Wilhelm Meisters Lehrjahre–Buch 1 by Johann Wolfgang von Goethe

This etext was prepared by Michael Pullen, globaltraveler5565@yahoo.com. Wilhelm Meisters Lehrjahre–Buch 1 Johann Wolfgang von Goethe Erstes Buch Erstes Kapitel Das Schauspiel dauerte sehr lange. Die alte Barbara trat einigemal ans Fenster und horchte, ob die Kutschen nicht rasseln wollten. Sie erwartete Marianen, ihre schˆne Gebieterin, die heute im Nachspiele, als junger Offizier gekleidet, das
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This etext was prepared by Michael Pullen, globaltraveler5565@yahoo.com.

Wilhelm Meisters Lehrjahre–Buch 1

Johann Wolfgang von Goethe

Erstes Buch

Erstes Kapitel

Das Schauspiel dauerte sehr lange. Die alte Barbara trat einigemal ans Fenster und horchte, ob die Kutschen nicht rasseln wollten. Sie erwartete Marianen, ihre schˆne Gebieterin, die heute im Nachspiele, als junger Offizier gekleidet, das Publikum entz¸ckte, mit grˆflerer Ungeduld als sonst, wenn sie ihr nur ein m‰fliges Abendessen vorzusetzen hatte; diesmal sollte sie mit einem Paket ¸berrascht werden, das Norberg, ein junger, reicher Kaufmann, mit der Post geschickt hatte, um zu zeigen, dafl er auch in der Entfernung seiner Geliebten gedenke.

Barbara war als alte Dienerin, Vertraute, Ratgeberin, Unterh‰ndlerin und Haush‰lterin in Besitz des Rechtes, die Siegel zu erˆffnen, und auch diesen Abend konnte sie ihrer Neugierde um so weniger widerstehen, als ihr die Gunst des freigebigen Liebhabers mehr als selbst Marianen am Herzen lag. Zu ihrer grˆflten Freude hatte sie in dem Paket ein feines St¸ck Nesseltuch und die neuesten B‰nder f¸r Marianen, f¸r sich aber ein St¸ck Kattun, Halst¸cher und ein Rˆllchen Geld gefunden. Mit welcher Neigung, welcher Dankbarkeit erinnerte sie sich des abwesenden Norbergs! Wie lebhaft nahm sie sich vor, auch bei Marianen seiner im besten zu gedenken, sie zu erinnern, was sie ihm schuldig sei und was er von ihrer Treue hoffen und erwarten m¸sse.

Das Nesseltuch, durch die Farbe der halbaufgerollten B‰nder belebt, lag wie ein Christgeschenk auf dem Tischchen; die Stellung der Lichter erhˆhte den Glanz der Gabe, alles war in Ordnung, als die Alte den Tritt Marianens auf der Treppe vernahm und ihr entgegeneilte. Aber wie sehr verwundert trat sie zur¸ck, als das weibliche Offizierchen, ohne auf die Liebkosungen zu achten, sich an ihr vorbeidr‰ngte, mit ungewˆhnlicher Hast und Bewegung in das Zimmer trat, Federhut und Degen auf den Tisch warf, unruhig auf und nieder ging und den feierlich angez¸ndeten Lichtern keinen Blick gˆnnte.

“Was hast du, Liebchen?” rief die Alte verwundert aus. “Um ‘s Himmels willen, Tˆchterchen, was gibt’s? Sieh hier diese Geschenke! Von wem kˆnnen sie sein, als von deinem z‰rtlichsten Freunde? Norberg schickt dir das St¸ck Musselin zum Nachtkleide; bald ist er selbst da; er scheint mir eifriger und freigebiger als jemals.”

Die Alte kehrte sich um und wollte die Gaben, womit er auch sie bedacht, vorweisen, als Mariane, sich von den Geschenken wegwendend, mit Leidenschaft ausrief: “Fort! Fort! heute will ich nichts von allem diesen hˆren; ich habe dir gehorcht, du hast es gewollt, es sei so! Wenn Norberg zur¸ckkehrt, bin ich wieder sein, bin ich dein, mache mit mir, was du willst, aber bis dahin will ich mein sein, und h‰ttest du tausend Zungen, du solltest mir meinen Vorsatz nicht ausreden. Dieses ganze Mein will ich dem geben, der mich liebt und den ich liebe. Keine Gesichter! Ich will mich dieser Leidenschaft ¸berlassen, als wenn sie ewig dauern sollte.”

Der Alten fehlte es nicht an Gegenvorstellungen und Gr¸nden; doch da sie in fernerem Wortwechsel heftig und bitter ward, sprang Mariane auf sie los und faflte sie bei der Brust. Die Alte lachte ¸berlaut. “Ich werde sorgen m¸ssen”, rief sie aus, “dafl sie wieder bald in lange Kleider kommt, wenn ich meines Lebens sicher sein will. Fort, zieht Euch aus! Ich hoffe, das M‰dchen wird mir abbitten, was mir der fl¸chtige Junker Leids zugef¸gt hat; herunter mit dem Rock und immer so fort alles herunter! Es ist eine unbequeme Tracht, und f¸r Euch gef‰hrlich, wie ich merke. Die Achselb‰nder begeistern Euch.”

Die Alte hatte Hand an sie gelegt, Mariane rifl sich los. “Nicht so geschwind!” rief sie aus, “ich habe noch heute Besuch zu erwarten.”

“Das ist nicht gut”, versetzte die Alte. “Doch nicht den jungen, z‰rtlichen, unbefiederten Kaufmannssohn?”–“Eben den”, versetzte Mariane.

“Es scheint, als wenn die Groflmut Eure herrschende Leidenschaft werden wollte”, erwiderte die Alte spottend; “Ihr nehmt Euch der Unm¸ndigen, der Unvermˆgenden mit groflem Eifer an. Es mufl reizend sein, als uneigenn¸tzige Geberin angebetet zu werden.”

“Spotte, wie du willst. Ich lieb ihn! ich lieb ihn! Mit welchem Entz¸cken sprech ich zum erstenmal diese Worte aus! Das ist diese Leidenschaft, die ich so oft vorgestellt habe, von der ich keinen Begriff hatte. Ja, ich will mich ihm um den Hals werfen! ich will ihn fassen, als wenn ich ihn ewig halten wollte. Ich will ihm meine ganze Liebe zeigen, seine Liebe in ihrem ganzen Umfang genieflen.”

“M‰fligt Euch”, sagte die Alte gelassen, “m‰fligt Euch! Ich mufl Eure Freude durch ein Wort unterbrechen: Norberg kommt! in vierzehn Tagen kommt er! Hier ist sein Brief, der die Geschenke begleitet hat.”

“Und wenn mir die Morgensonne meinen Freund rauben sollte, will ich mir’s verbergen. Vierzehn Tage! Welche Ewigkeit! In vierzehn Tagen, was kann da nicht vorfallen, was kann sich da nicht ver‰ndern!”

Wilhelm trat herein. Mit welcher Lebhaftigkeit flog sie ihm entgegen! mit welchem Entz¸cken umschlang er die rote Uniform! dr¸ckte er das weifle Atlaswestchen an seine Brust! Wer wagte hier zu beschreiben, wem geziemt es, die Seligkeit zweier Liebenden auszusprechen! Die Alte ging murrend beiseite, wir entfernen uns mit ihr und lassen die Gl¸cklichen allein.

I. Buch, 2. Kapitel

Zweites Kapitel

Als Wilhelm seine Mutter des andern Morgens begr¸flte, erˆffnete sie ihm, dafl der Vater sehr verdriefllich sei und ihm den t‰glichen Besuch des Schauspiels n‰chstens untersagen werde. “Wenn ich gleich selbst”, fuhr sie fort, “manchmal gern ins Theater gehe, so mˆchte ich es doch oft verw¸nschen, da meine h‰usliche Ruhe durch deine unm‰flige Leidenschaft zu diesem Vergn¸gen gestˆrt wird. Der Vater wiederholt immer wozu es nur n¸tze sei? Wie man seine Zeit nur so verderben kˆnne?”

“Ich habe es auch schon von ihm hˆren m¸ssen”, versetzte Wilhelm, “und habe ihm vielleicht zu hastig geantwortet; aber um ‘s Himmels willen, Mutter! ist denn alles unn¸tz, was uns nicht unmittelbar Geld in den Beutel bringt, was uns nicht den allern‰chsten Besitz verschafft? Hatten wir in dem alten Hause nicht Raum genug? und war es nˆtig, ein neues zu bauen? Verwendet der Vater nicht j‰hrlich einen ansehnlichen Teil seines Handelsgewinnes zur Verschˆnerung der Zimmer? Diese seidenen Tapeten, diese englischen Mobilien, sind sie nicht auch unn¸tz? Kˆnnten wir uns nicht mit geringeren begn¸gen? Wenigstens bekenne ich, dafl mir diese gestreiften W‰nde, diese hundertmal wiederholten Blumen, Schnˆrkel, Kˆrbchen und Figuren einen durchaus unangenehmen Eindruck machen. Sie kommen mir hˆchstens vor wie unser Theatervorhang. Aber wie anders ist’s, vor diesem zu sitzen! Wenn man noch so lange warten mufl, so weifl man doch, er wird in die Hˆhe gehen, und wir werden die mannigfaltigsten Gegenst‰nde sehen, die uns unterhalten, aufkl‰ren und erheben.”

“Mach es nur m‰flig”, sagte die Mutter, “der Vater will auch abends unterhalten sein; und dann glaubt er, es zerstreue dich, und am Ende trag ich, wenn er verdriefllich wird, die Schuld. Wie oft muflte ich mir das verw¸nschte Puppenspiel vorwerfen lassen, das ich euch vor zwˆlf Jahren zum Heiligen Christ gab und das euch zuerst Geschmack am Schauspiele beibrachte!”

“Schelten Sie das Puppenspiel nicht, lassen Sie sich Ihre Liebe und Vorsorge nicht gereuen! Es waren die ersten vergn¸gten Augenblicke, die ich in dem neuen, leeren Hause genofl; ich sehe es diesen Augenblick noch vor mir, ich weifl, wie sonderbar es mir vorkam, als man uns, nach Empfang der gewˆhnlichen Christgeschenke, vor einer T¸re niedersetzen hiefl, die aus einem andern Zimmer hereinging. Sie erˆffnete sich; allein nicht wie sonst zum Hin- und Widerlaufen, der Eingang war durch eine unerwartete Festlichkeit ausgef¸llt. Es baute sich ein Portal in die Hˆhe, das von einem mystischen Vorhang verdeckt war. Erst standen wir alle von ferne, und wie unsere Neugierde grˆfler ward, um zu sehen, was wohl Blinkendes und Rasselndes sich hinter der halb durchsichtigen H¸lle verbergen mˆchte, wies man jedem sein St¸hlchen an und gebot uns, in Geduld zu warten.

So safl nun alles und war still; eine Pfeife gab das Signal, der Vorhang rollte in die Hˆhe und zeigte eine hochrot gemalte Aussicht in den Tempel. Der Hohepriester Samuel erschien mit Jonathan, und ihre wechselnden wunderlichen Stimmen kamen mir hˆchst ehrw¸rdig vor. Kurz darauf betrat Saul die Szene, in grofler Verlegenheit ¸ber die Impertinenz des schwerlˆtigen Kriegers, der ihn und die Seinigen herausgefordert hatte. Wie wohl ward es mir daher, als der zwerggestaltete Sohn Isai mit Sch‰ferstab, Hirtentasche und Schleuder hervorh¸pfte und sprach: “Groflm‰chtigster Kˆnig und Herr! es entfalle keinem der Mut um deswillen; wenn Ihre Majest‰t mir erlauben wollen, so will ich hingehen und mit dem gewaltigen Riesen in den Streit treten.”–Der erste Akt war geendet und die Zuschauer hˆchst begierig zu sehen, was nun weiter vorgehen sollte; jedes w¸nschte, die Musik mˆchte nur bald aufhˆren. Endlich ging der Vorhang wieder in die Hˆhe. David weihte das Fleisch des Ungeheuers den Vˆgeln unter dem Himmel und den Tieren auf dem Felde; der Philister sprach Hohn, stampfte viel mit beiden F¸flen, fiel endlich wie ein Klotz und gab der ganzen Sache einen herrlichen Ausschlag. Wie dann nachher die Jungfrauen sangen: “Saul hat tausend geschlagen, David aber zehntausend!”, der Kopf des Riesen vor dem kleinen ‹berwinder hergetragen wurde und er die schˆne Kˆnigstochter zur Gemahlin erhielt, verdrofl es mich doch bei aller Freude, dafl der Gl¸cksprinz so zwergm‰flig gebildet sei. Denn nach der Idee vom groflen Goliath und kleinen David hatte man nicht verfehlt, beide recht charakteristisch zu machen. Ich bitte Sie, wo sind die Puppen hingekommen? Ich habe versprochen, sie einem Freunde zu zeigen, dem ich viel Vergn¸gen machte, indem ich ihn neulich von diesem Kinderspiel unterhielt.”

“Es wundert mich nicht, dafl du dich dieser Dinge so lebhaft erinnerst: denn du nahmst gleich den grˆflten Anteil daran. Ich weifl, wie du mir das B¸chlein entwendetest und das ganze St¸ck auswendig lerntest; ich wurde es erst gewahr, als du eines Abends dir einen Goliath und David von Wachs machtest, sie beide gegeneinander perorieren lieflest, dem Riesen endlich einen Stofl gabst und sein unfˆrmliches Haupt auf einer groflen Stecknadel mit w‰chsernem Griff dem kleinen David in die Hand klebtest. Ich hatte damals so eine herzliche m¸tterliche Freude ¸ber dein gutes Ged‰chtnis und deine pathetische Rede, dafl ich mir sogleich vornahm, dir die hˆlzerne Truppe nun selbst zu ¸bergeben. Ich dachte damals nicht, dafl es mir so manche verdrieflliche Stunde machen sollte.”

“Lassen Sie sich’s nicht gereuen”, versetzte Wilhelm; “denn es haben uns diese Scherze manche vergn¸gte Stunde gemacht.”

Und mit diesem erbat er sich die Schl¸ssel, eilte, fand die Puppen und war einen Augenblick in jene Zeiten versetzt, wo sie ihm noch belebt schienen, wo er sie durch die Lebhaftigkeit seiner Stimme, durch die Bewegung seiner H‰nde zu beleben glaubte. Er nahm sie mit auf seine Stube und verwahrte sie sorgf‰ltig.

I. Buch, 3. Kapitel

Drittes Kapitel

Wenn die erste Liebe, wie ich allgemein behaupten hˆre, das Schˆnste ist, was ein Herz fr¸her oder sp‰ter empfinden kann, so m¸ssen wir unsern Helden dreifach gl¸cklich preisen, dafl ihm gegˆnnt ward, die Wonne dieser einzigen Augenblicke in ihrem ganzen Umfange zu genieflen. Nur wenig Menschen werden so vorz¸glich beg¸nstigt, indes die meisten von ihren fr¸hern Empfindungen nur durch eine harte Schule gef¸hrt werden, in welcher sie, nach einem k¸mmerlichen Genufl, gezwungen sind, ihren besten W¸nschen entsagen und das, was ihnen als hˆchste Gl¸ckseligkeit vorschwebte, f¸r immer entbehren zu lernen.

Auf den Fl¸geln der Einbildungskraft hatte sich Wilhelms Begierde zu dem reizenden M‰dchen erhoben; nach einem kurzen Umgange hatte er ihre Neigung gewonnen, er fand sich im Besitz einer Person, die er so sehr liebte, ja verehrte: denn sie war ihm zuerst in dem g¸nstigen Lichte theatralischer Vorstellung erschienen, und seine Leidenschaft zur B¸hne verband sich mit der ersten Liebe zu einem weiblichen Geschˆpfe. Seine Jugend liefl ihn reiche Freuden genieflen, die von einer lebhaften Dichtung erhˆht und erhalten wurden. Auch der Zustand seiner Geliebten gab ihrem Betragen eine Stimmung, welche seinen Empfindungen sehr zu H¸lfe kam; die Furcht, ihr Geliebter mˆchte ihre ¸brigen Verh‰ltnisse vor der Zeit entdecken, verbreitete ¸ber sie einen liebensw¸rdigen Anschein von Sorge und Scham, ihre Leidenschaft f¸r ihn war lebhaft, selbst ihre Unruhe schien ihre Z‰rtlichkeit zu vermehren; sie war das lieblichste Geschˆpf in seinen Armen.

Als er aus dem ersten Taumel der Freude erwachte und auf sein Leben und seine Verh‰ltnisse zur¸ckblickte, erschien ihm alles neu, seine Pflichten heiliger, seine Liebhabereien lebhafter, seine Kenntnisse deutlicher, seine Talente kr‰ftiger, seine Vors‰tze entschiedener. Es ward ihm daher leicht, eine Einrichtung zu treffen, um den Vorw¸rfen seines Vaters zu entgehen, seine Mutter zu beruhigen und Marianens Liebe ungestˆrt zu genieflen. Er verrichtete des Tags seine Gesch‰fte p¸nktlich, entsagte gewˆhnlich dem Schauspiel, war abends bei Tische unterhaltend und schlich, wenn alles zu Bette war, in seinen Mantel geh¸llt, sachte zu dem Garten hinaus und eilte, alle Lindors und Leanders im Busen, unaufhaltsam zu seiner Geliebten.

“Was bringen Sie?” fragte Mariane, als er eines Abends ein B¸ndel hervorwies, das die Alte in Hoffnung angenehmer Geschenke sehr aufmerksam betrachtete. “Sie werden es nicht erraten”, versetzte Wilhelm.

Wie verwunderte sich Mariane, wie entsetzte sich Barbara, als die aufgebundene Serviette einen verworrenen Haufen spannenlanger Puppen sehen liefl. Mariane lachte laut, als Wilhelm die verworrenen Dr‰hte auseinanderzuwickeln und jede Figur einzeln vorzuzeigen bem¸ht war. Die Alte schlich verdriefllich beiseite.

Es bedarf nur einer Kleinigkeit, um zwei Liebende zu unterhalten, und so vergn¸gten sich unsre Freunde diesen Abend aufs beste. Die kleine Truppe wurde gemustert, jede Figur genau betrachtet und belacht. Kˆnig Saul im schwarzen Samtrocke mit der goldenen Krone wollte Marianen gar nicht gefallen; er sehe ihr, sagte sie, zu steif und pedantisch aus. Desto besser behagte ihr Jonathan, sein glattes Kinn, sein gelb und rotes Kleid und der Turban. Auch wuflte sie ihn gar artig am Drahte hin und her zu drehen, liefl ihn Reverenzen machen und Liebeserkl‰rungen hersagen. Dagegen wollte sie dem Propheten Samuel nicht die mindeste Aufmerksamkeit schenken, wenn ihr gleich Wilhelm das Brustschildchen anpries und erz‰hlte, dafl der Schillertaft des Leibrocks von einem alten Kleide der Groflmutter genommen sei. David war ihr zu klein und Goliath zu grofl; sie hielt sich an ihren Jonathan. Sie wuflte ihm so artig zu tun und zuletzt ihre Liebkosungen von der Puppe auf unsern Freund her¸berzutragen, dafl auch diesmal wieder ein geringes Spiel die Einleitung gl¸cklicher Stunden ward.

Aus der S¸fligkeit ihrer z‰rtlichen Tr‰ume wurden sie durch einen L‰rm geweckt, welcher auf der Strafle entstand. Mariane rief der Alten, die, nach ihrer Gewohnheit noch fleiflig, die ver‰nderlichen Materialien der Theatergarderobe zum Gebrauch des n‰chsten St¸ckes anzupassen besch‰ftigt war. Sie gab die Auskunft, dafl eben eine Gesellschaft lustiger Gesellen aus dem Italienerkeller nebenan heraustaumle, wo sie bei frischen Austern, die eben angekommen, des Champagners nicht geschont h‰tten.

“Schade”, sagte Mariane, “dafl es uns nicht fr¸her eingefallen ist, wir h‰tten uns auch was zugute tun sollen.”

“Es ist wohl noch Zeit”, versetzte Wilhelm und reichte der Alten einen Louisdor hin. “Verschafft Sie uns, was wir w¸nschen, so soll Sie’s mit genieflen.”

Die Alte war behend, und in kurzer Zeit stand ein artig bestellter Tisch mit einer wohlgeordneten Kollation vor den Liebenden. Die Alte muflte sich dazusetzen; man afl, trank und liefl sich’s wohl sein.

In solchen F‰llen fehlt es nie an Unterhaltung. Mariane nahm ihren Jonathan wieder vor, und die Alte wuflte das Gespr‰ch auf Wilhelms Lieblingsmaterie zu wenden. “Sie haben uns schon einmal”, sagte sie, “von der ersten Auff¸hrung eines Puppenspiels am Weihnachtsabend unterhalten; es war lustig zu hˆren. Sie wurden eben unterbrochen, als das Ballett angehen sollte. Nun kennen wir das herrliche Personal, das jene groflen Wirkungen hervorbrachte.”

“Ja”, sagte Mariane, “erz‰hle uns weiter, wie war dir’s zumute?”

“Es ist eine schˆne Empfindung, liebe Mariane”, versetzte Wilhelm, “wenn wir uns alter Zeiten und alter unsch‰dlicher Irrt¸mer erinnern, besonders wenn es in einem Augenblick geschieht, da wir eine Hˆhe gl¸cklich erreicht haben, von welcher wir uns umsehen und den zur¸ckgelegten Weg ¸berschauen kˆnnen. Es ist so angenehm, selbstzufrieden sich mancher Hindernisse zu erinnern, die wir oft mit einem peinlichen Gef¸hle f¸r un¸berwindlich hielten, und dasjenige, was wir jetzt entwickelt sind, mit dem zu vergleichen, was wir damals unentwickelt waren. Aber unaussprechlich gl¸cklich f¸hl ich mich jetzt, da ich in diesem Augenblicke mit dir von dem Vergangnen rede, weil ich zugleich vorw‰rts in das reizende Land schaue, das wir zusammen Hand in Hand durchwandern kˆnnen.”

“Wie war es mit dem Ballett?” fiel die Alte ihm ein. “Ich f¸rchte, es ist nicht alles abgelaufen, wie es sollte.”

“O ja”, versetzte Wilhelm, “sehr gut! Von jenen wunderlichen Spr¸ngen der Mohren und Mohrinnen, Sch‰fer und Sch‰ferinnen, Zwerge und Zwerginnen ist mir eine dunkle Erinnerung auf mein ganzes Leben geblieben. Nun fiel der Vorhang, die T¸re schlofl sich, und die ganze kleine Gesellschaft eilte wie betrunken und taumelnd zu Bette; ich weifl aber wohl, dafl ich nicht einschlafen konnte, dafl ich noch etwas erz‰hlt haben wollte, dafl ich noch viele Fragen tat und dafl ich nur ungern die W‰rterin entliefl, die uns zur Ruhe gebracht hatte.

Den andern Morgen war leider das magische Ger¸ste wieder verschwunden, der mystische Schleier weggehoben, man ging durch jene T¸re wieder frei aus einer Stube in die andere, und so viel Abenteuer hatten keine Spur zur¸ckgelassen. Meine Geschwister liefen mit ihren Spielsachen auf und ab, ich allein schlich hin und her, es schien mir unmˆglich, dafl da nur zwo T¸rpfosten sein sollten, wo gestern so viel Zauberei gewesen war. Ach, wer eine verlorne Liebe sucht, kann nicht ungl¸cklicher sein, als ich mir damals schien!”

Ein freudetrunkner Blick, den er auf Marianen warf, ¸berzeugte sie, dafl er nicht f¸rchtete, jemals in diesen Fall kommen zu kˆnnen.

I. Buch, 4. Kapitel

Viertes Kapitel

“Mein einziger Wunsch war nunmehr”, fuhr Wilhelm fort, “eine zweite Auff¸hrung des St¸cks zu sehen. Ich lag der Mutter an, und diese suchte zu einer gelegenen Stunde den Vater zu bereden; allein ihre M¸he war vergebens. Er behauptete, nur ein seltenes Vergn¸gen kˆnne bei den Menschen einen Wert haben, Kinder und Alte w¸flten nicht zu sch‰tzen, was ihnen Gutes t‰glich begegnete.

Wir h‰tten auch noch lange, vielleicht bis wieder Weihnachten, warten m¸ssen, h‰tte nicht der Erbauer und heimliche Direktor des Schauspiels selbst Lust gef¸hlt, die Vorstellung zu wiederholen und dabei in einem Nachspiele einen ganz frisch fertig gewordenen Hanswurst zu produzieren.

Ein junger Mann von der Artillerie, mit vielen Talenten begabt, besonders in mechanischen Arbeiten geschickt, der dem Vater w‰hrend des Bauens viele wesentliche Dienste geleistet hatte und von ihm reichlich beschenkt worden war, wollte sich am Christfeste der kleinen Familie dankbar erzeigen und machte dem Hause seines Gˆnners ein Geschenk mit diesem ganz eingerichteten Theater, das er ehmals in m¸fligen Stunden zusammengebaut, geschnitzt und gemalt hatte. Er war es, der mit H¸lfe eines Bedienten selbst die Puppen regierte und mit verstellter Stimme die verschiedenen Rollen hersagte. Ihm ward nicht schwer, den Vater zu bereden, der einem Freunde aus Gef‰lligkeit zugestand, was er seinen Kindern aus ‹berzeugung abgeschlagen hatte. Genug, das Theater ward wieder aufgestellt, einige Nachbarskinder gebeten und das St¸ck wiederholt.

Hatte ich das erstemal die Freude der ‹berraschung und des Staunens, so war zum zweiten Male die Wollust des Aufmerkens und Forschens grofl. Wie das zugehe, war jetzt mein Anliegen. Dafl die Puppen nicht selbst redeten, hatte ich mir schon das erstemal gesagt; dafl sie sich nicht von selbst bewegten, vermutete ich auch; aber warum das alles doch so h¸bsch war und es doch so aussah, als wenn sie selbst redeten und sich bewegten, und wo die Lichter und die Leute sein mˆchten, diese R‰tsel beunruhigten mich um desto mehr, je mehr ich w¸nschte, zugleich unter den Bezauberten und Zauberern zu sein, zugleich meine H‰nde verdeckt im Spiel zu haben und als Zuschauer die Freude der Illusion zu genieflen.

Das St¸ck war zu Ende, man machte Vorbereitungen zum Nachspiel, die Zuschauer waren aufgestanden und schwatzten durcheinander. Ich dr‰ngte mich n‰her an die T¸re und hˆrte inwendig am Klappern, dafl man mit Aufr‰umen besch‰ftigt sei. Ich hub den untern Teppich auf und guckte zwischen dem Gestelle durch. Meine Mutter bemerkte es und zog mich zur¸ck; allein ich hatte doch soviel gesehen, dafl man Freunde und Feinde, Saul und Goliath und wie sie alle heiflen mochten, in einen Schiebkasten packte, und so erhielt meine halbbefriedigte Neugierde frische Nahrung. Dabei hatte ich zu meinem grˆflten Erstaunen den Lieutenant im Heiligtume sehr gesch‰ftig erblickt. Nunmehr konnte mich der Hanswurst, sosehr er mit seinen Abs‰tzen klapperte, nicht unterhalten. Ich verlor mich in tiefes Nachdenken und war nach dieser Entdeckung ruhiger und unruhiger als vorher. Nachdem ich etwas erfahren hatte, kam es mir erst vor, als ob ich gar nichts wisse, und ich hatte recht: denn es fehlte mir der Zusammenhang, und darauf kommt doch eigentlich alles an.”

I. Buch, 5. Kapitel

F¸nftes Kapitel

“Die Kinder haben”, fuhr Wilhelm fort, “in wohleingerichteten und geordneten H‰usern eine Empfindung, wie ungef‰hr Ratten und M‰use haben mˆgen: sie sind aufmerksam auf alle Ritzen und Lˆcher, wo sie zu einem verbotenen Naschwerk gelangen kˆnnen; sie genieflen es mit einer solchen verstohlnen, woll¸stigen Furcht, die einen groflen Teil des kindischen Gl¸cks ausmacht.

Ich war vor allen meinen Geschwistern aufmerksam, wenn irgend ein Schl¸ssel steckenblieb. Je grˆfler die Ehrfurcht war, die ich f¸r die verschlossenen T¸ren in meinem Herzen herumtrug, an denen ich wochen- und monatelang vorbeigehen muflte und in die ich nur manchmal, wenn die Mutter das Heiligtum ˆffnete, um etwas herauszuholen, einen verstohlnen Blick tat, desto schneller war ich, einen Augenblick zu benutzen, den mich die Nachl‰ssigkeit der Wirtschafterinnen manchmal treffen liefl.

Unter allen T¸ren war, wie man leicht erachten kann, die T¸re der Speisekammer diejenige, auf die meine Sinne am sch‰rfsten gerichtet waren. Wenig ahnungsvolle Freuden des Lebens glichen der Empfindung, wenn mich meine Mutter manchmal hineinrief, um ihr etwas heraustragen zu helfen, und ich dann einige gedˆrrte Pflaumen entweder ihrer G¸te oder meiner List zu danken hatte. Die aufgeh‰uften Sch‰tze ¸bereinander umfingen meine Einbildungskraft mit ihrer F¸lle, und selbst der wunderliche Geruch, den so mancherlei Spezereien durcheinander aushauchten, hatte so eine leckere Wirkung auf mich, dafl ich niemals vers‰umte, sooft ich in der N‰he war, mich wenigstens an der erˆffneten Atmosph‰re zu weiden. Dieser merkw¸rdige Schl¸ssel blieb eines Sonntagmorgens, da die Mutter von dem Gel‰ute ¸bereilt ward und das ganze Haus in einer tiefen Sabbatstille lag, stecken. Kaum hatte ich es bemerkt, als ich etlichemal sachte an der Wand hin- und herging, mich endlich still und fein andr‰ngte, die T¸re ˆffnete und mich mit einem Schritt in der N‰he so vieler langgew¸nschter Gl¸ckseligkeit f¸hlte. Ich besah K‰sten, S‰cke, Schachteln, B¸chsen, Gl‰ser mit einem schnellen, zweifelnden Blicke, was ich w‰hlen und nehmen sollte, griff endlich nach den vielgeliebten gewelkten Pflaumen, versah mich mit einigen getrockneten ƒpfeln und nahm gen¸gsam noch eine eingemachte Pomeranzenschale dazu: mit welcher Beute ich meinen Weg wieder r¸ckw‰rtsglitschen wollte, als mir ein paar nebeneinander stehende Kasten in die Augen fielen, aus deren einem Dr‰hte, oben mit H‰kchen versehen, durch den ¸bel verschlossenen Schieber heraushingen. Ahnungsvoll fiel ich dar¸ber her; und mit welcher ¸berirdischen Empfindung entdeckte ich, dafl darin meine Helden- und Freudenwelt aufeinandergepackt sei! Ich wollte die obersten aufheben, betrachten, die untersten hervorziehen; allein gar bald verwirrte ich die leichten Dr‰hte, kam dar¸ber in Unruhe und Bangigkeit, besonders da die Kˆchin in der benachbarten K¸che einige Bewegungen machte, dafl ich alles, so gut ich konnte, zusammendr¸ckte, den Kasten zuschob, nur ein geschriebenes B¸chelchen, worin die Komˆdie von David und Goliath aufgezeichnet war, das obenauf gelegen hatte, zu mir steckte und mich mit dieser Beute leise die Treppe hinauf in eine Dachkammer rettete.

Von der Zeit an wandte ich alle verstohlenen einsamen Stunden darauf, mein Schauspiel wiederholt zu lesen, es auswendig zu lernen und mir in Gedanken vorzustellen, wie herrlich es sein m¸flte, wenn ich auch die Gestalten dazu mit meinen Fingern beleben kˆnnte. Ich ward dar¸ber in meinen Gedanken selbst zum David und Goliath. In allen Winkeln des Bodens, der St‰lle, des Gartens, unter allerlei Umst‰nden studierte ich das St¸ck ganz in mich hinein, ergriff alle Rollen und lernte sie auswendig, nur dafl ich mich meist an den Platz der Haupthelden zu setzen pflegte und die ¸brigen wie Trabanten nur im Ged‰chtnisse mitlaufen liefl. So lagen mir die groflm¸tigen Reden Davids, mit denen er den ¸berm¸tigen Riesen Goliath herausforderte, Tag und Nacht im Sinne; ich murmelte sie oft vor mich hin, niemand gab acht darauf als der Vater, der manchmal einen solchen Ausruf bemerkte und bei sich selbst das gute Ged‰chtnis seines Knaben pries, der von so wenigem Zuhˆren so mancherlei habe behalten kˆnnen.

Hierdurch ward ich immer verwegener und rezitierte eines Abends das St¸ck zum grˆflten Teile vor meiner Mutter, indem ich mir einige Wachskl¸mpchen zu Schauspielern bereitete. Sie merkte auf, drang in mich, und ich gestand.

Gl¸cklicherweise fiel diese Entdeckung in die Zeit, da der Lieutenant selbst den Wunsch ge‰uflert hatte, mich in diese Geheimnisse einweihen zu d¸rfen. Meine Mutter gab ihm sogleich Nachricht von dem unerwarteten Talente ihres Sohnes, und er wuflte nun einzuleiten, dafl man ihm ein Paar Zimmer im obersten Stocke, die gewˆhnlich leer standen, ¸berliefl, in deren einem wieder die Zuschauer sitzen, in dem andern die Schauspieler sein, und das Proszenium abermals die ÷ffnung der T¸re ausf¸llen sollte. Der Vater hatte seinem Freunde das alles zu veranstalten erlaubt, er selbst schien nur durch die Finger zu sehen, nach dem Grundsatze, man m¸sse die Kinder nicht merken lassen, wie lieb man sie habe, sie griffen immer zu weit um sich; er meinte, man m¸sse bei ihren Freuden ernst scheinen und sie ihnen manchmal verderben, damit ihre Zufriedenheit sie nicht ¸berm‰flig und ¸berm¸tig mache.”

I. Buch, 6. Kapitel

Sechstes Kapitel

“Der Lieutenant schlug nunmehr das Theater auf und besorgte das ‹brige. Ich merkte wohl, dafl er die Woche mehrmals zu ungewˆhnlicher Zeit ins Haus kam, und vermutete die Absicht. Meine Begierde wuchs unglaublich, da ich wohl f¸hlte, dafl ich vor Sonnabends keinen Teil an dem, was zubereitet wurde, nehmen durfte. Endlich erschien der gew¸nschte Tag. Abends um f¸nf Uhr kam mein F¸hrer und nahm mich mit hinauf. Zitternd vor Freude trat ich hinein und erblickte auf beiden Seiten des Gestelles die herabh‰ngenden Puppen in der Ordnung, wie sie auftreten sollten; ich betrachtete sie sorgf‰ltig, stieg auf den Tritt, der mich ¸ber das Theater erhub, so dafl ich nun ¸ber der kleinen Welt schwebte. Ich sah nicht ohne Ehrfurcht zwischen die Brettchen hinunter, weil die Erinnerung, welche herrliche Wirkung das Ganze von auflen tue, und das Gef¸hl, in welche Geheimnisse ich eingeweiht sei, mich umfaflten. Wir machten einen Versuch, und es ging gut.

Den andern Tag, da eine Gesellschaft Kinder geladen war, hielten wir uns trefflich, aufler dafl ich in dem Feuer der Aktion meinen Jonathan fallen liefl und genˆtigt war, mit der Hand hinunterzugreifen und ihn zu holen: ein Zufall, der die Illusion sehr unterbrach, ein grofles Gel‰chter verursachte und mich uns‰glich kr‰nkte. Auch schien dieses Versehn dem Vater sehr willkommen zu sein, der das grofle Vergn¸gen, sein Sˆhnchen so f‰hig zu sehen, wohlbed‰chtig nicht an den Tag gab, nach geendigtem St¸cke sich gleich an die Fehler hing und sagte, es w‰re recht artig gewesen, wenn nur dies oder das nicht versagt h‰tte.

Mich kr‰nkte das innig, ich ward traurig f¸r den Abend, hatte aber am kommenden Morgen allen Verdrufl schon wieder verschlafen und war in dem Gedanken selig, dafl ich, aufler jenem Ungl¸ck, trefflich gespielt habe. Dazu kam der Beifall der Zuschauer, welche durchaus behaupteten: obgleich der Lieutenant in Absicht der groben und feinen Stimme sehr viel getan habe, so peroriere er doch meist zu affektiert und steif; dagegen spreche der neue Anf‰nger seinen David und Jonathan vortrefflich; besonders lobte die Mutter den freim¸tigen Ausdruck, wie ich den Goliath herausgefordert und dem Kˆnige den bescheidenen Sieger vorgestellt habe.

Nun blieb zu meiner grˆflten Freude das Theater aufgeschlagen, und da der Fr¸hling herbeikam und man ohne Feuer bestehen konnte, lag ich in meinen Frei- und Spielstunden in der Kammer und liefl die Puppen wacker durcheinanderspielen. Oft lud ich meine Geschwister und Kameraden hinauf; wenn sie aber auch nicht kommen wollten, war ich allein oben. Meine Einbildungskraft br¸tete ¸ber der kleinen Welt, die gar bald eine andere Gestalt gewann.

Ich hatte kaum das erste St¸ck, wozu Theater und Schauspieler geschaffen und gestempelt waren, etlichemal aufgef¸hrt, als es mir schon keine Freude mehr machte. Dagegen waren mir unter den B¸chern des Groflvaters die “Deutsche Schaub¸hne” und verschiedene italienisch-deutsche Opern in die H‰nde gekommen, in die ich mich sehr vertiefte und jedesmal nur erst vorne die Personen ¸berrechnete und dann sogleich ohne weiteres zur Auff¸hrung des St¸ckes schritt. Da muflte nun Kˆnig Saul in seinem schwarzen Samtkleide den Chaumigrem, Cato und Darius spielen; wobei zu bemerken ist, dafl die St¸cke niemals ganz, sondern meistenteils nur die f¸nften Akte, wo es an ein Totstechen ging, aufgef¸hrt wurden.

Auch war es nat¸rlich, dafl mich die Oper mit ihren mannigfaltigen Ver‰nderungen und Abenteuern mehr als alles anziehen muflte. Ich fand darin st¸rmische Meere, Gˆtter, die in Wolken herabkommen, und, was mich vorz¸glich gl¸cklich machte, Blitze und Donner. Ich half mir mit Pappe, Farbe und Papier, wuflte gar trefflich Nacht zu machen, der Blitz war f¸rchterlich anzusehen, nur der Donner gelang nicht immer, doch das hatte so viel nicht zu sagen. Auch fand sich in den Opern mehr Gelegenheit, meinen David und Goliath anzubringen, welches im regelm‰fligen Drama gar nicht angehen wollte. Ich f¸hlte t‰glich mehr Anh‰nglichkeit f¸r das enge Pl‰tzchen, wo ich so manche Freude genofl; und ich gestehe, dafl der Geruch, den die Puppen aus der Speisekammer an sich gezogen hatten, nicht wenig dazu beitrug.

Die Dekorationen meines Theaters waren nunmehr in ziemlicher Vollkommenheit; denn dafl ich von Jugend auf ein Geschick gehabt hatte, mit dem Zirkel umzugehen, Pappe auszuschneiden und Bilder zu illuminieren, kam mir jetzt wohl zustatten. Um desto weher tat es mir, wenn mich gar oft das Personal an Ausf¸hrung grofler Sachen hinderte.

Meine Schwestern, indem sie ihre Puppen aus- und ankleideten, erregten in mir den Gedanken, meinen Helden auch nach und nach bewegliche Kleider zu verschaffen. Man trennte ihnen die L‰ppchen vom Leibe, setzte sie, so gut man konnte, zusammen, sparte sich etwas Geld, kaufte neues Band und Flittern, bettelte sich manches St¸ckchen Taft zusammen und schaffte nach und nach eine Theatergarderobe an, in welcher besonders die Reifrˆcke f¸r die Damen nicht vergessen waren.

Die Truppe war nun wirklich mit Kleidern f¸r das grˆflte St¸ck versehen, und man h‰tte denken sollen, es w¸rde nun erst recht eine Auff¸hrung der andern folgen; aber es ging mir, wie es den Kindern ˆfter zu gehen pflegt: sie fassen weite Plane, machen grofle Anstalten, auch wohl einige Versuche, und es bleibt alles zusammen liegen. Dieses Fehlers mufl ich mich auch anklagen. Die grˆflte Freude lag bei mir in der Erfindung und in der Besch‰ftigung der Einbildungskraft. Dies oder jenes St¸ck interessierte mich um irgendeiner Szene willen, und ich liefl gleich wieder neue Kleider dazu machen. ‹ber solchen Anstalten waren die urspr¸nglichen Kleidungsst¸cke meiner Helden in Unordnung geraten und verschleppt worden, dafl also nicht einmal das erste grofle St¸ck mehr aufgef¸hrt werden konnte. Ich ¸berliefl mich meiner Phantasie, probierte und bereitete ewig, baute tausend Luftschlˆsser und sp¸rte nicht, dafl ich den Grund des kleinen Geb‰udes zerstˆrt hatte.”

W‰hrend dieser Erz‰hlung hatte Mariane alle ihre Freundlichkeit gegen Wilhelm aufgeboten, um ihre Schl‰frigkeit zu verbergen. So scherzhaft die Begebenheit von einer Seite schien, so war sie ihr doch zu einfach und die Betrachtungen dabei zu ernsthaft. Sie setzte z‰rtlich ihren Fufl auf den Fufl des Geliebten und gab ihm scheinbare Zeichen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Beifalls. Sie trank aus seinem Glase, und Wilhelm war ¸berzeugt, es sei kein Wort seiner Geschichte auf die Erde gefallen. Nach einer kleinen Pause rief er aus, “Es ist nun an dir, Mariane, mir auch deine ersten jugendlichen Freuden mitzuteilen. Noch waren wir immer zu sehr mit dem Gegenw‰rtigen besch‰ftigt, als dafl wir uns wechselseitig um unsere vorige Lebensweise h‰tten bek¸mmern kˆnnen. Sage mir: unter welchen Umst‰nden bist du erzogen? Welche sind die ersten lebhaften Eindr¸cke, deren du dich erinnerst?”

Diese Fragen w¸rden Marianen in grofle Verlegenheit gesetzt haben, wenn ihr die Alte nicht sogleich zu H¸lfe gekommen w‰re. “Glauben Sie denn”, sagte das kluge Weib, “dafl wir auf das, was uns fr¸h begegnet, so aufmerksam sind, dafl wir so artige Begebenheiten zu erz‰hlen haben und, wenn wir sie zu erz‰hlen h‰tten, dafl wir der Sache auch ein solches Geschick zu geben w¸flten?”

“Als wenn es dessen bed¸rfte!” rief Wilhelm aus. “Ich liebe dieses z‰rtliche, gute, liebliche Geschˆpf so sehr, dafl mich jeder Augenblick meines Lebens verdrieflt, den ich ohne sie zugebracht habe. Lafl mich wenigstens durch die Einbildungskraft teil an deinem vergangenen Leben nehmen! Erz‰hle mir alles, ich will dir alles erz‰hlen. Wir wollen uns wo mˆglich t‰uschen und jene f¸r die Liebe verlornen Zeiten wiederzugewinnen suchen.”

“Wenn Sie so eifrig darauf bestehen, kˆnnen wir Sie wohl befriedigen”, sagte die Alte. “Erz‰hlen Sie uns nur erst, wie Ihre Liebhaberei zum Schauspiele nach und nach gewachsen sei, wie Sie sich ge¸bt, wie Sie so gl¸cklich zugenommen haben, dafl Sie nunmehr f¸r einen guten Schauspieler gelten kˆnnen. Es hat Ihnen dabei gewifl nicht an lustigen Begebenheiten gemangelt. Es ist nicht der M¸he wert, dafl wir uns zur Ruhe legen, ich habe noch eine Flasche in Reserve; und wer weifl, ob wir bald wieder so ruhig und zufrieden zusammensitzen?”

Mariane schaute mit einem traurigen Blick nach ihr auf, den Wilhelm nicht bemerkte und in seiner Erz‰hlung fortfuhr.

I. Buch, 7. Kapitel

Siebentes Kapitel

“Die Zerstreuungen der Jugend, da meine Gespanschaft sich zu vermehren anfing, taten dem einsamen, stillen Vergn¸gen Eintrag. Ich war wechselsweise bald J‰ger, bald Soldat, bald Reiter, wie es unsre Spiele mit sich brachten: doch hatte ich immer darin einen kleinen Vorzug vor den andern, dafl ich imstande war, ihnen die nˆtigen Ger‰tschaften schicklich auszubilden. So waren die Schwerter meistens aus meiner Fabrik; ich verzierte und vergoldete die Schlitten, und ein geheimer Instinkt liefl mich nicht ruhen, bis ich unsre Miliz ins Antike umgeschaffen hatte. Helme wurden verfertiget, mit papiernen B¸schen geschm¸ckt, Schilde, sogar Harnische wurden gemacht, Arbeiten, bei denen die Bedienten im Hause, die etwa Schneider waren, und die N‰hterinnen manche Nadel zerbrachen.

Einen Teil meiner jungen Gesellen sah ich nun wohlger¸stet; die ¸brigen wurden auch nach und nach, doch geringer, ausstaffiert, und es kam ein stattliches Korps zusammen. Wir marschierten in Hˆfen und G‰rten, schlugen uns brav auf die Schilde und auf die Kˆpfe; es gab manche Miflhelligkeit, die aber bald beigelegt war.

Dieses Spiel, das die andern sehr unterhielt, war kaum etlichemal getrieben worden, als es mich schon nicht mehr befriedigte. Der Anblick so vieler ger¸steten Gestalten muflte in mir notwendig die Ritterideen aufreizen, die seit einiger Zeit, da ich in das Lesen alter Romane gefallen war, meinen Kopf anf¸llten.

“Das befreite Jerusalem”, davon mir Koppens ‹bersetzung in die H‰nde fiel, gab meinen herumschweifenden Gedanken endlich eine bestimmte Richtung. Ganz konnte ich zwar das Gedicht nicht lesen; es waren aber Stellen, die ich auswendig wuflte, deren Bilder mich umschwebten. Besonders fesselte mich Chlorinde mit ihrem ganzen Tun und Lassen. Die Mannweiblichkeit, die ruhige F¸lle ihres Daseins taten mehr Wirkung auf den Geist, der sich zu entwickeln anfing, als die gemachten Reize Armidens, ob ich gleich ihren Garten nicht verachtete.

Aber hundert- und hundertmal, wenn ich abends auf dem Altan, der zwischen den Giebeln des Hauses angebracht ist, spazierte, ¸ber die Gegend hinsah und von der hinabgewichenen Sonne ein zitternder Schein am Horizont heraufd‰mmerte, die Sterne hervortraten, aus allen Winkeln und Tiefen die Nacht hervordrang und der klingende Ton der Grillen durch die feierliche Stille schrillte, sagte ich mir die Geschichte des traurigen Zweikampfs zwischen Tankred und Chlorinden vor.

Sosehr ich, wie billig, von der Partei der Christen war, stand ich doch der heidnischen Heldin mit ganzem Herzen bei, als sie unternahm, den groflen Turm der Belagerer anzuz¸nden. Und wie nun Tankred dem vermeinten Krieger in der Nacht begegnet, unter der d¸stern H¸lle der Streit beginnt und sie gewaltig k‰mpfen!–Ich konnte nie die Worte aussprechen:

“Allein das Lebensmafl Chlorindens ist nun voll, Und ihre Stunde kommt,
in der sie sterben soll!”,

dafl mir nicht die Tr‰nen in die Augen kamen, die reichlich flossen, wie der ungl¸ckliche Liebhaber ihr das Schwert in die Brust stˆflt, der Sinkenden den Helm lˆst, sie erkennt und zur Taufe bebend das Wasser holt.

Aber wie ging mir das Herz ¸ber, wenn in dem bezauberten Walde Tankredens Schwert den Baum trifft, Blut nach dem Hiebe flieflt und eine Stimme ihm in die Ohren tˆnt, dafl er auch hier Chlorinden verwunde, dafl er vom Schicksal bestimmt sei, das, was er liebt, ¸berall unwissend zu verletzen!

Es bem‰chtigte sich die Geschichte meiner Einbildungskraft so, dafl sich mir, was ich von dem Gedichte gelesen hatte, dunkel zu einem Ganzen in der Seele bildete, von dem ich dergestalt eingenommen war, dafl ich es auf irgendeine Weise vorzustellen gedachte. Ich wollte Tankreden und Reinalden spielen und fand dazu zwei R¸stungen ganz bereit, die ich schon gefertiget hatte. Die eine, von dunkelgrauem Papier mit Schuppen, sollte den ernsten Tankred, die andere, von Silber- und Goldpapier, den gl‰nzenden Reinald zieren. In der Lebhaftigkeit meiner Vorstellung erz‰hlte ich alles meinen Gespanen, die davon ganz entz¸ckt wurden und nur nicht wohl begreifen konnten, dafl das alles aufgef¸hrt, und zwar von ihnen aufgef¸hrt werden sollte.

Diesen Zweifeln half ich mit vieler Leichtigkeit ab. Ich disponierte gleich ¸ber ein paar Zimmer in eines benachbarten Gespielen Haus, ohne zu berechnen, dafl die alte Tante sie nimmermehr hergeben w¸rde; ebenso war es mit dem Theater, wovon ich auch keine bestimmte Idee hatte, aufler dafl man es auf Balken setzen, die Kulissen von geteilten spanischen W‰nden hinstellen und zum Grund ein grofles Tuch nehmen m¸sse. Woher aber die Materialien und Ger‰tschaften kommen sollten, hatte ich nicht bedacht.

F¸r den Wald fanden wir eine gute Auskunft: wir gaben einem alten Bedienten aus einem der H‰user, der nun Fˆrster geworden war, gute Worte, dafl er uns junge Birken und Fichten schaffen mˆchte, die auch wirklich geschwinder, als wir hoffen konnten, herbeigebracht wurden. Nun aber fand man sich in grofler Verlegenheit, wie man das St¸ck, eh die B‰ume verdorrten, zustande bringen kˆnne. Da war guter Rat teuer! Es fehlte an Platz, am Theater, an Vorh‰ngen. Die spanischen W‰nde waren das einzige, was wir hatten.

In dieser Verlegenheit gingen wir wieder den Lieutenant an, dem wir eine weitl‰ufige Beschreibung von der Herrlichkeit machten, die es geben sollte. Sowenig er uns begriff, so behilflich war er, schob in eine kleine Stube, was sich von Tischen im Hause und der Nachbarschaft nur finden wollte, aneinander, stellte die W‰nde darauf, machte eine hintere Aussicht von gr¸nen Vorh‰ngen, die B‰ume wurden auch gleich mit in die Reihe gestellt.

Indessen war es Abend geworden, man hatte die Lichter angez¸ndet, die M‰gde und Kinder saflen auf ihren Pl‰tzen, das St¸ck sollte angehn, die ganze Heldenschar war angezogen; nun sp¸rte aber jeder zum erstenmal, dafl er nicht wisse, was er zu sagen habe. In der Hitze der Erfindung, da ich ganz von meinem Gegenstande durchdrungen war, hatte ich vergessen, dafl doch jeder wissen m¸sse, was und wo er es zu sagen habe; und in der Lebhaftigkeit der Ausf¸hrung war es den ¸brigen auch nicht beigefallen: sie glaubten, sie w¸rden sich leicht als Helden darstellen, leicht so handeln und reden kˆnnen wie die Personen, in deren Welt ich sie versetzt hatte. Sie standen alle erstaunt, fragten sich einander, was zuerst kommen sollte, und ich, der ich mich als Tankred vornean gedacht hatte, fing, allein auftretend, einige Verse aus dem Heldengedichte herzusagen an. Weil aber die Stelle gar zu bald ins Erz‰hlende ¸berging und ich in meiner eignen Rede endlich als dritte Person vorkam, auch der Gottfried, von dem die Sprache war, nicht herauskommen wollte, so muflte ich unter groflem Gel‰chter meiner Zuschauer eben wieder abziehen: ein Unfall, der mich tief in der Seele kr‰nkte. Verungl¸ckt war die Expedition; die Zuschauer saflen da und wollten etwas sehen. Gekleidet waren wir; ich raffte mich zusammen und entschlofl mich kurz und gut, “David und Goliath” zu spielen. Einige der Gesellschaft hatten ehemals das Puppenspiel mit mir aufgef¸hrt, alle hatten es oft gesehn; man teilte die Rollen aus, es versprach jeder, sein Bestes zu tun, und ein kleiner drolliger Junge malte sich einen schwarzen Bart, um, wenn ja eine L¸cke einfallen sollte, sie als Hanswurst mit einer Posse auszuf¸llen, eine Anstalt, die ich, als dem Ernste des St¸ckes zuwider, sehr ungern geschehen liefl. Doch schwur ich mir, wenn ich nur einmal aus dieser Verlegenheit gerettet w‰re, mich nie, als mit der grˆflten ‹berlegung, an die Vorstellung eines St¸cks zu wagen.”

I. Buch, 8. Kapitel

Achtes Kapitel

Mariane, vom Schlaf ¸berw‰ltigt, lehnte sich an ihren Geliebten, der sie fest an sich dr¸ckte und in seiner Erz‰hlung fortfuhr, indes die Alte den ‹berrest des Weins mit gutem Bedachte genofl.

“Die Verlegenheit”, sagte er, “in der ich mich mit meinen Freunden befunden hatte, indem wir ein St¸ck, das nicht existierte, zu spielen unternahmen, war bald vergessen. Meiner Leidenschaft, jeden Roman, den ich las, jede Geschichte, die man mich lehrte, in einem Schauspiele darzustellen, konnte selbst der unbiegsamste Stoff nicht widerstehen. Ich war vˆllig ¸berzeugt, dafl alles, was in der Erz‰hlung ergˆtzte, vorgestellt eine viel grˆflere Wirkung tun m¸sse; alles sollte vor meinen Augen, alles auf der B¸hne vorgehen. Wenn uns in der Schule die Weltgeschichte vorgetragen wurde, zeichnete ich mir sorgf‰ltig aus, wo einer auf eine besondere Weise erstochen oder vergiftet wurde, und meine Einbildungskraft sah ¸ber Exposition und Verwicklung hinweg und eilte dem interessanten f¸nften Akte zu. So fing ich auch wirklich an, einige St¸cke von hinten hervor zu schreiben, ohne dafl ich auch nur bei einem einzigen bis zum Anfange gekommen w‰re.

Zu gleicher Zeit las ich, teils aus eignem Antrieb, teils auf Veranlassung meiner guten Freunde, welche in den Geschmack gekommen waren, Schauspiele aufzuf¸hren, einen ganzen Wust theatralischer Produktionen durch, wie sie der Zufall mir in die H‰nde f¸hrte. Ich war in den gl¸cklichen Jahren, wo uns noch alles gef‰llt, wo wir in der Menge und Abwechslung unsre Befriedigung finden. Leider aber ward mein Urteil noch auf eine andere Weise bestochen. Die St¸cke gefielen mir besonders, in denen ich zu gefallen hoffte, und es waren wenige, die ich nicht in dieser angenehmen T‰uschung durchlas; und meine lebhafte Vorstellungskraft, da ich mich in alle Rollen denken konnte, verf¸hrte mich zu glauben, dafl ich auch alle darstellen w¸rde; gewˆhnlich w‰hlte ich daher bei der Austeilung diejenigen, welche sich gar nicht f¸r mich schickten, und, wenn es nur einigermaflen angehn wollte, wohl gar ein paar Rollen.

Kinder wissen beim Spiele aus allem alles zu machen; ein Stab wird zur Flinte, ein St¸ckchen Holz zum Degen, jedes B¸ndelchen zur Puppe und jeder Winkel zur H¸tte. In diesem Sinne entwickelte sich unser Privattheater. Bei der vˆlligen Unkenntnis unserer Kr‰fte unternahmen wir alles, bemerkten kein quid pro quo und waren ¸berzeugt, jeder m¸sse uns daf¸r nehmen, wof¸r wir uns gaben. Leider ging alles einen so gemeinen Gang, dafl mir nicht einmal eine merkw¸rdige Albernheit zu erz‰hlen ¸brigbleibt. Erst spielten wir die wenigen St¸cke durch, in welchen nur Mannspersonen auftreten; dann verkleideten wir einige aus unserm Mittel und zogen zuletzt die Schwestern mit ins Spiel. In einigen H‰usern hielt man es f¸r eine n¸tzliche Besch‰ftigung und lud Gesellschaften darauf. Unser Artillerielieutenant verliefl uns auch hier nicht. Er zeigte uns, wie wir kommen und gehen, deklamieren und gestikulieren sollten; allein er erntete f¸r seine Bem¸hung meistens wenig Dank, indem wir die theatralischen K¸nste schon besser als er zu verstehen glaubten.

Wir verfielen gar bald auf das Trauerspiel: denn wir hatten oft sagen hˆren und glaubten selbst, es sei leichter, eine Tragˆdie zu schreiben und vorzustellen, als im Lustspiele vollkommen zu sein. Auch f¸hlten wir uns beim ersten tragischen Versuche ganz in unserm Elemente; wir suchten uns der Hˆhe des Standes, der Vortrefflichkeit der Charaktere durch Steifheit und Affektation zu n‰hern und d¸nkten uns durchaus nicht wenig; allein vollkommen gl¸cklich waren wir nur, wenn wir recht rasen, mit den F¸flen stampfen und uns wohl gar vor Wut und Verzweiflung auf die Erde werfen durften.

Knaben und M‰dchen waren in diesen Spielen nicht lange beisammen, als die Natur sich zu regen und die Gesellschaft sich in verschiedene kleine Liebesgeschichten zu teilen anfing, da denn meistenteils Komˆdie in der Komˆdie gespielt wurde. Die gl¸cklichen Paare dr¸ckten sich hinter den Theaterw‰nden die H‰nde auf das z‰rtlichste; sie verschwammen in Gl¸ckseligkeit, wenn sie einander, so beb‰ndert und aufgeschm¸ckt, recht idealisch vorkamen, indes gegen¸ber die ungl¸cklichen Nebenbuhler sich vor Neid verzehrten und mit Trotz und Schadenfreude allerlei Unheil anrichteten.

Diese Spiele, obgleich ohne Verstand unternommen und ohne Anleitung durchgef¸hrt, waren doch nicht ohne Nutzen f¸r uns. Wir ¸bten unser Ged‰chtnis und unsern Kˆrper und erlangten mehr Geschmeidigkeit im Sprechen und Betragen, als man sonst in so fr¸hen Jahren gewinnen kann. F¸r mich aber war jene Zeit besonders Epoche, mein Geist richtete sich ganz nach dem Theater, und ich fand kein grˆfler Gl¸ck, als Schauspiele zu lesen, zu schreiben und zu spielen.

Der Unterricht meiner Lehrer dauerte fort; man hatte mich dem Handelsstand gewidmet und zu unserm Nachbar auf das Comptoir getan; aber eben zu selbiger Zeit entfernte sich mein Geist nur gewaltsamer von allem, was ich f¸r ein niedriges Gesch‰ft halten muflte. Der B¸hne wollte ich meine ganze T‰tigkeit widmen, auf ihr mein Gl¸ck und meine Zufriedenheit finden.

Ich erinnere mich noch eines Gedichtes, das sich unter meinen Papieren finden mufl, in welchem die Muse der tragischen Dichtkunst und eine andere Frauengestalt, in der ich das Gewerbe personifiziert hatte, sich um meine werte Person recht wacker zanken. Die Erfindung ist gemein, und ich erinnere mich nicht, ob die Verse etwas taugen; aber ihr sollt es sehen, um der Furcht, des Abscheues, der Liebe und der Leidenschaft willen, die darin herrschen. Wie ‰ngstlich hatte ich die alte Hausmutter geschildert mit dem Rocken im G¸rtel, mit Schl¸sseln an der Seite, Brillen auf der Nase, immer fleiflig, immer in Unruhe, z‰nkisch und haush‰ltisch, kleinlich und beschwerlich! Wie k¸mmerlich beschrieb ich den Zustand dessen, der sich unter ihrer Rute b¸cken und sein knechtisches Tagewerk im Schweifle des Angesichtes verdienen sollte!

Wie anders trat jene dagegen auf! Welche Erscheinung ward sie dem bek¸mmerten Herzen! Herrlich gebildet, in ihrem Wesen und Betragen als eine Tochter der Freiheit anzusehen. Das Gef¸hl ihrer selbst gab ihr W¸rde ohne Stolz; ihre Kleider ziemten ihr, sie umh¸llten jedes Glied, ohne es zu zw‰ngen, und die reichlichen Falten des Stoffes wiederholten wie ein tausendfaches Echo die reizenden Bewegungen der Gˆttlichen. Welch ein Kontrast! Und auf welche Seite sich mein Herz wandte, kannst du leicht denken. Auch war nichts vergessen, um meine Muse kenntlich zu machen. Kronen und Dolche, Ketten und Masken, wie sie mir meine Vorg‰nger ¸berliefert hatten, waren ihr auch hier zugeteilt. Der Wettstreit war heftig, die Reden beider Personen kontrastierten gehˆrig, da man im vierzehnten Jahre gewˆhnlich das Schwarze und Weifle recht nah aneinander zu malen pflegt. Die Alte redete, wie es einer Person geziemt, die eine Stecknadel aufhebt, und jene wie eine, die Kˆnigreiche verschenkt. Die warnenden Drohungen der Alten wurden verschm‰ht; ich sah die mir versprochenen Reicht¸mer schon mit dem R¸cken an: enterbt und nackt ¸bergab ich mich der Muse, die mir ihren goldnen Schleier zuwarf und meine Blˆfle bedeckte.-H‰tte ich denken kˆnnen, o meine Geliebte!” rief er aus, indem er Marianen fest an sich dr¸ckte, “dafl eine ganz andere, eine lieblichere Gottheit kommen, mich in meinem Vorsatz st‰rken, mich auf meinem Wege begleiten w¸rde; welch eine schˆnere Wendung w¸rde mein Gedicht genommen haben, wie interessant w¸rde nicht der Schlufl desselben geworden sein! Doch es ist kein Gedicht, es ist Wahrheit und Leben, was ich in deinen Armen finde; lafl uns das s¸fle Gl¸ck mit Bewufltsein genieflen!”

Durch den Druck seines Armes, durch die Lebhaftigkeit seiner erhˆhten Stimme war Mariane erwacht und verbarg durch Liebkosungen ihre Verlegenheit: denn sie hatte auch nicht ein Wort von dem letzten Teile seiner Erz‰hlung vernommen, und es ist zu w¸nschen, dafl unser Held f¸r seine Lieblingsgeschichten aufmerksamere Zuhˆrer k¸nftig finden mˆge.

I. Buch, 9. Kapitel

Neuntes Kapitel

So brachte Wilhelm seine N‰chte im Genusse vertraulicher Liebe, seine Tage in Erwartung neuer seliger Stunden zu. Schon zu jener Zeit, als ihn Verlangen und Hoffnung zu Marianen hinzog, f¸hlte er sich wie neu belebt, er f¸hlte, dafl er ein anderer Mensch zu werden beginne; nun war er mit ihr vereinigt, die Befriedigung seiner W¸nsche ward eine reizende Gewohnheit. Sein Herz strebte, den Gegenstand seiner Leidenschaft zu veredeln, sein Geist, das geliebte M‰dchen mit sich emporzuheben. In der kleinsten Abwesenheit ergriff ihn ihr Andenken. War sie ihm sonst notwendig gewesen, so war sie ihm jetzt unentbehrlich, da er mit allen Banden der Menschheit an sie gekn¸pft war. Seine reine Seele f¸hlte, dafl sie die H‰lfte, mehr als die H‰lfte seiner selbst sei. Er war dankbar und hingegeben ohne Grenzen.

Auch Mariane konnte sich eine Zeitlang t‰uschen; sie teilte die Empfindung seines lebhaften Gl¸cks mit ihm. Ach! wenn nur nicht manchmal die kalte Hand des Vorwurfs ihr ¸ber das Herz gefahren w‰re! Selbst an dem Busen Wilhelms war sie nicht sicher davor, selbst unter den Fl¸geln seiner Liebe. Und wenn sie nun gar wieder allein war und aus den Wolken, in denen seine Leidenschaft sie emportrug, in das Bewufltsein ihres Zustandes herabsank, dann war sie zu bedauern. Denn Leichtsinn kam ihr zu H¸lfe, solange sie in niedriger Verworrenheit lebte, sich ¸ber ihre Verh‰ltnisse betrog oder vielmehr sie nicht kannte; da erschienen ihr die Vorf‰lle, denen sie ausgesetzt war, nur einzeln: Vergn¸gen und Verdrufl lˆsten sich ab, Dem¸tigung wurde durch Eitelkeit, und Mangel oft durch augenblicklichen ‹berflufl verg¸tet; sie konnte Not und Gewohnheit sich als Gesetz und Rechtfertigung anf¸hren, und so lange lieflen sich alle unangenehmen Empfindungen von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tage absch¸tteln. Nun aber hatte das arme M‰dchen sich Augenblicke in eine bessere Welt hin¸berger¸ckt gef¸hlt, hatte wie von oben herab aus Licht und Freude ins ˆde, Verworfene ihres Lebens heruntergesehen, hatte gef¸hlt, welche elende Kreatur ein Weib ist, das mit dem Verlangen nicht zugleich Liebe und Ehrfurcht einflˆflt, und fand sich ‰uflerlich und innerlich um nichts gebessert. Sie hatte nichts, was sie aufrichten konnte. Wenn sie in sich blickte und suchte, war es in ihrem Geiste leer, und ihr Herz hatte keinen Widerhalt. Je trauriger dieser Zustand war, desto heftiger schlofl sich ihre Neigung an den Geliebten fest; ja die Leidenschaft wuchs mit jedem Tage, wie die Gefahr, ihn zu verlieren, mit jedem Tage n‰herr¸ckte.

Dagegen schwebte Wilhelm gl¸cklich in hˆheren Regionen, ihm war auch eine neue Welt aufgegangen, aber reich an herrlichen Aussichten. Kaum liefl das ‹bermafl der ersten Freude nach, so stellte sich das hell vor seine Seele, was ihn bisher dunkel durchw¸hlt hatte. “Sie ist dein! Sie hat sich dir hingegeben! Sie, das geliebte, gesuchte, angebetete Geschˆpf, dir auf Treu und Glauben hingegeben; aber sie hat sich keinem Undankbaren ¸berlassen.” Wo er stand und ging, redete er mit sich selbst; sein Herz flofl best‰ndig ¸ber, und er sagte sich in einer F¸lle von pr‰chtigen Worten die erhabensten Gesinnungen vor. Er glaubte den hellen Wink des Schicksals zu verstehen, das ihm durch Marianen die Hand reichte, sich aus dem stockenden, schleppenden b¸rgerlichen Leben herauszureiflen, aus dem er schon so lange sich zu retten gew¸nscht hatte. Seines Vaters Haus, die Seinigen zu verlassen schien ihm etwas Leichtes. Er war jung und neu in der Welt, und sein Mut, in ihren Weiten nach Gl¸ck und Befriedigung zu rennen, durch die Liebe erhˆht. Seine Bestimmung zum Theater war ihm nunmehr klar; das hohe Ziel, das er sich vorgesteckt sah, schien ihm n‰her, indem er an Marianens Hand hinstrebte, und in selbstgef‰lliger Bescheidenheit erblickte er in sich den trefflichen Schauspieler, den Schˆpfer eines k¸nftigen Nationaltheaters, nach dem er so vielf‰ltig hatte seufzen hˆren. Alles, was in den innersten Winkeln seiner Seele bisher geschlummert hatte, wurde rege. Er bildete aus den vielerlei Ideen mit Farben der Liebe ein Gem‰lde auf Nebelgrund, dessen Gestalten freilich sehr ineinanderflossen; daf¸r aber auch das Ganze eine desto reizendere Wirkung tat.

I. Buch, 10. Kapitel

Zehntes Kapitel

Er safl nun zu Hause, kramte unter seinen Papieren und r¸stete sich zur Abreise. Was nach seiner bisherigen Bestimmung schmeckte, ward beiseite gelegt; er wollte bei seiner Wanderung in die Welt auch von jeder unangenehmen Erinnerung frei sein. Nur Werke des Geschmacks, Dichter und Kritiker, wurden als bekannte Freunde unter die Erw‰hlten gestellt; und da er bisher die Kunstrichter sehr wenig genutzt hatte, so erneuerte sich seine Begierde nach Belehrung, als er seine B¸cher wieder durchsah und fand, dafl die theoretischen Schriften noch meist unaufgeschnitten waren. Er hatte sich, in der vˆlligen ‹berzeugung von der Notwendigkeit solcher Werke, viele davon angeschafft und mit dem besten Willen in keines auch nur bis in die H‰lfte sich hineinlesen kˆnnen.

Dagegen hatte er sich desto eifriger an Beispiele gehalten und in allen Arten, die ihm bekannt worden waren, selbst Versuche gemacht.

Werner trat herein, und als er seinen Freund mit den bekannten Heften besch‰ftigt sah, rief er aus: “Bist du schon wieder ¸ber diesen Papieren? Ich wette, du hast nicht die Absicht, eins oder das andere zu vollenden! Du siehst sie durch und wieder durch und beginnst allenfalls etwas Neues.”

“Zu vollenden ist nicht die Sache des Sch¸lers, es ist genug, wenn er sich ¸bt.”

“Aber doch fertigmacht, so gut er kann.”

“Und doch liefle sich wohl die Frage aufwerfen, ob man nicht eben gute Hoffnung von einem jungen Menschen fassen kˆnne, der bald gewahr wird, wenn er etwas Ungeschicktes unternommen hat, in der Arbeit nicht fortf‰hrt und an etwas, das niemals einen Wert haben kann, weder M¸he noch Zeit verschwenden mag.”

“Ich weifl wohl, es war nie deine Sache, etwas zustande zu bringen, du warst immer m¸de, eh es zur H‰lfte kam. Da du noch Direktor unsers Puppenspiels warst, wie oft wurden neue Kleider f¸r die Zwerggesellschaft gemacht, neue Dekorationen ausgeschnitten? Bald sollte dieses, bald jenes Trauerspiel aufgef¸hrt werden, und hˆchstens gabst du einmal den f¸nften Akt, wo alles recht bunt durcheinanderging und die Leute sich erstachen.”

“Wenn du von jenen Zeiten sprechen willst, wer war denn schuld, dafl wir die Kleider, die unsern Puppen angepaflt und auf den Leib festgen‰ht waren, heruntertrennen lieflen und den Aufwand einer weitl‰ufigen und unn¸tzen Garderobe machten? Warst du’s nicht, der immer ein neues St¸ck Band zu verhandeln hatte, der meine Liebhaberei anzufeuern und zu n¸tzen wuflte?”

Werner lachte und rief aus: “Ich erinnere mich immer noch mit Freuden, dafl ich von euren theatralischen Feldz¸gen Vorteil zog wie Lieferanten vom Kriege. Als ihr euch zur Befreiung Jerusalems r¸stetet, machte ich auch einen schˆnen Profit wie ehemals die Venezianer im ‰hnlichen Falle. Ich finde nichts vern¸nftiger in der Welt, als von den Torheiten anderer Vorteil zu ziehen.”

“Ich weifl nicht, ob es nicht ein edleres Vergn¸gen w‰re, die Menschen von ihren Torheiten zu heilen.”

“Wie ich sie kenne, mˆchte das wohl ein eitles Bestreben sein. Es gehˆrt schon etwas dazu, wenn ein einziger Mensch klug und reich werden soll, und meistens wird er es auf Unkosten der andern.”

“Es f‰llt mir eben recht der ‘J¸ngling am Scheidewege’ in die H‰nde”, versetzte Wilhelm, indem er ein Heft aus den ¸brigen Papieren herauszog, “das ist doch fertig geworden, es mag ¸brigens sein, wie es will.”

“Leg es beiseite, wirf es ins Feuer!” versetzte Werner. “Die Erfindung ist nicht im geringsten lobensw¸rdig; schon vormals ‰rgerte mich diese Komposition genug und zog dir den Unwillen des Vaters zu. Es mˆgen ganz artige Verse sein; aber die Vorstellungsart ist grundfalsch. Ich erinnere mich noch deines personifizierten Gewerbes, deiner zusammengeschrumpften, erb‰rmlichen Sibylle. Du magst das Bild in irgendeinem elenden Kramladen aufgeschnappt haben. Von der Handlung hattest du damals keinen Begriff; ich w¸flte nicht, wessen Geist ausgebreiteter w‰re, ausgebreiteter sein m¸flte als der Geist eines echten Handelsmannes. Welchen ‹berblick verschafft uns nicht die Ordnung, in der wir unsere Gesch‰fte f¸hren! Sie l‰flt uns jederzeit das Ganze ¸berschauen, ohne dafl wir nˆtig h‰tten, uns durch das Einzelne verwirren zu lassen. Welche Vorteile gew‰hrt die doppelte Buchhaltung dem Kaufmanne! Es ist eine der schˆnsten Erfindungen des menschlichen Geistes, und ein jeder gute Haushalter sollte sie in seiner Wirtschaft einf¸hren.”

“Verzeih mir”, sagte Wilhelm l‰chelnd, “du f‰ngst von der Form an, als wenn das die Sache w‰re; gewˆhnlich vergeflt ihr aber auch ¸ber eurem Addieren und Bilanzieren das eigentliche Fazit des Lebens.”

“Leider siehst du nicht, mein Freund, wie Form und Sache hier nur eins ist, eins ohne das andere nicht bestehen kˆnnte. Ordnung und Klarheit vermehrt die Lust zu sparen und zu erwerben. Ein Mensch, der ¸bel haush‰lt, befindet sich in der Dunkelheit sehr wohl; er mag die Posten nicht gerne zusammenrechnen, die er schuldig ist. Dagegen kann einem guten Wirte nichts angenehmer sein, als sich alle Tage die Summe seines wachsenden Gl¸ckes zu ziehen. Selbst ein Unfall, wenn er ihn verdriefllich ¸berrascht, erschreckt ihn nicht; denn er weifl sogleich, was f¸r erworbene Vorteile er auf die andere Waagschale zu legen hat. Ich bin ¸berzeugt, mein lieber Freund, wenn du nur einmal einen rechten Geschmack an unsern Gesch‰ften finden kˆnntest, so w¸rdest du dich ¸berzeugen, dafl manche F‰higkeiten des Geistes auch dabei ihr freies Spiel haben kˆnnen.”

“Es ist mˆglich, dafl mich die Reise, die ich vorhabe, auf andere Gedanken bringt.”

“O gewifl! Glaube mir, es fehlt dir nur der Anblick einer groflen T‰tigkeit, um dich auf immer zu dem Unsern zu machen; und wenn du zur¸ckkommst, wirst du dich gern zu denen gesellen, die durch alle Arten von Spedition und Spekulation einen Teil des Geldes und Wohlbefindens, das in der Welt seinen notwendigen Kreislauf f¸hrt, an sich zu reiflen wissen. Wirf einen Blick auf die nat¸rlichen und k¸nstlichen Produkte aller Weltteile, betrachte, wie sie wechselsweise zur Notdurft geworden sind! Welch eine angenehme, geistreiche Sorgfalt ist es, alles, was in dem Augenblicke am meisten gesucht wird und doch bald fehlt, bald schwer zu haben ist, zu kennen, jedem, was er verlangt, leicht und schnell zu verschaffen, sich vorsichtig in Vorrat zu setzen und den Vorteil jedes Augenblickes dieser groflen Zirkulation zu genieflen! Dies ist, d¸nkt mich, was jedem, der Kopf hat, eine grofle Freude machen wird.”

Wilhelm schien nicht abgeneigt, und Werner fuhr fort: “Besuche nur erst ein paar grofle Handelsst‰dte, ein paar H‰fen, und du wirst gewifl mit fortgerissen werden. Wenn du siehst, wie viele Menschen besch‰ftigt sind; wenn du siehst, wo so manches herkommt, wo es hingeht, so wirst du es gewifl auch mit Vergn¸gen durch deine H‰nde gehen sehen. Die geringste Ware siehst du im Zusammenhange mit dem ganzen Handel, und eben darum h‰ltst du nichts f¸r gering, weil alles die Zirkulation vermehrt, von welcher dein Leben seine Nahrung zieht.”

Werner, der seinen richtigen Verstand in dem Umgange mit Wilhelm ausbildete, hatte sich gewˆhnt, auch an sein Gewerbe, an seine Gesch‰fte mit Erhebung der Seele zu denken, und glaubte immer, dafl er es mit mehrerem Rechte tue als sein sonst verst‰ndiger und gesch‰tzter Freund, der, wie es ihm schien, auf das Unreellste von der Welt einen so groflen Wert und das Gewicht seiner ganzen Seele legte. Manchmal dachte er, es kˆnne gar nicht fehlen, dieser falsche Enthusiasmus m¸sse zu ¸berw‰ltigen und ein so guter Mensch auf den rechten Weg zu bringen sein. In dieser Hoffnung fuhr er fort: “Es haben die Groflen dieser Welt sich der Erde bem‰chtiget, sie leben in Herrlichkeit und ‹berflufl. Der kleinste Raum unsers Weltteils ist schon in Besitz genommen, jeder Besitz befestigt, ƒmter und andere b¸rgerliche Gesch‰fte tragen wenig ein; wo gibt es nun noch einen rechtm‰fligeren Erwerb, eine billigere Eroberung als den Handel? Haben die F¸rsten dieser Welt die Fl¸sse, die Wege, die H‰fen in ihrer Gewalt und nehmen von dem, was durch- und vorbeigeht, einen starken Gewinn: sollen wir nicht mit Freuden die Gelegenheit ergreifen und durch unsere T‰tigkeit auch Zoll von jenen Artikeln nehmen, die teils das Bed¸rfnis, teils der ‹bermut den Menschen unentbehrlich gemacht hat? Und ich kann dir versichern, wenn du nur deine dichterische Einbildungskraft anwenden wolltest, so kˆnntest du meine Gˆttin als eine un¸berwindliche Siegerin der deinigen k¸hn entgegenstellen. Sie f¸hrt freilich lieber den ÷lzweig als das Schwert; Dolch und Ketten kennt sie gar nicht: aber Kronen teilet sie auch ihren Lieblingen aus, die, es sei ohne Verachtung jener gesagt, von echtem, aus der Quelle geschˆpftem Golde und von Perlen gl‰nzen, die sie aus der Tiefe des Meeres durch ihre immer gesch‰ftigen Diener geholt hat.”

Wilhelmen verdrofl dieser Ausfall ein wenig, doch verbarg er seine Empfindlichkeit; denn er erinnerte sich, dafl Werner auch seine Apostrophen mit Gelassenheit anzuhˆren pflegte. ‹brigens war er billig genug, um gerne zu sehen, wenn jeder von seinem Handwerk aufs beste dachte; nur muflte man ihm das seinige, dem er sich mit Leidenschaft gewidmet hatte, unangefochten lassen.

“Und dir”, rief Werner aus, “der du an menschlichen Dingen so herzlichen Anteil nimmst, was wird es dir f¸r ein Schauspiel sein, wenn du das Gl¸ck, das mutige Unternehmungen begleitet, vor deinen Augen den Menschen wirst gew‰hrt sehen! Was ist reizender als der Anblick eines Schiffes, das von einer gl¸cklichen Fahrt wieder anlangt, das von einem reichen Fange fr¸hzeitig zur¸ckkehrt! Nicht der Verwandte, der Bekannte, der Teilnehmer allein, ein jeder fremde Zuschauer wird hingerissen, wenn er die Freude sieht, mit welcher der eingesperrte Schiffer ans Land springt, noch ehe sein Fahrzeug es ganz ber¸hrt, sich wieder frei f¸hlt und nunmehr das, was er dem falschen Wasser entzogen, der getreuen Erde anvertrauen kann. Nicht in Zahlen allein, mein Freund, erscheint uns der Gewinn; das Gl¸ck ist die Gˆttin der lebendigen Menschen, und um ihre Gunst wahrhaft zu empfinden, mufl man leben und Menschen sehen, die sich recht lebendig bem¸hen und recht sinnlich genieflen.”

I. Buch, 11. Kapitel

Elftes Kapitel

Es ist nun Zeit, dafl wir auch die V‰ter unsrer beiden Freunde n‰her kennenlernen; ein paar M‰nner von sehr verschiedener Denkungsart, deren Gesinnungen aber darin ¸bereinkamen, dafl sie den Handel f¸r das edelste Gesch‰ft hielten und beide hˆchst aufmerksam auf jeden Vorteil waren, den ihnen irgend eine Spekulation bringen konnte. Der alte Meister hatte gleich nach dem Tode seines Vaters eine kostbare Sammlung von Gem‰lden, Zeichnungen, Kupferstichen und Antiquit‰ten ins Geld gesetzt, sein Haus nach dem neuesten Geschmacke von Grund aus aufgebaut und mˆbliert und sein ¸briges Vermˆgen auf alle mˆgliche Weise gelten gemacht. Einen ansehnlichen Teil davon hatte er dem alten Werner in die Handlung gegeben, der als ein t‰tiger Handelsmann ber¸hmt war und dessen Spekulationen gewˆhnlich durch das Gl¸ck beg¸nstigt wurden. Nichts w¸nschte aber der alte Meister so sehr, als seinem Sohne Eigenschaften zu geben, die ihm selbst fehlten, und seinen Kindern G¸ter zu hinterlassen, auf deren Besitz er den grˆflten Wert legte. Zwar empfand er eine besondere Neigung zum Pr‰chtigen, zu dem, was in die Augen f‰llt, das aber auch zugleich einen innern Wert und eine Dauer haben sollte. In seinem Hause muflte alles solid und massiv sein, der Vorrat reichlich, das Silbergeschirr schwer, das Tafelservice kostbar; dagegen waren die G‰ste selten, denn eine jede Mahlzeit ward ein Fest, das sowohl wegen der Kosten als wegen der Unbequemlichkeit nicht oft wiederholt werden konnte. Sein Haushalt ging einen gelassenen und einfˆrmigen Schritt, und alles, was sich darin bewegte und erneuerte, war gerade das, was niemandem einigen Genufl gab.

Ein ganz entgegengesetztes Leben f¸hrte der alte Werner in einem dunkeln und finstern Hause. Hatte er seine Gesch‰fte in der engen Schreibstube am uralten Pulte vollendet, so wollte er gut essen und womˆglich noch besser trinken, auch konnte er das Gute nicht allein genieflen: neben seiner Familie muflte er seine Freunde, alle Fremden, die nur mit seinem Hause in einiger Verbindung standen, immer bei Tische sehen; seine St¸hle waren uralt, aber er lud t‰glich jemanden ein, darauf zu sitzen. Die guten Speisen zogen die Aufmerksamkeit der G‰ste auf sich, und niemand bemerkte, dafl sie in gemeinem Geschirr aufgetragen wurden. Sein Keller hielt nicht viel Wein, aber der ausgetrunkene ward gewˆhnlich durch einen bessern ersetzt.

So lebten die beiden V‰ter, welche ˆfter zusammenkamen, sich wegen gemeinschaftlicher Gesch‰fte beratschlagten und eben heute die Versendung Wilhelms in Handelsangelegenheiten beschlossen.

“Er mag sich in der Welt umsehen”, sagte der alte Meister, “und zugleich unsre Gesch‰fte an fremden Orten betreiben; man kann einem jungen Menschen keine grˆflere Wohltat erweisen, als wenn man ihn zeitig in die Bestimmung seines Lebens einweiht. Ihr Sohn ist von seiner Expedition so gl¸cklich zur¸ckgekommen, hat seine Gesch‰fte so gut zu machen gewuflt, dafl ich recht neugierig bin, wie sich der meinige betr‰gt; ich f¸rchte, er wird mehr Lehrgeld geben als der Ihrige.”

Der alte Meister, welcher von seinem Sohne und dessen F‰higkeiten einen groflen Begriff hatte, sagte diese Worte in Hoffnung, dafl sein Freund ihm widersprechen und die vortrefflichen Gaben des jungen Mannes herausstreichen sollte. Allein hierin betrog er sich; der alte Werner, der in praktischen Dingen niemandem traute als dem, den er gepr¸ft hatte, versetzte gelassen: “Man mufl alles versuchen; wir kˆnnen ihn ebendenselben Weg schicken, wir geben ihm eine Vorschrift, wonach er sich richtet; es sind verschiedene Schulden einzukassieren, alte Bekanntschaften zu erneuern, neue zu machen. Er kann auch die Spekulation, mit der ich Sie neulich unterhielt, befˆrdern helfen; denn ohne genaue Nachrichten an Ort und Stelle zu sammeln, l‰flt sich dabei wenig tun.”

“Er mag sich vorbereiten”, versetzte der alte Meister, “und so bald als mˆglich aufbrechen. Wo nehmen wir ein Pferd f¸r ihn her, das sich zu dieser Expedition schickt?”

“Wir werden nicht weit danach suchen. Ein Kr‰mer in H***, der uns noch einiges schuldig, aber sonst ein guter Mann ist, hat mir eins an Zahlungs Statt angeboten; mein Sohn kennt es, es soll ein recht brauchbares Tier sein.”

“Er mag es selbst holen, mag mit dem Postwagen hin¸berfahren, so ist er ¸bermorgen beizeiten wieder da, man macht ihm indessen den Mantelsack und die Briefe zurechte, und so kann er zu Anfang der k¸nftigen Woche aufbrechen.”

Wilhelm wurde gerufen, und man machte ihm den Entschlufl bekannt. Wer war froher als er, da er die Mittel zu seinem Vorhaben in seinen H‰nden sah, da ihm die Gelegenheit ohne sein Mitwirken zubereitet worden! So grofl war seine Leidenschaft, so rein seine ‹berzeugung, er handle vollkommen recht, sich dem Drucke seines bisherigen Lebens zu entziehen und einer neuen, edlern Bahn zu folgen, dafl sein Gewissen sich nicht im mindesten regte, keine Sorge in ihm entstand, ja dafl er vielmehr diesen Betrug f¸r heilig hielt. Er war gewifl, dafl ihn Eltern und Verwandte in der Folge f¸r diesen Schritt preisen und segnen sollten, er erkannte den Wink eines leitenden Schicksals an diesen zusammentreffenden Umst‰nden.

Wie lang ward ihm die Zeit bis zur Nacht, bis zur Stunde, in der er seine Geliebte wiedersehen sollte! Er safl auf seinem Zimmer und ¸berdachte seinen Reiseplan, wie ein k¸nstlicher Dieb oder Zauberer in der Gefangenschaft manchmal die F¸fle aus den festgeschlossenen Ketten herauszieht, um die ‹berzeugung bei sich zu n‰hren, dafl seine Rettung mˆglich, ja noch n‰her sei, als kurzsichtige W‰chter glauben.

Endlich schlug die n‰chtliche Stunde; er entfernte sich aus seinem Hause, sch¸ttelte allen Druck ab und wandelte durch die stillen Gassen. Auf dem groflen Platze hub er seine H‰nde gen Himmel, f¸hlte alles hinter und unter sich; er hatte sich von allem losgemacht. Nun dachte er sich in den Armen seiner Geliebten, dann wieder mit ihr auf dem blendenden Theaterger¸ste, er schwebte in einer F¸lle von Hoffnungen, und nur manchmal erinnerte ihn der Ruf des Nachtw‰chters, dafl er noch auf dieser Erde wandle.

Seine Geliebte kam ihm an der Treppe entgegen, und wie schˆn! wie lieblich! In dem neuen weiflen NegligË empfing sie ihn, er glaubte sie noch nie so reizend gesehen zu haben. So weihte sie das Geschenk des abwesenden Liebhabers in den Armen des gegenw‰rtigen ein, und mit wahrer Leidenschaft verschwendete sie den ganzen Reichtum ihrer Liebkosungen, welche ihr die Natur eingab, welche die Kunst sie gelehrt hatte, an ihren Liebling, und man frage, ob er sich gl¸cklich, ob er sich selig f¸hlte.

Er entdeckte ihr, was vorgegangen war, und liefl ihr im allgemeinen seinen Plan, seine W¸nsche sehen. Er wolle unterzukommen suchen, sie alsdann abholen, er hoffe, sie werde ihm ihre Hand nicht versagen. Das arme M‰dchen aber schwieg, verbarg ihre Tr‰nen und dr¸ckte den Freund an ihre Brust, der, ob er gleich ihr Verstummen auf das g¸nstigste auslegte, doch eine Antwort gew¸nscht h‰tte, besonders da er sie zuletzt auf das bescheidenste, auf das freundlichste fragte, ob er sich denn nicht Vater glauben d¸rfe. Aber auch darauf antwortete sie nur mit einem Seufzer, einem Kusse.

I. Buch, 12. Kapitel

Zwˆlftes Kapitel

Den andern Morgen erwachte Mariane nur zu neuer Betr¸bnis; sie fand sich sehr allein, mochte den Tag nicht sehen, blieb im Bette und weinte. Die Alte setzte sich zu ihr, suchte ihr einzureden, sie zu trˆsten; aber es gelang ihr nicht, das verwundete Herz so schnell zu heilen. Nun war der Augenblick nahe, dem das arme M‰dchen wie dem letzten ihres Lebens entgegengesehen hatte. Konnte man sich auch in einer ‰ngstlichern Lage f¸hlen? Ihr Geliebter entfernte sich, ein unbequemer Liebhaber drohte zu kommen, und das grˆflte Unheil stand bevor, wenn beide, wie es leicht mˆglich war, einmal zusammentreffen sollten.

“Beruhige dich, Liebchen”, rief die Alte, “verweine mir deine schˆnen Augen nicht! Ist es denn ein so grofles Ungl¸ck, zwei Liebhaber zu besitzen? Und wenn du auch deine Z‰rtlichkeit nur dem einen schenken kannst, so sei wenigstens dankbar gegen den andern, der, nach der Art, wie er f¸r dich sorgt, gewifl dein Freund genannt zu werden verdient.”

“Es ahnte meinem Geliebten”, versetzte Mariane dagegen mit Tr‰nen, “dafl uns eine Trennung bevorstehe; ein Traum hat ihm entdeckt, was wir ihm so sorgf‰ltig zu verbergen suchen. Er schlief so ruhig an meiner Seite. Auf einmal hˆre ich ihn ‰ngstliche, unvernehmliche Tˆne stammeln. Mir wird bange, und ich wecke ihn auf. Ach! mit welcher Liebe, mit welcher Z‰rtlichkeit, mit welchem Feuer umarmt’ er mich! “O Mariane!” rief er aus, “welchem schrecklichen Zustande hast du mich entrissen! Wie soll ich dir danken, dafl du mich aus dieser Hˆlle befreit hast? Mir tr‰umte”, fuhr er fort, “ich bef‰nde mich, entfernt von dir, in einer unbekannten Gegend; aber dein Bild schwebte mir vor; ich sah dich auf einem schˆnen H¸gel, die Sonne beschien den ganzen Platz; wie reizend kamst du mir vor! Aber es w‰hrte nicht lange, so sah ich dein Bild hinuntergleiten, immer hinuntergleiten; ich streckte meine Arme nach dir aus, sie reichten nicht durch die Ferne. Immer sank dein Bild und n‰herte sich einem groflen See, der am Fufle des H¸gels weit ausgebreitet lag, eher ein Sumpf als ein See. Auf einmal gab dir ein Mann die Hand; er schien dich hinauff¸hren zu wollen, aber leitete dich seitw‰rts und schien dich nach sich zu ziehen. Ich rief, da ich dich nicht erreichen konnte, ich hoffte dich zu warnen. Wollte ich gehen, so schien der Boden mich festzuhalten; konnt ich gehen, so hinderte mich das Wasser, und sogar mein Schreien erstickte in der beklemmten Brust.”–So erz‰hlte der Arme, indem er sich von seinem Schrecken an meinem Busen erholte und sich gl¸cklich pries, einen f¸rchterlichen Traum durch die seligste Wirklichkeit verdr‰ngt zu sehen.”

Die Alte suchte soviel mˆglich durch ihre Prose die Poesie ihrer Freundin ins Gebiet des gemeinen Lebens herunterzulocken und bediente sich dabei der guten Art, welche Vogelstellern zu gelingen pflegt, indem sie durch ein Pfeifchen die Tˆne derjenigen nachzuahmen suchen, welche sie bald und h‰ufig in ihrem Garne zu sehen w¸nschen. Sie lobte Wilhelmen, r¸hmte seine Gestalt, seine Augen, seine Liebe. Das arme M‰dchen hˆrte ihr gerne zu, stand auf, liefl sich ankleiden und schien ruhiger. “Mein Kind, mein Liebchen”, fuhr die Alte schmeichelnd fort, “ich will dich nicht betr¸ben, nicht beleidigen, ich denke dir nicht dein Gl¸ck zu rauben. Darfst du meine Absicht verkennen, und hast du vergessen, dafl ich jederzeit mehr f¸r dich als f¸r mich gesorgt habe? Sag mir nur, was du willst; wir wollen schon sehen, wie wir es ausf¸hren.”

“Was kann ich wollen?” versetzte Mariane; “ich bin elend, auf mein ganzes Leben elend; ich liebe ihn, der mich liebt, sehe, dafl ich mich von ihm trennen mufl, und weifl nicht, wie ich es ¸berleben kann. Norberg kommt, dem wir unsere ganze Existenz schuldig sind, den wir nicht entbehren kˆnnen. Wilhelm ist sehr eingeschr‰nkt, er kann nichts f¸r mich tun.”

“Ja, er ist ungl¸cklicherweise von jenen Liebhabern, die nichts als ihr Herz bringen, und eben diese haben die meisten Pr‰tensionen.”

“Spotte nicht! Der Ungl¸ckliche denkt sein Haus zu verlassen, auf das Theater zu gehen, mir seine Hand anzubieten.”

“Leere H‰nde haben wir schon viere.”

“Ich habe keine Wahl”, fuhr Mariane fort, “entscheide du! Stofle mich da oder dorthin, nur wisse noch eins: wahrscheinlich trag ich ein Pfand im Busen, das uns noch mehr aneinanderfesseln sollte; das bedenke und entscheide: wen soll ich lassen? Wem soll ich folgen?”

Nach einigem Stillschweigen rief die Alte: “Dafl doch die Jugend immer zwischen den Extremen schwankt! Ich finde nichts nat¸rlicher, als alles zu verbinden, was uns Vergn¸gen und Vorteil bringt. Liebst du den einen, so mag der andere bezahlen; es kommt nur darauf an, dafl wir klug genug sind, sie beide auseinanderzuhalten.”

“Mache, was du willst, ich kann nichts denken; aber folgen will ich.”

“Wir haben den Vorteil, dafl wir den Eigensinn des Direktors, der auf die Sitten seiner Truppe stolz ist, vorsch¸tzen kˆnnen. Beide Liebhaber sind schon gewohnt, heimlich und vorsichtig zu Werke zu gehen. F¸r Stunde und Gelegenheit will ich sorgen; nur muflt du hernach die Rolle spielen, die ich dir vorschreibe. Wer weifl, welcher Umstand uns hilft. K‰me Norberg nur jetzt, da Wilhelm entfernt ist! Wer wehrt dir, in den Armen des einen an den andern zu denken? Ich w¸nsche dir zu einem Sohne Gl¸ck; er soll einen reichen Vater haben.”

Mariane war durch diese Vorstellungen nur f¸r kurze Zeit gebessert. Sie konnte ihren Zustand nicht in Harmonie mit ihrer Empfindung, ihrer ‹berzeugung bringen; sie w¸nschte diese schmerzlichen Verh‰ltnisse zu vergessen, und tausend kleine Umst‰nde muflten sie jeden Augenblick daran erinnern.

I. Buch, 13. Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Wilhelm hatte indessen die kleine Reise vollendet und ¸berreichte, da er seinen Handelsfreund nicht zu Hause fand, das Empfehlungsschreiben der Gattin des Abwesenden. Aber auch diese gab ihm auf seine Fragen wenig Bescheid; sie war in einer heftigen Gem¸tsbewegung und das ganze Haus in grofler Verwirrung.

Es w‰hrte jedoch nicht lange, so vertraute sie ihm (und es war auch nicht zu verheimlichen), dafl ihre Stieftochter mit einem Schauspieler davongegangen sei, mit einem Menschen, der sich von einer kleinen Gesellschaft vor kurzem losgemacht, sich im Orte aufgehalten und im Franzˆsischen Unterricht gegeben habe. Der Vater, aufler sich vor Schmerz und Verdrufl, sei ins Amt gelaufen, um die Fl¸chtigen verfolgen zu lassen. Sie schalt ihre Tochter heftig, schm‰hte den Liebhaber, so dafl an beiden nichts Lobensw¸rdiges ¸brigblieb, beklagte mit vielen Worten die Schande, die dadurch auf die Familie gekommen, und setzte Wilhelmen in nicht geringe Verlegenheit, der sich und sein heimliches Vorhaben durch diese Sibylle gleichsam mit prophetischem Geiste voraus getadelt und gestraft f¸hlte. Noch st‰rkern und innigern Anteil muflte er aber an den Schmerzen des Vaters nehmen, der aus dem Amte zur¸ckkam, mit stiller Trauer und halben Worten seine Expedition der Frau erz‰hlte und, indem er nach eingesehenem Briefe das Pferd Wilhelmen vorf¸hren liefl, seine Zerstreuung und Verwirrung nicht verbergen konnte.

Wilhelm gedachte sogleich das Pferd zu besteigen und sich aus einem Hause zu entfernen, in welchem ihm unter den gegebenen Umst‰nden unmˆglich wohl werden konnte; allein der gute Mann wollte den Sohn eines Hauses, dem er so viel schuldig war, nicht unbewirtet und ohne ihn eine Nacht unter seinem Dache behalten zu haben, entlassen.

Unser Freund hatte ein trauriges Abendessen eingenommen, eine unruhige Nacht ausgestanden und eilte fr¸hmorgens, so bald als mˆglich sich von Leuten zu entfernen, die, ohne es zu wissen, ihn mit ihren Erz‰hlungen und ƒuflerungen auf das empfindlichste gequ‰lt hatten.

Er ritt langsam und nachdenkend die Strafle hin, als er auf einmal eine Anzahl bewaffneter Leute durchs Feld kommen sah, die er an ihren weiten und langen Rˆcken, groflen Aufschl‰gen, unfˆrmlichen H¸ten und plumpen Gewehren, an ihrem treuherzigen Gange und dem bequemen Tragen ihres Kˆrpers sogleich f¸r ein Kommando Landmiliz erkannte. Unter einer alten Eiche hielten sie stille, setzten ihre Flinten nieder und lagerten sich bequem auf dem Rasen, um eine Pfeife zu rauchen. Wilhelm verweilte bei ihnen und liefl sich mit einem jungen Menschen, der zu Pferde herbeikam, in ein Gespr‰ch ein. Er muflte die Geschichte der beiden Entflohenen, die ihm nur zu sehr bekannt war, leider noch einmal, und zwar mit Bemerkungen, die weder dem jungen Paare noch den Eltern sonderlich g¸nstig waren, vernehmen. Zugleich erfuhr er, dafl man hierher gekommen sei, die jungen Leute wirklich in Empfang zu nehmen, die in dem benachbarten St‰dtchen eingeholt und angehalten worden waren. Nach einiger Zeit sah man von ferne einen Wagen herbeikommen, der von einer B¸rgerwache mehr l‰cherlich als f¸rchterlich umgeben war. Ein unfˆrmlicher Stadtschreiber ritt voraus und komplimentierte mit dem gegenseitigem Aktuarius (denn das war der junge Mann, mit dem Wilhelm gesprochen hatte) an der Grenze mit grofler Gewissenhaftigkeit und wunderlichen Geb‰rden, wie es etwa Geist und Zauberer, der eine inner-, der andere auflerhalb des Kreises, bei gef‰hrlichen n‰chtlichen Operationen tun mˆgen.

Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war indes auf den Bauerwagen gerichtet, und man betrachtete die armen Verirrten nicht ohne Mitleiden, die auf ein paar B¸ndeln Stroh beieinander saflen, sich z‰rtlich anblickten und die Umstehenden kaum zu bemerken schienen. Zuf‰lligerweise hatte man sich genˆtigt gesehen, sie von dem letzten Dorfe auf eine so unschickliche Art fortzubringen, indem die alte Kutsche, in welcher man die Schˆne transportierte, zerbrochen war. Sie erbat sich bei dieser Gelegenheit die Gesellschaft ihres Freundes, den man, in der ‹berzeugung, er sei auf einem kapitalen Verbrechen betroffen, bis dahin mit Ketten beschwert nebenhergehen lassen. Diese Ketten trugen denn freilich nicht wenig bei, den Anblick der z‰rtlichen Gruppe interessanter zu machen, besonders weil der junge Mann sie mit vielem Anstand bewegte, indem er wiederholt seiner Geliebten die H‰nde k¸flte.

“Wir sind sehr ungl¸cklich!” rief sie den Umstehenden zu; “aber nicht so schuldig, wie wir scheinen. So belohnen grausame Menschen treue Liebe, und Eltern, die das Gl¸ck ihrer Kinder g‰nzlich vernachl‰ssigen, reiflen sie mit Ungest¸m aus den Armen der Freude, die sich ihrer nach langen, tr¸ben Tagen bem‰chtigte!”

Indes die Umstehenden auf verschiedene Weise ihre Teilnahme zu erkennen gaben, hatten die Gerichte ihre Zeremonien absolviert; der Wagen ging weiter, und Wilhelm, der an dem Schicksal der Verliebten groflen Teil nahm, eilte auf dem Fuflpfade voraus, um mit dem Amtmanne, noch ehe der Zug ank‰me, Bekanntschaft zu machen. Er erreichte aber kaum das Amthaus, wo alles in Bewegung und zum Empfang der Fl¸chtlinge bereit war, als ihn der Aktuarius einholte und durch eine umst‰ndliche Erz‰hlung, wie alles gegangen, besonders aber durch ein weitl‰ufiges Lob seines Pferdes, das er erst gestern vom Juden getauscht, jedes andere Gespr‰ch verhinderte.

Schon hatte man das ungl¸ckliche Paar auflen am Garten, der durch eine kleine Pforte mit dem Amthause zusammenhing, abgesetzt und sie in der Stille hineingef¸hrt. Der Aktuarius nahm ¸ber diese schonende Behandlung von Wilhelmen ein aufrichtiges Lob an, ob er gleich eigentlich dadurch nur das vor dem Amthause versammelte Volk necken und ihm das angenehme Schauspiel einer gedem¸tigten Mitb¸rgerin entziehen wollte.

Der Amtmann, der von solchen auflerordentlichen F‰llen kein sonderlicher Liebhaber war, weil er meistenteils dabei einen und den andern Fehler machte und f¸r den besten Willen gewˆhnlich von f¸rstlicher Regierung mit einem derben Verweise belohnt wurde, ging mit schweren Schritten nach der Amtsstube, wohin ihm der Aktuarius, Wilhelm und einige angesehene B¸rger folgten.

Zuerst ward die Schˆne vorgef¸hrt, die, ohne Frechheit, gelassen und mit Bewufltsein ihrer selbst hereintrat. Die Art, wie sie gekleidet war und sich ¸berhaupt betrug, zeigte, dafl sie ein M‰dchen sei, die etwas auf sich halte. Sie fing auch, ohne gefragt zu werden, ¸ber ihren Zustand nicht unschicklich zu reden an.

Der Aktuarius gebot ihr zu schweigen und hielt seine Feder ¸ber dem gebrochenen Blatte. Der Amtmann setzte sich in Fassung, sah ihn an, r‰usperte sich und fragte das arme Kind, wie ihr Name heifle und wie alt sie sei.

“Ich bitte Sie, mein Herr”, versetzte sie, “es mufl mir gar wunderbar vorkommen, dafl Sie mich um meinen Namen und mein Alter fragen, da Sie sehr gut wissen, wie ich heifle und dafl ich so alt wie Ihr ‰ltester Sohn bin. Was Sie von mir wissen wollen und was Sie wissen m¸ssen, will ich gern ohne Umschweife sagen.

Seit meines Vaters zweiter Heirat werde ich zu Hause nicht zum besten gehalten. Ich h‰tte einige h¸bsche Partien tun kˆnnen, wenn nicht meine Stiefmutter aus Furcht vor der Ausstattung sie zu vereiteln gewuflt h‰tte. Nun habe ich den jungen Melina kennenlernen, ich habe ihn lieben m¸ssen, und da wir die Hindernisse voraussahen, die unserer Verbindung im Wege stunden, entschlossen wir uns, miteinander in der weiten Welt ein Gl¸ck zu suchen, das uns zu Hause nicht gew‰hrt schien. Ich habe nichts mitgenommen, als was mein eigen war; wir sind nicht als Diebe und R‰uber entflohen, und mein Geliebter verdient nicht, dafl er mit Ketten und Banden belegt herumgeschleppt werde. Der F¸rst ist gerecht, er wird diese H‰rte nicht billigen. Wenn wir strafbar sind, so sind wir es nicht auf diese Weise.”

Der alte Amtmann kam hier¸ber doppelt und dreifach in Verlegenheit. Die gn‰digsten Ausputzer summten ihm schon um den Kopf, und die gel‰ufige Rede des M‰dchens hatte ihm den Entwurf des Protokolls g‰nzlich zerr¸ttet. Das ‹bel wurde noch grˆfler, als sie bei wiederholten ordentlichen Fragen sich nicht weiter einlassen wollte, sondern sich auf das, was sie eben gesagt, standhaft berief.

“Ich bin keine Verbrecherin”, sagte sie. “Man hat mich auf Strohb¸ndeln zur Schande hierhergef¸hrt; es ist eine hˆhere Gerechtigkeit, die uns wieder zu Ehren bringen soll.”

Der Aktuarius hatte indessen immer ihre Worte nachgeschrieben und fl¸sterte dem Amtmanne zu: er solle nur weitergehen; ein fˆrmliches Protokoll w¸rde sich nachher schon verfassen lassen.

Der Alte nahm wieder Mut und fing nun an, nach den s¸flen Geheimnissen der Liebe mit d¸rren Worten und in hergebrachten, trockenen Formeln sich zu erkundigen.

Wilhelmen stieg die Rˆte ins Gesicht, und die Wangen der artigen Verbrecherin belebten sich gleichfalls durch die reizende Farbe der Schamhaftigkeit. Sie schwieg und stockte, bis die Verlegenheit selbst zuletzt ihren Mut zu erhˆhen schien.

“Seien Sie versichert”, rief sie aus, “dafl ich stark genug seien w¸rde, die Wahrheit zu bekennen, wenn ich auch gegen mich selbst sprechen m¸flte; sollte ich nun zaudern und stocken, da sie mir Ehre macht? Ja, ich habe ihn von dem Augenblicke an, da ich seiner Neigung und seiner Treue gewifl war, als meinen Ehemann angesehen; ich habe ihm alles gerne gegˆnnt, was die Liebe fordert und was ein ¸berzeugtes Herz nicht versagen kann. Machen Sie nun mit mir, was Sie wollen. Wenn ich einen Augenblick zu gestehen zauderte, so war die Furcht, dafl mein Bekenntnis f¸r meinen Geliebten schlimme Folgen haben kˆnnte, allein daran Ursache.”

Wilhelm faflte, als er ihr Gest‰ndnis hˆrte, einen hohen Begriff von den Gesinnungen des M‰dchens, indes sie die Gerichtspersonen f¸r eine freche Dirne erkannten und die gegenw‰rtigen B¸rger Gott dankten, dafl dergleichen F‰lle in ihren Familien entweder nicht vorgekommen oder nicht bekannt geworden waren.

Wilhelm versetzte seine Mariane in diesem Augenblicke vor den Richterstuhl, legte ihr noch schˆnere Worte in den Mund, liefl ihre Aufrichtigkeit noch herzlicher und ihr Bekenntnis noch edler werden. Die heftigste Leidenschaft, beiden Liebenden zu helfen, bem‰chtigte sich seiner. Er verbarg sie nicht und bat den zaudernden Amtmann heimlich, er mˆchte doch der Sache ein Ende machen, es sei ja alles so klar als mˆglich und bed¸rfe keiner weitern Untersuchung.

Dieses half so viel, dafl man das M‰dchen abtreten, daf¸r aber den jungen Menschen, nachdem man ihm vor der T¸re die Fesseln abgenommen hatte, hereinkommen liefl. Dieser schien ¸ber sein Schicksal mehr nachdenkend. Seine Antworten waren gesetzter, und wenn er von einer Seite weniger heroische Freim¸tigkeit zeigte, so empfahl er sich hingegen durch Bestimmtheit und Ordnung seiner Aussage.

Da auch dieses Verhˆr geendiget war, welches mit dem vorigen in allem ¸bereinstimmte, nur dafl er, um das M‰dchen zu schonen, hartn‰ckig leugnete, was sie selbst schon bekannt hatte, liefl man auch sie endlich wieder vortreten, und es entstand zwischen beiden eine Szene, welche ihnen das Herz unsers Freundes g‰nzlich zu eigen machte.

Was nur in Romanen und Komˆdien vorzugehen pflegt, sah er hier in einer unangenehmen Gerichtsstube vor seinen Augen: den Streit wechselseitiger Groflmut, die St‰rke der Liebe im Ungl¸ck.

“Ist es denn also wahr”, sagte er bei sich selbst, “dafl die sch¸chterne Z‰rtlichkeit, die vor dem Auge der Sonne und der Menschen sich verbirgt und nur in abgesonderter Einsamkeit, in tiefem Geheimnisse zu genieflen wagt, wenn sie durch einen feindseligen Zufall hervorgeschleppt wird, sich alsdann mutiger, st‰rker, tapferer zeigt als andere, brausende und grofltuende Leidenschaften?”

Zu seinem Troste schlofl sich die ganze Handlung noch ziemlich bald. Sie wurden beide in leidliche Verwahrung genommen, und wenn es mˆglich gewesen w‰re, so h‰tte er noch diesen Abend das Frauenzimmer zu ihren Eltern hin¸bergebracht. Denn er setzte sich fest vor, hier ein Mittelsmann zu werden und die gl¸ckliche und anst‰ndige Verbindung beider Liebenden zu befˆrdern.

Er erbat sich von dem Amtmanne die Erlaubnis, mit Melina allein zu reden, welche ihm denn auch ohne Schwierigkeit verstattet wurde.

I. Buch, 14. Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Das Gespr‰ch der beiden neuen Bekannten wurde gar bald vertraut und lebhaft. Denn als Wilhelm dem niedergeschlagnen J¸ngling sein Verh‰ltnis zu den Eltern des Frauenzimmers entdeckte, sich zum Mittler anbot und selbst die besten Hoffnungen zeigte, erheiterte sich das traurige und sorgenvolle Gem¸t des Gefangnen, er f¸hlte sich schon wieder befreit, mit seinen Schwiegereltern versˆhnt, und es war nun von k¸nftigem Erwerb und Unterkommen die Rede.

“Dar¸ber werden Sie doch nicht in Verlegenheit sein”, versetzte Wilhelm; “denn Sie scheinen mir beiderseits von der Natur bestimmt, in dem Stande, den Sie gew‰hlt haben, Ihr Gl¸ck zu machen. Eine angenehme Gestalt, eine wohlklingende Stimme, ein gef¸hlvolles Herz! Kˆnnen Schauspieler besser ausgestattet sein? Kann ich Ihnen mit einigen Empfehlungen dienen, so wird es mir viel Freude machen.”

“Ich danke Ihnen von Herzen”, versetzte der andere; “aber ich werde wohl schwerlich davon Gebrauch machen kˆnnen, denn ich denke, wo mˆglich nicht auf das Theater zur¸ckzukehren.”

“Daran tun Sie sehr ¸bel”, sagte Wilhelm nach einer Pause, in welcher er sich von seinem Erstaunen erholt hatte; denn er dachte nicht anders, als dafl der Schauspieler, sobald er mit seiner jungen Gattin befreit worden, das Theater aufsuchen werde. Es schien ihm ebenso nat¸rlich und notwendig, als dafl der Frosch das Wasser sucht. Nicht einen Augenblick hatte er daran gezweifelt und muflte nun zu seinem Erstaunen das Gegenteil erfahren.

“Ja”, versetzte der andere, “ich habe mir vorgenommen, nicht wieder auf das Theater zur¸ckzukehren, vielmehr eine b¸rgerliche Bedienung, sie sei auch, welche sie wolle, anzunehmen, wenn ich nur eine erhalten kann.”

“Das ist ein sonderbarer Entschlufl, den ich nicht billigen kann; denn ohne besondere Ursache ist es niemals ratsam, die Lebensart, die man ergriffen hat, zu ver‰ndern, und ¸berdies w¸flte ich keinen Stand, der so viel Annehmlichkeiten, so viel reizende Aussichten darbˆte, als den eines Schauspielers.”

“Man sieht, dafl Sie keiner gewesen sind”, versetzte jener.

Darauf sagte Wilhelm: “Mein Herr, wie selten ist der Mensch mit dem Zustande zufrieden, in dem er sich befindet! Er w¸nscht sich immer den seines N‰chsten, aus welchem sich dieser gleichfalls heraussehnt.”

“Indes bleibt doch ein Unterschied”, versetzte Melina, “zwischen dem Schlimmen und dem Schlimmern; Erfahrung, nicht Ungeduld macht mich so handeln. Ist wohl irgend ein St¸ckchen Brot k¸mmerlicher, unsicherer und m¸hseliger in der Welt? Beinahe w‰re es ebensogut, vor den T¸ren zu betteln. Was hat man von dem Neide seiner Mitgenossen und der Parteilichkeit des Direktors, von der ver‰nderlichen Laune des Publikums auszustehen! Wahrhaftig, man mufl ein Fell haben wie ein B‰r, der in Gesellschaft von Affen und Hunden an der Kette herumgef¸hrt und gepr¸gelt wird, um bei dem Tone eines Dudelsacks vor Kindern und Pˆbel zu tanzen.”

Wilhelm dachte allerlei bei sich selbst, was er jedoch dem guten Menschen nicht ins Gesicht sagen wollte. Er ging also nur von ferne mit dem Gespr‰ch um ihn herum. Jener liefl sich desto aufrichtiger und weitl‰ufiger heraus.–“T‰te es nicht not”, sagte er, “dafl ein Direktor jedem Stadtrate zu F¸flen fiele, um nur die Erlaubnis zu haben, vier Wochen zwischen der Messe ein paar Groschen mehr an einem Orte zirkulieren zu lassen. Ich habe den unsrigen, der soweit ein guter Mann war, oft bedauert, wenn er mir gleich zu anderer Zeit Ursache zu Miflvergn¸gen gab. Ein guter Akteur steigert ihn, die schlechten kann er nicht loswerden; und wenn er seine Einnahme einigermaflen der Ausgabe gleichsetzen will, so ist es dem Publikum gleich zuviel, das Haus steht leer, und man mufl, um nur nicht gar zugrunde zu gehen, mit Schaden und Kummer spielen. Nein, mein Herr! da Sie sich unsrer, wie Sie sagen, annehmen mˆgen, so bitte ich Sie, sprechen Sie auf das ernstlichste mit den Eltern meiner Geliebten! Man versorge mich hier, man gebe mir einen kleinen Schreiber- oder Einnehmerdienst, und ich will mich gl¸cklich sch‰tzen.”

Nachdem sie noch einige Worte gewechselt hatten, schied Wilhelm mit dem Versprechen, morgen ganz fr¸h die Eltern anzugehen und zu sehen, was er ausrichten kˆnne. Kaum war er allein, so muflte er sich in folgenden Ausrufungen Luft machen: “Ungl¸cklicher Melina, nicht in deinem Stande, sondern in dir liegt das Armselige, ¸ber das du nicht Herr werden kannst! Welcher Mensch in der Welt, der ohne innern Beruf ein Handwerk, eine Kunst oder irgendeine Lebensart ergriffe, m¸flte nicht wie du seinen Zustand unertr‰glich finden? Wer mit einem Talente zu einem Talente geboren ist, findet in demselben sein schˆnstes Dasein! Nichts ist auf der Erde ohne Beschwerlichkeit! Nur der innere Trieb, die Lust, die Liebe helfen uns Hindernisse ¸berwinden, Wege bahnen und uns aus dem engen Kreise, worin sich andere k¸mmerlich ab‰ngstigen, emporheben. Dir sind die Bretter nichts als Bretter, und die Rollen, was einem Schulknaben sein Pensum ist. Die Zuschauer siehst du an, wie sie sich selbst an Werkeltagen vorkommen. Dir kˆnnte es also freilich einerlei sein, hinter einem Pult ¸ber linierten B¸chern zu sitzen, Zinsen einzutragen und Reste herauszustochern. Du f¸hlst nicht das zusammenbrennende, zusammentreffende Ganze, das allein durch den Geist erfunden, begriffen und ausgef¸hrt wird; du f¸hlst nicht, dafl in den Menschen ein besserer Funke lebt, der, wenn er keine Nahrung erh‰lt, wenn er nicht geregt wird, von der Asche t‰glicher Bed¸rfnisse und Gleichg¸ltigkeit tiefer bedeckt und doch so sp‰t und fast nie erstickt wird. Du f¸hlst in deiner Seele keine Kraft, ihn aufzublasen, in deinem eignen Herzen keinen Reichtum, um dem Erweckten Nahrung zu geben. Der Hunger treibt dich, die Unbequemlichkeiten sind dir zuwider, und es ist dir verborgen, dafl in jedem Stande diese Feinde lauern, die nur mit Freudigkeit und Gleichmut zu ¸berwinden sind. Du tust wohl, dich in jene Grenzen einer gemeinen Stelle zu sehnen; denn welche w¸rdest du wohl ausf¸llen, die Geist und Mut verlangt! Gib einem Soldaten, einem Staatsmanne, einem Geistlichen deine Gesinnungen, und mit ebensoviel Recht wird er sich ¸ber das K¸mmerliche seines Standes beschweren kˆnnen. Ja, hat es nicht sogar Menschen gegeben, die von allem Lebensgef¸hl so ganz verlassen waren, dafl sie das ganze Leben und Wesen der Sterblichen f¸r ein Nichts, f¸r ein kummervolles und staubgleiches Dasein erkl‰rt haben? Regten sich lebendig in deiner Seele die Gestalten wirkender Menschen, w‰rmte deine Brust ein teilnehmendes Feuer, verbreitete sich ¸ber deine ganze Gestalt die Stimmung, die aus dem Innersten kommt, w‰ren die Tˆne deiner Kehle, die Worte deiner Lippen lieblich anzuhˆren, f¸hltest du dich genug in dir selbst, so w¸rdest du dir gewifl Ort und Gelegenheit aufsuchen, dich in andern f¸hlen zu kˆnnen.”

Unter solchen Worten und Gedanken hatte sich unser Freund ausgekleidet und stieg mit einem Gef¸hle des innigsten Behagens zu Bette. Ein ganzer Roman, was er an der Stelle des Unw¸rdigen morgenden Tages tun w¸rde, entwickelte sich in seiner Seele, angenehme Phantasien begleiteten ihn in das Reich des Schlafes sanft hin¸ber und ¸berlieflen ihn dort ihren Geschwistern, den Tr‰umen, die ihn mit offenen Armen aufnahmen und das ruhende Haupt unsers Freundes mit dem Vorbilde des Himmels umgaben.

Am fr¸hen Morgen war er schon wieder erwacht und dachte seiner vorstehenden Unterhandlung nach. Er kehrte in das Haus der verlassenen Eltern zur¸ck, wo man ihn mit Verwunderung aufnahm. Er trug sein Anbringen bescheiden vor und fand gar bald mehr und weniger Schwierigkeiten, als er vermutet hatte. Geschehen war es einmal, und wenngleich auflerordentlich strenge und harte Leute sich gegen das Vergangene und Nichtzu‰ndernde mit Gewalt zu setzen und das ‹bel dadurch zu vermehren pflegen, so hat dagegen das Geschehene auf die Gem¸ter der meisten eine unwiderstehliche Gewalt, und was unmˆglich schien, nimmt sogleich, als es geschehen ist, neben dem Gemeinen seinen Platz ein. Es war also bald ausgemacht, dafl der Herr Melina die Tochter heiraten sollte; dagegen sollte sie wegen ihrer Unart kein Heiratsgut mitnehmen und versprechen, das Verm‰chtnis einer Tante noch einige Jahre gegen geringe Interessen in des Vaters H‰nden zu lassen. Der zweite Punkt, wegen einer b¸rgerlichen Versorgung, fand schon grˆflere Schwierigkeiten. Man wollte das ungeratene Kind nicht vor Augen sehen, man wollte die Verbindung eines hergelaufenen Menschen mit einer so angesehenen Familie, welche sogar mit einem Superintendenten verwandt war, sich durch die Gegenwart nicht best‰ndig aufr¸cken lassen; man konnte ebensowenig hoffen, dafl die f¸rstlichen Kollegien ihm eine Stelle anvertrauen w¸rden. Beide Eltern waren gleich stark dagegen, und Wilhelm, der sehr eifrig daf¸r sprach, weil er dem Menschen, den er geringsch‰tzte, die R¸ckkehr auf das Theater nicht gˆnnte und ¸berzeugt war, dafl er eines solchen Gl¸ckes nicht wert sei, konnte mit allen seinen Argumenten nichts ausrichten. H‰tte er die geheimen Triebfedern gekannt, so w¸rde er sich die M¸he gar nicht gegeben haben, die Eltern ¸berreden zu wollen. Denn der Vater, der seine Tochter gerne bei sich behalten h‰tte, haflte den jungen Menschen, weil seine Frau selbst ein Auge auf ihn geworfen hatte, und diese konnte in ihrer Stieftochter eine gl¸ckliche Nebenbuhlerin nicht vor Augen leiden. Und so muflte Melina wider seinen Willen mit seiner jungen Braut, die schon grˆflere Lust bezeigte, die Welt zu sehen und sich der Welt sehen zu lassen, nach einigen Tagen abreisen, um bei irgendeiner Gesellschaft ein Unterkommen zu finden.

I. Buch, 15. Kapitel

F¸nfzehntes Kapitel

Gl¸ckliche Jugend! Gl¸ckliche Zeiten des ersten Liebesbed¸rfnisses! Der Mensch ist dann wie ein Kind, das sich am Echo stundenlang ergˆtzt, die Unkosten des Gespr‰ches allein tr‰gt und mit der Unterhaltung wohl zufrieden ist, wenn der unsichtbare Gegenpart auch nur die letzten Silben der ausgerufenen Worte wiederholt.

So war Wilhelm in den fr¸hern, besonders aber in den sp‰tern Zeiten seiner Leidenschaft f¸r Marianen, als er den ganzen Reichtum seines Gef¸hls auf sie hin¸bertrug und sich dabei als einen Bettler ansah, der von ihren Almosen lebte. Und wie uns eine Gegend reizender, ja allein reizend vorkommt, wenn sie von der Sonne beschienen wird, so war auch alles in seinen Augen verschˆnert und verherrlicht, was sie umgab, was sie ber¸hrte.

Wie oft stand er auf dem Theater hinter den W‰nden, wozu er sich das Privilegium von dem Direktor erbeten hatte! Dann war freilich die perspektivische Magie verschwunden, aber die viel m‰chtigere Zauberei der Liebe fing erst an zu wirken. Stundenlang konnte er am schmutzigen Lichtwagen stehen, den Qualm der Unschlittlampen einziehen, nach der Geliebten hinausblicken und, wenn sie wieder hereintrat und ihn freundlich ansah, sich in Wonne verloren dicht an dem Balken und Lattengerippe in einen paradiesischen Zustand versetzt f¸hlen. Die ausgestopften L‰mmchen, die Wasserf‰lle von Zindel, die pappenen Rosenstˆcke und die einseitigen Strohh¸tten erregten in ihm liebliche dichterische Bilder uralter Sch‰ferwelt. Sogar die in der N‰he h‰fllich erscheinenden T‰nzerinnen waren ihm nicht immer zuwider, weil sie auf einem Brette mit seiner Vielgeliebten standen. Und so ist es gewifl, dafl Liebe, welche Rosenlauben, Myrtenw‰ldchen und Mondschein erst beleben mufl, auch sogar Hobelsp‰nen und Papierschnitzeln einen Anschein belebter Naturen geben kann. Sie ist eine so starke W¸rze, dafl selbst schale und ekle Br¸hen davon schmackhaft werden.

Solch einer W¸rze bedurft es freilich, um jenen Zustand leidlich, ja in der Folge angenehm zu machen, in welchem er gewˆhnlich ihre Stube, ja gelegentlich sie selbst antraf.

In einem feinen B¸rgerhause erzogen, war Ordnung und Reinlichkeit das Element, worin er atmete, und indem er von seines Vaters Prunkliebe einen Teil geerbt hatte, wuflte er in den Knabenjahren sein Zimmer, das er als sein kleines Reich ansah, stattlich auszustaffieren. Seine Bettvorh‰nge waren in grofle Falten aufgezogen und mit Quasten befestigt, wie man Thronen vorzustellen pflegt; er hatte sich einen Teppich in die Mitte des Zimmers und einen feinern auf den Tisch anzuschaffen gewuflt; seine B¸cher und Ger‰tschaften legte und stellte er fast mechanisch so, dafl ein niederl‰ndischer Maler gute Gruppen zu seinen Stilleben h‰tte herausnehmen kˆnnen. Eine weifle M¸tze hatte er wie einen Turban zurechtgebunden und die ƒrmel seines Schlafrocks nach orientalischem Kost¸me kurz stutzen lassen. Doch gab er hiervon die Ursache an, dafl die langen, weiten ƒrmel ihn im Schreiben hinderten. Wenn er abends ganz allein war und nicht mehr f¸rchten durfte, gestˆrt zu werden, trug er gewˆhnlich eine seidene Sch‰rpe um den Leib, und er soll manchmal einen Dolch, den er sich aus einer alten R¸stkammer zugeeignet, in den G¸rtel gesteckt und so die ihm zugeteilten tragischen Rollen memoriert und probiert, ja in ebendem Sinne sein Gebet kniend auf dem Teppich verrichtet haben.

Wie gl¸cklich pries er daher in fr¸heren Zeiten den Schauspieler, den er im Besitz so mancher majest‰tischen Kleider, R¸stungen und Waffen und in steter ‹bung eines edlen Betragens sah, dessen Geist einen Spiegel des Herrlichsten und Pr‰chtigsten, was die Welt an Verh‰ltnissen, Gesinnungen und Leidenschaften hervorgebracht, darzustellen schien. Ebenso dachte sich Wilhelm auch das h‰usliche Leben eines Schauspielers als eine Reihe von w¸rdigen Handlungen und Besch‰ftigungen, davon die Erscheinung auf dem Theater die ‰uflerste Spitze sei, etwa wie ein Silber, das vom L‰uterfeuer lange herumgetrieben worden, endlich farbig-schˆn vor den Augen des Arbeiters erscheint und ihm zugleich andeutet, dafl das Metall nunmehr von allen fremden Zus‰tzen gereiniget sei.

Wie sehr stutzte er daher anfangs, wenn er sich bei seiner Geliebten befand und durch den gl¸cklichen Nebel, der ihn umgab, nebenaus auf Tische, St¸hle und Boden sah. Die Tr¸mmer eines augenblicklichen, leichten und falschen Putzes lagen, wie das gl‰nzende Kleid eines abgeschuppten Fisches, zerstreut in wilder Unordnung durcheinander. Die Werkzeuge menschlicher Reinlichkeit, als K‰mme, Seife, T¸cher, waren mit den Spuren ihrer Bestimmung gleichfalls nicht versteckt. Musik, Rollen und Schuhe, W‰sche und italienische Blumen, Etuis, Haarnadeln, Schminktˆpfchen und B‰nder, B¸cher und Strohh¸te, keines verschm‰hte die Nachbarschaft des andern, alle waren durch ein gemeinschaftliches Element, durch Puder und Staub, vereinigt. Jedoch da Wilhelm in ihrer Gegenwart wenig von allem andern bemerkte, ja vielmehr ihm alles, was ihr gehˆrte, sie ber¸hrt hatte, lieb werden muflte, so fand er zuletzt in dieser verworrenen Wirtschaft einen Reiz, den er in seiner stattlichen Prunkordnung niemals empfunden hatte. Es war ihm–wenn er hier ihre Schn¸rbrust wegnahm, um zum Klavier zu kommen, dort ihre Rˆcke aufs Bette legte, um sich setzen zu kˆnnen, wenn sie selbst mit unbefangener Freim¸tigkeit manches Nat¸rliche, das man sonst gegen einen andern aus Anstand zu verheimlichen pflegt, vor ihm nicht zu verbergen suchte–es war ihm, sag ich, als wenn er ihr mit jedem Augenblicke n‰her w¸rde, als wenn eine Gemeinschaft zwischen ihnen durch unsichtbare Bande befestigt w¸rde.

Nicht ebenso leicht konnte er die Auff¸hrung der ¸brigen Schauspieler, die er bei seinen ersten Besuchen manchmal bei ihr antraf, mit seinen Begriffen vereinigen. Gesch‰ftig im M¸fliggange, schienen sie an ihren Beruf und Zweck am wenigsten zu denken; ¸ber den poetischen Wert eines St¸ckes hˆrte er sie niemals reden und weder richtig noch unrichtig dar¸ber urteilen; es war immer nur die Frage: “Was wird das St¸ck machen? Ist es ein Zugst¸ck? Wie lange wird es spielen? Wie oft kann es wohl gegeben werden?” und was Fragen und Bemerkungen dieser Art mehr waren. Dann ging es gewˆhnlich auf den Direktor los, dafl er mit der Gage zu karg und besonders gegen den einen und den andern ungerecht sei, dann auf das Publikum, dafl es mit seinem Beifall selten den rechten Mann belohne, dafl das deutsche Theater sich t‰glich verbessere, dafl der Schauspieler nach seinen Verdiensten immer mehr geehrt werde und nicht genug geehrt werden kˆnne. Dann sprach man viel von Kaffeeh‰usern und Weing‰rten und was daselbst vorgefallen, wieviel irgendein Kamerad Schulden habe und Abzug leiden m¸sse, von Disproportion der wˆchentlichen Gage, von Kabalen einer Gegenpartei; wobei denn doch zuletzt die grofle und verdiente Aufmerksamkeit des Publikums wieder in Betracht kam und der Einflufl des Theaters auf die Bildung einer Nation und der Welt nicht vergessen wurde.

Alle diese Dinge, die Wilhelmen sonst schon manche unruhige Stunde gemacht hatten, kamen ihm gegenw‰rtig wieder ins Ged‰chtnis, als ihn sein Pferd langsam nach Hause trug und er die verschiedenen Vorf‰lle, die ihm begegnet waren, ¸berlegte. Die Bewegung, welche durch die Flucht eines M‰dchens in eine gute B¸rgerfamilie, ja in ein ganzes St‰dtchen gekommen war, hatte er mit Augen gesehen; die Szenen auf der Landstrafle und im Amthause, die Gesinnungen Melinas, und was sonst noch vorgegangen war, stellten sich ihm wieder dar und brachten seinen lebhaften, vordringenden Geist in eine Art von sorglicher Unruhe, die er nicht lange ertrug, sondern seinem Pferde die Sporen gab und nach der Stadt zu eilte.

Allein auch auf diesem Wege rannte er nur neuen Unannehmlichkeiten entgegen. Werner, sein Freund und vermutlicher Schwager, wartete auf ihn, um ein ernsthaftes, bedeutendes und unerwartetes Gespr‰ch mit ihm anzufangen.

Werner war einer von den gepr¸ften, in ihrem Dasein bestimmten Leuten, die man gewˆhnlich kalte Leute zu nennen pflegt, weil sie bei Anl‰ssen weder schnell noch sichtlich auflodern; auch war sein Umgang mit Wilhelmen ein anhaltender Zwist, wodurch sich ihre Liebe aber nur desto fester kn¸pfte: denn ungeachtet ihrer verschiedenen Denkungsart fand jeder seine Rechnung bei dem andern. Werner tat sich darauf etwas zugute, dafl er dem vortrefflichen, obgleich gelegentlich ausschweifenden Geist Wilhelms mitunter Z¸gel und Gebifl anzulegen schien, und Wilhelm f¸hlte oft einen herrlichen Triumph, wenn er seinen bed‰chtlichen Freund in warmer Aufwallung mit sich fortnahm. So ¸bte sich einer an dem andern, sie wurden gewohnt, sich t‰glich zu sehen, und man h‰tte sagen sollen, das Verlangen, einander zu finden, sich miteinander zu besprechen, sei durch die Unmˆglichkeit, einander verst‰ndlich zu werden, vermehrt worden. Im Grunde aber gingen sie doch, weil sie beide gute Menschen waren, nebeneinander, miteinander nach einem Ziel und konnten niemals begreifen, warum denn keiner den andern auf seine Gesinnung reduzieren kˆnne.

Werner bemerkte seit einiger Zeit, dafl Wilhelms Besuche seltner wurden, dafl er in Lieblingsmaterien kurz und zerstreut abbrach, dafl er sich nicht mehr in lebhafte Ausbildung seltsamer Vorstellungen vertiefte, an welcher sich freilich ein freies, in der Gegenwart des Freundes Ruhe und Zufriedenheit findendes Gem¸t am sichersten erkennen l‰flt. Der p¸nktliche und bed‰chtige Werner suchte anfangs den Fehler in seinem eignen Betragen, bis ihn einige Stadtgespr‰che auf die rechte Spur brachten und einige Unvorsichtigkeiten Wilhelms ihn der Gewiflheit n‰her f¸hrten. Er liefl sich auf eine Untersuchung ein und entdeckte gar bald, dafl Wilhelm vor einiger Zeit eine Schauspielerin ˆffentlich besucht, mit ihr auf dem Theater gesprochen und sie nach Hause gebracht habe; er w‰re trostlos gewesen, wenn ihm auch die n‰chtlichen Zusammenk¸nfte bekannt geworden w‰ren, denn er hˆrte, dafl Mariane ein verf¸hrerisches M‰dchen sei, die seinen Freund wahrscheinlich ums Geld bringe und sich noch nebenher von dem unw¸rdigsten Liebhaber unterhalten lasse.

Sobald er seinen Verdacht soviel mˆglich zur Gewiflheit erhoben, beschlofl er einen Angriff auf Wilhelmen und war mit allen Anstalten vˆllig in Bereitschaft, als dieser eben verdriefllich und verstimmt von seiner Reise zur¸ckkam.

Werner trug ihm noch denselbigen Abend alles, was er wuflte, erst gelassen, dann mit dem dringenden Ernste einer wohldenkenden Freundschaft vor, liefl keinen Zug unbestimmt und gab seinem Freunde alle die Bitterkeiten zu kosten, die ruhige Menschen an Liebende mit tugendhafter Schadenfreude so freigebig auszuspenden pflegen. Aber wie man sich denken kann, richtete er wenig aus. Wilhelm versetzte mit inniger Bewegung, doch mit grofler Sicherheit: “Du kennst das M‰dchen nicht! Der Schein ist vielleicht nicht zu ihrem Vorteil, aber ich bin ihrer Treue und Tugend so gewifl als meiner Liebe.”

Werner beharrte auf seiner Anklage und erbot sich zu Beweisen und Zeugen. Wilhelm verwarf sie und entfernte sich von seinem Freunde verdriefllich und ersch¸ttert wie einer, dem ein ungeschickter Zahnarzt einen schadhaften festsitzenden Zahn gefaflt und vergebens daran geruckt hat.

Hˆchst unbehaglich fand sich Wilhelm, das schˆne Bild Marianens erst durch die Grillen der Reise, dann durch Werners Unfreundlichkeit in seiner Seele getr¸bt und beinahe entstellt zu sehen. Er griff zum sichersten Mittel, ihm die vˆllige Klarheit und Schˆnheit wiederherzustellen, indem er nachts auf den gewˆhnlichen Wegen zu ihr hineilte. Sie empfing ihn mit lebhafter Freude; denn er war bei seiner Ankunft vorbeigeritten, sie hatte ihn diese Nacht erwartet, und es l‰flt sich denken, dafl alle Zweifel bald aus seinem Herzen vertrieben wurden. Ja, ihre Z‰rtlichkeit schlofl sein ganzes Vertrauen wieder auf, und er erz‰hlte ihr, wie sehr sich das Publikum, wie sehr sich sein Freund an ihr vers¸ndiget.

Mancherlei lebhafte Gespr‰che f¸hrten sie auf die ersten Zeiten ihrer Bekanntschaft, deren Erinnerung eine der schˆnsten Unterhaltungen zweier Liebenden bleibt. Die ersten Schritte, die uns in den Irrgarten der Liebe bringen, sind so angenehm, die ersten Aussichten so reizend, dafl man sie gar zu gern in sein Ged‰chtnis zur¸ckruft. Jeder Teil sucht einen Vorzug vor dem andern zu behalten, er habe fr¸her, uneigenn¸tziger geliebt, und jedes w¸nscht in diesem Wettstreite lieber ¸berwunden zu werden als zu ¸berwinden.

Wilhelm wiederholte Marianen, was sie schon so oft gehˆrt hatte, dafl sie bald seine Aufmerksamkeit von dem Schauspiel ab und auf sich allein gezogen habe, dafl ihre Gestalt, ihr Spiel, ihre Stimme ihn gefesselt; wie er zuletzt nur die St¸cke, in denen sie gespielt, besucht habe, wie er endlich aufs Theater geschlichen sei, oft, ohne von ihr bemerkt zu werden, neben ihr gestanden habe; dann sprach er mit Entz¸cken von dem gl¸cklichen Abende, an dem er eine Gelegenheit gefunden, ihr eine Gef‰lligkeit zu erzeigen und ein Gespr‰ch einzuleiten.

Mariane dagegen wollte nicht Wort haben, dafl sie ihn so lange nicht bemerkt h‰tte; sie behauptete, ihn schon auf dem Spaziergange gesehen zu haben, und bezeichnete ihm zum Beweis das Kleid, das er am selbigen Tage angehabt; sie behauptete, dafl er ihr damals vor allen andern gefallen und dafl sie seine Bekanntschaft gew¸nscht habe.

Wie gern glaubte Wilhelm das alles! Wie gern liefl er sich ¸berreden, dafl sie zu ihm, als er sich ihr gen‰hert, durch einen unwiderstehlichen Zug hingef¸hrt worden, dafl sie absichtlich zwischen die Kulissen neben ihn getreten sei, um ihn n‰her zu sehen und Bekanntschaft mit ihm zu machen, und dafl sie zuletzt, da seine Zur¸ckhaltung und Blˆdigkeit nicht zu ¸berwinden gewesen, ihm selbst Gelegenheit gegeben und ihn gleichsam genˆtigt habe, ein Glas Limonade herbeizuholen.

Unter diesem liebevollen Wettstreit, den sie durch alle kleinen Umst‰nde ihres kurzen Romans verfolgten, vergingen ihnen die Stunden sehr schnell, und Wilhelm verliefl vˆllig beruhigt seine Geliebte mit dem festen Vorsatze, sein Vorhaben unverz¸glich ins Werk zu richten.

I. Buch, 16. Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Was zu seiner Abreise nˆtig war, hatten Vater und Mutter besorgt; nur einige Kleinigkeiten, die an der Equipage fehlten, verzˆgerten seinen Aufbruch um einige Tage. Wilhelm benutzte diese Zeit, um an Marianen einen Brief zu schreiben, wodurch er die Angelegenheit endlich zur Sprache bringen wollte, ¸ber welche sie sich mit ihm zu unterhalten bisher immer vermieden hatte. Folgendermaflen lautete der Brief:

“Unter der lieben H¸lle der Nacht, die mich sonst in deinen Armen bedeckte, sitze ich und denke und schreibe an dich, und was ich sinne und treibe, ist nur um deinetwillen. O Mariane! mir, dem gl¸cklichsten unter den M‰nnern, ist es wie einem Br‰utigam, der ahnungsvoll, welch eine neue Welt sich in ihm und durch ihn entwickeln wird, auf den festlichen Teppichen steht und w‰hrend der heiligen Zeremonien sich gedankenvoll l¸stern vor die geheimnisreichen Vorh‰nge versetzt, woher ihm die Lieblichkeit der Liebe entgegens‰uselt.

Ich habe ¸ber mich gewonnen, dich in einigen Tagen nicht zu sehen; es war leicht in Hoffnung einer solchen Entsch‰digung, ewig mit dir zu sein, ganz der Deinige zu bleiben! Soll ich wiederholen, was ich w¸nsche? Und doch ist es nˆtig; denn es scheint, als habest du mich bisher nicht verstanden.

Wie oft habe ich mit leisen Tˆnen der Treue, die, weil sie alles zu halten w¸nscht, wenig zu sagen wagt, an deinem Herzen geforscht nach dem Verlangen einer ewigen Verbindung. Verstanden hast du mich gewifl: denn in deinem Herzen mufl ebender Wunsch keimen; vernommen hast du mich in jedem Kusse, in der anschmiegenden Ruhe jener gl¸cklichen Abende. Da lernt ich deine Bescheidenheit kennen, und wie vermehrte sich meine Liebe! Wo eine andere sich k¸nstlich betragen h‰tte, um durch ¸berfl¸ssigen Sonnenschein einen Entschlufl in dem Herzen ihres Liebhabers zur Reife zu bringen, eine Erkl‰rung hervorzulocken und ein Versprechen zu befestigen, eben da ziehst du dich zur¸ck, schlieflest die halbgeˆffnete Brust deines Geliebten wieder zu und suchst durch eine anscheinende Gleichg¸ltigkeit deine Beistimmung zu verbergen; aber ich verstehe dich! Welch ein Elender m¸flte ich sein, wenn ich an diesen Zeichen die reine, uneigenn¸tzige, nur f¸r den Freund besorgte Liebe nicht erkennen wollte! Vertraue mir und sei ruhig! Wir gehˆren einander an, und keins von beiden verl‰flt oder verliert etwas, wenn wir f¸reinander leben.

Nimm sie hin, diese Hand! feierlich noch dies ¸berfl¸ssige Zeichen! Alle Freuden der Liebe haben wir empfunden, aber es sind neue Seligkeiten in dem best‰tigten Gedanken der Dauer. Frage nicht, wie? Sorge nicht! Das Schicksal sorgt f¸r die Liebe, und um so gewisser, da Liebe gen¸gsam ist.

Mein Herz hat schon lange meiner Eltern Haus verlassen; es ist bei dir, wie mein Geist auf der B¸hne schwebt. O meine Geliebte! Ist wohl einem Menschen so gew‰hrt, seine W¸nsche zu verbinden, wie mir? Kein Schlaf kommt in meine Augen, und wie eine ewige Morgenrˆte steigt deine Liebe und dein Gl¸ck vor mir auf und ab.

Kaum dafl ich mich halte, nicht auffahre, zu dir hinrenne und mir deine Einwilligung erzwinge und gleich Morgen fr¸he weiter in die Welt nach meinem Ziele hinstrebe.–Nein, ich will mich bezwingen! Ich will nicht unbesonnen tˆrichte, verwegene Schritte tun; mein Plan ist entworfen, und ich will ihn ruhig ausf¸hren.

Ich bin mit Direktor Serlo bekannt, meine Reise geht gerade zu ihm, er hat vor einem Jahre oft seinen Leuten etwas von meiner Lebhaftigkeit und Freude am Theater gew¸nscht, und ich werde ihm gewifl willkommen sein; denn bei eurer Truppe mˆchte ich aus mehr als einer Ursache nicht eintreten; auch spielt Serlo so weit von hier, dafl ich anfangs meinen Schritt verbergen kann. Einen leidlichen Unterhalt finde ich da gleich; ich s‰he mich in dem Publiko um, lerne die Gesellschaft kennen und hole dich nach.

Mariane, du siehst, was ich ¸ber mich gewinnen kann, um dich gewifl zu haben; denn dich so lange nicht zu sehen, dich in der weiten Welt zu wissen! recht lebhaft darf ich mir’s nicht denken. Wenn ich mir dann aber wieder deine Liebe vorstelle, die mich vor allem sichert, wenn du meine Bitte nicht verschm‰hst, ehe wir scheiden, und du mir deine Hand vor dem Priester reichst, so werde ich ruhig gehen. Es ist nur eine Formel unter uns, aber eine so schˆne Formel, der Segen des Himmels zu dem Segen der Erde. In der Nachbarschaft, im Ritterschaftlichen, geht es leicht und heimlich an.

F¸r den Anfang habe ich Geld genug; wir wollen teilen, es wird f¸r uns beide hinreichen; ehe das verzehrt ist, wird der Himmel weiterhelfen.

Ja, Liebste, es ist mir gar nicht bange. Was mit so viel Frˆhlichkeit begonnen wird, mufl ein gl¸ckliches Ende erreichen. Ich habe nie gezweifelt, dafl man sein Fortkommen in der Welt finden kˆnne, wenn es einem Ernst ist, und ich f¸hle Mut genug, f¸r zwei, ja f¸r mehrere einen reichlichen Unterhalt zu gewinnen. Die Welt ist undankbar, sagen viele; ich habe noch nicht gefunden, dafl sie undankbar sei, wenn man auf die rechte Art etwas f¸r sie zu tun weifl. Mir gl¸ht die ganze Seele bei dem Gedanken, endlich einmal aufzutreten und den Menschen in das Herz hineinzureden, was sie sich so lange zu hˆren sehnen. Wie tausendmal ist es freilich mir, der ich von der Herrlichkeit des Theaters so eingenommen bin, bang durch die Seele gegangen, wenn ich die Elendesten gesehen habe sich einbilden, sie kˆnnten uns ein grofles, treffliches Wort ans Herz reden! Ein Ton, der durch die Fistel gezwungen wird, klingt viel besser und reiner; es ist unerhˆrt, wie sich diese Bursche in ihrer groben Ungeschicklichkeit vers¸ndigen.

Das Theater hat oft einen Streit mit der Kanzel gehabt; sie sollten, d¸nkt mich, nicht miteinander hadern. Wie sehr w‰re zu w¸nschen, dafl an beiden Orten nur durch edle Menschen Gott und Natur verherrlicht w¸rden! Es sind keine Tr‰ume, meine Liebste! Wie ich an deinem Herzen habe f¸hlen kˆnnen, dafl du in Liebe bist, so ergreife ich auch den gl‰nzenden Gedanken und sage–ich will’s nicht aussagen, aber hoffen will ich, dafl wir einst als ein Paar gute Geister den Menschen erscheinen werden, ihre Herzen aufzuschlieflen, ihre Gem¸ter zu ber¸hren und ihnen himmlische Gen¸sse zu bereiten, so gewifl mir an deinem Busen Freuden gew‰hrt waren, die immer himmlisch genannt werden m¸ssen, weil wir uns in jenen Augenblicken aus uns selbst ger¸ckt, ¸ber uns selbst erhaben f¸hlen.

Ich kann nicht schlieflen; ich habe schon zuviel gesagt und weifl nicht, ob ich dir schon alles gesagt habe, alles, was dich angeht: denn die Bewegung des Rades, das sich in meinem Herzen dreht, sind keine Worte vermˆgend auszudr¸cken.

Nimm dieses Blatt indes, meine Liebe! Ich habe es wieder durchgelesen und finde, dafl ich von vorne anfangen sollte; doch enth‰lt es alles, was du zu wissen nˆtig hast, was dir Vorbereitung ist, wenn ich bald mit Frˆhlichkeit der s¸flen Liebe an deinen Busen zur¸ckkehre. Ich komme mir vor wie ein Gefangener, der in einem Kerker lauschend seine Fesseln abfeilt. Ich sage gute Nacht meinen sorglos schlafenden Eltern!–Lebe wohl, Geliebte! Lebe wohl! F¸r diesmal schliefl ich; die Augen sind mir zwei-, dreimal zugefallen; es ist schon tief in der Nacht.”

I. Buch, 17. Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Der Tag wollte nicht endigen, als Wilhelm, seinen Brief schˆn gefaltet in der Tasche, sich zu Marianen hinsehnte; auch war es kaum d¸ster geworden, als er sich wider seine Gewohnheit nach ihrer Wohnung hinschlich. Sein Plan war: sich auf die Nacht anzumelden, seine Geliebte auf kurze Zeit wieder zu verlassen, ihr, eh er wegginge, den Brief in die Hand zu dr¸cken und, bei seiner R¸ckkehr in tiefer Nacht ihre Antwort, ihre Einwilligung zu erhalten oder durch die Macht seiner Liebkosungen zu erzwingen. Er flog in ihre Arme und konnte sich an ihrem Busen kaum wieder fassen. Die Lebhaftigkeit seiner Empfindungen verbarg ihm anfangs, dafl sie nicht wie sonst mit Herzlichkeit antwortete; doch konnte sie einen ‰ngstlichen Zustand nicht lange verbergen; sie sch¸tzte eine Krankheit, eine Unp‰fllichkeit vor; sie beklagte sich ¸ber Kopfweh, sie wollte sich auf den Vorschlag, dafl er heute nacht wiederkommen wolle, nicht einlassen. Er ahnte nichts Bˆses, drang nicht weiter in sie, f¸hlte aber, dafl es nicht die Stunde sei, ihr seinen Brief zu ¸bergeben. Er behielt ihn bei sich, und da verschiedene ihrer Bewegungen und Reden ihn auf eine hˆfliche Weise wegzugehen nˆtigten, ergriff er im Taumel seiner ungen¸gsamen Liebe eines ihrer Halst¸cher, steckte es in die Tasche und verliefl wider Willen ihre Lippen und ihre T¸re. Er schlich nach Hause, konnte aber auch da nicht lange bleiben, kleidete sich um und suchte wieder die freie Luft.

Als er einige Straflen auf und ab gegangen war, begegnete ihm ein Unbekannter, der nach einem gewissen Gasthofe fragte; Wilhelm erbot sich, ihm das Haus zu zeigen; der Fremde erkundigte sich nach dem Namen der Strafle, nach den Besitzern verschiedener groflen Geb‰ude, vor denen sie vorbeigingen, sodann nach einigen Polizeieinrichtungen der Stadt, und sie waren in einem ganz interessanten Gespr‰che begriffen, als sie am Tore des Wirtshauses ankamen. Der Fremde nˆtigte seinen F¸hrer, hineinzutreten und ein Glas Punsch mit ihm zu trinken; zugleich gab er seinen Namen an und seinen Geburtsort, auch die Gesch‰fte, die ihn hierhergebracht h‰tten, und ersuchte Wilhelmen um ein gleiches Vertrauen. Dieser verschwieg ebensowenig seinen Namen als seine Wohnung.

“Sind Sie nicht ein Enkel des alten Meisters, der die schˆne Kunstsammlung besafl?” fragte der Fremde.

“Ja, ich bin’s. Ich war zehn Jahre, als der Groflvater starb, und es schmerzte mich lebhaft, diese schˆnen Sachen verkaufen zu sehen.”

“Ihr Vater hat eine grofle Summe Geldes daf¸r erhalten.”

“Sie wissen also davon?”

“O ja, ich habe diesen Schatz noch in Ihrem Hause gesehen. Ihr Groflvater war nicht blofl ein Sammler, er verstand sich auf die Kunst, er war in einer fr¸hern, gl¸cklichen Zeit in Italien gewesen und hatte Sch‰tze von dort mit zur¸ckgebracht, welche jetzt um keinen Preis mehr zu haben w‰ren. Er besafl treffliche Gem‰lde von den besten Meistern; man traute kaum seinen Augen, wenn man seine Handzeichnungen durchsah; unter seinen Marmorn waren einige unsch‰tzbare Fragmente; von Bronzen besafl er eine sehr instruktive Suite; so hatte er auch seine M¸nzen f¸r Kunst und Geschichte zweckm‰flig gesammelt; seine wenigen geschnittenen Steine verdienten alles Lob; auch war das Ganze gut aufgestellt, wenngleich die Zimmer und S‰le des alten Hauses nicht symmetrisch gebaut waren.”

“Sie kˆnnen denken, was wir Kinder verloren, als alle die Sachen heruntergenommen und eingepackt wurden. Es waren die ersten traurigen Zeiten meines Lebens. Ich weifl noch, wie leer uns die Zimmer vorkamen, als wir die Gegenst‰nde nach und nach verschwinden sahen, die uns von Jugend auf unterhalten hatten und die wir ebenso unver‰nderlich hielten als das Haus und die Stadt selbst.”

“Wenn ich nicht irre, so gab Ihr Vater das gelˆste Kapital in die Handlung eines Nachbars, mit dem er eine Art Gesellschaftshandel einging.”

“Ganz richtig! und ihre gesellschaftlichen Spekulationen sind ihnen wohl gegl¸ckt; sie haben in diesen zwˆlf Jahren ihr Vermˆgen sehr vermehrt und sind beide nur desto heftiger auf den Erwerb gestellt; auch hat der alte Werner einen Sohn, der sich viel besser zu diesem Handwerke schickt als ich.”

“Es tut mir leid, dafl dieser Ort eine solche Zierde verloren hat, als das Kabinett Ihres Groflvaters war. Ich sah es noch kurz vorher, ehe es verkauft wurde, und ich darf wohl sagen, ich war Ursache, dafl der Kauf zustande kam. Ein reicher Edelmann, ein grofler Liebhaber, der aber bei so einem wichtigen Handel sich nicht allein auf sein eigen Urteil verliefl, hatte mich hierher geschickt und verlangte meinen Rat. Sechs Tage besah ich das Kabinett, und am siebenten riet ich meinem Freunde, die ganze geforderte Summe ohne Anstand zu bezahlen. Sie waren als ein munterer Knabe oft um mich herum; Sie erkl‰rten mir die Gegenst‰nde der Gem‰lde und wuflten ¸berhaupt das Kabinett recht gut auszulegen.”

“Ich erinnere mich einer solchen Person, aber in Ihnen h‰tte ich sie nicht wiedererkannt.”

“Es ist auch schon eine geraume Zeit, und wir ver‰ndern uns doch mehr oder weniger. Sie hatten, wenn ich mich recht erinnere, ein Lieblingsbild darunter, von dem Sie mich gar nicht weglassen wollten.”

“Ganz richtig! es stellte die Geschichte vor, wie der kranke Kˆnigssohn sich ¸ber die Braut seines Vaters in Liebe verzehrt.”

“Es war eben nicht das beste Gem‰lde, nicht gut zusammengesetzt, von keiner sonderlichen Farbe, und die Ausf¸hrung durchaus manieriert.”

“Das verstand ich nicht und versteh es noch nicht; der Gegenstand ist es, der mich an einem Gem‰lde reizt, nicht die Kunst.”

“Da schien Ihr Groflvater anders zu denken; denn der grˆflte Teil seiner Sammlung bestand aus trefflichen Sachen, in denen man immer das Verdienst ihres Meisters bewunderte, sie mochten vorstellen, was sie wollten; auch hing dieses Bild in dem ‰uflersten Vorsaale, zum Zeichen, dafl er es wenig sch‰tzte.”

“Da war es eben, wo wir Kinder immer spielen durften und wo dieses Bild einen unauslˆschlichen Eindruck auf mich machte, den mir selbst Ihre Kritik, die ich ¸brigens verehre, nicht auslˆschen kˆnnte, wenn wir auch jetzt vor dem Bilde st¸nden. Wie jammerte mich, wie jammert mich noch ein J¸ngling, der die s¸flen Triebe, das schˆnste Erbteil, das uns die Natur gab, in sich verschlieflen und das Feuer, das ihn und andere erw‰rmen und beleben sollte, in seinem Busen verbergen mufl, so dafl sein Innerstes unter ungeheuren Schmerzen verzehrt wird! Wie bedaure ich die Ungl¸ckliche, die sich einem andern widmen soll, wenn ihr Herz schon den w¸rdigen Gegenstand eines wahren und reinen Verlangens gefunden hat!”

“Diese Gef¸hle sind freilich sehr weit von jenen Betrachtungen entfernt, unter denen ein Kunstliebhaber die Werke grofler Meister anzusehen pflegt; wahrscheinlich w¸rde Ihnen aber, wenn das Kabinett ein Eigentum Ihres Hauses geblieben w‰re, nach und nach der Sinn f¸r die Werke selbst aufgegangen sein, so dafl Sie nicht immer nur sich selbst und Ihre Neigung in den Kunstwerken gesehen h‰tten.”

“Gewifl tat mir der Verkauf des Kabinetts gleich sehr leid, und ich habe es auch in reifern Jahren ˆfters vermiflt; wenn ich aber bedenke, dafl es gleichsam so sein muflte, um eine Liebhaberei, um ein Talent in mir zu entwickeln, die weit mehr auf mein Leben wirken sollten, als jene leblosen Bilder je getan h‰tten, so bescheide ich mich dann gern und verehre das Schicksal, das mein Bestes und eines jeden Bestes einzuleiten weifl.”

“Leider hˆre ich schon wieder das Wort Schicksal von einem jungen Manne aussprechen, der sich eben in einem Alter befindet, wo man gewˆhnlich seinen lebhaften Neigungen den Willen hˆherer Wesen unterzuschieben pflegt.”

“So glauben Sie kein Schicksal? Keine Macht, die ¸ber uns waltet und alles zu unserm Besten lenkt?”

“Es ist hier die Rede nicht von meinem Glauben, noch der Ort, auszulegen, wie ich mir Dinge, die uns allen unbegreiflich sind, einigermaflen denkbar zu machen suche; hier ist nur die Frage, welche Vorstellungsart zu unserm Besten gereicht. Das Gewebe dieser Welt ist aus Notwendigkeit und Zufall gebildet; die Vernunft des Menschen stellt sich zwischen beide und weifl sie zu beherrschen; sie behandelt das Notwendige als den Grund ihres Daseins; das Zuf‰llige weifl sie zu lenken, zu leiten und zu nutzen, und nur, indem sie fest und unersch¸tterlich steht, verdient der Mensch, ein Gott der Erde genannt zu werden. Wehe dem, der sich von Jugend auf gewˆhnt, in dem Notwendigen etwas Willk¸rliches finden zu wollen, der dem Zuf‰lligen eine Art von Vernunft zuschreiben mˆchte, welcher zu folgen sogar eine Religion sei. Heiflt das etwas weiter, als seinem eignen Verstande entsagen und seinen Neigungen unbedingten Raum geben? Wir bilden uns ein, fromm zu sein, indem wir ohne ‹berlegung hinschlendern, uns durch angenehme Zuf‰lle determinieren lassen und endlich dem Resultate eines solchen schwankenden Lebens den Namen einer gˆttlichen F¸hrung geben.”

“Waren Sie niemals in dem Falle, dafl ein kleiner Umstand Sie veranlaflte, einen gewissen Weg einzuschlagen, auf welchem bald eine gef‰llige Gelegenheit Ihnen entgegenkam und eine Reihe von unerwarteten Vorf‰llen Sie endlich ans Ziel brachte, das Sie selbst noch kaum ins Auge gefaflt hatten? Sollte das nicht Ergebenheit in das Schicksal, Zutrauen zu einer solchen Leitung einflˆflen?”

“Mit diesen Gesinnungen kˆnnte kein M‰dchen ihre Tugend, niemand sein Geld im Beutel behalten; denn es gibt Anl‰sse genug, beides loszuwerden. Ich kann mich nur ¸ber den Menschen freuen, der weifl, was ihm und andern n¸tze ist, und seine Willk¸r zu beschr‰nken arbeitet. Jeder hat sein eigen Gl¸ck unter den H‰nden, wie der K¸nstler eine rohe Materie, die er zu einer Gestalt umbilden will. Aber es ist mit dieser Kunst wie mit allen; nur die F‰higkeit dazu wird uns angeboren, sie will gelernt und sorgf‰ltig ausge¸bt sein.”

Dieses und mehreres wurde noch unter ihnen abgehandelt; endlich trennten sie sich, ohne dafl sie einander sonderlich ¸berzeugt zu haben schienen, doch bestimmten sie auf den folgenden Tag einen Ort der Zusammenkunft.

Wilhelm ging noch einige Straflen auf und nieder; er hˆrte Klarinetten, Waldhˆrner und Fagotte, es schwoll sein Busen. Durchreisende Spielleute machten eine angenehme Nachtmusik. Er sprach mit ihnen, und um ein St¸ck Geld folgten sie ihm zu Marianens Wohnung. Hohe B‰ume zierten den Platz vor ihrem Hause, darunter stellte er seine S‰nger; er selbst ruhte auf einer Bank in einiger Entfernung und ¸berliefl sich ganz den schwebenden Tˆnen, die in der rasenden Nacht um ihn s‰uselten. Unter den holden Sternen hingestreckt, war ihm sein Dasein wie ein goldner Traum. “Sie hˆrt auch diese Flˆten”, sagte er in seinem Herzen; “sie f¸hlt, wessen Andenken, wessen Liebe die Nacht wohlklingend macht; auch in der Entfernung sind wir durch diese Melodien zusammengebunden, wie in jeder Entfernung durch die feinste Stimmung der Liebe. Ach! zwei liebende Herzen, sie sind wie zwei Magnetuhren; was in der einen sich regt, mufl auch die andere mit bewegen, denn es ist nur eins, was in beiden wirkt, eine Kraft, die sie durchgeht. Kann ich in ihren Armen eine Mˆglichkeit f¸hlen, mich von ihr zu trennen? Und doch, ich werde fern von ihr sein, werde einen Heilort f¸r unsere Liebe suchen und werde sie immer mit mir haben.

Wie oft ist mir’s geschehen, dafl ich, abwesend von ihr, in Gedanken an sie verloren, ein Buch, ein Kleid oder sonst etwas ber¸hrte und glaubte, ihre Hand zu f¸hlen, so ganz war ich mit ihrer Gegenwart umkleidet. Und jener Augenblicke mich zu erinnern, die das Licht des Tages wie das Auge des kalten Zuschauers fliehen, die zu genieflen Gˆtter den schmerzlosen Zustand der reinen Seligkeit zu verlassen sich entschlieflen d¸rften!–Mich zu erinnern?–Als wenn man den Rausch des Taumelkelchs in der Erinnerung erneuern kˆnnte, der unsere Sinne, von himmlischen Banden umstrickt, aus aller ihrer Fassung reiflt.–Und ihre Gestalt–” Er verlor sich im Andenken an sie, seine Ruhe ging in Verlangen ¸ber, er umfaflte einen Baum, k¸hlte seine heifle Wange an der Rinde, und die Winde der Nacht saugten begierig den Hauch auf, der aus dem reinen Busen bewegt hervordrang. Er f¸hlte nach dem Halstuch, das er von ihr mitgenommen hatte, es war vergessen, es steckte im vorigen Kleide. Seine Lippen lechzten, seine Glieder zitterten vor Verlangen.

Die Musik hˆrte auf, und es war ihm, als w‰r er aus dem Elemente gefallen, in dem seine Empfindungen bisher emporgetragen wurden. Seine Unruhe vermehrte sie, da seine Gef¸hle nicht mehr von den sanften Tˆnen gen‰hrt und gelindert wurden. Er setzte sich auf ihre Schwelle nieder und war schon mehr beruhigt. Er k¸flte den messingen Ring, womit man an ihre T¸re pochte, er k¸flte die Schwelle, ¸ber die ihre F¸fle aus- und eingingen, und erw‰rmte sie durch das Feuer seiner Brust. Dann safl er wieder eine Weile stille und dachte sie hinter ihren Vorh‰ngen, im weiflen Nachtkleide mit dem roten Band um den Kopf, in s¸fler Ruhe und dachte sich selbst so nahe zu ihr hin, dafl ihm vorkam, sie m¸flte nun von ihm tr‰umen. Seine Gedanken waren lieblich wie die Geister der D‰mmerung; Ruhe und Verlangen wechselten in ihm; die Liebe lief mit schaudernder Hand tausendf‰ltig ¸ber alle Saiten seiner Seele; es war, als wenn der Gesang der Sph‰ren ¸ber ihm stille st¸nde, um die leisen Melodien seines Herzens zu belauschen.

H‰tte er den Hauptschl¸ssel bei sich gehabt, der ihm sonst Marianens T¸re ˆffnete, er w¸rde sich nicht gehalten haben, w¸rde ins Heiligtum der Liebe eingedrungen sein. Doch er entfernte sich langsam, schwankte halb tr‰umend unter den B‰umen hin, wollte nach Hause und ward immer wieder umgewendet; endlich, als er’s ¸ber sich vermochte, ging und an der Ecke noch einmal zur¸cksah, kam es ihm vor, als wenn Marianens T¸re sich ˆffnete und eine dunkle Gestalt sich herausbewegte. Er war zu weit, um deutlich zu sehen, und eh er sich faflte und recht aufsah, hatte sich die Erscheinung schon in der Nacht verloren; nur ganz weit glaubte er sie wieder an einem weiflen Hause vorbeistreifen zu sehen. Er stund und blinzte, und ehe er sich ermannte und nacheilte, war das Phantom verschwunden. Wohin sollt er ihm folgen? Welche Strafle hatte den Menschen aufgenommen, wenn es einer war?

Wie einer, dem der Blitz die Gegend in einem Winkel erhellte, gleich darauf mit geblendeten Augen die vorigen Gestalten, den Zusammenhang der Pfade in der Finsternis vergebens sucht, so war’s vor seinen Augen, so war’s in seinem Herzen. Und wie ein Gespenst der Mitternacht, das ungeheure Schrecken erzeugt, in folgenden Augenblicken der Fassung f¸r ein Kind des Schreckens gehalten wird und die f¸rchterliche Erscheinung Zweifel ohne Ende in der Seele zur¸ckl‰flt, so war auch Wilhelm in der grˆflten Unruhe, als er, an einen Eckstein gelehnt, die Helle des Morgens und das Geschrei der H‰hne nicht achtete, bis die fr¸hen Gewerbe lebendig zu werden anfingen und ihn nach Hause trieben.

Er hatte, wie er zur¸ckkam, das unerwartete Blendwerk mit den triftigsten Gr¸nden beinahe aus der Seele vertrieben; doch die schˆne Stimmung der Nacht, an die er jetzt auch nur wie an eine Erscheinung zur¸ckdachte, war auch dahin. Sein Herz zu letzen, ein Siegel seinem wiederkehrenden Glauben aufzudr¸cken, nahm er das Halstuch aus der vorigen Tasche. Das Rauschen eines Zettels, der herausfiel, zog ihm das Tuch von den Lippen; er hob auf und las:

“So hab ich dich lieb, kleiner Narre! Was war dir auch gestern? Heute nacht komm ich zu dir. Ich glaube wohl, dafl dir’s leid tut, von hier wegzugehen; aber habe Geduld; auf die Messe komm ich dir nach. Hˆre, tu mir nicht wieder die schwarzgr¸nbraune Jacke an, du siehst drin aus wie die Hexe von Endor. Hab ich dir nicht das weifle NegligË darum geschickt, dafl ich ein weifles Sch‰fchen in meinen Armen haben will? Schick mir deine Zettel immer durch die alte Sibylle; die hat der Teufel selbst zur Iris bestellt.”