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  • 1854-1856
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und der Versuch seines Nachfolgers, ihn nachzuahmen, war bei Casilinum auf eine Weise gescheitert, die den staedtischen Spottvoegeln reichlichen Stoff gab. Es war bewundernswert, dass die italischen Gemeinden nicht wankten, als ihnen Hannibal die Ueberlegenheit der Phoeniker, die Nichtigkeit der roemischen Hilfe so fuehlbar dartat; allein wie lange konnte man ihnen zumuten, die zwiefache Kriegslast zu ertragen und sich unter den Augen der roemischen Truppen und ihrer eigenen Kontingente auspluendern zu lassen? Endlich, was das roemische Heer anlangte, so konnte man nicht sagen, dass es den Feldherrn zu dieser Kriegfuehrung noetigte; es bestand seinem Kerne nach aus den tuechtigen Legionen von Ariminum und daneben aus einberufener, groesstenteils ebenfalls dienstgewohnter Landwehr, und weit entfernt, durch die letzten Niederlagen entmutigt zu sein, war es erbittert ueber die wenig ehrenvolle Aufgabe, die sein Feldherr, “Hannibals Lakai”, ihm zuwies, und verlangte mit lauter Stimme, gegen den Feind gefuehrt zu werden. Es kam zu den heftigsten Auftritten in den Buergerversammlungen gegen den eigensinnigen alten Mann; seine politischen Gegner, an ihrer Spitze der gewesene Praetor Gaius Terentius Varro, bemaechtigten sich des Haders – wobei man nicht vergessen darf, dass der Diktator tatsaechlich vom Senat ernannt ward, und dies Amt galt als das Palladium der konservativen Partei – und setzten im Verein mit den unmutigen Soldaten und den Besitzern der gepluenderten Gueter den verfassungs- und sinnwidrigen Volksbeschluss durch: die Diktatur, die dazu bestimmt war, in Zeiten der Gefahr die Uebelstaende des geteilten Oberbefehls zu beseitigen, in gleicher Weise wie dem Quintus Fabius auch dessen bisherigem Unterfeldherrn Marcus Minucius zu erteilen ^3. So wurde die roemische Armee, nachdem ihre gefaehrliche Spaltung in zwei abgesonderte Korps eben erst zweckmaessig beseitigt worden war, nicht bloss wiederum geteilt, sondern auch an die Spitze der beiden Haelften Fuehrer gestellt, welche offenkundig geradezu entgegengesetzte Kriegsplaene befolgten. Quintus Fabius blieb natuerlich mehr als je bei seinem methodischen Nichtstun; Marcus Minucius, genoetigt, seinen Diktatortitel auf dem Schlachtfelde zu rechtfertigen, griff uebereilt und mit geringen Streitkraeften an und waere vernichtet worden, wenn nicht hier sein Kollege durch das rechtzeitige Erscheinen eines frischen Korps groesseres Unglueck abgewandt haette. Diese letzte Wendung der Dinge gab dem System des passiven Widerstandes gewissermassen Recht. Allein in der Tat hatte Hannibal in diesem Feldzug vollstaendig erreicht, was mit den Waffen erreicht werden konnte: nicht eine einzige wesentliche Operation hatten weder der stuermische noch der bedaechtige Gegner ihm vereitelt, und seine Verproviantierung war, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit, doch im wesentlichen so vollstaendig gelungen, dass dem Heer in dem Lager bei Gerunium der Winter ohne Beschwerde vorueberging. Nicht der Zauderer hat Rom gerettet, sondern das feste Gefuege seiner Eidgenossenschaft und vielleicht nicht minder der Nationalhass der Okzidentalen gegen den phoenikischen Mann.
———————————————— ^3 Die Inschrift des von dem neuen Diktator wegen seines Sieges bei Gerunium dem Hercules Sieger errichteten Weihgeschenkes: Hercolei sacrom M. Minuci(us) C. f. dictator vovit ist im Jahre 1862 in Rom bei S. Lorenzo aufgefunden worden.
———————————————— Trotz aller Unfaelle stand der roemische Stolz nicht minder aufrecht als die roemische Symmachie. Die Geschenke, welche der Koenig Hieron von Syrakus und die griechischen Staedte in Italien fuer den naechsten Feldzug anboten – die letzteren traf der Krieg minder schwer als die uebrigen italischen Bundesgenossen Roms, da sie nicht zum Landheer stellten -, wurden mit Dank abgelehnt; den illyrischen Haeuptlingen zeigte man an, dass sie nicht saeumen moechten mit Entrichtung des Tributs; ja man beschickte den Koenig von Makedonien abermals um die Auslieferung des Demetrios von Pharos. Die Majoritaet des Senats war trotz der Quasilegitimation, welche die letzten Ereignisse dem Zaudersystem des Fabius gegeben hatten, doch fest entschlossen, von dieser den Staat zwar langsam, aber sicher zugrunde richtenden Kriegfuehrung abzugehen; wenn der Volksdiktator mit seiner energischeren Kriegfuehrung gescheitert war, so schob man, und nicht mit Unrecht, die Ursache darauf, dass man eine halbe Massregel getroffen und ihm zu wenig Truppen gegeben habe. Diesen Fehler beschloss man zu vermeiden und ein Heer aufzustellen, wie Rom noch keines ausgesandt hatte: acht Legionen, jede um ein Fuenftel ueber die Normalzahl verstaerkt, und die entsprechende Anzahl Bundesgenossen, genug, um den nicht halb so starken Gegner zu erdruecken. Ausserdem ward eine Legion unter dem Praetor Lucius Postumius nach dem Potal bestimmt, um womoeglich die in Hannibals Heer dienenden Kelten nach der Heimat zurueckzuziehen. Diese Beschluesse waren verstaendig; es kam nur darauf an, auch ueber den Oberbefehl angemessen zu bestimmen. Das starre Auftreten des Quintus Fabius und die daran sich anspinnenden demagogischen Hetzereien hatten die Diktatur und ueberhaupt den Senat unpopulaerer gemacht als je; im Volke ging, wohl nicht ohne Schuld seiner Fuehrer, die toerichte Rede, dass der Senat den Krieg absichtlich in die Laenge ziehe. Da also an die Ernennung eines Diktators nicht zu denken war, versuchte der Senat die Wahl der Konsuln angemessen zu leiten, was indes den Verdacht und den Eigensinn erst recht rege machte. Mit Muehe brachte der Senat den einen seiner Kandidaten durch, den Lucius Aemilius Paullus, der im Jahre 535 (219) den Illyrischen Krieg verstaendig gefuehrt hatte; die ungeheure Majoritaet der Buerger gab ihm zum Kollegen den Kandidaten der Volkspartei Gaius Terentius Varro, einen unfaehigen Mann, der nur durch seine verbissene Opposition gegen den Senat und namentlich als Haupturheber der Wahl des Marcus Minucius zum Mitdiktator bekannt war, und den nichts der Menge empfahl als seine niedrige Geburt und seine rohe Unverschaemtheit.
Waehrend diese Vorbereitungen zu dem naechsten Feldzug in Rom getroffen wurden, hatte der Krieg bereits in Apulien wieder begonnen. Sowie die Jahreszeit es gestattete, die Winterquartiere zu verlassen, brach Hannibal, wie immer den Krieg bestimmend und die Offensive fuer sich nehmend, von Gerunium in der Richtung nach Sueden auf, ueberschritt an Luceria vorbeimarschierend den Aufidus und nahm das Kastell von Cannae (zwischen Canosa und Barletta), das die canusinische Ebene beherrschte und den Roemern bis dahin als Hauptmagazin gedient hatte. Die roemische Armee, welche, nachdem Fabius in der Mitte des Herbstes verfassungsmaessig seine Diktatur niedergelegt hatte, jetzt von Gnaeus Servilius und Marcus Regulus zuerst als Konsuln; dann als Prokonsuln kommandiert wurde, hatte den empfindlichen Verlust nicht abzuwenden gewusst; aus militaerischen wie aus politischen Ruecksichten ward es immer notwendiger, den Fortschritten Hannibals durch eine Feldschlacht zu begegnen. Mit diesem bestimmten Auftrag des Senats trafen denn auch die beiden neuen Oberbefehlshaber Paullus und Varro im Anfang des Sommers 538 (216) in Apulien ein. Mit den vier neuen Legionen und dem entsprechenden Kontingent der Italiker, die sie heranfuehrten, stieg die roemische Armee auf 80000 Mann zu Fuss, halb Buerger, halb Bundesgenossen, und 6000 Reiter, wovon ein Drittel Buerger, zwei Drittel Bundesgenossen waren; wogegen Hannibals Armee zwar 10000 Reiter, aber nur etwa 40000 Mann zu Fuss zaehlte. Hannibal wuenschte nichts mehr als eine Schlacht, nicht bloss aus den allgemeinen, frueher eroerterten Gruenden, sondern auch besonders deshalb, weil das weite apulische Blachfeld ihm gestattete, die ganze Ueberlegenheit seiner Reiterei zu entwickeln und weil die Verpflegung seiner zahlreichen Armee, hart an dem doppelt so starken und auf eine Reihe von Festungen gestuetzten Feind, trotz seiner ueberlegenen Reiterei sehr bald ungemein schwierig zu werden drohte. Auch die Fuehrer der roemischen Streitmacht waren, wie gesagt, im allgemeinen entschlossen zu schlagen und naeherten in dieser Absicht sich dem Feinde; allein die einsichtigeren unter ihnen erkannten Hannibals Lage und beabsichtigten daher, zunaechst zu warten und nur nahe am Feinde sich aufzustellen, um ihn zum Abzug und zur Annahme der Schlacht auf einem ihm minder guenstigen Terrain zu noetigen. Hannibal lagerte bei Cannae am rechten Ufer des Aufidus. Paullus schlug sein Lager an beiden Ufern des Flusses auf, so dass die Hauptmacht am linken Ufer zu stehen kam, ein starkes Korps aber am rechten unmittelbar dem Feind gegenueber Stellung nahm, um ihm die Zufuhren zu erschweren, vielleicht auch Cannae zu bedrohen. Hannibal, dem alles daran lag, bald zum Schlagen zu kommen, ueberschritt mit dem Gros seiner Truppen den Strom und bot auf dem linken Ufer die Schlacht an, die Paullus nicht annahm. Allein dem demokratischen Konsul missfiel dergleichen militaerische Pedanterie; es war so viel davon geredet worden, dass man ausziehe, nicht um Posten zu stehen, sondern um die Schwerter zu gebrauchen; er befahl, auf den Feind zu gehen, wo und wie man ihn eben fand. Nach der alten toerichterweise beibehaltenen Sitte wechselte die entscheidende Stimme im Kriegsrat zwischen dem Oberfeldherren Tag um Tag; man musste also am folgenden Tage sich fuegen und dem Helden von der Gasse seinen Willen tun. Auf dem linken Ufer, wo das weite Blachfeld der ueberlegenen Reiterei des Feindes vollen Spielraum bot, wollte allerdings auch er nicht schlagen; aber er beschloss, die gesamten roemischen Streitkraefte auf dem rechten zu vereinigen und hier, zwischen den karthagischen Lager und Cannae Stellung nehmend und dieses ernstlich bedrohend, die Schlacht anzubieten. Eine Abteilung von 10000 Mann blieb in dem roemischen Hauptlager zurueck mit dem Auftrag, das karthagische waehrend des Gefechts wegzunehmen und damit dem feindlichen Heere den Rueckzug ueber den Fluss abzuschneiden; das Gros der roemischen Armee ueberschritt mit dem grauenden Morgen des 2. August nach dem unberichtigten, etwa im Juni nach dem richtigen Kalender, den in dieser Jahreszeit seichten und die Bewegungen der Truppen nicht wesentlich hindernden Fluss und stellte bei dem kleineren roemischen Lager westlich von Cannae sich in Linie auf. Die karthagische Armee folgte und ueberschritt gleichfalls den Strom, an den der rechte roemische wie der linke karthagische Fluegel sich lehnten. Die roemische Reiterei stand auf den Fluegeln, die schwaechere der Buergerwehr auf dem rechten am Fluss, gefuehrt von Paullus, die staerkere bundesgenoessische auf dem linken gegen die Ebene, gefuehrt von Varro. Im Mitteltreffen stand das Fussvolk in ungewoehnlich tiefen Gliedern unter dem Befehl des Konsuls des Vorjahrs, Gnaeus Servilius. Diesem gegenueber ordnete Hannibal sein Fussvolk in halbmondfoermiger Stellung, so dass die keltischen und iberischen Truppen in ihrer nationalen Ruestung die vorgeschobene Mitte, die roemisch geruesteten Libyer auf beiden Seiten die zurueckgenommenen Fluegel bildeten. An der Flussseite stellte die gesamte schwere Reiterei unter Hasdrubal sich auf, an der Seite nach der Ebene hinaus die leichten numidischen Reiter. Nach kurzem Vorpostengefecht der leichten Truppen war bald die ganze Linie im Gefecht. Wo die leichte Reiterei der Karthager gegen Varros schwere Kavallerie focht, zog das Gefecht unter stetigen Chargen der Numidier ohne Entscheidung sich hin. Dagegen im Mitteltreffen warfen die Legionen die ihnen zuerst begegnenden spanischen und gallischen Truppen vollstaendig; eilig draengten die Sieger nach und verfolgten ihren Vorteil. Allein mittlerweile hatte auf dem rechten Fluegel das Glueck sich gegen die Roemer gewandt. Hannibal hatte den linken Reiterfluegel der Feinde bloss beschaeftigen lassen, um Hasdrubal mit der ganzen regulaeren Reiterei gegen den schwaecheren rechten zu verwenden und diesen zuerst zu werfen. Nach tapferer Gegenwehr wichen die roemischen Reiter und was nicht niedergehauen ward, wurde den Fluss hinaufgejagt und in die Ebene versprengt; verwundert ritt Paullus zu dem Mitteltreffen, das Schicksal der Legionen zu wenden oder doch zu teilen. Diese hatten, um den Sieg ueber die vorgeschobene feindliche Infanterie besser zu verfolgen, ihre Frontstellung in eine Angriffskolonne verwandelt, die keilfoermig eindrang in das feindliche Zentrum. In dieser Stellung wurden sie von dem rechts und links einschwenkenden libyschen Fussvolk von beiden Seiten heftig angegriffen und ein Teil von ihnen gezwungen, Halt zu machen, um gegen die Flankenangriffe sich zu verteidigen, wodurch das Vorruecken ins Stocken kam und die ohnehin schon uebermaessig dicht gereihte Infanteriemasse nun gar nicht mehr Raum fand, sich zu entwickeln. Inzwischen hatte Hasdrubal, nachdem er mit dem Fluegel des Paullus fertig war, seine Reiter aufs neue gesammelt und geordnet und sie hinter dem feindlichen Mitteltreffen weg gegen den Fluegel des Varro gefuehrt. Dessen italische Reiterei, schon mit den Numidiern hinreichend beschaeftigt, stob vor dem doppelten Angriff schnell auseinander. Hasdrubal, die Verfolgung der Fluechtigen den Numidiern ueberlassend, ordnete zum drittenmal seine Schwadronen, um sie dem roemischen Fussvolk in den Ruecken zu fuehren. Dieser letzte Stoss entschied. Flucht war nicht moeglich und Quartier ward nicht gegeben; es ist vielleicht nie ein Heer von dieser Groesse so vollstaendig und mit so geringem Verlust des Gegners auf dem Schlachtfeld selbst vernichtet worden wie das roemische bei Cannae. Hannibal hatte nicht ganz 6000 Mann eingebuesst, wovon zwei Drittel auf die Kelten kamen, die der erste Stoss der Legionen traf. Dagegen von den 76000 Roemern, die in der Schlachtlinie gestanden hatten, deckten 70000 das Feld, darunter der Konsul Lucius Paullus, der Altkonsul Gnaeus Servilius, zwei Drittel der Stabsoffiziere, achtzig Maenner senatorischen Ranges. Nur den Konsul Marcus Varro rettete sein rascher Entschluss und sein gutes Pferd nach Venusia, und er ertrug es zu leben. Auch die Besatzung des roemischen Lagers, 10000 Mann stark, ward groesstenteils kriegsgefangen; nur einige tausend Mann, teils aus diesen Truppen, teils aus der Linie, entkamen nach Canusium. Ja als sollte in diesem Jahre durchaus mit Rom ein Ende gemacht werden, fiel noch vor Ablauf desselben die nach Gallien gesandte Legion in einen Hinterhalt und wurde mit ihrem Feldherrn Lucius Postumius, dem fuer das naechste Jahr ernannten Konsul, von den Galliern gaenzlich vernichtet.
Dieser beispiellose Erfolg schien nun endlich die grosse politische Kombination zu reifen, um derentwillen Hannibal nach Italien gegangen war. Er hatte seinen Plan wohl zunaechst auf sein Heer gebaut; allein in richtiger Erkenntnis der ihm entgegenstehenden Macht sollte dies in seinem Sinn nur die Vorhut sein, mit der die Kraefte des Westens und Ostens allmaehlich sich vereinigen wuerden, um der stolzen Stadt den Untergang zu bereiten. Zwar diejenige Unterstuetzung, die die gesichertste schien, die Nachsendungen von Spanien her, hatte das kuehne und feste Auftreten des dorthin gesandten roemischen Feldherrn Gnaeus Scipio ihm vereitelt. Nach Hannibals Uebergang ueber die Rhone war dieser nach Emporiae gesegelt und hatte sich zuerst der Kueste zwischen den Pyrenaeen und dem Ebro, dann nach Besiegung des Hanno auch des Binnenlandes bemaechtigt (536 218). Er hatte im folgenden Jahr (537 217) die karthagische Flotte an der Ebromuendung voellig geschlagen, hatte, nachdem sein Bruder Publius, der tapfere Verteidiger des Potals, mit Verstaerkung von 8000 Mann zu ihm gestossen war, sogar den Ebro ueberschritten und war vorgedrungen bis gegen Sagunt. Zwar hatte Hasdrubal das Jahr darauf (538 216), nachdem er aus Afrika Verstaerkungen erhalten, den Versuch gemacht, den Befehl seines Bruders gemaess eine Armee ueber die Pyrenaeen zu fuehren; allein die Scipionen verlegten ihm den Uebergang ueber den Ebro und schlugen ihn vollstaendig, etwa um dieselbe Zeit, wo in Italien Hannibal bei Cannae siegte. Die maechtige Voelkerschaft der Keltiberer und zahlreiche andere spanische Staemme hatten den Scipionen sich zugewandt; diese beherrschten das Meer und die Pyrenaeenpaesse und durch die zuverlaessigen Massalioten auch die gallische Kueste. So war von Spanien aus fuer Hannibal jetzt weniger als je Unterstuetzung zu erwarten. Von Karthago war bisher zur Unterstuetzung des Feldherrn in Italien so viel geschehen, wie man erwarten konnte: phoenikische Geschwader bedrohten die Kuesten Italiens und der roemischen Inseln und hueteten Afrika vor einer roemischen Landung, und dabei blieb es. Ernstlicheren Beistand verhinderte nicht sowohl die Ungewissheit, wo Hannibal zu finden sei, und der Mangel eines Landeplatzes in Italien, als die langjaehrige Gewohnheit, dass das spanische Heer sich selbst genuege, vor allem aber die grollende Friedenspartei. Hannibal empfand schwer die Folgen dieser unverzeihlichen Untaetigkeit; trotz allen Sparens des Geldes und der mitgebrachten Soldaten wurden seine Kassen allmaehlich leer, der Sold kam in Rueckstand und die Reihen seiner Veteranen fingen an sich zu lichten. Jetzt aber brachte die Siegesbotschaft von Cannae selbst die faktioese Opposition daheim zum Schweigen. Der karthagische Senat beschloss dem Feldherrn betraechtliche Unterstuetzungen an Geld und Mannschaft, teils aus Afrika, teils aus Spanien, unter anderm 4000 numidische Reiter und 40 Elefanten zur Verfuegung zu stellen und in Spanien wie in Italien den Krieg energisch zu betreiben.
Die laengstbesprochene Offensivallianz zwischen Karthago und Makedonien war anfangs durch Antigonos’ ploetzlichen Tod, dann durch seines Nachfolgers Philippos Unentschlossenheit und dessen und seiner hellenischen Bundesgenossen unzeitigen Krieg gegen die Aetoler (534-537 220-217) verzoegert worden. Erst jetzt, nach der Cannensischen Schlacht, fand Demetrios von Pharos Gehoer bei Philippos mit dem Antrag, seine illyrischen Besitzungen an Makedonien abzutreten – sie massten freilich erst den Roemern entrissen werden -, und erst jetzt schloss der Hof von Pella ab mit Karthago. Makedonien uebernahm es, eine Landungsarmee an die italische Ostkueste zu werfen, wogegen ihm die Rueckgabe der roemischen Besitzungen in Epeiros zugesichert ward. In Sizilien hatte Koenig Hieron zwar waehrend der Friedensjahre, soweit es mit Sicherheit geschehen konnte, eine Neutralitaetspolitik eingehalten, und auch den Karthagern waehrend der gefaehrlichen Krisen nach dem Frieden mit Rom namentlich durch Kornsendungen sich gefaellig erwiesen. Es ist kein Zweifel, dass er den abermaligen Bruch zwischen Karthago und Rom hoechst ungern sah; aber ihn abzuwenden vermochte er nicht, und als er eintrat, hielt er mit wohlberechneter Treue fest an Rom. Allein bald darauf (Herbst 538 216) rief der Tod den alten Mann nach vierundfuenfzigjaehriger Regierung ab. Der Enkel und Nachfolger des klugen Greises, der junge unfaehige Hieronymus, liess sich sogleich mit den karthagischen Diplomaten ein; und da diese keine Schwierigkeit machten, ihm zuerst Sizilien bis an die alte karthagisch-sizilische Grenze, dann sogar, da sein Uebermut stieg, den Besitz der ganzen Insel vertragsmaessig zuzusichern, trat er in Buendnis mit Karthago und liess mit der karthagischen Flotte, die gekommen war, um Syrakus zu bedrohen, die syrakusanische sich vereinigen. Die Lage der roemischen Flotte bei Lilybaeon, die schon mit dem zweiten, bei den aegatischen Inseln postierten karthagischen Geschwader zu tun gehabt hatte, ward auf einmal sehr bedenklich, waehrend zugleich die in Rom zur Einschiffung nach Sizilien bereitstehende Mannschaft infolge der Cannensischen Niederlage fuer andere und dringendere Erfordernisse verwendet werden musste. Was aber vor allem entscheidend war, jetzt endlich begann das Gebaeude der roemischen Eidgenossenschaft aus den Fugen zu weichen, nachdem es die Stoesse zweier schwerer Kriegsjahre unerschuettert ueberstanden hatte. Es traten auf Hannibals Seite Arpi in Apulien und Uzentum in Messapien, zwei alte, durch die roemischen Kolonien Luceria und Brundisium schwer beeintraechtigte Staedte; die saemtlichen Staedte der Brettier – diese zuerst von allen – mit Ausnahme der Peteliner und der Consentiner, die erst belagert werden mussten; die Lucaner groesstenteils; die in die Gegend von Salernum verpflanzten Picenter; die Hirpiner; die Samniten mit Ausnahme der Pentrer; endlich und vornehmlich Capua, die zweite Stadt Italiens, die 30000 Mann zu Fuss und 4000 Berittene ins Feld zu stellen vermochte und deren Uebertritt den der Nachbarstaedte Atella und Calatia entschied. Freilich widersetzte sich die vielfach an das roemische Interesse gefesselte Adelspartei ueberall und namentlich in Capua dem Parteiwechsel sehr ernstlich, und die hartnaeckigen inneren Kaempfe, die hierueber entstanden, minderten nicht wenig den Vorteil, den Hannibal von diesen Uebertritten zog. Er sah sich zum Beispiel genoetigt, in Capua einen der Fuehrer der Adelspartei, den Decius Magius, der noch nach dem Einruecken der Phoeniker hartnaeckig das roemische Buendnis verfocht, festnehmen und nach Karthago abfuehren zu lassen, um so den ihm selbst sehr ungelegenen Beweis zu liefern, was es auf sich habe mit der von dem karthagischen Feldherrn soeben den Kampanern feierlich zugesicherten Freiheit und Souveraenitaet. Dagegen hielten die sueditalischen Griechen fest am roemischen Buendnis, wobei die roemischen Besatzungen freilich auch das Ihrige taten, aber mehr noch der sehr entschiedene Widerwille der Hellenen gegen die Phoeniker selbst und deren neue lucanische und brettische Bundesgenossen, und ihre Anhaenglichkeit an Rom, das jede Gelegenheit, seinen Hellenismus zu betaetigen, eifrig benutzt und gegen die Griechen in Italien eine ungewohnte Milde gezeigt hatte. So widerstanden die kampanischen Griechen, namentlich Neapel, mutig Hannibals eigenem Angriff; dasselbe taten in Grossgriechenland trotz ihrer sehr gefaehrdeten Stellung Rhegion, Thurii, Metapont und Tarent. Kroton und Lokri dagegen wurden von den vereinigten Brettiern und Phoenikern teils erstuermt, teils zur Kapitulation gezwungen und die Krotoniaten nach Lokri gefuehrt, worauf brettische Kolonisten jene wichtige Seestation besetzten. Dass die sueditalischen Latiner, wie Brundisium, Venusia, Paestum, Cosa, Cales, unerschuettert mit Rom hielten, versteht sich von selbst. Waren sie doch die Zwingburgen der Eroberer im fremden Land, angesiedelt auf dem Acker der Umwohner, mit ihren Nachbarn verfehdet; traf es doch sie zunaechst, wenn Hannibal sein Wort wahr machte und jeder italischen Gemeinde die alten Grenzen zurueckgab. In gleicher Weise gilt dies von ganz Mittelitalien, dem. aeltesten Sitz der roemischen Herrschaft, wo latinische Sitte und Sprache schon ueberall vorwog und man sich als Genosse der Herrscher, nicht als Untertan fuehlte. Hannibals Gegner im karthagischen Senat unterliessen nicht, daran zu erinnern, dass nicht ein roemischer Buerger, nicht eine latinische Gemeinde sich Karthago in die Arme geworfen habe. Dieses Grundwerk der roemischen Macht konnte gleich der kyklopischen Mauer nur Stein um Stein zertruemmert werden. Das waren die Folgen des Tages von Cannae, an dem die Bluete der Soldaten und Offiziere der Eidgenossenschaft, ein Siebentel der gesamten Zahl der kampffaehigen Italiker zugrunde ging. Es war eine grausame, aber gerechte Strafe der schweren politischen Versuendigungen, die sich nicht etwa bloss einzelne toerichte oder elende Maenner, sondern die roemische Buergerschaft selbst hatte zu Schulden kommen lassen. Die fuer die kleine Landstadt zugeschnittene Verfassung passte der Grossmacht nirgend mehr; es war eben nicht moeglich, ueber die Frage, wer die Heere der Stadt in einem solchen Kriege fuehren solle, Jahr fuer Jahr die Pandorabuechse des Stimmkastens entscheiden zu lassen. Da eine gruendliche Verfassungsrevision, wenn sie ueberhaupt ausfuehrbar war, jetzt wenigstens nicht begonnen werden durfte, so haette zunaechst der einzigen Behoerde, die dazu imstande war, dem Senat die tatsaechliche Oberleitung des Krieges und namentlich die Vergebung und Verlaengerung des Kommandos ueberlassen werden und den Komitien nur die formelle Bestaetigung verbleiben sollen. Die glaenzenden Erfolge der Scipionen auf dem schwierigen spanischen Kriegsschauplatz zeigten, was auf diesem Wege sich erreichen liess. Allein die politische Demagogie, die bereits an dem aristokratischen Grundbau der Verfassung nagte, hatte sich der italischen Kriegfuehrung bemaechtigt; die unvernuenftige Beschuldigung, dass die Vornehmen mit dem auswaertigen Feinde konspirierten, hatte auf das “Volk” Eindruck gemacht. Die Heilande des politischen Koehlerglaubens, die Gaius Flaminius und Gaius Varro, beide “neue Maenner” und Volksfreunde vom reinsten Wasser, waren demnach zur Ausfuehrung ihrer unter dem Beifall der Menge auf dem Markt entwickelten Operationsplaene von eben dieser Menge beauftragt worden, und die Ergebnisse waren die Schlachten am Trasimenischen See und bei Cannae. Dass der Senat, der begreiflicherweise seine Aufgabe jetzt besser fasste, als da er des Regulus halbe Armee aus Afrika zurueckberief, die Leitung der Angelegenheiten fuer sich begehrte und jenem Unwesen sich widersetzte, war pflichtgemaess; allein auch er hatte, als die erste jener beiden Niederlagen ihm fuer den Augenblick das Ruder in die Hand gab, gleichfalls nicht unbefangen von Parteiinteressen gehandelt. So wenig Quintus Fabius mit jenen roemischen Kleonen verglichen werden darf, so hatte doch auch er den Krieg nicht bloss als Militaer gefuehrt, sondern seine starre Defensive vor allem als politischer Gegner des Gaius Flaminius festgehalten und in der Behandlung des Zerwuerfnisses mit seinem Unterfeldherrn getan, was an ihm lag, um in einer Zeit, die Einigkeit forderte, zu erbittern. Die Folge war erstlich, dass das wichtigste Instrument, das eben fuer solche Faelle die Weisheit der Vorfahren dem Senat in die Hand gegeben hatte, die Diktatur ihm unter den Haenden zerbrach; und zweitens mittelbar wenigstens die Cannensische Schlacht. Den jaehen Sturz der roemischen Macht verschuldeten aber weder Quintus Fabius noch Gaius Varro, sondern das Misstrauen zwischen dem Regiment und den Regierten, die Spaltung zwischen Rat und Buergerschaft. Wenn noch Rettung und Wiedererhebung des Staates moeglich war, musste sie daheim beginnen mit Wiederherstellung der Einigkeit und des Vertrauens. Dies begriffen und, was schwerer wiegt, dies getan zu haben, getan mit Unterdrueckung aller an sich gerechten Rekriminationen, ist die herrliche und unvergaengliche Ehre des roemischen Senats. Als Varro – allein von allen Generalen, die in der Schlacht kommandiert hatten – nach Rom zurueckkehrte, und die roemischen Senatoren bis an das Tor ihm entgegengingen und ihm dankten, dass er an der Rettung des Vaterlandes nicht verzweifelt habe, waren dies weder leere Reden, um mit grossen Worten das Unheil zu verhuellen, noch bitterer Spott ueber einen Armseligen; es war der Friedensschluss zwischen dem Regiment und den Regierten. Vor dem Ernst der Zeit und dem Ernst eines solchen Aufrufs verstummte das demagogische Geklatsch; fortan gedachte man in Rom nur, wie man gemeinsam die Not zu wenden vermoege. Quintus Fabius, dessen zaeher Mut in diesem entscheidenden Augenblick dem Staat mehr genuetzt hat als all seine Kriegstaten, und die anderen angesehenen Senatoren gingen dabei in allem voran und gaben den Buergern das Vertrauen auf sich und auf die Zukunft zurueck. Der Senat bewahrte seine feste und strenge Haltung, waehrend die Boten von allen Seiten nach Rom eilten, um die verlorenen Schlachten, den Uebertritt der Bundesgenossen, die Aufhebung von Posten und Magazinen zu berichten, um Verstaerkung zu begehren fuer das Potal und fuer Sizilien, da doch Italien preisgegeben und Rom selbst fast unbesetzt war. Das Zusammenstroemen der Menge an den Toren ward untersagt, die Gaffer und die Weiber in die Haeuser gewiesen, die Trauerzeit um die Gefallenen auf dreissig Tage beschraenkt, damit der Dienst der freudigen Goetter, von dem das Trauergewand ausschloss, nicht allzulange unterbrochen werde – denn so gross war die Zahl der Gefallenen, dass fast in keiner Familie die Totenklage fehlte. Was vom Schlachtfeld sich gerettet hatte, war indes durch zwei tuechtige Kriegstribune, Appius Claudius und Publius Scipio den Sohn, in Canusium gesammelt worden; der letztere verstand es, durch seine stolze Begeisterung und durch die drohend erhobenen Schwerter seiner Getreuen, diejenigen vornehmen jungen Herren auf andere Gedanken zu bringen, die in bequemer Verzweiflung an die Rettung des Vaterlandes ueber das Meer zu entweichen gedachten. Zu ihnen begab sich mit einer Handvoll Leute der Konsul Gaius Varro; allmaehlich fanden sich dort etwa zwei Legionen zusammen, die der Senat zu reorganisieren und zu schimpflichem und unbesoldetem Kriegsdienst zu degradieren befahl. Der unfaehige Feldherr ward unter einem schicklichen Vorwand nach Rom zurueckberufen; der in den gallischen Kriegen erprobte Praetor Marcus Claudius Marcellus, der bestimmt gewesen war, mit der Flotte von Ostia nach Sizilien abzugehen, uebernahm den Oberbefehl. Die aeussersten Kraefte wurden angestrengt, um eine kampffaehige Armee zu organisieren. Die Latiner wurden beschickt um Hilfe in der gemeinschaftlichen Gefahr; Rom selbst ging mit dem Beispiel voran und rief die ganze Mannschaft bis ins Knabenalter unter die Waffen, bewaffnete die Schuldknechte und die Verbrecher, ja stellte sogar achttausend vom Staate angekaufte Sklaven in das Heer ein. Da es an Waffen fehlte, nahm man die alten Beutestuecke aus den Tempeln und setzte Fabriken und Gewerbe ueberall in Taetigkeit. Der Senat ward ergaenzt – nicht, wie aengstliche Patrioten forderten, aus den Latinern, sondern aus den naechstberechtigten roemischen Buergern. Hannibal bot die Loesung der Gefangenen auf Kosten des roemischen Staatsschatzes an; man lehnte sie ab und liess den mit der Abordnung der Gefangenen angelangten karthagischen Boten nicht in die Stadt; es durfte nicht scheinen, als denke der Senat an Frieden. Nicht bloss die Bundesgenossen sollten nicht glauben, dass Rom sich anschicke zu transigieren, sondern es musste auch dem letzten Buerger begreiflich gemacht werden, dass fuer ihn wie fuer alle es keinen Frieden gebe und Rettung nur im Siege sei. 6. Kapitel
Der Hannibalische Krieg von Cannae bis Zama Hannibals Ziel bei seinem Zug nach Italien war die Sprengung der italischen Eidgenossenschaft gewesen; nach drei Feldzuegen war dasselbe erreicht, soweit es ueberhaupt erreichbar war. Dass die griechischen und die latinischen oder latinisierten Gemeinden Italiens, nachdem sie durch den Tag von Cannae nicht irre geworden waren, ueberhaupt nicht dem Schreck, sondern nur der Gewalt weichen wuerden, lag am Tage, und der verzweifelte Mut, mit dem selbst in Sueditalien einzelne kleine und rettungslos verlorene Landstaedte, wie das brettische Petelia, gegen den Phoeniker sich wehrten, zeigte sehr klar, was seiner bei den Marsern und Latinern warte. Wenn Hannibal gemeint hatte, auf diesem Wege mehr erreichen und auch die Latiner gegen Rom fuehren zu koennen, so hatten diese Hoffnungen sich als eitel erwiesen. Aber es scheint, als habe auch sonst die italische Koalition keineswegs die gehofften Resultate fuer Hannibal geliefert. Capua hatte sofort sich ausbedungen, dass Hannibal das Recht nicht haben solle, kampanische Buerger zwangsweise unter die Waffen zu rufen; die Staedter hatten nicht vergessen, wie Pyrrhos in Tarent aufgetreten war, und meinten toerichterweise, zugleich der roemischen und der phoenikischen Herrschaft sich entziehen zu koennen. Samnium und Lucanien waren nicht mehr, was sie gewesen, als Koenig Pyrrhos gedacht hatte, an der Spitze der sabellischen Jugend in Rom einzuziehen. Nicht bloss zerschnitt das roemische Festungsnetz ueberall den Landschaften Sehnen und Nerven, sondern es hatte auch die vieljaehrige roemische Herrschaft die Einwohner der Waffen entwoehnt – nur maessiger Zuzug kam von hier zu den roemischen Heeren -, den alten Hass beschwichtigt, ueberall eine Menge einzelner in das Interesse der herrschenden Gemeinde gezogen. Man schloss sich wohl dem Ueberwinder der Roemer an, nachdem Roms Sache einmal verloren schien; allein man fuehlte doch, dass es jetzt nicht mehr um die Freiheit sich handle, sondern um die Vertauschung des italischen mit dem phoenikischen Herrn, und nicht Begeisterung, sondern Kleinmut warf die sabellischen Gemeinden dem Sieger in die Arme. Unter solchen Umstaenden stockte in Italien der Krieg. Hannibal, der den suedlichen Teil der Halbinsel beherrschte bis hinauf zum Volturnus und zum Garganus und diese Landschaften nicht wie das Keltenland einfach wieder aufgeben konnte, hatte jetzt gleichfalls eine Grenze zu decken, die nicht ungestraft entbloesst ward; und, um die gewonnenen Landschaften gegen die ueberall ihm trotzenden Festungen und die von Norden her anrueckenden Heere zu verteidigen und gleichzeitig die schwierige Offensive gegen Mittelitalien zu ergreifen, reichten seine Streitkraefte, ein Heer von etwa 40000 Mann, ohne die italischen Zuzuege zu rechnen, bei weitem nicht aus. Vor allen Dingen aber fand er andere Gegner sich gegenueber. Durch furchtbare Erfahrungen belehrt, gingen die Roemer ueber zu einem verstaendigeren System der Kriegfuehrung, stellten nur erprobte Offiziere an die Spitze ihrer Armeen und liessen dieselben, wenigstens wo es not tat, auf laengere Zeit bei dem Kommando. Diese Feldherren sahen weder den feindlichen Bewegungen noch den Bergen herab zu, noch warfen sie sich auf den Gegner, wo sie ihn eben fanden, sondern, die rechte Mitte zwischen Zauderei und Vorschnelligkeit haltend, stellten sie in verschanzten Lagern, unter den Mauern der Festungen sich auf und nahmen den Kampf da an, wo der Sieg zu Resultaten, die Niederlage nicht zur Vernichtung fuehrte. Die Seele dieser neuen Kriegfuehrung war Marcus Claudius Marcellus. Mit richtigem Instinkt hatten nach dem unheilvollen Tag von Cannae Senat und Volk auf diesen tapferen und krieggewohnten Mann die Blicke gewandt und ihm zunaechst den faktischen Oberbefehl uebertragen. Er hatte in dem schwierigen Sizilischen Kriege gegen Hamilkar seine Schule gemacht und in den letzten Feldzuegen gegen die Kelten sein Fuehrertalent wie seine persoenliche Tapferkeit glaenzend bewaehrt. Obwohl ein hoher Fuenfziger, brannte er doch vom jugendlichsten Soldatenfeuer und hatte erst wenige Jahre zuvor als Feldherr den feindlichen Feldherrn vom Pferde gehauen – der erste und einzige roemische Konsul, dem eine solche Waffentat gelang. Sein Leben war den beiden Gottheiten geweiht, denen er den glaenzenden Doppeltempel am Capenischen Tore errichtete, der Ehre und der Tapferkeit; und wenn die Rettung Roms aus dieser hoechsten Gefahr nicht das Verdienst eines einzelnen ist, sondern der roemischen Buergerschaft insgemein und vorzugsweise dem Senat gebuehrt, so hat doch kein einzelner Mann bei dem gemeinsamen Bau mehr geschafft als Marcus Marcellus. Vom Schlachtfeld hatte Hannibal sich nach Kampanien gewandt. Er kannte Rom besser als die naiven Leute, die in alter und neuer Zeit gemeint haben, dass er mit einem Marsch auf die feindliche Hauptstadt den Kampf haette beendigen koennen. Die heutige Kriegskunst zwar entscheidet den Krieg auf dem Schlachtfeld; allein in der alten Zeit, wo der Angriffskrieg gegen die Festungen weit minder entwickelt war als das Verteidigungssystem, ist unzaehlige Male der vollstaendigste Erfolg im Feld an den Mauern der Hauptstaedte zerschellt. Rat und Buergerschaft in Karthago waren weitaus nicht zu vergleichen mit Senat und Volk in Rom, Karthagos Gefahr nach Regulus’ erstem Feldzug unendlich dringender als die Roms nach der Schlacht bei Cannae; und Karthago hatte standgehalten und vollstaendig gesiegt. Mit welchem Schein konnte man meinen, dass Rom jetzt dem Sieger die Schluessel entgegentragen oder auch nur einen billigen Frieden annehmen werde? Statt also ueber solche leeren Demonstrationen moegliche und wichtige Erfolge zu verscherzen oder die Zeit zu verlieren mit der Belagerung der paar tausend roemischer Fluechtlinge in den Mauern von Canusium, hatte sich Hannibal sofort nach Capua begeben, bevor die Roemer Besatzung hineinwerfen konnten, und hatte durch sein Anruecken diese zweite Stadt Italiens nach langem Schwanken zum Uebertritt bestimmt. Er durfte hoffen, von Capua aus sich eines der kampanischen Haefen bemaechtigen zu koennen, um dort die Verstaerkungen an sich zu ziehen, welche seine grossartigen Siege der Opposition daheim abgerungen hatten. Als die Roemer erfuhren, wohin Hannibal sich gewendet habe, verliessen auch sie Apulien, wo nur eine schwache Abteilung zurueckblieb und sammelten die ihnen gebliebenen Streitkraefte auf dem rechten Ufer des Volturnus. Mit den zwei cannensischen Legionen marschierte Marcus Marcellus nach Teanum Sidicinum, wo er von Rom und Ostia die zunaechst verfuegbaren Truppen an sich zog, und ging, waehrend der Diktator Marcus Junius mit der schleunigst neu gebildeten Hauptarmee langsam nachfolgte, bis an den Volturnus nach Casilinum vor, um womoeglich Capua zu retten. Dies zwar fand er schon in der Gewalt des Feindes; dagegen waren dessen Versuche auf Neapel an dem mutigen Widerstand der Buergerschaft gescheitert, und die Roemer konnten noch rechtzeitig in den wichtigen Hafenplatz eine Besatzung werfen. Ebenso treu hielten zu Rom die beiden anderen groesseren Kuestenstaedte, Cumae und Nuceria. In Nola schwankte der Kampf zwischen der Volks- und der Senatspartei wegen des Anschlusses an die Karthager oder an die Roemer. Benachrichtigt, dass die erstere die Oberhand gewinne, ging Marcellus bei Caiatia ueber den Fluss und, an den Hoehen von Suessula hin um die feindliche Armee herum marschierend, erreichte er Nola frueh genug, um es gegen die aeusseren und die inneren Feinde zu behaupten. Ja bei einem Ausfall schlug er Hannibal selber mit namhaftem Verlust zurueck; ein Erfolg, der als die erste Niederlage, die Hannibal erlitt, moralisch von weit groesserer Bedeutung war als durch seine materiellen Resultate. Zwar wurden in Kampanien Nuceria, Acerrae und nach einer hartnaeckigen, bis ins folgende Jahr (539 215) sich hinziehenden Belagerung auch der Schluessel der Volturnuslinie, Casilinum, von Hannibal erobert und ueber die Senate dieser Staedte, die zu Rom gehalten hatten, die schwersten Blutgerichte verhaengt. Aber das Entsetzen macht schlechte Propaganda; es gelang den Roemern, mit verhaeltnismaessig geringer Einbusse den gefaehrlichen Moment der ersten Schwaeche zu ueberwinden. Der Krieg kam in Kampanien zum Stehen, bis der Winter einbrach und Hannibal in Capua Quartier nahm, durch dessen Ueppigkeit seine seit drei Jahren nicht unter Dach gekommenen Truppen keineswegs gewannen. Im naechsten Jahre (539 215) erhielt der Krieg schon ein anderes Ansehen. Der bewaehrte Feldherr Marcus Marcellus und Tiberius Sempronius Gracchus, der sich im vorjaehrigen Feldzug als Reiterfuehrer des Diktators ausgezeichnet hatte, ferner der alte Quintus Fabius Maximus traten, Marcellus als Prokonsul, die beiden andern als Konsuln, an die Spitze der drei roemische Heere, welche bestimmt waren, Capua und Hannibal zu umringen; Marcellus auf Nola und Suessula gestuetzt, Maximus am rechten Ufer des Volturnus bei Cales sich aufstellend, Gracchus an der Kueste, wo er Neapel und Cumae deckend bei Liternum Stellung nahm. Die Kampaner, welche nach Hamae, drei Miglien von Cumae, ausrueckten, um die Cumaner zu ueberrumpeln, wurden von Gracchus nachdruecklich geschlagen; Hannibal, der, um die Scharte auszuwetzen, vor Cumae erschienen war, zog selbst in einem Gefecht den kuerzeren, und kehrte, da die von ihm angebotene Hauptschlacht verweigert ward, unmutig nach Capua zurueck. Waehrend so die Roemer in Kampanien nicht bloss behaupteten, was sie besassen, sondern auch Compulteria und andere kleinere Plaetze wieder gewannen, erschollen von Hannibals oestlichen Verbuendeten laute Klagen. Ein roemisches Heer unter dem Praetor Marcus Valerius hatte bei Luceria sich aufgestellt, teils um in Gemeinschaft mit der roemischen Flotte die Ostkueste und die Bewegungen der Makedonier zu beobachten, teils um in Verbindung mit der Armee von Nola die aufstaendigen Samniten, Lucaner und Hirpiner zu brandschatzen. Um diesen Luft zu machen, wandte Hannibal zunaechst sich gegen seinen taetigsten Gegner Marcus Marcellus; allein derselbe erfocht unter den Mauern von Nola einen nicht unbedeutenden Sieg ueber die phoenikische Armee, und diese musste, ohne die Scharte wieder ausgewetzt zu haben, um den Fortschritten des feindlichen Heeres in Apulien endlich zu steuern, von Kampanien nach Arpi aufbrechen. Ihr folgte Tiberius Gracchus mit seinem Korps, waehrend die beiden anderen roemischen Heere in Kampanien sich anschickten, mit dem naechsten Fruehjahr zum Angriff auf Capua ueberzugehen.
Hannibals klaren Blick hatten die Siege nicht geblendet. Es ward immer deutlicher, dass er so nicht zum Ziele kam. Jene raschen Maersche, jenes fast abenteuerliche Hin- und Herwerfen des Krieges, denen Hannibal im wesentlichen seine Erfolge verdankte, waren zu Ende, der Feind gewitzigt, weitere Unternehmungen durch die unumgaengliche Verteidigung des Gewonnenen selbst fast unmoeglich gemacht. An die Offensive liess sich nicht denken, die Defensive war schwierig und drohte jaehrlich es mehr zu werden; er konnte es sich nicht verleugnen, dass die zweite Haelfte seines grossen Tagwerks, die Unterwerfung der Latiner und die Eroberung Roms, nicht mit seinen und der italischen Bundesgenossen Kraeften allein beendigt werden konnte. Die Vollendung stand bei dem Rat von Karthago, bei dem Hauptquartier in Cartagena, bei den Hoefen von Pella und Syrakus. Wenn in Afrika, Spanien, Sizilien, Makedonien jetzt alle Kraefte gemeinschaftlich angestrengt wurden gegen den gemeinschaftlichen Feind; wenn Unteritalien der grosse Sammelplatz ward fuer die Heere und Flotten von Westen, Sueden und Osten, so konnte er hoffen, gluecklich zu Ende zu fuehren, was die Vorhut unter seiner Leitung so glaenzend begonnen hatte. Das Natuerlichste und Leichteste waere gewesen, ihm von daheim genuegende Unterstuetzung zuzusenden; und der karthagische Staat, der vom Kriege fast unberuehrt geblieben und von einer auf eigene Rechnung und Gefahr handelnden kleinen Zahl entschlossener Patrioten aus tiefem Verfall dem vollen Sieg so nahe gefuehrt war, haette dies ohne Zweifel vermocht. Dass es moeglich gewesen waere, eine phoenikische Flotte von jeder beliebigen Staerke bei Lokri oder Kroton landen zu lassen, zumal solange, als der Hafen von Syrakus den Karthagern offenstand und durch Makedonien die brundisinische Flotte in Schach gehalten ward, beweist die ungehinderte Ausschiffung von 4000 Afrikanern, die Bomilkar dem Hannibal um diese Zeit von Karthago zufuehrte, in Lokri, und mehr noch Hannibals ungestoerte Ueberfahrt, als schon jenes alles verloren gegangen war. Allein nachdem der erste Eindruck des Sieges von Cannae sich verwischt hatte, wies die karthagische Friedenspartei, die zu allen Zeiten bereit war, den Sturz der politischen Gegner mit dem des Vaterlandes zu erkaufen, und die in der Kurzsichtigkeit und Laessigkeit der Buergerschaft treue Verbuendete fand, die Bitten des Feldherrn um nachdruecklichere Unterstuetzung ab mit der halb einfaeltigen, halb tueckischen Antwort, dass er ja keine Hilfe brauche, wofern er wirklich Sieger sei, und half so nicht viel weniger als der roemische Senat Rom erretten. Hannibal, im Lager erzogen und dem staedtischen Parteigetriebe fremd, fand keinen Volksfuehrer, auf den er sich haette stuetzen koennen wie sein Vater auf Hasdrubal, und musste die Mittel zur Rettung der Heimat, die diese selbst in reicher Fuelle besass, im Ausland suchen. Hier durfte er, und wenigstens mit mehr Aussicht auf Erfolg, rechnen auf die Fuehrer des spanischen Patriotenheeres, auf die in Syrakus angeknuepften Verbindungen und auf Philippos’ Intervention. Es kam alles darauf an, von Spanien, Syrakus oder Makedonien neue Streitkraefte gegen Rom auf den italischen Kampfplatz zu fuehren; und um dies zu erreichen oder zu hindern, sind die Kriege in Spanien, Sizilien und Griechenland gefuehrt worden. Sie sind alle nur Mittel zum Zweck, und sehr mit Unrecht hat man sie oft hoeher angeschlagen. Fuer die Roemer sind es wesentlich Defensivkriege, deren eigentliche Aufgabe ist, die Pyrenaeenpaesse zu behaupten, die makedonische Armee in Griechenland festzuhalten, Messana zu verteidigen und die Verbindung zwischen Italien und Sizilien zu sperren; es versteht sich, dass diese Defensive womoeglich offensiv gefuehrt wird und im guenstigen Fall sich entwickelt zur Verdraengung der Phoeniker aus Spanien und Sizilien und zur Sprengung der Buendnisse Hannibals mit Syrakus und mit Philippos. Der italische Krieg an sich tritt zunaechst in den Hintergrund und loest sich auf in Festungskaempfe und Razzias, die in der Hauptsache nichts entscheiden. Allein Italien bleibt dennoch, solange die Phoeniker ueberhaupt die Offensive festhalten, stets das Ziel der Operationen, und alle Anstrengung wie alles Interesse knuepft sich daran, die Isolierung Hannibals im suedlichen Italien aufzuheben oder zu verewigen. Waere es moeglich gewesen, unmittelbar nach der Cannensischen Schlacht alle die Hilfsmittel heranzuziehen, auf die Hannibal sich Rechnung machen durfte, so konnte er des Erfolges ziemlich gewiss sein. Allein in Spanien war Hasdrubals Lage eben damals nach der Schlacht am Ebro so bedenklich, dass die Leistungen von Geld und Mannschaft, zu denen der cannensische Sieg die karthagische Buergerschaft angespannt hatte, groesstenteils fuer Spanien verwendet wurden, ohne dass doch die Lage der Dinge dort dadurch viel besser geworden waere. Die Scipionen verlegten den Kriegsschauplatz im folgenden Feldzug (539 215) vom Ebro an den Guadalquivir und erfochten in Andalusien, mitten im eigentlich karthagischen Gebiet, bei Illiturgi und Intibili zwei glaenzende Siege. In Sardinien mit den Eingeborenen angeknuepfte Verbindungen liessen die Karthager hoffen, dass sie sich der Insel wuerden bemaechtigen koennen, die als Zwischenstation zwischen Spanien und Italien von Wichtigkeit gewesen waere. Indes Titus Manlius Torquatus, der mit einem roemischen Heer nach Sardinien gesendet ward, vernichtete die karthagische Landungsarmee vollstaendig und sicherte den Roemern aufs neue den unbestrittenen Besitz der Insel (539 215). Die nach Sizilien geschickten cannensischen Legionen behaupteten im Norden und Osten der Insel sich mutig und gluecklich gegen die Karthager und Hieronymos, welcher letztere schon gegen Ende des Jahres 539 (215) durch Moerderhand seinen Tod fand. Selbst mit Makedonien verzoegerte sich die Ratifikation des Buendnisses, hauptsaechlich weil die makedonischen an Hannibal gesendeten Boten auf der Rueckreise von den roemischen Kriegsschiffen aufgefangen wurden. So unterblieb vorlaeufig die gefuerchtete Invasion der Ostkueste, und die Roemer gewannen Zeit, die wichtigste Station Brundisium zuerst mit der Flotte, alsdann auch mit dem vor der Ankunft des Gracchus zur Deckung von Apulien verwendeten Landheer zu sichern und fuer den Fall der Kriegserklaerung einen Einfall in Makedonien selbst vorzubereiten. Waehrend also in Italien der Kampf zum Stehen und Stocken kam, war ausserhalb Italien karthagischerseits nichts geschehen, was neue Heere oder Flotten rasch nach Italien gefoerdert haette. Roemischerseits hatte man sich dagegen mit der groessten Energie ueberall in Verteidigungszustand gesetzt und in dieser Abwehr da, wo Hannibals Genie fehlte, groesstenteils mit Erfolg gefochten. Darueber verrauchte der kurzlebige Patriotismus, den der Cannensische Sieg in Karthago erweckt hatte; die nicht unbedeutenden Streitkraefte, welche man dort disponibel gemacht hatte, waren, sei es durch faktioese Opposition, sei es bloss durch ungeschickte Ausgleichung der verschiedenen, im Rat laut gewordenen Meinungen, so zersplittert worden, dass sie nirgend wesentlich foerderten und da, wo sie am nuetzlichsten gewesen waeren, eben der kleinste Teil hinkam. Am Ende des Jahres 539 (215) durfte auch der besonnene roemische Staatsmann sich sagen, dass die dringende Gefahr vorueber sei und die heldenmuetig begonnene Gegenwehr nur auf saemtlichen Punkten mit Anspannung aller Kraefte auszuharren habe, um zum Ziel zu gelangen. Am ersten ging der Krieg in Sizilien zu Ende. Es hatte nicht zunaechst in Hannibals Plan gelegen, auf der Insel einen Kampf anzuspinnen, sondern halb zufaellig, hauptsaechlich durch die knabenhafte Eitelkeit des unverstaendigen Hieronymos war hier ein Landkrieg ausgebrochen, dessen, ohne Zweifel eben aus diesem Grunde, der karthagische Rat mit besonderem Eifer sich annahm. Nachdem Hieronymos zu Ende 539 (215) getoetet war, schien es mehr als zweifelhaft, ob die Buergerschaft bei der von ihm befolgten Politik verbleiben werde. Wenn irgend eine Stadt, so hatte Syrakus Ursache an Rom festzuhalten, da der Sieg der Karthager ueber die Roemer unzweifelhaft jenen wenigstens die Herrschaft ueber ganz Sizilien geben musste und an eine wirkliche Einhaltung der von Karthago den Syrakusanern gemachten Zusagen kein ernsthafter Mann glauben konnte. Teils hierdurch bewogen, teils geschreckt durch die drohenden Anstalten der Roemer, die alles aufboten, um die wichtige Insel, die Bruecke zwischen Italien und Afrika, wieder vollstaendig in ihre Gewalt zu bringen, und jetzt fuer den Feldzug 540 (214) ihren besten Feldherrn, den Marcus Marcellus nach Sizilien gesandt hatten, zeigte die syrakusanische Buergerschaft sich geneigt, durch rechtzeitige Rueckkehr zum roemischen Buendnis das Geschehene vergessen zu machen. Allein bei der entsetzlichen Verwirrung in der Stadt, wo nach Hieronymos’ Tode die Versuche zur Wiederherstellung der alten Volksfreiheit und die Handstreiche der zahlreichen Praetendenten auf den erledigten Thron wild durcheinander wogten, die Hauptleute der fremden Soeldnerscharen aber die eigentlichen Herren der Stadt waren, fanden Hannibals gewandte Emissaere Hippokrates und Epikydes Gelegenheit, die Friedensversuche zu vereiteln. Durch den Namen der Freiheit regten sie die Masse auf; masslos uebertriebene Schilderungen von der fuerchterlichen Bestrafung, die den soeben wieder unterworfenen Leontinern von den Roemern zuteil geworden sein sollte, erweckten auch in dem bessern Teil der Buergerschaft den Zweifel, ob es nicht zu spaet sei, um das alte Verhaeltnis mit Rom wiederherzustellen; unter den Soeldnern endlich wurden die zahlreichen roemischen Ueberlaeufer, meistens durchgegangene Ruderer von der Flotte, leicht ueberzeugt, dass der Friede der Buergerschaft mit Rom ihr Todesurteil sei. So wurden die Vorsteher der Buergerschaft erschlagen, der Waffenstillstand gebrochen und Hippokrates und Epikydes uebernahmen das Regiment der Stadt. Es blieb dem Konsul nichts uebrig, als zur Belagerung zu schreiten; indes die geschickte Leitung der Verteidigung, wobei der als gelehrter Mathematiker beruehmte syrakusanische Ingenieur Archimedes sich besonders hervortat, zwang die Roemer nach achtmonatlicher Belagerung, dieselbe in eine Blockade zu Wasser und zu Lande umzuwandeln. Mittlerweile war von Karthago aus, das bisher nur mit seinen Flotten die Syrakusaner unterstuetzt hatte, auf die Nachricht von der abermaligen Schilderhebung derselben gegen die Roemer ein starkes Landheer unter Himilko nach Sizilien gesendet worden, das ungehindert bei Herakleia Minoa landete und sofort die wichtige Stadt Akragas besetzte. Um dem Himilko die Hand zu reichen, rueckte der kuehne und faehige Hippokrates aus Syrakus mit einer Armee aus; Marcellus’ Lage zwischen der Besatzung von Syrakus und den beiden feindlichen Heeren fing an bedenklich zu werden. Indes mit Hilfe einiger Verstaerkungen, die von Italien eintrafen, behauptete er seine Stellung auf der Insel und setzte die Blockade von Syrakus fort. Dagegen trieb mehr noch als die feindlichen Armeen die fuerchterliche Strenge, mit der die Roemer auf der Insel verfuhren, namentlich die Niedermetzelung der des Abfalls verdaechtigen Buergerschaft von Enna durch die roemische Besatzung daselbst, den groessten Teil der kleinen Landstaedte den Karthagern in die Arme. Im Jahre 542 (212) gelang es den Belagerern von Syrakus waehrend eines Festes in der Stadt, einen von den Wachen verlassenen Teil der weitlaeuftigen Aussenmauern zu ersteigen und in die Vorstaedte einzudringen, die von der Insel und der eigentlichen Stadt am Strande (Achradina) sich gegen das innere Land hin erstreckten. Die Festung Euryalos, die, am aeussersten westlichen Ende der Vorstaedte gelegen, diese und die vom Binnenland nach Syrakus fuehrende Hauptstrasse deckte, war hiermit abgeschnitten und fiel nicht lange nachher. Als so die Belagerung der Stadt eine den Roemern guenstige Wendung zu nehmen begann, rueckten die beiden Heere unter Himilko und Hippokrates zum Entsatz heran und versuchten einen gleichzeitigen, ueberdies noch mit einem Landungsversuch der karthagischen Flotte und einem Ausfall der syrakusanischen Besatzung kombinierten Angriff auf die roemischen Stellungen; allein er ward allerseits abgeschlagen, und die beiden Entsatzheere mussten sich begnuegen, vor der Stadt ihr Lager aufzuschlagen, in den sumpfigen Niederringen des Anapos, die im Hochsommer und im Herbst den darin Verweilenden toedliche Seuchen erzeugen. Oft hatten diese die Stadt gerettet, oefter als die Tapferkeit der Buerger; zu den Zeiten des ersten Dionys waren zwei phoenikische Heere, damals die Stadt belagernd, unter ihren Mauern durch diese Seuchen vernichtet worden. Jetzt wendete der Stadt das Schicksal die eigene Schutzwehr zum Verderben; waehrend Marcellus’ Heer, in den Vorstaedten einquartiert, nur wenig litt, veroedeten die Fieber die phoenikischen und syrakusanischen Biwaks. Hippokrates starb, desgleichen Himilko und die meisten Afrikaner; die Ueberbleibsel der beiden Heere, groesstenteils eingeborene Sikeler, verliefen sich in die benachbarten Staedte. Noch machten die Karthager einen Versuch, die Stadt von der Seeseite zu retten; allein der Admiral Bomilkar entwich, als die roemische Flotte ihm die Schlacht anbot. Jetzt gab selbst Epikydes, der in der Stadt befehligte, dieselbe verloren und entrann nach Akragas. Gern haette Syrakus sich den Roemern ergeben; die Verhandlungen hatten schon begonnen. Allein zum zweitenmal scheiterten sie an den Ueberlaeufern; in einer abermaligen Meuterei der Soldaten wurden die Vorsteher der Buergerschaft und eine Anzahl angesehener Buerger erschlagen und das Regiment und die Verteidigung der Stadt von den fremden Truppen ihren Hauptleuten uebertragen. Nun knuepfte Marcellus mit einem von diesen eine Unterhandlung an, die ihm den einen der beiden noch freien Stadtteile, die Insel, in die Haende lieferte; worauf die Buergerschaft ihm freiwillig auch die Tore von Achradina auftat (Herbst 542 212). Wenn irgendwo, haette gegen diese Stadt, die offenbar nicht in ihrer eigenen Gewalt gewesen war und mehrfach die ernstlichsten Versuche gemacht hatte, sich der Tyrannei des fremden Militaers zu entziehen, selbst nach den nicht loeblichen Grundsaetzen des roemischen Staatsrechts ueber die Behandlung bundbruechiger Gemeinden die Gnade walten koennen. Allein nicht bloss beflecke Marcellus seine Kriegerehre durch die Gestattung einer allgemeinen Pluenderung der reichen Kaufstadt, bei der mit zahlreichen anderen Buergern auch Archimedes den Tod fand, sondern es hatte auch der roemische Senat kein Ohr fuer die verspaeteten Beschwerden der Syrakusaner ueber den gefeierten Feldherrn und gab weder den einzelnen die Beute zurueck noch der Stadt ihre Freiheit. Syrakus und die frueher von ihm abhaengigen Staedte traten unter die den Roemern steuerpflichtigen Gemeinden ein – nur Tauromenion und Neeton erhielten das Recht von Messana, waehrend die leontinische Mark roemische Domaene und die bisherigen Eigentuemer roemische Paechter wurden -, und in dem den Hafen beherrschenden Stadtteil, der “Insel”, durfte fortan kein syrakusanischer Buerger wohnen. Sizilien schien also fuer die Karthager verloren; allein Hannibals Genie war auch hier aus der Ferne taetig. Er sandte zu dem karthagischen Heer, das unter Hanno und Epikydes rat- und tatlos bei Akragas stand, einen libyschen Reiteroffizier, den Muttines, der den Befehl der numidischen Reiterei uebernahm und mit seinen fluechtigen Scharen den bitteren Hass, den die roemische Zwingherrschaft auf der ganzen Insel gesaet hatte, zu offener Flamme anfachend, einen Guerillakrieg in der weitesten Ausdehnung und mit dem gluecklichsten Erfolg begann, ja sogar, als am Himerafluss die karthagische und roemische Armee aufeinandertrafen, gegen Marcellus selbst mit Glueck einige Gefechte bestand. Indes das Verhaeltnis, das zwischen Hannibal und dem karthagischen Rat obwaltete, wiederholte hier sich im kleinen. Der vom Rat bestellte Feldherr verfolgte mit eifersuechtigem Neid den von Hannibal gesandten Offizier und bestand darauf, dem Prokonsul eine Schlacht zu liefern ohne Muttines und die Numidier. Hannos Wille geschah und er ward vollstaendig geschlagen. Muttines liess sich dadurch nicht irren; er behauptete sich im Innern des Landes, besetzte mehrere kleine Staedte und konnte, da von Karthago nicht unbetraechtliche Verstaerkungen ihm zukamen, seine Operationen allmaehlich ausdehnen. Seine Erfolge waren so glaenzend, dass endlich der Oberfeldherr, da er den Reiteroffizier nicht anders hindern konnte, ihn zu verdunkeln, demselben kurzweg das Kommando ueber die leichte Reiterei abnahm und es seinem Sohn uebertrug. Der Numidier, der nun seit zwei Jahren seinen phoenikischen Herren die Insel erhalten hatte, fand hiermit das Mass seiner Geduld erschoepft; er und seine Reiter, die dem juengeren Hanno zu folgen sich weigerten, traten in Unterhandlungen mit dem roemischen Feldherrn Marcus Valerius Laevinus und lieferten ihm Akragas aus. Hanno entwich in einem Nachen und ging nach Karthago, um den schaendlichen Vaterlandsverrat des hannibalischen Offiziers den Seinen zu berichten; die phoenikische Besatzung in der Stadt ward von den Roemern niedergemacht und die Buergerschaft in die Sklaverei verkauft (544 210). Zur Sicherung der Insel vor aehnlichen Ueberfaellen, wie die Landung von 540 (214) gewesen war, erhielt die Stadt eine neue, aus den roemisch gesinnten Sizilianern ausgelesene Einwohnerschaft; die alte herrliche Akragas war gewesen. Nachdem also ganz Sizilien unterworfen war, ward roemischerseits dafuer gesorgt, dass einige Ruhe und Ordnung auf die zerruettete Insel zurueckkehrte. Man trieb das Raeubergesindel, das im Innern hauste, in Masse zusammen und schaffte es hinueber nach Italien, um von Rhegion aus in Hannibals Bundesgenossengebiet zu sengen und zu brennen; die Regierung tat ihr Moegliches, um den gaenzlich darniederliegenden Ackerbau wieder auf der Insel in Aufnahme zu bringen. Im karthagischen Rat war wohl noch oefter die Rede davon, eine Flotte nach Sizilien zu senden und den Krieg zu erneuern; allein es blieb bei Entwuerfen. Entscheidender als Syrakus haette Makedonien in den Gang der Ereignisse eingreifen koennen. Von den oestlichen Maechten war fuer den Augenblick weder Foerderung noch Hinderung zu erwarten. Antiochos der Grosse, Philippos’ natuerlicher Bundesgenosse, hatte nach dem entscheidenden Siege der Aegypter bei Raphia 537 (217) sich gluecklich schaetzen muessen, von dem schlaffen Philopator Frieden auf Basis des Status quo ante zu erhalten; teils die Rivalitaet der Lagiden und der stets drohende Wiederausbruch des Krieges, teils Praetendentenaufstaende im Innern und Unternehmungen aller Art in Kleinasien, Baktrien und den oestlichen Satrapien hinderten ihn, jener grossen antiroemische Allianz sich anzuschliessen, wie Hannibal sie im Sinne trug. Der aegyptische Hof stand entschieden auf der Seite Roms, mit dem er das Buendnis 544 (210) erneuerte; allein es war von Ptolemaeos Philopator nicht zu erwarten, dass er Rom anders als durch Kornschiffe unterstuetzen werde. In den grossen italischen Kampf ein entscheidendes Gewicht zu werfen, waren somit Makedonien und Griechenland durch nichts gehindert als durch die eigene Zwietracht; sie konnten den hellenischen Namen retten, wenn sie es ueber sich gewannen, nur fuer wenige Jahre gegen den gemeinschaftlichen Feind zusammenzustehen. Wohl gingen solche Stimmungen durch Griechenland. Des Agelaos von Naupaktos prophetisches Wort, dass er fuerchte, es moege mit den Kampfspielen, die jetzt die Hellenen unter sich auffuehrten, demnaechst vorbei sein; seine ernste Mahnung, nach Westen die Blicke zu richten und nicht zuzulassen, dass eine staerkere Macht allen jetzt streitenden Parteien den Frieden des gleichen Joches bringe – diese Reden hatten wesentlich dazu beigetragen, den Frieden zwischen Philippos und den Aetolern herbeizufuehren (537 217), und fuer dessen Tendenz war es bezeichnend, dass der aetolische Bund sofort eben den Agelaos zu seinem Strategen ernannte. Der nationale Patriotismus regte sich in Griechenland wie in Karthago; einen Augenblick schien es moeglich, einen hellenischen Volkskrieg gegen Rom zu entfachen. Allein der Feldherr eines solchen Heerzuges konnte nur Philippos von Makedonien sein und ihm fehlte die Begeisterung und der Glaube an die Nation, womit ein solcher Krieg allein gefuehrt werden konnte. Er verstand die schwierige Aufgabe nicht, sich aus dem Unterdruecker in den Vorfechter Griechenlands umzuwandeln. Schon sein Zaudern bei dem Abschluss des Buendnisses mit Hannibal verdarb den ersten und besten Eifer der griechischen Patrioten; und als er dann in den Kampf gegen Rom eintrat, war die Art der Kriegfuehrung noch weniger geeignet, Sympathie und Zuversicht zu erwecken. Gleich der erste Versuch, der schon im Jahre der cannensischen Schlacht (538 216) gemacht ward, sich der Stadt Apollonia zu bemaechtigen, scheiterte in einer fast laecherlichen Weise, indem Philippos schleunigst umkehrte auf das gaenzlich unbegruendete Geruecht, dass eine roemische Flotte in das Adriatische Meer steuere. Dies geschah, noch ehe es zum foermlichen Bruch mit Rom kam; als dieser endlich erfolgt war, erwarteten Freund und Feind eine makedonische Landung in Unteritalien. Seit 539 (215) standen bei Brundisium eine roemische Flotte und ein roemisches Heer, um derselben zu begegnen; Philippos, der ohne Kriegsschiffe war, zimmerte an einer Flottille von leichten illyrischen Barken, um sein Heer hinueberzufuehren. Allein als es Ernst werden sollte, entsank ihm der Mut, den gefuerchteten Fuenfdeckern zur See zu begegnen; er brach das seinem Bundesgenossen Hannibal gegebene Versprechen, einen Landungsversuch zu machen, und um doch etwas zu tun, entschloss er sich, auf seinen Teil der Beute, die roemischen Besitzungen in Epeiros, einen Angriff zu machen (540 214). Im besten Falle waere dabei nichts herausgekommen; allein die Roemer, die wohl wussten, dass die offensive Deckung vorzueglicher ist als die defensive, begnuegten sich keineswegs, wie Philippos gehofft haben mochte, dem Angriff vom andern Ufer her zuzusehen. Die roemische Flotte fuehrte eine Heerabteilung von Brundisium nach Epeiros; Orikon ward dem Koenig wieder abgenommen, nach Apollonia Besatzung geworfen und das makedonische Lager erstuermt, worauf Philippos vom halben Tun zur voelligen Untaetigkeit ueberging und einige Jahre in tatenlosem Kriegszustand verstreichen liess, trotz aller Beschwerden Hannibals, der umsonst solcher Lahmheit und Kurzsichtigkeit sein Feuer und seine Klarheit einzuhauchen versuchte. Auch war es nicht Philippos, der dann die Feindseligkeiten erneuerte. Der Fall von Tarent (542 212), womit Hannibal einen vortrefflichen Hafen an denjenigen Kuesten gewann, die zunaechst sich zur Landung eines makedonischen Heeres eigneten, veranlasste die Roemer, den Schlag von weitem zu parieren und den Makedoniern daheim so viel zu schaffen zu machen, dass sie an einen Versuch auf Italien nicht denken konnten. In Griechenland war der nationale Aufschwung natuerlich laengst verraucht. Mit Hilfe der alten Opposition gegen Makedonien und der neuen Unvorsichtigkeiten und Ungerechtigkeiten, die Philippos sich hatte zu Schulden kommen lassen, fiel es dem roemischen Admiral Laevinus nicht schwer, gegen Makedonien eine Koalition der Mittel- und Kleinmaechte unter roemischem Schutz zustande zu bringen. An der Spitze derselben standen die Aetoler, auf deren Landtag Laevinus selber erschienen war und sie durch Zusicherung des seit langem von ihnen begehrten akarnanischen Gebiets gewonnen hatte. Sie schlossen mit Rom den ehrbaren Vertrag die uebrigen Hellenen auf gemeinschaftliche Rechnung an Land und Leuten zu pluendern, so dass das Land den Aetolern, die Leute und die fahrende Habe den Roemern gehoeren sollten. Ihnen schlossen sich im eigentlichen Griechenland die antimakedonisch oder vielmehr zunaechst antiachaeisch gesinnten Staaten an: in Attika Athen, im Peloponnes Elis und Messene, besonders aber Sparta, dessen altersschwache Verfassung eben um diese Zeit ein dreister Soldat Machanidas ueber den Haufen geworfen hatte, um unter dem Namen des unmuendigen Koenigs Pelops selbst despotisch zu regieren und ein auf gedungene Soeldnerscharen gestuetztes Abenteurerregiment zu begruenden. Es traten ferner hinzu die ewigen Gegner Makedoniens, die Haeuptlinge der halb wilden thrakischen und illyrischen Staemme und endlich Koenig Attalos von Pergamon, der in dem Ruin der beiden griechischen Grossstaaten, die ihn einschlossen, den eigenen Vorteil mit Einsicht und Energie verfolgte und scharfsichtig genug war, sich der roemischen Klientel schon jetzt anzuschliessen, wo seine Teilnahme noch etwas wert war. Es ist weder erfreulich noch erforderlich, den Wechselfaellen dieses ziellosen Kampfes zu folgen. Philippos, obwohl er jedem einzelnen seiner Gegner ueberlegen war und nach allen Seiten hin die Angriffe mit Energie und persoenlicher Tapferkeit zurueckwies, rieb sich dennoch auf in dieser heillosen Defensive. Bald galt es, sich gegen die Aetoler zu wenden, die in Gemeinschaft mit der roemischen Flotte die ungluecklichen Akarnanen vernichteten und Lokris und Thessalien bedrohten; bald rief ihn ein Einfall der Barbaren in die noerdlichen Landschaften; bald sandten die Achaeer um Hilfe gegen die aetolischen und spartanischen Raubzuege; bald bedrohten Koenig Attalos von Pergamon und der roemische Admiral Publius Sulpicius mit ihren vereinigten Flotten die oestliche Kueste oder setzten Truppen ans Land in Euboea. Der Mangel einer Kriegsflotte laehmte Philippos in allen seinen Bewegungen; es kam so weit, dass er von seinem Bundesgenossen Prusias in Bithymen, ja von Hannibal Kriegsschiffe erbat. Erst gegen das Ende des Krieges entschloss er sich zu dem, womit er haette anfangen muessen, hundert Kriegsschiffe bauen zu lassen; Gebrauch ist indes von denselben nicht mehr gemacht worden, wenn ueberhaupt der Befehl zur Ausfuehrung kam. Alle, die Griechenlands Lage begriffen und ein Herz dafuer hatten, beklagten den unseligen Krieg, in dem Griechenlands letzte Kraefte sich selbst zerfleischten und der Wohlstand des Landes zugrunde ging; wiederholt hatten die Handelsstaaten Rhodos, Chios, Mytilene, Byzanz, Athen, ja selbst Aegypten versucht zu vermitteln. In der Tat lag es beiden Parteien nahe genug, sich zu vertragen. Wie die Makedonier hatten auch die Aetoler, auf die es von den roemischen Bundesgenossen hauptsaechlich ankam, viel unter dem Krieg zu leiden; besonders seit der kleine Koenig der Athamanen von Philippos gewonnen worden und dadurch das innere Aetolien den makedonischen Einfaellen geoeffnet war. Auch von ihnen gingen allmaehlich manchem die Augen auf ueber die ehrlose und verderbliche Rolle, zu der sie das roemische Buendnis verurteilte; es ging ein Schrei der Empoerung durch die ganze griechische Nation, als die Aetoler in Gemeinschaft mit den Roemern hellenische Buergerschaften, wie die von Antikyra, Oreos, Dyme, Aegina, in Masse in die Sklaverei verkauften. Allein die Aetoler waren schon nicht mehr frei: sie wagten viel, wenn sie auf eigene Hand mit Philippos Frieden schlossen, und fanden die Roemer keineswegs geneigt, zumal bei der guenstigen Wendung der Dinge in Spanien und in Italien, von einem Kriege abzustehen, den sie ihrerseits bloss mit einigen Schiffen fuehrten und dessen Last und Nachteil wesentlich auf die Aetoler fiel. Endlich entschlossen diese sich doch, den vermittelnden Staedten Gehoer zu geben; trotz der Gegenbestrebungen der Roemer kam im Winter 548/49 (206/05) ein Friede zwischen den griechischen Maechten zustande. Aetolien hatte einen uebermaechtigen Bundesgenossen in einen gefaehrlichen Feind verwandelt; indes es schien dem roemischen Senat, der eben damals die Kraefte des erschoepften Staates zu der entscheidenden afrikanischen Expedition aufbot, nicht der geeignete Augenblick, den Bruch des Buendnisses zu ahnden. Selbst den Krieg mit Philippos, den nach dem Ruecktritt der Aetoler die Roemer nicht ohne bedeutende eigene Anstrengungen haetten fuehren koennen, erschien es zweckmaessig, durch einen Frieden zu beendigen, durch den der Zustand vor dem Kriege im wesentlichen wiederhergestellt ward und namentlich Rom mit Ausnahme des wertlosen atintanischen Gebiets seine saemtlichen Besitzungen an der epeirotischen Kueste behielt. Unter den Umstaenden musste Philippos sich noch gluecklich schaetzen, solche Bedingungen zu erhalten; allein es war damit ausgesprochen, was sich freilich nicht laenger verbergen liess, dass all das unsaegliche Elend, welches die zehn Jahre eines mit widerwaertiger Unmenschlichkeit gefuehrten Krieges ueber Griechenland gebracht hatten, nutzlos erduldet, und dass die grossartige und richtige Kombination, die Hannibal entworfen und ganz Griechenland einen Augenblick geteilt hatte, unwiederbringlich gescheitert war.
In Spanien, wo der Geist Hamilkars und Hannibals maechtig war, war der Kampf ernster. Er bewegt sich in seltsamen Wechselfaellen, wie die eigentuemliche Beschaffenheit des Landes und die Sitte des Volkes sie mit sich bringen. Die Bauern und Hirten, die in dem schoenen Ebrotal und dem ueppig fruchtbaren Andalusien wie in dem rauhen von zahlreichen Waldgebirgen durchschnittenen Hochland zwischen jenem und diesem wohnten, waren ebenso leicht als bewaffneter Landsturm zusammenzutreiben wie schwer gegen den Feind zu fuehren und ueberhaupt nur zusammenzuhalten. Die Staedte waren ebensowenig zu festem und gemeinschaftlichem Handeln zu vereinigen, so hartnaeckig jede einzelne Buergerschaft hinter ihren Waellen dem Draenger Trotz bot. Sie alle scheinen zwischen den Roemern und den Karthagern wenig Unterschied gemacht zu haben; ob die laestigen Gaeste, die sich im Ebrotal, oder die, welche am Guadalquivir sich festgesetzt hatten, ein groesseres oder kleineres Stueck der Halbinsel besassen, mag den Eingeborenen ziemlich gleichgueltig gewesen sein, weshalb von der eigentuemlich spanischen Zaehigkeit im Parteinehmen mit einzelnen Ausnahmen, wie Sagunt auf roemischer, Astapa auf karthagischer Seite, in diesem Krieg wenig hervortritt. Dennoch ward der Krieg von beiden Seiten, da weder die Roemer noch die Afrikaner hinreichende eigene Mannschaft mit sich gefuehrt hatten, notwendig zum Propagandakrieg, in dem selten festgegruendete Anhaenglichkeit, gewoehnlich Furcht, Geld oder Zufall entschied, und der, wenn er zu Ende schien, sich in einen endlosen Festungs- und Guerillakrieg aufloeste, um bald aus der Asche wieder aufzulodern. Die Armeen erscheinen und verschwinden wie die Duenen am Strand; wo gestern ein Berg stand, findet man heute seine Spur nicht mehr. Im allgemeinen ist das Uebergewicht auf Seiten der Roemer, teils weil sie in Spanien zunaechst wohl auftraten als Befreier des Landes von der phoenikischen Zwingherrschaft, teils durch die glueckliche Wahl ihrer Fuehrer und durch den staerkeren Kern mitgebrachter zuverlaessiger Truppen; doch ist es bei unserer sehr unvollkommenen und namentlich in der Zeitrechnung tiefzerruetteten Ueberlieferung nicht wohl moeglich, von einem also gefuehrten Kriege eine befriedigende Darstellung zu geben. Die beiden Statthalter der Roemer auf der Halbinsel, Gnaeus und Publius Scipio, beide, namentlich Gnaeus, gute Generale und vortreffliche Verwalter, vollzogen ihre Aufgabe mit dem glaenzendsten Erfolg. Nicht bloss war der Riegel der Pyrenaeen durchstehend behauptet und der Versuch, die gesprengte Landverbindung zwischen dem feindlichen Oberfeldherrn und seinem Hauptquartier wiederherzustellen, blutig zurueckgewiesen worden, nicht bloss in Tarraco durch umfassende Festungswerke und Hafenanlagen nach dem Muster des spanischen Neukarthago ein spanisches Neurom erschaffen, sondern es hatten auch die roemischen Heere schon 539 (215) in Andalusien mit Glueck gefochten. Der Zug dorthin ward das Jahr darauf (540 214) mit noch groesserem Erfolg wiederholt; die Roemer trugen ihre Waffen fast bis zu den Saeulen des Herakles, breiteten ihre Klientel im suedlichen Spanien aus und sicherten endlich durch die Wiedergewinnung und Wiederherstellung von Sagunt sich eine wichtige Station auf der Linie vom Ebro nach Cartagena, indem sie zugleich eine alte Schuld der Nation soweit moeglich bezahlten. Waehrend die Scipionen so die Karthager aus Spanien fast verdraengten, wussten sie ihnen im westlichen Afrika selbst einen gefaehrlichen Feind zu erwecken an dem maechtigen westafrikanischen Fuersten Syphax in den heutigen Provinzen Oran und Algier, welcher mit den Roemern in Verbindung trat (um 541 213). Waere es moeglich gewesen, ein roemisches Heer ihm zuzufuehren, so haette man auf grosse Erfolge hoffen duerfen; allein in Italien konnte man eben damals keinen Mann entbehren und das spanische Heer war zu schwach, um sich zu teilen. Indes schon Syphax’ eigene Truppen, geschult und gefuehrt von roemischen Offizieren, erregten unter den libyschen Untertanen Karthagos so ernstliche Gaerung, dass der stellvertretende Oberkommandant von Spanien und Afrika, Hasdrubal Barkas, selbst mit dem Kern der spanischen Truppen nach Afrika ging. Vermutlich durch ihn trat dort eine Wendung ein; der Koenig Gala in der heutigen Provinz Constantine, seit langem der Rival des Syphax, erklaerte sich fuer Karthago, und sein tapferer Sohn Massinissa schlug den Syphax und noetigte ihn zum Frieden. Ueberliefert ist uebrigens von diesem libyschen Krieg wenig mehr als die Erzaehlung der grausamen Rache, die Karthago, wie es pflegte, nach Massinissas Siege an den Aufstaendischen nahm. Diese Wendung der Dinge in Afrika ward auch folgenreich fuer den spanischen Krieg. Hasdrubal konnte abermals nach Spanien sich wenden (543 211), wohin bald betraechtliche Verstaerkungen und Massinissa selbst ihm folgten. Die Scipionen, die waehrend der Abwesenheit des feindlichen Oberfeldherrn (541 542 213 212) im karthagischen Gebiet Beute und Propaganda zu machen fortgefahren hatten, sahen sich unerwartet von so ueberlegenen Streitkraeften angegriffen, dass sie entweder hinter den Ebro zurueckweichen oder die Spanier aufbieten mussten. Sie waehlten das letztere und nahmen 20000 Keltiberer in Sold, worauf sie dann, um den drei feindlichen Armeen unter Hasdrubal Barkas, Hasdrubal Gisgons Sohn, und Mago besser zu begegnen, ihr Heer teilten und nicht einmal ihre roemischen Truppen zusammenhielten. Damit bereiteten sie sich den Untergang. Waehrend Gnaeus mit seinem Korps, einem Drittel der roemischen und den saemtlichen spanischen Truppen, Hasdrubal Barkas gegenueber lagerte, bestimmte dieser ohne Muehe durch eine Summe Geldes die Spanier im roemischen Heere zum Abzuge, was ihnen nach ihrer Landsknechtmoral vielleicht nicht einmal als Treubruch erschien, da sie ja nicht zu den Feinden ihres Soldherrn ueberliefen. Dem roemischen Feldherrn blieb nichts uebrig, als in moeglichster Eile seinen Rueckzug zu beginnen, wobei der Feind ihm auf dem Fusse folgte. Mittlerweile sah sich das zweite roemische Korps unter Publius von den beiden anderen phoenikischen Armeen unter Hasdrubal Gisgons Sohn und Mago lebhaft angegriffen, und Massinissas kecke Reiterscharen setzten die Karthager in entschiedenen Vorteil. Schon war das roemische Lager fast eingeschlossen; wenn noch die bereits im Anzuge begriffenen spanischen Hilfstruppen eintrafen, waren die Roemer vollstaendig umzingelt. Der kuehne Entschluss des Prokonsuls, mit seinen besten Truppen den Spaniern entgegenzugehen, bevor deren Erscheinen die Luecke in der Blockade fuellte, endigte nicht gluecklich. Die Roemer waren wohl anfangs im Vorteil; allein die numidischen Reiter, die den Ausfallenden rasch waren nachgesandt worden, erreichten sie bald und hemmten sowohl die Verfolgung des halb schon erfochtenen Sieges, als auch den Rueckmarsch, bis dass die phoenikische Infanterie herankam und endlich der Fall des Feldherrn die verlorene Schlacht in eine Niederlage verwandelte. Nachdem Publius also erlegen war, fand Gnaeus, der langsam zurueckweichend sich des einen karthagischen Heeres muehsam erwehrt hatte, ploetzlich von dreien zugleich sich angefallen und durch die numidische Reiterei jeden Rueckzug sich abgeschnitten. Auf einen nackten Huegel gedraengt, der nicht einmal die Moeglichkeit bot, ein Lager zu schlagen, wurde das ganze Korps niedergehauen oder kriegsgefangen; von dem Feldherrn selbst ward nie wieder sichere Kunde vernommen. Eine kleine Abteilung allein rettete ein trefflicher Offizier aus Gnaeus’ Schule, Gaius Marcius, hinueber auf das andere Ufer des Ebro und ebendahin gelang es dem Legaten Titus Fonteius, den von dem Korps des Publius im Lager gebliebenen Teil in Sicherheit zu bringen; sogar die meisten im suedlichen Spanien zerstreuten roemischen Besatzungen vermochten sich dorthin zu fluechten. Bis zum Ebro herrschten die Phoeniker in ganz Spanien ungestoert und der Augenblick schien nicht fern, wo der Fluss ueberschritten, die Pyrenaeen frei und die Verbindung mit Italien hergestellt sein wuerde. Da fuehrte die Not im roemischen Lager den rechten Mann an die Spitze. Die Wahl der Soldaten berief mit Umgehung aelterer, nicht untuechtiger Offiziere zum Fuehrer des Heeres jenen Gaius Marcius, und seine gewandte Leitung und vielleicht ebenso sehr der Neid und Hader unter den drei karthagischen Feldherren entrissen diesen die weiteren Fruechte des wichtigen Sieges. Was von den Karthagern den Fluss ueberschritten, wurde zurueckgeworfen und zunaechst die Ebrolinie behauptet, bis Rom Zeit gewann, ein neues Heer und einen neuen Feldherrn zu senden. Zum Glueck gestattete dies die Wendung des Krieges in Italien, wo soeben Capua gefallen war; es kam eine starke Legion – 12000 Mann – unter dem Propraetor Gaius Claudius Nero, die das Gleichgewicht der Waffen wieder herstellte. Eine Expedition nach Andalusien im folgenden Jahr (544 210) hatte den besten Erfolg; Hasdrubal Barkas ward umstellt und eingeschlossen und entrann der Kapitulation nur durch unfeine List und offenen Wortbruch. Allein Nero war der rechte Feldherr nicht fuer den Spanischen Krieg. Er war ein tuechtiger Offizier, aber ein harter auffahrender unpopulaerer Mann, wenig geschickt, die alten Verbindungen wieder anzuknuepfen und neue einzuleiten und Vorteil zu ziehen aus der Unbill und dem Uebermut, womit die Punier nach dem Tode der Scipionen Freund und Feind im Jenseitigen Spanien behandelt und alle gegen sich erbittert hatten. Der Senat, der die Bedeutung und die Eigentuemlichkeit des Spanischen Krieges richtig beurteilte und durch die von der roemischen Flotte gefangen eingebrachten Uticenser von den grossen Anstrengungen erfahren hatte, die man in Karthago machte, um Hasdrubal und Massinissa mit einem starken Heer ueber die Pyrenaeen zu senden, beschloss, nach Spanien neue Verstaerkungen zu schicken und einen ausserordentlichen Feldherrn hoeheren Ranges, dessen Ernennung man dem Volke anheimzugeben fuer gut fand. Lange Zeit – so lautet der Bericht – meldete sich niemand zur Uebernahme des verwickelten und gefaehrlichen Geschaefts, bis endlich ein junger siebenundzwanzigjaehriger Offizier, Publius Scipio, der Sohn des in Spanien gefallenen gleichnamigen Generals, gewesener Kriegstribun und Aedil, als Bewerber auftrat. Es ist ebenso unglaublich, dass der roemische Senat in diesen von ihm veranlassten Komitien eine Wahl von solchem Belang dem Zufall anheimgestellt haben sollte, als dass Ehrgeiz und Vaterlandsliebe in Rom so ausgestorben gewesen, dass fuer den wichtigen Posten kein versuchter Offizier sich angeboten haette. Wenn dagegen die Blicke des Senats sich wandten auf den jungen talentvollen und erprobten Offizier, der in den heissen Tagen am Ticinus und bei Cannae sich glaenzend ausgezeichnet hatte, dem aber noch der erforderliche Rang abging, um als Nachfolger von gewesenen Praetoren und Konsuln aufzutreten, so war es sehr natuerlich, diesen Weg einzuschlagen, der das Volk auf gute Art noetigte, den einzigen Bewerber trotz seiner mangelnden Qualifikation zuzulassen und zugleich ihn und die ohne Zweifel sehr unpopulaere spanische Expedition bei der Menge beliebt machen musste. War der Effekt dieser angeblich improvisierten Kandidatur berechnet, so gelang er vollstaendig. Der Sohn, der den Tod des Vaters zu raechen ging, dem er neun Jahre zuvor am Ticinus das Leben gerettet hatte, der maennlich schoene junge Mann mit den langen Locken, der bescheiden erroetend in Ermangelung eines Besseren sich darbot fuer den Posten der Gefahr, der einfache Kriegstribun, den nun auf einmal die Stimmen der Zenturien zu der hoechsten Amtstaffel erhoben – das alles machte auf die roemischen Buerger und Bauern einen wunderbaren und unausloeschlichen Eindruck. Und in der Tat, Publius Scipio war eine begeisterte und begeisternde Natur. Er ist keiner jener wenigen, die mit ihrem eisernen Willen die Welt auf Jahrhunderte hinaus durch Menschenkraft in neue Gleise zwingen; oder die doch auf Jahre dem Schicksal in die Zuegel fallen, bis die Raeder ueber sie hinrollen. Publius Scipio hat im Auftrag des Senats Schlachten gewonnen und Laender eroberter hat mit Hilfe seiner militaerischen Lorbeeren auch als Staatsmann in Rom eine hervorragende Stellung eingenommen; aber es ist weit von da bis zu Alexander und Caesar. Als Offizier ist er seinem Vaterlande wenigstens nicht mehr gewesen als Marcus Marcellus, und politisch hat er, wenn auch vielleicht ohne seiner unpatriotischen und persoenlichen Politik sich deutlich bewusst zu sein, seinem Lande mindestens ebensoviel geschadet, als er ihm durch seine Feldherrngaben genutzt hat. Dennoch ruht ein besonderer Zauber auf dieser anmutigen Heldengestalt; von der heiteren und sicheren Begeisterung, die Scipio halb glaeubig halb geschickt vor sich hertrug, ist sie durchaus wie von einer blendenden Aureole umflossen. Mit gerade genug Schwaermerei, um die Herzen zu erwaermen, und genug Berechnung, um das Verstaendige ueberall entscheiden und das Gemeine nicht aus dem Ansatz wegzulassen; nicht naiv genug, um den Glauben der Menge an seine goettlichen Inspirationen zu teilen, noch schlicht genug, ihn zu beseitigen, und doch im stillen innig ueberzeugt, ein Mann vom Gottes besonderen Gnaden zu sein – mit einem Wort eine echte Prophetennatur; ueber dem Volke stehend und nicht minder ausser dem Volke; ein Mann felsenfesten Worts und koeniglichen Sinns, der durch Annahme des gemeinen Koenigtitels sich zu erniedrigen meinte, aber ebensowenig begreifen konnte, dass die Verfassung der Republik auch ihn band; seiner Groesse so sicher, dass er nichts wusste von Neid und Hass und fremdes Verdienst leutselig anerkannte, fremde Fehler mitleidig verzieh; ein vorzueglicher Offizier und feingebildeter Diplomat, ohne das abstossende Sondergepraege dieses oder jenes Berufs, hellenische Bildung einigend mit dem vollsten roemischen Nationalgefuehl, redegewandt und anmutiger Sitte, gewann Publius Scipio die Herzen der Soldaten und der Frauen, seiner Landsleute und der Spanier, seiner Nebenbuhler im Senat und seines groesseren karthagischen Gegners. Bald war sein Name auf allen Lippen und er der Stern, der seinem Lande Sieg und Frieden zu bringen bestimmt schien. Publius Scipio ging nach Spanien 544/45 (210/09) ab, begleitet von dem Propraetor Marcus Silanus, der an Neros Stelle treten und dem jungen Oberfeldherrn als Beistand und Rat dienen sollte, und von seinem Flottenfuehrer und Vertrauten Gaius Laelius, ausgeruestet abermals mit einer ueberzaehlig starken Legion und einer wohlgefuellten Kasse. Gleich sein erstes Auftreten bezeichnet einer der kuehnsten und gluecklichsten Handstreiche, die die Geschichte kennt. Die drei karthagischen Heerfuehrer standen Hasdrubal Barkas an den Quellen, Hasdrubal Gisgons Sohn an der Muendung des Tajo, Mago an den Saeulen des Herakles; der naechste von ihnen um zehn Tagemaersche entfernt von der phoenikischen Hauptstadt Neukarthago. Ploetzlich im Fruehjahr 545 (209), ehe noch die feindlichen Heere sich in Bewegung setzten, brach Scipio gegen diese Stadt, die er von der Ebromuendung aus in wenigen Tagen auf dem Kuestenweg erreichen konnte, mit seiner ganzen Armee von ungefaehr 30000 Mann und der Flotte auf und ueberraschte die nicht ueber 1000 Mann starke phoenikische Besatzung mit einem kombinierten Angriff zu Wasser und zu Lande. Die Stadt, auf einer in den Hafen hinein vorspringenden Landspitze gelegen, sah sich zugleich auf drei Seiten von der roemischen Flotte, auf der vierten von den Legionen bedroht und jede Hilfe war weit entfernt; aber der Kommandant Mago wehrte sich mit Entschlossenheit und bewaffnete die Buergerschaft, da die Soldaten nicht ausreichten, um die Mauern zu besetzen. Es ward ein Ausfall versucht, welchen indes die Roemer ohne Muehe zurueckschlugen und ihrerseits, ohne zu der Eroeffnung einer regelmaessigen Belagerung sich die Zeit zu nehmen, den Sturm auf der Landseite begannen. Heftig draengten die Stuermenden auf dem schmalen Landweg gegen die Stadt; immer neue Kolonnen loesten die ermuedeten ab; die schwache Besatzung war aufs aeusserste erschoepft, aber einen Erfolg hatten die Roemer nicht gewonnen. Scipio hatte auch keinen erwartet; der Sturm hatte bloss den Zweck, die Besatzung von der Hafenseite wegzuziehen, wo er, unterrichtet davon, dass ein Teil des Hafens zur Ebbezeit trocken liege, einen zweiten Angriff beabsichtigte. Waehrend an der Landseite der Sturm tobte, sandte Scipio eine Abteilung mit Leitern ueber das Watt, “wo Neptun ihnen selbst den Weg zeige”, und sie hatte in der Tat das Glueck, die Mauern hier unverteidigt zu finden. So war am ersten Tage die Stadt gewonnen, worauf Mago in der Burg kapitulierte. Mit der karthagischen Hauptstadt fielen achtzehn abgetakelte Kriegs- und 63 Lastschiffe, das gesamte Kriegsmaterial, bedeutende Getreidevorraete, die Kriegskasse von 600 Talenten (ueber 1 Million Taler), zehntausend Gefangene, darunter achtzehn karthagische Gerusiasten oder Richter, und die Geiseln der saemtlichen spanischen Bundesgenossen Karthagos in die Gewalt der Roemer. Scipio verhiess den Geiseln die Erlaubnis zur Heimkehr, sowie die Gemeinde eines jeden mit Rom in Buendnis getreten sein wuerde, und nutzte die Hilfsmittel, die die Stadt ihm darbot, sein Heer zu verstaerken und in besseren Stand zu bringen, indem er die neukarthagischen Handwerker, zweitausend an der Zahl, fuer das roemische Heer arbeiten hiess gegen das Versprechen der Freiheit bei der Beendigung des Krieges, und aus der uebrigen Menge die faehigen Leute zum Ruderdienst auf den Schiffen auslas. Die Stadtbuerger aber wurden geschont und ihnen die Freiheit und die bisherige Stellung gelassen; Scipio kannte die Phoeniker und wusste, dass sie gehorchen wuerden, und es war wichtig, die Stadt mit dem einzigen vortrefflichen Hafen an der Ostkueste und den reichen Silberbergwerken nicht bloss durch eine Besatzung zu sichern. So war die verwegene Unternehmung gelungen, verwegen deshalb, weil es Scipio nicht unbekannt war, dass Hasdrubal Barkas von seiner Regierung den Befehl erhalten hatte, nach Gallien vorzudringen, und diesen auszufuehren beschaeftigt war, und weil die schwache, am Ebro zurueckgelassene Abteilung unmoeglich imstande war, ihm dies ernstlich zu wehren, wenn Scipios Rueckkehr sich auch nur verzoegerte. Indes er war zurueck in Tarraco, ehe Hasdrubal sich am Ebro gezeigt hatte; das gefaehrliche Spiel, das der junge Feldherr spielte, als er seine naechste Aufgabe im Stich liess, um einen lockenden Streich auszufuehren, ward verdeckt durch den fabelhaften Erfolg, den Neptunus und Scipio gemeinschaftlich gewonnen hatten. Die wunderhafte Einnahme der phoenikischen Hauptstadt rechtfertigte so ueber die Massen alles, was man daheim von dem wunderbaren Juengling sich versprochen hatte, dass jedes andere Urteil verstummen musste. Scipios Kommando wurde auf unbestimmte Zeit verlaengert; er selber beschloss, sich nicht mehr auf die duerftige Aufgabe zu beschraenken, der Hueter der Pyrenaeenpaesse zu sein. Schon hatten infolge des Falles von Neukarthago nicht bloss die diesseitigen Spanier sich voellig unterworfen, sondern auch jenseits des Ebro die maechtigsten Fuersten die karthagische Klientel mit der roemischen vertauscht. Scipio nutzte den Winter 545/46 (209/08) dazu, seine Flotte aufzuloesen und mit den dadurch gewonnenen Leuten sein Landheer so zu vermehren, dass er zugleich den Norden bewachen und im Sueden die Offensive nachdruecklicher als bisher ergreifen koenne, und marschierte im Jahre 546 (208) nach Andalusien. Hier traf er auf Hasdrubal Barkas, der in Ausfuehrung des lange gehegten Planes, dem Bruder zu Hilfe zu kommen, nordwaerts zog. Bei Baecula kam es zur Schlacht, in der sich die Roemer den Sieg zuschrieben und 10000 Gefangene gemacht haben sollen; aber Hasdrubal erreichte, wenn auch mit Aufopferung eines Teils seiner Armee, im wesentlichen seinen Zweck. Mit seiner Kasse, seinen Elefanten und dem besten Teil seiner Truppen schlug er sich durch an die spanische Nordkueste, erreichte am Ozean hinziehend die westlichen, wie es scheint, nicht besetzten Pyrenaeenpaesse und stand noch vor dem Eintritt der schlechten Jahreszeit in Gallien, wo er Winterquartier nahm. Es zeigte sich, dass Scipios Entschluss, mit der ihm aufgetragenen Defensive die Offensive zu verbinden, unueberlegt und unweise gewesen war; der naechsten Aufgabe des spanischen Heeres, die nicht bloss Scipios Vater und Oheim, sondern selbst Gaius Marcius und Gaius Nero mit viel geringeren Mitteln geloest hatten, hatte der siegreiche Feldherr an der Spitze einer starken Armee in seinem Uebermut nicht genuegt, und wesentlich er verschuldete die aeusserst gefaehrliche Lage Roms im Sommer 547 (207), als Hannibals Plan eines kombinierten Angriffs auf die Roemer endlich dennoch sich realisierte. Indes die Goetter deckten die Fehler ihres Lieblings mit Lorbeeren zu. In Italien ging die Gefahr gluecklich vorueber; man liess sich das Bulletin des zweideutigen Sieges von Baecula gefallen und gedachte, als neue Siegesberichte aus Spanien einliefen, nicht weiter des Umstandes, dass man den faehigsten Feldherrn und den Kern der spanisch- phoenikischen Armee in Italien zu bekaempfen gehabt hatte. Nach Hasdrubal Barkas’ Entfernung beschlossen die beiden in Spanien zurueckbleibenden Feldherren, vorlaeufig zurueckzuweichen, Hasdrubal Gisgons Sohn nach Lusitanien, Mago gar auf die Balearen, und bis neue Verstaerkungen aus Afrika anlangten, nur Massinissas leichte Reiterei in Spanien streifen zu lassen, aehnlich wie es Muttines in Sizilien mit so grossem Erfolge getan. So geriet die ganze Ostkueste in die Gewalt der Roemer. Im folgenden Jahre (547 207) erschien wirklich aus Afrika Hanno mit einem dritten Heere, worauf auch Mago und Hasdrubal sich wieder nach Andalusien wandten. Allein Marcus Silanus schlug Magos und Hannos vereinigte Heere und nahm den letzteren selbst gefangen. Hasdrubal gab darauf die Behauptung des offenen Feldes auf und verteilte seine Truppen in die andalusischen Staedte, von denen Scipio in diesem Jahr nur noch eine, Oringis, erstuermen konnte. Die Phoeniker schienen ueberwaeltigt; aber dennoch vermochten sie das Jahr darauf (548 206) wieder ein gewaltiges Heer ins Feld zu senden, 32 Elefanten, 4000 Mann zu Pferde, 70000 zu Fuss, freilich zum allergroessten Teil zusammengeraffte spanische Landwehr. Wieder bei Baecula kam es zur Schlacht. Das roemische Heer zaehlte wenig mehr als die Haelfte des feindlichen und auch von ihm war ein guter Teil Spanier. Scipio stellte, wie Wellington in gleichem Fall, seine Spanier so auf, dass sie nicht zum Schlagen kamen – die einzige Moeglichkeit, ihr Ausreissen zu verhindern -, waehrend er umgekehrt seine roemischen Truppen zuerst auf die Spanier warf. Der Tag war dennoch hart bestritten; doch siegten endlich die Roemer, und wie sich von selbst versteht, war die Niederlage eines solchen Heeres gleichbedeutend mit der voelligen Aufloesung desselben – einzeln retteten sich Hasdrubal und Mago nach Gades. Die Roemer standen jetzt ohne Nebenbuhler auf der Halbinsel; die wenigen nicht gutwillig sich fuegenden Staedte wurden einzeln bezwungen und zum Teil mit grausamer Haerte bestraft. Scipio konnte sogar auf der afrikanischen Kueste dem Syphax einen Besuch abstatten und mit ihm, ja selbst mit Massinissa fuer den Fall einer Expedition nach Afrika Verbindungen einleiten – ein tollkuehnes Wagstueck, das durch keinen entsprechenden Zweck gerechtfertigt ward, so sehr auch der Bericht davon den neugierigen Hauptstaedtern daheim behagen mochte. Nur Gades, wo Mago den Befehl fuehrte, war noch phoenikisch. Einen Augenblick schien es, als ob, nachdem die Roemer die karthagische Erbschaft angetreten und die hier und da in Spanien genaehrte Hoffnung nach Beendigung des phoenikischen Regiments auch der roemischen Gaeste loszuwerden und die alte Freiheit wieder zu erlangen, hinreichend widerlegt hatten, in Spanien eine allgemeine Insurrektion gegen die Roemer ausbrechen wuerde, bei welcher die bisherigen Verbuendeten Roms vorangingen. Die Erkrankung des roemischen Feldherrn und die Meuterei eines seiner Korps, veranlasst durch den seit vielen Jahren rueckstaendigen Sold, beguenstigten den Aufstand. Indes Scipio genas schneller als man gemeint hatte und daempfte mit Gewandtheit den Soldatentumult; worauf auch die Gemeinden, die bei der Nationalerhebung vorangegangen waren, alsbald niedergeworfen wurden, ehe die Insurrektion Boden gewann. Da es also auch damit nichts und Gades doch auf die Laenge nicht zu halten war, befahl die karthagische Regierung dem Mago zusammenzuraffen, was dort an Schiffen, Truppen und Geld sich vorfinde, und damit womoeglich dem Krieg in Italien eine andere Wendung zu geben. Scipio konnte dies nicht wehren – es raechte sich jetzt, dass er seine Flotte aufgeloest hatte – und musste zum zweitenmal die ihm anvertraute Beschirmung der Heimat gegen neue Invasion seinen Goettern anheimstellen. Unbehindert verliess der letzte von Hamilkars Soehnen die Halbinsel. Nach seinem Abzug ergab sich auch Gades, die aelteste und letzte Besitzung der Phoeniker auf spanischem Boden, unter guenstigen Bedingungen den neuen Herren. Spanien war nach dreizehnjaehrigem Kampfe aus einer karthagischen in eine roemische Provinz verwandelt worden, in der zwar noch jahrhundertelang die stets besiegte und nie ueberwundene Insurrektion den Kampf gegen die Roemer fortfuehrte, aber doch im Augenblick kein Feind den Roemern gegenueberstand. Scipio ergriff den ersten Moment der Scheinruhe, um sein Kommando abzugeben (Ende 548 206) und in Rom persoenlich von den erfochtenen Siegen und den gewonnenen Landschaften zu berichten.
Waehrend also Marcellus in Sizilien, Publius Sulpicius in Griechenland, Scipio in Spanien den Krieg beendigten, ging auf der italischen Halbinsel der gewaltige Kampf ununterbrochen weiter. Hier standen, nachdem die Cannensische Schlacht geschlagen war und deren Folgen an Verlust und Gewinn sich allmaehlich uebersehen liessen, im Anfang des Jahres 540 (214), des fuenften Kriegsjahres, die Roemer und Phoeniker folgendermassen sich gegenueber. Norditalien hatten die Roemer nach Hannibals Abzug wieder besetzt und deckten es mit drei Legionen, wovon zwei im Keltenlande standen, die dritte als Rueckhalt in Picenum. Unteritalien bis zum Garganus und Volturnus war mit Ausnahme der Festungen und der meisten Haefen in Hannibals Haenden. Er stand mit der Hauptarmee bei Arpi, ihm in Apulien gegenueber, gestuetzt auf die Festungen Luceria und Benevent, Tiberius Gracchus mit vier Legionen. Im brettischen Lande, dessen Einwohner sich Hannibal gaenzlich in die Arme geworfen hatten und wo auch die Haefen, mit Ausnahme von Rhegion, das die Roemer von Messana aus schuetzten, von den Phoenikern besetzt worden waren, stand ein zweites karthagisches Heer unter Hanno, ohne zunaechst einen Feind sich gegenueber zu sehen. Die roemische Hauptarmee von vier Legionen unter den beiden Konsuln Quintus Fabius und Marcus Marcellus war im Begriff, die Wiedergewinnung Capuas zu versuchen. Dazu kam roemischerseits die Reserve von zwei Legionen in der Hauptstadt, die in alle Seehaefen gelegte Besatzung, welche in Tarent und Brundisium wegen der dort befuerchteten makedonischen Landung durch eine Legion verstaerkt worden war, endlich die starke, das Meer ohne Widerstreit beherrschende Flotte. Rechnet man dazu die roemischen Heere in Sizilien, Sardinien und Spanien, so laesst sich die Gesamtzahl der roemischen Streitkraefte, auch abgesehen von dem Besatzungsdienst, den in den unteritalischen Festungen die dort angesiedelte Buergerschaft zu versehen hatte, nicht unter 200000 Mann anschlagen, darunter ein Drittel fuer dies Jahr neu einberufene Leute und etwa die Haelfte roemische Buerger. Man darf annehmen, dass die gesamte dienstfaehige Mannschaft vom 17. bis zum 46. Jahre unter den Waffen stand und die Felder, wo der Krieg sie zu bearbeiten erlaubte, von den Sklaven, den Alten, den Kindern und Weibern bestellt wurden. Dass unter solchen Verhaeltnissen auch die Finanzen in der peinlichsten Verlegenheit waren, ist begreiflich; die Grundsteuer, auf die man hauptsaechlich angewiesen war, ging natuerlich nur sehr unregelmaessig ein. Aber trotz dieser Not um Mannschaft und Geld vermochten die Roemer dennoch, das rasch Verlorene zwar langsam und mit Anspannung aller Kraefte, aber doch zurueckzuerobern; ihre Heere jaehrlich zu vermehren, waehrend die phoenikischen zusammenschwanden; gegen Hannibals italische Bundesgenossen, die Kampaner, Apuler, Samniten, Brettier, die weder wie die roemischen Festungen in Unteritalien sich selber genuegten noch von Hannibals schwachem Heer hinreichend gedeckt werden konnten, jaehrlich Boden zu gewinnen; endlich mittels der von Marcus Marcellus begruendeten Kriegsweise das Talent der Offiziere zu entwickeln und die Ueberlegenheit des roemischen Fussvolks in vollem Umfange ins Spiel zu bringen. Hannibal durfte wohl noch auf Siege hoffen, aber nicht mehr auf Siege wie am Trasimenischen See und am Aufidus; die Zeiten der Buergergenerale waren vorbei. Es blieb ihm nichts uebrig, als abzuwarten, bis entweder Philippos die laengst versprochene Landung ausfuehren oder die Brueder aus Spanien ihm die Hand reichen wuerden, und mittlerweile sich, seine Armee und seine Klientel soweit moeglich unversehrt und bei guter Laune zu erhalten. Man erkennt in der zaehen Defensive, die jetzt beginnt, mit Muehe den Feldherrn wieder, der wie kaum ein anderer stuermisch und verwegen die Offensive gefuehrt hat; es ist psychologisch wie militaerisch bewundernswert, dass derselbe Mann die beiden ihm gestellten Aufgaben ganz entgegengesetzter Art in gleicher Vollkommenheit geloest hat.
Zunaechst zog der Krieg sich vornehmlich nach Kampanien. Hannibal erschien rechtzeitig zum Schutz der Hauptstadt, deren Einschliessung er hinderte; allein weder vermochte er irgendeine der kampanischen Staedte, die die Roemer besassen, den starken roemischen Besatzungen zu entreissen, noch konnte er wehren, dass ausser einer Menge minder wichtiger Landstaedte auch Casilinum, das ihm den Uebergang ueber den Volturnus sicherte, von den beiden Konsularheeren nach hartnaeckiger Gegenwehr genommen ward. Ein Versuch Hannibals Tarent zu gewinnen, wobei es namentlich auf einen sicheren Landungsplatz fuer die makedonische Armee abgesehen war, schlug ihm fehl. Das brettische Heer der Karthager unter Hanno schlug sich inzwischen in Lucanien mit der roemischen Armee von Apulien herum; Tiberius Gracchus bestand hier mit Erfolg den Kampf und gab nach einem gluecklichen Gefecht unweit Benevent, bei dem die zum Dienst gepressten Sklavenlegionen sich ausgezeichnet hatten, den Sklavensoldaten im Namen des Volks die Freiheit und das Buergerrecht. Im folgenden Jahr (541 213) gewannen die Roemer das reiche und wichtige Arpi zurueck, dessen Buergerschaft, nachdem die roemischen Soldaten sich in die Stadt eingeschlichen hatten, mit ihnen gegen die karthagische Besatzung gemeinschaftliche Sache machte. Ueberhaupt lockerten sich die Bande der Hannibalischen Symmachie; eine Anzahl der vornehmsten Capuaner und mehrere brettische Staedte gingen ueber zu Rom; sogar eine spanische Abteilung des phoenikischen Heeres trat, durch spanische Emissaere von dem Gang der Ereignisse in der Heimat in Kenntnis gesetzt, aus karthagischen in roemische Dienste. Unguenstiger war fuer die Roemer das Jahr 542 (212) durch neue politische und militaerische Fehler, die Hannibal auszubeuten nicht unterliess. Die Verbindungen, welche Hannibal in den grossgriechischen Staedten unterhielt, hatten zu keinem ernstlichen Resultat gefuehrt; nur die in Rom befindlichen tarentinischen und thurinischen Geiseln liessen sich durch seine Emissaere zu einem tollen Fluchtversuch bestimmen, wobei sie schleunig von den roemischen Posten wieder aufgegriffen wurden. Allein die unverstaendige Rachsucht der Roemer foerderte Hannibal mehr als seine Intrigen; die Hinrichtung der saemtlichen entwichenen Geiseln beraubte sie eines kostbaren Unterpfandes, und die erbitterten Griechen sannen seitdem, wie sie Hannibal die Tore oeffnen moechten. Wirklich ward Tarent durch Einverstaendnis mit der Buergerschaft und durch die Nachlaessigkeit des roemischen Kommandanten von den Karthagern besetzt; kaum dass die roemische Besatzung sich in der Burg behauptete. Dem Beispiel Tarents folgten Herakleia, Thurii und Metapont, aus welcher Stadt zur Rettung der Tarentiner Akropolis die Besatzung hatte weggezogen werden muessen. Damit war die Gefahr einer makedonischen Landung so nahe gerueckt, dass Rom sich genoetigt sah, dem fast gaenzlich vernachlaessigten griechischen Krieg neue Aufmerksamkeit und neue Anstrengungen zuzuwenden, wozu gluecklicherweise die Einnahme von Syrakus und der guenstige Stand des spanischen Krieges die Moeglichkeit gewaehrte. Auf dem Hauptkriegsschauplatz, in Kampanien, ward mit sehr abwechselndem Erfolge gefochten. Die in der Naehe von Capua postierten Legionen hatten zwar die Stadt noch nicht eigentlich eingeschlossen, aber doch die Bestellung des Ackers und die Einbringung der Ernte so sehr gehindert, dass die volkreiche Stadt auswaertiger Zufuhr dringend bedurfte. Hannibal brachte also einen betraechtlichen Getreidetransport zusammen und wies die Kampaner an, ihn bei Benevent in Empfang zu nehmen; allein deren Saumseligkeit gab den Konsuln Quintus Flaccus und Appius Claudius Zeit herbeizukommen, dem Hanno, der den Transport deckte, eine schwere Niederlage beizubringen und sich seines Lagers und der gesamten Vorraete zu bemaechtigen. Die beiden Konsuln schlossen darauf die Stadt ein, waehrend Tiberius Gracchus sich auf der Appischen Strasse aufstellte, um Hannibal den Weg zum Entsatz zu verlegen. Aber der tapfere Mann fiel durch die schaendliche List eines treulosen Lucaners, und sein Tod kam einer voelligen Niederlage gleich, da sein Heer, groesstenteils bestehend aus jenen von ihm freigesprochenen Sklaven, nach dem Tode des geliebten Fuehrers auseinanderlief. So fand Hannibal die Strasse nach Capua offen und noetigte durch sein unvermutetes Erscheinen die beiden Konsuln, die kaum begonnene Einschliessung wieder aufzuheben, nachdem noch vor Hannibals Eintreffen ihre Reiterei von der phoenikischen, die unter Hanno und Bostar als Besatzung in Capua lag, und der ebenso vorzueglichen kampanischen nachdruecklich geschlagen worden war. Die totale Vernichtung der von Marcus Centenius, einem vom Unteroffizier zum Feldherrn unvorsichtig befoerderten Mann, angefuehrten regulaeren Truppen und Freischaren in Lucanien, und die nicht viel weniger vollstaendige Niederlage des nachlaessigen und uebermuetigen Praetors Gnaeus Fulvius Flaccus in Apulien beschlossen die lange Reihe der Unfaelle dieses Jahres. Aber das zaehe Ausharren der Roemer machte wenigstens an dem entscheidenden Punkte den raschen Erfolg Hannibals doch wieder zunichte. Sowie Hannibal Capua den Ruecken wandte, um sich nach Apulien zu begeben, zogen die roemischen Heere sich abermals um Capua zusammen, bei Puteoli und Volturnum unter Appius Claudius, bei Casilinum unter Quintus Fulvius, auf der Nolanischen Strasse unter dem Praetor Gaius Claudius Nero; die drei wohlverschanzten und durch befestigte Linien miteinander verbundenen Lager sperrten jeden Zugang, und die grosse, ungenuegend verproviantierte Stadt musste durch blosse Umstellung in nicht entfernter Zeit sich zur Kapitulation gezwungen sehen, wenn kein Entsatz kam. Wie der Winter 542/43 (212/11) zu Ende ging, waren auch die Vorraete fast erschoepft, und dringende Boten, die kaum imstande waren, durch die wohlbewachten roemischen Linien sich durchzuschleichen, begehrten schleunige Hilfe von Hannibal, der, mit der Belagerung der Burg beschaeftigt, in Tarent stand. In Eilmaerschen brach er mit 33 Elefanten und seinen besten Truppen von Tarent nach Kampanien auf, hob den roemischen Posten in Calatia auf und nahm sein Lager am Berge Tifata unmittelbar bei Capua, in der sicheren Erwartung, dass die roemischen Feldherren eben wie im vorigen Jahre daraufhin die Belagerung aufheben wuerden. Allein die Roemer, die Zeit gehabt hatten, ihre Lager und ihre Linien festungsartig zu verschanzen, ruehrten sich nicht und sahen unbeweglich von den Waellen aus zu, wie auf der einen Seite die kampanischen Reiter, auf der anderen die numidischen Schwaerme an ihre Linien anprallten. An einen ernstlichen Sturm durfte Hannibal nicht denken; er konnte voraussehen, dass sein Anruecken bald die anderen roemischen Heere nach Kampanien nachziehen wuerde, wenn nicht schon frueher der Mangel an Futter in dem systematisch ausfouragierten Lande ihn aus Kampanien vertrieb. Dagegen liess sich nichts machen. Hannibal versuchte noch einen Ausweg, den letzten, der seinem erfinderischen Geist sich darbot, um die wichtige Stadt zu retten. Er brach mit dem Entsatzheer, nachdem er den Kampanern von seinem Vorhaben Nachricht gegeben und sie zum Ausharren ermahnt hatte, von Capua auf und schlug die Strasse nach Rom ein. Mit derselben gewandten Kuehnheit wie in seinen ersten italischen Feldzuegen warf er sich mit einem schwachen Heer zwischen die feindlichen Armeen und Festungen und fuehrte seine Truppen durch Samnium und auf der Valerischen Strasse an Tibur vorbei bis zur Aniobruecke, die er passierte und auf dem anderen Ufer ein Lager nahm, eine deutsche Meile von der Stadt. Den Schreck empfanden noch die Enkel der Enkel, wenn ihnen erzaehlt ward von “Hannibal vor dem Tor”; eine ernstliche Gefahr war nicht vorhanden. Die Landhaeuser und Aecker in der Naehe der Stadt wurden von den Feinden verheert; die beiden Legionen in der Stadt, die gegen sie ausrueckten, verhinderten die Berennung der Mauern. Durch einen Handstreich, wie ihn Scipio bald nachher gegen Neukarthago ausfuehrte, Rom zu ueberrumpeln, hatte Hannibal uebrigens nie gemeint und noch weniger an eine ernstliche Belagerung gedacht; seine Hoffnung war einzig darauf gestellt, dass im ersten Schreck ein Teil des Belagerungsheeres von Capua nach Rom marschieren und ihm also Gelegenheit geben werde, die Blockade zu sprengen. Darum brach er nach kurzem Verweilen wieder auf. Die Roemer sahen in seiner Umkehr ein Wunder der goettlichen Gnade, die durch Zeichen und Gesichte den argen Mann zum Abzug bestimmt habe, wozu ihn die roemischen Legionen freilich zu noetigen nicht vermochten; an der Stelle, wo Hannibal der Stadt am naechsten gekommen war, von dem Capenischen Tor an dem zweiten Miglienstein der Appischen Strasse, errichteten die dankbaren Glaeubigen dem Gott “Rueckwender Beschuetzer” (Rediculus Tutanus) einen Altar. In der Tat zog Hannibal ab, weil es so in seinem Plane lag, und schlug die Richtung nach Capua ein. Allein die roemischen Feldherren hatten den Fehler nicht begangen, auf den ihr Gegner gerechnet hatte; unbeweglich standen die Legionen in den Linien um Capua und nur ein schwaches Korps war auf die Kunde von Hannibals Marsch nach Rom detachiert worden. Wie Hannibal dies erfuhr, wandte er sich ploetzlich um gegen den Konsul Publius Galba, der ihm von Rom her unbesonnen gefolgt war, und mit dem er bisher vermieden hatte zu schlagen, ueberwand ihn und erstuermte sein Lager; aber es war das ein geringer Ersatz fuer Capuas jetzt unvermeidlichen Fall. Lange schon hatte die Buergerschaft daselbst, namentlich die besseren Klassen derselben, mit bangen Ahnungen der Zukunft entgegengesehen; den Fuehrern der Rom feindlichen Volkspartei blieb das Rathaus und die staedtische Verwaltung fast ausschliesslich ueberlassen. Jetzt ergriff die Verzweiflung Vornehme und Geringe, Kampaner und Phoeniker ohne Unterschied. Achtundzwanzig vom Rat waehlten den freiwilligen Tod; die uebrigen uebergaben die Stadt dem Gutfinden eines unversoehnlich erbitterten Feindes. Dass Blutgerichte folgen mussten, verstand sich von selbst; man stritt nur ueber langen oder kurzen Prozess: ob es klueger und zweckmaessiger sei, die weiteren Verzweigungen des Hochverrats auch ausserhalb Capuas gruendlich zu ermitteln oder durch rasche Exekution der Sache ein Ende zu machen. Ersteres wollten Appius Claudius und der roemische Senat; die letztere Meinung, vielleicht die weniger unmenschliche, siegte ob. Dreiundfuenfzig capuanische Offiziere und Beamte wurden auf den Marktplaetzen von Cales und Teanum auf Befehl und vor den Augen des Prokonsuls Quintus Flaccus ausgepeitscht und enthauptet, der Rest des Rates eingekerkert, ein zahlreicher Teil der Buergerschaft in die Sklaverei verkauft, das Vermoegen der Wohlhabenderen konfisziert. Aehnliche Gerichte ergingen ueber Atella und Calatia. Diese Strafen waren hart; allein mit Ruecksicht auf das, was Capuas Abfall fuer Rom bedeutet, und auf das, was der Kriegsgebrauch jener Zeit wenn nicht recht, doch ueblich gemacht hatte, sind sie begreiflich. Und hatte nicht durch den Mord der saemtlichen in Capua zur Zeit des Abfalls anwesenden roemischen Buerger unmittelbar nach dem uebertritt die Buergerschaft sich selber ihr Urteil gesprochen? Arg aber war es, dass Rom diese Gelegenheit benutzte, um die stille Rivalitaet, die lange zwischen den beiden groessten Staedten Italiens bestanden hatte, zu befriedigen und durch die Aufhebung der kampanischen Stadtverfassung die gehasste und beneidete Nebenbuhlerin vollstaendig politisch zu vernichten. Ungeheuer war der Eindruck von Capuas Fall, und nur um so mehr, weil er nicht durch Ueberraschung, sondern durch eine zweijaehrige, allen Anstrengungen Hannibals zum Trotze durchgefuehrte Belagerung herbeigefuehrt worden war. Er war ebenso sehr das Signal der den Roemern wiedergewonnenen Oberhand in Italien, wie sechs Jahre zuvor der Uebertritt Capuas zu Hannibal das Signal der verlorenen gewesen war. Vergeblich hatte Hannibal versucht, dem Eindruck dieser Nachricht auf die Bundesgenossen entgegenzuarbeiten durch die Einnahme von Rhegion oder der tarentinischen Burg. Sein Gewaltmarsch, um Rhegion zu ueberraschen, hatte nichts gefruchtet und in der Burg von Tarent war der Mangel zwar gross, seit das tarentinisch-karthagische Geschwader den Hafen sperrte, aber da die Roemer mit ihrer weit staerkeren Flotte jenem Geschwader selbst die Zufuhr abzuschneiden vermochten, und das Gebiet, das Hannibal beherrschte, kaum genuegte, sein Heer zu ernaehren, so litten die Belagerer auf der Seeseite nicht viel weniger als die Belagerten in der Burg und verliessen endlich den Hafen. Es gelang nichts mehr; das Glueck selbst schien von dem Karthager gewichen. Diese Folgen von Capuas Fall, die tiefe Erschuetterung des Ansehens und Vertrauens, das Hannibal bisher bei den italischen Verbuendeten genossen, und die Versuche jeder nicht allzusehr kompromittierten Gemeinde, auf leidliche Bedingungen in die roemische Symmachie wieder zurueckzutreten, waren noch weit empfindlicher fuer Hannibal als der unmittelbare Verlust. Er hatte die Wahl, in die schwankenden Staedte entweder Besatzung zu werfen, wodurch er sein schon zu schwaches Heer noch mehr schwaechte und seine zuverlaessigen Truppen der Aufreibung in kleinen Abteilungen und dem Verrat preisgab – so wurden ihm im Jahre 544 (210) bei dem Abfall der Stadt Salapia 500 auserlesene numidische Reiter niedergemacht; oder die unsicheren Staedte zu schleifen und anzuzuenden, um sie dem Feind zu entziehen, was denn auch die Stimmung unter seiner italischen Klientel nicht heben konnte. Mit Capuas Fall fuehlten die Roemer des endlichen Ausganges des Krieges in Italien sich wiederum sicher; sie entsandten betraechtliche Verstaerkungen nach Spanien, wo durch den Fall der beiden Scipionen die Existenz der roemischen Armee gefaehrdet war, und gestatteten zum erstenmal seit dem Beginn des Krieges sich eine Verminderung der Gesamtzahl der Truppen, die bisher trotz der jaehrlich steigenden Schwierigkeit der Aushebung jaehrlich vermehrt worden und zuletzt bis auf 23 Legionen gestiegen war. Darum ward denn auch im naechsten Jahr (544 210 ) der italische Krieg laessiger als bisher von den Roemern gefuehrt, obwohl Marcus Marcellus nach Beendigung des sizilischen Krieges wieder den Oberbefehl der Hauptarmee uebernommen hatte; er betrieb in den inneren Landschaften den Festungskrieg und lieferte den Karthagern unentschiedene Gefechte. Auch der Kampf um die tarentinische Akropole blieb ohne entscheidendes Resultat. In Apulien gelang Hannibal die Besiegung des Prokonsuls Gnaeus Fulvius Centumalus bei Herdoneae. Das Jahr darauf (545 209) schritten die Roemer dazu, der zweiten Grossstadt, die zu Hannibal uebergetreten war, der Stadt Tarent sich wieder zu bemaechtigen. Waehrend Marcus Marcellus den Kampf gegen Hannibal selbst mit gewohnter Zaehigkeit und Energie fortsetzte – in einer zweitaegigen Schlacht erfocht er, am ersten Tage geschlagen, am zweiten einen schweren und blutigen Sieg; waehrend der Konsul Quintus Fulvius die schon schwankenden Lucaner und Hirpiner zum Wechsel der Partei und zur Auslieferung der phoenikischen Besatzungen bestimmte; waehrend gut geleitete Razzias von Rhegion aus Hannibal noetigten, den bedraengten Brettiern zu Hilfe zu eilen, setzte der alte Quintus Fabius, der noch einmal – zum fuenftenmal – das Konsulat und damit den Auftrag, Tarent wieder zu erobern, angenommen hatte, sich fest in dem nahen messapischen Gebiet, und der Verrat einer brettischen Abteilung der Besatzung ueberlieferte ihm die Stadt, in der von den erbitterten Siegern fuerchterlich gehaust ward. Was von der Besatzung oder von der Buergerschaft ihnen vorkam, wurde niedergemacht und die Haeuser gepluendert. Es sollen 30000 Tarentiner als Sklaven verkauft, 3000 Talente (5 Mill. Taler) in den Staatsschatz geflossen sein. Es war die letzte Waffentat des achtzigjaehrigen Feldherrn; Hannibal kam zum Entsatz, als alles vorbei war, und zog sich zurueck nach Metapont.
Nachdem also Hannibal seine wichtigsten Eroberungen eingebuesst hatte und allmaehlich sich auf die suedwestliche Spitze der Halbinsel beschraenkt sah, hoffte Marcus Marcellus, der fuer das naechste Jahr (546 208) zum Konsul gewaehlt worden war, in Verbindung mit seinem tuechtigen Kollegen Titus Quinctius Crispinus dem Krieg durch einen entscheidenden Angriff ein Ende zu machen. Den alten Soldaten fochten seine sechzig Jahre nicht an; wachend und traeumend verfolgte ihn der eine Gedanke, Hannibal zu schlagen und Italien zu befreien. Allein das Schicksal sparte diesen Kranz fuer ein juengeres Haupt. Bei einer unbedeutenden Rekognoszierung wurden beide Konsuln in der Gegend von Venusia von einer Abteilung afrikanischer Reiter ueberfallen. Marcellus focht den ungleichen Kampf, wie er vor vierzig Jahren gegen Hamilkar, vor vierzehn bei Clastidium gefochten hatte, bis er sterbend vom Pferde sank; Crispinus entkam, starb aber an den im Gefecht empfangenen Wunden (546 208). Man stand jetzt im elften Kriegsjahr. Die Gefahr schien geschwunden, die einige Jahre zuvor die Existenz des Staates bedroht hatte; aber nur um so mehr fuehlte man den schweren und jaehrlich schwerer werdenden Druck des endlosen Krieges. Die Staatsfinanzen litten unsaeglich. Man hatte nach der Schlacht von Cannae (538 216) eine eigene Bankkommission (tres viri mensarii) aus den angesehensten Maennern niedergesetzt, um fuer die oeffentlichen Finanzen in diesen schweren Zeiten eine dauernde und umsichtige Oberbehoerde zu haben; sie mag getan haben, was moeglich war, aber die Verhaeltnisse waren von der Art, dass alle Finanzweisheit daran zuschanden ward. Gleich zu Anfang des Krieges hatte man die Silber- und die Kupfermuenze verringert, den Legalkurs des Silberstueckes um mehr als ein Drittel erhoeht und eine Goldmuenze weit ueber den Metallwert ausgegeben. Sehr bald reichte dies nicht aus; man musste von den Lieferanten auf Kredit nehmen und sah ihnen durch die Finger, weil man sie brauchte, bis der arge Unterschleif zuletzt die Aedilen veranlasste, durch Anklage vor dem Volk an einigen der schlimmsten ein Exempel zu statuieren. Man nahm den Patriotismus der Vermoegenden, die freilich verhaeltnismaessig eben am meisten litten, oft in Anspruch und nicht umsonst. Die Soldaten aus den besseren Klassen und die Unteroffiziere und Reiter insgesamt schlugen, freiwillig oder durch den Geist der Korps gezwungen, die Annahme des Soldes aus. Die Eigentuemer der von der Gemeinde bewaffneten und nach dem Treffen bei Benevent freigesprochenen Sklaven erwiderten der Bankkommission, die ihnen Zahlung anbot, dass sie dieselbe bis zum Ende des Krieges anstehen lassen wollten (540 214). Als fuer die Ausrichtung der Volksfeste und die Instandhaltung der oeffentlichen Gebaeude kein Geld mehr in der Staatskasse war, erklaerten die Gesellschaften, die diese Geschaefte bisher in Akkord gehabt hatten, sich bereit, dieselben vorlaeufig unentgeltlich fortzufuehren (540 214). Es ward sogar, ganz wie im Ersten Punischen Kriege, mittels einer freiwilligen Anleihe bei den Reichen eine Flotte ausgeruestet und bemannt (544 210). Man verbrauchte die Muendelgelder, ja man griff endlich im Jahre der Eroberung von Tarent den letzten, lange gesparten Notpfennig (1144000 Taler) an. Dennoch genuegte der Staat seinen notwendigsten Zahlungen nicht; die Entrichtung des Soldes stockte namentlich in den entfernteren Landschaften in besorglicher Weise. Aber die Bedraengnis des Staats war nicht der schlimmste Teil des materiellen Notstandes. ueberall lagen die Felder brach; selbst wo der Krieg nicht hauste, fehlte es an Haenden fuer die Hacke und die Sichel. Der Preis des Medimnos (1 preussischer Scheffel) war gestiegen bis auf 15 Denare (3 1/3 Taler), mindestens das Dreifache des hauptstaedtischen Mittelpreises, und viele waeren geradezu Hungers gestorben, wenn nicht aus Aegypten Zufuhr gekommen waere und nicht vor allem der in Sizilien wieder aufbluehende Feldbau der aergsten Not gesteuert haette. Wie aber solche Zustaende die kleinen Bauernwirtschaften zerstoeren, den sauer zurueckgelegten Sparschatz verzehren, die bluehenden Doerfer in Bettler- und Raeubernester verwandeln, das lehren aehnliche Kriege, aus denen sich anschaulichere Berichte erhalten haben.
Bedenklicher noch als diese materielle Not war die steigende Abneigung der Bundesgenossen gegen den roemischen Krieg, der ihnen Gut und Blut frass. Zwar auf die nichtlatinischen Gemeinden kam es dabei weniger an. Der Krieg selber bewies es, dass sie nichts vermochten, solange die latinische Nation zu Rom stand; an ihrer groesseren oder geringeren Widerwilligkeit war nicht viel gelegen. Jetzt indes fing auch Latium an zu schwanken. Die meisten latinischen Kommunen in Etrurien, Latium, dem Marsergebiet und dem noerdlichen Kampanien, also eben in denjenigen latinischen Landschaften, die unmittelbar am wenigsten von dem Kriege gelitten hatten, erklaerten im Jahre 545 (209) dem roemischen Senat, dass sie von jetzt an weder Kontingente noch Steuern mehr schicken und es den Roemern ueberlassen wuerden, den in ihrem Interesse gefuehrten Krieg selber zu bestreiten. Die Bestuerzung in Rom war gross; allein fuer den Augenblick gab es kein Mittel, die Widerspenstigen zu zwingen. Zum Glueck handelten nicht alle latinischen Gemeinden so. Die gallischen, picenischen und sueditalischen Kolonien, an ihrer Spitze das maechtige und patriotische Fregellae, erklaerten im Gegenteil, dass sie um so enger und treulicher an Rom sich anschloessen – freilich war es diesen allen sehr deutlich dargetan, dass bei dem gegenwaertigen Kriege ihre Existenz womoeglich noch mehr auf dem Spiele stand als die der Hauptstadt und dass dieser Krieg wahrlich nicht bloss fuer Rom, sondern fuer die latinische Hegemonie in Italien, ja fuer Italiens nationale Unabhaengigkeit gefuehrt ward. Auch jener halbe Abfall war sicherlich nicht Landesverrat, sondern Kurzsichtigkeit und Erschoepfung; ohne Zweifel wuerden dieselben Staedte ein Buendnis mit den Phoenikern mit Abscheu zurueckgewiesen haben. Allein immer war es eine Spaltung zwischen Roemern und Latinern, und der Rueckschlag auf die unterworfene Bevoelkerung der Landschaften blieb nicht aus. In Arretium zeigte sich sogleich eine bedenkliche Gaerung; eine im Interesse Hannibals unter den Etruskern angestiftete Verschwoerung ward entdeckt und schien so gefaehrlich, dass man deswegen roemische Truppen marschieren liess. Militaer und Polizei unterdrueckten diese Bewegung zwar ohne Muehe; allein sie war ein ernstes Zeichen, was in jenen Landschaften kommen koenne, seit die latinischen Zwingburgen nicht mehr schreckten.
In diese schwierigen und gespannten Verhaeltnisse schlug ploetzlich die Nachricht hinein, dass Hasdrubal im Herbst des Jahres 546 (208) die Pyrenaeen ueberschritten habe und man sich darauf gefasst machen muesse, im naechsten Jahr in Italien den Krieg mit den beiden Soehnen Hamilkars zu fuehren. Nicht umsonst hatte Hannibal die langen schweren Jahre hindurch auf seinem Posten ausgeharrt; was die faktioese Opposition daheim, was der kurzsichtige Philippos ihm versagt hatte, das fuehrte endlich der Bruder ihm heran, in dem wie in ihm selbst Hamilkars Geist maechtig war. Schon standen achttausend Ligurer, durch phoenikisches Gold geworben, bereit, sich mit Hasdrubal zu vereinigen; wenn er die erste Schlacht gewann, so durfte er hoffen, gleich dem Bruder die Gallier, vielleicht die Etrusker gegen Rom unter die Waffen zu bringen. Italien war aber nicht mehr, was es vor elf Jahren gewesen; der Staat und die einzelnen waren erschoepft, der latinische Bund gelockert, der beste Feldherr soeben auf dem Schlachtfeld gefallen und Hannibal nicht bezwungen. In der Tat, Scipio mochte die Gunst seines Genius preisen, wenn er die Folgen seines unverzeihlichen Fehlers von ihm und dem Lande abwandte.
Wie in den Zeiten der schwersten Gefahr bot Rom wieder dreiundzwanzig Legionen auf; man rief Freiwillige zu den Waffen und zog die gesetzlich vom Kriegsdienst Befreiten zur Aushebung mit heran. Dennoch wurde man ueberrascht. Freunden und Feinden ueber alle Erwartung frueh stand Hasdrubal diesseits der Alpen (547 207); die Gallier, der Durchmaersche jetzt gewohnt, oeffneten fuer gutes Geld willig ihre Paesse und lieferten, was das Heer bedurfte. Wenn man in Rom beabsichtigt hatte, die Ausgaenge der Alpenpaesse zu besetzen, so kam man damit wieder zu spaet; schon vernahm man, dass Hasdrubal am Padus stehe, dass er die Gallier mit gleichem Erfolge wie einst sein Bruder zu den Waffen rufe, dass Placentia berannt werde. Schleunigst begab der Konsul Marcus Livius sich zu der Nordarmee; und es war hohe Zeit, dass er erschien. Etrurien und Umbrien waren in dumpfer Gaerung; Freiwillige von dort verstaerkten das phoenikische Heer. Sein Kollege Gaius Nero zog aus Venusia den Praetor Gaius Hostilius Tubulus an sich und eilte mit einem Heere von 40000 Mann, Hannibal den Weg nach Norden zu verlegen. Dieser sammelte seine ganze Macht im brettischen Gebiet, und auf der grossen, von Rhegion nach Apulien fuehrenden Strasse vorrueckend traf er bei Grumentum auf den Konsul. Es kam zu einem hartnaeckigen Gefecht, in welchem Nero sich den Sieg zuschrieb; allein Hannibal vermochte wenigstens, wenn auch mit Verlust, durch einen seiner gewoehnlichen geschickten Seitenmaersche sich dem Feinde zu entziehen und ungehindert Apulien zu erreichen. Hier blieb er stehen und lagerte anfangs bei Venusia, alsdann bei Canusium, Nero, der ihm auf dem Fuss gefolgt war, dort wie hier ihm gegenueber. Dass Hannibal freiwillig stehenblieb und nicht von der roemischen Armee am Vorruecken gehindert ward, scheint nicht zu bezweifeln; der Grund, warum er gerade hier und nicht weiter noerdlich sich aufstellte, muss gelegen haben in Verabredungen Hannibals mit Hasdrubal oder in Mutmassungen ueber dessen Marschroute, die wir nicht kennen. Waehrend also hier die beiden Heere sich untaetig gegenueberstanden, ward die im Hannibalischen Lager sehnlich erwartete Depesche Hasdrubals von Neros Posten aufgefangen; sie ergab, dass Hasdrubal beabsichtigte, die Flaminische Strasse einzuschlagen, also zunaechst sich an der Kueste zu halten und dann bei Fanum ueber den Apennin gegen Narnia sich zu wenden, an welchem Orte er Hannibal zu treffen gedenke. Sofort liess Nero nach Narnia als dem zur Vereinigung der beiden phoenikischen Heere ausersehenen Punkt die hauptstaedtische Reserve vorgehen, wogegen die bei Capua stehende Abteilung nach der Hauptstadt kam und dort eine neue Reserve gebildet ward. Ueberzeugt, dass Hannibal die Absicht des Bruders nicht kenne und fortfahren werde, ihn in Apulien zu erwarten, entschloss sich Nero zu dem kuehnen Wagnis, mit einem kleinen, aber auserlesenen Korps von 7000 Mann in Gewaltmaerschen nordwaerts zu eilen und womoeglich in Gemeinschaft mit dem Kollegen den Hasdrubal zur Schlacht zu zwingen; er konnte es, denn das roemische Heer, das er zurueckliess, blieb immer stark genug, um Hannibal entweder standzuhalten, wenn er angriff, oder ihn zu geleiten und mit ihm zugleich an dem Orte der Entscheidung einzutreffen, wenn er abzog. Nero fand den Kollegen Marcus Livius bei Sena gallica, den Feind erwartend. Sofort rueckten beide Konsuln aus gegen Hasdrubal, den sie beschaeftigt fanden, den Metaurus zu ueberschreiten. Hasdrubal wuenschte die Schlacht zu vermeiden und sich seitwaerts den Roemern zu entziehen; allein seine Fuehrer liessen ihn im Stich, er verirrte sich auf dem ihm fremden Terrain und wurde endlich auf dem Marsch von der roemischen Reiterei angegriffen und so lange festgehalten, bis auch das roemische Fussvolk eintraf und die Schlacht unvermeidlich ward. Hasdrubal stellte die Spanier auf den rechten Fluegel, davor seine zehn Elefanten, die Gallier auf den linken, den er versagte. Lange schwankte das Gefecht auf dem rechten Fluegel und der Konsul Livius, der hier befehligte, ward hart gedraengt, bis Nero, seine strategische Operation taktisch wiederholend, den ihm unbeweglich gegenueberstehenden Feind stehen liess und, um die eigene Armee herum marschierend, den Spaniern in die Flanke fiel. Dies entschied. Der schwer erkaempfte und sehr blutige Sieg war vollstaendig; das Heer, das keinen Rueckzug hatte, ward vernichtet, das Lager erstuermt, Hasdrubal, da er die vortrefflich geleitete Schlacht verloren sah, suchte und fand gleich seinem Vater einen ehrlichen Reitertod. Als Offizier und als Mann war er wert, Hannibals Bruder zu sein.
Am Tage nach der Schlacht brach Nero wieder auf und stand nach kaum vierzehntaegiger Abwesenheit abermals in Apulien Hannibal gegenueber, den keine Botschaft erreicht und der sich nicht geruehrt hatte. Die Botschaft brachte ihm der Konsul mit; es war der Kopf des Bruders, den der Roemer den feindlichen Posten hinwerfen liess, also dem grossen Gegner, der den Krieg mit Toten verschmaehte, die ehrenvolle Bestattung des Paullus, Gracchus und Marcellus vergeltend. Hannibal erkannte, dass er umsonst gehofft hatte und dass alles vorbei war. Er gab Apulien und Lucanien, sogar Metapont auf und zog mit seinen Truppen zurueck in das brettische Land, dessen Haefen sein einziger Rueckzug waren. Durch die Energie der roemischen Feldherren und mehr noch durch eine beispiellos glueckliche Fuegung war eine Gefahr von Rom abgewandt, deren Groesse Hannibals zaehes Ausharren in Italien rechtfertigt und die mit der Groesse der cannensischen den Vergleich vollkommen aushaelt. Der Jubel in Rom war grenzenlos; die Geschaefte begannen wieder wie in Friedenszeit; jeder fuehlte, dass die Gefahr des Krieges verschwunden sei. Indes ein Ende zu machen beeilte man sich in Rom eben nicht. Der Staat und die Buerger waren erschoepft durch die uebermaessige moralische und materielle Anspannung aller Kraefte; gern gab man der Sorglosigkeit und der Ruhe sich hin. Heer und Flotte wurden vermindert, die roemischen und latinischen Bauern auf ihre veroedeten Hoefe zurueckgefuehrt, die Kasse durch den Verkauf eines Teils der kampanischen Domaene gefuellt. Die Staatsverwaltung wurde neu geregelt und die eingerissenen Unordnungen abgestellt; man fing an, das freiwillige Kriegsanlehen zurueckzuzahlen, und zwang die im Rueckstand gebliebenen latinischen Gemeinden, ihren versaeumten Pflichten mit schweren Zinsen zu genuegen.
Der Krieg in Italien stockte. Es war ein glaenzender Beweis von Hannibals strategischem Talent sowie freilich auch von der Unfaehigkeit der jetzt ihm gegenueberstehenden roemischen Feldherren, dass er von da an noch durch vier Jahre im brettischen Lande das Feld behaupten und von dem weit ueberlegenen Gegner weder gezwungen werden konnte, sich in die Festungen einzuschliessen noch sich einzuschiffen. Freilich musste er immer weiter zurueckweichen, weniger in Folge der ihm von den Roemern gelieferten, nichts entscheidenden Gefechte, als weil seine brettischen Bundesgenossen immer schwieriger wurden und er zuletzt nur auf die Staedte noch zaehlen konnte, die sein Heer besetzt hielt. So gab er Thurii freiwillig auf; Lokri ward auf Publius Scipios Veranstaltung von Rhegion aus wieder eingenommen (549 205). Als sollten seine Entwuerfe noch schliesslich von den karthagischen Behoerden, die sie ihm verdorben hatten, selbst eine glaenzende Rechtfertigung erhalten, suchten diese in der Angst vor der erwarteten Landung der Roemer jene Plaene nun selbst wieder hervor (548, 549 206, 205) und sandten an Hannibal nach Italien, an Mago nach Spanien Verstaerkung und Subsidien mit dem Befehl, den Krieg in Italien aufs neue zu entflammen und den zitternden Besitzern der libyschen Landhaeuser und der karthagischen Buden noch einige Frist zu erfechten. Ebenso ging eine Gesandtschaft nach Makedonien, um Philippos zur Erneuerung des Buendnisses und zur Landung in Italien zu bestimmen (549 205). Allein es war zu spaet. Philippos hatte wenige Monate zuvor mit Rom Frieden geschlossen; die bevorstehende politische Vernichtung Karthagos war ihm zwar unbequem, aber er tat oeffentlich wenigstens nichts gegen Rom. Es ging ein kleines makedonisches Korps nach Afrika, das nach der Behauptung der Roemer Philippos aus seiner Tasche bezahlte; begreiflich waere es, allein Beweise wenigstens hatten, wie der spaetere Verlauf der Ereignisse zeigt, die Roemer dafuer nicht. An eine makedonische Landung in Italien ward nicht gedacht.
Ernstlicher griff Mago, Hamilkars juengster Sohn, seine Aufgabe an. Mit den Truemmern der spanischen Armee, die er zunaechst nach Minorca gefuehrt hatte, landete er im Jahre 549 (205) bei Genua, zerstoerte die Stadt und rief die Ligurer und Gallier zu den Waffen, die das Gold und die Neuheit des Unternehmens wie immer scharenweise herbeizog; seine Verbindungen gingen sogar durch ganz Etrurien, wo die politischen Prozesse nicht ruhten. Allein was er an Truppen mitgebracht, war zu wenig fuer eine ernstliche Unternehmung gegen das eigentliche Italien, und Hannibal war gleichfalls viel zu schwach und sein Einfluss in Unteritalien viel zu sehr gesunken, als dass er mit Erfolg haette vorgehen koennen. Die karthagischen Herren hatten die Rettung der Heimat nicht gewollt, da sie moeglich war; jetzt, da sie sie wollten, war sie nicht mehr moeglich.
Wohl niemand zweifelte im roemischen Senat, weder daran, dass der Krieg Karthagos gegen Rom zu Ende sei, noch daran, dass nun der Krieg Roms gegen Karthago begonnen werden muesse; allein die afrikanische Expedition, so unvermeidlich sie war, scheute man sich anzuordnen. Man bedurfte dazu vor allem eines faehigen und beliebten Fuehrers; und man hatte keinen. Die besten Generale waren entweder auf dem Schlachtfeld gefallen oder sie waren, wie Quintus Fabius und Quintus Fulvius, fuer einen solchen ganz neuen und wahrscheinlich langwierigen Krieg zu alt. Die Sieger von Sena, Gaius Nero und Marcus Livius, waeren der Aufgabe schon gewachsen gewesen, allein sie waren beide im hoechsten Grade unpopulaere Aristokraten; es war zweifelhaft, ob es gelingen wuerde, ihnen das Kommando zu verschaffen – so weit war man ja schon, dass die Tuechtigkeit allein nur in den Zeiten der Angst die Wahlen entschied -, und mehr als zweifelhaft, ob dies die Maenner waren, die dem erschoepften Volke neue Anstrengungen ansinnen durften. Da kam Publius Scipio aus Spanien zurueck, und der Liebling der Menge, der seine von ihr empfangene Aufgabe so glaenzend erfuellt hatte oder doch erfuellt zu haben schien, ward sogleich fuer das naechste Jahr zum Konsul gewaehlt. Er trat sein Amt an (549 205) mit dem festen Entschluss, die schon in Spanien entworfene afrikanische Expedition jetzt zu verwirklichen. Indes im Senat wollte nicht bloss die Partei der methodischen Kriegfuehrung von einer afrikanischen Expedition so lange nichts wissen, als Hannibal noch in Italien stand, sondern es war auch die Majoritaet dem jungen Feldherrn selbst keineswegs guenstig gesinnt. Seine griechische Eleganz und moderne Bildung und Gesinnung sagte den strengen und etwas baeurischen Vaetern der Stadt sehr wenig zu und gegen seine Kriegfuehrung in Spanien bestanden ebenso ernste Bedenken wie gegen seine Soldatenzucht. Wie begruendet der Vorwurf war, dass er gegen seine Korpschefs allzugrosse Nachsicht zeige, bewiesen sehr bald die Schaendlichkeiten, die Gaius Pleminius in Lokri veruebte, und die Scipio allerdings durch seine fahrlaessige Beaufsichtigung in der aergerlichsten Weise mittelbar mit verschuldet hatte. Dass bei den Verhandlungen im Senat ueber die Anordnung des afrikanischen Feldzugs und die Bestellung des Feldherrn dafuer der neue Konsul nicht uebel Lust bezeigte, wo immer Brauch und Verfassung mit seinen Privatabsichten in Konflikt gerieten, solche Hemmnisse beiseite zu schieben, und dass er sehr deutlich zu verstehen gab, wie er sich aeussersten Falls der Regierungsbehoerde gegenueber auf seinen Ruhm und seine Popularitaet bei dem Volke zu stuetzen gedenke, musste den Senat nicht bloss kraenken, sondern auch die ernstliche Besorgnis erwecken, ob ein solcher Oberfeldherr bei dem bevorstehenden Entscheidungskrieg und den etwaigen Friedensverhandlungen mit Karthago sich an die ihm gewordenen Instruktionen binden werde; eine Besorgnis, welche die eigenmaechtige Fuehrung der spanischen Expedition keineswegs zu beschwichtigen geeignet war. Indes bewies man auf beiden Seiten Einsicht genug, um es nicht zum Aeussersten kommen zu lassen. Auch der Senat konnte nicht verkennen, dass die afrikanische Expedition notwendig und es nicht weise war, dieselbe ins Unbestimmte hinauszuschieben; nicht verkennen, dass Scipio ein aeusserst faehiger Offizier und insofern zum Fuehrer eines solchen Krieges wohl geeignet war und dass, wenn einer, er es vermochte, vom Volke die Verlaengerung seines Oberbefehls so lange als noetig und die Aufbietung der letzten Kraefte zu erlangen. Die Majoritaet kam zu dem Entschluss, Scipio den gewuenschten Auftrag nicht zu versagen, nachdem derselbe zuvor die der hoechsten Regierungsbehoerde schuldige Ruecksicht wenigstens der Form nach beobachtet und im Voraus sich dem Beschluss des Senats unterworfen hatte. Scipio sollte dies Jahr nach Sizilien gehen, um den Bau der Flotte, die Herstellung des Belagerungsmaterials und die Bildung der Expeditionsarmee zu betreiben, und dann im naechsten Jahr in Afrika landen. Es ward ihm hierzu die sizilische Armee – noch immer jene beiden aus den Truemmern des cannensischen Heeres gebildeten Legionen – zur Disposition gestellt, da zur Deckung der Insel eine schwache Besatzung und die Flotte vollstaendig ausreichten, und ausserdem ihm gestattet, in Italien Freiwillige aufzubieten. Es war augenscheinlich, dass der Senat die Expedition nicht anordnete, sondern vielmehr geschehen liess; Scipio erhielt nicht die Haelfte der Mittel, die man einst Regulus zu Gebot gestellt hatte, und ueberdies eben dasjenige Korps, das seit Jahren vom Senat mit berechneter Zuruecksetzung behandelt worden war. Die afrikanische Armee war im Sinne der Majoritaet des Senats ein verlorener Posten von Strafkompanien und Volontaers, deren Untergang der Staat allenfalls verschmerzen konnte. Ein anderer Mann als Scipio haette vielleicht erklaert, dass die afrikanische Expedition entweder mit anderen Mitteln oder gar nicht unternommen werden muesse; allein Scipios Zuversicht ging auf die Bedingungen ein, wie sie immer waren, um nur zu dem heissersehnten Kommando zu gelangen. Sorgfaeltig vermied er, soweit es anging, das Volk unmittelbar zu belaestigen, um nicht der Popularitaet der Expedition zu schaden. Die Kosten derselben, namentlich die betraechtlichen des Flottenbaus, wurden teils beigeschafft durch eine sogenannte freiwillige Kontribution der etruskischen Staedte, das heisst durch eine den Arretinern und den sonstigen phoenikisch gesinnten Gemeinden zur Strafe auferlegte Kriegssteuer, teils auf die sizilischen Staedte gelegt; in vierzig Tagen war die Flotte segelfertig. Die Mannschaft verstaerkten Freiwillige, deren bis siebentausend aus allen Teilen Italiens dem Rufe des geliebten Offiziers folgten. So ging Scipio im Fruehjahr 550 (204) mit zwei starken Veteranenlegionen (etwa 30000 Mann), 40 Kriegs- und 400 Transportschiffen nach Afrika unter Segel und landete gluecklich, ohne den geringsten Widerstand zu finden, am Schoenen Vorgebirge in der Naehe von Utica. Die Karthager, die seit langem erwarteten, dass auf die Pluenderungszuege, welche die roemischen Geschwader in den letzten Jahren haeufig nach der afrikanischen Kueste gemacht hatten, ein ernstlicher Einfall folgen werde, hatten, um dessen sich zu erwehren, nicht bloss den italisch-makedonischen Krieg aufs neue in Gang zu bringen versucht, sondern auch daheim geruestet, um die Roemer zu empfangen. Es war gelungen, von den beiden rivalisierenden Berberkoenigen, Massinissa von Cirta (Constantine), dem Herrn der Massyler, und Syphax von Siga (an der Tafnamuendung, westlich von Oran), dem Herrn der Massaesyler, den letzteren, den bei weitem maechtigeren und bisher den Roemern befreundeten, durch Vertrag und Verschwaegerung eng an Karthago zu knuepfen, indem man den anderen, den alten Nebenbuhler des Syphax und Bundesgenossen der Karthager, fallen liess. Massinissa war nach verzweifelter Gegenwehr der vereinigten Macht der Karthager und des Syphax erlegen und hatte seine Laender dem letzteren zur Beute lassen muessen; er selbst irrte mit wenigen Reitern in der Wueste. Ausser dem Zuzug, der von Syphax zu erwarten war, stand ein karthagisches Heer von 20000 Mann zu Fuss, 6000 Reitern und 140 Elefanten – Hanno war eigens deshalb auf Elefantenjagd ausgeschickt worden – schlagfertig zum Schutz der Hauptstadt, unter der Fuehrung des in Spanien erprobten Feldherrn Hasdrubal, Gisgons Sohn; im Hafen lag eine starke Flotte. Ein makedonisches Korps unter Sopater und eine Sendung keltiberischer Soeldner wurden demnaechst erwartet.
Auf das Geruecht von Scipios Landung traf Massinissa sofort in dem Lager des Feldherrn ein, dem er vor nicht langem in Spanien als Feind gegenuebergestanden hatte; allein der laenderlose Fuerst brachte zunaechst den Roemern nichts als seine persoenliche Tuechtigkeit, und die Libyer, obwohl der Aushebungen und Steuern herzlich muede, hatten doch in aehnlichen Faellen zu bittere Erfahrungen gemacht, um sich sofort fuer die Roemer zu erklaeren. So begann Scipio den Feldzug. Solange er nur die schwaechere karthagische Armee gegen sich hatte, war er im Vorteil und konnte nach einigen gluecklichen Reitergefechten zur Belagerung von Utica schreiten; allein als Syphax eintraf, angeblich mit 50000 Mann zu Fuss und 10000 Reitern, musste die Belagerung aufgehoben und auf einem leicht zu verschanzenden Vorgebirg zwischen Utica und Karthago ein befestigtes Schiffslager geschlagen werden. Hier verging dem roemischen General der Winter 550/51 (204/03). Aus der ziemlich unbequemen Lage, in der das Fruehjahr ihn fand, befreite er sich durch einen gluecklichen Handstreich. Die Afrikaner, eingeschlaefert durch die von Scipio mehr listig als ehrlich angesponnenen Friedensverhandlungen, liessen sich in einer und derselben Nacht in ihren beiden Lagern ueberfallen: die Rohrhuetten der Numidier loderten in Flammen auf, und als die Karthager eilten zu helfen, traf ihr eigenes Lager dasselbe Schicksal; wehrlos wurden die Fluechtenden von den roemischen Abteilungen niedergemacht. Dieser naechtliche Ueberfall war verderblicher als manche Schlacht. Indes die Karthager liessen den Mut nicht sinken und verwarfen sogar den Rat der Furchtsamen, oder vielmehr der Verstaendigen, Mago und Hannibal zurueckzurufen. Eben jetzt waren die erwarteten keltiberischen und makedonischen Hilfstruppen angelangt; man beschloss, auf den “grossen Feldern”, fuenf Tagemaersche von Utica, noch einmal die offene Feldschlacht zu versuchen. Scipio eilte, sie anzunehmen; mit leichter Muehe zerstreuten seine Veteranen und Freiwilligen die zusammengerafften karthagischen und numidischen Schwaerme und auch die Keltiberer, die bei Scipio auf Gnade nicht rechnen durften, wurden nach hartnaeckiger Gegenwehr zusammengehauen. Die Afrikaner konnten nach dieser doppelten Niederlage nirgend mehr das Feld halten. Ein Angriff auf das roemische Schiffslager, den die karthagische Flotte versuchte, lieferte zwar kein unguenstiges, aber doch auch kein entscheidendes Resultat und ward weit aufgewogen durch die Gefangennahme des Syphax, die dem Scipio sein beispielloser Gluecksstern zuwarf und durch welche Massinissa das fuer die Roemer ward, was anfangs Syphax den Karthagern gewesen war. Nach solchen Niederlagen konnte die karthagische Friedenspartei, die seit sechzehn Jahren hatte schweigen muessen, wiederum ihr Haupt erheben und sich offen auflehnen gegen das Regiment der Barkas und der Patrioten. Hasdrubal, Gisgons Sohn, ward abwesend von der Regierung zum Tode verurteilt und ein Versuch gemacht, von Scipio Waffenstillstand und Frieden zu erlangen. Er forderte Abtretung der spanischen Besitzungen und der Inseln des Mittelmeeres, Uebergabe des Reiches des Syphax an Massinissa, Auslieferung der Kriegsschiffe bis auf zwanzig und eine Kriegskontribution von 4000 Talenten (fast 7 Mill. Taler) – Bedingungen, die fuer Karthago so beispiellos guenstig erscheinen, dass die Frage sich aufdraengt, ob sie Scipio mehr in seinem oder mehr in Roms Interesse anbot. Die karthagischen Bevollmaechtigten nahmen dieselben an unter Vorbehalt der Ratifikation ihrer Behoerden, und es ging eine karthagische Gesandtschaft deshalb nach Rom ab. Allein die karthagische Patriotenpartei war nicht gemeint, so leichten Kaufs auf den Kampf zu verzichten; der Glaube an die edle Sache, das Vertrauen auf den grossen Feldherrn, selbst das Beispiel, das Rom gegeben hatte, feuerten sie an auszuharren, auch davon abgesehen, dass der Friede notwendig die Gegenpartei ans Ruder und damit ihnen selbst den Untergang bringen musste. In der Buergerschaft hatte die Patriotenpartei das Uebergewicht; man beschloss, die Opposition ueber den Frieden verhandeln zu lassen und mittlerweile sich zu einer letzten und entscheidenden Anstrengung vorzubereiten. An Mago und an Hannibal erging der Befehl, schleunigst nach Afrika heimzukehren. Mago, der seit drei Jahren (459-551 205-203) daran arbeitete, in Norditalien eine Koalition gegen Rom ins Leben zu rufen, war eben damals im Gebiet der Insubrer (um Mailand) dem weit ueberlegenen roemischen Doppelheer unterlegen. Die roemische Reiterei war zum Weichen und das Fussvolk ins Gedraenge gebracht worden und der Sieg schien sich fuer die Karthager zu erklaeren, als der kuehne Angriff eines roemischen Trupps auf die feindlichen Elefanten und vor allem die schwere Verwundung des geliebten und faehigen Fuehrers das Glueck der Schlacht wandte: das phoenikische Heer musste an die ligurische Kueste zurueckweichen. Hier erhielt es den Befehl zur Einschiffung und vollzog ihn; Mago aber starb waehrend der Ueberfahrt an seiner Wunde. Hannibal waere dem Befehl wahrscheinlich zuvorgekommen, wenn nicht die letzten Verhandlungen mit Philipp ihm eine neue Aussicht dargeboten haetten, seinem Vaterland in Italien nuetzlicher sein zu koennen als in Libyen; als er in Kroton, wo er in der letzten Zeit gestanden hatte, ihn empfing, saeumte er nicht, ihm nachzukommen. Er liess seine Pferde niederstossen sowie die italischen Soldaten, die sich weigerten, ihm ueber das Meer zu folgen, und bestieg die auf der Rede von Kroton laengst in Bereitschaft stehenden Transportschiffe. Die roemischen Buerger atmeten auf, da der gewaltige libysche Loewe, den zum Abzug zu zwingen selbst jetzt noch niemand sich getraute, also freiwillig dem italischen Boden den Ruecken wandte; bei diesem Anlass ward dem einzigen ueberlebenden unter den roemischen Feldherren, welche die schwere Zeit mit Ehren bestanden hatten, dem fast neunzigjaehrigen Quintus Fabius von Rat und Buergerschaft der Graskranz verehrt. Dieser Kranz, welchen nach roemischer Sitte das durch den Feldherrn gerettete Heer seinem Retter darbrachte, von der ganzen Gemeinde zu empfangen, war die hoechste Auszeichnung, die einem roemischen Buerger je zuteil geworden ist, und der letzte Ehrenschmuck des alten Feldherrn, der noch in demselben Jahre aus dem Leben schied (551 203). Hannibal aber gelangte, ohne Zweifel nicht unter dem Schutz des Waffenstillstandes, sondern allein durch seine Schnelligkeit und sein Glueck, ungehindert nach Leptis und betrat, der letzte von Hamilkars “Loewenbrut”, hier abermals nach sechsunddreissigjaehriger Abwesenheit den Boden der Heimat, die er, fast noch ein Knabe, verlassen hatte, um seine grossartige und doch so durchaus vergebliche Heldenlaufbahn zu beginnen und westwaerts ausziehend von Osten her heimzukehren, rings um die karthagische See einen weiten Siegeskreis beschreibend. Jetzt, wo geschehen war, was er hatte verhueten wollen und was er verhuetet haette, wenn er gedurft, jetzt sollte er, wenn moeglich, retten und helfen; und er tat es, ohne zu klagen und zu schelten. Mit seiner Ankunft trat die Patriotenpartei offen auf; das schaendliche Urteil gegen Hasdrubal ward kassiert, neue Verbindungen mit den numidischen Scheichs durch Hannibals Gewandtheit angeknuepft und nicht bloss dem tatsaechlich abgeschlossenen Frieden in der Volksversammlung die Bestaetigung verweigert, sondern auch durch die Pluenderung einer an der afrikanischen Kueste gestrandeten roemischen Transportflotte, ja sogar durch den ueberfall eines roemische Gesandte fuehrenden roemischen Kriegsschiffs der Waffenstillstand gebrochen. In gerechter Erbitterung brach Scipio aus seinem Lager bei Tunis auf (552 202) und durchzog das reiche Tal des Bagradas (Medscherda), indem er den Ortschaften keine Kapitulation mehr gewaehrte, sondern die Einwohnerschaften der Flecken und Staedte in Masse aufgreifen und verkaufen liess. Schon war er tief ins Binnenland eingedrungen und stand bei Naraggara (westlich von Sicca, jetzt el Kef, an der Grenze von Tunis und Algier), als Hannibal, der ihm von Hadrumetum aus entgegengezogen war, mit ihm zusammentraf. Der karthagische Feldherr versuchte von dem roemischen in einer persoenlichen Zusammenkunft bessere Bedingungen zu erlangen; allein Scipio, der schon bis an die aeusserste Grenze der Zugestaendnisse gegangen war, konnte nach dem Bruch des Waffenstillstandes unmoeglich zu weiterer Nachgiebigkeit sich verstehen, und es ist nicht glaublich, dass Hannibal bei diesem Schritt etwas anderes bezweckte, als der Menge zu zeigen, dass die Patrioten keineswegs unbedingt gegen den Frieden seien. Die Konferenz fuehrte zu keinem Ergebnis und so kam es zu der Entscheidungsschlacht bei Zama (vermutlich unweit Sicca) ^1. In drei Linien ordnete Hannibal sein Fussvolk: in das erste Glied die karthagischen Mietstruppen, in das zweite die afrikanische Land- und die phoenikische Buergerwehr nebst dem makedonischen Korps, in das dritte die Veteranen, die ihm aus Italien gefolgt waren. Vor der Linie standen die achtzig Elefanten, die Reiter auf den Fluegeln. Scipio stellte gleichfalls seine Legionen in drei Glieder, wie die Roemer pflegten, und ordnete sie so, dass die Elefanten durch und neben der Linie weg ausbrechen konnten, ohne sie zu sprengen. Dies gelang nicht bloss vollstaendig, sondern die seitwaerts ausweichenden Elefanten brachten auch die karthagischen Reiterfluegel in Unordnung, so dass gegen diese Scipios Reiterei, die ueberdies durch das Eintreffen von Massinissas Scharen dem Feinde weit ueberlegen war, leichtes Spiel hatte und bald in vollem Nachsetzen begriffen war. Ernster war der Kampf des Fussvolks. Lange stand das Gefecht zwischen den beiderseitigen ersten Gliedern; in dem aeusserst blutigen Handgemenge gerieten endlich beide Teile in Verwirrung und mussten an den zweiten Gliedern einen Halt suchen. Die Roemer fanden ihn; die karthagische Miliz aber zeigte sich so unsicher und schwankend, dass sich die Soeldner verraten glaubten und es zwischen ihnen und der karthagischen Buergerwehr zum Handgemenge kam. Indes Hannibal zog eilig, was von den beiden ersten Linien noch uebrig war, auf die Fluegel zurueck und schob seine italischen Kerntruppen auf der ganzen Linie vor. Scipio draengte dagegen in der Mitte zusammen, was von der ersten Linie noch kampffaehig war und liess das zweite und dritte Glied rechts und links an das erste sich anschliessen. Abermals begann auf derselben Walstatt ein zweites, noch fuerchterlicheres Gemetzel; Hannibals alte Soldaten wankten nicht trotz der Ueberzahl der Feinde, bis die Reiterei der Roemer und des Massinissa, von der Verfolgung der geschlagenen feindlichen zurueckkehrend, sie von allen Seiten umringte. Damit war nicht bloss der Kampf zu Ende, sondern das phoenikische Heer vernichtet; dieselben Soldaten, die vierzehn Jahre zuvor bei Cannae gewichen waren, hatten ihren Ueberwindern bei Zama vergolten. Mit einer Handvoll Leute gelangte Hannibal fluechtig nach Hadrumetum. ——————————————————- ^1 Von den beiden diesen Namen fuehrenden Orten ist wahrscheinlich der westlichere, etwa 60 Miglien westlich von Hadrumetum gelegene, derjenige der Schlacht (vgl. Hermes 20, 1885, S. 144, 318). Die Zeit ist der Fruehling oder Sommer des Jahres 552 (202); die Bestimmung des Tages auf den 19. Oktober wegen der angeblichen Sonnenfinsternis ist nichtig. —————————————————— Nach diesem Tage konnte auf karthagischer Seite nur der Unverstand zur Fortsetzung des Krieges raten. Dagegen lag es in der Hand des roemischen Feldherrn, sofort die Belagerung der Hauptstadt zu beginnen, die weder gedeckt noch verproviantiert war, und, wenn nicht unberechenbare Zwischenfaelle eintraten, das Schicksal, welches Hannibal ueber Rom hatte bringen wollen, jetzt ueber Karthago walten zu lassen. Scipio hat es nicht getan; er gewaehrte den Frieden (553 201), freilich nicht mehr auf die frueheren Bedingungen. Ausser den Abtretungen, die schon bei den letzen Verhandlungen fuer Rom wie fuer Massinissa gefordert worden waren, wurde den Karthagern auf fuenfzig Jahre eine jaehrliche Kontribution von 200 Talenten (340000 Taler) aufgelegt und mussten sie sich anheischig machen, nicht gegen Rom oder seine Verbuendeten und ueberhaupt ausserhalb Afrika gar nicht, in Afrika ausserhalb ihres eigenen Gebietes nur