unfaehigkeit des Admirals Marcus Antonius und die Verwegenheit des sonst tuechtigen Lucius Lucullus, diesen Notstand zum Teil verschuldet, wohl auch die Demokratie durch ihre Wuehlereien zu der Aufloesung des armenischen Heeres wesentlich beigetragen. Aber natuerlich ward die Regierung jetzt fuer alles, was sie und was andere verdorben hatten, in Bausch und Bogen verantwortlich gemacht und die grollende hungrige Menge verlangte nur eine Gelegenheit, um mit dem Senat abzurechnen.
Es war eine entscheidende Krise. Die Oligarchie, wie auch herabgewuerdigt und entwaffnet, war noch nicht gestuerzt, dennoch lag die Fuehrung der oeffentlichen Angelegenheiten in den Haenden des Senats; sie stuerzte aber, wenn die Gegner diese, dass heisst namentlich die Oberleitung der militaerischen Angelegenheiten, sich selber zueigneten; und jetzt war dies moeglich. Wenn jetzt Vorschlaege ueber eine andere und bessere Fuehrung des Land- und Seekrieges an die Komitien gebracht wurden, so war bei der Stimmung der Buergerschaft der Senat voraussichtlich nicht imstande, deren Durchsetzung zu verhindern; und eine Intervention der Buergerschaft in diesen hoechsten Verwaltungsfragen war tatsaechlich die Absetzung des Senats und die Uebertragung der Leitung des Staats an die Fuehrer der Opposition. Wieder einmal brachte die Verkettung der Dinge die Entscheidung in die Haende des Pompeius. Seit mehr als zwei Jahren lebte der gefeierte Feldherr als Privatmann in der Hauptstadt. Seine Stimme ward im Rathaus wie auf dem Markte selten vernommen; dort war er nicht gern gesehen und ohne entscheidenden Einfluss, hier scheute er sich vor dem stuermischen Treiben der Parteien. Wenn er aber sich zeigte, geschah es mit dem vollstaendigen Hofstaat seiner vornehmen und geringen Klienten, und eben seine feierliche Zurueckgezogenheit imponierte der Menge. Wenn er, an dem der volle Glanz seiner ungemeinen Erfolge noch unvermindert haftete, jetzt sich erbot, nach dem Osten abzugehen, so ward er ohne Zweifel mit aller von ihm selbst geforderten militaerischen und politischen Machtvollkommenheit von der Buergerschaft bereitwillig bekleidet. Fuer die Oligarchie, die in der politischen Militaerdiktatur ihren sicheren Ruin, in Pompeius selbst seit der Koalition von 683 (71) ihren verhasstesten Feind sah, war dies ein vernichtender Schlag; aber auch der demokratischen Partei konnte dabei nicht wohl zu Mute sein. So wuenschenswert es ihr an sich sein musste, dem Regiment des Senats ein Ende zu machen, so war es doch, wenn es in dieser Weise geschah, weit weniger ein Sieg ihrer Partei als ein persoenlicher ihres uebermaechtigen Verbuendeten. Leicht konnte in diesem der demokratischen Partei ein weit gefaehrlicherer Gegner aufstehen als der Senat war. Die wenige Jahre zuvor durch die Entlassung der spanischen Armee und Pompeius’ Ruecktritt gluecklich vermiedene Gefahr kehrte in verstaerktem Masse wieder, wenn Pompeius jetzt an die Spitze der Armeen des Ostens trat.
Diesmal indes griff Pompeius zu oder liess es wenigstens geschehen, dass andere fuer ihn zugriffen. Es wurden im Jahre 687 (67) zwei Gesetzvorschlaege eingebracht, von denen der eine ausser der laengst von der Demokratie geforderten Entlassung der ausgedienten Soldaten der asiatischen Armee die Abberufung des Oberfeldherrn derselben, Lucius Lucullus, und dessen Ersetzung durch einen der Konsuln des laufenden Jahres, Gaius Piso oder Manius Glabrio, verfuegte, der zweite den sieben Jahre zuvor zur Reinigung der Meere von den Piraten vom Senat selbst aufgestellten Plan wiederaufnahm und erweiterte. Ein einziger, vom Senat aus den Konsularen zu bezeichnender Feldherr sollte bestellt werden, um zur See auf dem gesamten Mittellaendischen Meer von den Saeulen des Herkules bis an die pontische und syrische Kueste ausschliesslich, zu Lande ueber saemtliche Kuesten bis zehn deutsche Meilen landeinwaerts mit den betreffenden roemischen Statthaltern konkurrierend, den Oberbefehl zu uebernehmen. Auf drei Jahre hinaus war demselben das Amt gesichert. Ihn umgab ein Generalstab, wie Rom noch keinen gesehen hatte, von fuenfundzwanzig Unterbefehlshabern senatorischen Standes, alle mit praetorischen Insignien und praetorischer Gewalt bekleidet, und von zwei Unterschatzmeistern mit quaestorischen Befugnissen, sie alle erlesen durch den ausschliesslichen Willen des hoechstkommandierenden Feldherrn. Es ward demselben gestattet, bis zu 120000 Mann Fussvolk, 5000 Reitern, 500 Kriegsschiffen aufzustellen und zu dem Ende ueber die Mittel der Provinzen und Klientelstaaten unbeschraenkt zu verfuegen; ueberdies wurden die vorhandenen Kriegsschiffe und eine ansehnliche Truppenzahl sofort ihm ueberwiesen. Die Kassen des Staats in der Hauptstadt wie in den Provinzen sowie die der abhaengigen Gemeinden sollten ihm unbeschraenkt zu Gebot stehen und trotz der peinlichen Finanznot sofort aus der Staatskasse ihm eine Summe von 11 Mill. Talern (144 Mill. Sesterzen) ausgezahlt werden. Es leuchtet ein, dass durch diese Gesetzentwuerfe, namentlich durch den die Expedition gegen die Piraten betreffenden, das Regiment des Senats ueber den Haufen fiel. Wohl waren die von der Buergerschaft ernannten ordentlichen hoechsten Beamten von selbst die rechten Feldherren der Gemeinde und bedurften auch die ausserordentlichen Beamten, um Feldherren sein zu koennen, wenigstens nach strengem Recht der Bestaetigung durch die Buergerschaft; aber auf die Besetzung der einzelnen Kommandos stand der Gemeinde verfassungsmaessig kein Einfluss zu und nur entweder auf Antrag des Senats oder doch auf Antrag eines an sich zum Feldherrnamt berechtigten Beamten hatten bisher die Komitien hin und wieder hier sich eingemischt und auch die spezielle Kompetenz vergeben. Hierin stand vielmehr, seit es einen roemischen Freistaat gab, dem Senate das tatsaechlich entscheidende Wort zu und es war diese seine Befugnis im Laufe der Zeit zu endgueltiger Anerkennung gelangt. Freilich hatte die Demokratie auch hieran schon geruettelt; allein selbst in dem bedenklichsten der bisher vorgekommenen Faelle, bei der Uebertragung des afrikanischen Kommandos auf Gaius Marius 647 (107), war nur ein verfassungsmaessig zum Feldherrnamt ueberhaupt berechtigter Beamter durch den Schluss der Buergerschaft mit einer bestimmten Expedition beauftragt worden. Aber jetzt sollte die Buergerschaft einen beliebigen Privatmann nicht bloss mit der ausserordentlichen hoechsten Amtsgewalt ausstatten, sondern auch mit einer bestimmt von ihr normierten Kompetenz. Dass der Senat diesen Mann aus der Reihe der Konsulare zu erkiesen hatte, war eine Milderung nur in der Form; denn die Auswahl blieb demselben nur deshalb ueberlassen, weil es eben eine Wahl nicht war und der stuermisch aufgeregten Menge gegenueber der Senat den Oberbefehl der Meere und Kuesten schlechterdings keinem andern uebertragen konnte als einzig dem Pompeius. Aber bedenklicher noch als diese prinzipielle Negierung der Senatsherrschaft war die tatsaechliche Aufhebung derselben durch die Einrichtung eines Amtes von fast unbeschraenkter militaerischer und finanzieller Kompetenz. Waehrend das Feldherrnamt sonst auf eine einjaehrige Frist, auf eine bestimmte Provinz, auf streng zugemessene militaerische und finanzielle Hilfsmittel beschraenkt war, war dem neuen ausserordentlichen Amt von vornherein eine dreijaehrige Dauer gesichert, die natuerlich weitere Verlaengerung nicht ausschloss, war demselben der groesste Teil der saemtlichen Provinzen, ja sogar Italien selbst, das sonst von militaerischer Amtsgewalt frei war, untergeordnet, waren ihm die Soldaten, Schiffe, Kassen des Staats fast unbeschraenkt zur Verfuegung gestellt. Selbst der eben erwaehnte uralte Fundamentalsatz des republikanisch-roemischen Staatsrechts, dass die hoechste militaerische und buergerliche Amtsgewalt nicht ohne Mitwirkung der Buergerschaft vergeben werden koenne, ward zu Gunsten des neuen Oberfeldherrn gebrochen: indem das Gesetz den fuenfundzwanzig Adjutanten, die er sich ernennen wuerde, im voraus praetorischen Rang und praetorische Befugnisse verlieh ^1, wurde das hoechste Amt des republikanischen Rom einem neu geschaffenen untergeordnet, fuer das den geeigneten Namen zu finden der Zukunft ueberlassen blieb, das aber der Sache nach schon jetzt die Monarchie in sich enthielt. Es war eine vollstaendige Umwaelzung der bestehenden Ordnung, zu der mit diesem Gesetzvorschlag der Grund gelegt ward. ——————————————————————- ^1 Die ausserordentliche Amtsgewalt (pro consule, pro praetore, pro quaestore) konnte nach roemischem Staatsrecht in dreifacher Weise entstehen. Entweder ging sie hervor aus dem fuer die nichtstaedtische Amtstaetigkeit geltenden Grundsatz, dass das Amt bis zu dem gesetzlichen Endtermin, die Amtsgewalt aber bis zum Eintreffen des Nachfolgers fortdauert, was der aelteste, einfachste und haeufigste Fall ist. Oder sie entstand auf dem Wege, dass die beikommenden Organe, namentlich die Komitien, in spaeterer Zeit auch wohl der Senat, einen nicht in der Verfassung vorgesehenen Oberbeamten ernannten, indem dieser zwar sonst dem ordentlichen Beamten gleichstand, aber doch zum Kennzeichen der Ausserordentlichkeit seines Amtes sich nur “an Praetors” oder “an Konsuls Statt” nannte. Hierher gehoeren auch die in ordentlichem Wege zu Quaestoren ernannten, dann aber ausserordentlicherweise mit praetorischer oder gar konsularischer Amtsgewalt ausgestatteten Beamten (quaestores pro praetore oder pro consule), in welcher Eigenschaft zum Beispiel Publius Lentulus Marcellinus 679 (73) nach Kyrene (Sall. hist. 2, 39 Dietsch), Gnaeus Piso 689 (65) nach dem Diesseitigen Spanien (Sall. Cat. 19), Cato 696 (58) nach Kypros (Vell. 2, 45) gingen. Oder endlich es beruht die ausserordentliche Amtsgewalt auf dem Mandierungsrecht des hoechsten Beamten. Derselbe ist, wenn er seinen Amtsbezirk verlaesst oder sonst behindert ist, sein Amt zu versehen, befugt, einen seiner Leute zu seinem Stellvertreter zu ernennen, welcher dann legatus pro praetore (Sall. Iug. 36-38) oder wenn die Wahl auf den Quaestor faellt, quaestor pro praetore (Sall. Iug. 103) heisst. In gleicher Weise ist er befugt, wenn er keinen Quaestor hat, dessen Geschaefte durch einen seines Gefolges versehen zu lassen, welcher dann legatus pro quaestore heisst und mit diesem Namen wohl zuerst auf den makedonischen Tetradrachmen des Sura, Unterbefehlshabers des Statthalters von Makedonien 665-667 (89-87) begegnet. Das aber ist dem Wesen der Mandierung zuwider und darum nach aelterem Staatsrecht unzulaessig, dass der hoechste Beamte, ohne in seiner Funktionierung gehindert zu sein, gleich bei Antritt seines Amtes von vornherein einen oder mehrere seiner Untergebenen mit hoechster Amtsgewalt ausstattet; und insofern sind die legati pro praetore des Prokonsuls Pompeius eine Neuerung und schon denen gleichartig, die in der Kaiserzeit eine so grosse Rolle spielen. ———————————————————- Diese Massregeln eines Mannes, der soeben noch von seiner Halbheit und Schwaeche so auffallende Beweise geliefert hatte, befremden durch ihre durchgreifende Energie. Indes ist es doch wohl erklaerlich, dass Pompeius diesmal entschlossener verfuhr als waehrend seines Konsulats. Handelte es sich doch nicht darum, sofort als Monarch aufzutreten, sondern die Monarchie zunaechst nur vorzubereiten durch eine militaerische Ausnahmemassregel, die, wie revolutionaer sie ihrem Wesen nach war, doch noch in den Formen der bestehenden Verfassung vollzogen werden konnte, und die zunaechst Pompeius dem alten Ziel seiner Wuensche, dem Kommando gegen Mithradates und Tigranes, entgegenfuehrte. Auch gewichtige Zweckmaessigkeitsgruende sprachen fuer die Emanzipation der Militaergewalt von dem Senat. Pompeius konnte nicht vergessen haben, dass ein nach ganz gleichen Grundsaetzen angelegter Plan zur Unterdrueckung der Piraterie wenige Jahre zuvor an der verkehrten Ausfuehrung durch den Senat gescheitert, dass der Ausgang des Spanischen Krieges durch die Vernachlaessigung der Heere von sehen des Senats und dessen unverstaendige Finanzwirtschaft aufs hoechste gefaehrdet worden war; er konnte nicht uebersehen, wie die grosse Majoritaet der Aristokratie gegen ihn, den abtruennigen Sullaner, gesinnt war und welchem Schicksal er entgegenging, wenn er als Feldherr der Regierung mit der gewoehnlichen Kompetenz sich nach dem Osten senden liess. Begreiflich ist es daher, dass er als die erste Bedingung der Uebernahme des Kommandos eine vom Senat unabhaengige Stellung bezeichnete und dass die Buergerschaft bereitwillig darauf einging. Es ist ferner in hohem Grade wahrscheinlich, dass Pompeius diesmal durch seine Umgebungen, die ueber sein Zurueckweichen vor zwei Jahren vermutlich nicht wenig ungehalten waren, zu rascherem Handeln fortgerissen ward. Die Gesetzvorschlaege ueber Lucullus’ Abberufung und die Expedition gegen die Piraten wurden eingebracht von dem Volkstribun Aulus Gabinius, einem oekonomisch und sittlich ruinierten Mann, aber einem gewandten Unterhaendler, dreisten Redner und tapferen Soldaten. So wenig ernsthaft auch Pompeius’ Beteuerungen gemeint waren, dass er den Oberbefehl in dem Seeraeuberkriege durchaus nicht wuensche und nur nach haeuslicher Ruhe sich sehne, so ist doch davon wahrscheinlich so viel wahr, dass der kecke und bewegliche Klient, der mit Pompeius und dessen engerem Kreise im vertraulichen Verkehr stand und die Verhaeltnisse und die Menschen vollkommen durchschaute, seinem kurzsichtigen und unbehilflichen Patron die Entscheidung zum guten Teil ueber den Kopf nahm. —————————————————- Die Demokratie, wie unzufrieden ihre Fuehrer im stillen sein mochten, konnte doch nicht wohl oeffentlich gegen den Gesetzvorschlag auftreten. Die Durchbringung desselben haette sie allem Anschein nach auf keinen Fall zu hindern vermocht, wohl aber durch Opposition dagegen mit Pompeius offen gebrochen und dadurch ihn genoetigt, entweder der Oligarchie sich zu naehern oder gar beiden Parteien gegenueber seine persoenliche Politik ruecksichtslos zu verfolgen. Es blieb den Demokraten nichts uebrig, als ihre Allianz mit Pompeius, wie hohl sie immer war, auch diesmal noch festzuhalten und diese Gelegenheit zu ergreifen, um wenigstens den Senat endlich definitiv zu stuerzen und aus der Opposition in das Regiment ueberzugehen, das weitere aber der Zukunft und Pompeius’ wohlbekannter Charakterschwaeche zu ueberlassen. So unterstuetzten denn auch ihre Fuehrer, der Praetor Lucius Quinctius, derselbe, der sieben Jahre zuvor fuer die Wiederherstellung der tribunizischen Gewalt taetig gewesen war, und der gewesene Quaestor Gaius Caesar, die Gabinischen Gesetzvorschlaege. Die privilegierten Klassen waren ausser sich, nicht bloss die Nobilitaet, sondern ebenso die kaufmaennische Aristokratie, die auch ihre Sonderrechte durch eine so gruendliche Staatsumwaelzung bedroht fuehlte und wieder einmal ihren rechten Patron in dem Senat erkannte. Als der Tribun Gabinius nach Einbringung seiner Antraege in der Kurie sich zeigte, fehlte nicht viel, dass ihn die Vaeter der Stadt mit eigenen Haenden erwuergt haetten, ohne in ihrem Eifer zu erwaegen, wie hoechst unvorteilhaft diese Methode zu argumentieren fuer sie ablaufen wusste. Der Tribun entkam auf den Markt und rief die Menge auf, das Rathaus zu stuermen, als eben zur rechten Zeit noch die Sitzung aufgehoben ward. Der Konsul Piso, der Vorkaempfer der Oligarchie, der zufaellig der Menge in die Haende geriet, waere sicher ein Opfer der Volkswut geworden, wenn nicht Gabinius darueber zugekommen waere und, um nicht durch unzeitige Freveltaten seinen gewissen Erfolg auf das Spiel zu stellen, den Konsul befreit haette. Inzwischen blieb die Erbitterung der Menge unvermindert und fand stets neue Nahrung in den hohen Getreidepreisen und den zahlreichen, zum Teil ganz tollen Geruechten, zum Beispiel, dass Lucius Lucullus die ihm zur Kriegfuehrung ueberwiesenen Gelder teils in Rom zinsbar belegt, teils mit denselben den Praetor Quinctius der Sache des Volkes abwendig zu machen versucht habe; dass der Senat dem “zweiten Romulus”, wie man Pompeius nannte, das Schicksal des ersten ^2 zu bereiten gedenke und dergleichen mehr. Darueber kam der Tag der Abstimmung heran. Kopf an Kopf gedraengt stand die Menge auf dem Markte; bis an die Daecher hinauf waren alle Gebaeude, von wo aus die Rednerbuehne gesehen werden konnte, mit Menschen bedeckt. Saemtliche Kollegen des Gabinius hatten dem Senat die Interzession zugesagt: aber den brausenden Wogen der Massen gegenueber schwiegen alle bis auf den einzigen Lucius Trebellius, der sich und dem Senat geschworen hatte, lieber zu sterben als zu weichen. Als dieser interzedierte, unterbrach Gabinius sogleich die Abstimmung ueber seine Gesetzvorschlaege und beantragte bei dem versammelten Volke, mit seinem widerstrebenden Kollegen zu verfahren, wie einst auf Tiberius Gracchus’ Antrag mit dem Octavius verfahren war, das heisst ihn sofort seines Amtes zu entsetzen. Es ward abgestimmt und die Verlesung der Stimmtafeln begann; als die ersten siebzehn Bezirke, die zur Verlesung kamen, sich fuer den Antrag erklaerten und die naechste bejahende Stimme demselben die Majoritaet gab, zog Trebellius, seines Eides vergessend, die Interzession kleinmuetig zurueck. Vergeblich bemuehte sich darauf der Tribun Otho zu bewirken, dass wenigstens die Kollegialitaet gewahrt und statt eines Feldherrn zwei gewaehlt werden moechten; vergeblich strengte der hochbejahrte Quintus Catulus, der geachtetste Mann im Senat, seine letzten Kraefte dafuer an, dass die Unterfeldherren nicht vom Oberfeldherrn ernannt, sondern vom Volke gewaehlt werden moechten. Otho konnte in dem Toben der Menge nicht einmal sich Gehoer verschaffen; dem Catulus verschaffte es Gabinius’ wohlberechnete Zuvorkommenheit, und in ehrerbietigem Schweigen horchte die Menge den Worten des Greises; aber verloren waren sie darum nicht minder. Die Vorschlaege wurden nicht bloss mit allen Klauseln unveraendert zum Gesetz erhoben, sondern auch, was Pompeius noch im einzelnen nachtraeglich begehrte, augenblicklich und vollstaendig bewilligt.
————————————————————– ^2 Der Sage nach ward Koenig Romulus von den Senatoren in Stuecke zerrissen.
————————————————————- Mit hochgespannten Hoffnungen sah man die beiden Feldherren Pompeius und Glabrio nach ihren Bestimmungsorten abgehen. Die Kornpreise waren nach dem Durchgehen der Gabinischen Gesetze sogleich auf die gewoehnlichen Saetze zurueckgegangen: ein Beweis, welche Hoffnungen an die grossartige Expedition und ihren ruhmvollen Fuehrer sich knuepften. Sie wurden, wie spaeter erzaehlt wird, nicht bloss erfuellt, sondern uebertroffen; in drei Monaten war die Saeuberung der Meere vollendet. Seit dem Hannibalischen Kriege war die roemische Regierung nicht mit solcher Energie nach aussen hin aufgetreten; gegenueber der schlaffen und unfaehigen Verwaltung der Oligarchie hatte die demokratisch-militaerische Opposition auf das glaenzendste ihren Beruf dargetan, die Zuegel des Staates zu fassen und zu lenken. Die ebenso unpatriotischen wie ungeschickten Versuche des Konsuls Piso, den Anstalten des Pompeius zu Unterdrueckung der Piraterie im Narbonensischen Gallien kleinliche Hindernisse in den Weg zu legen, steigerten nur die Erbitterung der Buergerschaft gegen die Oligarchie und ihren Enthusiasmus fuer Pompeius: einzig dessen persoenliche Dazwischenkunft verhinderte es, dass die Volksversammlung nicht den Konsul kurzweg seines Amtes entsetzte.
Inzwischen war auf dem asiatischen Festland die Verwirrung nur noch aerger geworden. Glabrio, der an Lucullus’ Stelle den Oberbefehl gegen Mithradates und Tigranes uebernehmen sollte, war in Vorderasien sitzen geblieben und hatte zwar durch verschiedene Proklamationen die Soldaten gegen Lucullus aufgestiftet, aber den Oberbefehl nicht angetreten, so dass Lucullus denselben fortzufuehren gezwungen war. Gegen Mithradates war natuerlich nichts geschehen; die pontischen Reiter pluenderten ungescheut und ungestraft in Bithynien und Kappadokien. Durch den Piratenkrieg war auch Pompeius veranlasst worden, sich mit seinem Heer nach Kleinasien zu begeben; nichts lag naeher, als ihm den Oberbefehl in dem Pontisch-Armenischen Kriege zu uebertragen, dem er selbst seit langem nachtrachtete. Allein die demokratische Partei in Rom teilte begreiflicherweise die Wuensche ihres Generals nicht und huetete sich wohl, hierin die Initiative zu ergreifen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie den Gabinius bestimmt hatte, den Mithradatischen und den Piratenkrieg nicht von vornherein beide zugleich an Pompeius, sondern den ersteren an Glabrio zu uebertragen; auf keinen Fall konnte sie jetzt die Ausnahmestellung des schon allzumaechtigen Feldherrn steigern und verewigen wollen. Auch Pompeius selbst verhielt nach seiner Gewohnheit sich leidend, und vielleicht waere er in der Tat nach Vollziehung des ihm gewordenen Auftrags heimgekehrt, wenn nicht ein allen Parteien unerwarteter Zwischenfall eingetreten waere. Ein gewisser Gaius Manilius, ein ganz nichtiger und unbedeutender Mensch, hatte als Volkstribun es durch seine ungeschickten Gesetzvorschlaege zugleich mit der Aristokratie und der Demokratie verdorben. In der Hoffnung, sich unter des maechtigen Feldherrn Fluegeln zu bergen, wenn er diesem verschaffe, was er, wie jedem bekannt war, sehnlichst wuenschte, aber doch zu fordern sich nicht getraute, stellte er bei der Buergerschaft den Antrag, die Statthalter Glabrio aus Bithynien und Pontos, Marcius Rex aus Kilikien abzuberufen und diese Aemter sowie die Fuehrung des Krieges im Osten, wie es scheint ohne bestimmte Zeitgrenze und jedenfalls mit der freiesten Befugnis, Frieden und Buendnis zu schliessen, dem Prokonsul der Meere und Kuesten neben seinem bisherigen Amte zu uebertragen (Anfang 688 66). Es zeigte hier sich einmal recht deutlich, wie zerruettet die roemische Verfassungsmaschine war, seit die gesetzgeberische Gewalt teils der Initiative nach jedem noch so geringen Demagogen, und der Beschlussfassung nach der unmuendigen Menge in die Haende gegeben, teils auf die wichtigsten Verwaltungsfragen erstreckt war. Der Manilische Vorschlag war keiner der politischen Parteien genehm; dennoch fand er kaum irgendwo ernstlichen Widerstand. Die demokratischen Fuehrer konnten aus denselben Gruenden, die sie gezwungen hatten, das Gabinische Gesetz sich gefallen zu lassen, es nicht wagen, sich dem Manilischen geradezu zu widersetzen; sie verschlossen ihren Unwillen und ihre Besorgnisse in sich und redeten oeffentlich fuer den Feldherrn der Demokratie. Die gemaessigten Optimaten erklaerten sich fuer den Manilischen Antrag, weil nach dem Gabinischen Gesetz der Widerstand auf jeden Fall vergeblich war und weiterblickende Maenner schon damals erkannten, dass es fuer den Senat die richtige Politik sei, sich Pompeius moeglichst zu naehern und bei dem vorauszusehenden Bruch zwischen ihm und den Demokraten ihn auf ihre Seite hinueberzuziehen. Die Maenner des Schaukelsystems endlich segneten den Tag, wo auch sie eine Meinung zu haben scheinen und entschieden auftreten konnten, ohne es mit einer der Parteien zu verderben – es ist bezeichnend, dass mit der Verteidigung des Manilischen Antrags Marcus Cicero zuerst die politische Rednerbuehne betrat. Einzig die strengen Optimaten, Quintus Catulus an der Spitze, zeigten wenigstens Farbe und sprachen gegen den Vorschlag. Natuerlich wurde derselbe mit einer an Einstimmigkeit grenzenden Majoritaet zum Gesetz erhoben. Pompeius erhielt dadurch zu seiner frueheren ausgedehnten Machtfuelle noch die Verwaltung der wichtigsten kleinasiatischen Provinzen, so dass es innerhalb der weiten roemischen Grenzen kaum noch einen Fleck Landes gab, der ihm nicht gehorcht haette, und die Fuehrung eines Krieges, von dem man, wie von Alexanders Heerfahrt, wohl sagen konnte, wo und wann er begann, aber nicht, wo und wann er enden moege. Niemals noch, seit Rom stand, war solche Gewalt in den Haenden eines einzigen Mannes vereinigt gewesen. Die Gabinisch-Manilischen Antraege beendigten den Kampf zwischen dem Senat und der Popularpartei, den vor siebenundsechzig Jahren die Sempronischen Gesetze begonnen hatten. Wie die Sempronischen Gesetze die Revolutionspartei zunaechst als politische Opposition konstituierten, so ging dieselbe mit den Gabinisch- Manilischen ueber aus der Opposition in das Regiment; und wie es ein grossartiger Moment gewesen war, als mit der vergeblichen Interzession des Octavius der erste Bruch in die bestehende Verfassung geschah, so war es nicht minder ein bedeutungsvoller Augenblick, als mit dem Ruecktritt des Trebellius das letzte Bollwerk des senatorischen Regiments zusammenbrach. Auf beiden Seiten ward dies wohl empfunden, und selbst die schlaffen Senatorenseelen zuckten auf in diesem Todeskampf; aber es lief doch die Verfassungsfehde in gar anderer und gar viel kuemmerlicherer Weise zu Ende, als sie angefangen hatte. Ein in jedem Sinne adliger Juengling hatte die Revolution eroeffnet; sie ward beschlossen durch kecke Intriganten und Demagogen des niedrigsten Schlages. Wenn andererseits die Optimaten mit gemessenem Widerstand, mit einer selbst auf den verlorenen Posten ernst ausharrenden Verteidigung begonnen hatten, so endigten sie mit der Initiative zum Faustrecht, mit grosswortiger Schwaeche und jaemmerlichem Eidbruch. Es war nun erreicht, was einst als ein kecker Traum erschienen war: der Senat hatte aufgehoert zu regieren. Aber wenn die einzelnen alten Maenner, die noch die ersten Stuerme der Revolution gesehen, die Worte der Gracchen vernommen hatten, jene Zeit und diese miteinander verglichen, so fanden sie alles inzwischen veraendert, Landschaft und Buergerschaft, Staatsrecht und Kriegszucht, Leben und Sitte, und wohl mochte schmerzlich laecheln, wer die Ideale der Gracchenzeit mit ihrer Realisierung verglich. Indes solche Betrachtungen gehoerten der Vergangenheit an. Fuer jetzt und wohl auch fuer die Zukunft war der Sturz der Aristokratie eine vollendete Tatsache. Die Oligarchen glichen einer vollstaendig aufgeloesten Armee, deren versprengte Haufen noch eine andere Heeresmasse verstaerken, aber selbst nirgends mehr das Feld halten, noch auf eigene Rechnung ein Gefecht wagen konnten. Aber indem der alte Kampf zu Ende lief, bereitete zugleich ein neuer sich vor: der Kampf der beiden bisher zum Sturz der aristokratischen Staatsverfassung verbuendeten Maechte, der buergerlich demokratischen Opposition und der immer uebermaechtiger aufstrebenden Militaergewalt. Pompeius’ Ausnahmestellung war schon nach dem Gabinischen, um wie viel mehr nach dem Manilischen Gesetz mit einer republikanischen Staatsordnung unvereinbar. Er war, wie schon damals die Gegner mit gutem Grund sagten, durch das Gabinische Gesetz nicht zum Admiral, sondern zum Reichsregenten bestellt worden; nicht mit Unrecht heisst er einem mit den oestlichen Verhaeltnissen vertrauten Griechen “Koenig der Koenige”. Wenn er dereinst, wiederum siegreich und mit erhoehtem Ruhm, mit gefuellten Kassen, mit schlagfertigen und ergebenen Truppen zurueckkehrt aus dem Osten, nach der Krone die Hand ausstreckte – wer wollte dann ihm in den Arm fallen? Sollte etwa gegen den ersten Feldherrn seiner Zeit und seine erprobten Legionen der Konsular Quintus Catulus die Senatoren aufbieten? Oder der designierte Aedil Gaius Caesar die staedtische Menge, deren Augen er soeben an seinen dreihundertzwanzig silbergeruesteten Fechterpaaren geweidet hatte? Bald werde man, rief Catulus, abermals auf die Felsen des Kapitols fluechten muessen, um die Freiheit zu retten. Es war nicht die Schuld des Propheten, wenn der Sturm nicht, wie er meinte, von Osten kam, sondern das Schicksal, buchstaeblicher als er selbst es ahnte seine Worte erfuellend, das vernichtende Unwetter wenige Jahre spaeter aus dem Keltenland heranfuehrte.
4. Kapitel
Pompeius und der Osten
Wir haben frueher gesehen, wie trostlos im Osten zu Lande und zur See die Angelegenheiten Roms standen, als im Anfang des Jahres 687 (67) Pompeius zunaechst die Fuehrung des Krieges gegen die Piraten mit beinahe unumschraenkter Machtvollkommenheit uebernahm. Er begann damit, das ungeheure ihm ueberwiesene Gebiet in dreizehn Bezirke zu teilen und jeden derselben einem seiner Unterfeldherren zu ueberweisen, um daselbst Schiffe und Mannschaften zu ruesten, die Kuesten abzusuchen und die Piratenboote aufzubringen oder einem der Kollegen ins Garn zu jagen. Er selbst ging mit dem besten Teil der vorhandenen Kriegsschiffe, unter denen auch diesmal die rhodischen sich auszeichneten, frueh im Jahr in See und reinigte zunaechst die sizilischen, afrikanischen und sardischen Gewaesser, um vor allem die Getreidezufuhr aus diesen Provinzen nach Italien wieder in Gang zu bringen. Fuer die Saeuberung der spanischen und gallischen Kuesten sorgten inzwischen die Unterfeldherren. Es war bei dieser Gelegenheit, dass der Konsul Gaius Piso von Rom aus die Aushebungen zu hemmen versuchte, welche Pompeius’ Legat Marcus Pomponius kraft des Gabinischen Gesetzes in der Provinz Narbo veranstaltete – ein unkluges Beginnen, dem zu steuern und zugleich die gerechte Erbitterung der Menge gegen den Konsul in den gesetzlichen Schranken zu halten Pompeius voruebergehend wieder in Rom erschien. Als nach vierzig Tagen im westlichen Becken des Mittelmeers die Schiffahrt ueberall freigemacht war, ging Pompeius mit seinen sechzig besten Fahrzeugen weiter in das oestliche Meer, zunaechst nach dem Ur- und Hauptsitz der Piraterie, den lykischen und kilikischen Gewaessern. Auf die Kunde von dem Herannahen der roemischen Flotte verschwanden nicht bloss die Piratenkaehne ueberall von der offenen See; auch die starken lykischen Festen Antikragos und Kragos ergaben sich, ohne ernstlichen Widerstand zu leisten. Mehr noch als die Furcht oeffnete Pompeius’ wohlberechnete Milde die Tore dieser schwer zugaenglichen Seeburgen. Seine Vorgaenger hatten jeden gefangenen Seeraeuber ans Kreuz heften lassen; er gab ohne Bedenken allen Quartier und behandelte namentlich die auf den genommenen Piratenbooten vorgefundenen gemeinen Ruderer mit ungewohnter Nachsicht. Nur die kuehnen kilikischen Seekoenige wagten einen Versuch, wenigstens ihre eigenen Gewaesser mit den Waffen gegen die Roemer zu behaupten: nachdem sie ihre Kinder und Frauen und ihre reichen Schaetze in die Bergschloesser des Taurus gefluechtet hatten, erwarteten sie die roemische Flotte an der Westgrenze Kilikiens, auf der Hoehe von Korakesion. Aber Pompeius’ wohlbemannte und mit allem Kriegszeug wohlversehene Schiffe erfochten hier einen vollstaendigen Sieg. Ohne weiteres Hindernis landete er darauf und begann die Bergschloesser der Korsaren zu stuermen und zu brechen, waehrend er fortfuhr, ihnen selbst als Preis der Unterwerfung Freiheit und Leben zu bieten. Bald gab die grosse Menge es auf, in ihren Burgen und Bergen einen hoffnungslosen Krieg fortzusetzen und bequemte sich zur Ergebung. Neunundvierzig Tage nachdem Pompeius in der oestlichen See erschienen, war Kilikien unterworfen und der Krieg zu Ende. Die rasche Ueberwaeltigung der Piraterie war eine grosse Erleichterung, aber keine grossartige Tat: mit den Hilfsmitteln des roemischen Staates, die in verschwenderischem Masse waren aufgeboten worden, konnten die Korsaren so wenig sich messen als die vereinigten Diebesbanden einer grossen Stadt mit einer wohlorganisierten Polizei. Es war naiv, eine solche Razzia als einen Sieg zu feiern. Aber verglichen mit dem langjaehrigen Bestehen und der grenzenlosen, taeglich weiter um sich greifenden Ausdehnung des Uebels ist es erklaerlich, dass die ueberraschend schnelle Ueberwaeltigung der gefuerchteten Piraten auf das Publikum den gewaltigsten Eindruck machte; um so mehr, da dies die erste Probe des in einer Hand zentralisierten Regiments war und die Parteien gespannt darauf harrten, ob es verstehen werde, besser als das kollegialische zu regieren. Gegen 400 Schiffe und Boote, darunter 90 eigentliche Kriegsfahrzeuge, wurden teils von Pompeius genommen, teils ihm ausgeliefert; im ganzen sollen an 1300 Piratenfahrzeuge zugrunde gerichtet und ausserdem die reichgefuellten Arsenale und Zeughaeuser der Flibustier in Flammen aufgegangen sein. Von den Seeraeubern waren gegen 10000 umgekommen, ueber 20000 dem Sieger lebend in die Haende gefallen, wogegen Publius Clodius, der Flottenfuehrer der in Kilikien stehenden roemischen Armee, und eine Menge anderer von den Piraten weggefuehrter, zum Teil daheim laengst tot geglaubter Individuen durch Pompeius ihre Freiheit wiedererlangten. Im Sommer 687 (67), drei Monate nach dem Beginn des Feldzugs, gingen Handel und Wandel wieder ihren gewohnten Gang und anstatt der frueheren Hungersnot herrschte in Italien Ueberfluss. Ein verdriessliches Zwischenspiel auf der Insel Kreta truebte indes einigermassen diesen erfreulichen Erfolg der roemischen Waffen. Dort stand schon im zweiten Jahre Quintus Metellus, beschaeftigt, die im wesentlichen bereits bewirkte Unterwerfung der Insel zu vollenden, als Pompeius in den oestlichen Gewaessern erschien. Eine Kollision lag nahe, denn nach dem Gabinischen Gesetz erstreckte sich Pompeius’ Kommando konkurrierend mit dem des Metellus auf die ganze Ianggestreckte, aber nirgends ueber zwanzig deutsche Meilen breite Insel; doch war Pompeius so ruecksichtsvoll, sie keinem seiner Unterbefehlshaber zu ueberweisen. Allein die noch widerstrebenden kretischen Gemeinden, die ihre unterworfenen Landsleute von Metellus mit der grausamsten Strenge zur Verantwortung hatten ziehen sehen und dagegen die milden Bedingungen vernahmen, welche Pompeius den ihm sich ergebenden Ortschaften des suedlichen Kleinasiens zu stellen pflegte, zogen es vor, ihre Gesamtunterwerfung an Pompeius einzugeben, der sie auch in Pamphylien, wo er eben sich befand, von ihren Gesandten entgegennahm und ihnen seinen Legaten Lucius Octavius mitgab, um Metellus den Abschluss der Vertraege anzuzeigen und die Staedte zu uebernehmen. Kollegialisch war dies Verfahren freilich nicht; allein das formelle Recht war durchaus auf seiten des Pompeius und Metellus im offenbarsten Unrecht, wenn er, den Vertrag der Staedte mit Pompeius vollstaendig ignorierend, dieselben als feindliche zu behandeln fortfuhr. Vergeblich protestierte Octavius; vergeblich rief er, da er selbst ohne Truppen gekommen war, aus Achaia den dort stehenden Unterfeldherrn des Pompeius, Lucius Sisenna, herbei; Metellus, weder um Octavius noch um Sisenna sich bekuemmernd, belagerte Eleutherna und nahm Lappa mit Sturm, wo Octavius selbst gefangengenommen und beschimpft entlassen, die mit ihm gefangenen Kreter aber dem Henker ueberliefert wurden. So kam es zu foermlichen Gefechten zwischen Sisennas Truppen, an deren Spitze nach dieses Fuehrers Tode sich Octavius stellte, und denen des Metellus; selbst als jene nach Achaia zurueckkommandiert worden waren, setzte Octavius in Gemeinschaft mit dem Kreter Aristion den Krieg fort, und Hierapytna, wo beide sich hielten, ward von Metellus erst nach der hartnaeckigsten Gegenwehr bezwungen. In der Tat hatte damit der eifrige Optimat Metellus gegen den Oberfeldherrn der Demokratie auf eigene Hand den foermlichen Buergerkrieg begonnen; es zeugt von der unbeschreiblichen Zerruettung der roemischen Staatsverhaeltnisse, dass diese Auftritte zu nichts weiterem fuehrten als zu einer bitteren Korrespondenz zwischen den beiden Generalen, die ein paar Jahre darauf wieder friedlich und sogar “freundschaftlich” nebeneinander im Senate sassen. Pompeius stand waehrend dieser Vorgaenge in Kilikien; fuer das naechste Jahr, wie es schien, einen Feldzug vorbereitend gegen die Kretenser oder vielmehr gegen Metellus, in der Tat des Winkes harrend, der ihn zum Eingreifen in die gruendlich verwirrten Angelegenheiten des kleinasiatischen Kontinents berief. Was von Lucullus’ Heer nach den erlittenen Verlusten und der Verabschiedung der Fimbrianischen Legionen noch uebrig war, stand untaetig am oberen Halys in der Landschaft der Trokmer an der Grenze des pontischen Gebietes. Den Oberbefehl fuehrte einstweilen immer noch Lucullus, da sein ernannter Nachfolger Glabrio fortfuhr, in Vorderasien zu saeumen. Ebenso untaetig lagerten in Kilikien die drei von Quintus Marcius Rex befehligten Legionen. Das pontische Gebiet war wieder ganz in der Gewalt des Koenigs Mithradates, der die einzelnen Maenner und Gemeinden, die den Roemern sich angeschlossen hatten, wie zum Beispiel die Stadt Eupatoria, mit grausamer Strenge ihren Abfall buessen liess. Zu einer ernsten Offensive gegen die Roemer schritten die Koenige des Ostens nicht, sei es dass sie ueberhaupt nicht in ihrem Plan lag, sei es, was auch behauptet wurde, dass Pompeius’ Landung in Kilikien die Koenige Mithradates und Tigranes bewog, von weiterem Vorgehen abzustehen. Rascher als Pompeius selbst es gehofft haben mochte, verwirklichte das Manilische Gesetz seine im stillen genaehrten Hoffnungen: Glabrio und Rex wurden abberufen und die Statthalterschaften Pontus-Bithynien und Kilikien mit den darin stehenden Truppen sowie die Fuehrung des Pontisch-Armenischen Krieges nebst der Befugnis, mit den Dynasten des Ostens nach eigenem Gutduenken Krieg, Frieden und Buendnis zu machen, auf Pompeius uebertragen. Ueber die Aussicht auf so reiche Ehren und Spolien vergass Pompeius gern die Zuechtigung eines uebellaunigen und seine sparsamen Lorbeerblaetter neidisch huetenden Optimaten, gab den Zug gegen Kreta und die fernere Verfolgung der Korsaren auf und bestimmte auch seine Flotte zu Unterstuetzung des Angriffs, den er gegen die Koenige von Pontus und Armenien entwarf. Doch verlor er ueber diesen Landkrieg die immer wieder aufs neue ihr Haupt erhebende Piraterie keineswegs voellig aus den Augen. Ehe er Asien verliess (691 63), liess er daselbst noch die noetigen Schiffe gegen die Korsaren instand setzen; auf seinen Antrag ward das Jahr darauf fuer Italien eine aehnliche Massregel beschlossen und die dazu noetige Summe vom Senat bewilligt. Man fuhr fort, die Kuesten mit Reiterbesatzungen und kleinen Geschwadern zu decken. Wenn man auch, wie schon die spaeter zu erwaehnenden Expeditionen gegen Kypros 696 (58) und gegen Aegypten 699 (55) beweisen, der Piraterie nicht durchaus Herr ward, so hat dieselbe doch nach der Expedition des Pompeius unter allen Wechselfaellen und politischen Krisen Roms niemals wieder so ihr Haupt emporheben und so voellig die Roemer an der See verdraengen koennen, wie es unter dem Regiment der verrotteten Oligarchie geschehen war.
Die wenigen Monate, die vor dem Beginn des kleinasiatischen Feldzugs noch uebrig waren, wurden von dem neuen Oberfeldherrn mit angestrengter Taetigkeit zu diplomatischen und militaerischen Vorbereitungen benutzt. Es gingen Gesandte an Mithradates, mehr um zu kundschaften, als um eine ernstliche Vermittlung zu versuchen. Am pontischen Hofe hoffte man, dass der Koenig der Parther, Phraates, durch die letzten bedeutenden Erfolge, die die Verbuendeten ueber Rom davongetragen hatten, sich zum Eintritt in das pontisch-armenische Buendnis bestimmen lassen werde. Dem entgegenzuwirken gingen roemische Boten an den Hof von Ktesiphon; und ihnen kamen die inneren Wirren zu Hilfe, die das armenische Herrscherhaus zerrissen. Des Grosskoenigs Tigranes gleichnamiger Sohn hatte sich gegen seinen Vater empoert, sei es dass er den Tod des Greises nicht abwarten mochte, sei es dass der Argwohn desselben, der schon mehreren seiner Brueder das Leben gekostet hatte, ihn die einzige Moeglichkeit der Rettung in der offenen Empoerung sehen liess. Vom Vater ueberwunden, hatte er mit einer Anzahl vornehmer Armenier sich an den Hof des Arsakiden gefluechtet und intrigierte dort gegen den Vater. Es war zum Teil sein Werk, dass Phraates den Lohn fuer den Beitritt, der ihm von beiden Seiten geboten ward, den gesicherten Besitz Mesopotamiens, lieber aus der Hand der Roemer nahm und den mit Lucullus hinsichtlich der Euphratgrenze abgeschlossenen Vertrag mit Pompeius erneuerte, ja sogar darauf einging, mit den Roemern gemeinschaftlich gegen Armenien zu operieren. Noch groesseren Schaden als durch die Foerderung des Buendnisses zwischen den Roemern und den Parthern tat der juengere Tigranes den Koenigen Tigranes und Mithradates dadurch, dass sein Aufstand eine Spaltung zwischen ihnen selbst hervorrief. Der Grosskoenig naeherte im geheimen den Argwohn, dass der Schwiegervater bei der Schilderhebung seines Enkels – die Mutter des juengeren Tigranes, Kleopatra, war die Tochter Mithradats – die Hand im Spiel gehabt haben moege, und wenn es auch darueber nicht zum offenen Bruch kam, so war doch das gute Einverstaendnis der beiden Monarchen eben in dem Augenblick gestoert, wo sie desselben am dringendsten bedurften. Zugleich betrieb Pompeius die Ruestungen mit Energie. Die asiatischen Bundes- und Klientelgemeinden wurden gemahnt, den vertragsmaessigen Zuzug zu leisten. Oeffentliche Anschlaege forderten die entlassenen Veteranen der Legionen Fimbrias auf, als Freiwillige wieder unter die Fahnen zurueckzutreten, und durch grosse Versprechungen und den Namen des Pompeius liess ein ansehnlicher Teil derselben in der Tat sich bestimmen, dem Rufe zu folgen. Die gesamte Streitmacht, die unter Pompeius’ Befehlen vereinigt war, mochte mit Ausschluss der Hilfsvoelker sich auf etwa 40-50000 Mann belaufen ^1. ———————————————- ^1 Pompeius verteilte unter seine Soldaten und Offiziere als Ehrengeschenk 384 Mill. Sesterzen (= 16000 Talente; App. Mithr. 116); da die Offiziere 100 Mill. empfingen (Plin. nat. 37, 2, 16), von den gemeinen Soldaten aber jeder 6000 Sesterzen (Plin., App.), so zaehlte das Heer noch bei dem Triumph etwa 40000 Mann.
——————————————— Im Fruehjahr 688 (66) begab sich Pompeius nach Galatien, um den Oberbefehl ueber die Truppen Luculls zu uebernehmen und mit ihnen in das pontische Gebiet einzuruecken, wohin die kilikischen Legionen angewiesen waren zu folgen. In Danala, einer Ortschaft der Trokmer, trafen die beiden Feldherren zusammen; die Versoehnung aber, die die beiderseitigen Freunde zu bewirken gehofft hatten, ward nicht erreicht. Die einleitenden Hoeflichkeiten gingen bald ueber in bittere Eroerterungen und diese in heftigen Wortwechsel; man schied verstimmter, als man gekommen war. Da Lucullus fortfuhr, gleich als waere er noch im Amte, Ehrengeschenke zu machen und Laendereien zu verteilen, so erklaerte Pompeius alle nach seinem Eintreffen von seinem Amtsvorgaenger vollzogenen Handlungen fuer nichtig. Formell war er in seinem Recht; sittlichen Takt in der Behandlung eines verdienten und mehr als genug gekraenkten Gegners durfte man bei ihm nicht suchen.
Sowie es die Jahreszeit erlaubte, ueberschritten die roemischen Truppen die pontische Grenze. Gegen sie stand hier mit 30000 Mann zu Fuss und 3000 Reitern Koenig Mithradates. Im Stich gelassen von seinen Verbuendeten und mit verstaerkter Macht und Energie von Rom angegriffen, machte er einen Versuch, Frieden zu erwirken; allein von unbedingter Unterwerfung, die Pompeius forderte, wollte er nichts hoeren – was konnte der ungluecklichste Feldzug ihm Schlimmeres bringen? Um sein Heer, groesstenteils Schuetzen und Reiter, nicht dem furchtbaren Stoss der roemischen Linieninfanterie preiszugeben, wich er langsam vor dem Feinde zurueck und noetigte die Roemer, ihm auf seinen Kreuz- und Quermaerschen zu folgen, wobei er, wo Gelegenheit dazu war, mit seiner ueberlegenen Reiterei der feindlichen standhielt und den Roemern durch die Erschwerung der Verpflegung nicht geringe Drangsale bereitete. Ungeduldig gab endlich Pompeius es auf, die pontische Armee zu begleiten und ging, den Koenig stehen lassend, daran, das Land zu unterwerfen: er rueckte an den oberen Euphrat, ueberschritt ihn und betrat die oestlichen Provinzen des Pontischen Reiches. Aber auch Mithradates folgte auf das linke Euphratufer nach, und in der Anaitischen oder Akilisenischen Landschaft angelangt, verlegte er den Roemern den Weg bei der festen und mit Wasser wohl versehenen Burg Dasteira, von wo aus er mit seinen leichten Truppen das Blachfeld beherrschte. Pompeius, immer noch der kilikischen Legionen entbehrend und ohne sie nicht stark genug, um sich in dieser Lage zu behaupten, musste ueber den Euphrat zurueckgehen und in dem waldigen, von Felsschluchten und Tieftaelern vielfach durchschnittenen Terrain des pontischen Armenien vor den Reitern und Bogenschuetzen des Koenigs Schutz suchen. Erst als die Truppen aus Kilikien eintrafen und es moeglich machten, nun mit Uebermacht die Offensive wiederaufzunehmen, ging Pompeius wieder vor, umschloss das Lager des Koenigs mit einer Postenkette von fast vier deutschen Meilen Laenge und hielt ihn hier foermlich blockiert, waehrend die roemischen Detachements die Gegend weit umher durchstreiften. Die Not im pontischen Lager war gross; schon musste die Bespannung niedergestossen werden, endlich nach fuenfundvierzigtaegigem Verweilen liess der Koenig seine Kranken und Verwundeten, da er sie weder retten konnte, noch dem Feinde in die Haende fallen lassen wollte, durch die eigenen Leute niedermachen und brach zur Nachtzeit in moeglichster Stille auf gegen Osten. Vorsichtig folgte Pompeius durch das unbekannte Land; schon naeherte der Marsch sich der Grenze, die Mithradates’ und Tigranes’ Gebiete voneinander schied. Als der roemische Feldherr erkannte, dass Mithradates nicht innerhalb seines Gebietes den Kampf zur Entscheidung zu bringen, sondern den Feind in die grenzenlosen Fernen des Ostens sich